Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
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Geschichte vorzuwerfen. Es ist überdies ziemlich einfach und billig, im Nachhinein altklug festzustellen,<br />
was alles versäumt worden ist -und was alles hätte geschehen müssen. Im Nachhinein sind<br />
wir immer klüger und mit Lösungsvorschlägen schnell bei der Hand.<br />
Kirche und Sozialismus<br />
Dem Sozialismus, der sich als Weltanschauung und Bewegung seit dem vorigen Jahrhundert verschiedenartig<br />
entwickelte, stand die Kirche von Anfang an äußerst reserviert bis ablehnend gegenüber.<br />
Während sich weltweit der Zusammenbruch des so genannten „realen“ Sozialismus ereignet,<br />
dürfte ein kurzer Rückblick auf die Sozialismuskritik der Katholischen Soziallehre angebracht<br />
sein. Diese geradezu prophetische Kritik setzte bereits gegen den utopischen Frühsozialismus ein,<br />
traf dann vor allem den marxistischen Sozialismus - und schwächte sich seit den zwanziger Jahren<br />
dieses Jahrhunderts gegenüber den sozialdemokratischen Bewegungen ab, nachdem diese erhebliche<br />
Revisionen vorgenommen hatten.<br />
Gegen den damaligen Zeitgeist trat 1864 das kirchliche Lehramt mit dem „Syllabus“ auf, in dem<br />
Pius IX. nicht weniger als 80 Irrtümer aufzählt, darunter im 4. Paragraphen „Sozialismus, Kommunismus,<br />
geheime Gesellschaften“. Er verwirft dabei einen Sozialismus, der auf rationalistischer<br />
Grundlage aufgebaut ist und sich gegen die Familie und das Privateigentum wendet.<br />
Deutlicher wird die Linie gegenüber dem Sozialismus von der Enzyklika „Quod Apostolici muneris“<br />
(1878) von Leo XIII. abgesteckt, der freilich noch nicht den Marxismus im Blick hat, sondern<br />
einen anarchistischen, Moral und Ehe verneinenden, das Eigentumsrecht missachtenden, radikale<br />
Gleichheit fordernden Frühsozialismus, den er als „todbringende Seuche“ und auszurottende „Giftpflanze“<br />
bezeichnet. Auch gegen einen „christlichen“ Sozialismus wendet sich der Papst: „Wenngleich<br />
aber die Sozialisten das Evangelium missbrauchen und es, um die Unbesonnenen leichter zu<br />
täuschen, in ihrem Sinne zu deuten pflegen, so ist doch zwischen ihren schlechten Grundsätzen<br />
und der so reinen Lehre Christi ein Unterschied, wie es keinen größeren gibt.“<br />
Die programmatische Klärung, d.h. die doktrinär-marxistische Festlegung der Sozialdemokratie<br />
erlaubte es, den Gegner genauer „ins Visier“ zu nehmen. Die Kritik wurde systematischer und<br />
differenzierter. In „Rerum novarum“ (1891) verwirft Leo XIII. in längeren Passagen verschiedene<br />
Spielarten des Sozialismus, so etwa die marxistische These vom geschichtsnotwendigen Klassengegensatz<br />
sowie Staats- und agrarsozialistische Thesen. Demgegenüber unterstreicht er das Naturrecht<br />
des Privateigentums und der Koalitionsfreiheit, die Berechtigung des Arbeits- und Lohnvertrags<br />
und die Notwendigkeit staatlicher Sozialpolitik.<br />
Während der bolschewistisch-atheistische Kommunismus vom kirchlichen Lehramt scharf<br />
gebrandmarkt wurde, fand der gemäßigte Sozialismus der westlichen Welt eine wesentlich mildere<br />
Beurteilung. So wies die Enzyklika „Quadragesimo anno“ (1931) darauf hin, dass die „Abmilderung<br />
des Klassenkampfes und der Eigentumsfeindlichkeit“ bei diesem Sozialismus unverkennbar<br />
sei, so dass man meinen könnte, er wende „sich wieder zurück zu Wahrheiten, die christliche Erbweisheit<br />
sind, oder tue jedenfalls einige Schritte darauf zu“. Dennoch erklärt Pius XL, dass auch<br />
dieser Sozialismus, „gleichviel, ob als Lehre, als geschichtliche Erscheinung oder als Bewegung“,<br />
mit der katholischen Lehre „immer unvereinbar“ bleibe, da er in der Gesellschaft „lediglich eine<br />
Nutzveranstaltung“ sehe und der gottgewollten „erhabenen Bestimmung sowohl des Menschen als<br />
der Gesellschaft“ gleichgültig gegenüberstehe, ganz abgesehen davon, dass er als „Bildungs- und<br />
Erziehungsbewegung“ den christlichen Grundsätzen offen widerspreche.<br />
Diese Auffassung wurde von Johannes XXIII. in „Mater et magistra“ (1961) bestätigt. Damit wird<br />
freilich nicht alles, was sich als „Sozialismus“ bezeichnet, in Bausch und Bogen verworfen, sondern<br />
nur jener, welcher die genannten Kriterien erfüllt. Auf die Notwendigkeit, zwischen den ein-<br />
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