WISSENSCHAFT - Zeitschrift für Physiotherapeuten

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30.08.2013 Aufrufe

PRAXIS PRAXIS_WISSENSCHAFT TRANSFER Behandlungserfolg durch Planungsintervention? Aus zwei Perspektiven berichtet Thomas Messner, Nils Boettcher Im narrativen Review ab Seite 6 werden unterschiedliche Theorien zur Erklärung gesundheitlicher Verhaltensweisen thematisiert, die sich un - ter anderem im bewegungstherapeutischen Setting bewährt haben. Das sogenannte sozialkognitive Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach – HAPA) bietet PhysiotherapeutInnen die Möglichkeit, therapiespezifisches Verhalten nachhaltig zu beeinflussen und die Adherence des Patienten zu verbessern. Eine fiktive Geschichte – zuerst aus Patientensicht und danach aus der Perspektive einer Therapeutin erzählt – verdeutlicht, dass es bereits mit ganz einfachen Strategien möglich sein kann, das Patientenverhalten positiv zu beeinflussen. Patientenperspektive Mein Name ist Paul Chroniker. Vielleicht kennen Sie mich. Es könnte sogar sein, dass ich schon mal bei Ihnen in der Praxis war. Ja, ich war neulich wieder bei der Physiotherapie. Ich hatte es im Rü - cken, das kommt bei mir häufiger vor. Dazu möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Nachdem mich meine Therapeutin durchgecheckt hatte, sagte sie mir, ich solle Übungen machen. Das fand ich gut. Ich war motiviert und wollte ja auch was tun. Gleich in der zweiten Sitzung sind wir gemeinsam einige Übungen durchgegangen und ich glaube, ich konnte sie auch ganz gut umsetzen. Gut, ich bin nicht der Gelenkigste – aber ja auch keine zwanzig mehr. Als ich in der zweiten Woche wieder bei ihr war, fragte sie mich, ob ich alle Hausaufgaben gemacht hätte. Ich muss - te gestehen, dass ich nicht dazu gekommen war. Ich hatte viel zu tun gehabt. Die Arbeit im Betrieb, die Vereinssitzung und die Familienfeier. Meine Therapeutin hatte Verständnis, meinte aber, ich sollte meine Übungen doch bitte machen, denn die seien schließlich gut für mich. Das versprach ich ihr. Drei Tage später ging ich mit schlechtem Gewissen in die Praxis. Sie wollen den Grund wissen? Ich hatte wieder nichts gemacht, aber genügend Entschuldigungen. Es war sehr schönes Wetter und ich war am Badesee gewesen. Den Tag darauf musste ich das Fahrrad von meinem Nachbarn reparieren – der kann das ja nicht. Und so weiter ..., Sie kennen das. Ich verzweifelte fast, als ich in der fünften Behandlung immer noch nichts zu Hause umgesetzt hatte. Stimmte etwas an meiner Einstellung nicht? Ich war doch motiviert und fand die Übungen eigentlich klasse. Meine Therapeutin zog daraufhin ein Formular heraus, das ich ausfüllen sollte (Abb. 1). Ich sah den Nutzen und fühlte mich gut, denn jetzt war ich mir sicher, den anderen verlockenden Aktivitäten wi der stehen zu können. Auch die Idee, bereits im Vorfeld auf mögliche Hindernisse einzugehen, fand ich einleuchtend und hilfreich. In der sechsten Behandlung war es endlich soweit. Ich berichtete von meinen Umsetzungserfolgen. Ich hatte tatsächlich alle Übungen durchgeführt, die ich mir vorgenommen hatte. Das war gar nicht so schwer. Ich denke, dass ich meine Übungen in Zukunft auf diese Weise sicherlich regelmäßig durchführen kann. 38 pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_61 [2009] 1

