Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
Vermittlung und praktischer Bewährung gelingen kann. 24
5. VERBINDLICHES SPRECHEN UND HANDELN Zu den Autoren, Trägern und Adressaten der Katholischen Soziallehre Der Begriff der Katholischen Soziallehre ist vielschichtig. Ihr richtiges Verständnis hängt vom authentischen Selbstverständnis der katholischen Kirche ab. Die Kirche versteht sich als hierarchisch gegliedertes Volk Gottes, als eine mystische Glaubensgemeinschaft, die vom kirchlichen Amt geordnet wird. Als lehramtliche Träger und verbindliche Autoren der Katholischen Soziallehre sind infolgedessen der Papst und die Bischöfe anzusprechen. Das „ordentliche“ Lehramt definiert also den Inhalt und die Grenzen der Katholischen Soziallehre. Allerdings erhebt es dabei nicht den Anspruch auf Unfehlbarkeit. Die Kirche kennt keine sozialen, politischen oder ökonomischen Dogmen. Soziale Fragen lassen sich nicht dogmatisch klären und ein für allemal festlegen. Arbeitsteilung Vielmehr ist das Lehramt auf den praktischen und theoretischen Sachverstand der Laien und Priester verwiesen, wenn es den Zugang zur sozialen Wirklichkeit sucht. Päpste und Bischöfe lassen sich meist fachlich beraten, bevor sie mit sozialen Verlautbarungen an die Öffentlichkeit treten. So darf man hinter den Sozialenzykliken einen Stab von „Ghostwritern“ vermuten. Schon die erste Sozialenzyklika „Rerum novarum“ verdankte sich weitgehend den Beratungsergebnissen der „Union de Fribourg“, einer Vereinigung von Gelehrten und Praktikern. Von „Quadragesimo anno“ ist bekannt, dass sie überwiegend von den Sozialwissenschaftlern Gustav Gundlach und Oswald von Nell-Breuning verfasst wurde. Zu den Autoren und Trägern der Katholischen Soziallehre gehören indirekt also auch die theologischen Fachvertreter, die nicht nur die nachträgliche Systematisierung und kritische Reflexion besorgen, sondern auch an der inhaltlichen Entwicklung der lehramtlichen Sozialverkündigung oft maßgeblichen Anteil haben. Ihrerseits sind diese Ebenen des Lehramtes und der Wissenschaft meist sehr eng mit einer dritten Ebene verbunden, nämlich mit der katholischen Sozialbewegung. Dazu zählen in der Bundesrepublik Deutschland vor allem die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), das Kolpingwerk, die Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) sowie der Bund Katholischer Unternehmer (BKU). Diesen kirchlichen Sozialverbänden und Gruppen ist mehr die praktischkonkrete Vermittlung der Katholischen Soziallehre in den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich aufgetragen. Dabei sind sie keineswegs bloß ausführende Organe, die die „Theorie“ in die „Praxis“ nur umzusetzen hätten. Auf dieser Ebene zeichnet sich eine breite Pluralität von Initiativen ab, die von unterschiedlichen Standorten, Interessen und Sachkompetenzen geprägt sind. Diese vielfältigen Aktionen bedürfen des objektivierenden Filters der wissenschaftlichen Ebene, um sich auf die Lehrentwicklung der Amtsebene auswirken zu können. Diese Arbeitsteilung zwischen Amt, Wissenschaft und Bewegung bedeutet keine Einbahnstraße von „oben nach unten“ oder von „unten nach oben“. Vielmehr bilden die drei Ebenen einen dynamischen Zusammenhang. Sie sind voneinander abhängig und durchdringen sich gegenseitig. Wie variabel hier faktisch die Grenzen verlaufen, zeigt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte einer Enzyklika wie „Rerum novarum“. Nach kirchlichem Selbstverständnis sind aber allein der Papst und das Bischofskollegium legitimiert, verbindlich im Namen der Weltkirche zu sprechen, und zwar nicht nur in dogmatischen, sondern auch in sozialen Fragen, die den Glauben und die Sittlichkeit berühren. Weder einzelne Wissenschaftler und Verbände noch einzelne Bischöfe und Priester repräsentieren die Katholische Soziallehre schlechthin. Es gibt also eine abgestufte Verbindlichkeit der Katholischen Soziallehre zwischen den Amtsträ- 25
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5. VERBINDLICHES SPRECHEN UND HANDELN<br />
