Wolfgang F. Ockenfels KLEINE KATHOLISCHE ... - Ordo Socialis
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Wie auch immer der demoskopisch erhobene „Wertewandel“ zu bewerten ist: Nach neueren Meinungsumfragen<br />
hat die kirchliche Bindung der Unternehmer spürbar nachgelassen, die moralische<br />
Kompetenz der Kirche gilt bei ihnen nicht (mehr) viel. Die meisten Unternehmer geben zwar an,<br />
ihr Gewissen und ihr Handeln nach einer „christlichen Ethik“ auszurichten, doch die Soziallehre<br />
der Kirche ist ihnen fremd.<br />
Man kann nicht behaupten, die Entfremdung zwischen Kirche und Wirtschaft sei nur auf mangelndes<br />
Interesse oder Wissen der Unternehmer zurückzuführen, das sich durch Bildungsanstrengungen<br />
leicht beheben ließe. Kirchliche Stellen haben oft genug ihr moralisches Konto sozialökonomisch<br />
überzogen und mangelnde Sachkompetenz mit Betroffenheitsattitüden zu kompensieren<br />
versucht. Kirchliche Gruppen haben oft genug den politökonomischen Streit um Arbeitslosigkeit,<br />
Umweltschutz und Dritte Welt unnötig verschärft, religiös aufgeladen, zur Glaubensfrage hochstilisiert<br />
und in den Gottesdienst hineingetragen. Sie haben damit eine gemeinsame sachlichverantwortliche<br />
Suche nach tragfähigen Lösungen eher blockiert.<br />
Manchmal hat es den öffentlichen Anschein, als sei „die“ Kirche nur eine soziale Weltverbesserungsinstanz,<br />
der das Jenseits abhanden gekommen ist. Dieser Schein trügt aber und entspricht<br />
nicht der Gesamtwirklichkeit der Kirche und ihren sozialethischen Ansprüchen. Wenn sich Unternehmer<br />
von ihrer Kirche distanzieren, werden sie dadurch weder frömmer noch klüger, sondern<br />
nur gleichgültiger. Sie verpassen die Chance, am überlieferten Glaubensgut und Erfahrungsschatz<br />
teilzuhaben. Überdies versäumen sie die Gelegenheit, am aktuellen Glaubensleben der Gemeinde<br />
aktiv teilzunehmen und es durch ihre Sachkenntnis zu befruchten. Allerdings können sie die katholische<br />
Kirche und ihre Soziallehre weder von außen noch von innen auf den „rechten“ Weg bringen.<br />
Das gilt umgekehrt auch für „linke“ Gewerkschaftsvertreter. Überhaupt ist die politische Unterscheidung<br />
zwischen „rechts“ und „links“, „Freund“ und „Feind“, „konservativ“ und „progressiv“<br />
für die Kirche nicht maßgebend und stellt keine gültige Kategorie der Katholischen Soziallehre<br />
dar.<br />
Der ethische Wahrheitsanspruch der Kirche in sozialen Fragen übersteigt die materiellen Interessen<br />
und ideologischen Machtansprüche bestimmter Gruppen; aber er ist nicht unfehlbar, sondern<br />
auf den Sachverstand dieser Gruppen angewiesen. Das sozialethisch Wünschbare drängt danach,<br />
konkretisiert und realisiert zu werden, stößt aber immer an die Grenzen der Machbarkeit. Schon<br />
deshalb ist die Mitwirkung des unternehmerischen Geistes für die Problemlösungskompetenz der<br />
Katholischen Soziallehre von bleibender Bedeutung.<br />
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