Dokument 1.pdf - Opus - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...
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<strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />
Inaugural-Dissertation<br />
zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors<br />
der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
(Dr. rer. pol.)<br />
Analyse der internationalen<br />
Unternehmenstätigkeit des Hauses<br />
Siemens in Ostasien vor dem Zweiten<br />
Weltkrieg<br />
Vorgelegt von: Dipl.-Kfm. Dennis Kirchberg<br />
Anschrift: Hallstädter Weg 22<br />
90425 Nürnberg<br />
Eingereicht bei: Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der<br />
<strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />
Seite | I
Erstreferent: Prof. Dr. Wilfried Feldenkirchen<br />
Zweitreferent: Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt<br />
Promotionstermin: 18. Mai 2010 / Tag der letzen mündlichen Prüfung: 4.<br />
Mai 2010<br />
Seite | II
INHALTSVERZEICHNIS<br />
INHALTSVERZEICHNIS ................................................................................... III<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................... VI<br />
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... X<br />
I. EINLEITUNG ................................................................................................... 1<br />
1. THEMENHINFÜHRUNG UND PROBLEMSTELLUNG ............................................... 2<br />
2. QUELLENLAGE UND FORSCHUNGSSTAND ........................................................ 7<br />
3. AUFBAU DER ARBEIT ................................................................................... 12<br />
II. SIEMENS IM IN- UND AUSLAND ................................................................ 15<br />
1. DIE ENTWICKLUNG DES HAUSES SIEMENS IM ÜBERBLICK VON DER GRÜNDUNG<br />
BIS ZUM BEGINN DES ZWEITEN WELTKRIEGS ................................................ 16<br />
2. DAS AUSLANDSGESCHÄFT DES UNTERNEHMENS BIS ZUM BEGINN DES ZWEITEN<br />
WELTKRIEGS .............................................................................................. 31<br />
III. DAS OSTASIENGESCHÄFT DES HAUSES SIEMENS ............................. 36<br />
1. SIEMENS IN JAPAN ....................................................................................... 37<br />
1.1 Die Rahmenbedingungen .................................................................... 37<br />
1.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund ............................... 37<br />
1.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung ............................................ 52<br />
1.1.3 Branchenentwicklung .................................................................... 58<br />
1.2 Die Anfänge des Japangeschäfts bis zum Ersten Weltkrieg ................ 64<br />
1.2.1 Markteintritt und erste Schritte ...................................................... 65<br />
1.2.2 Die Entwicklung der Siemens-Schuckert Denki Kabushiki Kaisha<br />
(SSDKK) bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ........................... 74<br />
1.2.2.1 Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit ................................... 74<br />
1.2.2.2 Das Unternehmen in der Krise ............................................... 86<br />
Seite | III
1.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit ................................ 94<br />
1.2.3.1 Die Rahmenbedingungen für das Unternehmergeschäft in<br />
Japan .................................................................................... 94<br />
1.2.3.2 Unternehmergeschäft: Das Bahnprojekt in Tokio ................... 97<br />
1.2.3.3 Unternehmergeschäft: Das Kraftwerksprojekt in Tokio ......... 105<br />
1.2.3.4 Unternehmergeschäft: Anleihe für Furukawa ....................... 110<br />
1.2.3.5 Pläne für den Aufbau einer eigenen Produktion ................... 112<br />
1.2.3.6 Bedeutende Aufträge bis zum Ersten Weltkrieg ................... 119<br />
1.2.4 Bewertung der Geschäftsergebnisse .......................................... 122<br />
1.3 Das Japangeschäft in der Zwischenkriegszeit ................................... 125<br />
1.3.1 Die Entwicklung der Fusi Denki K. K. bis zum Beginn des<br />
Zweiten Weltkriegs ..................................................................... 130<br />
1.3.1.1 Die Gründung des Joint Venture und Probleme in den<br />
Anfangsjahren ..................................................................... 130<br />
1.3.1.2 Restrukturierung und geschäftlicher Durchbruch.................. 155<br />
1.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939................ 175<br />
1.3.2.1 Die Fusi Tsushinki ................................................................ 175<br />
1.3.2.2 Die Goto Fuundo .................................................................. 186<br />
1.3.2.3 Bedeutende Aufträge bis 1939 ............................................. 188<br />
1.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und der Geschäftsergebnisse 192<br />
2. SIEMENS IN CHINA ..................................................................................... 199<br />
2.1 Die Rahmenbedingungen .................................................................. 199<br />
2.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund ............................. 199<br />
2.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung .......................................... 218<br />
2.1.3 Branchenentwicklung .................................................................. 224<br />
2.2 Die Anfänge des Chinageschäfts (1862-1919) .................................. 229<br />
2.2.1 Markteintritt und erste Schritte .................................................... 229<br />
2.2.2 Das Unternehmen in der Krise .................................................... 238<br />
2.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit .............................. 243<br />
2.2.3.1 Die Chinesische Elektrizitätsgesellschaft (CEG) .................. 243<br />
2.2.3.2 Bedeutende Aufträge bis 1919 ............................................. 247<br />
Seite | IV
2.2.4. Bewertung der Geschäftstätigkeit und der<br />
Geschäftsergebnisse ................................................................... 253<br />
2.3 Das Chinageschäft in der Zwischenkriegszeit (1919-1939) .............. 254<br />
2.3.1 Die Entwicklung der S.Ch.Co. bis 1939 ...................................... 254<br />
2.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939................ 271<br />
2.3.2.1 Gründung der Tseng Hua Electrical Manufacturing Co. ....... 271<br />
2.3.2.2 Bedeutende Aufträge bis 1939 ............................................. 276<br />
2.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und Geschäftsergebnisse ...... 291<br />
IV. RESÜMEE................................................................................................. 295<br />
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ................................................. XII<br />
ARCHIVQUELLEN ............................................................................................ XIII<br />
Deutsche Bank Archiv, Frankfurt am Main ............................................... XIII<br />
Siemens Med Archiv, <strong>Erlangen</strong> ................................................................ XIII<br />
Siemens Corporate Archives, München ................................................... XIII<br />
LITERATUR.................................................................................................. XXIX<br />
ANHANG ........................................................................................................ XLI<br />
Seite | V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ...................................................................... 12<br />
Abbildung 2: Übersichtskarte Japan .............................................................. 37<br />
Abbildung 3: Ausländische Generatoren-Importe nach Japan ....................... 61<br />
Abbildung 4: Kooperationen führender japanischer Unternehmen mit<br />
internationalen Elektrokonzernen ........................................... 62<br />
Abbildung 5: Importabhängigkeit Japans in ausgewählten Bereichen der<br />
Elektrotechnik ......................................................................... 63<br />
Abbildung 6: Vertriebsnetz von Siemens in Japan 1914 ................................ 80<br />
Abbildung 7: Beschäftigte bei Siemens in Japan 1914 .................................. 85<br />
Abbildung 8: Rahmenbedingungen des Unternehmergeschäfts in Japan ..... 96<br />
Abbildung 9: Das Siemens-AEG-Konsortium Straßenbahn (Oktober 1899) 103<br />
Abbildung 10: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 1 . 120<br />
Abbildung 11: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 2 . 122<br />
Abbildung 12: Umsatz und Gewinn von Siemens in Japan 1892 bis 1914 .. 123<br />
Abbildung 13: Niederlassungen der SSDKK 1938 ....................................... 128<br />
Abbildung 14: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K. ........ 149<br />
Abbildung 15: Ursachen und Sanierungsmaßnahmen für die finanziellen<br />
Schwierigkeiten der Fusi ...................................................... 151<br />
Abbildung 16: Entwicklung des eingezahlten Kapitals der Fusi ................... 153<br />
Abbildung 17: Faktoren für den Geschäftserfolg der Fusi ............................ 155<br />
Abbildung 18: Fusi-Standorte 1930 ............................................................. 166<br />
Abbildung 19: Das Satsuki-Kai-Kartell im Mai 1931 ..................................... 168<br />
Seite | VI
Abbildung 20: Umsatz und Reinergebnis der Fusi vom ersten<br />
Geschäftshalbjahr 1932 bis zum ersten Geschäftshalbjahr<br />
1940 ..................................................................................... 172<br />
Abbildung 21: Standorte der Fusi 1938 ....................................................... 174<br />
Abbildung 22: Meilensteine der Entwicklung der Fusi Tsushinki ................. 177<br />
Abbildung 23: Umsatz der Fusi Tsushinki vom ersten Geschäftshalbjahr 1935<br />
bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940 ............................... 185<br />
Abbildung 24: Umsatz der Goto Fuundo ...................................................... 188<br />
Abbildung 25: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 1 ..................... 189<br />
Abbildung 26: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 2 ..................... 190<br />
Abbildung 27: Umsatz und Reingewinn der SSDKK vom Geschäftsjahr<br />
1918/19 bis zum Geschäftsjahr 1937/38 .............................. 193<br />
Abbildung 28: Umsatzverteilung der SSDKK 1931 bis 1938 ....................... 194<br />
Abbildung 29: Umsatz der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis zum<br />
ersten Geschäftshalbjahr 1940 ............................................. 195<br />
Abbildung 30: Reinergebnis der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis<br />
zum ersten Geschäftshalbjahr 1940 ..................................... 196<br />
Abbildung 31: Umsatzverteilung der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1932<br />
bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940 ............................... 197<br />
Abbildung 32: Umsatz und Reinergebnis der Fusi Tsushinki vom ersten<br />
Geschäftshalbjahr 1935 bis zum ersten Geschäftshalbjahr<br />
1940 ..................................................................................... 198<br />
Abbildung 33: Übersichtskarte China ........................................................... 200<br />
Abbildung 34: Entwicklung des chinesischen Außenhandels (1870 bis 1895)<br />
............................................................................................. 220<br />
Seite | VII
Abbildung 35: Elektrotechnische Importe nach China 1903 bis 1920 .......... 225<br />
Abbildung 36: Elektrische Energieerzeugung in China 1920 bis 1937 ......... 226<br />
Abbildung 37: Elektrotechnische Importe nach China 1925 bis 1937 .......... 227<br />
Abbildung 38: Anteile am chinesischen Elektroimport 1934 bis 1937 .......... 228<br />
Abbildung 39: Gründung des Technischen Büros Shanghai (T. B. S.) ........ 232<br />
Abbildung 40: Maßnahmen zur offensiven Marktbearbeitung ...................... 234<br />
Abbildung 41: Niederlassungen der SCEEC 1914....................................... 237<br />
Abbildung 42: Faktoren für den Niedergang ................................................ 239<br />
Abbildung 43: Bedeutende Aufträge in China bis 1919 Teil 1 ...................... 247<br />
Abbildung 44: Bedeutende Aufträge China bis 1919 Teil 2 ......................... 250<br />
Abbildung 45: Umsatz und Gewinn von Siemens China von 1914 bis 1919 253<br />
Abbildung 46: Einflussfaktoren auf Siemens China nach dem Ersten Weltkrieg<br />
............................................................................................. 254<br />
Abbildung 47: Aufbau des Hauptbüros in Shanghai 1925 ........................... 259<br />
Abbildung 48: Standorte der S.Ch.Co. 1925 ................................................ 263<br />
Abbildung 49: Belegschaft von Siemens in China von 1922 bis 1940 ......... 266<br />
Abbildung 50: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 1 ......................... 277<br />
Abbildung 51: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 2 ......................... 280<br />
Abbildung 52: Umsatz und Gewinn von Siemens in China von 1921 bis 1940<br />
............................................................................................. 292<br />
Abbildung 53: Umsatzanteile der Geschäftsbereiche am Gesamtumsatz der<br />
S.Ch.Co. ............................................................................... 293<br />
Abbildung 54: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K. ........ 297<br />
Seite | VIII
Abbildung 55: Gemeinsamkeiten der Unternehmenstätigkeit in China und<br />
Japan .................................................................................... 300<br />
Abbildung 56: Standorte von Siemens in Ostasien 1937 ............................. 301<br />
Abbildung 57: Geschäftsfelder von Siemens in Ostasien ............................ 305<br />
Abbildung 58: Unterschiede der Unternehmenstätigkeit in China und Japan<br />
............................................................................................. 306<br />
Seite | IX
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />
AB Abteilung Bahn<br />
Abb. Abbildung<br />
Abt. Abteilung<br />
a.D. außer Dienst<br />
AEG Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft<br />
AG Aktiengesellschaft<br />
AI Abteilung Industrie<br />
AK Abteilung Kleinartikel<br />
ASEA Allmanna Svenska Elektriska Aktiebolaget<br />
AU Abteilung Übersee<br />
Autelco Automatic Electric Co.<br />
AZ Abteilung Zentralen<br />
BA Bauabteilung<br />
BBC Brown Boveri&Cie<br />
bzw. beziehungsweise<br />
CDFC China Development Finance Corporation<br />
CEG Chinesische Elektrizitätsgesellschaft<br />
cm Zentimeter<br />
Co. Company<br />
Corp. Corporation<br />
CVU Central Verwaltung Übersee<br />
Seite | X
CWC C. Wolter & Co.<br />
D. Deutschland<br />
ders. derselbe<br />
d.h. das heißt<br />
Dr. Doktor<br />
E-Werk Elektrizitätswerk<br />
ebd. ebenda<br />
El. Electric<br />
etc. et cetera<br />
f. folgende<br />
ff. fortfolgende<br />
Flak Flugabwehrkanone<br />
F.M.S. zu gründende Gesellschaft von Furukawa,<br />
Mitsubishi und Siemens<br />
Fusi Fusi Denki Seizo Kabushiki Kaisha<br />
GB Großbritannien<br />
GE General Electric<br />
GMA Goerlitzer Maschinenbau A.G.<br />
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
GMD Guomindang<br />
HAPRO Handelsgesellschaft für industrielle Produkte<br />
Hrsg. Herausgeber<br />
Seite | XI
inkl. inklusive<br />
kg Kilogramm<br />
KG Kommanditgesellschaft<br />
K. K. Kabushiki Kaisha<br />
km Kilometer<br />
KpCH Kommunistische Partei Chinas<br />
kV Kilovolt<br />
kVA Kilovoltampère<br />
KW Kilowatt<br />
Ltd Limited<br />
m Meter<br />
m² Quadratmeter<br />
MW Megawatt<br />
Nacoco National Construction Comission<br />
n. Chr. nach Christus<br />
NEC Nippon Electric Company<br />
Nr. Nummer<br />
NRC National Resources Comission<br />
OHG Offene Handelsgesellschaft<br />
o.O. ohne Ort<br />
o.V. ohne Verfasser<br />
PEHAN Peking-Hankow (Peking-Hankow Bahn)<br />
Seite | XII
Prof. Professor<br />
PS Pferdestärke<br />
REU Rheinelbe-Union<br />
RGS Reiniger, Geppert und Schall<br />
RM Reichsmark<br />
S. Seite<br />
SAA Siemens-Archiv-Akte<br />
S.Ch.Co. Siemens China Electric Company<br />
S&H Siemens und Halske<br />
SRSU Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union<br />
SRV Siemens- Reiniger- Veifa GmbH<br />
SRW Siemens Reiniger Werke<br />
SSDKK Siemens Schuckert Denki Kabushiki Kaisha<br />
SSKDGK Siemens Schuckert Kankoku Denki Gormi Kaisha<br />
SSW Siemens Schuckert Werke<br />
UA Überseeabteilung<br />
u. a. unter anderem<br />
USA United States of America<br />
v. Chr. vor Christus<br />
V Volt<br />
W.V.G. Wassermesservertriebsgesellschaft<br />
z.B. zum Beispiel<br />
Seite | XIII
I. EINLEITUNG<br />
Seite | 1
1. Themenhinführung und Problemstellung<br />
„Mein leitender Gedanke (…) war der,<br />
eine dauernde Firma zu stiften, welche<br />
vielleicht mal später unter Leitung<br />
unserer Jungens eine Weltfirma à la<br />
Rothschild u.a. werden könnte.“ 1<br />
Das beschleunigte Zusammenwachsen der verschiedenen nationalen Märkte<br />
zu einem integrierten Weltmarkt stellt Unternehmen vor existentielle<br />
Herausforderungen. Neue Strategien und Organisationsformen müssen<br />
entwickelt sowie die gesamte unternehmerische Wertschöpfungskette global<br />
ausgerichtet werden, damit ein erfolgreiches Unternehmen sich langfristig auf<br />
dem Weltmarkt behaupten kann. Die internationale Ausrichtung der<br />
Unternehmen hat zum Ende des 20. Jahrhunderts einen neuen Höhepunkt<br />
erreicht, der sich sowohl qualitativ als auch intensitätsmäßig niederschlägt.<br />
Dabei hat neben den traditionell wichtigen Weltwirtschaftsregionen Europa<br />
und Nordamerika vor allem die Bedeutung des asiatisch-pazifischen<br />
Wirtschaftsraums stark zugenommen. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen<br />
Dynamik wurde diese Region somit zum wichtigsten Pol der Weltwirtschaft. 2<br />
Dieser beschleunigte Internationalisierungsprozess der Wirtschaft beschäftigt<br />
insbesondere seitdem letzten Jahrzehnt Wirtschaftswissenschaftler und<br />
Unternehmer, aber auch die breite Öffentlichkeit. Erklärungen werden<br />
gesucht, aber auch Konzepte, wie ein Unternehmen international erfolgreich<br />
expandieren kann. Die historische Perspektive dieser Entwicklung wurde<br />
zumindest von der Öffentlichkeit bisher kaum zur Kenntnis genommen.<br />
1 Vgl. SAA 60/Lh 303: Auszug: Matschoß, Conrad: Werner von Siemens, Ein kurzgefaßtes<br />
Lebensbild nebst einer Auswahl seiner Briefe, Bd. 1, Berlin 1916, S. 218.<br />
2 Vgl. Vgl. Holtbrügge, Management, S. 15 ff.<br />
Seite | 2
Dabei ist der Internationalisierungsprozess kein Phänomen unserer Zeit,<br />
sondern hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Im 19. Jahrhundert<br />
begann dieser Prozess mit der Industrialisierung in Europa und den USA, als<br />
die neuen Industrien nach weiteren Absatzmärktenfür ihre Produkte suchten<br />
und im Ausland fanden. Der aufkommende Liberalismus, die technisch-<br />
industrielle Revolution, die Entwicklung des Aktienrechts sowie insbesondere<br />
die Erfindung neuer Transport- und Kommunikationsmittel wie Eisenbahn,<br />
Telegraphen und Telefon begünstigten die Entwicklung moderner<br />
Großunternehmen. Der zunehmende Einsatz von Dampfmaschinen und<br />
später auch Fließbändern eröffnete massive Kostensenkungspotenziale durch<br />
Massenproduktionsvorteile, die die Ausweitung der Absatz- und<br />
Beschaffungsmärkte über die relativ kleinen nationalen Märkte Europas<br />
hinaus notwendig machte. 3 Dabei gelang es anfänglich vor allem englischen<br />
Unternehmungen, sich durch weltumspannende Handelsaktivitäten und die<br />
Gründung von Tochtergesellschaften eine Vormachtstellung in der<br />
Weltwirtschaft zu verschaffen. 4<br />
In den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts begannen<br />
jedoch auch viele deutsche Unternehmungen damit, ein weit verzweigtes Netz<br />
von Niederlassungen im Ausland aufzubauen, um ihre Produkte dort zu<br />
vertreiben sowie Kunden- und Finanzdienstleistungen anzubieten.<br />
Unter ihnen war auch das Unternehmen Siemens, das aufgrund seines<br />
Geschäftsengagements in Russland und Großbritannien sehr früh im Ausland<br />
investierte. Trotz des Verlusts der Auslandsdirektinvestitionen nach dem<br />
Ersten Weltkrieg entwickelte sich Siemens mit seinen beiden<br />
Stammgesellschaften Siemens & Halske und Siemens-Schuckert sowie<br />
3 Vgl. Holtbrügge, Management, S. 3.<br />
4 Vgl. dazu die Arbeit von Jones, Merchants. Amerikanische Unternehmungen begannen<br />
überwiegend erst nach dem Ersten Weltkrieg damit, ausländische Tochtergesellschaften<br />
in Europa und anderen Regionen der Welt zu errichten. Die Größe des amerikanischen<br />
Marktes erlaubte es ihnen, in ihrem Heimatland beträchtliche Massenproduktionsvorteile<br />
zu realisieren. Vgl. Wilkins, Emergence.<br />
Seite | 3
zahlreichen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften schon vor dem Zweiten<br />
Weltkrieg zu einem weltweit operierenden Konzern, der das gesamte<br />
Spektrum der Elektrotechnik abdeckte und über ein für ein deutsches<br />
Industrieunternehmen singuläres weltweites Netz eigener Vertretungen<br />
verfügte. 5<br />
Für das Unternehmen Siemens war es daher konsequent, sich auch auf den<br />
zukunftsträchtigen „Emerging Markets“ in Ostasien zu engagieren. Zudem war<br />
der Unternehmensgründer Werner von Siemens schon früh vom Potenzial<br />
Ostasiens überzeugt. Bereits 1862 schrieb er an seinen Bruder Carl:<br />
„Hätten wir ein paar unzweifelhaft tüchtige und geeignete Leute, so könnte<br />
China vielleicht ein ungeheures Gebiet für uns werden, welches unser zweites<br />
Russland würde!“ 6<br />
Bis zum zweiten Weltkrieg etablierte Siemens in Ostasien ein ausgeprägtes<br />
Niederlassungsnetz einschließlich eigener Produktionsstätten. Die<br />
Internationalisierung in Ostasien ist durch Erfolge, aber auch durch<br />
empfindliche Rückschläge und harte Auseinandersetzungen um die geeignete<br />
Strategie gekennzeichnet.<br />
Daher stellen sich für die vorliegende Arbeit folgende Leitfragen:<br />
Wie entwickelte sich die internationale Unternehmenstätigkeit von<br />
Siemens in Ostasien vom Markteintritt bis 1939?<br />
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gab es bei der<br />
Internationalisierung von Siemens in Japan und in China?<br />
Es handelt sich bei dieser explorativ-deskriptiven Studie um einen Beitrag zur<br />
Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte von Siemens sowie zur<br />
Geschichte multinationaler Unternehmen. Ziel dieser Untersuchung ist es, die<br />
5 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 239.<br />
6 Vgl. SAA 8188: Bericht Eitel, Historische Entwicklung des Überseegeschäftes, S. 9.<br />
Seite | 4
internationale Unternehmenstätigkeit von Siemens in Ostasien zu<br />
rekonstruieren, strukturiert darzustellen und zu analysieren. Dazu wird eine<br />
Analyse der relevanten Aspekte im Zeitverlauf vorgenommen, da<br />
Diskontinuitäten, Transformationsphasen und Kontinuitäten erst durch eine<br />
umfassende chronologische Betrachtung deutlich werden. Eine<br />
Unternehmensentwicklung kann dabei nicht losgelöst von<br />
unternehmensexternen und -internen Einflussfaktoren erklärt werden. So<br />
konnte eine umfassende Analyse der spezifischen Unternehmensentwicklung<br />
in den beiden ostasiatischen Ländern nur vor dem Hintergrund der jeweiligen<br />
zeitimmanenten wirtschaftlichen, politischen und branchenspezifischen<br />
Rahmenbedingungen sowie der unternehmensspezifischen Einflussfaktoren<br />
sinnvoll vorgenommen werden. Diese zu identifizieren und ihren Einfluss zu<br />
bewerten, ist eine weitere Aufgabe der vorliegenden Untersuchung.<br />
Als „Internationale Unternehmenstätigkeit“ sollen im weitesten Sinne<br />
grenzüberschreitende Aktivitäten einer Unternehmung verstanden werden.<br />
Der Begriff dient in dieser Arbeit als Sammelbegriff für eine Vielzahl von<br />
Aktivitäten und Prozessen im Ausland. Dieser Ansatz, der auch von Dülfer 7<br />
und Nellißen 8 verwendet wird, reicht vom Export über den Betrieb einer<br />
Auslandsproduktionsstätte bis zur Internationalisierung weiterer<br />
Funktionsbereiche des Unternehmens. Er deckt ein breites Spektrum an<br />
Auslandsaktivitäten ab, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Räumlich<br />
werden unter Ostasien Japan und China einschließlich ihrer damaligen<br />
Kolonialgebiete Korea und Formosa verstanden. Die Untersuchung beginnt<br />
mit den Anfängen des Ostasiengeschäfts in den 1860er Jahren und endet mit<br />
dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939, der im Ostasiengeschäft<br />
eine harte Zäsur darstellt. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf dem Japan- und<br />
Chinageschäft des Hauses Siemens. Der Begriff „Haus Siemens“ bezeichnet<br />
Siemens & Halske und die mit ihr durch Mehrheitsbeteiligungen verbundenen<br />
7 Vgl. Dülfer, Management.<br />
8 Vgl. Nellißen, Mannesmann-Engagement.<br />
Seite | 5
Unternehmen und stellt eine Hilfskonstruktion dar, die ihre Einheit<br />
symbolisierten soll. 9<br />
9 Erst 1966 erfolgte schließlich die rechtliche Zusammenfassung der drei Hauptfirmen<br />
Siemens & Halske (S&H), Siemens-Schuckertwerke (SSW) und Siemens-Reiniger-Werke<br />
(SRW) zur Siemens AG. Vgl. hierzu Feldenkirchen, Siemens, S. 431.<br />
Seite | 6
2. Quellenlage und Forschungsstand<br />
Die vorliegende Arbeit basiert überwiegend auf Quellen aus dem Siemens-<br />
Archiv in München. Ergänzt wurde dieses Quellenmaterial durch Akten des<br />
Siemens-Medical-Archivs in <strong>Erlangen</strong> sowie der Deutschen Bank in Frankfurt<br />
am Main. Von besonderer Relevanz für die Erstellung dieser Studie waren der<br />
Schriftverkehr des Stammhauses mit den asiatischen Niederlassungen,<br />
Sitzungsprotokolle des Vorstands und anderer Leitungsgremien sowie<br />
Jahresberichte und Bilanzen der Tochtergesellschaften in Ostasien. Gerade<br />
der Schriftverkehr ist häufig sehr umfangreich und umfasst neben den<br />
direkten geschäftlichen Aspekten der eigenen Firma auch detaillierte Berichte<br />
über die wirtschaftliche und politische Situation. Grundsätzlich wollte das<br />
Stammhaus in Berlin einen möglichst genauen Eindruck von den<br />
Auslandsgesellschaften gewinnen, da diese aufgrund der räumlichen Distanz<br />
nur mit hohem Aufwand persönlich von den Vorständen besucht werden<br />
konnten. Schriftlich dargelegte Erinnerungen verschiedener Mitarbeiter haben<br />
sich im Verlauf der Studien als gute Quellen erwiesen, die über die reinen<br />
Fakten hinausreichend auch viele Entscheidungen transparenter machen.<br />
Exemplarisch sind hier die umfangreichen Aufzeichnungen von Rabe 10 ,<br />
Momotami 11 oder Wada 12 anzuführen. Einen guten Überblick bieten zudem<br />
diverse Festschriften des Unternehmens. 13 Hierbei sind allerdings subjektive<br />
Einfärbungen und zahlreiche Lücken zu berücksichtigen. Die in den Archiven<br />
vorhandenen Quellen weisen im Hinblick auf das Thema der vorliegenden<br />
Untersuchung sowohl quantitativ als auch qualitativ erhebliche Unterschiede<br />
auf. So ist beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung von Siemens in<br />
China vor dem Ersten Weltkrieg kaum zahlenmäßig dokumentiert, während<br />
10 Vgl. SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in<br />
China. Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten.<br />
11 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan.<br />
12 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre.<br />
13 Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift, 100 Jahre Siemens in Japan.<br />
Seite | 7
eispielsweise zum Unternehmer-geschäft in Japan sehr viel Material vor<br />
allem im Archiv der Deutschen Bank in Frankfurt am Main vorhanden ist.<br />
Zur Entwicklung internationaler 14 und multinationaler Unternehmen gibt es<br />
eine Reihe von Untersuchungen sowohl aus makroökonomischer als auch<br />
aus mikroökonomischer Sicht, die neben der wirtschaftswissenschaftlichen<br />
auch eine historische Perspektive in ihre Analysen mit einbeziehen. So gibt<br />
der Wirtschaftswissenschaftler Dunning in seiner Studie über multinationale<br />
Unternehmen und die Weltwirtschaft einen Überblick über die Geschichte<br />
multinationaler Unternehmen und ihre Rolle in der Weltwirtschaft von den<br />
70er Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. 15 Wilkins hat die<br />
Entwicklung multinational tätiger amerikanischer und europäischer<br />
Unternehmen von der Kolonialzeit bis 1970 untersucht. 16 Die historische<br />
14 Vgl. Perlitz, Management, S. 132. Die Internationalisierung von Unternehmen wird in der<br />
Forschung sowohl von Wirtschaftswissenschaftlern als auch von Wirtschaftshistorikern<br />
thematisiert. Eine Vielzahl von Theorien erklärt bestimmte Aspekte der internationalen<br />
Unternehmenstätigkeit für den historischen Internationalisierungsprozess über eine Dauer<br />
