Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
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1. MISSVERSTÄNDNISSE<br />
Zum Spannungsverhältnis Kirche-Wirtschaft<br />
Nach einem tief verwurzelten Vorurteil betreiben nicht nur Politiker, sondern auch Unternehmer<br />
ein „schmutziges Geschäft“. Ein moralischer Unternehmer sei so etwas wie ein „hölzernes Eisen“,<br />
heißt es. Von leitenden Persönlichkeiten in der Wirtschaft erwartet man eher eine robuste, nicht<br />
von moralischen Skrupeln geplagte Wolfsnatur, die sich im Dschungelkampf des Wettbewerbs<br />
behaupten kann. In der Karikatur erscheint der Ellbogen als vorherrschendes Organ - oder man<br />
sieht den Unternehmer zigarrerauchend auf dem Sofa sitzen und Coupons schneiden.<br />
Suche nach Sündenböcken?<br />
Öffentliche Meinungsmacher berichten „kritisch“ und vor allem genüßlich über wirtschaftskriminelle<br />
Skandale. Der moralische Zeigefinger weist auf „typisch unternehmerische“ Laster hin.<br />
Da ist von Habsucht, Profitgier und Ausbeutung die Rede. Auch das Machtstreben gilt als eine<br />
besondere Untugend der Unternehmer, die nach Marktbeherrschung drängen, und deren Rücksichtslosigkeit<br />
die Solidarität zerstöre. Nicht den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften, sondern<br />
vor allem den Unternehmern wird die moralische Devise entgegengehalten: Mehr Sein als<br />
Haben! Während die Kapitaleigner und Manager angeblich nur ihre eigenen Interessen im Blick<br />
haben, vermutet man bei den Vertretern der Arbeitnehmer schon eher einen höheren Sinn für soziale<br />
Gerechtigkeit und Gemeinwohl.<br />
Gegenstand der moralisierenden Kritik ist hier vor allem das Verhalten einzelner Entscheidungsträger<br />
in der Wirtschaft, wobei die Sach-Gegebenheiten und Ordnungsbedingungen, unter denen<br />
Unternehmer zu entscheiden und zu handeln haben, weitgehend außer Acht gelassen werden. Zum<br />
sachfremden Moralisieren fühlen sich vor allem jene berufen, die sich rigoristisch auf eine religiös<br />
begründete Individual- und Gruppenmoral berufen. Gerade gewissen kirchlichen Kreisen dient<br />
diese Kritik als Vorwand, ihre Weltfremdheit und Wirtschaftsverdrossenheit zu pflegen, - oder als<br />
bequeme Ausrede, sich nicht mit der Übernahme unternehmerischer Verantwortung moralisch zu<br />
gefährden.<br />
Überdies eignen sich Unternehmer vorzüglich als Sündenböcke für alle möglichen strukturellen<br />
Missstände. Nicht selten werden sie für die Arbeitslosigkeit, die Umweltverschmutzung und das<br />
Elend der Dritten Welt verantwortlich gemacht. Hinter diesen Vorwürfen wird meist eine Strukturkritik<br />
sichtbar, die in den Unternehmern keine verantwortlich handelnden Subjekte, sondern<br />
lediglich Repräsentanten eines Systems erblickt, Symbole der „Technokratie“ oder des „Kapitalismus“.<br />
Die moralische Unterscheidung zwischen gut und böse setzt hier nicht an Personen und<br />
ihren Handlungen an, sondern wird direkt auf bestimmte Strukturen übertragen, in denen das Böse<br />
(Kapitalismus) oder das Gute (Sozialismus) wohnt Kirchliche Randgruppen, die sich auf marxistisch<br />
eingefärbte Varianten der „Theologie der Befreiung“ berufen, scheinen für diese ideologische<br />
Vereinfachung besonders anfällig zu sein, wenn sie den religiösen Dualismus von Himmel und<br />
Hölle auf die Erde projizieren.<br />
Moralische Glaubwürdigkeit<br />
So pharisäerhaft die moralisierende Kritik und so wirklichkeitsfremd die Systemkritik manchmal<br />
anmuten, die damit Angesprochenen können sie auch als positive Herausforderung begreifen.<br />
Nämlich als Chance, im Interesse ihrer eigenen Wertorientierung und Glaubwürdigkeit einmal<br />
darüber nachzudenken, worin der Sinn und Zweck ihres Tuns und Lassens besteht. Dickfellige,<br />
erfolgsorientierte Pragmatiker in Wirtschaft und Politik reagieren leider oft erst auf dramatisch<br />
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