Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
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Gerechtigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang mehr als nur Leistungs- und Tauschgerechtigkeit.<br />
Denn es gibt Menschen, die noch nichts oder nichts mehr leisten können und die auch nichts<br />
zu tauschen haben. Gerade ihnen muss nach dem Grundsatz „Jedem das Seine“ (nicht das Gleiche)<br />
Gerechtigkeit widerfahren, weil auch sie Träger elementarer Menschenrechte sind. Wenn die Menschen<br />
wesentlich gleich sind in ihrer Würde und in ihren Grundrechten, kann man daraus jedoch<br />
nicht ableiten, dass ihnen in allen Lebensbereichen konkret gleiche Chancen eingeräumt werden<br />
müssten. Da die Menschen immer schon unterschiedlich sind in ihren Interessen und Fähigkeiten,<br />
sind auch ihre „Lebenschancen“ ungleich verteilt. Auch bei Wahrnehmung gleicher Chancen würden<br />
immer unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht.<br />
Die Erfahrung lehrt, dass das konkrete Handeln des einzelnen wie auch der Verbände in erster<br />
Linie nicht durch das Gemeinwohl, sondern durch das eigene Interesse motiviert wird. Der ethische<br />
Anspruch und das faktische Verhalten klaffen meist auseinander, weil Ethik nicht gratis zu<br />
haben ist, sondern mit Verzicht verbunden bleibt. Auch durch eine Erziehungsdiktatur ist der<br />
Mensch nicht so programmierbar, dass er sein Handeln primär nach dem Gemeinwohl ausrichtet.<br />
Das Motiv des Eigeninteresses ist in sich auch nicht böse. Erfahrungsgemäß kann der einzelne<br />
besser in Eigenverantwortung Werte verwirklichen und wird in seinem Leistungswillen durch äußere<br />
Macht eher gehindert als gefördert. Es kommt dabei auch nicht so sehr auf die Motive und<br />
Intentionen der einzelnen und ihrer Verbände an, sondern auf den Effekt ihrer Handlungen. Ganz<br />
im Sinne einer Verantwortungsethik, die die konkreten Folgen bedenkt. Es geht also darum, die<br />
Einzelinteressen so zu koordinieren, dass ein positiver Gemeinwohleffekt dabei herauskommt.<br />
So geht es auch in der vom Staat einzurichtenden Wirtschaftsordnung nicht bloß um die gerechte<br />
Verteilung von Gütern und Dienstleistungen. Das zu Verteilende muss erst produziert werden.<br />
Und Sozialleistungen zugunsten der Schwächeren setzen die Leistungsbereitschaft der Stärkeren<br />
voraus.<br />
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