von mehr als einhundert Jahren ist jedoch bis heute keine allgemeine Theorie der<br />
Internationalisierung entwickelt worden. Es gibt allerdings mehrere Ansätze, die die<br />
Diskussion zur Erklärung der internationalen Unternehmenstätigkeit wesentlich geprägt<br />
haben. Dazu gehört die Theorie der Internalisierung von Buckley/Casson, die auf der<br />
Theorie von Coase basiert, dass für viele Transaktionen die Abwicklung über den Markt<br />
ineffizient und daher eine Integration der Transaktionen in das Unternehmen effizienter<br />
sei, die als Internalisierung bezeichnet wird. Buckley und Casson sehen das Entstehen<br />
internationaler Unternehmen als Ergebnis der Internalisierung unvollkommender Märkte.<br />
Dunning hat die Theorie der Internalisierung zur eklektischen Theorie erweitert, nach der<br />
die Internationalisierung eines Unternehmens von drei Faktoren abhängt, die als<br />
Vorteilskategorien bezeichnet werden: den Eigentumsvorteilen, den Internalisierungs- und<br />
den Standortvorteilen. Neben diesen beiden wichtigen Ansätzen gibt es noch zahreiche<br />
weitere, die den Internationalisierungsprozess eines Unternehmens teilweise auf<br />
unterschiedlichen Ebenen, teilweise auch aus unterschiedlichen<br />
wissenschaftstheoretischen Grundpositionen und aus einem unterschiedlichen<br />
Prozessverständnis heraus erklären. Vgl. Holtbrügge, Management, S. 79.<br />
15 Vgl. Dunning, Enterprises.<br />
16 Vgl. Wilkins, Emergence, und Wilkins, Maturing, sowie Wilkins, History, S. 24–51.<br />
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Entwicklung europäischer multinationaler Unternehmen in der Zeit von 1850<br />
bis 1992 wird insbesondere von Jones, Schröter sowie Hertner untersucht. 17<br />
Ausführliche Einzelfallstudien, wie sie auch von diesen Wirtschaftshistorikern<br />
immer wieder angemahnt werden, sind allerdings nach wie vor relativ selten.<br />
Zur allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in Ostasien gibt<br />
es zahlreiche Arbeiten. Für diese Studie waren vor allem die Arbeiten von<br />
Hentschel 18 für Japan sowie Spence 19 , Klein 20 und Feldenkirchen 21 für China<br />
sehr wertvoll. Einen guten Einblick in die Entwicklung der globalen<br />
Elektroindustrie bieten Hausmann/Hertner und Wilkins. 22<br />
Die Geschichte des Hauses Siemens wird schon seit dem Ende des<br />
19. Jahrhunderts in vielfältiger Weise untersucht. 23 Aus wissenschaftlicher<br />
Perspektive hat sich vor allem Feldenkirchen intensiv mit der Geschichte des<br />
Berliner Elektrounternehmens befasst. In zahlreichen Beiträgen und<br />
Publikationen untersucht er die Unternehmensgeschichte des Hauses<br />
Siemens aus verschiedensten Blickwinkeln. 24 Seine beiden grundlegenden<br />
Werke zum Unternehmen „Siemens – von der Werkstatt zum<br />
Weltunternehmen“ und „Siemens 1918 bis 1945“ bieten einen sehr<br />
umfangreichen und differenzierten Einblick in die Entwicklung des<br />
Unternehmens. Dabei gibt er auch einen guten Überblick über die<br />
17 Vgl. Jones/Schröter, Multinationals, S. 3–27, und Hertner, Enterprise, S. 113–134.<br />
18 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I+II.<br />
19 Vgl. Spence, Chinas, S. 261.<br />
20 Vgl. Klein, Geschichte, S. 42.<br />
21 Vgl. Feldenkirchen, Kapital, S. 64–80, und Feldenkirchen, Fernostgeschäfte.<br />
22 Vgl. Hausmann/Hertner/Wilkins, Electrification.<br />
23 Vgl. Siemens, Weg I+II, und Scott, Siemens Brothers, sowie Weiher, Siemens-Werke.<br />
24 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, und Feldenkirchen, Werkstatt, sowie Feldenkirchen,<br />
Unternehmenspolitik, S. 22–57.<br />
Seite | 9
Internationalisierung der Geschäftstätigkeit und bietet daher wichtige<br />
Anknüpfungspunkte für diese Arbeit. 25<br />
Explizit zum Ostasiengeschäft von Siemens gibt es bisher jedoch nur wenige<br />
den wissenschaftlichen Standards entsprechenden Untersuchungen.<br />
Die für diese Arbeit wichtigsten Studien sind die Darstellungen von<br />
Mielmann 26 und Takenaka 27 . Allerdings untersuchte Mielmann basierend auf<br />
dem zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Aktenmaterial bereits Anfang der<br />
1980er Jahre die deutsche Elektroindustrie in China. Seitdem sind jedoch<br />
zahlreiche neue Aktenbestände, zum Beispiel der sogenannte Dornburg-<br />
Bestand, der bis 1990 in DDR-Archiven lagerte, neu erfasst worden und<br />
konnten für diese Arbeit gesichtet und bewertet werden. Zudem fallen einige<br />
kleinere inhaltliche Ungenauigkeiten auf. Takenaka beschäftigt sich in seiner<br />
Studie mit dem Siemens-Geschäft in Japan vor dem Ersten Weltkrieg. Er<br />
zeigt dabei in weiten Teilen ein sehr detailgetreues Bild von den<br />
Siemensaktivitäten. Eine für den westlichen Leser nur bedingt<br />
nachvollziehbare Strukturierung sowie der weitestgehende Verzicht auf eine<br />
Untersuchung des Marineskandals bieten noch ausreichend<br />
Forschungsbedarf. Die beiden Studien von Mielmann und Takenaka bilden<br />
die Grundlage und Anknüpfungspunkte für die Analyse des<br />
Internationalisierungsprozesses in Ostasien dieser Dissertation. Kleinere<br />
Studien beschäftigen sich mit Teilaspekten der Geschäftstätigkeit von<br />
Siemens in Ostasien. Hervorzuheben sind hierbei die Arbeiten von Mutz 28 und<br />
Kudo. 29<br />
25 Vgl. zum Auslandsgeschäft insgesamt Feldenkirchen, Siemens, S. 81–86 und S. 233–240,<br />
und Feldenkirchen, Werkstatt, S. 200–208, sowie explizit zu Japan Feldenkirchen,<br />
Siemens, S. 242 ff., und Feldenkirchen, Werkstatt, S. 208 f.<br />
26 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen.<br />
27 Vgl. Takenaka, Siemens.<br />
28 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung.<br />
29 Vgl. Kudo, Japanese-German.<br />
Seite | 10
Die in dieser Dissertation aufgeworfenen Fragestellungen wurden bis heute<br />
nur in Teilaspekten betrachtet, eine umfassende, systematisch strukturierte<br />
und auch die Rahmenbedingungen bewertende Studie zur Geschichte<br />
Siemens in Ostasien fehlt jedoch bisher. Vor allem zum Japangeschäft von<br />
Siemens besteht noch großer Forschungsbedarf. Die vorliegende Arbeit ist<br />
daher ein Beitrag zur Schließung vorhandener Forschungslücken der<br />
Unternehmensaktivitäten von Siemens in Ostasien.<br />
Seite | 11
3. Aufbau der Arbeit<br />
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil, der Einleitung,<br />
werden die Problemstellung, die Quellenlage und der Forschungsstand sowie<br />
der Aufbau der Arbeit vorgestellt. In Teil II (Siemens im In- und Ausland)<br />
werden die Grundzüge der allgemeinen Unternehmensentwicklung des<br />
Hauses Siemens von seiner Gründung bis zum Zweiten Weltkrieg aufgezeigt.<br />
Vor diesem Hintergrund werden der Aufbau und die Entwicklung des<br />
Auslandsgeschäfts kurz erläutert.<br />
Das dritte Kapitel bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit und gliedert sich in die<br />
beiden Teilkapitel der Unternehmenstätigkeit von Siemens in Japan und<br />
China.<br />
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit<br />
Seite | 12
Zunächst werden im ersten Teilkapitel die geografisch-historischen und die<br />
politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Branchen-<br />
entwicklung für Japan dargestellt.<br />
Basierend auf diesen Ausführungen werden in Unterkapitel 1.2 die Anfänge<br />
des Japangeschäfts bis zum Ersten Weltkrieg erläutert. Der Schwerpunkt liegt<br />
hier auf dem Markteintritt und dem Ausbau der Geschäftstätigkeit unter<br />
Herrmann Keßler. Darüber hinaus werden anhand exemplarisch gewählter<br />
Aspekte der Geschäftstätigkeit das Unternehmergeschäft und die Pläne für<br />
den Aufbau einer eigenen Produktion näher untersucht. Abschließend wird<br />
eine Bewertung der Geschäftstätigkeit von Siemens in Japan vor dem Ersten<br />
Weltkrieg vorgenommen.<br />
Das Unterkapitel 1.3 stellt den zweiten Teil der historischen Analyse des<br />
Japangeschäfts bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dar. Neben der<br />
weiteren Entwicklung der Siemens-Schuckert K. K. liegt das Hauptaugenmerk<br />
auf der Gründung und Restrukturierung der Fusi Denki K. K. Am Beispiel der<br />
Fusi Tsushinki, der Goto Fuundo sowie ausgewählten Aufträgen bis 1939<br />
werden verschiedene Aspekte des zunehmenden Ausbaus der<br />
Geschäftstätigkeit näher untersucht. Anhand der Umsatz- und<br />
Ertragsentwicklung wird die Entwicklung von Siemens in Japan bis zum<br />
Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bewertet.<br />
Das zweite Teilkapitel des Hauptteils beschäftigt sich mit der<br />
Geschäftsentwicklung in China. Auch hier werden vorab die geografisch-<br />
historischen und die politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die<br />
Branchenentwicklung für China näher erläutert.<br />
Unterkapitel 2.2 beschreibt den Markteintritt in China und die<br />
Geschäftstätigkeit zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Als ausgewählte Aspekte<br />
des Chinageschäfts werden das erste größere Kraftwerksprojekt im Rahmen<br />
der Chinesischen Elektrizitäts-Gesellschaft mbH. Berlin und verschiedene<br />
Seite | 13
andere wichtige Aufträge erläutert. Auch hier wird abschließend eine kurze<br />
Bewertung der ersten Schritte in China vorgenommen.<br />
Das Unterkapitel 2.3 untersucht die weitere Entwicklung der<br />
Geschäftstätigkeit in China bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Der<br />
inhaltliche Schwerpunkt liegt auf dem Wiederaufbau des Vertriebsnetzes und<br />
der Expansion in neue Geschäftsbereiche. Exemplarisch werden auch hier<br />
verschiedene Aufträge sowie die Gründung der Tseng Hua Electrical<br />
Manufacturing Co. analysiert. Mit einer ausführlichen Bewertung der<br />
Geschäftsaktivitäten endet dieses Unterkapitel.<br />
Abschließend werden im vierten Kapitel die in der Einleitung aufgeworfenen<br />
Fragestellungen beantwortet. Hierzu werden die erarbeiteten Ergebnisse<br />
zusammengefasst und kritisch bewertet. Ein Vergleich der internationalen<br />
Unternehmenstätigkeit von Siemens in Japan und in China rundet die<br />
Untersuchung ab.<br />
Seite | 14
II. SIEMENS IM IN- UND AUSLAND<br />
Seite | 15
1. Die Entwicklung des Hauses Siemens im<br />
Überblick von der Gründung bis zum Beginn<br />
des Zweiten Weltkriegs<br />
Den Grundstein für die Unternehmensgründung Siemens & Halske legte<br />
Werner von Siemens mit der Konstruktion eines Zeigertelegraphen. Es gelang<br />
ihm, den von Wheatstone entwickelten Zeigertelegraphen dahin gehend zu<br />
verbessern, dass dieser nicht mehr ähnlich einem Uhrwerk arbeitete, sondern<br />
einen selbsttätigen Synchronlauf zwischen Sender und Empfänger aufwies. 30<br />
Werner von Siemens beauftragte den Mechaniker Halske mit dem Bau. Der<br />
fertiggestellte Zeigertelegraph konnte am 8. Juli 1847 erstmals auf der Linie<br />
Berlin-Potsdam vorgeführt werden. Aufgrund der guten Funktionsweise erhielt<br />
Werner von Siemens ein Patent für Preußen, das auf acht Jahre ausgestellt<br />
wurde. 31<br />
Nach der Kalkulation des zu erwartenden Auftragsvolumens und etlichen<br />
Unterredungen gelang es Werner von Siemens, den Mechaniker Johann<br />
Georg Halske für sein Vorhaben, eine Unternehmung zu gründen, zu<br />
gewinnen. Halske gab seine eigene Werkstatt im Herbst 1847 auf und ging<br />
das Risiko einer gemeinsamen Firmengründung mit Werner von Siemens<br />
ein. 32<br />
Am 12. Oktober 1847 gründeten sie die „Telegraphenbauanstalt Siemens &<br />
Halske“ 33 in der Schöneberger Straße in Berlin. 34<br />
30 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 27.<br />
31 Vgl. Siemens, Weg I, S. 18.<br />
32 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 22.<br />
33 Da ursprünglich geplant war, Telegraphen-Läutewerke für Eisenbahnen und<br />
Drahtisolierungen mittels Guttapercha herzustellen, wollte Werner von Siemens die Firma<br />
Seite | 16
Aufgrund der guten Kontakte von Werner von Siemens zur preußischen<br />
Telegraphenkommission, der Anhaltischen Bahn und dem russischen<br />
Gesandten entwickelte sich die Firma Siemens & Halske positiv. 35<br />
Der nach einer Ausschreibung im Jahre 1848 vergebene Auftrag zum Bau der<br />
Telegraphenlinie zwischen Berlin und Frankfurt brachte dem Unternehmen<br />
den ersten großen Erfolg. Am 28. März 1849 wurde die Wahl des preußischen<br />
Königs <strong>Friedrich</strong> Wilhelm IV. zum deutschen Erbkaiser mittels der<br />
fertiggestellten Telegraphenlinie nach Berlin übermittelt. 36 Die gute<br />
Zusammenarbeit mit der preußischen Telegraphenkommission hatte jedoch<br />
nicht lange Bestand. Der neu angenommene Auftrag zum Bau einer weiteren<br />
Linie im preußischen Rheinland entwickelte sich zu einem schwierigen<br />
Unterfangen. Es traten Probleme wegen der mangelhaften Isolierung im<br />
Telegraphennetz auf, die zu erheblichen Leitungsstörungen führten. 37<br />
Aufgrund der auftretenden Fehler und Störungen entzog der Leiter der<br />
Telegrafenkommission, <strong>Friedrich</strong> Wilhelm Nottebohm, 38 Siemens & Halske<br />
„Maschinen-Bauanstalt“ nennen, um sich somit nicht auf ein Gebiet festlegen zu müssen.<br />
Vgl. hierzu Heintzenberg, Leben, S. 31 f.<br />
34 Vgl. o.V., Begegnung, S. 26, und Feldenkirchen, Werkstatt, S. 28.<br />
35 Vgl. Feldenkirchen/Bartels, Werner von Siemens, S. 14 f.<br />
36 Vgl. Busse, Werner von Siemens, S. 8.<br />
37 Das Hauptproblem bestand darin, dass der Guttapercha-Ummantelung Schwefel zugeführt<br />
wurde, so dass die Leitungen aufgrund der chemischen Oxidation porös wurden. 1842 war<br />
der englische Arzt Dr. Montgomery zum ersten Mal in Kontakt mit Guttapercha<br />
gekommen. Er legte Proben dieses Stoffes in London vor und entsandte später eine<br />
größere Menge nach England. Dort kam William Siemens, der bereits seit 1844 in England<br />
lebte, mit dem Werkstoff in Kontakt. William schickte seinem Bruder Werner das<br />
Guttapercha im Frühjahr 1847, der es von jenem Zeitpunkt an als Kabelisolierung<br />
einsetzte. Werner erfand die Guttaperchapresse, die für die Fabrikation von See- und<br />
Landkabeln Anwendung fand. Vgl. hierzu Siemens, Weg I, S. 18 f., und Feldenkirchen,<br />
Werner von Siemens, S. 71 ff.<br />
38 <strong>Friedrich</strong> Wilhelm Nottebohm war Leiter der Telegraphenkommission. Zwei besondere<br />
Faktoren bestimmten die Rückläufigkeit der Aufträge: zum einen die Präsenz eines noch<br />
Seite | 17
Folge- und Anschlussaufträge im Jahre 1851. Das Unternehmen stand<br />
dadurch vor einer existentiellen Krise. 39<br />
Erst das Russlandgeschäft sollte das Unternehmen wieder zurück in die<br />
Erfolgsspur bringen. In Russland bestand sowohl aus wirtschaftlicher als auch<br />
aus militärischer Sicht die Notwendigkeit, das Land kommunikationstechnisch<br />
zu erschließen. Infolgedessen zeigte Zar Nikolaus großes Interesse an den<br />
technischen Neuerungen. 40 Werner von Siemens gelang es nach mehreren<br />
Russlandreisen, einen Vertrag über den Bau der Telegraphenlinie von St.<br />
Petersburg über Oranienbaum nach Kronstadt abzuschließen. 41 Bereits ab<br />
dem Jahr 1853 überstiegen die Umsätze aus dem russischen Geschäft die<br />
des nationalen Umsatzes um ein Vielfaches. 42 Werner von Siemens<br />
entsandte seinen Bruder Carl Siemens, dessen Versuch eine Filiale in<br />
Frankreich zu gründen, fehlgeschlagen war, nach Russland. Carl Siemens<br />
erwies sich als äußerst kompetent und erhielt im November 1853 Prokura für<br />
das russische Geschäft. 43 Im Jahre 1855 wurde das von Carl geleitete<br />
Unternehmen in eine Zweigniederlassung umgewandelt. Er führte diese von<br />
nun an selbstständig und mit eigenem Vermögen. 44 Siemens & Halske<br />
konnten sich zudem Bau langjährige regelmäßige Verträge für die Wartung<br />
der Telegraphenlinie sichern, die regelmäßige Einnahmen versprachen. 45<br />
Dieser Wartungsvertrag kompensierte auch den Auftragsrückgang aufgrund<br />
unausgereiften technischen Produkts und zum anderen auftretende Differenzen in<br />
geschäftlichen Beziehungen. Vgl. hierzu Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 73 f.<br />
39 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 25.<br />
40 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 83 f.<br />
41 Vgl. Siemens, Weg I, S. 30 f.<br />
42 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 27.<br />
43 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 85.<br />
44 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 54 ff.<br />
45 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 31.<br />
Seite | 18
der russischen Niederlage im Krim-Krieg und der dadurch angespannten<br />
Staatsfinanzen. 46<br />
Neben dem Inlands- und dem Russlandgeschäft engagierte sich Siemens vor<br />
allem in Großbritannien. Das Büro in London führte seit 1850 Wilhelm<br />
Siemens, Werners zweitjüngster Bruder. 47<br />
Ein neuer Geschäftszweig entstand durch die Entwicklung und Verlegung<br />
telegraphischer Seekabel.<br />
Da Siemens & Halske aufgrund fehlender Mittel den Bau einer eigenen<br />
Kabelfabrik ablehnten, schien ein Patent- und Lizenzabkommen mit dem<br />
Kabelhersteller R.S. Newall im Jahre 1854 der richtige Weg zu sein. 48 In<br />
Folge der Kooperation und mehrerer erfolgreicher Projekte expandierte das<br />
Geschäft. In der Werkstatt in Millbank Row in Westminster waren unter der<br />
Führung von Wilhelm Siemens bereits zwischen 80 und 100 Angestellte<br />
beschäftigt. 49 Daher wurde am 1. Oktober 1858 das Büro in eine Tochter, die<br />
Siemens Halske & Co., umgewandelt. 50 Der bestehende Kooperationsvertrag<br />
mit Newall wurde aufgrund unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten<br />
bereits im Jahre 1860 gekündigt. 51 In der Folge eröffnete das Londoner<br />
Unternehmen Siemens Halske & Co. 1863 eine eigene Kabelfabrik in<br />
Charlton bei Woolwich, um das bis dato äußerst erfolgreiche<br />
Seekabelgeschäft auch ohne R.S. Newall fortführen zu können.<br />
46 Werner von Siemens gelang es mit der Erfindung des Tataren-Galvanoskops, die<br />
Störstellen in der Telegraphenleitung schnell ausfindig zu machen. Dadurch konnten die<br />
Personalkosten für die Wartung niedrig gehalten werden. Vgl. hierzu Feldenkirchen,<br />
Werner von Siemens, S. 90 f.<br />
47 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 98, und Scott, Siemens Brothers, S. 28 f.<br />
48 Vgl. Weiher, Siemens-Werke, S. 26, und Scott, Siemens Brothers, S. 30 f.<br />
49 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 102.<br />
50 Vgl. Scott, Siemens Brothers, S. 31.<br />
51 Vgl. Weiher, Siemens-Werke, S. 54.<br />
Seite | 19
Nach hohen Verlusten kündigte Halske seine Geschäftsverbindungen mit<br />
England, denen er von Beginn an skeptisch gegenüber gestanden hatte. 52<br />
Am 1. Januar 1865 wurde das Londoner Geschäft in „Siemens Brothers“<br />
umbenannt. 53<br />
Im Jahr 1866 entwickelte Werner von Siemens das dynamoelektrische<br />
Prinzip. Damit gab er den Impuls für die Entwicklung leistungsstarker und<br />
wirtschaftlich arbeitender Generatoren und Elektromotoren und leitete eine<br />
neue Epoche der Elektroindustrie ein. In Folge dessen stieg der Bedarf an<br />
Strom enorm an. Da Siemens jedoch angesichts der Möglichkeiten und<br />
Interessen eines Familienunternehmens eine eher konservative<br />
Expansionspolitik betrieb, betätigte sich das Berliner Elektrounternehmen als<br />
führendes Schwachstromunternehmen anfänglich nicht intensiv genug auf<br />
dem neuen Geschäftsfeld. 54 Während dessen wuchs ihm mit der AEG ein<br />
mächtiger Gegenspieler.<br />
Im Jahr 1890 zog sich Werner von Siemens aus dem Unternehmen zurück. 55<br />
In dieser verschärften Wettbewerbssituation übernahm der zweite Sohn<br />
Wilhelm Siemens die Führung im Unternehmen. Er war sich der Probleme<br />
des Unternehmens bewusst und brachte es wieder auf einen<br />
Wachstumskurs. 56<br />
Erster Ausdruck der Neuausrichtung des Unternehmens war die Veränderung<br />
der Rechtsform. Im Jahr 1890 wurde die bisherige offene Handelsgesellschaft<br />
Siemens & Halske in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Persönlich<br />
hafteten als Gesellschafter und Geschäftsinhaber die Söhne Werner von<br />
52 Vgl. Weiher, Siemens-Werke, S. 37 f.<br />
53 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 106 f., und Weiher, Siemens-Werke, S. 48 ff.<br />
54 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 33 und S. 448.<br />
55 Vgl. Feldenkirchen, Lebenserinnerungen, S. 287.<br />
56 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 58 und S. 62. Der Bruder Arnold<br />
widmete sich stärker sozialen und repräsentativen Aufgaben. Carl von Siemens wurde<br />
Seniorchef und war bis zu seinem Ausscheiden 1904 ein wichtiger Berater Wilhelms.<br />
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Siemens. Im selben Jahr im Oktober nahm das Unternehmen im Rahmen<br />
einer Anleihe erstmals Fremdkapital auf. 57<br />
Auf den Rat des Seniorchefs Carl von Siemens hin wandelte Wilhelm im Jahr<br />
1897 das Unternehmen schließlich in eine Aktiengesellschaft um. Ursächlich<br />
hierfür war die aufstrebende Konkurrenz, die eine Erweiterung der<br />
Kapitalbasis vor allem vor dem Hintergrund des Unternehmergeschäfts<br />
notwendig machte. 58 Die elektrotechnische Industrie hatte in ihren Anfängen<br />
noch mit einem starken Misstrauen gegen die praktische Anwendbarkeit ihrer<br />
Erfindungen und der Rentabilität von Licht- und Kraftanlagen zu kämpfen. Vor<br />
allem öffentliche Körperschaften erwiesen sich als kritisch. Da die großen<br />
Elektrofirmen anfänglich nicht genügend Anlagenbestellungen erhielten,<br />
finanzierten sie sich selbst durch das sogenannte Unternehmergeschäft.<br />
Dabei beantragten die Unternehmen eine Konzession für die Errichtung eines<br />
Kraftwerks, gründeten dann eine Betriebsgesellschaft und vergaben den<br />
Bauauftrag durch die Betriebsgesellschaft an sich selber. Für das<br />
Bahngeschäft erwarb Siemens meist die Aktienmajorität der bestehenden<br />
Gesellschaft und beschloss dann die Elektrifizierung unter Ausgabe neuer<br />
Aktien, die sie selbst übernehmen mussten. Dadurch ergab sich das Problem,<br />
dass die kapitalintensiven Elektrizitätswerke und Straßenbahnen erstmals<br />
langfristig vorfinanziert werden mussten, bis eine bestimmte Rentabilität des<br />
Betriebs nachgewiesen werden konnte. 59<br />
Formell erfolgte am 3. Juni 1897 die Gründung der Siemens & Halske AG,<br />
wobei die Aktiva und Passiva der Kommanditgesellschaft Siemens&Halske<br />
auf die neue Aktiengesellschaft übertragen wurden. Der Einfluss der Familie<br />
wurde durch die Gesellschaftsstatuten gesichert, die es dem<br />
Aufsichtsratsvorsitzenden ermöglichten, die Geschäftsführung des<br />
57 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 60. Werner von Siemens agierte als Kommandist. In<br />
seinem Testament verfügte er, dass sein Kommanditanteil nach seinem Tode an seine<br />
sechs Kinder übergehen sollte.<br />
58 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 70.<br />
59 Vgl. Jacob-Wendler, Elektroindustrie, S. 25.<br />
Seite | 21
Vorstandes zu überwachen und alle Bücher und Schriften einzusehen. 60 Die<br />
neue Finanzpolitik wurde nachhaltig durch Georg Siemens, einen Cousin<br />
Wilhelms unterstützt, der Direktor bei der Deutschen Bank war. Diese hatte<br />
anfänglich enge Kontakte zur AEG gehalten und deren Geschäfte innerhalb<br />
des Bankenkonsortiums gefördert. Im Laufe der folgenden Jahre und des<br />
zunehmenden Rückgriffs auf Fremdkapital entwickelte sich die Deutsche<br />
Bank zur Siemens-Hausbank. Sie war federführend bei organisatorischen<br />
Veränderungen, Anleihe-Emissionen und Kapitalerhöhungen in den Siemens-<br />
Stützpunkten in Deutschland, Russland und Großbritannien. 61 Zur<br />
Unterstützung des Unternehmergeschäfts im Ausland errichtete S&H in<br />
Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank im Dezember 1897 eine eigene<br />
Finanzierungsgesellschaft. Die „Elektrische Licht- und Kraftanlagen AG“ sollte<br />
die Expansion von Siemens auf den Weltmärkten unterstützen und verfügte<br />
anfänglich über ein Aktienkapital von 30 Millionen Mark. 62<br />
Mit der strategischen Wende vergrößerte Siemens in den 1890er Jahren<br />
stetig sein Geschäft, wobei ihm die allgemeine Konjunktur der Elektroindustrie<br />
in den 1890er Jahren zugutekam. 63 Dadurch blieb Siemens mit einem Aktien-<br />
60 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 62. Durch jährliche Erhöhungen stieg das Kapital bis zum<br />
Jahre 1900 auf 54 Millionen Mark. Die Bestimmung, dass der Aufsichtsratschef ein „Chef<br />
des Hauses“ sein sollte, blieb bis zur Novellierung des Aktiengesetzes 1937 bestehen.<br />
61 Vgl. Helfferich, Georg Siemens, S. 36 f., und Takenaka, Siemens, S. 29 f. Die Beziehungen<br />
zur AEG blieben bestehen aber in deutlich geringerem Umfang als zuvor.<br />
62 Vgl. Strobel, Gründung, S. 303–332, hier S. 325 ff. Von der Gründung erwartete sich die<br />
Frankfurter Börse den Ausbau der Betätigung der deutschen Elektroindustrie auf dem<br />
Weltmarkt. Vor allem in Südamerika beteiligte sich die neue Finanzierungsgesellschaft.<br />
Ferner unterhielt Siemens eine Finanzierungsgesellschaft in der Schweiz. Zusammmen<br />
mit verschiedenen Schweizer Banken wurde 1896 die Schweizerische Gesellschaft für<br />
elektrische Industrie in Basel (Indelec) gegründet. Vgl. hierzu Jacob-Wendler,<br />
Elektroindustrie, S. 28. Diese beteiligte sich bspw. an der Mexican Electric Works Ltd. mit<br />
Sitz in London. Vgl. hierzu SAA 68/Li 260/ III, Wegner, Jürgen: Siemens in Mexico,<br />
S. 14 f.<br />
63 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 101.<br />
Seite | 22
und Obligationskapital von 84,3 Millionen Mark das größte deutsche<br />
Elektrounternehmen im Jahr 1899/1900. 64<br />
In Folge der Expansion des Unternehmens erweiterte Siemens ständig seine<br />
Produktionsanlagen. So wurde das erste Werk in Berlin in ein Spezialwerk für<br />
die Schwachstromtechnik umfunktioniert. 65 Des Weiteren konzentrierte<br />
Siemens seine Produktionsanlagen für den Starkstrombereich großenteils im<br />
„Charlottenburger Werk“ in Berlin. Die positive Entwicklung des Hauses<br />
Siemens in den 1890er Jahren hatte zu Kapazitätsproblemen sowohl in der<br />
Schwachstromfertigung wie auch bei der Starkstrom- und Kabelfertigung<br />
geführt. 66 Gerade für die Kabelproduktion des Charlottenburger Werkes<br />
bestand großer Bedarf an Produktionsfläche. Eine Vergrößerung der<br />
Produktionsstätten wurde von der Stadt Charlottenburg jedoch nicht<br />
genehmigt. Daher suchte Siemens ein neues Grundstück und erwarb<br />
schließlich ein 210.000 qm großes unerschlossenes Grundstück an der Spree<br />
– die Nonnenwiesen – im November 1897. In Folge der steigenden Nachfrage<br />
nach Leitungen und Kabeln für die Nachrichten- und Energietechnik seit der<br />
Jahrhundertwende wurde in einem ersten Schritt ein Kabelwerk am<br />
Rohrdamm eingerichtet, das am 1. August 1899 seine Produktion aufnahm.<br />
Nach der Fertigstellung des ersten Kabelwerks entstanden noch weitere<br />
Fabrikationsstätten und Gebäude. 67 .<br />
64 Vgl. Strobel, Gründung, S. 303–332, hier S. 304 ff. Die Jahre 1889–1894 waren vor allem<br />
durch den Straßenbahnbau geprägt, während sich in der Aufschwungphase von 1895 bis<br />
1900 der Höhepunkt des Unternehmergeschäftes befand.<br />
65 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 63, und Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer,<br />
S. 73 ff.<br />
66 Vgl. Ribbe/Schäche, Siemensstadt, S. 61.<br />
67 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 75. Bis zu Beginn des Jahres 1912<br />
entstand ein neues Kabelwerk außerhalb der Siemensstadt, welches der größte<br />
Hallenfabrikbau Europas war. Das freiwerdende alte Kabelwerk in Siemenstadt wurde in<br />
Folge als Fabrikation für Elektromotoren und kleinere Maschinen genutzt. Das Werk<br />
firmierte unter „Elmowerk“ (Elektromotorenwerk). Mitte der 1920er wurde dort mit der<br />
Produktion von elektrischen Haushaltgeräten begonnen.<br />
Seite | 23
Dabei wurden gleichartige Fabrikationen möglichst räumlich gebunden. Die<br />
zweite wichtige eigenständige neue Fabrik war das „Wernerwerk“ für die<br />
Produktion von Fernmeldeeinrichtungen im Jahr 1905. 68 Als drittes wurde ein<br />
Kleinbauwerk zur Produktion von Installations- und Schaltmaterial im Jahr<br />
1906 errichtet. Kurz danach wurde eine geräumige Halle für den<br />
Großmaschinenbau gebaut, aus der das wichtige Dynamowerk hervorging.<br />
Hier wurden elektrische Dynamomaschinen für den Kraftwerksbau,<br />
Leistungsgeneratoren, Förderanlagen, Walzstraßen, Elektroschmelzöfen<br />
sowie elektrische Lokomotiven hergestellt. 69<br />
Nachdem die Mehrzahl der Produktionsstätten an den neuen Standort am<br />
Nonnendamm verlegt worden war, folgten im Jahr 1914 die<br />
Verwaltungszentralen der Berliner und Charlottenburger Fertigungsstätten.<br />
Um das Firmengelände optimal versorgen zu können, investierte Siemens<br />
umfangreich in den Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur und<br />
Wohnungen. Als Dank für den geleisteten Beitrag zur Stadtentwicklung wurde<br />
der Ortsteil Nonnendamm im Jahr 1914 in Siemensstadt umbenannt. Zu<br />
diesem Zeitpunkt wohnten 7000 Mitarbeiter dauerhaft in der „Stadt“, 23.000<br />
Menschen waren in den Produktionsstätten oder der Verwaltung tätig.<br />
Daneben entwickelte Siemens seine Vertriebsorganisation jedoch nur<br />
langsam. Während sich das Schwachstromgeschäft auf nur wenige<br />