Lieber Herr Chroniker, wir haben gemeinsam einige Übungsformen miteinander besprochen und Sie haben diese in der Therapie sehr erfolgreich bewältigt. Ich möchte Ihnen nun helfen, dass Sie Ihre Übungen auch ohne meine Unterstützung alleine durchführen können. Bitte füllen Sie einfach die frei stehenden Zeilen möglichst konkret aus: Wann wollen Sie die Übungen in Zukunft durchführen? Wo werden Sie künftig Ihre Übungen durchführen? Wie genau werden Sie die Übungen durchführen? Damit der »Plan« aufgeht, sind noch weitere Informationen wichtig. Bitte notieren Sie kritische Situationen, die Sie konkret an der Umsetzung hindern könnten in die linke Spalte. Überlegen Sie nun, was Sie tun können, um diese Hindernisse meistern zu können und tragen Sie Ihren Plan in die rechte Spalte ein. Ich hoffe unser Plan bringt Sie weiter! Therapeutenperspektive Mein Name ist Clara, ich bin Physiotherapeutin. Ich hatte letztens einen Rü - ckenschmerzpatienten, davon muss ich Ihnen erzählen. Herr Chroniker kommt immer regelmäßig, wenn seine Schmerzen stärker werden. Wir bekommen das meistens dann auch schnell wieder hin, aber die Stabilisierung des Therapieerfolges geht immer etwas schleppend. So war es auch dieses Mal. Ich habe ihm im Anschluss an die Therapie ein paar Hindernis: Strategie: Abb. 1_Beispiel für eine Planungsintervention, die bei einem Patienten, der bereits eine feste Absicht gefasst hat, wirksam sein kann Übungen mitgegeben, die er alleine durchführen sollte. Bei solchen Hausaufgaben beschleicht mich immer ein ungutes Gefühl, denn die meisten Patienten machen alleine ja nichts. Aber Herr Chroniker schien mir wirklich motiviert und er fragte auch selbst nach Übungen. Ich hatte also Grund zur Hoffnung, dass er aktiv werden würde. Aber zu meiner Enttäuschung hatte Herr Chroniker bei jedem Termin andere Ausreden parat. Die Familienfeier und die Arbeit waren PRAXIS_WISSENSCHAFT TRANSFER ihm wichtiger und sogar das Bad in der Sonne zog er vor. So ging das weiter, Termin für Termin. Das kennen Sie, da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Irgendwann resigniert man dann eben. Und genau das wollte ich auch tun. Dann habe ich jedoch bei einer Fortbildung eine Kollegin getroffen, die mir einiges über Planungsstrategien erzählte. Das hörte sich zwar ganz nett an, aber so richtig daran geglaubt habe ich nicht. Als dann gleich am Montag früh Herr Chroniker in die Praxis kam – dieses Mal erzählte er mir von einer zeitaufwändigen Fahrradreparatur – dachte ich mir, das probiere ich jetzt aus. Ich habe ihm ein kleines Formular gegeben (Abb. 1) und ihn gebeten es auszufüllen. Herr Chroniker macht das sowieso nicht, dachte ich mir. Doch als er eine Woche später wieder kam, glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen. Scheinbar brachte diese Maßnahme ihn tatsächlich weiter: er hatte geübt und sogar Muskelkater! Ich war völlig erstaunt und habe mir fest vorgenommen, weiter mit dieser Maßnahme zu experimen - tieren. Vielleicht haben auch Sie einen Paul Chroniker. Stets bemüht und eigentlich motiviert, doch mit der Umsetzung hapert es. Mein Plan für die Zukunft: »Lassen Sie ihn doch einfach planen!« Planungsinterventionen für »Intender« Sie denken, das war nur eine Geschichte? Ganz richtig, Clara und Paul sind erfundene Charaktere. Planungsinterventionen funktionieren aber auch in der Realität. Aus zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, dass diese bei sogenannten »Intendern« (also Patienten mit fes - ten Absichten) fruchtbar sind und zur Umsetzung des geplanten Verhaltens beitragen (Überblick: Schwarzer >>> pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_61 [2009] 1 39

Lieber Herr Chroniker,<br />

wir haben gemeinsam einige Übungsformen miteinander besprochen<br />

und Sie haben diese in der Therapie sehr erfolgreich bewältigt.<br />

Ich möchte Ihnen nun helfen, dass Sie Ihre Übungen auch ohne<br />

meine Unterstützung alleine durchführen können.<br />

Bitte füllen Sie einfach die frei stehenden Zeilen möglichst konkret aus:<br />

Wann wollen Sie die Übungen in Zukunft durchführen?<br />

Wo werden Sie künftig Ihre Übungen durchführen?<br />

Wie genau werden Sie die Übungen durchführen?<br />

Damit der »Plan« aufgeht, sind noch weitere Informationen wichtig.<br />

Bitte notieren Sie kritische Situationen,<br />

die Sie konkret an der Umsetzung hindern könnten in die linke Spalte.<br />

Überlegen Sie nun, was Sie tun können, um diese Hindernisse meistern zu können<br />

