Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Natürlich engen diese Formen staatlicher Gesetzgebung und Politik, der Globalsteuerung und der<br />
indikativen Investitionsplanung den freien Wettbewerb erheblich ein. Manche fragen sich bereits,<br />
ob man gegenwärtig in der Bundesrepublik noch von einer sozialen Marktwirtschaft sprechen<br />
kann, oder ob nicht bereits das Soziale zum verpflichtenden Hauptwort geworden ist. Freilich kann<br />
auch die Katholische Soziallehre nicht konkret entscheiden, wie viel Freiheit in einer bestimmten<br />
Situation als möglich -und wie viel soziale Bindung als nötig erscheint. Die Entscheidung darüber<br />
hängt wohl jeweils davon ab, ob und inwieweit sich die freien Initiativen der Wirtschaft tatsächlich<br />
den sozialen und ökologischen Herausforderungen stellen - und diese auch bewältigen können. In<br />
der Kompetenzreihenfolge des Subsidiaritätsprinzips ist der Staat nur die letztentscheidende Problemlösungsinstanz,<br />
und Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz und überragenden Werteinsicht<br />
sind sehr oft angebracht.<br />
Lohn und Gewinn<br />
Die Tarifautonomie beispielsweise bedeutet eine wirtschaftliche Entlastung des Staates und ist ein<br />
Eingeständnis dafür, dass der Staat nicht in der Lage ist, den „gerechten Lohn“ jeweils festzusetzen.<br />
Sie folgt aber auch aus der Koalitionsfreiheit, also dem Freiheitsrecht der Arbeitnehmer und<br />
Arbeitgeber, sich zu Gewerkschaften bzw. Arbeitgeberverbänden zusammenzuschließen, um die<br />
gegenseitigen Interessen abzuklären. Die Katholische Soziallehre hat in „Rerum novarum“ dieses<br />
Recht sogar als ein „Naturrecht“ bezeichnet, vor allem mit Blick auf die Arbeiter, die seinerzeit<br />
ihre Arbeitskraft je einzeln als „Ware“ auf dem Arbeitsmarkt anboten. Erst mit dem Arbeitsmarktkartell<br />
der Gewerkschaften gelang es, das Arbeitsangebot zu bündeln und für die Arbeit nicht nur<br />
einen gerechteren Preis, sondern auch humanere Bedingungen auszuhandeln. Das gelang freilich<br />
nicht ohne Streik, der als Notwehrrecht und „ultima ratio“ von der Katholischen Soziallehre gebilligt<br />
wurde.<br />
Auch hier lassen sich unter den gegenwärtigen Umständen einige kritische Fragen aus der Sicht<br />
der Katholischen Soziallehre stellen: Sind die Löhne und die Lohnnebenkosten inzwischen nicht<br />
so weit angestiegen, dass sie für bestimmte Arbeiten, die an sich notwendig und gefragt sind, nicht<br />
mehr gezahlt werden können? Muss der tariflich ausgehandelte Lohn nicht gerechterweise auch<br />
die Rentabilität des betreffenden Unternehmens berücksichtigen? Ist die Arbeitslosigkeit nicht<br />
auch Folge einer fehlerhaften Tarifautonomie, in der Löhne als „politische Preise“ ausgehandelt<br />
werden, die man für den „sozialen Frieden“ zu zahlen bereit ist? Die Katholische Soziallehre hat<br />
sich des Öfteren gegen einen Streik zu politischen Zwecken ausgesprochen und fordert die Sozialpartner<br />
auf, das Gemeinwohl zu berücksichtigen.<br />
Das Gemeinwohl bzw. die „allgemeine Wohlfahrt“ (auch auf weltwirtschaftlicher Ebene) sowie<br />
die Lebensfähigkeit des betreffenden Unternehmens gelten in der Katholischen Soziallehre („Rerum<br />
novarum“, „Quadragesimo anno“, „Mater et magistra“) als allgemeine Kriterien des „gerechten<br />
Lohnes“, dessen untere Grenze der Lebensunterhalt des Arbeitnehmers und seiner Familie darstellt.<br />
Freilich ist ein „Familienlohn“ nicht praktikabel, so dass die Kinderzahl durch eine „zweite<br />
Einkommensverteilung“ familienpolitisch zu berücksichtigen ist.<br />
Die Arbeitnehmer können ihr Interesse an höheren Löhnen nur dann realisieren, wenn die Unternehmen<br />
entsprechende Gewinne machen. Es ist nicht bloße Profitgier, wenn ein Unternehmer gewinnorientiert<br />
ist. Der Gewinn hat eine wichtige Funktion, auch im sozialethischen Sinne, indem<br />
er z. B. die Verantwortlichkeit und Leistungsbereitschaft stärker anreizt. Gewinne sind das Saatgut<br />
einer Wirtschaft, neue Investitionen sind auf Gewinne und Gewinnerwartungen angewiesen. Man<br />
kann nicht einfach mehr Arbeitsplätze fordern, sondern muss Voraussetzungen schaffen, dass die<br />
Unternehmen rentabel, d. h. mit Gewinn arbeiten. „Quadragesimo anno“ forderte, zur Bekämpfung<br />
der Arbeitslosigkeit die Gewinne zu investieren. Von daher erhält der Gewinn eine sozialethische<br />
Rechtfertigung.<br />
43