Großkunden wie Behörden und Großunternehmen verteilte, erforderte die<br />
neue Starkstromtechnik, deren Abnehmer auch kleinere Betriebe und<br />
Privathaushalte waren, eine veränderte Absatzorganisation. Nachdem der<br />
Vertrieb bisher zentral über Berlin abgewickelt worden war, setzte Siemens<br />
68 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 66. Dieses Werk wurde später als Wernerwerk F oder<br />
Fernmeldewerk bekannt, seit 1928 auch mit dem Zusatz „I“.<br />
69 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 67, und Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer,<br />
S. 75. Ab 1914 wurde zusätzlich das Wernerwerk für Meßtechnik errichtet, das heute mit<br />
seinem Uhrtum ein markantes Gebäude der Siemensstadt ist.<br />
Seite | 24
aufgrund der Ausweitung des Geschäfts und des Produktspektrums die<br />
Anwerbung von Vertretern durch. Nachdem es dabei zunehmend zu<br />
Problemen gekommen war, beschloss die Firmenleitung im Jahr 1885, das<br />
Vertreterwesen durch eigene Technische Büros umgesetzt. Dieses Konzept<br />
wurde jedoch erst Anfang der 1890er konsequent umgesetzt. Die technischen<br />
Büros hatten die Absatzmöglichkeiten zu beobachten und die Projekte<br />
weiterzuleiten, damit sie vom Stammhaus bearbeitet werden konnten. 70<br />
Im Jahr 1901/02 litt Deutschland unter einer allgemeinen Konjunkturkrise. Auf<br />
dem zuvor stets expandierenden Markt für elektrische Maschinen war die<br />
Nachfrage allmählich gesättigt. Im Verlauf der Krise geriet auch die Firma<br />
Schuckert in Nürnberg in finanzielle Schwierigkeiten. In Folge dessen legten<br />
im März 1903 Schuckert und S&H ihre Starkstromfabrikation zu den Siemens-<br />
Schuckert-Werken zusammen. Siemens spaltete dazu organisatorisch seine<br />
Starkstromwerke – wie das Charlottenburger Werk und das Kabelwerk – ab<br />
und fusionierte diese als Siemens-Schuckert-Werke GmbH mit den Anlagen<br />
von Schuckert. Der Schwachstrombereich wurde als Siemens & Halske AG<br />
fortgeführt.<br />
Dadurch erreichte Siemens neben der AEG eine Monopolstellung in der<br />
deutschen Elektroindustrie vor dem Ersten Weltkrieg. 71<br />
Im Jahr 1919 trat der jüngste Sohn Werner von Siemens‘ Carl <strong>Friedrich</strong> von<br />
Siemens, der 1912 den Vorstandsvorsitz der SSW-Werke übernommen hatte,<br />
die Nachfolge seines 17 Jahre älteren Bruder Wilhelm als „Chef des Hauses<br />
Siemens“ an. In seine Amtszeit fielen die Umstellung von der „Kriegs- auf die<br />
Friedenswirtschaft“ sowie der Wiederaufbau und der Ausbau der<br />
70 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 62 f. Die zeitliche Verzögerung beim Ausbau des<br />
Vertriebsnetzes stärkte die Position der Konkurrenz gegenüber S&H.<br />
71 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 68.<br />
Seite | 25
Elektroindustrie unter Wahrung der Corporate Identity oberstes Ziel der<br />
Unternehmenspolitik. 72<br />
Langfristig meisterte das Familienunternehmen Siemens diese Aufgaben.<br />
Umsatz und Belegschaft nahmen gegenüber 1913/14 in der<br />
Zwischenkriegszeit zu.<br />
Das Wachstum der deutschen Elektroindustrie wurde gleichermaßen vom<br />
Schwach- wie vom Starkstrombereich getragen. Das Anwachsen der<br />
Leistungsfähigkeit, der Größe und der Komplexität der Energie- und<br />
Nachrichtentechnik sowie ihrer Systeme kennzeichneten diese Entwicklung.<br />
Für den Schwachstrombereich waren die Neuerschließung und der Ausbau<br />
bestimmter Anwendungsgebiete der Elektrizität (Telefonie,<br />
Fernschreibtechnik, Medizin, Rundfunk), für den Starkstrombereich die<br />
Steigerung der Stromerzeugung und des Verbrauchs pro Kopf maßgeblich. 73<br />
Der Neubau und die Erweiterung von Kraftwerken und Hochspannungsnetzen<br />
trugen erheblich zur günstigen Entwicklung des Anlagengeschäfts bei.<br />
Die installierte Generatorenleistung sämtlicher Elektrizitätswerke stieg von<br />
8713 MW im Jahr 1925 auf 16250 MW im Jahr 1938. Gestützt wurde diese<br />
günstige Entwicklung der Elektroindustrie auch von der steigenden Nachfrage<br />
nach elektrischen Anlagen und dem daraus resultierenden Stromverbrauch. In<br />
Folge dessen wurde der gesamte Mechanisierungsprozess im verarbeitenden<br />
Gewerbe fast ausschließlich vom Einsatz elektrischer Antriebsmaschinen<br />
bestimmt. So erreichte mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung die deutsche<br />
Wirtschaft den Elektrifizierungsgrad der amerikanischen Industrie. 74<br />
Siemens stand aufgrund der Absatzmarkt-, Patent- und Beteiligungsverluste<br />
als Folge des Ersten Weltkriegs vor großen Herausforderungen.<br />
72 Vgl. Feldenkirchen, Unternehmenspolitik, S. 22–57, hier S. 28.<br />
73 Vgl. SAA 11/Lf 287: Nachlass Köttgen.<br />
74 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 103.<br />
Seite | 26
Erleichtert wurde der Neubeginn nach Kriegsende dadurch, das zumindest die<br />
Sachwerte erhalten geblieben waren und Siemens weiterhin bei der<br />
technischen Leistung führend war. Dennoch erschwerten die politischen und<br />
wirtschaftlichen Umstände in der Nachkriegszeit eine langfristig ausgerichtete<br />
Unternehmenspolitik. Nach Kriegsende stand vor allem die Beschaffung von<br />
Rohstoffen im Vordergrund.<br />
Bereits im Jahr 1917 waren zwischen Siemens und Hugo Stinnes angesichts<br />
schwieriger Materialbeschaffung Gespräche über die Gründung einer<br />
möglichen Interessensgemeinschaft geführt worden. In Folge dessen wurde<br />
nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Dezember 1919 und Januar 1920 in<br />
Gesprächen zwischen Otto Henrich (SSW), Hugo Stinnes und Albert Vögler<br />
(Deutsch-Luxemburgerische Bergwerks- und Hütten AG) beschlossen,<br />
gemeinsam Dynamobleche zu produzieren. Dadurch entwickelte sich der Plan<br />
eines vertikalen Zusammenschlusses von Kohle/Erz über Eisen/Stahl bis hin<br />
zur Fertigwarenindustrie. 75 Nach zahlreichen Verhandlungen bildeten<br />
schließlich am 30.12.1920 die Gelsenkirchener Bergwerks-AG, das<br />
Dortmunder Unternehmen Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten<br />
AG sowie S&H und die SSW eine Interessengemeinschaft. Es wurde geplant,<br />
dass die Vertragsgesellschaften unter Wahrung ihrer rechtlichen und<br />
verwaltungsmäßigen Selbstständigkeit eine wirtschaftliche Einheit bilden<br />
sollten. Die langfristig angelegte Übereinkunft sah einen finanziellen Ausgleich<br />
zwischen den Gesellschaften vor. Als Organ dieser Interessengemeinschaft<br />
wurde die Siemens-Rheinelbe-Schuckert GmbH (SRSU) gegründet.<br />
Spätestens mit der Stabilisierung der Währung Ende des Jahres 1923<br />
erkannte Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens jedoch, dass die Gewinnverteilung für<br />
Siemens ungünstig war. Zudem waren die beiden Montanunternehmen als<br />
Abnehmer für elektrotechnische Erzeugnisse entgegen der Erwartung<br />
75 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 188 f. und S. 535–540. Die bisherigen oberschlesischen<br />
Lieferanten Bismarckshütte und Friedenshütte wurden als nicht mehr lieferfähig<br />
angesehen. Gleichzeitig sollte im Rahmen der Selbstverbrauchsregelung des Rheinisch-<br />
Westfälischen Kohlesyndikats Kohle günstiger bezogen werden können.<br />
Seite | 27
unbedeutend. Die Gründung der Vereinigten Stahlwerke AG im Jahr 1926,<br />
der auch die beiden Montanunternehmen angehörten, führte schließlich zur<br />
faktischen Auflösung der SRSU, auch wenn diese formell noch nicht<br />
vollzogen wurde.<br />
Der Ausbau des Hauses Siemens vom eher technisch orientierten<br />
Gründerunternehmen zu einem modernen Industriekonzern wurde durch die<br />
vier Schlüsselfaktoren Finanzkraft, Rationalisierung, Marketing sowie Einheit<br />
des Hauses wesentlich gefördert. In der Inflationszeit gingen nur geringe<br />
liquide Mittel verloren, da Siemens frühzeitig sein Kapital auf Sachwerte<br />
verlagert hatte. Nach der Währungsstabilisierung ließ sich die zeitweilige<br />
Geldknappheit verhältnismäßig leicht mit kurzfristigen Mitteln überwinden, da<br />
durch die erhalten gebliebenen Anlagenwerte nur die Löhne und der<br />
Materialeinkauf finanziert werden mussten.<br />
In den folgenden Jahren wurde die Finanzkraft durch eine vorsichtige<br />
Dividendenpolitik sowie die Bildung stiller Reserven weiter unterstützt. 76<br />
Durch die Aufnahme von Auslandsanleihen, die der Finanzierung des<br />
Absatzes sowie dem Ausbau der Werke dienten, konnte die Finanzkraft des<br />
Konzerns weiter gestärkt werden. 77<br />
Zweiter Schlüsselfaktor für erfolgreiches betriebswirtschaftliches Handeln war<br />
die Rationalisierung. In der Zwischenkriegszeit nahm der Siemens-Konzern<br />
diesbezüglich eine Führungsrolle innerhalb der deutschen Industrie ein.<br />
Die Bemühungen zur Rationalisierung verstärkte in den 1920er Jahren vor<br />
allem Carl Köttgen. Der SSW-Vorsitzende, der auch im Reichskuratorium für<br />
Wirtschaftlichkeit eine führende Rolle spielte, erreichte durch die Einführung<br />
einer straffen Organisation eine weitgehende Rationalisierung der Fertigung<br />
76 Vgl. Feldenkirchen, Unternehmenspolitik, S. 22–57, hier S. 35.<br />
77 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 393 ff.<br />
Seite | 28
und Normung von Bauteilen und Erzeugnissen. So wurden im Jahr 1921<br />
erstmalig die sogenannten Arbeitsbüros geschaffen. Diese führten Zeitstudien<br />
an Werkzeugmaschinen durch und normierten Werkzeuge. 1924 wurde das<br />
Lochkartenverfahren nach dem Hollerith-Verfahren für die Lohn- und<br />
Materialabrechnung sowie die Bestell- und Umsatzstatistik eingeführt. Im Jahr<br />
1925 erfolgte die Fließbandfertigung für standardisierte Massenware. 78<br />
Darüber hinaus wurde inspiriert von amerikanischen Unternehmen auch das<br />
Marketing ausgebaut und ein einheitliches Corporate Design geschaffen. 79<br />
Dadurch gelang es Siemens, seine Markenbekanntheit und sein<br />
Markenimage zu steigern. 80<br />
Vierter Schlüsselfaktor war die Einheit des Hauses. Aktienrechtlich gesehen<br />
übte die S&H eine Holdingfunktion gegenüber der SSW und den SRW aus,<br />
wodurch diese abhängige Gesellschaften wurden. In der Praxis war das<br />
Verhältnis zwischen S&H und SSW geprägt von gleichberechtigter<br />
Partnerschaft. Um eine einheitliche Führung des Unternehmens zu<br />
gewährleisten, saßen die Vorstände der S&H auch im Vorstand der SSW und<br />
umgekehrt. Die zentrale Rolle nahm dabei der sogenannte „Chef des Hauses“<br />
ein, der als Vorsitzender der Aufsichtsräte beider Gesellschaften auftrat.<br />
Bestimmte Abteilungen, beispielsweise Finanzen, Recht, Steuern oder<br />
Personal, fungierten als Bindeglieder zwischen den Gesellschaften und<br />
wurden deshalb ebenfalls gemeinschaftlich geführt. Die so geschaffene<br />
78 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 224 ff.<br />
79 Feldenkirchen, Kontinuität, S. 269–285, hier S. 268. Im Bereich Marketing und dort vor<br />
allem auf dem Gebiet der Kommunikationspolitik bestand bei Siemens während der<br />
Zwischenkriegszeit erheblicher Reformbedarf. Das Problem war die fehlende<br />
Einheitlichkeit des Werbeauftritts im Sinne einer Corporate Identity und die<br />
unzweckmäßige organisatorische Verankerung des Marketings in den einzelnen<br />
Stammgesellschaften, die jeweils eigene Werbeabteilungen besaßen. Das Problem wurde<br />
1935 mit der Schaffung einer Hauptwerbeabteilung (HWA) unter Leitung von Hans<br />
Domizlaff gelöst. Domizlaff sorgte für ein einheitliches Corporate Design und eine bewusst<br />
verfolgte Dachmarkenstrategie.<br />
80 Vgl. Kramer, Identity, S. 241, hier S. 241.<br />
Seite | 29
„Einheit des Hauses“ war ein zentraler Aspekt der Unternehmenskultur von<br />
Siemens.<br />
Seite | 30
2. Das Auslandsgeschäft des Unternehmens bis<br />
zum Beginn des Zweiten Weltkriegs<br />
Schon kurz nach seiner Gründung wurde Siemens auch im Ausland aktiv. Im<br />
Rahmen seiner Unternehmensentwicklung kam es neben internationalen<br />
Großprojekten, wie der Indo-Europäischen Telegraphenlinie, zu einem<br />
verstärkten Ausbau der Auslandswerke. Einen besonderen Stellenwert besaß<br />
das Auslandswerk in Großbritannien. Der britische Stützpunkt der Siemens<br />
Brothers hatte sich im Lauf der Zeit auf das Tiefseekabelgeschäft spezialisiert<br />
und war auf diesem Geschäftsgebiet sehr erfolgreich. In Folge dessen wurde<br />
der Stützpunkt 1880 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, in der jedoch<br />
der Prokurist Löffler zunehmend an Einfluss gewann. Sein<br />
Alleinvertretungsanspruch für die Überseemärkte sorgte für heftige Konflikte<br />
zwischen Siemens Brothers und der deutschen Muttergesellschaft, die in der<br />
zusammenfassend als „Löfflerkrise“ bezeichnet werden und erst 1888<br />
endgültig beigelegt wurden. 81<br />
Neben England nahm das Geschäft in Russland eine besondere Stellung ein,<br />
da Siemens dort auch über Fabrikationsstätten verfügte. 82 Neben England<br />
und Russland war Siemens in Europa vor allem in Österreich-Ungarn, Belgien<br />
und Spanien sehr engagiert. 83<br />
81 Siemens Brothers durfte nun Aufträge aus Russland und Deutschland ausführen, ebenso<br />
wie Siemens & Halske Aufträge aus dem Vereinigten Königreich entgegen nehmen durfte.<br />
Vgl. hierzu Weiher, Siemens-Werke, S. 167 ff.<br />
82 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 71 ff. und S. 100 f. So besaß Siemens ein eigenes<br />
Kabelwerk in Russland Auf diesem Weg konnten die in Russland 1877 verhängten<br />
Importzölle umgangen werden. Das St. Petersburger Unternehmen wurde 1898 in eine<br />
Aktiengesellschaft umgewandelt und fungierte fortan als Russische Elektrotechnische<br />
Werke S & H AG. Langfristig bedeutend war der 1906 erfolgte Zusammenschluss der von<br />
der AEG, Felten & Guilleaume und Siemens & Halske eingebrachten Kabelwerke zur<br />
Vereinigte Kabelwerke AG St. Petersburg.<br />
83 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 86 ff.<br />
Seite | 31
In den 1890er Jahren trat das deutsche Elektrounternehmen auch in den<br />
amerikanischen Markt ein, den Hauptrivalen Deutschlands im Elektrobereich.<br />
Im Jahre 1892 gründete Siemens in Chicago die „S&H Electric Co. of<br />
America“, ein paritätisches Joint Venture mit örtlichem Kapital. Angesichts der<br />
scharfen Konkurrenz auf dem amerikanischen Markt gab es jedoch Probleme<br />
mit dem Kooperationspartner, so dass sich Siemens nur wenige Jahre später<br />
aus Nordamerika zurückzog. 84 Dagegen konnte neben Asien vor allem das<br />
Überseegeschäft in Südamerika ausgebaut werden. 85<br />
Trotz der Expansion kam bei Siemens der Aufbau einer<br />
Verwaltungsorganisation für das Überseegeschäft nur schleppend voran. Mit<br />
ihren zahlreichen Abteilungen in den verschiedenen Siemens-Gesellschaften,<br />
die jeweils aus aktueller Notwendigkeit heraus geschaffen worden waren,<br />
stellte die Auslandsorganisation zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein<br />
kompliziertes Gebilde dar. Angesichts der organisatorischen<br />
Überschneidungen und großen Unterschiede in der Auslastung der einzelnen<br />
Werke war die Vergeudung von Ressourcen unvermeidlich. Die<br />
Unternehmensleitung beschloss daher, die Vielzahl der für den Export<br />
zuständigen Verwaltungsorganisationen des Konzerns zusammenzufassen<br />
und errichtete im November 1908 die „Central-Verwaltung Übersee“ (CVU).<br />
Die CVU hatte die Aufgabe, eine allgemeine Linie für das gesamte<br />
Auslandsgeschäft des Siemens-Konzerns auszuarbeiten. Darüber hinaus<br />
nahm sie Bestellungen aus dem Ausland entgegen, leitete diese an die<br />
Einzelunternehmen weiter und überwachte ihre Erledigung. Ferner hatte sie<br />
die Aufgabe, die Geschäfte der Auslandsstützpunkte zu kontrollieren, und<br />
befand über Personal- und Verwaltungsangelegenheiten der Stützpunkte. Als<br />
erster Direktor der CVU fungierte Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens.<br />
84 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 71 ff.<br />
85 Vgl. Jacob-Wendler, Elektroindustrie, S. 219 ff.<br />
Seite | 32
Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg besaß das Unternehmen in zehn<br />
Ländern Tochtergesellschaften mit Produktionsanlagen und in 49 Ländern<br />
insgesamt 168 Stützpunkte. 86<br />
Durch den Ersten Weltkrieg war Siemens von allen ausländischen<br />
Absatzmärkten abgeschnitten. Die deutsche Niederlage und der Versailler<br />
Vertrag trafen das internationale Geschäft von Siemens schwer. Den<br />
Kriegsgegnern wurde das Recht zugesprochen, deutsches Eigentum zu<br />
liquidieren und gegen eigene Forderungen aufzurechnen Dieses bedeutete<br />
für international operierende Konzerne den Verlust von Niederlassungen,<br />
Fertigungsstätten Patenten und Markennamen. Siemens verlor sein gesamtes<br />
Vermögen im gegnerischen Ausland, insbesondere die Fabriken in England<br />
und Russland.<br />
Trotz der erheblichen Belastung entschloss sich Siemens im Jahr 1919 erneut<br />
aus der Erkenntnis heraus, dass der deutsche Markt für eine Auslastung der<br />
vorhandenen Elektroindustrie keineswegs ausreichte und die<br />
Konkurrenzfähigkeit des Hauses langfristig nur im internationalen Wettbewerb<br />
gesichert werden könnte sich um alte und neue Exportmärkte zu bemühen<br />
und im Ausland auch wieder neue Vertriebsgesellschaften und<br />
Fertigungsstätten zu errichten. Die Wiedererlangung einer führenden Position<br />
auf dem Weltmarkt gestaltete sich jedoch schwierig. Dafür waren mehrere<br />
Faktoren verantwortlich. Während des Kriegs, als deutsche<br />
Ausfuhrlieferungen nicht mehr zur Verfügung standen, waren in vielen<br />
Märkten neue Konkurrenzunternehmen entstanden. Diese wurden nun oft<br />
durch ihre Regierung bei der Auftragsvergabe begünstigt oder durch<br />
86 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 39 ff. Die Stützpunkte wurden je nach dem Land, in dem sie<br />
sich befanden, in eine deutsche und eine britische Gruppe aufgeteilt. Zur Gruppe I der<br />
beiden deutschen Siemens-Unternehmen zählten Länder, in denen Deutschland starken<br />
wirtschaftlichen Einfluss ausübte oder in denen das Unternehmen bereits über eine<br />
gewisse Position verfügte. Die Gruppe II bezeichnete dagegen die britische<br />
Wirtschaftssphäre. Unabhängig von der Zuordnung zu den jeweiligen Überseeabteilungen<br />
repräsentierte jeder Stützpunkt von Siemens nach außen den Gesamtkonzern.<br />
Seite | 33
Einfuhrzölle oder auch nicht tarifäre Handelsbeschränkungen (wie z.B.<br />
Importkontingente) geschützt. Zweitens gab es aufgrund der Kapitalmarktlage<br />
in Deutschland Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Auslandsgeschäfts.<br />
Dritter Faktor war die nicht mehr in dem Maße wie vor 1913 gegebene<br />
technische Leistungsfähigkeit. Durch die auf die Kriegswirtschaft<br />
zurückzuführenden Versäumnisse in der Forschung war Siemens wie die<br />
gesamte deutsche Elektroindustrie in einigen Teilbereichen der<br />
Elektrotechnik, aber auch in der Ablauforganisation hinter die wichtigsten, vor<br />
allem amerikanischen Konkurrenten zurückgefallen. Diese Entwicklung führte<br />
einerseits dazu, dass Siemens die Zusammenarbeit mit ausländischen<br />
Großunternehmen intensivierte, die Erschließung der Auslandsmärkte mit<br />
Hilfe von Joint Ventures anging und sich andererseits die Waren- und<br />
Regionalstruktur des Exports änderte, wobei der Anteil der anspruchsvolleren<br />
Qualitätserzeugnisse gegenüber den im Ausland billiger hergestellten bzw. im<br />
Absatzland erzeugten einfachen elektrotechnischen Erzeugnissen langfristig<br />
zunahm. 87<br />
Um den in der Zwischenkriegszeit wachsenden Forderungen nach einer<br />
Produktion im Lande zu entsprechen, wurde die Zahl der Fertigungsstätten<br />
trotz aller Schwierigkeiten erhöht. Im Jahre 1936 gab es 16 Fertigungsstätten<br />
in Europa. Fabriken entstanden unter anderem in Italien, in der Schweiz, in<br />
87 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 233 ff. Der Verlust von Siemens Brothers in England<br />
bedeutete einen großen Rückschlag für die Firma, da sie nun unabhängig vom Mutterhaus<br />
und unter englischer Kontrolle stehend, jedoch den deutschen Namen sowie Erfindung<br />
und Erfahrung nutzend, als neuer Konkurrent auftrat. So hatte S&H noch kurz vor dem<br />
Ausbruch des Ersten Weltkriegs seine englischen Tochergesellschaften über das eigene<br />
System der automatischen Telefonie unterrichtet. Mit diesem Wissen trat Siemens<br />
Brothers schließlich in Konkurrenz mit Siemens. Erst nach persönlichem Kontakt beider<br />
Unternehmensleitungen kam es im Jahr 1929 zu einem Kooperationsvertrag, in dem<br />
vereinbart wurde, sich gegenseitig auf dem Heimatmarkt keine Konkurrenz zu machen<br />
und gemeinsam gegen den amerikanischen Konkurrenten ITT vorzugehen. Um die<br />
angestrebte wirtschaftliche Verständigung zu fördern, fand ein Aktientausch beider<br />
Unternehmen statt: Der Siemens-Konzern hielt nun 18,37 Prozent des Stammkapitals<br />
seiner ehemaligen Tochter Siemens Brothers.<br />
Seite | 34
Holland und in Schweden. Größere Fertigungsbetriebe lagen in Österreich, in<br />
der Tschechoslowakei, in Budapest, Mailand und Barcelona. Eine Sonderrolle<br />
nahm das Geschäft in den USA ein. Basierend auf den strategischen<br />
Überlegungen der Firmen wurden die Arbeitsgebiete in einem Vertrag mit<br />
Westinghouse aufgeteilt. Zusätzlich wurde in dem Vertrag ein regelmäßiger<br />
Austausch von Patenten und Erfahrungen beschlossen.<br />
Siemens verfügte am Ende der Zwischenkriegszeit im Ausland über ein für<br />
ein deutsches Unternehmen singuläres Netzwerk eigener Vertretungen im<br />
Ausland. 88<br />
88 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 233–241.<br />
Seite | 35
III. DAS OSTASIENGESCHÄFT DES HAUSES<br />
SIEMENS<br />
Seite | 36
1. Siemens in Japan<br />
1.1 Die Rahmenbedingungen<br />
1.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund<br />
Japan (jap. Nihon) ist ein der Ostküste des asiatischen Festlands<br />
vorgelagerter Inselstaat, der vom Pazifischen Ozean und dem Japanischen<br />
Meer umgeben ist. Die 3.000 km lange bogenförmige Inselkette ist mit<br />
377.484 km 2 flächenmäßig etwas größer als Deutschland. 89 Japan besteht<br />
aus vier Hauptinseln. 90<br />
Abbildung 2: Übersichtskarte Japan<br />
Hokkaido ist die nördlichste Hauptinsel und umfasst mit ihren Nebeninseln<br />
78.513 km 2 . Die dünnbesiedelte zweitgrößte Insel Japans ist damit ungefähr<br />
89 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 109.<br />
90 Vgl. Mayer/Pohl, Länderbericht, S. 21 ff.<br />
Seite | 37
so groß wie Österreich. Ihr Name setzt sich aus Hoku (Nord) und kaido<br />
(Küstenweg) zusammen. Wichtige Städte auf Hokkaido sind Sapporo sowie<br />
die südliche Hafenstadt Hakodate. Im Süden ist Hokkaido durch die Tsugaru-<br />
Straße von der Insel Honshu getrennt. 91<br />
Honshū ist die größte Insel Japans und wird auch als japanisches „Kernland“<br />
bezeichnet, weil sie circa 60 Prozent der Gesamtfläche Japans ausmacht.<br />
Honshū ist etwa 1.300 km lang und zwischen 50 und 240 km breit. Im Süden<br />
wird Honshū durch die Seto-Inlandsee von der Insel Shikoku getrennt. Im<br />
Südwesten liegt, getrennt von Honshū durch die Meeresstraße von<br />
Shimonoseki, die Insel Kyūshū. Der höchste Punkt auf Honshu ist der Berg<br />
Fuji mit 3.776 m Höhe. Auch der größte See Japans, der Biwa-See befindet<br />
sich auf Honshū. Größte Städte sind die Agglomerationsräume Tokio-<br />
Yokohama sowie Kobe-Osaka-Kyoto. Weitere wichtige Städte sind Nagoya,<br />
Hiroshima, Nigata sowie Sendai.<br />
Die sehr gebirgige Insel Kyūshū ist die südlichste der vier Hauptinseln und mit<br />
einer Fläche von 35.640 km² die drittgrößte und die zweit-<br />
bevölkerungsreichste Insel Japans. Die beiden wichtigsten Städte auf Kyūshū<br />
sind die Hafenstädte Fukuoka und Nagasaki.<br />
Die Insel Shikoku ist mit 18.000 km² die kleinste der vier Hauptinseln Japans.<br />
Die wichtigsten Städte auf Shikoku sind Takamatsu, Matsuyama, Tokushima<br />
und Kōchi. 92 Neben den vier Hauptinseln gibt es noch circa 4.000 kleine<br />
Inseln. Unter ihnen sind die Okinawa-Inseln, die sich von der Südspitze<br />
Kyushus bis fast nach Taiwan ausdehnen, die Bedeutendsten. 93 Von der<br />
gesamten Oberfläche Japans sind vier Fünftel Gebirge, sodass für<br />
Siedlungen und landwirtschaftlichen Anbau nur wenig Fläche vorhanden ist. 94<br />
Da die Hauptinseln nur eine durchschnittliche Breite von 180 km haben und in<br />
91 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 158 ff.<br />
92 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 164 ff. und S. 186 ff.<br />
93 Vgl. Meyer, Japan, S. 4.<br />
94 Vgl. Hall, Kaiserreich, S. 13.<br />
Seite | 38
ihrer Mitte von Wasserscheiden in einer Höhenlage von 1.000 bis 3.000 m<br />
durchzogen werden, gibt es Japan keine Flüsse von nennenswerter Länge. 95<br />
Die Klimazonen reichen von kühlgemäßigt im Norden bis warm-gemäßigt-<br />
subtropisch im Süden. Vom Frühsommer bis Anfang Herbst ist in Japan<br />
Taifun-Saison. Diese Wirbelstürme verursachen immer wieder verheerende<br />
Schäden auf den Inseln. 96 Auch durch andere Naturkatastrophen ist Japan in<br />
regelmäßigen Abständen bedroht. Mehrere Bruchstellen der Erdkruste, an<br />
denen sich tektonische Platten gegeneinander verschieben, verlaufen durch<br />
die Inselkette. So kommt es häufig zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen, die<br />
zum Teil gewaltige Schäden anrichten. Mit etwa 60 aktiven und unzähligen<br />
erloschenen Vulkanen ist Japan eines der vulkanreichsten Länder der Erde.<br />
Darüber hinaus verursachen Unterseebeben vor der Pazifischen Küste häufig<br />
große Flutwellen (Tsunamis), die über das Land hereinbrechen. 97<br />
Die japanische Zivilisation entwickelte sich in Folge der Insellage relativ<br />
isoliert und homogen. Das Inselreich erhielt zwar von China über die<br />
Kulturbrücke Korea beziehungsweise über das ostchinesische Meer nach<br />
Kyushu und Westhonshu wichtige kulturelle Impulse, wurde allerdings nie<br />
erobert. Die große Mehrheit der Japaner bekennt sich zu einem Synkretismus<br />
aus Shintoismus und Buddhismus. Daneben gibt es noch chinesische<br />
Einflüsse durch Daoismus und Konfuzianismus. Die Amtssprache ist<br />
Japanisch. Die japanische Sprache besitzt eines der komplexesten<br />
Schriftsysteme der Welt. 98 Der Staat und die Gesellschaft im vormodernen<br />
95 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 146.<br />
96 Vgl. Mayer/Pohl, Länderbericht, S. 21 ff.<br />
97 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 202 ff.<br />
98 Vgl. Mayer/Pohl, Länderbericht, S. 24, S. 463 ff. und S. 506 ff. Shinto ist keine<br />
Gründerreligion mit einer heiligen Schrift und daraus abgeleitetem Dogma. Grundlage ist<br />
der Glaube an übernatürliche Wesen, Gottheiten, die sich im Wirken der Natur offenbaren.<br />
Der Buddhismus erreichte Japan über China und Korea im 6. Jahrhundert n.Chr. Fast alle<br />
Sekten Japans gehören mit wenigen Ausnahmen dem Mahayana- Buddhismus („Großes<br />
Fahrzeug“) an.<br />
Seite | 39
Japan 99 gingen aus einem langjährigen Bürgerkrieg hervor. Zwischen 1467<br />
und 1600 kämpften Territorialfürsten des Kaiserreichs um die Herrschaft. 100<br />
99 Vgl. Meyer, Japan, S. 4, 8–13, und Pohl, S. 37–49. Die frühesten Nachweise für eine<br />
menschliche Besiedelung Japans reichen über 500.000 Jahre zurück. Die Bewohner<br />
Japans kamen in verschiedenen Einwanderungswellen aus innerasiatischen und<br />
indonesisch-polynesischen Völkern und lebten zunächst als Jäger und Sammler. Ab etwa<br />
1000 v. Chr. zeigen sich Ansätze für Ackerbau und Sesshaftigkeit. Ab circa 300 v. Chr.<br />
sind Kenntnisse über Metallverarbeitung und Nassfeldbau nachweisbar. Beachtliche<br />
kulturelle Einflüsse erreichten Japan aus China. Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. wurde die<br />
chinesische Schrift übernommen und ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. breiteten sich der<br />
Taoismus und der Buddhismus in Japan aus, der im Folgenden immer mehr mit dem<br />
traditionellen japanischen Ahnenkult des Schintoismus verschmolz. Der japanische Staat<br />
war feudal organisiert, ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. zentral unter der Herrschaft des<br />
Tenno. Im 8. Jahrhundert wurde Kyoto zur Residenzstadt des Kaiserhauses. In den<br />
folgenden Jahrhunderten schwand die zentrale Macht des Kaiserhauses drastisch, im<br />
Gegenzug zu der wachsenden partikularen Macht des aufkommenden Kriegeradels<br />
(Samurai). Ab dem 10. Jahrhundert kam es immer wieder zu offenen Kämpfen zwischen<br />
den mächtigsten Daimyio (Daimyio bedeutet wörtlich übersetzt: „großer Name“. Es ist der<br />
oberste Rang der Samurai, oft mit großen Ländereien belehnt, vergleichbar den deutschen<br />
Territorialfürsten im Mittelalter. Historisch ist der Begriff erst ab dem 15. Jahrhundert<br />
gebräuchlich (Vgl. Pohl, Geschichte, S. 37) sowohl untereinander als auch in wechselnden<br />
Koalitionen gegen die Herrscherdynastie des Tenno. Im 12. Jahrhundert verlor die<br />
Kaiserfamilie endgültig die Macht über Japan. Der zunächst mit ihm gegen andere Fürsten<br />
verbündete Miamoto Yoritomo zwang den Tenno, ihn zum Shogun (wörtlich übersetzt:<br />
„Großer General zur Unterwerfung der Barbaren“. Erstmals 720 mit dem Auftrag verliehen,<br />
die Ainu zu unterwerfen, später nur noch formaler Titel) zu ernennen, und riss die Macht<br />
an sich. Dabei wurden weder der Tenno noch die bestehenden Herrschaftsinstitutionen<br />