Zu den Autoren, Trägern und Adressaten der Katholischen Soziallehre<br />
Der Begriff der Katholischen Soziallehre ist vielschichtig. Ihr richtiges Verständnis hängt vom<br />
authentischen Selbstverständnis der katholischen Kirche ab. Die Kirche versteht sich als hierarchisch<br />
gegliedertes Volk Gottes, als eine mystische Glaubensgemeinschaft, die vom kirchlichen<br />
Amt geordnet wird. Als lehramtliche Träger und verbindliche Autoren der Katholischen Soziallehre<br />
sind infolgedessen der Papst und die Bischöfe anzusprechen. Das „ordentliche“ Lehramt definiert<br />
also den Inhalt und die Grenzen der Katholischen Soziallehre. Allerdings erhebt es dabei<br />
nicht den Anspruch auf Unfehlbarkeit. Die Kirche kennt keine sozialen, politischen oder ökonomischen<br />
Dogmen. Soziale Fragen lassen sich nicht dogmatisch klären und ein für allemal festlegen.<br />
Arbeitsteilung<br />
Vielmehr ist das Lehramt auf den praktischen und theoretischen Sachverstand der Laien und Priester<br />
verwiesen, wenn es den Zugang zur sozialen Wirklichkeit sucht. Päpste und Bischöfe lassen<br />
sich meist fachlich beraten, bevor sie mit sozialen Verlautbarungen an die Öffentlichkeit treten.<br />
So darf man hinter den Sozialenzykliken einen Stab von „Ghostwritern“ vermuten. Schon die erste<br />
Sozialenzyklika „Rerum novarum“ verdankte sich weitgehend den Beratungsergebnissen der „Union<br />
de Fribourg“, einer Vereinigung von Gelehrten und Praktikern. Von „Quadragesimo anno“ ist<br />
bekannt, dass sie überwiegend von den Sozialwissenschaftlern Gustav Gundlach und Oswald von<br />
Nell-Breuning verfasst wurde. Zu den Autoren und Trägern der Katholischen Soziallehre gehören<br />
indirekt also auch die theologischen Fachvertreter, die nicht nur die nachträgliche Systematisierung<br />
und kritische Reflexion besorgen, sondern auch an der inhaltlichen Entwicklung der lehramtlichen<br />
Sozialverkündigung oft maßgeblichen Anteil haben.<br />
Ihrerseits sind diese Ebenen des Lehramtes und der Wissenschaft meist sehr eng mit einer dritten<br />
Ebene verbunden, nämlich mit der katholischen Sozialbewegung. Dazu zählen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland vor allem die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), das Kolpingwerk,<br />
die Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) sowie der Bund Katholischer Unternehmer<br />
(BKU). Diesen kirchlichen Sozialverbänden und Gruppen ist mehr die praktischkonkrete Vermittlung<br />
der Katholischen Soziallehre in den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich<br />
aufgetragen. Dabei sind sie keineswegs bloß ausführende Organe, die die „Theorie“ in die<br />
„Praxis“ nur umzusetzen hätten. Auf dieser Ebene zeichnet sich eine breite Pluralität von Initiativen<br />
ab, die von unterschiedlichen Standorten, Interessen und Sachkompetenzen geprägt sind. Diese<br />
vielfältigen Aktionen bedürfen des objektivierenden Filters der wissenschaftlichen Ebene, um<br />
sich auf die Lehrentwicklung der Amtsebene auswirken zu können.<br />
Diese Arbeitsteilung zwischen Amt, Wissenschaft und Bewegung bedeutet keine Einbahnstraße<br />
von „oben nach unten“ oder von „unten nach oben“. Vielmehr bilden die drei Ebenen einen dynamischen<br />
Zusammenhang. Sie sind voneinander abhängig und durchdringen sich gegenseitig. Wie<br />
variabel hier faktisch die Grenzen verlaufen, zeigt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte einer<br />
Enzyklika wie „Rerum novarum“. Nach kirchlichem Selbstverständnis sind aber allein der Papst<br />
und das Bischofskollegium legitimiert, verbindlich im Namen der Weltkirche zu sprechen, und<br />
zwar nicht nur in dogmatischen, sondern auch in sozialen Fragen, die den Glauben und die Sittlichkeit<br />
berühren. Weder einzelne Wissenschaftler und Verbände noch einzelne Bischöfe und<br />
Priester repräsentieren die Katholische Soziallehre schlechthin.<br />
Es gibt also eine abgestufte Verbindlichkeit der Katholischen Soziallehre zwischen den Amtsträ-<br />
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