und tragen Sie Ihren Plan in die rechte Spalte ein.<br />

Ich hoffe unser Plan bringt Sie weiter!<br />

Therapeutenperspektive<br />

Mein Name ist Clara, ich bin Physiotherapeutin.<br />

Ich hatte letztens einen Rü -<br />

ckenschmerzpatienten, davon muss ich<br />

Ihnen erzählen. Herr Chroniker kommt<br />

immer regelmäßig, wenn seine Schmerzen<br />

stärker werden. Wir bekommen das<br />

meistens dann auch schnell wieder hin,<br />

aber die Stabilisierung des Therapieerfolges<br />

geht immer etwas schleppend. So<br />

war es auch dieses Mal. Ich habe ihm im<br />

Anschluss an die Therapie ein paar<br />

Hindernis: Strategie:<br />

Abb. 1_Beispiel <strong>für</strong> eine Planungsintervention, die bei einem Patienten, der bereits eine<br />

feste Absicht gefasst hat, wirksam sein kann<br />

Übungen mitgegeben, die er alleine<br />

durchführen sollte. Bei solchen Hausaufgaben<br />

beschleicht mich immer ein ungutes<br />

Gefühl, denn die meisten Patienten<br />

machen alleine ja nichts. Aber Herr<br />

Chroniker schien mir wirklich motiviert<br />

und er fragte auch selbst nach Übungen.<br />

Ich hatte also Grund zur Hoffnung, dass<br />

er aktiv werden würde. Aber zu meiner<br />

Enttäuschung hatte Herr Chroniker bei<br />

jedem Termin andere Ausreden parat.<br />

Die Familienfeier und die Arbeit waren<br />

PRAXIS_<strong>WISSENSCHAFT</strong> TRANSFER<br />

ihm wichtiger und sogar das Bad in der<br />

Sonne zog er vor. So ging das weiter, Termin<br />

<strong>für</strong> Termin. Das kennen Sie, da<br />

erzähle ich Ihnen nichts Neues. Irgendwann<br />

resigniert man dann eben. Und<br />

genau das wollte ich auch tun.<br />

Dann habe ich jedoch bei einer Fortbildung<br />

eine Kollegin getroffen, die mir<br />

einiges über Planungsstrategien erzählte.<br />

Das hörte sich zwar ganz nett an,<br />

aber so richtig daran geglaubt habe ich<br />

nicht. Als dann gleich am Montag früh<br />

Herr Chroniker in die Praxis kam – dieses<br />

Mal erzählte er mir von einer zeitaufwändigen<br />

Fahrradreparatur – dachte<br />

ich mir, das probiere ich jetzt aus. Ich<br />

habe ihm ein kleines Formular gegeben<br />

(Abb. 1) und ihn gebeten es auszufüllen.<br />

Herr Chroniker macht das sowieso<br />

nicht, dachte ich mir. Doch als er eine<br />

Woche später wieder kam, glaubte ich<br />

meinen Ohren nicht zu trauen. Scheinbar<br />

brachte diese Maßnahme ihn tatsächlich<br />

weiter: er hatte geübt und sogar<br />

Muskelkater! Ich war völlig erstaunt<br />

und habe mir fest vorgenommen, weiter<br />

mit dieser Maßnahme zu experimen -<br />

tieren.<br />

Vielleicht haben auch Sie einen Paul<br />

Chroniker. Stets bemüht und eigentlich<br />

motiviert, doch mit der Umsetzung<br />

hapert es. Mein Plan <strong>für</strong> die Zukunft:<br />

»Lassen Sie ihn doch einfach planen!«<br />

Planungsinterventionen<br />

<strong>für</strong> »Intender«<br />

Sie denken, das war nur eine Geschichte?<br />

Ganz richtig, Clara und Paul sind<br />

erfundene Charaktere. Planungsinterventionen<br />

funktionieren aber auch in der<br />

Realität. Aus zahlreichen Untersuchungen<br />

ist bekannt, dass diese bei sogenannten<br />

»Intendern« (also Patienten mit fes -<br />

ten Absichten) fruchtbar sind und zur<br />

Umsetzung des geplanten Verhaltens<br />

beitragen (Überblick: Schwarzer >>><br />

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