Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
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nert: Jeder Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, hat stets die Hölle hervorgebracht.<br />
Zwei Reiche<br />
Konstitutiv für die Katholische Soziallehre und auch für den christlich geprägten abendländischen<br />
Politikbegriff ist die Unterscheidung (nicht strikte Trennung) der „zwei Reiche“, des göttlichen<br />
und des weltlichen, sowie die Bescheidung des Politischen auf den weltlichen Bereich, der immer<br />
nur ein mangelhaftes Provisorium bleibt. Gerade weil sich christliche Hoffnung auf das politisch<br />
nicht machbare ewige „Heil der Welt“ bezieht und sich auch nicht mit der ökologischpazifistischen<br />
Vision einer „heilen Welt“ ersatzweise abspeisen lässt, kann sich christlich motivierte<br />
Politik darauf konzentrieren, die (staatliche) Gemeinwohlordnung verantwortlich zu gestalten.<br />
Die Katholische Soziallehre ist aber nicht dazu da, irgendeinen gesellschaftlichen Status quo oder<br />
einen revolutionären Prozess dogmatisch zu legitimieren. Wenn die Kirche auch mehr für das ewige<br />
Heil als für das zeitliche Wohl des Menschen zuständig und beauftragt ist, so bedeutet das<br />
nicht, dass beide Dimensionen völlig zu trennen wären. Als Geschöpf Gottes stellt der Mensch<br />
eine Einheit von Geist, unsterblicher Seele und Leib dar. Die Kirche kann diese Einheit nicht auseinanderdividieren<br />
- und sich nur um die „Seelen“ kümmern in der Hoffnung auf das Reich Gottes.<br />
Diese Hoffnung ist übrigens nicht mit einer Resignation vereinbar, die jede Ungerechtigkeit duldet<br />
und tatenlos auf das Gottesreich wartet.<br />
Bewährungsproben<br />
Zum kirchlichen Verkündigungs- und Heilsauftrag gehört also der notwendige, wenn auch nicht<br />
hinreichende Aspekt der ethischen Bewährung, vor allem zu Gunsten der Armen. Der Eintritt in<br />
das Reich Gottes ist bekanntlich an bestimmte ethische Bedingungen geknüpft. Zum Beispiel haben<br />
es „die Reichen“, die sich ganz auf ihren Reichtum verlassen und nur an ihr eigenes Wohl<br />
denken, sehr schwer, in das Himmelreich zu kommen. Die kirchliche „Option für die Armen“ ist<br />
für Christen ein starkes Motiv, auch im Bereich des Sozialen und Politischen mitzuwirken, um das<br />
Leiden zu mindern. Freilich müssen wir zugeben, dass wir als Christen keine speziellen Patentrezepte<br />
zur strukturellen Lösung von Armut und Leid besitzen. Wir haben auch keinen Grund zu der<br />
Annahme, dass überhaupt ein gesellschaftlicher Zustand erreicht werden könnte, in dem es keine<br />
Armut und keinen Mangel mehr gibt.<br />
Gerade in den westlichen Überflussgesellschaften zeigen sich immer neue Formen von Armut und<br />
Elend. Sie haben es vor allem mit Angst, Sinnverlust und Orientierungslosigkeit zu tun, die vielleicht<br />
auch mit dem Unvermögen der säkularisierten Gesellschaft zusammenhängen, moralische<br />
und sinnstiftende Verbindlichkeiten zu begründen und ein Klima des Vertrauens und der Hoffnung<br />
zu vermitteln. Auch in einem perfekten Wohlfahrts- und Sozialstaat ist das Seelenheil nicht in den<br />
Strukturen zu finden. Glaube, Hoffnung und Liebe lassen sich nicht gesamtgesellschaftlich institutionalisieren,<br />
auch nicht in einem „christlichen Staat“, sondern nur auf personaler Ebene erfahren.<br />
Auf dieser Ebene liegt wohl auch das Hauptbewährungsfeld der Kirche, der es primär um eine<br />
„Bekehrung der Herzen“ gehen muss.<br />
Der kirchlich vermittelte Glaube und das entsprechende sittliche Verhalten sind vorrangig eine<br />
personale Angelegenheit. Sie setzen die Gnade, die Freiheit und das Gewissen des einzelnen voraus<br />
und dürfen deshalb nicht gesellschaftlich erzwungen werden, etwa durch politische Entscheidungen<br />
oder rechtliche Strukturen. Als soziales Wesen ist der Mensch aber auf die Gesellschaft,<br />
also auf das Beziehungsgeflecht zwischen den Menschen, naturgemäß ausgerichtet und angewiesen.<br />
Seine Werteinstellungen und Handlungen färben auf die gesellschaftlichen Strukturen und<br />
Institutionen ab, deren Träger er ist -und von denen er auch getragen und beeinflusst wird.<br />
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