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Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis

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alen Belangen ausgleichend wirken, und von „intermediären“ Institutionen, die zwischen dem einzelnen<br />

und dem Staat vermitteln.<br />

Werden wir im Wohlfahrtsstaat versorgt bis zur Entmündigung? Die unterschwellige Tendenz, die<br />

Verantwortung „nach oben“ abzuschieben, muss auch negative Konsequenzen für den Bestand der<br />

Demokratie haben, die auf aktive Mitwirkung aller angewiesen ist. Die kritische Funktion des Subsidiaritätsprinzips<br />

besteht darin, zu fragen, welche Hilfeleistungen wirklich notwendig sind. Werden<br />

durch wirtschaftliche Subventionen für ohnehin absterbende Bereiche Mittel gebunden, die<br />

lebensfähigen und zukunftsträchtigen Branchen entzogen werden und dort fehlen? Welche Lebensbereiche<br />

sind überhaupt politisch und rechtlich zu regeln - und welche müssen der Gestaltungsfreiheit<br />

des einzelnen und seiner Gruppe überlassen bleiben? Staatliche Regelungen sind<br />

meist mit Freiheitsbeschränkungen verbunden, deren Notwendigkeit erst nachgewiesen werden<br />

muss.<br />

Eine praktische Schwierigkeit bei der Anwendung dieses Prinzips liegt darin, dass die höhere Instanz<br />

sich meist die alleinige Kompetenz zuspricht - und auch die Vollmacht der Entscheidung<br />

darüber hat, wer zur Regelung welcher Frage zuständig sei. Wer gibt schon gerne Kompetenzen an<br />

untere Instanzen ab, wenn damit ein Machtverlust verbunden ist und nicht bloß die Entlastung von<br />

Verantwortung?<br />

Das Prinzip bedarf zu seiner Durchsetzung der Menschen, die den Mut zur Selbständigkeit und<br />

auch zum Risiko haben. Sonst bleibt es ein moralisches Postulat, das sich nicht institutionell bewähren<br />

kann. Besondere Bewährungsfelder für die „Hilfe zur Selbsthilfe“ liegen in der Sozialpolitik<br />

(als Familienpolitik), in der Wirtschaftspolitik (Mittelstandsförderung) und in der Entwicklungspolitik.<br />

Gemeinwohl und Gerechtigkeit<br />

In der Konzilserklärung „Dignitatis humanae“ (Nr. 6) heißt es zum Gemeinwohl: „Das Gemeinwohl<br />

der Gesellschaft besteht in der Gesamtheit jener Bedingungen des sozialen Lebens, unter<br />

denen die Menschen ihre eigene Vervollkommnung in größerer Fülle und Freiheit erlangen können;<br />

es besteht besonders in der Wahrung der Rechte und Pflichten der menschlichen Person.“<br />

Demnach enthält das Gemeinwohlprinzip sowohl eine inhaltliche Wertdimension (Rechte und<br />

Pflichten der Person) als auch einen institutionellen Aspekt (Gesamtheit der Bedingungen), der vor<br />

allem den Staat legitimiert und verpflichtet, aber auch begrenzt.<br />

Dem Staat steht nach dem Gemeinwohlprinzip an letzter, aber doch entscheidender Stelle die autoritative<br />

Kompetenz zu, die verschiedenen Interessen und Aktivitäten so zu koordinieren, dass sie<br />

dem Wohl aller zugute kommen. Das Wohl des einzelnen ist keine isolierte Einzelgröße, sondern<br />

hängt vom allgemeinen Wohl einer Gesellschaft ab. Da das Gemeinwohl nicht in der bloßen Summierung<br />

der realisierten Einzelinteressen zustande kommt, geht es um eine Gemeinwohlordnung,<br />

welche die einzelnen Leistungen und Ansprüche integriert und gerecht ausgleicht. Es gibt nämlich<br />

berechtigte Anliegen, die sich nicht machtvoll organisieren und durchsetzen lassen. Das „Recht<br />

der Stärkeren“ ist nicht auf der Seite der kinderreichen Familien, der Arbeitslosen und der ungeborenen<br />

Kinder. Der Staat ist im Dienste des Gemeinwohls vor allem für die Schwachen da, die über<br />

kein Leistungspotential und infolgedessen auch nicht über ein Leistungsverweigerungspotential<br />

verfügen.<br />

Während die Gruppen und Verbände meist nur für ihre Mitglieder einstehen, kann sich der Staat<br />

auf das Wohl aller berufen. Er dient dem Gemeinwohl, indem er organisatorische Vorkehrungen<br />

trifft und rechtliche Ordnungsbedingungen schafft, unter denen alle einzelnen und Gruppen ihre<br />

Werte friedlich verwirklichen können und zu ihrem Recht kommen.<br />

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