abgesetzt oder beseitigt, sondern mit den bestehenden militärischen Institutionen<br />
Yorimotos überlagert. Die konkrete Macht lag von nun an in den Händen des Shoguns,<br />
gestützt auf den Kriegeradel der Samurai. Dieses Regierungssystem wurde Bakufu<br />
genannt. Der Tenno blieb in seiner spirituellen Bedeutung weiterhin Gottkaiser aller<br />
Japaner, hatte keinerlei Macht mehr. In den folgenden Jahrhunderten ging der Titel des<br />
Shoguns mehrmals nach heftigen Kriegen an die stärkste Daimyio-Familie über.<br />
100 Vgl. Pohl, Geschichte, S. 42 ff. Im Kampf um die Vorherrschaft in Japan konnte sich<br />
schließlich Toyotomi Hideyoshi 1590 endgültig durchsetzen. Er errichtete eine neue<br />
Zentralgewalt und ließ alle Bauernkrieger und alle anderen Nichtsamurai entwaffnen.<br />
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Das Haus Tokugawa konnte den Kampf schließlich zu seinen Gunsten<br />
entscheiden und Japan eine Herrschafts- und Friedensordnung aufzwingen,<br />
die mehr als zweieinhalb Jahrhunderte Bestand haben sollte. 101 Das Amt des<br />
Kaisers (Tenno) wurde auf rituelle Aufgaben reduziert. Der siegreiche Fürst<br />
Tokugawa Ieyasu erhielt im Jahr 1603 den Titel Shogun. 102 Er zwang Japan<br />
eine Friedensordnung auf, die für über 250 Jahre unter ihm und seine<br />
Nachfolgern Bestand haben sollte. Japan war nun ein zentralisierter<br />
Feudalstaat. Die Hauptstadt wurde nach Edo verlegt. 103 Um eine Parteinahme<br />
fremder Mächte gegen die Herrschaft der Tokugawa auszuschließen,<br />
schotteten seine Nachfolger Japan ab 1637 gänzlich von der Außenwelt<br />
abschotten. Kein Ausländer durfte Japan betreten, lediglich in Nagasaki, im<br />
Territorium des Shoguns, durften die Holländer einen kleinen Inselstützpunkt<br />
unterhalten. Die Isolation endete erst als zu Beginn der 1850er Jahre eine<br />
amerikanische Flotte unter dem Kommando des US-Admirals Matthew Perry<br />
in Japan landete. Durch diplomatisches Auftreten gelang es Perry, die<br />
Shogunats-Regierung soweit einzuschüchtern, dass Japan der Freigabe<br />
seiner Häfen sowie der Unterzeichnung von Freundschafts- und<br />
Handelsverträgen zustimmte.<br />
Diese Maßnahme führte zu einer scharfen Trennung zwischen nunmehr waffenlosen<br />
Bauern und dem einzig zum Waffentragen berechtigten Kriegeradel der Samurai. Um die<br />
nach Einigung des Landes potentiell gefährlichen Samurai zu binden, befahl Hideoshi<br />
einen Koreafeldzug. Die Eroberung Koreas verlief mit 200.000 Mann zunächst problemlos<br />
bis zum chinesischen Grenzfluss Yalu. Schließlich griff China massiv in den Kampf ein<br />
und konnte die Japaner nach großen Verlusten zum Rückzug zwingen.<br />
101 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 13.<br />
102 Vgl. Piper, Japans, S. 15. Tokugawa war zuvor Verbündeter und oberster Regent<br />
Hideoshis gewesen und sollte für dessen Sohn den Thron sichern. Wie Hideoshi zuvor bei<br />
Nobunga riss auch Tokugawa die Macht an sich, schaffte es jedoch auch, diese in seiner<br />
Familie zu halten. Vgl. Totman, History, S. 215 f.<br />
103 Getrieben durch die alternierende Residenzpflicht (jeder Daimyio musste sich zeitweise in<br />
Edo aufhalten. War er abwesend, musste er seine Familie als Geiseln in Edo lassen),<br />
wurde Edo zur damals größten Stadt der Welt mit über 1 Million Einwohnern. Vgl.<br />
Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 22.<br />
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In der Folgezeit schloss Japan unter militärischem Druck ähnliche Verträge<br />
mit Großbritannien (1854), Russland (1855), den Niederlanden (1856),<br />
Frankreich und Preußen (1861). 104<br />
Diese Schwäche gegenüber dem Ausland 105 zeigte auch eine innere<br />
Schwäche des Systems und trug dazu bei, die Herrschaft des Bakufu zu<br />
untergraben. Als der Shogun den Tenno Mutsuhito schließlich um<br />
Unterstützung und Zustimmung zu den Verträgen mit den ausländischen<br />
Mächten bat, lehnte dieser ab. 106 Infolge dessen kam es wiederholt zu<br />
landesweiten Aufständen gegen den Shogun nach dem Motto „Ehret den<br />
Tenno, vertreibt die Barbaren“. Oppositionelle Daimyos 107 verbündeten sich<br />
daraufhin mit dem Tenno und schließlich legte der letzte Tokugawa-Shogun<br />
1867 sein Amt nieder. 108 Der Tenno erklärte das Bakufu für aufgelöst und die<br />
Lehen des Shogun für eingezogen. Der Regierungssitz wurde aus Kyoto in<br />
die alte Bakufu-Hauptstadt Edo verlegt und der Kaiser gab ihr den Namen<br />
104 Erst in den 1890er Jahren gelang eine Revision der „ungleichen Verträge“. Als Erstes<br />
gelang dies 1894 mit England. Dabei war Aoki Shuzo federführend, der zu diesem<br />
Zeitpunkt Botschafter in London war und beim Aufbau des Siemens-Geschäftes in Japan<br />
eine wichtige Rolle spielte. Die volle Zollhoheit erlangte Japan jedoch erst 1911 wieder.<br />
Vgl. Inoue, Geschichte, S. 288 f., und Zöllner, Geschichte, S. 141 und S. 269 ff., sowie<br />
Hartmann, Geschichte, S. 74.<br />
105 Diese Schwäche war vor allem durch den grundsätzlichen Verzicht des japanischen<br />
Militärs auf Feuerwaffen begründet. Zwar gab es niemals ein offizielles Verbot, das<br />
Tokugawa-Bakufu hatte die Fertigung jedoch zunächst monopolisiert und ab 1696 ganz<br />
einstellen lassen. So erwarteten Perry nur wenige und zudem jahrhundertealte Geschütze<br />
in der Bucht von Tokio. Vgl. Perrin, Feuerwaffen, S. 53, S. 70 f. und S. 74.<br />
106 Der Tenno erkannte diese „Verträge der Schande“ erst 1865 an. Vgl. Hartmann,<br />
Geschichte, S. 24.<br />
107 Daimyos waren landbesitzende Samurais.<br />
108 Gründe dafür waren zunächst der ungewisse Ausgang eines möglichen Bürgerkriegs, der<br />
aber in jedem Fall zu einer Schwächung Japans gegenüber dem Ausland geführt hätte,<br />
und die Hoffnung nach dem Rücktritt weiterhin eine führende Stellung einzunehmen, was<br />
auch gelang. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 25.<br />
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Tokyo („Östliche Hauptstadt“). 109 Nach und nach gelang es dem Kaiser auch<br />
die Daimyos geschickt aus ihren Positionen zu verdrängen 110 und Japan<br />
territorial neu zu ordnen. Durch die direkte Kontrolle des Landes war die<br />
Zentralregierung nun auch im Stande, Steuern auf Boden zu erheben und<br />
eigene Einnahmen zu generieren. 111 In weiteren Reformen wurden der<br />
Binnenhandel liberalisiert und erste <strong>Universität</strong>en gegründet. Daneben wurde<br />
eine starke kaiserliche Militärmacht nach westlichem Muster einschließlich<br />
einer Wehrpflicht geschaffen. 112 Der bisherige Kriegerstand der Samurai<br />
wurde in Folge dessen überflüssig. 113 Wiederholte Aufstände der Samurai<br />
109 Der Tenno zog somit in die alte Bakufu-Hauptstadt ein, und bezog dort den Palast des<br />
ehemaligen Shoguns ein. Damit hatte er nun auch symbolisch die Macht wieder an sich<br />
gezogen. Vgl. Meyer, Japan, S. 128.<br />
110 Da die Daimyio ihre Gebiete vom Shogun erhalten hatten, wurden sie überzeugt, diese<br />
nun dem Tenno zu geben, um sie danach von ihm als Lehen zurückzuerhalten. Die alten<br />
Daimyio bekamen ihre Han wirklich zurück, allerdings nun als Gouverneure kaiserlicher<br />
Provinzen. Das Lehensverhältnis wurde so in ein Beamtenverhältnis überführt, erst 1871<br />
setzte die Zentralregierung alle Daimyio-Gouverneure ab, entschädigte sie jedoch<br />
materiell durch große kaiserliche Pensionen. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I,<br />
S. 36 f.<br />
111 Die Einnahmen reichten trotzdem bei Weitem nicht aus um die enormen Ausgaben für<br />
Kriege und Pensionen zu decken. Die Zentralregierung lieh Geld bei Händlern und<br />
Gewerbetreibenden, was deren Aufstieg als soziale Schicht begünstigte. Vgl. Hentschel,<br />
Wirtschaftsgeschichte I, S. 37.<br />
112 Vgl. Krieger, Geschichte, S. 215. Ein Admiralsstab nach britischem Vorbild wurde<br />
geschaffen. Englische Fachleute wurden zur Verbesserung der Marine und preußische<br />
Fachleute zur Modernisierung des Heeres eingesetzt. Zahlreiche junge Japaner wurden<br />
auf ausländische Militärschulen entsandt. Vgl. hierzu Lone, Army, S. 19 f.<br />
113 Die Samurai wurden finanziell entschädigt. Die dafür anfangs gewährte kaiserliche<br />
Pension wurde später, ebenso wie die der Daimyio, durch staatliche<br />
Schuldverschreibungen einmalig abgegolten. Dies begünstigte die Kapitalbildung und trug<br />
somit auch zur späteren Industrialisierung bei. Vgl. Totman, History, S. 292.<br />
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gegen ihre Entmachtung wurden von der neuen, moderner ausgerüsteten<br />
Wehrpflichtarmee gewaltsam niedergeschlagen. 114<br />
Auf der Grundlage der immer weiter voranschreitenden ökonomischen und<br />
militärischen Modernisierung entwickelte sich in Japan eine zunehmend<br />
expansionistische Außenpolitik, deren erstes Opfer Korea wurde. 115<br />
In einem ersten Schritt zwang Japan mit einer ähnlichen<br />
„Kanonenbootdiplomatie“, wie Perry gegenüber dem japanischen Shogunat,<br />
Korea gewaltsam zur Aufnahme politischer und wirtschaftlicher Beziehungen.<br />
Dabei war die japanische Politik darauf ausgerichtet, die chinesische<br />
Vormachtstellung über Korea zu brechen. Die zunehmenden Spannungen<br />
mündeten schließlich im Jahr 1894/95 im ersten Chinesisch-Japanischen<br />
Krieg, nach dem es im Februar 1894 zu einem Volksaufstand in Korea kam.<br />
Nach dem Volksaufstand im Februar 1894 bat die koreanische Regierung ihre<br />
Schutzmacht China um eine militärische Intervention. Japan reagierte darauf,<br />
indem es „unaufgefordert“ ebenfalls Truppen nach Korea entsandte, aber<br />
nicht aktiv in den Konflikt eingriff. Im weiteren Verlauf verhandelten China und<br />
Japan über Reformen in Korea. Japan forderte die Loslösung Koreas aus der<br />
chinesischen Tributherrschaft, was von chinesischer Seite abgelehnt wurde.<br />
Eine militärische Konfrontation war die Folge. Dabei war die chinesische<br />
Armee zwar zahlenmäßig überlegen, aber schlecht ausgebildet und<br />
114 Der bekannteste der aufständischen Samurai ist Saigo Takamori. Zunächst war er als<br />
Reformer am Sturz des Bakufu beteiligt. 1877 führte er dann 23.000 aufständische<br />
Samurai zu einem Marsch auf Tokio. Die Revolte wurde blutig niedergeschlagen und<br />
Saigo gab sich selbst den Tod. Später wurde ihm aber ein ehrendes Andenken zu teil. Vgl.<br />
Zöllner, Geschichte, S. 228 f. und S. 233 f.<br />
115 Nachdem dennoch 1874 ein Botschafteraustausch zwischen Japan und Korea vereinbart<br />
worden war, wurde der japanische Gesandte jedoch zurückgewiesen. Ein japanisches<br />
Kanonenboot bombardierte Seoul und nach weiteren Machtdemonstrationen der<br />
japanischen Marine ließ sich Korea auf den (ungleichen) Vertrag von Kanghwa ein. Später<br />
nötigten auch andere Mächte Korea ungleiche Verträge auf. Vgl. Meyer, Japan, S. 160 f.<br />
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ausgerüstet. 116 So gelang es Japan im September 1894 einen wichtigen Sieg<br />
über die chinesische Flotte zu erringen. 117 Die japanischen Truppen<br />
überschritten schließlich im Oktober 1894 den chinesisch-koreanischen<br />
Grenzfluss Yalu und trugen den Krieg auf chinesisches Territorium. Mit der<br />
Eroberung der Liaodong- und Shandonghalbinsel war der Krieg militärisch zu<br />
Gunsten Japans entschieden. 118 Das ohnehin durch das Eindringen<br />
europäischer Kolonialmächte stark geschwächte China bat 1895 um Frieden.<br />
Im Rahmen der Verhandlungen musste China im Frieden von Shimonoseki<br />
die Unabhängigkeit – de facto die japanische Besetzung – Koreas<br />
anerkennen, eine enorme Kriegsentschädigung zahlen sowie Formosa und<br />
die strategisch hochbedeutsame Liaodong-Halbinsel abtreten. 119<br />
Die sich durch den Friedensvertrag abzeichnende große Erweiterung der<br />
japanischen Machtsphäre im Fernen Osten weckte allerdings bei den<br />
okzidentalen Mächten, vor allem bei Russland, Misstrauen hinsichtlich der<br />
weiteren Expansionsbestrebungen Japans. 120 Daher intervenierten Russland,<br />
Frankreich und das Deutsche Reich, bevor der Friedensvertrag von<br />
Shimonoseki in Kraft trat, massiv zugunsten Chinas (Tripelintervention) und<br />
forderten die Rückgabe der Liaodong-Halbinsel. Die drei europäischen<br />
Großmächte setzten sich mit ihren Forderungen trotz massiver Proteste der<br />
Öffentlichkeit in Japan durch. In der Folge entwickelte sich in Japan gegen die<br />
intervenierenden Mächte – vor allem gegen Deutschland – eine nachhaltige<br />
Antipathie. Dennoch zog Japan seinen Anspruch auf die Liaodong-Halbinsel<br />
zurück und forderte stattdessen eine Reparationssumme von 30 Millionen<br />
Taels. 121 Angesichts eines sich abzeichnenden Konflikts mit Russland<br />
investierte Japan die Zahlungen Chinas in den Ausbau der Marine und der<br />
116 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 271.<br />
117 Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 82.<br />
118 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 271.<br />
119 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 69.<br />
120 Vgl. Nish, Origins, S. 24 f.<br />
121 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 271.<br />
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Werften, 122 denn auch Russland verfolgte Anfang des 20. Jahrhunderts eine<br />
expansive Außenpolitik und versuchte seinen Einfluss in der Mandschurei und<br />
Korea weiter auszubauen. 123 Japan realisierte die potenzielle Bedrohung und<br />
griff – nachdem es sich Englands Neutralität gesichert hatte 124 – am 8.<br />
Februar 1904 überraschend die russische Pazifikflotte an. Binnen weniger<br />
Monate gelang es diese weitgehend auszuschalten. Anfang 1905 besetzte<br />
Japan die Mandschurei und im Mai 1905 wurde die russisch-baltische Flotte<br />
bei Tsushima vernichtend geschlagen. 125 Der vereinbarte Friedensvertrag<br />
regelte, dass Russland den südlichen Teil der Insel Sachalin, die Liaodong-<br />
Halbinsel mit allen Häfen sowie die ostchinesische Eisenbahn an Japan abtrat<br />
und Japans Oberhoheit über Korea anerkannte. 126 Zum ersten Mal seit<br />
Beginn des Imperialismus und der Industrialisierung war eine europäische<br />
Macht von einem außereuropäischen Land besiegt worden. Japan stieg damit<br />
endgültig zur dominierenden Großmacht in Asien auf. 127 1910 nutzte Japan<br />
122 85 Prozent der chinesischen Zahlungen wurden in den Ausbau von Marine und Heer<br />
investiert, der Rest für die weitere Industrialisierung verwandt. Vgl. Hartmann, Geschichte,<br />
S. 85.<br />
123 Russland konnte 1898 einige Häfen, unter anderem Port Arthur, auf der Liaodong<br />
Halbinsel von China „pachten“ (de facto besetzten). Russland plante, hier die<br />
transsibirische Eisenbahn enden zu lassen, um eisfreie Häfen mit gesichertem Nachschub<br />
für seine Pazifikflotte zu erhalten. Des Weiteren entsandte Russland Finanz- und<br />
Militärberater nach Korea, gründete eine russisch-koreanische Bank und kaufte größere<br />
Gebiete an der koreanisch-russischen Grenze. Vgl. Nish, Origins, S. 30–34, und<br />
Hartmann, Geschichte, S. 94.<br />
124 Großbritannien, durch Russland im Bündnis mit Frankreich kolonial herausgefordert,<br />
verschaffte sich durch den japanisch-britischen Defensivpakt 1902 Erleichterung seiner<br />
Verpflichtungen im Pazifik. Vgl. Kreiner, Krieg, S. 29.<br />
125 Vgl. Kreiner, Krieg, S. 17 f.<br />
126 Vgl. Kreiner, Krieg, S. 19 ff.<br />
127 Im Verhältnis zu den anderen europäischen Großmächten blieb Japan jedoch trotz dieser<br />
glanzvollen Siege unterlegen. Es hatte die Möglichkeit gegen ein vom Westen bereits<br />
geschwächtes feudales China und ein rückständiges zaristisches Russland ohne Eintritt<br />
anderer Großmächte kämpfen zu können. Auch die eigene Rüstungsproduktion blieb<br />
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antijapanische Aufstände in Korea, um es vollständig zu annektieren und<br />
offiziell zur japanischen Kolonie zu machen. 128 1912 verstarb der Meiji Tenno<br />
und sein Sohn Yoshihito (Taisho) wurde sein Nachfolger. In der Taisho-<br />
Periode („große Rechtschaffenheit“ 1912-1926) wurde die 1890 eingeführte<br />
Verfassung 129 um verschiedene demokratische Elemente ergänzt. 130<br />
Bei Eintritt in den Ersten Weltkrieg ersuchte England seinen japanischen<br />
Verbündeten, die englischen Häfen nahe China zu schützen, was Japan<br />
Gelegenheit gab, auf Seiten der Entente in den Krieg einzutreten. 131 Innerhalb<br />
weniger Monate waren die deutschen Kräfte in China und auf den Südsee-<br />
Inseln geschlagen. Japan konnte sein Kolonialreich ohne große<br />
Anstrengungen um Kiautschou mit der gut ausgebauten Hafenstadt Tsingtau<br />
und die Karolinen-, Marianen- und Marshallinseln sowie Palau erweitern. Im<br />
Wissen, dass die anderen Mächte mit dem Krieg in Europa beschäftigt waren<br />
setzte Japan gegen China seine Interessen rigoros durch und baute seinen<br />
bescheiden, Japans Marine vertraute auf in England gebaute Schlachtschiffe, die Armee<br />
auf Kanonen von Krupp. Vgl. Kennedy, Aufstieg, S. 319 f.<br />
128 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 159.<br />
129 1889 wurde eine nach europäischem Vorbild gestaltete Verfassung eingeführt und 1890<br />
kam Japans erstes Parlament erstmals zusammen. Eine Verfassung war vom Tenno unter<br />
innenpolitischem Druck bereits 1881 zugesagt worden. Ab 1882 bereisten Gesandte<br />
Europa um Vorbilder für eine japanische Verfassung zu finden. Die japanische Verfassung<br />
ähnelt der damaligen deutschen Verfassung. Es gab ein Zensuswahlrecht und der Tenno<br />
behielt wesentliche Rechte, wie die, den Krieg zu erklären, Verträge mit dem Ausland zu<br />
schließen und den Oberbefehl über die Streitkräfte. Auch das Budgetrecht des Parlaments<br />
war eingeschränkt: Fand ein neuer Haushalt keine Mehrheit, galt erneut der des<br />
Vorjahres. Das Parlament hatte im Wesentlichen nur das Recht neue Steuern zu<br />
verweigern. Vgl. Beasley, Rise, S. 76 ff.<br />
130 Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 117.<br />
131 Japan stellte für die Entente einen eher unerwünschten Verbündeten dar. Die Entente-<br />
Mächte waren auf dem europäischen Schlachtfeld gebunden und konnten so nur zusehen,<br />
wie ein aufsteigendes Japan auf einem Nebenkriegsschauplatz schnelle Beute machte.<br />
Vgl. Meyer, Japan, S. 174 ff.<br />
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Einfluss dort weiter aus. 132 Seine Gebietsgewinne konnte Japan im Vertrag<br />
von Versailles zunächst behaupten, lediglich Tsingtau und das umliegende<br />
Gebiet mussten 1922 auf US-amerikanischen Druck hin an China<br />
zurückgegeben werden. 133<br />
Außenpolitisch geriet Japan allerdings nach der Auflösung der Entente<br />
weitgehend in die Isolation. Die anderen Großmächte waren nicht mehr bereit,<br />
eine weitere imperiale Ausdehnung Japans in Asien zu tolerieren. Auf der<br />
Washingtoner Konferenz 1921 musste sich Japan auf eine Begrenzung seiner<br />
Flotte einlassen, da es auf amerikanische Rohstoffe und den amerikanischen<br />
Absatzmarkt angewiesen war. Es erreichte jedoch im Gegenzug einen<br />
Baustopp für Festungen und Militärstützpunkte der anderen Großmächte im<br />
Pazifik, so dass Japan weiterhin unangefochtene Großmacht in Südostasien<br />
blieb. 134<br />
1926 fand in Japan ein Wechsel auf dem Thron statt. Dem verstorbenen<br />
Kaiser Yoshihito folgte sein Sohn Hirohito, der wegen einer schweren<br />
Erkrankung seines Vaters allerdings schon seit 1921 die Staatsgeschäfte<br />
geführt hatte. Die 1920er Jahre waren in Japan gekennzeichnet von<br />
132 So sicherte sich Japan die vorherigen deutschen Sonderrechte in Tsingtau und festigte<br />
seinen Einfluss auf die Mandschurei auf Kosten Russlands und Chinas. Es sicherte auch<br />
seine Rohstoffversorgung durch Beteiligung an chinesischen Kohle- und Erzbergwerken<br />
und zwang China keine Häfen an europäische Mächte zu verpachten. Vgl. Hartmann,<br />
Geschichte, S. 120.<br />
133 Mit Vertrag vom 4. Februar 1922 verpflichtete sich Japan, seine Truppen zurückzuziehen<br />
und die ehemaligen deutschen Pachtrechte an China zurückzugeben. Die dortigen<br />
chinesischen Kohle- und Erzbergwerke wurden fortan unter chinesisch-japanischer<br />
Verwaltung geführt. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 141.<br />
134 Japans Flottenstärke wurde auf 60 Prozent der Stärke der Flotte Großbritanniens oder der<br />
USA beschränkt. Japan besaß in seinem Interessengebiet jedoch weiterhin die stärkste<br />
Position. Es verfügte über ein ausgedehntes Stützpunktsystem und die Flotte der USA war<br />
auch im Atlantik gebunden, während die britische Flotte weltweit verstreut war. Die<br />
Beschränkungen seiner Armee und Flotte nutzte Japan, um das hohe Militärbudget<br />
drastisch zu senken und die Staatsausgaben zu ordnen. Vgl. Hartmann, Geschichte,<br />
S. 141.<br />
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Bauernaufständen, militanten Streiks und zahlreichen Regierungswechseln. 135<br />
Die politisch unruhige Situation verschärfte sich Anfang der 1930er Jahre<br />
noch zusätzlich, als die Weltwirtschaftskrise auch Japan erreichte und zu<br />
Hungersnöten und zur Verelendung ganzer Landstriche führte. 136 Als 1932<br />
mehrere Regierungsmitglieder, darunter auch der amtierende Premier,<br />
ermordet wurden, übernahm das Militär vollständig die Staatsgeschäfte. Es<br />
regierte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mit Notverordnungen und<br />
verfolgte eine äußerst expansive Außenpolitik. 137 So besetzte Japan Anfang<br />
der 1930er Jahre eigenmächtig die Mandschurei 138 und rief 1932 den von<br />
China unabhängigen, japanisch kontrollierten Marionettenstaat Mandschuko<br />
aus. Als Staatsoberhaupt wurde der letzte chinesische Kaiser Pu Yi<br />
eingesetzt. 139 Nach weltweiten Protesten gegen das japanische Vorgehen,<br />
trat Japan 1933 aus dem Völkerbund aus.<br />
Um seine außenpolitische Isolation zu durchbrechen schloss Japan 1936<br />
einen Bündnisvertrag mit Deutschland. 140 Das Verhältnis zu den USA wurde<br />
dadurch jedoch zunehmend schwieriger. Daher rückte auch China mit seinen<br />
reichen Kohle- und Erzvorkommen immer mehr ins Zentrum der japanischen<br />
Expansionsbestrebungen, um dadurch unabhängig von den Rohstoffimporten<br />
aus den USA zu werden. Nachdem eine gewaltfreie Einigung mit den<br />
135 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 326.<br />
136 Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 312.<br />
137 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 15.<br />
138 Das Militär hatte die Mandschurei nach der Inszenierung eines Terroranschlages als<br />
Vorwand besetzt. Es handelte sich dabei um den sogenanten Mukden-Zwischenfall. Am<br />
18. September 1931 sprengten japanische Offiziere die Eisenbahnlinie vor Mukden. Dies<br />
diente als Vorwand um aus „Sicherheitsgründen“ die gesamte Mandschurei zu besetzen.<br />
Vgl. Beasley, Rise, S. 170 ff.<br />
139 Vgl. Beasley, Rise, S. 170 ff.<br />
140 Auch Deutschland hatte so 1933 den Völkerbund verlassen und war dadurch politisch<br />
relativ isoliert. Beide Staaten wollten ihre Isolierung durchbrechen, sie einte dadurch<br />
außerdem ihr strikter Antikommunismus. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 186.<br />
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chinesischen Nationalisten unter Tschiang Kaischeck gescheitert war, 141 kam<br />
es 1937 zu einem Feuergefecht zwischen japanischen und republikanisch-<br />
chinesischen Truppen, 142 infolge dessen Japan die Invasion Nordchinas<br />
durchführte. 143 Nach anfänglichen Erfolgen 144 und der Besetzung der<br />
gesamten chinesischen Küste stockte der Vormarsch ab 1938. Der Krieg in<br />
China erwies sich für Japan als sehr verlustreich und kostspielig. 145 Bereits<br />
1938 hatte die japanische Militärregierung die „neue Ordnung für Ostasien“<br />
ausgerufen, nach der Invasion erklärte Japan 1940 die besetzten Gebiete<br />
schließlich zum „größeren ostasiatischen Raum gemeinsamen<br />
Wohlergehens“. Innenpolitisch wurde die gesamte Wirtschaftsplanung auf<br />
Kriegswirtschaft umgestellt und alle Parteien und Gewerkschaften<br />
zwangsweise in „Verbände der patriotischen Einigung“ überführt. 146 Als die<br />
japanische Armee im Juli 1941 weiter nach Indochina vordrang, stieß Japan<br />
141 Japan bemühte sich um Verständigung mit Tschiang Kaischeck und bot Unterstützung<br />
gegen Maos Kommunisten als Gegenleistung für die Anerkennung Mandschukos an. Die<br />
Nationalisten waren aber nicht bereit eine Zerstückelung Chinas hinzunehmen. 1935<br />
scheiterte der Versuch. 1936 einigten sich Kommunisten und Nationalisten auf einen<br />
Waffenstillstand und ein gemeinsames Vorgehen gegen Japan. Vgl. Beasley, Rise,<br />
S. 194 f.<br />
142 Am 7. Juli 1937 kam es zum Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke, chinesische Truppen<br />
eröffneten das Feuer. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 188.<br />
143 Erneut gab es hier eine gewisse Eigendynamik des einmal begonnen Kampfes, da die<br />
Armeeführung an einen schnellen Sieg nach der Einnahme der Nationalisten Hauptstadt<br />
Nanking glaubte. Vgl. Beasley, Rise, S. 197.<br />
144 Die Hoffnung, die Eroberung Nankings wäre auch der Sieg im Krieg gegen China, erfüllte<br />
sich nicht. Japanische Truppen massakrierten in Nanking circa 300.000 Menschen. Vgl.<br />
Chang, Rape, S. 102 f.<br />
145 Japan kämpfte nun gegen beide Parteien des chinesischen Bürgerkriegs, die zusammen<br />
gut zwei Millionen Männer stellten. Der zweite Chinesisch-japanische Krieg band eine<br />
Million japanische Soldaten auf einer Front von 2.500 km Länge. Vgl. Hartmann,<br />
Geschichte, S. 188 f.<br />
146 Fernziel war die Schaffung eines großen, allein vom industrialisierten Japan dominierten<br />
Wirtschaftsraums in ganz Südostasien, der Japan mit den dringend benötigten Rohstoffen<br />
versorgte, Nahziel die effektive, gewinnträchtige Ausnutzung der Rohstoffe der eroberten<br />
Gebiete. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 33.<br />
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auf heftigen Widerstand der USA. 147 Im weiteren Verlauf verhängten die USA<br />
ein Erdölboykott gegen Japan. Der asiatische Inselstaat stand nun vor der<br />
Wahl, den US-Forderungen nach einem Rückzug aus China und Indochina<br />
nachzukommen und seine Großmachtspläne aufzugeben, oder die<br />
umliegenden westlichen Kolonien mit Gewalt zu besetzen und sich so die<br />
benötigten Rohstoffe zu sichern.<br />
Das fernöstliche Kaiserreich entschied sich für die zweite Option. 148 Japan<br />
glaubte an einen schnellen Sieg aufgrund des Überraschungsmoments und<br />
griff am 7. Dezember 1941 den US-amerikanischen Hafen Pearl Harbour<br />
an. 149 Gestützt auf seine übermächtige Flugzeugträgerflotte dominierte Japan<br />
mehr als ein Jahr lang den gesamten Pazifik und eroberte Hongkong,<br />
Malaysia, Singapur, die Philippinen, Niederländisch-Ostindien und Burma. 150<br />
Nach der Schlacht um Midway im Mai 1942 war die japanische Dominanz<br />
gebrochen 151 und Japan geriet durch das übermächtig erscheinende<br />
Rüstungspotenzial der Amerikaner zunehmend in die Defensive. 152 Die<br />
147 Die USA sahen in Japans Expansionspolitik seit längerem eine Herausforderung ihrer<br />
eigenen imperialen Politik. Die japanischen Truppen lagen nun in Saigon, in unmittelbarer<br />
Nähe des De facto US-Protektorats Philippinen. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 198.<br />
148 Japan war auf Einfuhren aus den USA und dem britisch, niederländisch und US-<br />
amerikanisch beherrschten Südostasien angewiesen: Es importierte 90 Prozent seines<br />
Erdöls, davon 66 Prozent aus den USA. Zur Stahlerzeugung wurde mangels eigener<br />
Erzvorkommen Schrott ebenfalls größtenteils aus den USA, eingeführt. Vgl. Hentschel,<br />
Wirtschaftsgeschichte II, S. 37.<br />
149 In der Literatur ist wiederholt der Hinweis zu finden, die US-Regierung habe von dem<br />
bevorstehenden Angriff gewusst, habe jedoch keinerlei Gegenmaßnahmen eingeleitet, um<br />
eine Rechtfertigung für den Kriegseintritt zu haben. Vgl. Stinnet, Pearl Harbour, S. 13, und<br />
Hartmann, Geschichte, S. 199.<br />
150 Vgl. Beasley, Rise, S. 205.<br />
151 Wegen eines unnötig komplizierten Aufmarschplans verloren die Japaner hier vier<br />
Flugzeugträger. Dieser Verlust eines beträchtlichen Teils ihres Offensivpotentials leitete<br />
das Ende der japanischen Dominanz im Pazifik ein. Vgl. Kennedy, Kampf, S.130 ff.<br />
152 So war die Rüstungsproduktion der USA bereits 1941 mehr als viermal so groß wie die der<br />
Japaner, 1943 sogar achtmal so groß. 1943 produzierten die USA pro Tag ein Schiff und<br />
alle fünf Minuten ein Flugzeug. Vgl. Kennedy, Aufstieg, S. 530.<br />
Seite | 51
Atombombenabwürfe auf Nagasaki und Hiroshima bedeuteten das Ende des<br />
japanischen Großmachtsstrebens. Japan war vernichtend geschlagen und der<br />
Tenno erklärte am 15. August 1945 die bedingungslose Kapitulation. 153<br />
1.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung<br />
In Folge der sogenannten Meiji-Reformen in der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts kam es zu wesentlichen wirtschaftlichen Veränderungen. Vor<br />
Beginn der Reformen hatte es in Japan kaum industrielle Produktion<br />
gegeben. Lediglich im Textilbereich war für Seide- und Baumwolle ein<br />
Manufaktur- beziehungsweise Verlagswesen vorhanden. Durch die Reformen<br />
