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Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis

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auf Leben (des Ungeborenen) ausgespielt. In solchen Fällen müssen die Menschenrechte einer<br />

prioritären Wertentscheidung unterstellt werden. Sie unterliegen in der gegenseitigen Zuordnung<br />

einer staatlichen Beschränkung, insofern der Staat als Hüter des Gemeinwohls der (sozialen) Gerechtigkeit<br />

besonders verpflichtet ist.<br />

Die Menschenrechte und entsprechende Pflichten bilden den Hauptinhalt der Gerechtigkeit, die<br />

neben weiteren Grundwerten das Fundament einer gesamtgesellschaftlichen Friedensordnung darstellen.<br />

Grundwerte als Friedenswerte<br />

Die Katholische Soziallehre bringt bestimmte gesellschaftliche Grundwerte in Erinnerung, die der<br />

Natur des Menschen entsprechen und sich nicht willkürlich postulieren lassen. Sie sind der Gesellschaft<br />

vorgegeben, also Voraussetzungen und nicht erst Folgen einer gesellschaftlichen Kommunikation<br />

und Übereinkunft. Man kann sich zum Beispiel nicht mit anderen über den Grundwert der<br />

Wahrheit verständigen, wenn man sich nicht bereits während des kommunikativen Prozesses an<br />

die Wahrheit hält. Mit notorischen Lügnern ist eine Verständigung unmöglich. Dasselbe gilt auch<br />

für die Grundwerte der Gerechtigkeit, der Liebe und der Freiheit. Eine konkrete Vereinbarung über<br />

sie ist nur dann möglich, wenn bereits gerechte und freie Gesprächsbedingungen herrschen und die<br />

Gesprächspartner nicht lieblos miteinander verfahren.<br />

Die genannten Grundwerte werden von der Katholischen Soziallehre als positive Friedenswerte<br />

aufgefasst, ohne deren Beachtung kein Konsens, kein sinnvolles und geordnetes Zusammenleben<br />

innerhalb einer Gesellschaft und zwischen den Staaten möglich ist. Was sie inhaltlich bedeuten,<br />

lässt sich am besten anhand konkreter Entscheidungssituationen erfahren und erörtern.<br />

Wie schwer ein friedliches Verhalten bereits im kleinen, überschaubaren Bereich personaler Beziehungen<br />

ist, zeigt der Unfrieden, in dem viele Menschen mit Gott, mit sich selber, mit ihrer Familie<br />

und den Nachbarn leben. Die Unfähigkeit zum personalen Frieden wirkt sich aus und setzt<br />

sich fort in gesellschaftlichen Bereichen wie Politik und Wirtschaft, wo das Interesse an Macht<br />

und Gewinn oft stärkstes Handlungsmotiv ist. Sozialer Unfrieden und innenpolitische Schwierigkeiten<br />

können sich gelegentlich auch außenpolitisch entladen und zu Kriegen führen. Es besteht<br />

also ein Zusammenhang zwischen dem personalen, sozialen und internationalen Friedensbereich.<br />

Frieden ist mehr als das Fehlen von Krieg und Konflikt, Friedenspolitik mehr als nur Abrüstung.<br />

In den kirchlichen Stellungnahmen stellt sich der Frieden positiv dar, und der positive Friedensbegriff<br />

gilt für alle genannten Bereiche. Augustinus hatte den Frieden formal definiert als „Ruhe<br />

(in) der Ordnung“, was keineswegs mit der Ruhe und Ordnung eines Polizeistaates oder mit einer<br />

Politik des „law and Order“ gleichgesetzt werden darf. Ruhe ist keine Friedhofsruhe und Ordnung<br />

keine statische Zwangsordnung. Der Frieden ist vielmehr eine dynamische Ordnung, eine geordnete<br />

Entwicklung in Richtung auf mehr Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit.<br />

In der Missachtung dieser Grundwerte liegt die eigentliche Ursache des Unfriedens. Streit und<br />

Konflikt, Rüstung und Krieg sind nur die Folgen und Symptome dieser Missachtung. Wenn es<br />

auch nicht leicht möglich ist, die genannten Grundwerte positiv zu definieren und zu entscheiden,<br />

welche konkreten Maßnahmen den Maßstäben entsprechen, so ist der allgemeinen Erfahrung doch<br />

zugänglich, welche Handlungen dem Frieden widersprechen.<br />

Was die Wahrheit - oder bescheidener: die Wahrhaftigkeit - angeht, lässt sich feststellen, dass<br />

durch wirklichkeitsverzerrende Ideologien, Täuschungen, gebrochene Verträge und nicht eingehaltene<br />

Versprechungen der Friede gefährdet wird. Dem Frieden abträglich ist auch die Hinterziehung<br />

der Gerechtigkeit, wenn einzelnen oder einem ganzen Volk wesentliche Grundrechte vorenthalten<br />

werden. Als friedensgefährdend erweist sich immer der Mangel an Liebe und Solidarität - etwa die<br />

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