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Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis

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Vermittlungsprobleme<br />

Zu vermitteln sind nämlich, um das einmal aufzulisten, Glaube und Vernunft, Offenbarung und<br />

Naturrecht, Theologie und Philosophie, Dogma und Handlungsnorm, Morallehre und Sozialethik,<br />

Sozialgeschichte und Gegenwart - unter jeweiliger Einbeziehung von Anthropologie, Jurisprudenz,<br />

Soziologie, Politologie und Ökonomie, wobei hier jeweils der Pluralismus verschiedener Ansätze<br />

zu berücksichtigen wäre. Aber welche sind tauglich für die Vermittlung der sozialen Botschaft der<br />

Kirche?<br />

Erschwerend hinzu kommt noch die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften und der Technik,<br />

die verstärkt zum Einzugsbereich der Soziallehre gehören, wenn diese sich über drängende ökologische<br />

Probleme und zu aktuellen Fragen einer verantwortbaren Technik äußert (vgl. 10. Kapitel).<br />

Die Berücksichtigung der einzelnen Fachwissenschaften ist schon deshalb unumgänglich, weil die<br />

vom Konzil geforderte Respektierung der Sachgesetzlichkeiten und der (relativen) „Autonomie<br />

der irdischen Wirklichkeiten“ die genaue Kenntnis derselben voraussetzt.<br />

Die Beschäftigung mit den Natur- und Sozialwissenschaften lässt die Grenzen zwischen dem moralisch<br />

Wünschenswerten und dem politisch Machbaren leichter erkennen. Notwendig ist die Erörterung<br />

der Ziel-Mittel-Relation, weil sich damit die möglichen Folgen einer gut gemeinten Handlung<br />

und die Wirkungsweisen von Strukturveränderungen leichter abschätzen lassen - im Sinne<br />

einer Verantwortungsethik, welche die Handlungsfolgen in den Blick nimmt und zu bewerten hat.<br />

Verhindert wird damit ein bloß gesinnungstüchtiges, sachfremdes Moralisieren sowie eine unfruchtbare<br />

Protest- und Betroffenheitsattitüde, welche in kirchlichen Kreisen oft anzutreffen ist.<br />

Die Vermittlung der Katholischen Soziallehre bedeutet mehr als nur ihre Verbreitung, die einseitige<br />

Propagierung ihrer Vorstellungen. Es geht nicht nur darum, eine vorgegebene Lehre wie eine<br />

Gebrauchsanweisung anzuwenden oder in die Praxis umzusetzen. Vermittlung heißt immer auch<br />

Verdeutlichung, Interpretation und Selektion. Die Soziallehre zu verstehen und verständlich zu<br />

machen ist dabei kein rein kognitiver Vorgang, sondern hängt auch mit praktischen Erfahrungen<br />

und Überzeugungen zusammen. Vermittlung hat etwas mit Kommunikation zu tun, mit einem<br />

wechselseitigen Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft. Der Dialog sucht nach einem gemeinsamen<br />

Sinnbestand, ohne vorschnelle Preisgabe des Wahrheitsanspruchs, der aber auch nicht<br />

rechthaberisch ins Spiel gebracht werden darf. Allerdings setzt eine gelingende Kommunikation<br />

über konkrete Fragen nicht bloße Herrschaftsfreiheit voraus, sondern die konsensgetragene Geltung<br />

bestimmter Grundwerte.<br />

Die oft als mangelhaft kritisierte soziale Praxis der Kirche, ihr vermeintliches Versagen in der Geschichte<br />

ist nicht notwendig auf eine fehlerhafte theoretische Konstruktion ihrer Soziallehre zurückzuführen.<br />

Denn die praktische Bewährung dieser Lehre ist oft von mächtigen Wirkkräften und<br />

Unwägbarkeiten abhängig, die sich der theoretisch-begrifflichen Erfassung und praktischen Beherrschung<br />

weitgehend entziehen. Die oft unberechenbare Freiheit des Menschen führt schließlich<br />

dazu, dass sich der Entwicklungsgang der Geschichte nicht abschätzen lässt.<br />

Unter diesem Aspekt wäre die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Katholischen Soziallehre<br />

näher zu erforschen. Hier eröffnet sich ein weites, kaum erschlossenes Feld. So ließe sich am Beispiel<br />

der Sozialen Marktwirtschaft darlegen, dass an ihrer Entstehungsgeschichte die Katholische<br />

Soziallehre und ihre Vertreter nicht unmaßgeblich beteiligt waren, so dass vor allem das Soziale an<br />

dieser Marktwirtschaft auch der Wirkungsgeschichte der kirchlichen Soziallehre zugerechnet werden<br />

könnte. Freilich gibt es kein einziges soziales, ökonomisches oder politisches Modell, auch<br />

keine „Realutopie“, worin sich die Soziallehre endgültig und umfassend realisiert hätte. Daraus<br />

ergibt sich für sie eine bleibende, mehr oder weniger große kritische Distanz zu irgendeinem Status<br />

quo. Aber ihre Sozialprinzipien sind nicht bloß Kriterien der Kritik, sondern ermöglichen auch<br />

die bestätigende Ermutigung einer gelingenden Praxis.<br />

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