wurden mit Hilfe von Verbrauchsteuern auf Reis und Tabak 154<br />
Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet, die die Verantwortlichen für eine<br />
gezielte Industrieförderung und eine Modernisierung des Verkehrs- und<br />
Nachrichtenwesen einsetzten. 155 In dieser Zeit entstanden auch die ersten<br />
Zaibatsu. 156 Außerdem profitierten die Industrialisierungsbemühungen,<br />
vergleichbar mit der Industrialisierung in England oder Deutschland, von<br />
einem starken Bevölkerungswachstum.<br />
153 Seit 1944 verfügte Japan über keine nennenswerte Flotte mehr und führte nur<br />
Rückzugsgefechte. Es leistete trotzdem härtesten Widerstand. Die beiden Bomben töteten<br />
jeweils über 150.000 Menschen. Vgl. Beasley, Rise, S. 210 f.<br />
154 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 56 f.<br />
155 So wurden im Jahr 1869 die erste Telegraphenlinie errichtet und 1872 die ersten<br />
Eisenbahnen gebaut. Erstaunlicherweise wurde die erste Telegraphenlinie noch vor der<br />
Errichtung eines regelmäßigen Postverkehrs (1871) in Betrieb genommen. Vgl. Hartmann,<br />
Geschichte, S. 38 f.<br />
156 Wohlhabende Familien konnten staatlich gegründeten Musterfabriken bei Privatisierungen<br />
günstig erwerben und so den Grundstein für Konzerne legen. Zaibatsu bedeutet wörtlich<br />
übersetzt „vermögender Klan“, sinngemäß: „Holdinggesellschaft im Familienbesitz“. Meist<br />
waren es Familien-Dynastien niederer Samurai, die die Anti-Bakufu-Bewegung<br />
unterstützten und es in der neuen wirtschaftlich freien Gesellschaft als Bankiers und<br />
Fabrikanten schnell zu Vermögen, Macht und großen Firmenimperien brachten. Um nur<br />
einige zu nennen: Mitsui, Mitsubishi, Kawasaki und auch Furukawa. Vgl. Hartmann,<br />
Geschichte, S. 51 ff.<br />
Seite | 52
Zwischen 1875 und 1915 wuchs die Bevölkerung Japans von 35 Millionen auf<br />
über 52 Millionen Menschen an. Dies ist vor allem durch eine enorme<br />
Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge und der Produktivität bedingt.<br />
Durch neue Anbaumethoden, die Erschließung von neuem Ackerland und die<br />
zunehmende Verbreitung von Kunstdünger konnte der landwirtschaftliche<br />
Ertrag zwischen 1875 und 1915 verdoppelt werden, während der<br />
Arbeitskräfteeinsatz konstant blieb. 157<br />
Die Landwirtschaft stellte jedoch nicht nur die Grundlage für die wachsende<br />
Bevölkerung, sondern auch die Rohstoffe für die ersten japanischen<br />
Industrieprodukte bereit. Dies galt vor allem für Seidenkokons und die daraus<br />
hergestellten Seidenprodukte. Dies und die zunehmende Industrialisierung<br />
der Branche führten dazu, dass sich die Seidenproduktion zum wichtigsten<br />
Industrie- und Exportsektor Japans entwickelte. 158 Es folgten die<br />
Baumwollspinnerei und später die Weberei, die zum zweiten wichtigen<br />
Industriesektor wurden. 159 Der Aufbau einer eigenen Schwerindustrie ging nur<br />
schleppend voran, vor allem, weil Japan über keinerlei nennenswerte eigene<br />
Kohle- oder Eisenvorkommen verfügte. 160<br />
Der Erste Weltkrieg verlieh der japanischen Wirtschaft enorme<br />
Wachstumsimpulse. Angesichts der Kriegshandlungen waren die<br />
internationalen Warenströme völlig zum Erliegen gekommen. Die Lücken, die<br />
157 Der Einsatz von Handelsdünger, eine sorgfältige Saatgutauswahl und die<br />
Schädlingsbekämpfung sowie die Etablierung zweier Fruchtfolgen wurden nun in ganz<br />
Japan verbreitet. Darüberhinaus wurde die künstliche Bewässerung ausgebaut und<br />
zunehmend Kunstdünger eingesetzt. Der durchschnittliche Ertrag je Hektar wurde von 2,5<br />
Tonnen auf 3,8 Tonnen Reis gesteigert. Neben der Erschließung weiterer Ackerflächen<br />
erklärt dies den enormen Anstieg. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 126 ff.<br />
158 So stieg z.B. die Rohseidenproduktion von 1.000 Tonnen auf 13.000 Tonnen pro Jahr. Vgl.<br />
Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 132.<br />
159 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 134 ff.<br />
160 „Japan produzierte damals 26.000 Tonnen Roheisen pro Jahr, England stellte an einem<br />
Tag mehr her, Russland in einer Woche.“ Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I,<br />
S. 138 f.<br />
Seite | 53
die kriegführenden Länder auf den ostasiatischen Märkten hinterließen,<br />
konnten jedoch durch lokale Anbieter geschlossen werden. Vor diesem<br />
Hintergrund entwickelte sich die Belieferung der Alliierten mit Kriegsmaterial,<br />
vor allem mit Munition und Schiffen, zur Grundlage eines gewaltigen<br />
Kriegsbooms der japanischen Wirtschaft. 161 Eine besondere Bedeutung<br />
erlangte dabei der Schiffbau. 162 Japans Bruttosozialprodukt wuchs in den<br />
Kriegsjahren von 1914 bis 1918 um ein Drittel und die Industrieproduktion<br />
stieg sogar um die Hälfte an. 163 Nach Kriegsende blieben jedoch die<br />
Rüstungsbestellungen aus und die europäische Konkurrenz kehrte wieder in<br />
die asiatischen Märkte zurück. Die hastig errichteten japanischen Werften und<br />
Stahlwerke erwiesen sich als nicht konkurrenzfähig, zudem musste auch die<br />
Baumwollindustrie gegen die europäischen Konkurrenzprodukte von höherer<br />
Qualität ankämpfen. Trotz dieser wirtschaftlichen Probleme führten die hohen<br />
Gewinne aus den Kriegsaufträgen zunächst zu einem Börsenboom. 164 Als<br />
Mitte 1920 dennoch die Kurse einbrachen, rutschte Japan in eine tiefe<br />
Rezession. Verstärkt wurde sie zusätzlich durch sinkende Preise und<br />
steigende Arbeitslöhne. 165 Auch zeigte sich, dass die japanische Industrie<br />
während der Kriegsjahre Überkapazitäten aufgebaut hatte, was in den<br />
161 Vgl. Allen, History, S. 100 f. Zu den Profiteuren zählte einerseits die Textilindustrie, die nun<br />
nahezu ohne europäische Konkurrenten ihre Produkte in Ostasien absetzen konnte.<br />
Andererseits profitierte auch die bis dahin international kaum konkurrenzfähige<br />
Schwerindustrie extrem stark von der kriegsbedingten Nachfrage.<br />
162 Vgl. Lockwood, development, S. 39, und Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 161 f.<br />
Japans Handelsflotte wuchs von etwa 1,5 Millionen BRT im Jahr 1914 auf über<br />
2,8 Millionen BRT 1919. Während die eigene Handelsflotte nach mehr Schiffsraum<br />
verlangte, um das gestiegene Exportvolumen bewältigen zu können, fragten nun auch die<br />
Alliierten, deren Handelsflotten durch den deutschen U-Boot-Krieg ständig dezimiert<br />
wurden, verstärkt Schiffe nach. Bei Kriegsende war Japan hinter Großbritannien und den<br />
USA die drittgrößte Schiffsbaunation mit einem Anteil von acht Prozent an Weltproduktion.<br />
163 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 160 f.<br />
164 So stiegen die Kurse an der Tokioter Börse von 1919 bis 1920 um 145 Prozent. Vgl.<br />
Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 166.<br />
165 Im Krieg erstarkte militante Gewerkschaften setzten trotz Krise Lohnsteigerungen durch,<br />
häufige Arbeitskämpfe taten ein Übriges. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 167 f.<br />
Seite | 54
Folgejahren zu einer massiven Investitionsschwäche führte. 166 Insbesondere<br />
die Schiffbauindustrie hatte darunter schwer zu leiden. Waren 1919 noch<br />
jährlich 612.000 Bruttoregistertonnen Schiffstonnage produziert worden, fiel<br />
die Produktion bis 1927 auf 42.000 Bruttoregistertonnen. 167 Während das<br />
japanische Bankensystem einer wachsenden Wirtschaft Kapital zum<br />
Wachstum bereitstellen konnte, war es auf Rezession, Deflation und<br />
sporadische Schocks sehr schlecht vorbereitet. 168 So kam es 1927 zu einer<br />
Finanzkrise, bei der trotz großzügiger Regierungsinterventionen 84 Banken<br />
ihre Zahlungsunfähigkeit erklären mussten. 169 Insgesamt jedoch wuchs die<br />
japanische Wirtschaft in den 1920er Jahren stetig um gut sieben Prozent<br />
jährlich. Träger des Wachstums waren die traditionelle Seiden- und<br />
Textilindustrie 170 aber auch die aufstrebende und expandierende<br />
Elektroindustrie. 171 Die zunehmende Verbreitung von Elektromotoren in<br />
Fabriken trug auch zur Stärkung anderer Industriezweige bei. 172 Die<br />
Schwerindustrie war trotz beginnenden Wachstums international noch nicht<br />
wettbewerbsfähig. 173<br />
166 Hinzu kommt die allgemeine Investitionsunwilligkeit in einer deflationären Krise. Vgl.<br />
Patrick, Muddle, S. 211–266, hier S. 224 f.<br />
167 Der starke Rückgang hing aber auch damit zusammen, dass der Bedarf an Schiffen gegen<br />
null ging. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 180.<br />
168 Vgl. Patrick, Muddle, S. 240.<br />
169 Vgl. Hartmann, Geschichte, S.147, und Zöllner, Geschichte, S. 351.<br />
170 Die Produktion von Rohseide wurde in den 1920er Jahren um 75 Prozent gesteigert.<br />
Japan war größter Seidenproduzent der Welt und erzeugte zwei Drittel der Weltproduktion<br />
an Seide. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 182.<br />
171 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 177 f.<br />
172 1914 wurden nur 30 Prozent der Fabrikkraft durch E-Motoren erzeugt, 1919 bereits 60<br />
Prozent und 1930 sogar 90 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 178.<br />
173 So wurden 1927, trotz vorhandener Kapazität zur Erzeugung von 2,2 Millionen Tonnen<br />
Stahl, nur 1,6 Millionen Tonnen produziert und 900.000 Tonnen eingeführt, da<br />
ausländischer Stahl hochwertiger und billiger war. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I,<br />
S. 181.<br />
Seite | 55
Angesichts der bereits wirtschaftlich schwierigen Situation bekam Japan ab<br />
1930 die Folgen der Weltwirtschaftskrise drastisch zu spüren: Die Preise und<br />
auch die Nachfrage nach japanischer Seide und Baumwolle in den USA fielen<br />
rasant 174 , andere wichtige Exportmärkte wie Indien erhöhten die Einfuhrzölle<br />
stark. In der Folge gingen die japanischen Exporterträge drastisch zurück. 175<br />
Die landwirtschaftlichen Erträge Japans fielen bis 1931 auf unter 60 Prozent<br />
des Wertes von 1929. Die drückende Steuer- und Kredit- beziehungsweise<br />
Pachtzinslast der Bauern und Pächter blieb jedoch unverändert hoch. Dies<br />
führte zur Verelendung ganzer Landstriche und zu Hungersnöten.<br />
Die neue Militär-Regierung brach 1932 mit der Ausgabendisziplin ihrer<br />
Vorgänger und erhöhte die Staatsausgaben erheblich, unter anderem für<br />
Rüstungsprogramme. 176 Außerdem wurde die Golddeckung des Yen<br />
aufgehoben, sodass dieser im Verhältnis zu anderen Währungen abgewertet<br />
werden konnte, was der japanischen Wirtschaft höhere Exporteinnahmen<br />
ermöglichte. 177 Dabei waren an dem Anstieg der Exporte vor allem die<br />
Kolonien und Mandschuko überproportional beteiligt. Von 1933 bis 1937<br />
entfiel mehr als ein Drittel der Exporte darauf. 178 Durch die Abwertung des<br />
Yen konnte weniger importiert werden, was die von Rohstoffeinfuhren<br />
abhängige japanische Industrie vor große Probleme stellte. Trotzdem wuchs<br />
die japanische Industrieproduktion nach 1933 wieder stark, ging die<br />
174 1930 fiel der Preis für Rohseide um 40 Prozent, bis 1932 fiel er weiter auf 25 Prozent des<br />
Preises von 1929. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 10.<br />
175 Die Exportmenge von Baumwolle ging von 1929 auf 1930 um 20 Prozent zurück, der<br />
Exportwert sogar um 42 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 10.<br />
176 Vor allem die Rüstungsausgaben wurden erheblich erhöht. So war der Anteil der<br />
Rüstungsausgaben am Gesamthaushalt der Regierung von 60,5 Prozent des Jahres 1920<br />
auf 34,9 Prozent im Jahre 1931 gesunken. Dieser Anteil erhöhte sich in den folgenden<br />
Jahren weiter: 1933 auf 46 Prozent und bis auf 92 Prozent im Jahre 1938. Vgl. Patrick,<br />
Muddle, S. 251.<br />
177 Nach der Yen-Abwertung stieg die Exportmenge um über 30 Prozent, der Exporterlös<br />
sogar um 120 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 19 f.<br />
178 In Mandschuko diente der Großteil der Exporte dem militärisch geplanten und gelenkten<br />
Aufbau einer Schwerindustrie. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 20.<br />
Seite | 56
Arbeitslosigkeit langsam, aber stetig zurück und ab 1935 herrschte<br />
annähernde Vollbeschäftigung.<br />
Vor allem die Schwerindustrie profitierte von dieser Entwicklung, wuchs<br />
drastisch und wurde zum führenden Bereich der japanischen Wirtschaft. Die<br />
Stahlindustrie konnte erstmals den einheimischen Bedarf decken und<br />
exportierte ab 1932 sogar. Die Produktion von Roheisen, Roh- und Fertigstahl<br />
wurde von 1929 bis 1936 mehr als verdoppelt, allerdings blieb die<br />
Abhängigkeit von Kohle- und Eisenimporten bestehen. Parallel dazu<br />
entwickelte sich die Chemieindustrie zu einer der führenden der Welt. 179 Die<br />
Seidenindustrie erholte sich jedoch nicht wieder von der Weltwirtschaftskrise<br />
und wurde von der Textilindustrie abgelöst. Die Produktion konnte von 1931<br />
bis 1936 um 85 Prozent gesteigert werden, der asiatische Baumwollmarkt war<br />
fest in japanischer Hand. Japans Maschinen- und Elektroindustrie wuchs von<br />
1929 bis 1936 um 150 Prozent. Infolge dessen gingen die Importe in diesem<br />
Bereich deutlich zurück. Die gefertigte Schifftstonnage wurde von 164.000<br />
Bruttoregistertonnen im Jahr 1929 auf 451.000 Bruttoregistertonnen 1937<br />
gesteigert, was etwa 20 Prozent der Weltproduktion entsprach.<br />
Im Verlauf des Kriegs führte Japan ab 1937 verschiedene Beschränkungen<br />
der Wirtschaftstätigkeiten ein. 180 Die Regierung machte Importe über 100<br />
Yen von einer behördlichen Erlaubnis abhängig, um das Handelsbilanzdefizit<br />
zu senken. 181 Ab 1940 wurden die einzelnen Unternehmen einer Branche<br />
dazu verpflichtet, sich zu Lenkungsverbänden zusammenzuschließen, deren<br />
Führung bei großen Zaibatsu lag. Dies führte zu einer enormen staatlich<br />
179 Dieser Aufstieg stand vor allem in Verbindung mit dem Aufstieg Japans zum größten<br />
Kunstfaserproduzenten und -Exporteur der Welt. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II,<br />
S. 29.<br />
180 1933 wuchs die japanische Industrieproduktion um 17 Prozent von 1933 bis 1935 um 22<br />
Prozent. Vgl. Henschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 20–28.<br />
181 Die Devisen- und Goldreserven Japans waren stark geschrumpft, die Regierung erhoffte<br />
sich dadurch eine ausgeglichene Handelsbilanz, behinderte jedoch oftmals für die<br />
japanische Wirtschaft notwendige Importe. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 40.<br />
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angeordneten Fusionswelle in der japanischen Wirtschaft: So reduzierte sich<br />
die Zahl der Werften von 234 auf lediglich zehn. Die Zaibatsu profitierten von<br />
ihrer Führungsrolle als Lenkungsverband und wuchsen zu riesigen<br />
Industriekonglomeraten. 182 Diese mehr als 300 Verbände meldeten ihren<br />
Bedarf an Arbeitskräften und Rohstoffen bei der Regierung an, die diese<br />
zuteilte. Das äußerst bürokratische System funktionierte nur sehr<br />
eingeschränkt und als ab 1943, der Rohstoffmangel immer größer wurde,<br />
lenkte ein neues Rüstungsministerium sämtliche Zuteilungen zentral ohne die<br />
Lenkungsverbände. 183 Bis 1944 führten diese Maßnahmen zu einer mäßigen<br />
Steigerung der Produktion schwerindustrieller Grundstoffe, einer starken<br />
Steigerung der Produktion von Rüstungsgütern und einem drastischen<br />
Rückgang der Konsumgüter. Die Schwerindustrie hielt einen Anteil von 80<br />
Prozent an der gesamten Industrieerzeugung. Ab 1944 sank jedoch auch ihre<br />
Produktion drastisch 184 , bedingt durch den anhaltenden Rohstoffmangel. Die<br />
im Pazifikraum eroberten Gebiete konnten diesen nur teilweise beheben.<br />
Außerdem verlor Japan im Krieg nach und nach fast seine gesamte<br />
Handelsflotte. Der Krieg wurde durch Staatsanleihen und Vergrößerung der<br />
Geldmenge finanziert. Die Staatsschuld versiebzehnfachte sich. 185 Nach der<br />
Kapitulation war die Industrieproduktion auf 33 Prozent des Vorkriegsniveaus<br />
gefallen und Japan hoch verschuldet.<br />
1.1.3 Branchenentwicklung<br />
182 So besaßen die Zaibatsu 1937 10 Prozent des Eigenkapitals der japanischen Wirtschaft,<br />
ihr Anteil stieg bis 1946 auf 25 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 42.<br />
183 Das System funktionierte nicht, da die Unternehmen grundsätzlich zu hohe Anforderungen<br />
stellten und die Abstimmung der 300 Lenkungsverbände untereinander unnötigen<br />
Aufwand verursachte. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 43.<br />
184 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 44.<br />
185 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 58.<br />
Seite | 58
Nachdem Japan seine selbstgewählte Isolation auf Druck der westlichen<br />
Mächte aufgeben musste, bot sich das Land auch als Absatzmarkt für<br />
elektrische Produkte an. So förderte die Meiji-Regierung den Bau von<br />
Telegrafen in Folge der Samurai-Aufstände zur Verbesserung der<br />
Kommunikation in Südwestjapan im Jahr 1874 und 1877. 186 Die<br />
amerikanische und englische Konkurrenz hatte daher in Japan eine<br />
beherrschende Stellung im Schwachstrommarkt inne. Anfang der 80er Jahre<br />
des 19. Jahrhunderts kam es wie in anderen Ländern auch angesichts der<br />
zunehmenden Innovationen im Starkstrombereich zu einer Expansion des<br />
japanischen Elektromarkts. Darüber hinaus stieß die elektrische<br />
Beleuchtungstechnik auf steigendes Interesse.<br />
Die großen Elektrounternehmen agierten deshalb verstärkt auch in Japan. So<br />
übernahm die Tokyo Electric Co. im Jahr 1886 die Vertretung der Edison Co.<br />
und Thomas Houston beauftragte die Osaka Electric Light Company damit. 187<br />
Die Tokio Electric Company beschränkte sich aber nicht nur auf die<br />
Stromversorgung der Hauptstadt Tokio, sondern war auch mit dem Bau von<br />
Elektrizitätswerken in anderen Landesteilen beauftragt. So entstanden in<br />
anderen japanischen Großstädten wie Kobe, Osaka und Kyoto ebenfalls<br />
Energieversorgungsunternehmen. 188<br />
Dabei entwickelten sich zwei verschiedene Wechselstromsysteme. Die<br />
Frequenz beträgt bis heute im östlichen Japan, das sich am deutschen<br />
Standard orientierte (darunter Tokio, Yokohama und Hokkaido), 50 Hertz.<br />
Westjapan (einschließlich Nagoya, Osaka, Kyoto, Hiroshima, Shikoku,<br />
Kyushu) orientierte sich am amerikanischen System und benutzt<br />
186 Vgl. Partner, Japan, S.11 ff.<br />
187 Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 235. Die im Jahr 1892 zur General Electric verschmolzenen<br />
Unternehmen arbeiteten zudem sehr eng mit dem Handelshaus Bagnall & Hills in<br />
Yokohama zusammen. Westinghouse arbeite mit Takada & Co. und die AEG mit dem<br />
Handelshaus Okura & Co. sowie in Folge der Zusammenarbeit mit GE mit der Tokio<br />
Electric Company zusammen.<br />
188 Vgl. SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan, S. 15 ff.<br />
Seite | 59
Wechselstrom mit 60 Hertz. Neben der Beleuchtung waren in den 1890er<br />
Jahren Generatoren und Motoren für Baumwollspinnereien ein wichtiges<br />
Geschäftsfeld. 189<br />
Nach dem russisch-japanischen Krieg kam es zu einer starken Belebung des<br />
wachsenden japanischen Elektromarkts. In Folge der Verbindung<br />
großvolumiger Wasserkraftwerken mit Stromübertragungssystemen entstand<br />
ein weitläufiges Stromversorgungssystem. 190 Den Großteil des Markts teilten<br />
sich dabei amerikanische und deutsche Firmen. Einzig nennenswerter lokaler<br />
Konkurrent war die Shibaura Works, die bis zum Ersten Weltkrieg der größte<br />
japanische Produzent war. Im Jahr 1909 schloss Shibaura mit General<br />
Electrics (GE) ein Abkommen, dadurch produzierte das Unternehmen nach<br />
GE-Patenten. Dafür erhielt GE 24 Prozent des Kapitals sowie 1 Prozent des<br />
Umsatzes von Shibaura. 191 Da jedoch die japanischen Elektroproduzenten<br />
gegenüber den großen amerikanischen und europäischen<br />
Elektrounternehmen, die einen enormen Forschungsvorsprung hatten, nicht<br />
wettbewerbsfähig waren 192 , produzierte Shibaura vorwiegend kleinere<br />
Generatoren. Weiterhin wurde deshalb ein Großteil der elektrotechnischen<br />
Maschinen importiert, wie nachfolgende Abbildung beispielhaft für<br />
Generatoren zeigt.<br />
189 Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 232.<br />
190 Vgl. SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan, S. 15 ff. 1907 prägte die<br />
elektrische Beleuchtung das Bild der japanischen Städte. Darüberhinaus beinflusste der<br />
elektrische Strom auch den städtischen Verkehr. So nahm im Jahr 1895 zunächst in Tokio<br />
eine Straßenbahn den Betrieb auf, es folgten bis zum Ersten Weltkrieg andere Städte wie<br />
Nagoya und Osaka.<br />
191 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 168. In Folge dessen kam es zu<br />
Unstimmigkeiten mit dem AEG Agenten Okura. Im Jahr 1905 hatte GE bereits die<br />
Mehrheit an der Tokyo Electric Company erworben und produzierte erfolgreich<br />
Glühlampen. Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 235 f.<br />
192 Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 229. GE hatte bereits im Jahr 1905 ein Abkommen mit dem<br />
Lampenproduzenten Tokyo Denki abgeschlossen, welche in der Folgezeit zum führenden<br />
japanischen Lampenhersteller aufstieg.<br />
Seite | 60
Abbildung 3: Ausländische Generatoren-Importe nach Japan<br />
Der Ausbau des Fernmeldewesens und der Infrastruktur brachte auch dem<br />
von der öffentlichen Nachfrage abhängige Schwachstrombereich einen<br />
Aufschwung. Allerdings entwickelte er sich langsamer als der<br />
Starkstrombereich, der sich auf eine breite Nachfrage der Privatwirtschaft<br />
stützen konnte. 193<br />
Durch den Ersten Weltkrieg erlebte auch die japanische Elektroindustrie einen<br />
enormen Aufschwung. Viele Produkte die vorher importiert worden waren,<br />
konnten nun von japanischen Produzenten wie Hitachi, Mitsubishi Denki,<br />
Okumura Denki Shokai wie Shibaura Seisakusho gefertigt werden. 194 Die<br />
193 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 115 ff.<br />
194 Vgl. SAA 68/Li 151: Vortrag von Herrn Oberingenieur R. Georgi, 16. April 1920, S. 18 f.,<br />
und Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 171. Georgi nennt insbesondere<br />
Wasser- und Dampfturbinen bis zu 12.500 kVA, Hochspannungskabel bis 20.000 V und<br />
Seite | 61
Hochtechnologie, wie etwa große Generatoren oder Fernschreiber wurde<br />
allerdings weiterhin importiert. 195 Aufgrund von hohen Zöllen und<br />
Preissenkungen der japanischen Produzenten und angesichts einer Politik<br />
des Technologietransfers nahmen Kooperationen zwischen internationalen<br />
Elektrokonzernen und den führenden japanischen Unternehmen stark zu, wie<br />
die folgende Abbildung verdeutlicht:<br />
Abbildung 4: Kooperationen führender japanischer Unternehmen mit<br />
internationalen Elektrokonzernen<br />
Lediglich Hitachi fand keinen ausländischen Partner. Parallel mit den<br />
Technologieverträgen kam es zu einem Auf- beziehungsweise Ausbau von<br />
Fabriken. Hitachi und Shibaura profitierten von dieser Entwicklung stark. Die<br />
Produktionskapazität von Shibaura stieg gegenüber den Vorkriegsjahren um<br />
über 80 Prozent. Mitsubishi begann im Jahr 1925 mit dem Bau einer<br />
elektrotechnischen Fabrik in Nagoya. Im selben Jahr nahm die Fusi ihren<br />
Betrieb auf. 196<br />
eine Glühlampenproduktion, die den Eigenbedarf von 25 Millionen Lampen deckt und<br />
noch 16,5 Millionen Lampen für den Export ausstößt.<br />
195 Vgl. SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979, S. 9.<br />
196 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 174 ff.<br />
Seite | 62
So konnte ein Großteil des elektrotechnischen Bedarfs für den japanischen<br />
Markt im Land selbst produziert werden. 197<br />
Abbildung 5: Importabhängigkeit Japans in ausgewählten Bereichen der<br />
Elektrotechnik<br />
Diese Ausweitung führte jedoch zu einer Intensivierung des Wettbewerbs mit<br />
kontinuierlich sinkenden Preisen. So fielen die erzielbaren<br />
Durchschnittspreise für alle Arten elektrischer Maschinen von 1926 bis Ende<br />
1930 um 45 Prozent. 198 Um den Wettbewerb zu begrenzen, wurde nach<br />
197 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 172.<br />
198 So sanken die erzielbaren Preise für Schalttafeln bis Ende 1930 auf 60 Prozent des<br />
Wertes von 1926. Im gleichen Zeitraum gingen die Preise für Transformatoren auf 43<br />
Prozent und die Preise für Motoren und Generatoren auf 59 Prozent des Preises von 1926<br />
zurück. Der Einkaufspreis für Material sank im gleichen Zeitraum nur auf 82 Prozent des<br />
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mehrjährigen Verhandlungsrunden 199 am 15. Mai 1931 in Tokio zwischen<br />
Mitsubishi, Hitachi, Shibaura und der Fusi ein Kartellvertrag abgeschlossen, in<br />
dem der japanische Elektromarkt aufgeteilt wurde. Der größte japanische<br />
Lampenproduzent Tokyo Denki war zudem Mitglied des Phoebus Kartells. 200<br />
Der andauernde Kriegszustand, in dem sich Japan nach Unterwerfung der<br />
Mandschurei befand, führte in Japan zu steigender Nachfrage nach<br />
Rüstungsgütern für die Armee und nach Material für verschiedene<br />
Infrastrukturprojekte in der Mandschurei. Zusätzlich kam es zu einer<br />
Abwertung des Yen Anfang der 1930er. Davon profitierte die gesamte<br />
japanische Elektroindustrie. Ihr Auftragseingang erhöhte sich beständig und<br />
lag 1934 beim 4,7-fachen des Auftragseingangs von 1931. 201<br />
1.2 Die Anfänge des Japangeschäfts bis zum Ersten<br />
Weltkrieg<br />
Ausgangspreises von 1926 und war bis 1928 sogar auf 106 Prozent gestiegen. Vgl. SAA<br />
54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Index of Prices.<br />
199 Über die ersten Kontakte der Kartellpartner schrieb der Fusi Manager Wada: „Am Ende<br />
der Taisho-Periode [die Taisho Periode endete 1926] […] bei einer Besprechung von<br />
Spitzenpersönlichkeiten von Shibaura, Hitachi, Mitsubishi und Fuji Electric [gemeint ist die<br />
Fusi] schlug die Regierung vor, die Rationalisierung durch Vereinigung von Betrieben oder<br />
durch Standardisierung von Typen zu verbessern. Die vier Firmen […] diskutierten öfters<br />
darüber, was aber keinen Erfolg hatte. […] Der Vorschlag des Industrieministeriums<br />
brachte lediglich eine gute Gelegenheit, dass sich die Leute der Industrie gut<br />
kennenlernen konnten.“ SAA 9925: Wada, mein Weg durch 80 Jahre, S. 48.<br />
200 Vgl. Reich, Cartelization, S. 213–231, hier S. 222 ff. Das Phoebus Kartell wurde im Jahr<br />
1924 von führenden internationalen Elektrounternehmen gegründet. Es regelte die<br />
Produktion elektrischer Glühlampen. Die Vereinigten Staaten waren nicht im Phoebus-<br />
Kartell involviert, doch waren ihre Interessen berücksichtigt worden. Vgl. Feldenkirchen,<br />
Siemens, S. 363.<br />
201 Vgl. SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai<br />
1934, S. 2.<br />
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1.2.1 Markteintritt und erste Schritte<br />
Das erste von Siemens auf dem japanischen Markt eingeführte Produkt war<br />
ein Telegrafengerät, das die Preußische Ostasien-Mission unter Leitung von<br />
<strong>Friedrich</strong> A. Graf Eulenburg als Gastgeschenk im Jahr 1861 mitbrachte. Nach<br />
dem Empfang des Geräts beauftragt die japanische Regierung zwei Gelehrte,<br />
die Technik und den Aufbau des Telegrafen genauestens zu studieren. Sechs<br />
Jahre später wurde von der japanischen Regierung ein niederländisches<br />
Kriegsschiff gekauft. Der zur Abnahme in die Niederlande entsandte Vize-<br />
Admiral Enemoto kaufte noch zusätzlich zwei Siemens-Telegrafenapparate,<br />
die von der niederländischen Firma Digney in Rotterdam vertrieben<br />
wurden. 202<br />
Daher agierte Siemens lange Zeit auf dem japanischen Markt nur über<br />
indirekte Geschäftskontakte.<br />
Der erste direkte Geschäftskontakt geht auf das Jahr 1870 zurück. In einem<br />
Brief vom 23. März 1870 schrieb Werner von Siemens an seinen Bruder Karl,<br />
dass er „soeben mit einem bekannten Düsseldorfer Hause (L. Kneiffler),<br />
welches ausgedehnte Geschäfte mit Japan betreibt und Kompagnons in<br />
Yokohama und anderen japanischen Orten hat, ein Arrangement getroffen<br />
[habe], wonach wir […] Geschäft[e] mit Telegraphen-Anlagen in Japan<br />
machen wollen.“ 203 Den Düsseldorfer Unternehmer, der schon seit mehreren<br />
Jahren in Japan lebte, hatte Werner von Siemens in Berlin anlässlich der<br />
Gründungsverhandlungen über die Deutsche Bank kennen gelernt. Intention<br />
der Absprache mit Kneiffler war es, die Amerikaner, die schon eine kleine<br />
Telegrafenlinie in Japan errichtet hatten, zu verdrängen, um in Zukunft ganz<br />
202 Vgl. SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung des Überseegeschäftes<br />
des Hauses Siemens und seine Organisation, S. 28 f.<br />
203 Vgl. SAA 68/Li 151: Werner Siemens an Karl Siemens, Vertrag mit Düsseldorfer<br />
Handelshaus, 23. März 1870, S. 1 f.<br />
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Japan mit einem oberirdischen submarinen Telegrafennetz zu überziehen. 204<br />
Siemens hatte bereits früh Interesse an einem intensiveren Geschäft mit<br />
Japan gezeigt. So wurde eine japanische Regierungsdelegation, angeführt<br />
von Fürst Iwakura Tomomi, bei ihrer Deutschlandreise in das Berliner Werk<br />
eingeladen und bekam dort bei einer Firmenpräsentation über Telegrafen und<br />
Bogenlampen Informationen über die Produkte und das Unternehmen. 205<br />
