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Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis

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ten, verbunden mit hedonistischen Einstellungen. Bevorzugt werden kleinere Lebenskreise, die<br />

Überschaubarkeit und Geborgenheit gewährleisten. Im Zeitalter der auch technisch bedingten Individualisierung<br />

und Differenzierung scheint die Epoche der großen Massenorganisationen und<br />

Superstrukturen zu Ende zu gehen. Dezentralisierung ist das magische Stichwort der Gegenwart.<br />

Darin mag man durchaus eine Tendenz erblicken, die dem Prinzip der Subsidiarität entgegenkommt.<br />

Hingegen könnte im Zuge der Individualisierung die Solidarität zu einer Mangelware werden. In<br />

allen gesellschaftlichen Bereichen hat die Stabilität sozialer Beziehungen abgenommen. Man<br />

spricht von einer Krise sämtlicher sozialer Bindungen und Institutionen, auch im Zusammenhang<br />

mit der Volkskirche. In der „offenen Gesellschaft“ scheint auch das Gefüge weltanschaulicher<br />

Blöcke immer mehr zu zerbröckeln, was zu einer erheblichen Pluralisierung der Wertvorstellungen<br />

und zu einem wachsenden Gruppenpluralismus geführt hat. Diese Entwicklung wäre kaum möglich<br />

gewesen ohne die entlastenden Fortschritte der Technik, aber auch nicht ohne den Massenwohlstand<br />

und die Arbeitszeitverkürzungen, die uns überdies zu einer „Freizeitgesellschaft“ führen.<br />

Neue Aufgaben<br />

Der skizzierte Wert- und Strukturwandel, der sich demoskopisch und empirisch belegen lässt, bedarf<br />

freilich selber der sozialethischen Legitimation und Kontrolle, der Bewertung nach Wertkriterien,<br />

die dem geschichtlichen Wandel einigermaßen enthoben sind. Auf dem unübersichtlichen<br />

Jahrmarkt der Werte, die nach Angebot und Nachfrage beliebig gehandelt werden, muss sich auch<br />

die Katholische Soziallehre plausibel machen und zur Wahl stellen, zumal mit Traditions- und<br />

Autoritätsargumenten nichts mehr auszurichten ist.<br />

Was auch immer modisch unter dem „postmodernen Epochenwandel“ zu verstehen ist, der Sinn<br />

für „ganzheitliche“ Orientierungen und die Suche nach normativen Vorgegebenheiten und Regelkreisen<br />

nehmen zu, wie die Diskussion um einen ökologisch gefassten Naturbegriff zeigt. Dieses<br />

neue „grüne“ Naturrechtsdenken bzw. Angstempfinden ist problematisch genug, vor allem, wenn<br />

es die Grundlagen der menschlichen Rationalität und Freiheit deterministisch zu zerstören droht,<br />

aber andererseits eine interessante Herausforderung für die Naturrechtstradition der Katholischen<br />

Soziallehre, welche den ökologischen Aspekt stärker schöpfungstheologisch integrieren und zur<br />

Geltung bringen könnte. Für moralische und sozialethische Fragen dieser und anderer Art herrscht<br />

gegenwärtig ein überaus günstiges Klima.<br />

Wenn auch die quantitativen Leistungsgrenzen des Sozialstaates erreicht sein mögen, so ist doch<br />

sein qualitativer Umbau im Sinne einer subsidiären Auflockerung in vollem Gange. Auch hier<br />

eröffnen sich neue Aufgaben, an denen sich die soziale und caritative Wertkompetenz der Kirche<br />

bewähren kann.<br />

Weltweit sind die realsozialistischen Experimente gescheitert und haben vor allem im ehemaligen<br />

Ostblock ein gewaltiges Trümmerfeld hinterlassen. Der Marxismus in seinen philosophischen,<br />

ökonomischen und politischen Varianten ist zur Bedeutungslosigkeit zusammengeschrumpft.<br />

Wenn man nach der Gunst der Stunde für die Kirche und ihre Sozialbewegung fragt, so sind es<br />

fast immer die Zeiten des Zusammenbruchs, des Aufbruchs und des Umbruchs gewesen, in denen<br />

allgemeine und klare Wertorientierungen gefragt waren. Wenn eine positivistische Unrechtsordnung<br />

sich ausgetobt und einen großen moralischen Scherbenhaufen hinterlassen hat, erlebt das<br />

Naturrecht eine Renaissance. Auch scheint das religiöse und soziale Engagement der Kirche dort<br />

besonders aussichtsreich zu sein, wo sie vorher unterdrückt worden ist. Das gilt gerade auch für<br />

die ehemalige DDR, wo die Katholische Soziallehre auf großes Interesse stößt und in ein Wertevakuum<br />

eindringen könnte. Überdies ist das Ringen um die soziale Gerechtigkeit angesichts der<br />

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