Dennoch entwickelte sich das Japangeschäft vorerst nicht wie erhofft. Das<br />
japanische Geschäftsvolumen sollte auch in der Folgezeit zunächst marginal<br />
bleiben. So schrieb Werner von Siemens an seinen Bruder: „…Berlin wird<br />
Japan gern London ganz überlassen. Wir haben dort zwar die ältesten<br />
Anknüpfungen, noch von Eulenburg her, [und haben] auch später eine<br />
Apparatesendung durch ein rheinisches Haus dahin gemacht, doch hat das<br />
keine feste Verbindung gebracht.“ 206 Nachdem das Japangeschäft nicht so<br />
angelaufen war, wie es sich Werner von Siemens erhofft hatte, zeigte er sich<br />
enttäuscht. Eine Anfrage des Bremer Handelshauses „Eugen von der Heyde“,<br />
ob Siemens bereit sei, seine Produkte auf dem japanischen Markt durch das<br />
Bremer Handelshaus vertreten zu lassen, lehnte er in seinem Schreiben vom<br />
25. Oktober 1884, aufgrund des mangelnden technischen Verständnisses des<br />
Bremer Hauses, ab.<br />
„Indem ich mein Bedauern ausspreche, ihren Besuch hier selbst verfehlt zu<br />
haben, gestatte ich mir einige schriftliche Bemerkungen zu der von ihnen<br />
angeregten Frage einer Vertretung unserer Firma durch ihrige in Japan. Im<br />
Allgemeinen ist unsere Fabrikation zu mannigfach und kompliziert, daß eine<br />
allgemeine kommerzielle Vertretung in einem fernen Land sich erfolgreich<br />
erweisen könnte. Viele in dieser Hinsicht gemachten Versuche haben sich als<br />
verfehlt erwiesen. Unsere Artikel sind keine Handelsartikel, mit deren Verkauf<br />
204 Vgl. SAA 68/Li 151: Werner Siemens an Karl Siemens, Vertrag mit Düsseldorfer<br />
Handelshaus, 23. März 1870, S. 1 f.<br />
205 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 47 f.<br />
206 Vgl. SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung des Überseegeschäftes<br />
des Hauses Siemens und seine Organisation, S. 27.<br />
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das Geschäft getan ist. Zur Einführung unserer Produkte gehört in erster Linie<br />
technisches Verständnis. Durch Instruktionen lässt sich dieses nicht ersetzen.<br />
Um unsere Produkte richtig empfehlen zu können, muss man ihre Vorzüge<br />
verstehen, also überhaupt das betreffende Fach vollständig beherrschen.<br />
Dann müssen sie richtig installiert werden, wozu wieder vollständiges<br />
technisches Verständnis gehört. Endlich ist es nötig, die gelieferten Objekte<br />
immer im Auge zu behalten, denn nur wenn sie dauernd gut arbeiten, tritt<br />
Nachfrage nach ihnen ein. Ein kaufmännisches Kontor ist als solches nicht<br />
dazu befähigt […].“ 207<br />
Die Entscheidung, das Handelshaus nicht mit einer Vertretung der deutschen<br />
Muttergesellschaft zu beauftragen, lässt sich tatsächlich jedoch nur bedingt<br />
auf das mangelnde technische Know-how des Handelshauses zurückführen.<br />
Hauptgrund war wohl vielmehr der schwelende Streit um das<br />
Überseegeschäft mit der verselbständigten Tochtergesellschaft Siemens<br />
Brothers. Eine eigene Agentur im Japangeschäft hätte wahrscheinlich einen<br />
offenen Konflikt zur Folge gehabt. Daher musste Siemens in Japan sehr<br />
vorsichtig agieren. 208 Siemens Brothers respektive ihr Agent Raspe bemühten<br />
sich jedoch nicht im angemessenen Umfang um den Vertrieb der Produkte<br />
der deutschen Mutter in Japan. 209 Die amerikanische und englische<br />
Konkurrenz hatte daher in Japan eine beherrschende Stellung im<br />
Schwachstrommarkt inne.<br />
Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts kam es, wie in anderen Ländern<br />
auch, durch die großen Innovationen im Starkstrombereich zu einer<br />
Expansion des japanischen Elektromarkts. Gleichzeitig gewann die<br />
elektrische Beleuchtungstechnik zunehmend an Bedeutung. Bereits im Jahre<br />
207 Vgl. SAA 68/Li 151: Werner Siemens an von der Heyde (Bremen), Vertretung in Japan,<br />
25. Oktober 1884, S. 1, und SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung<br />
des Überseegeschäftes des Hauses Siemens und seine Organisation, S. 36 f.<br />
208 Vgl. SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 8. Mai 1886.<br />
209 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Juli 1886, und SAA 25/Lo 384: S&H an<br />
Henneberg, 8. Mai 1886.<br />
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1882 beantragten japanische Unternehmer wie Okura Konzessionen für eine<br />
Elektrizitätsgesellschaft bei der Provinzbehörde in Tokio. Im Jahre 1887<br />
wurde die Tokio Dento (Tokio Elektrizitätsgesellschaft) gegründet, die in den<br />
folgenden Jahren begann, eine Elektrizitätsversorgung aufzubauen. Ähnliche<br />
Projekte wurden in japanischen Großstädten wie Kobe, Osaka und Kyoto<br />
durchgeführt. 210 Angesichts dieser Entwicklungen wuchs bei Siemens, das<br />
bisher nur sporadisch Produkte nach Japan geliefert hatte, wieder das<br />
Interesse am Ausbau seines bis dato mäßigen Japangeschäfts.<br />
Eine erste Chance zum Ausbau des Engagements in Japan bot die<br />
Ausschreibung zur Ausstattung des neuen japanischen Kaiserpalastes mit<br />
Beleuchtungstechnik. Siemens wurde im Dezember 1885 von T. Ishii, einem<br />
hohen Beamten des japanischen Industrie-Ministeriums, auf die<br />
Ausschreibung aufmerksam gemacht und bemühte den Zuschlag für dieses<br />
prestigeträchtige Projekt zu erhalten. 211 Von Vorteil im Rahmen des<br />
Zuteilungsverfahrens war, dass Siemens bereits mehrere prestigträchtige<br />
Beleuchtungsprojekte im In- und Ausland als Referenz vorweisen konnte. 212<br />
Das Unternehmen sandte nach erfolgreichen Gesprächen mit Ishii, nach der<br />
Überwindung der Löfflerkrise in England und aufgrund der zunehmenden<br />
Nachfrage nach Starkstromartikeln in Japan den erfahrenen Ingenieur<br />
Henneberg nach Ostasien, der sich um den Auftrag der Beleuchtungsanlage<br />
für den Kaiserpalast bemühen sollte. Zudem wurde Henneberg damit betraut,<br />
210 Vgl. SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan, S. 15 ff.<br />
211 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, Bericht, 12. November 1886, und SAA 68/Li 151:<br />
Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan, S. 2. T. Ishii nahm mit seinen<br />
beiden Sekretären an einer Weihnachtsfeier teil und zeigte sich vor allem von dem<br />
elektrisch beleuchteten Weihnachtsbaum begeistert. Launige Festreden untermalten die<br />
gute Zusammenkunft.<br />
212 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 55. Als Beispiel dienen die Beleuchtung des Newski-<br />
Prospekts und des Winterpalais 1884 in St. Petersburg sowie die Bogenlichtbeleuchtung<br />
in Berlin (1882/1883). Auch in Asien verfügte Siemens mit der Installation einer<br />
Beleuchtungsanlage für den Palast des Sultans von Djokjarkarta über ein<br />
prestigeträchtiges Beispiel.<br />
Seite | 68
den japanischen Markt nach deutschen Handelshäusern zu sondieren. In<br />
mehreren Briefen unterrichtete Henneberg das Stammhaus über die Lage in<br />
Fernost und die seiner Meinung nach vorhandenen Geschäftschancen. 213<br />
Henneberg fokussierte sich bei der Sondierung des japanischen Markts<br />
zunehmend auf das deutsche Handelshaus C. Rohde & Co., das bereits seit<br />
Jahren im japanischen Markt aktiv war. Es hatte sich vom Handelshaus<br />
Schultze, Reis & Co. abgespalten und verfügte neben seinem Hauptsitz in<br />
Yokohama über Stützpunkte in Tokio und Hamburg. 214 Den entscheidenden<br />
Ausschlag für Verhandlungen zwischen Siemens und dem Handelshaus<br />
gaben dessen gute Kontakte zum japanischen Bergbauunternehmen<br />
Furukawa. Diesem sollte im weiteren Japangeschäft von Siemens eine<br />
herausragende Position als Kunde und Kooperationspartner zukommen. 215<br />
Nachdem Siemens und Rohde sich im August 1886 grundsätzlich auf eine<br />
Zusammenarbeit geeinigt hatten, wurde der Vertrag im Oktober<br />
unterzeichnet. 216 Siemens übertrug dem Handelshaus, dessen Niederlassung<br />
213 Vgl. u.a. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886, S. 1 ff., und SAA 25/Lo<br />
384: Henneberg an S&H, 9. September 1886, S. 1 ff.<br />
214 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 51 f.<br />
215 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886, und Takenaka, Siemens,<br />
S. 54 f. Furukawa, ein Kunde Rhodes, war sehr an einer Elektrifizierung seiner<br />
Kupferbergwerke in Ashio interessiert. Bei einem Besuch in Ashio in Begleitung des<br />
deutschen Ingenieurs Wilhelm Heise, eines Mitarbeiters der Sasuga Shokai, im August<br />
1886 inspizierte Henneberg das Bergwerk. In Ashio erstellte Henneberg einen ersten<br />
Kostenvoranschlag und traf sich neben dem Bergwerksdirektor auch mit dem Juniorchef<br />
der Furukawafamilie, Junkichi. Henneberg prüfte die Möglichkeiten für verschiedene<br />
Projekte wie den Bau eines kleinen Wasserkraftwerks am Fluss Watarase, die<br />
Beleuchtung des Bergwerks, die elektrische Raffination von Kupfer sowie den Bau einer<br />
Grubenbahn. Er verfasste mehrere Vorschläge zur Durchführung dieses Projekts und<br />
legte dadurch das Fundament für die guten Beziehungen zu Furukawa in den nächsten<br />
Jahren.<br />
216 Vgl. SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 24. August 1886, S. 1 f., SAA 25/Lo 384: Rohde<br />
an S&H, 28. September 1886, S. 1, und SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, 16. Oktober<br />
1886, sowie SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 19. Oktober 1886.<br />
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in Tokio aus juristischen Gründen als rechtlich unabhängige Firma „Sasuga<br />
Shokai“ geführt wurde, exklusiv den Vertrieb seiner Elektro- und<br />
Beleuchtungsausrüstung. Siemens verpflichtete sich dadurch künftige<br />
Geschäfte im Elektro- und Beleuchtungssektor in Japan über Rohde<br />
abzuwickeln. Das Handelshaus musste sich im Gegenzug dazu verpflichten,<br />
die in Japan akquirierten Aufträge an keine andere Firma als Siemens<br />
zuvergeben. Der Kontrakt bezog sich nur auf den Starkstrombereich und hatte<br />
für den Schwachstrommarkt keine Gültigkeit. Das Handelshaus erhielt für<br />
seine Dienste eine Provision von 10 Prozent des Verkaufspreises. Der<br />
Vertrag, der sich nach einer bestimmten Laufzeit automatisch verlängerte,<br />
hatte eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. 217<br />
Das Schwerpunktgeschäft von Rohde und Henneberg war in den folgenden<br />
Monaten das Projekt zur Installation einer Beleuchtungsanlage im Rahmen<br />
der Renovierung des Kaiserpalasts. Schärfster Konkurrent war dabei die<br />
Okura Gumi, ein japanischer Partner der amerikanischen Edison Electric Light<br />
Co. 218 Dabei zeichnete sich schon kurz nach Beginn der Verhandlungen ab,<br />
dass die amerikanische Konkurrenz den Auftrag erhalten würde. Dies missfiel<br />
vor allem Henneberg, der dem Handelshaus daraufhin mangelnde<br />
Einsatzbereitschaft vorwarf. 219 Daher warb er wiederholt selbst für Siemens<br />
bei führenden Politikern und Beamten, von denen Aufträge zu erwarten<br />
waren. Er knüpfte auch Verbindungen zur deutschen Gesandtschaft in Japan,<br />
217 Vgl. SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 19. Oktober 1886, und SAA 68/Li 151: Takenaka, Die<br />
Tätigkeit von Siemens in Japan vor dem 1. Weltkrieg; in: Bulletin Faculty of Letters 44, o.<br />
O. 1985, S. 13–31 hier S. 14, sowie Takenaka, Siemens, S. 52.<br />
218 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886, und SAA 25/Lo 384:<br />
Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886, S. 1 ff., sowie SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H,<br />
Bericht, 12. November 1886.<br />
219 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886, und SAA 25/Lo 384:<br />
Henneberg an S&H, 11. Dezember 1886, sowie Takenaka, Siemens, S. 60. Nach<br />
Auffassung Hennebergs war das Unternehmen nicht stark genug für Siemens engagiert,<br />
da es auch noch mehrere andere Firmen aus verschiedenen Branchen vertrat.<br />
Infolgedessen würde Rohde seine Kraft nicht auf Siemens fokussieren.<br />
Seite | 70
die seine Geschäftstätigkeit unterstützte. Als einer der wichtigsten Förderer,<br />
galt der Vize-Außenminister Aoki Shuzo, mit dem sich Henneberg mehrmals<br />
traf. 220 Dieser sollte auch später Hennebergs Nachfolger Keßler beim Aufbau<br />
von Kontakten und der Ausarbeitung einer Marketingstrategie helfen. 221<br />
Anfang des Jahres 1887 kehrte Henneberg nach Deutschland zurück.<br />
Dadurch fehlte dem Handelshaus die notwendige technische Expertise vor<br />
Ort. Als in der Folge vermehrt Aufträge verlorengingen, beschloss das<br />
Stammhaus, auf Wunsch Rohdes, wieder einen Ingenieur nach Japan zu<br />
entsenden. 222 Die Wahl fiel auf Hermann Keßler, der nun als<br />
Verbindungsingenieur fungieren sollte. Im weiteren Geschäftsverlauf wurde<br />
Keßler eine der prägendsten Persönlichkeiten des Ostasiengeschäfts vor dem<br />
Ersten Weltkrieg. 223<br />
220 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886, und SAA 25/Lo 384:<br />
Henneberg an S&H, 11. Dezember 1886, sowie Takenaka, Siemens, S. 53 f. und S. 60.<br />
Aoki Shuzo war Deutschland sehr verbunden. Er war 1869 als Student nach Berlin<br />
gekommen und mit einer deutschen Frau verheiratet. 1874 wurde er japanischer<br />
Gesandter für Deutschland. Nach seiner Rückkehr nach Tokio befasste er sich mit der<br />
Revision der Zoll- und Handelsverträge zwischen Japan und den Westmächten und war<br />
auch an unternehmerischen Tätigkeiten sehr interessiert.<br />
221 Vgl. SAA 25/Lo 385: Keßler an S&H, 8. Mai 1888, und SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 26.<br />
September 1888, sowie SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in<br />
Japan, S. 1 f.<br />
222 Vgl. SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, Anforderung eines Ingenieurs, Ort 12. März 1887,<br />
S. 1 f., und SAA 68/Li 151: Annonce der Firma Sasuga Shokai in jap. Tageszeitung,<br />
13. Februar 1887, S. 1, sowie Takenaka, Siemens, S. 55.<br />
223 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 1–14. Der im Jahre<br />
1860 im Fürstentum Liechtenstein geborene Hermann Keßler studierte an den<br />
Technischen Hochschulen in Zürich und Stuttgart Naturwissenschaften, Maschinenbau<br />
und Elektrotechnik. Er arbeitete danach zwei Jahre bei der Firma C. und G. Fein in<br />
Stuttgart und trat am 15. Januar 1883 im Alter von 23 Jahren bei S&H ein. Beim Berliner<br />
Unternehmen arbeitete er bei der Prüfung von Maschinen, Lampen, und Meßapparaten.<br />
Er war auch bei Versuchsarbeiten auf anderen Gebieten der Elektrotechnik tätig. So leitete<br />
er später den Bau elektrischer Lichtanlagen sowie von Kupfer-Raffinier-Anlagen. Diese<br />
Kenntnisse sollten ihm in Japan sehr hilfreich sein.<br />
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Bereits Mitte Juli 1887 reiste Keßler nach Japan, wo er am 1. August 1887<br />
seine Tätigkeit in Tokio am Sitz der Sasuga Shokai aufnahm. Seine Aufgaben<br />
bestanden primär darin, die Interessen von Siemens in Ostasien zu vertreten.<br />
Hinsichtlich des Geschäfts in Japan nahm er eine Doppelfunktion ein: Erstens<br />
unterstützte er in seiner Funktion als Techniker das Handelshaus bei<br />
Anfragen. Zweitens knüpfte er Kontakte mit dem japanischen Militär und<br />
privaten Kunden und machte Werbung für elektrische Beleuchtung. Eigens<br />
hierfür hatte er eine kleine transportable Lichtanlage mit einer Anzahl Bogen-<br />
und Glühlampen mitgebracht. 224 Damit beleuchtete er jeweils für kurze Zeit zu<br />
Vorführzwecken verschiedene öffentliche Plätze und Gebäude. 225<br />
Im Oktober 1887 besuchte Keßler die Minen des Furukawa-Konzerns, um,<br />
wie auch sein unmittelbarer Vorgänger Henneberg, Kontakt zu diesem<br />
Unternehmen zu halten und zu pflegen. Dabei traf er zufälligerweise auf den<br />
Unternehmensgründer Ichibei Furukawa. Dieser forderte Keßler auf,<br />
Verbesserungsvorschläge hinsichtlich des Betriebs der Mine für die<br />
elektrische Kraftübertragung und die elektrolytische Kupferraffinierung zu<br />
machen. Keßler schlug bei der Besichtigung der zentralen Kupferschmelze<br />
von Furukawa den Kauf einer Siemens-Versuchsanlage zur Raffination vor,<br />
ein Vorschlag, dem der Furukawa-Konzern positiv gegenüberstand. Keßler<br />
errichtete daraufhin eine kleine Versuchsanlage mit einer Tagesleistung von<br />
224 Vgl. SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, Ingenieur, 11. Mai 1887, S. 1, und SAA 68/Lr 488:<br />
Vertrag von Hermann Keßler, Vertrag über die Entsendung des Ingenieurs Hermann<br />
Keßler nach Japan, 13. Mai 1887, S. 1 f., sowie SAA 68/Lr 488: S&H an Rohde &Co., 11.<br />
Mai 1887. Keßler reiste mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern.<br />
225 Unter anderen das Chitoseza-Theater, die Azuma-Brücke und den Rokumeikan. Der erste<br />
Auftrag, den Keßler für das Unternehmen gewinnen konnte, war die Elektrifizierung des<br />
Palastes des Fürsten Tadayoshi Shimazu, in dem er eine elektrische Stromanlage<br />
einrichtete. Die Wohnanlagen wurden mit zahlreichen Glühlampen erhellt und fünf<br />
Bogenlampen beleuchteten den Garten. Vgl. hierzu SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann<br />
Keßler, Dezember 1957, S. 3.<br />
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250 kg Elektrolytkupfer. 226 Nach erfolgreichem Betrieb erhielt Siemens einen<br />
weiteren Auftrag für eine Kupferschmelze, deren Lieferung im Jahr 1889<br />
erfolgte. Für die Stromversorgung des Bergwerks wurde 1890 in Mato, etwa<br />
vier Kilometer vom Hauptschacht der Mine am Fluss Watarasegawa, das<br />
erste Wasserkraftwerk Japans fertiggestellt. Es versorgte das Bergwerk mit<br />
Strom, der für die Beleuchtung, die Lifte in den Bergwerksstollen und die<br />
Kupferraffination notwendig war. 227 Es folgte die Lieferung einer elektrischen<br />
Grubenbahn (1894) sowie die Errichtung eines weiteren Wasserkraftwerks<br />
(1896) für das Furukawa-Silberbergwerk in Innai. Vor allem die Anlagen zur<br />
Kupferraffination stießen in Japan auf großes Interesse. Infolgedessen<br />
mehrten sich die Anfragen nach diesen Anlagen bei Siemens. 228 Furukawa<br />
entwickelte sich in den Folgejahren zu einem stabilen Kunden des<br />
Unternehmens. 229<br />
Obwohl Siemens sein Geschäft in Japan konsequent ausweiten konnte, wog<br />
der Verlust des prestigeträchtigen Projekts zur Elektrifizierung des<br />
Kaiserpalastes schwer. Wie bereits sein Vorgänger äußerte Keßler harsche<br />
Kritik an dem Hamburger Handelshaus als Kooperationspartner. Hierbei<br />
kritisierte er vor allem das mangelnde Interesse des Hamburger<br />
Handelsunternehmens an der Zusammenarbeit mit Siemens. Er bezweifelte<br />
zudem, ob das deutsche Handelshaus über ausreichende Kontakte und<br />
226 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 3. Das Unternehmen<br />
benutzte bis zu diesem Zeitpunkt ein japanisches Imitationsprodukt, mit dem das<br />
Bergbauunternehmen jedoch äußerst unzufrieden war. Furukawa scheute aufgrund des<br />
hohen Konkurrenzdrucks keine Kosten um das bestmöglichste Material zu erhalten.<br />
227 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 4.<br />
228 Vgl. SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 27. Januar 1888, und SAA 68/Li 151: Momotami, Die<br />
Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan S. 1 f., und Takenaka, Siemens, S. 57 f. Dabei<br />
prüfte Keßler 1888 den Bau einer elektrischen Güterbahn zwischen Ashio und Omama<br />
(Joshuji-Strecke). Allerdings erwies sie sich als zu teuer und Keßler schlug den Einsatz<br />
einer dampfgetriebenen Bahn vor.<br />
229 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan. Neben Ashio<br />
lieferte Siemens beispielsweise 1896 auch eine hydroelektrische Anlage an das<br />
Silberbergwerk Innai Furukawas.<br />
Seite | 73
Informationen über den japanischen Markt verfügte, und riet dem Stammhaus,<br />
den bestehenden Agenturvertrag zu lösen. 230 Dieser Vorschlag wurde<br />
allerdings mit dem Verweis auf juristische Schwierigkeiten aus dem<br />
bestehenden Vertrag von der Muttergesellschaft abgelehnt.<br />
Jedoch zeigte sich auch das Handelshaus mit dem bestehenden Vertrag<br />
unzufrieden. Hierfür waren im Wesentlichen vier Gründe ausschlaggebend:<br />
Erstens waren geschäftlich lukrative und interessante Geschäftsfelder wie die<br />
Starkstromtechnik durch den Agenturvertrag ausgeklammert worden.<br />
Zweitens untersagte der Kontrakt die Vertretung von Konkurrenzprodukten.<br />
Dies führte vor allem zu Missfallen beim Handelshaus Rohde, das deshalb<br />
keinen Agenturvertrag mit der Deutschen Edison abschließen konnte. Als<br />
dritter Grund sind die Vorwürfe von Rohde gegenüber Siemens anzuführen.<br />
Das Handelshaus unterstellte der deutschen Unternehmung während der<br />
gesamten Geschäftsbeziehung einen Mangel an Transparenz ihres<br />
Geschäftsgebarens und kritisierte zudem die „geheime“ Korrespondenz des<br />
Stammhauses mit Keßler. Der vierte Grund, der den endgültigen Ausschlag<br />
für die Aufkündigung des bestehenden Agenturvertrags gab, war, dass die<br />
japanischen Unternehmungen vermehrt bestrebt waren, die westlichen<br />
Handelshäuser zu umgehen und ohne Vermittler die Produkte direkt zu<br />
importieren. Der den wechselseitig gefassten Entschluss, den bestehenden<br />
Agenturvertrag zu kündigen, macht Siemens den Weg frei, um ein eigenes<br />
Vertriebsbüro in Japan zu eröffnen. 231<br />
1.2.2 Die Entwicklung der Siemens-Schuckert Denki Kabushiki<br />
Kaisha (SSDKK) bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs<br />
1.2.2.1 Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit<br />
230 Vgl. SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, Vertrag mit Rohde, 7. Dezember 1888.<br />
231 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 60 f.<br />
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Nach der Kündigung des bestehenden Agenturvertrags mit dem Hamburger<br />
Handelshaus beschloss das Stammhaus im August 1892, ein eigenes<br />
Vertriebsbüro für den ostasiatischen Raum zu gründen. Die Leitung sollte<br />
Hermann Keßler übernehmen. „Sie werden (…) die geschäftliche und<br />
technische Leitung der Agentur unserer Firma übernehmen, welche wir in<br />
Tokio am 1. Januar 1893 unter der Firma SIEMENS & HALSKE BERLIN<br />
JAPAN-AGENCY zu errichten gedenken.“ 232<br />
Als Firmensitz sollte die Privatwohnung Keßlers in Tokio dienen. Die Japan-<br />
Agency war für den Vertrieb sowie den technischen Kundendienst von<br />
elektrischer Beleuchtung, Stromleitungen, elektrischen Eisenbahnen und<br />
Raffination zuständig. Dabei wählte Siemens bewusst Tokio und nicht das<br />
südlicher gelegene Handelszentrum Yokohama als Firmensitz, weil sich in der<br />
„neuen“ Hauptstadt die für Maschinenbau wichtigen Behörden und großen<br />
Privatunternehmen befanden. 233<br />
Die Geschäftstätigkeiten entwickelten sich schleppend. Es konnten anfangs<br />
nur sehr geringe Umsätze erzielt werden, des Weiteren mehrten sich die<br />
Defizite auf kaufmännischer Seite. Die Abwicklung der kaufmännischen<br />
Aufgaben durch die Handelshäuser Keil und Oestmann verlief äußerst<br />
unbefriedigend. 234 Vor allem gelang es der neuen Japan-Agency in den<br />
232 Vgl. SAA 68/Li 151: S&H an Keßler (Überlingen), Vertrag über die Entsendung, S. 1 ff.<br />
233 Vgl. SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Mitteilung No. 355, Berlin,<br />
6. Dezember 1909.<br />
234 Vgl. SAA 68/Li 151: Keil an Keßler, 8. Mai 1895, und SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, 10.<br />
Mai 1895, sowie SAA 68/Li 151: S&H Berlin an S&H Japan, 29. Oktober 1895. Um Keßler<br />
zugunsten des Vertriebs von den kaufmännischen Aufgaben zu entlasten, schloss<br />
Siemens einen Vertrag mit dem deutschen Kaufmann Oscar O. Keil. Keil sollte für<br />
Siemens zwei Aufgaben erfüllen. Erstens sollte er provisorisch die Leitung des<br />
Stützpunkts für die vorübergehende Rückkehr von Keßler nach Deutschland im Juni 1895<br />
übernehmen. Dazu erhielt er von Siemens eine Geschäftsvollmacht. Zweitens sollte Keil<br />
sich auch nach der Rückkehr von Keßler weiter um die kaufmännische Seite wie<br />
Bestellungen und Lagerbuchhaltung kümmern, und somit Keßler entlasten. Diese<br />
Aufgaben sollte Keil bewerkstelligen, ohne dem Unternehmen Siemens anzugehören. Der<br />
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ersten Jahren nicht, die notwendigen Vertriebswege zu den japanischen<br />
Kunden in einem ausreichenden Umfang zu öffnen. 235 So zeichnete sich ab,<br />
dass der Aufbau von Geschäftsbeziehungen in Japan zeitintensiver sein<br />
würde, als zuvor angenommen.<br />
Erst um die Jahrhundertwende gelang es der Japan-Agency, größere<br />
Aufträge in Ostasien zu akquirieren. Dabei stellte neben Furukawa das<br />
japanische Militär die wichtigste Kundengruppe dar. Nachdem anfänglich nur<br />
Beleuchtungsanlagen sowie Feldtelegrafen vertrieben werden konnten,<br />
gelang es der Japan-Agency im Jahr 1897, Aufträge für die Lieferung<br />
zahlreicher Stromgeneratoren und elektrischer Minenzünder für japanische<br />
Militärstützpunkte zu erhalten. 236 Der Auftragsanstieg konnte mit dem<br />
bisherigen Personal nicht mehr bewältigt werden, weswegen die Japan-<br />
Agency ihren Personalstand sukzessive erweitern musste. Neben mehreren<br />
technischen Mitarbeitern wurde der kaufmännische Angestellte Hermann<br />
nach Japan entsandt. Mit steigender Personalzahl stieß die Japan- Agency<br />
zunehmend an ihre räumlichen Grenzen. Aufgrund dieser Entwicklung ließ<br />
Vertrag wurde 1896 gekündigt, weil Keil sich nicht wie gewünscht für die Geschäfte von<br />
Siemens engagiert hatte. Zur kaufmännischen Unterstützung nahm Siemens 1896 das<br />
deutsche Handelshaus „Oestmann&Co.“ unter Vertrag. Im September 1897 ordnete das<br />
Stammhaus jedoch die Kündigung des Vertrags mit Oestmann an.<br />
235 Vgl. SAA 68/Li 151: S&H an Keßler, 19. Januar 1894, und SAA 68/Li 151: S&H an S&H<br />
Electric Co. of America, 19. Januar 1894. Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des<br />
Hauses Siemens in Japan. Keßler schlug infolge der Krise zum einen seine eigene<br />
Versetzung in die USA vor und zum anderen anstelle eines eigenen Vertriebsbüros wieder<br />
eine Agentur einzusetzen. Dabei favorisierte er die japanische „Tokio Dento“, die<br />
allerdings nach einer vom Stammhaus autorisierten Anfrage bezüglich einer<br />
Zusammenarbeit nicht interessiert waren, da sie zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen<br />
mit der AEG standen. Dabei ist zu vermuten, dass nicht nur geschäftliche Aspekte den<br />
Wunsch nach einer Veränderung bei Keßler auslösten. Seine erste Frau Emma, die nach<br />
Deutschland zurückgekehrt war, starb im Jahre 1893 in Stuttgart.<br />
236 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 6.<br />
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Keßler neben seiner Privatwohnung ein neues Bürogebäude errichten. 237 Des<br />
Weiteren erschien es Keßler sinnvoll, alle Interessen des Siemens-Konzerns<br />
in Japan, einschließlich der von Siemens Brothers, durch die Japan-Agency<br />
vertreten zu lassen. Noch bestehende Vertretungsverträge mit den<br />
Handelshäusern Takata Shokai (Vertretung von S&H Berlin) sowie Tanaka<br />
Shokai (Vertretung Siemens Brothers) wurden daraufhin gelöst. 238<br />
Nach der Fusion des Stammhauses mit den Schuckertwerken 1903<br />
übernahm die Japan-Agency auch das Japangeschäft von Schuckert. Die<br />
Schuckertwerke hatten über Handelshäuser, in verhältnismäßig geringem<br />
Umfang, Ausrüstungsteile für Schiff- und Küstenbeleuchtung geliefert. 239<br />
Darüber hinaus übernahm das Japan-Büro auch die Vertretung für die<br />
Telefunkengesellschaft. 240 Aus Rücksicht auf die zunehmend protektionistisch<br />
agierenden Behörden beschloss das Berliner Unternehmen 1905, die Japan-<br />
Agency zu einer Tochtergesellschaft aufzuwerten.<br />
Das Stammhaus war vom Marktpotenzial Ostasiens überzeugt. 241 Das<br />
Geschäftsziel der neuen Tochtergesellschaft mit dem Namen Siemens-<br />
Schuckert Denki Kabushiki Kaisha (SSDKK) war „der Bau und der Verkauf<br />
von elektrischen Anlagen, die Herstellung, der Ankauf und der Verkauf von<br />
elektrischen Maschinen, Apparaten aller Art, sowie die Ausübung und<br />
Durchführung von Geschäften auf dem Gebiete der Starkstromtechnik und die<br />
Teilnahme an Unternehmungen aller Art auf dem Gebiete der angewandten<br />
Elektrizität und damit im Zusammenhang stehender Operationen.“ 242<br />
Die neugegründete Tochter war ein Kapitalunternehmen nach japanischem<br />
Recht. Das Stammkapital in Höhe von 250.000 Yen war auf 500 Aktien<br />
237 Vgl. SAA 68/Li 151: Protokoll der Konferenz, 28. September 1897, und Takenaka,<br />
Siemens, S. 65.<br />
238 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 6.<br />
239 Vgl. SAA 6640: Diverse Schriftwechsel von Schuckert.<br />
240 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan, S. 8.<br />
241 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 57 und S. 385.<br />
242 Vgl. SAA 68/Li 151: Statuten der SSDKK, 6./11. Oktober 1905.<br />
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aufgeteilt. Daher hielt Siemens-Schuckert 300, den Großteil der<br />
verbleibenden Aktien teilten sich der Direktor der neuen japanischen Tochter,<br />
Keßler, sowie der Vorstandsvorsitzende der Siemens-Schuckertwerke, Alfred<br />
Berliner. 243 Die Rechtsformwandlung stellte eine Zäsur dar, da Siemens mit<br />
der Gründung der SSDKK nun über eine feste Organisation des<br />
Japangeschäfts verfügte.<br />
Bereits die offizielle Firmierung Siemens-Schuckert Denki Kabushiki Kaisha<br />
machte nach außen hin deutlich, dass die SSDKK eine Tochter der SSW war.<br />
Keßler, bis 1908 Direktor der SSDKK, wurde von Max Wolff (bis 1911) in<br />
dieser Funktion abgelöst und bekleidete eine leitende Position in der CVU.<br />
1911 übernahm Viktor Hermann die Leitung der SSDKK alleinverantwortlich.<br />
Angesichts der guten Auftragslage und der Gebietserweiterungen in der Zeit<br />
der ersten Expansionsbestrebungen Anfang des 20. Jahrhunderts baute die<br />
SSDKK ihr Filialnetz aus, vornehmlich in Westjapan, in den japanisch<br />
besetzten Gebieten beziehungsweise Einflusszonen Korea, Taiwan sowie in<br />
der Mandschurei. Aufgrund der territorialen Erweiterung und der guten<br />
Geschäftslage teilte Siemens im Jahr 1906 das japanische Vertriebsgebiet in<br />
zwei Bereiche auf. Dabei stand vor allem die Erschließung des<br />
westjapanischen Raums im Vordergrund. Neben Tokio wurde das 1902<br />
gegründete Büro in Osaka der zweite Knotenpunkt im Siemens-Vertriebsnetz.<br />
Das Osaka-Büro war zuständig für alle südlich von Nagoya gelegenen<br />
Gebiete sowie Formosa und Korea. Des Weiteren hatte das Büro die<br />
Aufgabe, alle in das Arbeitsgebiet der Stammfirmen in Europa fallenden<br />
Vorgänge zu überwachen und zu verfolgen. 244 Für das südliche<br />
Vertriebsgebiet wurde 1906 in Mojii, heute ein Stadtteil von Kitakyūshū, ein<br />
weiteres Büro gegründet. Bereits 1909 wurde ein weiteres Vertriebsbüro im<br />
243 Vgl. SAA 68/Li 151: Aktienbuch der SSDKK, o. D. Hugo Natalis war später auch<br />
entscheidend an den Verhandlungen mit Furukawa nach dem Ersten Weltkrieg beteiligt.<br />
244 Vgl. SAA 68/Li 151: Das Osaka-Zweigbureau der SSDKK, 1. März 1906, S. 1 ff. Dabei<br />
behielt sich das Hauptbüro in Tokio vor, bestimmte Aufträge wie Finanzierungsgeschäfte<br />
selbst durchzuführen.<br />
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westjapanischen Kure, in der Präfektur Hiroshima, gegründet, einem größten<br />
Kriegshäfen der japanischen Marine.<br />
Neben den Vertriebsbüros war die Gründung einer Werkstatt im Jahr 1909 zur<br />
Reparatur und Montage in der westjapanischen Stadt Kobe für das<br />
Ostasiengeschäft von Siemens von höchster Bedeutung. 245 Diese Werkstatt<br />
brachte Siemens den Vorteil, die Chancen und Risiken einer Produktion vor<br />
Ort in kleinerem Umfang auszuprobieren. Ursprünglich fertigte Kobe für den<br />
technischen Kundendienst einfaches Zubehör. Im Jahr 1910 wurde der<br />
Stützpunkt ausgebaut, um auf diese Weise die Produktpalette zu erweitern.<br />
Nach Abschluss der Erweiterung führte der Stützpunkt eigene<br />
Fertigungsarbeiten aus, die im Jahre 1913 um die Herstellung von<br />
Schaltertafeln und anderem Zubehör erweitert wurden.<br />
245 Takenaka, Siemens, S. 70.<br />
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Abbildung 6: Vertriebsnetz von Siemens in Japan 1914<br />
Auch in die japanisch besetzten Gebiete versuchte Siemens zu expandieren.<br />
Nach der Besetzung Koreas verstärkte Siemens seine Aktivitäten auf der<br />
Halbinsel und errichtete im Jahr 1906 für das japanische Militär eine große<br />
Kraftanlage in Chemulpo (Incheon) sowie eine Kraftanlage für eine Eisenbahn<br />
in Luzan. Für die Aktivitäten in Korea gründete Siemens zusammen mit dem<br />
deutschen Korea-Haus C. Wolter & Co. (CWC) 246 am 23. Februar 1906 die<br />
Siemens-Schuckert Koreanische Elektrizitäts-Gesellschaft (Siemens<br />
246 Vgl. http://maincc.hufs.ac.kr/~kneider/Kaufing.htm#Wolter, abgerufen am 1. Februar 2010.<br />
Karl Andreas Wolter war ein Kaufmann und Teilhaber der Firma E.Meyer & Co., Hamburg.<br />
Am 6. Juni 1884 kam Wolter zusammen mit Robert Seitz aus Schanghai, um in Chemulpo<br />
eine Filiale der Hamburger Firma aufzubauen. 1907 übernahm er die Firma von H.C.<br />
Eduard Meyer, benannte sie in Karl Wolter & Co. um und eröffnet in Pusan eine<br />
Zweigniederlassung. Im folgenden Jahr kehrte er mit seiner Frau und seinen acht Kindern<br />
Hamburg zurück und übergab die Leitung der Firma an seinen Teilhaber Paul Schirbaum.<br />
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Schuckert Kankoku Denki Gormi Kaisha (SSKDGK) als offene<br />
Handelsgesellschaft. Die Gründung dieser ersten koreanischen<br />
Landesgesellschaft erfolgte in Berlin. Der Hauptsitz der neuen Unternehmung<br />
sollte in Tokio sein, wobei eine weitere Filiale im koreanischen Incheon<br />
eröffnet wurde. Als offizieller Geschäftsleiter konnte das spätere SSW-<br />
Vorstandsmitglied Robert Maaß gewonnen werden. 247 Die Firma CWC<br />
verpflichtete sich, die SSKDGK in Korea bei der Anknüpfung von<br />
Geschäftsverbindungen und Aufträgen zu unterstützen. Darüber hinaus war<br />
die CWC dafür verantwortlich, „der K. D. [SSKDGK] durch Kenntnis von Land<br />
und Leuten in der Auswahl der Kundschaft und bei Feststellung derer Bonität<br />
behilflich zu sein.“ 248 Der Gewinn der Gesellschaft sollte nach Abzug von<br />
Unkosten zwischen der SSDKK und der CWC geteilt werden. Die CWC stellte<br />
hierfür die kaufmännische Unterstützung sowie eventuell notwendige<br />
Büroräume zur Verfügung. Das SSKDGK war organisatorisch dem Büro<br />
Osaka zugeordnet. Die koreanischen Filialen wurden verpflichtet, neben der<br />
laufenden Geschäftskorrespondenz monatliche Berichte und Bilanzen an das<br />
Büro der SSDKK in Osaka zu schicken. Durch die regelmäßige<br />
Berichterstattung sollte ein klares Bild von allen projektierten sowie in der<br />
Ausführung befindlichen und abgeschlossenen Geschäfte über die<br />
koreanische Marktlage entstehen. 249 Das Aktienkapital wurde paritätisch unter<br />
den beiden Kooperationspartnern aufgeteilt. Das Beteiligungsverhältnis sollte<br />
jedoch nur bis zum Jahr 1908 Bestand haben. Dann übernahm Siemens alle<br />
Anteile der Handelsfirma und betreute den Markt fortan allein durch ein<br />
Unterbüro in Seoul. 250<br />
247 Vgl. Feldenkirchen, 100 Jahre, S. 177–184, hier S. 180.<br />
248 Vgl. SAA 68/Li 151: Abkommen mit der Firma Wolter, 16. Dezember 1908, S. 2.<br />
249 Vgl. SAA 68/ Li 151: Abkommen mit der Firma Wolter, 16. Dezember 1908, S. 1 ff.<br />
250 Vgl. SAA 68/Li 151: Erklärung von Hermann Keßler, 8. September 1908, S. 1. Nicht<br />
Siemens übernahm die Aktien von Carl Wolter, wie Takenaka schreibt, sondern Hermann<br />
Keßler. Vgl. Takenaka, Siemens, S. 70.<br />
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Neben dem Ausbau der Aktivitäten wurde Siemens ebenfalls in der von<br />
China, Russland und Japan umkämpften Mandschurei aktiv. Bereits nach der<br />
russischen Besetzung im Jahr 1900 war es zu einer ersten Absprache über<br />
die Behandlung des Gebiets zwischen Siemens Russland, Siemens Japan<br />
und Siemens China gekommen. 251 Nach der japanischen Besetzung eröffnete<br />
Siemens Japan schließlich in der nordchinesischen Hafenstadt Dalian (jap.<br />
Dairen) im Jahr 1909 ein Unterbüro. 252<br />
Angesichts der prosperierenden Entwicklung der japanischen<br />
Tochtergesellschaft erkannten die Verantwortlichen auch das Potenzial des<br />
Schwachstromgeschäfts, das die SSDKK bis dahin eher beiläufig bearbeitet<br />
hatte. Im Dezember 1909 wurde die Errichtung einer eigenen<br />
Schwachstromabteilung innerhalb der SSDKK beschlossen. Die Abteilung<br />
wurde im Tokioter Büro angesiedelt und der Leitung des Ingenieurs Wilhelm<br />
unterstellt. Der Geschäftsbereich der Schwachstromabteilung erstreckte sich<br />
auf die von den Technischen Büros der Siemens-Schuckertwerke in Tokio<br />
und Osaka bearbeiteten Gebiete, einschließlich Port Arthur, der südlichen<br />
Mandschurei, Formosa und Korea. 253<br />
Nach der Rückkehr von einer Inspektionsreise nach Japan im November 1913<br />
machte Keßler in einem Gespräch mit leitenden Managern des Stammhauses<br />
den Vorschlag, die an die SSDKK angeschlossene Schwachstromabteilung<br />
zu verselbstständigen. Die neue Unternehmung sollte unter dem in Japan<br />
noch eingetragenen Namen der Firma Siemens & Halske als deren Japan-<br />
251 Vgl. SAA 25/Lg 136: Vertragswerk „Interessengemeinschaft bezüglich der elektrischen<br />
Geschäfte in China, zwischen den SSW, Berlin und der Fa. H. Mandl &Co, 1. Oktober<br />
1903.<br />
252 Vgl. SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Siemens Berlin, Exportgesellschaft, 4. Juli 1906,<br />
S. 7, und Takenaka, Siemens, S. 70.<br />
253 Vgl. SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Mitteilung No. 355, Berlin,<br />
6. Dezember 1909. Das Geschäftsjahr der neuen Schwachstromabteilung sollte sich<br />
analog, wie bei der SSW, vom 1. Juni bis zum 31. Mai, erstmalig also bis zum 31. Mai<br />
1910, erstrecken.<br />
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Filiale eröffnet werden. 254 Die Gründe für die Trennung der Stark- und<br />
Schwachstromorganisation lagen für Keßler in erster Linie im starken Anstieg<br />
des Schwachstromgeschäfts. Zudem erklärte der Leiter der SSDKK Hermann,<br />
dass er künftig nicht mehr bereit sei, die volle Verantwortung für die sich<br />
weiter ausdehnenden Schwachstromgeschäfte allein zu übernehmen.<br />
Die Trennung der beiden Strombereiche war bis zu diesem Zeitpunkt bereits<br />
häufiger vorgeschlagen worden, jedoch lehnten die Stammhäuser die Appelle<br />
bis 1910 noch vehement ab. 255 Grund dafür war, dass sie von dem Gedanken<br />
geleitet wurden, die Überseeorganisation der Firma so zu gestalten, dass die<br />
Unternehmung im Ausland als ein Konzern auftrat. Hierdurch konnte ihrer<br />
Ansicht nach erreicht werden, dass die verantwortlichen Herren „den Konnex“<br />
untereinander nicht ganz verlieren, was bei vollkommener Trennung und<br />
verschiedenen Firmenbezeichnungen zu befürchten gewesen wäre.<br />
Infolgedessen wurde als Kompromiss beschlossen, die Trennung zwischen<br />
Starkstrom und Schwachstrom so vorzunehmen, dass die<br />
Schwachstromabteilung als ein Teil der SSDKK, aber mit vollkommen<br />
getrenntem Personal in kaufmännischer und technischer Beziehung geführt<br />
werden sollte.<br />
Die Schwachstromabteilung gab ihre Räume innerhalb des Bürogebäudes auf<br />
und zog in das anliegende frühere Wohnhaus Keßlers. Darüber hinaus gelang<br />
es der Abteilung, zum Großteil eigenes Personal zu engagieren, um ihre<br />
kaufmännischen Geschäfte abzuwickeln. Die Personalaquise sollte sich<br />
jedoch nicht nur auf den kaufmännischen Bereich erstrecken. Deshalb war die<br />
Abteilung auch darum bemüht, ausreichend technisches Personal<br />
anzuwerben. So gelang es, in den einzelnen Unterbüros der SSDKK je einen<br />
254 Vgl. SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Aktennotiz über eine Besprechung<br />
zwischen den Herren Dr. Franke, Keßler und Crass wegen der von Herrn Keßler<br />
vorgeschlagenen Trennung der Tokio-Organisation, 1. November 1913. Im Februar 1901<br />
hatte Keßler den Firmennamen „Siemens&Halske AG“ beim Amtsgericht Tokio eintragen.<br />
255 Vgl. SAA 68 Li/151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, SSDKK an CVU, Betr.<br />
Schwachstrom-Abteilung, 1. April 1910.<br />
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geeigneten Ingenieur zu stationieren, der dort selbstständig nach den<br />
Direktiven der Tokioter Schwachstromabteilung deren Geschäfte verfolgte. 256<br />
Neben den eigenen Vertriebsbüros griff Siemens in dieser Phase in Japan<br />
jedoch auch auf die Dienste von Agenturen sowie Handelshäusern zurück. 257<br />
Zudem versuchte die SSDKK, über Kooperationen und Kartelle den<br />
Wettbewerb auf dem japanischen Markt zu verringern. Die Centralverwaltung<br />
Übersee (CVU) kam allerdings bei einem Rückblick kurz vor dem Ersten<br />
Weltkrieg zu einer negativen Bilanz der für Japan geschlossenen<br />
Vereinbarungen, da diese immer nur von äußerst kurzer Dauer waren oder<br />
gar nicht zustande kamen. 258<br />
Bedingt durch den Ausbau des Vertriebsnetzes wuchs der Personalbestand<br />
ständig. 259 So beschäftigte Siemens im Jahr 1914 circa 270 Mitarbeiter in<br />
Japan (34 Europäer und 233 Japaner, siehe Abbildung 7).<br />
256 SAA 68 Li/151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Aktennotiz über eine Besprechung<br />
zwischen den Herren Dr. Franke, Keßler und Crass wegen der von Herrn Keßler<br />
vorgeschlagenen Trennung der Tokio-Organisation, 1. November 1913.<br />
257 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 71.<br />
258 Vgl. SAA 20/Lg 27: CVU an Koettgen, 25. September 1913.<br />
259 Vgl. SAA 68/Li 151: Büro Tokio an Siemens Berlin, Betrifft: Personalvermehrung,<br />
21. Januar 1907, S. 1 ff.<br />
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Abbildung 7: Beschäftigte bei Siemens in Japan 1914<br />
Die vornehmlich deutschen Europäer besetzten sämtliche Schlüssel-<br />
positionen des Japangeschäfts von Siemens. Das europäische Personal<br />
wurde normalerweise für fünf Jahre in das Einsatzgebiet Ostasien entsandt.<br />
Die Leitung der Japan-Agency/ SSDKK lag von 1887 bis 1908 bei Keßler.<br />
Dieser kehrte am 28. Februar 1908 nach Deutschland zurück und übernahm<br />
fortan Führungsaufgaben bei der neuen CVU. Infolgedessen wurde der<br />
Stützpunkt gemeinsam von dem Ingenieur Max Wolff und dem Kaufmann<br />
Viktor Hermann geleitet. Als Wolff 1911 nach Deutschland zurückkehrte,<br />
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übernahm Hermann die japanische Tochter alleine, bis er im Verlaufe der<br />
Marineaffäre im Februar 1914 verhaftet wurde. 260<br />
Um die Geschäftstätigkeit so effizient wie möglich zu halten, wurden Japaner<br />
für spezielle Schnittstellentätigkeiten, die Kontakte mit japanischen Stellen<br />
erforderten, eingesetzt. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörten beispielsweise<br />
Übersetzungen, der Vertrieb und der Kundenverkehr. 261 Zwischen den<br />
jeweiligen Stützpunkten der ostasiatischen Region, vor allem aber zwischen<br />
Japan und China, kam es häufig zu einem regen personellen Austausch. Dies<br />
betraf vor allem Monteure, die häufig für Dienstreisen entsandt wurden. 262<br />
1.2.2.2 Das Unternehmen in der Krise<br />
Im Jahre 1913 erschütterte ein Skandal das Japangeschäft von Siemens.<br />
Ausgelöst wurde dieser durch den Angestellten Richter, der<br />
Geheimdokumente des Unternehmens entwendet hatte und ihre Rückgabe an<br />
die Zahlung einer erheblichen Geldsumme knüpfte. 263 Richter war erst wenige<br />
Monate zuvor als besonders vertrauenswürdig eingestuft und als<br />
Privatsekretär für den Japan-Chef Hermann in Tokio engagiert worden. Doch<br />
bereits nach kurzer Zeit begann Richter die Firmengeschäfte der<br />
Niederlassung in Japan auszuspionieren. Als Privatsekretär hatte er Zugang<br />
zu allen Unterlagen und dem Firmensafe. Er fand im Tresor <strong>Dokument</strong>e über<br />
eine Geheimkorrespondenz, aus denen hervorging, dass Siemens bei<br />
früheren Geschäftsverhandlungen japanischen Admirälen und hohen<br />
Offizieren Geld für die Auftragsaquisen gezahlt hatte. Richter versuchte<br />
Viktor Hermann zu erpressen, da die Unterlagen die Namen sämtlicher<br />
Offiziere enthielten, die in den Skandal involviert waren, und damit höchst<br />
260 Vgl. SAA 13/Lc 518: Erläuterung Keßler (von Keßler) zum japanischen Marine-Prozess,<br />
o. D.<br />
261 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 73 f.<br />
262 Vgl. SAA 13/Lc 332: CVU an Meyer, 4. Januar 1901.<br />
263 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98.<br />
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kompromittierend für das Unternehmen waren. Hermann ging auf die<br />
Geldforderung jedoch nicht ein und kündigte dem Privatsekretär fristlos. 264 Da<br />
das Vorhaben Richters fehlgeschlagen war, versuchte dieser, durch den<br />
Verkauf der <strong>Dokument</strong>e an den englischen Reuters-Journalisten Pooley<br />
anderweitig Profit daraus zu ziehen. Pooley drohte mit einer weltweiten<br />
Veröffentlichung und Verbreitung der <strong>Dokument</strong>e, wenn er nicht eine Summe<br />
von 250.000 Yen bekäme. 265 Vor dem Hintergrund der veränderten<br />
Rahmenbedingungen beriet sich Hermann mit seinem Freund Thiele, dem<br />
deutschen Generalkonsul in Japan. Beide entschieden sich dafür, mit Hilfe<br />
der deutschen Botschaft das japanische Marineministerium in einem<br />
vertraulichen Treffen über die Geschehnisse zu informieren. Man wollte dem<br />
Marineminister Saito zu bedenken geben, dass im Falle einer gerichtlichen<br />
Auseinandersetzung die Marine unter Korruptionsverdacht stünde. Daher sei<br />
es sinnvoll, wenn das Ministerium durch seinen Einfluss auf die Justiz die<br />
Sache möglichst geräuschlos aus der Welt schaffe. Der Marineminister hielt<br />
es allerdings für absurd, dass seine Admiräle bestochen worden waren und<br />
lehnte eine staatliche Einmischung kategorisch ab. Daher sah sich Hermann<br />
gezwungen, zur Abwendung größerer Schäden für sich und die Firma mit<br />
Pooley eine Übereinkunft zu treffen. Gegen die Zahlung von 50.000 Yen<br />
gelang es, die Papiere zurückzukaufen. Hermann zeigte sich nach dem<br />
Wiedererhalt der <strong>Dokument</strong>e erleichtert und verbrannte sie mit seinem Freund<br />
Thiele im Kamin des deutschen Generalkonsulats.<br />
Im Glauben, künftige Schäden für das Unternehmen abgewandt zu haben,<br />
entschloss sich Siemens, gegen den Erpresser Richter vorzugehen, und<br />
zeigte ihn in Berlin an. Dieser befand sich gerade auf dem Rückweg nach<br />
Deutschland, als er an der deutschen Grenze verhaftet wurde. Bei seiner<br />
264 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
Karl Voigt war der Anwalt Hermanns in Japan.<br />
265 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98.<br />
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Überführung nach Berlin fanden die Behörden Kopien der Geheimdokumente<br />
in seinem Reisegepäck. 266<br />
Gegen Richter wurde ein Strafverfahren eingeleitet und es kam wenig später<br />
zur Verhandlung am Landgericht Berlin-Charlottenburg. Der Prozess fand<br />
unter reger Anteilnahme von Presse und Politik statt. Die deutsche Botschaft<br />
und das Generalkonsulat in Japan wurden über die Entwicklungen informiert.<br />
Daraufhin machte sich bei Siemens Japan die Sorge breit, das es zu einem<br />
Skandal kommen könnte, da die Hauptverhandlungen in Berlin in der Regel<br />
öffentlich durchgeführt wurden. Verstärkt wurden diese Ängste noch dadurch,<br />
dass die Verteidigung Richters der bekannte Sozialist und Rechtsanwalt Karl<br />
Liebknecht übernommen hatte. 267 Daraufhin intervenierte die deutsche<br />
Botschaft in Japan beim Auswärtigen Amt in Berlin. Ziel war es, Einfluss auf<br />
den Präsidenten der Strafkammer zu nehmen, um bei der Verhandlung einen<br />
Ausschluss der Öffentlichkeit zu erreichen. Der Vertreter des Auswärtigen<br />
Amtes, Graf Monteglas, der selbst Botschaftsrat in Tokio gewesen war, wies<br />
auf die freundschaftlichen Beziehungen zu Japan hin, die durch den Prozess<br />
bedroht würden, und versuchte, auf diese Weise die Forderung des<br />
Ausschlusses durchzusetzen.<br />
Die Bemühungen Monteglas scheiterten jedoch, da der Präsident des<br />
Landgerichts eine solche Gefährdung nicht gegeben sah. 268 Daher waren<br />
dem Unternehmen die Hände gebunden und ein Publikwerden des Skandals<br />
war unausweichlich. In den Gerichtsverhandlungen wurden die belastenden<br />
<strong>Dokument</strong>e verlesen und die Namen der Admiräle und Offiziere<br />
bekanntgegeben. Darüber hinaus verfasste Liebknecht einen ausführlichen<br />
266 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
267 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98<br />
268 Darüber hinaus begründete er seine Entscheidung, dass ein Ausschluss der Öffentlichkeit<br />
nur bei der Gefährdung der Sittlichkeit, der öffentlichen Grundordnung oder der<br />
Staatssicherheit zulässig sei. Diese Begriffe sollten sich aber nur auf interne nationale<br />
Gefährdungen beziehen und nicht auf das Verhältnis des Reiches zu einem ausländischen<br />
Staat.<br />
Seite | 88
Bericht über den Prozessverlauf in der Zeitung „Vorwärts“. Darin<br />
veröffentlichte er die Namen der Marineoffiziere und kritisierte die<br />
Lasterhaftigkeit des Siemenskonzerns sowie aller kapitalistischen<br />
Großunternehmen. 269 Der Angeklagte Richter wurde am Ende der<br />
Gerichtsverhandlung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. 270<br />
Die Reuters-Meldung über den Prozess in Berlin und die Verurteilung Richters<br />
sorgten für große Unruhe in Japan. In der Presse gab es heftigen Anklagen<br />
gegen die Marine, zudem mehrten sich die feindseligen Stimmen gegenüber<br />
Deutschland. Das japanische Parlament, das gerade seine Wintertagung<br />
abhielt, richtete Anfragen an die Regierung und übte heftige Kritik an der<br />
Marine. Nachdem die Regierung die Aufklärung zugesagt hatte, wurde<br />
Hermann verhaftet und langen Verhören unterzogen. Es folgten<br />
Hausdurchsuchungen bei Siemens Japan und die Inbesitznahme des<br />
kompletten Aktenmaterials. Für Hermann sprach, dass die belastenden<br />
<strong>Dokument</strong>e nicht in seiner Zeit, sondern wesentlich früher verfasst worden<br />
waren und er nachweislich keine Gelder an die japanischen Marineoffiziere<br />
bezahlt hatte. Bis dato war er immer als Zeuge vorgeladen, jedoch räumte<br />
Hermann im Verhör ein, die <strong>Dokument</strong>e in seinem Büro vernichtet zu haben<br />
um auf diese Weise seinen Freund, Generalkonsul Thiele, zu schützen. Dies<br />
hatte zur Folge, dass der zuständige japanische Richter Untersuchungshaft<br />
für Hermann verfügte. Die Siemens-Leitung in Berlin – über den Prozess<br />
bestens informiert – berief daraufhin den Leiter des Büros von Osaka,<br />
Drenckhahn als Vertreter für das Büro in Tokio.<br />
Für Pooley und Reuters, die den Skandal ausgelöst hatten, erwies sich der<br />
Triumph über die korrupten deutschen Geschäftsmethoden jedoch als<br />
Bumerang, da Pooley nur kurze Zeit später in Japan verhaftet wurde. Im Zuge<br />
der Untersuchung wegen der Bestechung von Marineoffizieren wurde auch<br />
269 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
270 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 76.<br />
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die Auftragsvergabe für das Schlachtschiff „Kongo“ beleuchtet. Der Auftrag<br />
war an das japanische Unternehmen Mitsui vergeben worden, das den Bau<br />
des Kriegsschiffs zum Teil von englischen Werften bewerkstelligen ließ. Das<br />
Schiff sollte 40 Millionen Yen, etwa 80 Millionen, Mark kosten. Siemens hatte<br />
für die elektrischen Installationen auf dem Schiff einen Anteil von circa zwei<br />
Prozent der gesamten Auftragssumme erhalten. Bei den zahlreichen<br />
Verhören von Mitsui-Direktoren und Marineoffizieren stellte sich heraus, dass<br />
in vielen Fällen Kommissionen bezahlt worden waren. Es gab zahlreiche<br />
Verhaftungen und mehrere englische Firmenangehörige, die in den Fall<br />
verwickelt waren, verließen überstürzt das Land. Nachdem sich der deutsche<br />
Botschafter des Falles Hermann angenommen hatte, konnte bereits nach drei<br />
Wochen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden. 271<br />
In der japanischen Öffentlichkeit fand der Skandal ebenfalls zunehmend<br />
Beachtung, mit weitreichenden Folgen. Die Regierung unter Ministerpräsident<br />
Yamamoto reagierte zunächst gelassen und überstand einen<br />
Misstrauensantrag im Februar 1914. Aufgrund nahezu täglicher neuer<br />
Veröffentlichungen zum Skandal und nach starken Angriffen der Opposition<br />
auf Marine und Regierung wurde das Kabinett jedoch unhaltbar. Nach dem<br />
Scheitern des Marineetats im Oberhaus im März trat schließlich<br />
Ministerpräsident Yamamoto mit seinem Ministerium zurück. 272<br />
Dies war für die deutsch-japanischen Beziehungen ein schwerer Schlag, da<br />
das Yamamoto-Kabinett die erste deutschfreundliche Regierung seit zwanzig<br />
Jahren gestellt hatte. Der Sturz des Kabinetts durch einen Skandal, der von<br />
deutscher Seite ausgelöst worden war, ist retrospektiv als Rückschritt die<br />
gerade langsam wieder aufgebauten deutsch-japanischen Beziehungen zu<br />
bewerten. 273 Vom neuen Kabinett unter Ministerpräsident Okuma war keine<br />
271 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
272 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98.<br />
273 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio<br />
1962, S. 33 ff. Die diplomatischen Beziehungen waren seit dem Frieden von Shimonoseki<br />
nach dem chinesisch-japanischen Krieg von 1894/95 getrübt, da Deutschland die<br />
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deutschfreundliche Haltung zu erwarten. 274 Der neue Außenminister Kato war<br />
vorher Botschafter in London gewesen und seinen Äußerungen zufolge eher<br />
als deutschlandfeindlich einzustufen. 275<br />
Die zunehmende Anzahl und Komplexität der Fälle sorgte dafür, dass das<br />
Gericht geraume Zeit brauchte, um die Anklage vorzubereiten. Bezüglich des<br />
Falls Hermann fokussierte sich die Anklageschrift auf drei Punkte:<br />
1. Bestechung des Kapitäns Z. Sawasaki im Zusammenhang mit der<br />
Funabashi-Funkstation. Dieser erhielt zwischen Juli 1913 und<br />
Januar 1914 11.500 Yen.<br />
2. Versuchte Bestechung des Konteradmirals Iwasaki.<br />
3. Vernichtung von Beweisen. 276<br />
Am 18. Juni 1914 begann die Hauptverhandlung vor der Strafkammer des<br />
Landgerichts Tokio. Zuerst wurde gegen mehrere Mitarbeiter von Mitsui<br />
verhandelt, die der Bestechung und Fälschung von Buchungen bezichtigt<br />
wurden. Durch Vernehmungsprotokolle, Zeugenaussagen und Aussagen der<br />
Angeklagten wurde in der Hauptverhandlung der Beweis erbracht, dass die<br />
Mitsui-Mitarbeiter, zusammen mit englischen Firmen, vor allem mit Vickers &<br />
Sons, japanische Regierungsbeamte bestochen hatten. Das Gericht sprach<br />
mehrere Gefängnisstrafen aus. Diese Urteile wurden jedoch der Presse nicht<br />
zugänglich gemacht, weil für die Bestrafung der gleichzeitig beschuldigten<br />
Admiräle eine kaiserliche Genehmigung eingeholt werden musste. Die<br />
Hauptverhandlung wurde in gleicher Weise gegen Pooley und Hermann<br />
fortgesetzt.<br />
Die Verteidigung Hermanns wies im Fall des Kapitäns Sawasaki darauf hin,<br />
dass die bei der Order der drahtlosen Station bezahlte Kommission nicht<br />
Forderung nach der Rückgabe der japanisch besetzten Halbinsel Kwantung mit Port<br />
Arthur unterstützt hatte.<br />
274 Vgl. SAA 9411: The Japanese Times, 17. April 1914.<br />
275 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl: Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
276 Vgl. SAA 9411: The Japanese Times, 26. April 1914.<br />
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durch Hermann, sondern durch den Agenten Yoshida selbstständig<br />
vorgenommen worden war. Yoshida war von 1896 bis 1904 Angestellter bei<br />
Siemens Japan unter der Leitung Keßlers gewesen. Er hatte dann ein<br />
eigenes Agenturgeschäft für Importe. Im Jahr 1906 schloss Siemens Japan<br />
mit Yoshida einen Vertrag, demzufolge er für die Vermittlung von Geschäften<br />
an die japanische Marine 1 Prozent Kommission sowie 5 Prozent<br />
Extrakommission erhalten sollte. Diese 5 Prozent waren dem Gericht<br />
verdächtig, es konnten jedoch keine belastenden Beweise gefunden<br />
werden. 277 Trotz der unklaren Beweislage im Fall Yoshida erhängte sich der<br />
Beschuldigte während der Untersuchungshaft in seiner Zelle am 17. März<br />
1914. 278<br />
Hermann, der im Jahre 1911 als Direktor von Siemens Japan aufgerückt war,<br />
hatte das Agenturverhältnis mit Yoshida bei seinem Amtsantritt bestehen<br />
lassen. Da Hermann als Direktor in Japan über mehrere Zweigstellen und<br />
ungefähr 300 Mitarbeiter verfügte, prüfte er nicht jeden einzelnen<br />
Agenturvertrag. Die Anklage in diesem Punkt war absurd, hinzu kam, dass<br />
Hermann den Namen Sawasaki erstmals während der Anklage hörte. In dem<br />
am 14. Juli 1914 verkündeten Urteil wurde Hermann zu einer Haftstrafe von<br />
einem Jahr Gefängnis verurteilt, die jedoch für drei Jahre zur Bewährung<br />
ausgesetzt wurde. 279<br />
Die Aktivitäten des Japangeschäfts wurden durch den Beginn des Ersten<br />
Weltkriegs im Spätsommer 1914 deutlich reduziert, da Siemens in Japan<br />
während des Kriegs keine Geschäfte abschließen durfte und der Kontakt mit<br />
den Kunden durch politischen den Druck Großbritanniens erschwert wurde.<br />
Die Büros in Dalian, Seoul, Mojii und Kure mussten kurz nach Kriegsbeginn<br />
geschlossen werden. Die Werkstatt in Kobe wurde stillgelegt und<br />
schlussendlich werden. Es folgte die Schließung der Büros in Mojii im Herbst<br />
277 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
278 Vgl. SAA 9411: The Japanese Adviser, 18. März 1914, und SAA 9411: The Japan Daily<br />
Herald, 18. März 1914.<br />
279 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
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1917 und Osaka im Sommer 1918. Somit bestand nur noch das Büro in<br />
Tokio. Die Verantwortlichen entließen fast das gesamte Personal und leiteten<br />
weitere umfangreiche Sparmaßnahmen ein. 280<br />
Siemens engagierte sich sehr in der Kriegsfürsorge. Direkt bei Ausbruch des<br />
Kriegs riefen in Tokio, Yokohama und Kobe lebende Deutsche<br />
Hilfsausschüsse ins Leben. Siemens stellte die Räumlichkeiten für den<br />
Hilfsausschuss in Tokio zur Verfügung und übernahm umgehend die zu<br />
erledigenden Aufgaben. Dies war von zentraler Bedeutung für den<br />
Hilfsausschuss, der aus praktischen Gründen bis zum März 1917 nicht<br />
polizeilich registriert war und dessen Arbeits mit dem Namen der Firma<br />
gedeckt wurden. Die wichtigste Aufgabe war die Versorgung von<br />
Kriegsgefangenen nach dem Eintritt Japans in den Krieg und der Eroberung<br />
der deutschen Kolonie Tsingtau. Die ersten 70 Kriegsgefangenen kamen im<br />
Oktober 1914 aus der ehemaligen deutschen „Kolonie“ Tsingtau nach Japan.<br />
Den Japanern bereitete mangels an Erfahrung die Versorgung der<br />
Kriegsgefangenen mit europäischer Kost größte Probleme. Das dafür<br />
beauftragte japanische Unternehmen bewältigte diese Aufgabe nur<br />
unzureichend. Siemens Japan nahm umgehend Kontakt mit den japanischen<br />
Behörden auf und erreichte, dass das japanische Kommando den Bau einer<br />
Großküche veranlasste, in der die Kriegsgefangenen gelieferte Lebensmittel<br />
selbst zubereiten konnten. Zusätzlich wurde eine Bäckerei errichtet. Die<br />
Erfahrungen aus dieser Hilfe im kleinen Maßstab wurden umso wichtiger, als<br />
im November 1914 weitere 4.700 Kriegsgefangene in Japan interniert wurden.<br />
Die Gefangenen litten, bedingt durch die Kämpfe, den 10-tägigen<br />
Schiffstransport aus China sowie die chaotischen Zustände in den noch<br />
unfertigen Kriegsgefangenlagern unter ausgeprägten Mangelerscheinungen.<br />
280 Vgl. SAA 50/Ll 577: Schreiben Drenckhahn an CVU, Maßnahmen während des Kriegs, II.<br />
Bericht, Reduktion der Unkosten, 25. November 1914, und SAA 50/Ll 577: Schreiben<br />
Georgi an CVU, Übersicht.<br />
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Siemens engagierte sich auch hier bei der Lieferung von Lebensmitteln sowie<br />
dem Bau von Großküchen und Bäckereien. 281<br />
Zusätzlich stellten Besuche von Siemens-Angestellten in allen<br />
Kriegsgefangenenlagern die dringendsten Sorgen und Nöte fest und eine<br />
sinnvolle Verteilung der Hilfsmittel sicher. 282 Neben der Versorgung der<br />
Allgemeinheit standen zahlreiche Einzelwünsche, Bestellungen, Bitten um<br />
Unterstützung, Vorschüsse und Darlehen auf der Tagesordnung. Zudem<br />
übernahmen Siemens-Mitarbeiter auch konsularische Aufgaben, da die<br />
Schweizer Gesandtschaft, die die Vertretung der deutschen Interessen in<br />
Japan übernommen hatte, wegen Personalmangels überlastet war. Aufgrund<br />
dieser Tätigkeiten gelang es Siemens in Japan, auch während des Kriegs das<br />
Ansehen der Firma zu steigern. 283<br />
1.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit<br />
1.2.3.1 Die Rahmenbedingungen für das Unternehmergeschäft in<br />
Japan<br />
Aufgrund der von Wilhelm von Siemens eingeleiteten Reformen der<br />
Absatzorganisation konnte sich das deutsche Unternehmen vermehrt im<br />
Unternehmergeschäft betätigen. 284 Die zögerlichen Anfänge wurden um die<br />
Jahrhundertwende intensiviert, sodass sich Siemens nun ernsthaft im<br />
281 Vgl. SAA 50/La 788: Bericht über die Tätigkeit der SSDKK in Kriegsgefangenen-<br />
Angelegenheiten in Japan 1914–1920, 15. August 1919.<br />
282 Vgl. SAA 68/Li 151: Vortrag von Herrn Oberingenieur R. Georgi, 16. April 1920.<br />
283 Vgl. SAA 50/La 788: Schreiben CVU an Zentralvorstand, Kriegsgefangenenunkosten der<br />
SSDKK Tokio, 3. Mai 1921. Zwar erstattete das Reichswehrministerium Siemens einen<br />
Teil der Kosten zurück, dennoch entstand aufgrund von Wechselkursschwankungen ein<br />
hoher Verlust.<br />
284 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 60, und Feldenkirchen, Siemens, S. 82 ff.<br />
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Unternehmergeschäft in Japan engagierte. 285 Zudem veränderte sich auch die<br />
Haltung der Meiji-Regierung gegenüber ausländischen Direktinvestitionen. 286<br />
Im chinesisch-japanischen Krieg lockerte die japanische Regierung die<br />
Kapitaleinfuhrbestimmungen, öffnete sich für ausländische Direktinvestitionen<br />
und reformierte den Finanz- und Handelssektor. Eine weitere Verbesserung<br />
der Rahmenbedingungen erfolgte durch die Revision der „ungleichen<br />
Verträge“. 287<br />
285 Vgl. SAA 25/Lo 385: Schreiben Keßler an S&H, 9. Februar 1888, und SAA 20/Lg 27:<br />
Schreiben S&H an Rohde, Elektrifizierung Ausländerviertel Yokohama, 19. Oktober 1889.<br />
Rohde plante 1888 eine Beleuchtungsanlage für das Ausländerviertel von Yokohama. Die<br />
Siemens-Mutter zeigte sich zwar interessiert, lehnte eine Kapitalbeteiligung aber ab.<br />
Infolgedessen kam das Projekt nicht zustande.<br />
286 Bis zur Jahrhundertwende hatte die Meiji-Regierung, aus Furcht von der Abhängigkeit<br />
gegenüber dem Ausland, ausländische Direktinvestitionen nahezu untersagt. Infolge<br />
dieser Restriktionen und Protektionismus waren Unternehmergeschäfte für den<br />
japanischen Binnenmarkt nicht attraktiv.<br />
287 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 36 ff., und Hentschel, Wirtschaftsgeschichte 1, S. 152 ff. Eine<br />
wichtige Reform war die Einführung des Goldstandards 1897. Die „ungleichen Verträge“<br />
mit den europäischen Großmächten wurden in den 1890er Jahren zunehmend revidiert,<br />
so auch mit Deutschland im Deutsch-Japanischen Vertrag vom April 1896. Das<br />
Abkommen trat 1899 in Kraft.<br />
Seite | 95
Abbildung 8: Rahmenbedingungen des Unternehmergeschäfts in Japan<br />
Begünstigt wurde die Förderung des Unternehmergeschäfts durch die<br />
fehlende Leistungsfähigkeit der japanischen Banken. So äußerte sich ein<br />
Zeitzeuge: „Die bestehenden japanischen Banken in Japan sind angeblich<br />
noch unreif für größere Geschäfte und unsicher, in welcher Weise derartige<br />
Geschäfte zu machen seien, auch seien sie nicht kapitalkräftig genug, um<br />
finanzielle Geschäfte ohne Unterstützung großer ausländischer Banken<br />
durchzuführen.“ 288<br />
Der dritte und wohl bedeutendste Aspekt, der das Unternehmergeschäft<br />
förderte, war der Übergang Japans zum Goldstandard im Jahr 1897. Die<br />
japanische Industrie und der Handel wehrten sich gegen den Goldstandard,<br />
weil er die Yen-Abwertung als Maßnahme einer flexiblen Geldpolitik<br />
verhinderte. Für Premierminister Matsukata war allerdings der sichere Gewinn<br />
an internationaler Reputation und Kreditwürdigkeit wichtiger als ein<br />
288 Vgl. SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 14. März 1898, und SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin<br />
an S&H Tokio, 28. Mai 1898.<br />
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eventueller Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Darüber hinaus<br />
beabsichtigte die japanische Regierung nach Kriegsende den Ausbau sowie<br />
die Modernisierung von Industrie und Armee. Eine wiederholte Abwertung des<br />
Yen in einem System flexibler Wechselkurse hätte die notwendigen Importe<br />
von Kriegsmaterial und Industrieausrüstung verteuert.<br />
Nach der Einführung des Goldstandards und dem eingeleiteten militärisch-<br />
wirtschaftlichen Entwicklungsprogramm stiegen die Importe stark an. Gold<br />
strömte ab und die Handelsbilanz wies ein großes Defizit auf. Die japanische<br />
Zentralbank setzte nach den allgemeinen international anerkannten Regeln<br />
des Goldstandards auf eine Politik der Deflation. 289 Die Zahlungsbilanz konnte<br />
damit zwar ausgeglichen werden, jedoch wurden die liquiden Mittel immer<br />
knapper und verhältnismäßig teuer. Die Deflationspolitik wurde erst Anfang<br />
1902 wieder aufgegeben und der Goldstandard der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung geopfert. 290<br />
1.2.3.2 Unternehmergeschäft: Das Bahnprojekt in Tokio<br />
Obwohl der verkehrstechnische Sektor bei Siemens in der ersten Dekade der<br />
Japan-Agency eher als Randgeschäft bezeichnet werden musste, hoffte das<br />
Berliner Unternehmen darauf, den Absatz in den 1890er Jahren merklich<br />
ausbauen zu können. 291 Ausschlaggebend hierfür waren technische<br />
289 Vgl. Neumann, Volkswirtschaftslehre, S. 292 ff.<br />
290 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte 1, S. 152 ff.<br />
291 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 59 ff. Nach der Entdeckung des dynamoelektrischen<br />
Prinzips im Jahre 1867 wurde bei Siemens überlegt, elektrische Bahnen neben dem<br />
Bergbau auch für den Personenverkehr einzusetzen. Die erste elektrische Lokomotive<br />
wurde 1879 auf der Berliner Gewerbeausstellung präsentiert. Auch wenn die Bahn ein<br />
Publikumsmagnet war und zahlreiche ausländische Großstädte sie für Messen als<br />
Transportmittel anforderten, blieb der Absatz trotz erheblichem Werbeaufwand gering.<br />
Lediglich drei elektrische Bahnen wurden in den 1880er Jahren gebaut und verkauft. Die<br />
erste elektrische Eisenbahn nahm am 16. Mai 1881 ihren Probebetrieb in Berlin-<br />
Lichterfelde auf. Einen technischen Schwachpunkt der elektrischen Bahnen stellte die<br />
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Entwicklungen und die veränderte Geschäftspolitik des Stammhauses<br />
hinsichtlich des Unternehmergeschäfts. Dies galt auch für das<br />
verheißungsvolle Absatzgebiet in Ostasien. Dort wurde mit dem Bau der<br />
Straßenbahn von Peking das erste große Bahnprojekt Ostasiens abgewickelt.<br />
Bereits 1893 zog Keßler mithilfe von Aoki Shuzo erste Erkundigungen<br />
hinsichtlich des Baus einer elektrischen Straßenbahn in Tokio ein. 292 Als<br />
Siemens im Jahr 1896 erfuhr, dass die Thomas-Houston-Gruppe eine<br />
Straßenbahn in Kyoto gebaut hatte, wurde das Interesse an dem Tokio-<br />
Projekt noch größer. 293 Die Funktionsweise der Bahn stieß auf große<br />
Resonanz der Bevölkerung, sodass auch andere japanische Großstädte<br />
planten, ähnliche Projekte durchzuführen. 294 Für die Durchführung dieses<br />
Projekts erwog Siemens Japan zunächst eine japanische Kapitalbeteiligung.<br />
Nach Rücksprache des Stammhauses mit einem Vertreter der Deutschen<br />
Bank mussten die Beteiligten jedoch einsehen, dass im japanischen<br />
Bankensystem kein adäquater Partner für ein solches Geschäft gefunden<br />
werden konnte. 295<br />
Obwohl die Finanzierungsfrage noch nicht geklärt war, verfasste Fischer am<br />
14. März 1898 einen Bericht über das Geschäftspotential von Straßenbahnen.<br />
Stromzuführung durch eine Mittelschiene dar. Daher scheiterten viele Projekte an den<br />
Sicherheitsbedenken kommunaler Behörden. Erst Mitte der 1880er Jahre fand der<br />
Amerikaner Frank Sprague eine Lösung mithilfe einer Stange und einer Kontaktrolle<br />
gefunden. Die Nutzungsrechte für Deutschland hatte allerdings die AEG. Erst 1889<br />
entwickelte der Siemens-Ingenieur Walter Reichel einen funktionsfähigen Schleifbügel und<br />
verbesserte damit die Absatzmöglichkeiten für elektrische Bahnen von Siemens.<br />
292 Vgl. SAA 25/Lo 268: Schreiben Keßler an S&H, 27. Oktober 1893.<br />
293 Vgl. SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H Japan an S&H Berlin, SAA 25/Ln 142: Projekt Tokio,<br />
22. März 1898, und SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H, AbtB an S&H Centralstelle, 12.<br />
Februar 1898, sowie Takenaka, Siemens, S. 143.<br />
294 Vgl. SAA 25/Lo 268: Bericht über Straßenbahnbau in Kyoto, 4. Juni 1896.<br />
295 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an Deutsche Bank, Secretariat, 12. Februar<br />
1898, und SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an S&H Japan, Telegramm Beteiligung Banken, 15.<br />
Februar 1898.<br />
Seite | 98
Er sah die Rahmenbedingungen für elektrische Bahnen als sehr günstig an,<br />
„weil Pferde relativ selten sind in Japan und für Traditionszwecke nicht die<br />
Rolle spielen wie bei uns.“ 296 Als entscheidenden Vorteil sah Fischer die<br />
zunehmende Ausdehnung der japanischen Städte an, wobei wiederum die<br />
enge Straßenführung ihm einige Sorgen bereitete.<br />
Fischer vertrat bei seinen Ausführungen die Ansicht, dass zuerst Tokio in<br />
Betracht käme, da dort eine äußerst erfolgreiche Pferdebahngesellschaft<br />
bestand, die bereits die Umwandlung auf elektrischen Betrieb ins Auge<br />
gefasst hatte. 297 Aufgrund dieser Rahmenbedingungen erarbeitete Fischer<br />
Ende März 1898 einen konkreten Entwurf, der die Elektrifizierung der<br />
Pferdebahn in Tokio vorsah. 298<br />
Nach diesem Vorschlag sollte Siemens die unternehmerische Kontrolle über<br />
die Pferdebahngesellschaft erlangen und sie elektrifizieren.<br />
Eigens dafür hatte Fischer im Rahmen einer Ist-Analyse unter anderem das<br />
Streckennetz, das Passagieraufkommen und die Bahnanlagen untersucht.<br />
Daraus entwickelte er eine detaillierte Investitionsrechnung. Das gesamte<br />
benötigte Investitionskapital belief sich auf 5 Millionen Yen. Davon entfielen<br />
3,32 Millionen Yen für den Kauf der Pferdebahngesellschaft und 1,64<br />
Millionen für die Elektrifizierung und den Ausbau der Strecke. Die jährlichen<br />
Unterhaltskosten für den laufenden Betrieb wurden mit 603.000 Yen<br />
veranschlagt, während auf der Einnahmeseite mit einer Million Yen gerechnet<br />
wurde. Somit sollte sich ein kalkulierter Reingewinn von 397.000 Yen<br />
ergeben. 299 Mangels finanzieller Mittel empfahl Fischer, das Handelshaus C.<br />
Illies & Co. als Partner für in das Projekt aufzunehmen. Das etablierte<br />
Handelshaus unterhielt enge Verbindungen zu Siemens Japan. „Der Nutzen<br />
könnte darin liegen, dass die verbündete kaufmännische Firma durch ihre<br />
296 Vgl. SAA 25/Lo 268: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Abteilung Bahn, 14. März 1898.<br />
297 Vgl. SAA 25/Lo 268: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Abteilung Bahn, 14. März 1898.<br />
298 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />
299 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />
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Agenten in den Kreisen der Regierung und durch den Ruf, welchen sie sich in<br />
Japan erworben hat, uns die Wege bahnen helfen kann, wenn es sich etwa<br />
darum handelt, die Erlaubnis für irgend eine Anlage zu bekommen oder<br />
Bestimmungen zu umgehen, oder aus dem Wege zu räumen, welche für das<br />
Erträgnis einer beabsichtigten Anlage eine Lebensfrage ist.“ 300<br />
Das Handelshaus zeigte allerdings kein Interesse an der Gründung einer<br />
gemeinsamen Finanzierungsgesellschaft. Zudem versprach sich das<br />
Unternehmen von der Revision der „ungleichen Verträge“ keine<br />
grundlegenden Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 301<br />
Obwohl die Planung für das Straßenbahngeschäft durch die Ausführungen<br />
Fischers im März 1898 konkretere Formen annahm war der Erwerb der<br />
Lizenz zum Betrieb der Pferdebahngesellschaft nach wie vor offen. Fischer<br />
schlug den Kauf der Pferdebahn vor, denn er sah aufgrund des<br />
Kapitalmangels in Japan gute Chancen, den Zukauf zu realisieren. Das dann<br />
noch ausstehende Kapital für die Elektrifizierung der Bahn wollte er durch<br />
Kapitalerhöhungen der Pferdebahn erhalten. Dieses Vorgehen barg jedoch<br />
erhebliches Gefahrenpotential, denn im japanischen Handelsrecht war der<br />
Besitz japanischer Unternehmensaktien bei Ausländern juristisch unklar.<br />
Schon eine Woche nach dem Vorschlag Fischers musste Siemens Japan<br />
eingestehen, dass aus juristischer Sicht einen Kauf der Pferdebahn nicht<br />
möglich war. 302<br />
Um die juristischen Hürden zu umgehen, die eine Übernahme japanischer<br />
Unternehmen durch Ausländer untersagte, war Siemens Japan um die<br />
Einsetzung eines vertrauenswürdigen „Strohmanns“ bemüht. 303 Zur<br />
300 Vgl. SAA 68/Li 151: Abschrift eines Briefes von Fischer, 24. Februar 1898.<br />
301 Vgl. SAA 68/Li 151: Aktennotiz von Schrimpff über Gespräch mit Illies und Takata, 28.<br />
April 1898.<br />
302 Vgl. SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 1. April 1898, und Takenaka, Siemens, S. 145 ff.<br />
303 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben Siemens Japan an Siemens Berlin, Einsetzung eines<br />
Strohmannes, 7. Juli 1898, und SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Japan,<br />
Neue Nachrichten über Strohmann, 24. August 1898.<br />
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Unterstützung einer fundierten Urteilsfindung beschloss das Stammhaus in<br />
Berlin, eigens hierfür deutsche Japanexperten zu konsultieren. Der Ingenieur<br />
Hermann Rumschöttel, der im Rahmen der Planung des Eisenbahnbaus von<br />
1887 bis 1894 in Japan gearbeitet hatte, sah auch nach der Revision der<br />
„ungleichen Verträge“ den Aktienbesitz durch Ausländer skeptisch. 304<br />
Lönholm, ein Experte den Siemens Japan auf Wunsch der deutschen<br />
Muttergesellschaft heranzog, war mit dem japanischen Zivil- und<br />
Handelsgesetz sehr vertraut. 305 In seinem Gutachten sah er die<br />
Rahmenbedingungen für Investitionen zwar als günstig an, bewertete die<br />
Einsetzung eines Strohmanns jedoch als zu riskant. Lönholm befürchtete,<br />
dass es zu Problemen in der Nachfolge kommen könnte, falls der Strohmann<br />
einmal stürbe. Er empfahl, zunächst die Revision der „ungleichen Verträge“<br />
abzuwarten, um dann erneut einem geeignetes Verfahren zur Übernahme der<br />
Pferdebahn zu suchen. Aufgrund der erheblichen Bedenken Lönholms, wurde<br />
dies nicht mehr weiterverfolgt. 306<br />
Die Überlegungen hinsichtlich der Übernahme und des Betriebs der<br />
Pferdebahn wurden letztlich durch einen Beschluss des Stadtrats von Tokio<br />
hinfällig, den Betrieb der Bahn in städtischer Hand sowie mit einem neuen<br />
Antriebsverfahren umzusetzen. Es wurde zudem festgelegt, dass das<br />
Straßenbahnprojekt durch eine Anleihe finanziert werden sollte. 307 Auf diesen<br />
Rückschlag reagierte Siemens Japan im Spätsommer 1898 mit einem neuen<br />
Entwurf für das Straßenbahngeschäft. Erneut wurde Fischer mit der<br />
Ausarbeitung des Plans betraut. Zentral bei seinen Ausführungen war ein neu<br />
ausgearbeiteter und erweiterter Streckenplan. Darüber hinaus entwickelte er<br />
neue Ansätze hinsichtlich der Finanzierung und Kontrolle des Projekts.<br />
304 Vgl. SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Bödiker betr. Unterredung mit Schmidt-Leda, 16. Mai<br />
1898.<br />
305 Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Siemens Japan, Information über die Japanexperten<br />
und Lönholm, 24. Mai 1898.<br />
306 Vgl. SAA 20/Lk 368: Siemens Japan an Siemens Berlin, Gutachten von Lönholm, 27. Juni<br />
1898.<br />
307 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 155 ff.<br />
Seite | 101
Fischer ging aufgrund des Kapitalmangels in Japan von der Annahme aus,<br />
dass die Stadtregierung von Tokio nicht in der Lage sei, das benötigte Kapital<br />
auf dem japanischen Finanzmarkt zu beschaffen. Daher schlug Fischer vor,<br />
die Stadt Tokio solle eine Anleihe von 4,5 Millionen Yen mit einem Zinssatz<br />
von 5 Prozent zur Finanzierung der Straßenbahn bei einem Konsortium<br />
bestehend aus Siemens und der Deutschen Bank, emittieren. Als Pfand<br />
erhielte das Konsortium die Betriebsrechte der Bahn für die ersten 10 Jahre.<br />
Mit den Einnahmen aus dem Straßenbahnbetrieb wäre es möglich, die Zinsen<br />
und Provisionen für das Konsortium zu finanzieren. Die Steigerung der<br />
Baukosten von 1,64 Millionen Yen im ersten Entwurf auf 4 Millionen Yen im<br />
zweiten erklärt sich durch die Erweiterung des Streckenbaus. Dass trotz der<br />
höheren Aufwendungen für die Elektrifizierung der gesamte Kapitalaufwand<br />
niedriger als beim ersten Vorschlag lag, resultierte daraus, dass ein<br />
Aktienerwerb der Pferdebahn nicht mehr nötig war. 308<br />
Das Stammhaus bewertete den ausgearbeiteten Entwurf als vielversprechend<br />
und leitete ihn an die Deutsche Bank weiter, um das Projekt mit den neuen<br />
Vorgaben zu realisieren.<br />
Das Bankhaus lehnte ein Engagement allerdings ab. 309 Nachdem auch dieser<br />
Plan nicht realisierbar war, sah sich Siemens veranlasst, einen<br />
Kooperationspartner zu suchen, der nicht zwangsläufig im Bankensektor<br />
angesiedelt war. Bei der Sondierung potentieller Partner fasste Siemens im<br />
Oktober 1899 die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der AEG ins Auge.<br />
Grund für diese Haltung war, dass die AEG und Siemens parallel über die<br />
Kreditfinanzierung mit der Tokyo Dento verhandelten. 310<br />
308 Vgl. HDtB S 490: Schreiben Fischer an S&H, Elektrische Straßenbahn in Tokio, 12.<br />
September 1898, und Takenaka, Siemens, S. 156 ff.<br />
309 Vgl. HDtB S 490: Schreiben DtB an S&H, AbtB, 16. September 1899, und SAA 20/Lk 368:<br />
DtB an S&H, 6. Juli 1899.<br />
310 Vgl. SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 67. Directoriumssitzung, 25. Oktober<br />
1899.<br />
Seite | 102
Abbildung 9: Das Siemens-AEG-Konsortium Straßenbahn (Oktober 1899)<br />
Nur einen Tag nach der Abgabe des Angebots von Siemens einigten sich die<br />
beiden Berliner Unternehmen auf die Bildung eines Konsortiums. Zielsetzung<br />
war es, die Betreibergesellschaft der Tokioer Stadtbahn mit ausreichendem<br />
Kapital auszustatten, um dadurch die Finanzierungskredite für<br />
Maschinenaufträge sicherzustellen. Die Vermittlerrolle bei dem geplanten<br />
Projekt zwischen den beiden deutschen Elektrounternehmen und der<br />
Stadtbahn übernahm das japanische Unternehmen Okura Gumi. 311 Da die<br />
AEG bereits enge Beziehungen zu dem Zaibatsu unterhielt war es für die<br />
Vermittlerrolle prädestiniert. Infolgedessen reiste der Firmenchef Okura<br />
Kihachiro im Sommer 1900 nach Berlin, um mit den beiden kooperierenden<br />
Elektrounternehmen zu verhandeln. Gegenüber der AEG und Siemens<br />
verdeutlichte Okura Kihachiro nochmals, dass die Aktien der neugegründeten<br />
Straßenbahngesellschaft aufgrund der Deflationspolitik nur unzureichend<br />
gezeichnet wurden und fragte bezüglich einer deutschen Kapitalbeteiligung<br />
311 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 2061. Okura war einer der frühen großen Zaibatsu.<br />
Seite | 103
an. Er schlug vor, dass Siemens, die AEG und Okura sich jeweils mit 3,75<br />
Millionen Yen an der Straßenbahn beteiligen sollten, um dadurch das<br />
notwendige Gründungskapital bereitzustellen. Allerdings stand der damalige<br />
AEG-Chef Emil Rathenau dem Vorschlag ablehnend gegenüber. Der Grund<br />
für seine Haltung war die schwierige Finanzsituation in ganz Europa. Seiner<br />
Meinung nach sollte eine direkte Kapitalbeteiligung daher möglichst gering<br />
gehalten und der noch fehlende Kapitalbedarf durch eine<br />
Unternehmensanleihe gedeckt werden. Der Japaner Okura versuchte, die<br />
deutschen Elektrokonzerne mit dieser Haltung unter Druck zu setzen. Er<br />
stellte in Aussicht, dass sich im Falle eines deutschen Zögerns amerikanische<br />
Firmen über Wertpapiere an dem Projekt beteiligen könnten. Auf diese Weise<br />
bekämen diese auch mehr Einfluss auf die Auftragsvergabe für<br />
Maschinenlieferungen. Neben dieser subtilen Drohung versuchte Okura eine<br />
Option zu fixieren, die ihm die Vorkaufsrechte der von Siemens und der AEG<br />
gehaltenen Aktienanteile sicherte. Diese sollte jedoch frühestens nach 5<br />
Jahren in Kraft treten. Obwohl die Verhandlungen gut vorangeschritten waren,<br />
kam über den ursprünglichen Zielkonflikt kein Konsens zustande.<br />
Infolgedessen wurden auch diese Gespräche ergebnislos beendet. 312 In den<br />
beiden Folgejahren wurde zwar noch fieberhaft versucht, auch unter<br />
Mitwirkung des deutschen Großindustriellen Ballin, das Straßenbahngeschäft<br />
zu beleben, jedoch blieben diese Bemühungen ohne Ergebnis.<br />
Zusammenfassend ist das Scheitern des Projekts auf die risikoaverse Haltung<br />
der Banken angesichts der in Deutschland vorherrschenden Wirtschaftskrise<br />
und auf die harte Position potentieller japanischer Partner zurückzuführen. 313<br />
312 Vgl. SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H, AbtB an AEG, Geschäft Japan, 27. Oktober 1899,<br />
SAA 25/Ln 142: Aktennotiz von Schrimpff betr. Straßenbahn in Tokio, 6. Juli 1900, SAA<br />
20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 67. Directoriumssitzung, 25. Oktober 1899, und<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 68. Directoriumssitzung, 4. November<br />
1899, sowie Takenaka, Siemens, S. 165 ff.<br />
313 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Japan an S&H, Centralstelle, Gründung einer<br />
Finanzierungsgesellschaft, 9. Februar 1900, SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll<br />
der 105. Directoriums-Sitzung, 21. Januar 1901, und SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem<br />
Seite | 104
1.2.3.3 Unternehmergeschäft: Das Kraftwerksprojekt in Tokio<br />
Neben dem Straßenbahnprojekt war das geplante Unternehmergeschäft mit<br />
der Tokyo Dento das bedeutendste für Siemens Japan. Der erste Kontakt zu<br />
dem aufstrebenden japanischen Unternehmen ergab sich über die AEG.<br />
Tokyo Dento war seit 1894 die Vertretung der AEG in Japan und hatte extra<br />
hierfür Maschinen zum eigenen Gebrauch importiert. 314<br />
Das expandierende Unternehmen beabsichtigte den Ausbau eines soeben<br />
fertiggestellten Kraftwerks in Tokio aufgrund der immer weiter steigenden<br />
Stromnachfrage in der Stadt. 315 Dieses Vorhaben ließ sich jedoch nicht ohne<br />
Weiteres realisieren, da vor allem die mangelnde eigene Liquidität und der in<br />
Japan herrschende Kapitalmangel den Spielraum des Tokioer Unternehmens<br />
einengten. Im April 1898 schlug der nach Japan entsandte AEG-Ingenieur<br />
Hartogh eine Kooperation zwischen Siemens und der AEG bezüglich des<br />
Unternehmergeschäfts vor. 316 Bereits einen Monat später kam es in Berlin zu<br />
Gesprächen hinsichtlich der „Verständigung mit der AEG über<br />
Finanzierungsgeschäfte auf Rathenaus Antrag“. 317 Die beiden Parteien<br />
konnten sich in den Verhandlungen auf eine Zusammenarbeit im<br />
Protokoll der Directoriums-Sitzung, 8. Mai 1901, sowie HDtB S 490: Bericht von Keßler<br />
über das Tokio-Straßenbahnprojekt, 16. April 1901. Neben dem beschriebenen Projekt<br />
untersuchte Siemens den Bau einer elektrischen Eisenbahn von der Hafenstadt Kobe in<br />
die Ausländerenklave Hyogo. Dazu sollte eine Eisenbahngesellschaft mit einem Kapital<br />
von 750.000 Yen gegründet werden. Voraussetzung für den Bauauftrag der Behörden<br />
war, dass das Unternehmen von einem Japaner geführt wurde. Die Federführung für<br />
dieses Projekt lag bei Fischer, der auch die Entwürfe für die Verhandlungen mit der<br />
Tokioer Stadtbahn angefertigt hatte. In seinem Entwurf bat er im Januar 1900 das<br />
Stammhaus um Unterstützung bei der Deutschen Bank. Doch wieder sollte das Projekt<br />
abgelehnt werden. Vgl. SAA 25/Lo 268: Fischer an S&H, Berlin, 6. Februar 1900.<br />
314 Vgl. SAA 25/Lk 939: S&H an S&H, JA 12. November 1896.<br />
315 Das Kraftwerk stand in Asakusa, einem Stadtteil Tokios.<br />
316 Vgl. SAA 20/Lk 368: Siemens Tokio an S&H Centralstelle, Gemeinsames Vorgehen, 20.<br />
April 1898.<br />
317 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Tokio, 28. Mai 1898, S. 1.<br />
Seite | 105
Unternehmergeschäft einigen. Die Kooperation sollte Anfang Juni 1898<br />
beginnen. 318 Die Zusammenarbeit sah die langfristige Gründung einer<br />
Risikokapital-Gesellschaft für weitere elektrotechnische Projekte vor. Die<br />
Motive von Siemens für die Kooperation mit der AEG waren vielfältig.<br />
Einerseits verfügte das Unternehmen über erhebliche Kapitalmittel und wollte<br />
diese gewinnbringend einsetzen. Zum anderen hoffte das Unternehmen durch<br />
die Zusammenarbeit international effektiver gegen die amerikanische<br />
Konkurrenz vorgehen zu können. Parallel zu den Verhandlungen über Japan<br />
führten beide Parteien auch Gespräche über eine Zusammenarbeit in<br />
Südamerika. Daher muss die „Japan-Kooperation“ in einen größeren Rahmen<br />
eingeordnet werden, da die Führung der beiden Berliner Unternehmen bereits<br />
über weitere gemeinsame Expansionen in Übersee verhandelten. Sie<br />
vereinbarten eine Marge für das Japangeschäft von 30 Prozent und die<br />
Aufteilung der Maschinenproduktion. 319<br />
Mitte Juni 1898 kamen die beiden Berliner Unternehmen und Tokyo Dento zu<br />
weiteren Gesprächen zusammen. Die Verhandlungsführung übernahm für<br />
das deutsche Konsortium der AEG-Vertreter Hartogh. Während der<br />
Finanzkrise benötigte das japanische Unternehmen für die Erweiterung des<br />
Tokioer Kraftwerks insgesamt 1,5 Millionen Yen. Die japanischen Banken<br />
waren zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, diese Finanzierungssumme<br />
aufzubringen. Die notwendigen finanziellen Mittel durch eine Erhöhung des<br />
Stammkapitals zu beschaffen, wurde aus unternehmensstrategischen<br />
Gründen ebenfalls abgelehnt.<br />
Angesichts der insgesamt ungünstigen Finanzsituation forderte das<br />
japanische Zaibatsu das deutsche Konsortium auf, einen Lieferantenkredit für<br />
318 Vgl. SAA 20/Lk 368: Protokoll der Direktoriumssitzung vom 8. Juni 1898, S. 1.<br />
319 Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Deutsche Bank, Finanzierungsgeschäft Tokyo Dento,<br />
9. Juni 1898, S. 1 f., und Takenaka, Siemens, S. 170 ff. Am 9. Juli kam es zu einem<br />
Südamerika-Abkommen zwischen der AEG und Siemens.<br />
Seite | 106
Maschinen in Höhe von 1,13 Millionen Yen zur Verfügung zu stellen. 320 Im<br />
weiteren Verlauf konnte jedoch weder über den ursprünglichen Vorschlag der<br />
Tokyo Dento noch den Gegenvorschlag des Berliner Konsortiums eine<br />
Einigung erzielt werden. 321 Die Verhandlungen gerieten sowohl von<br />
japanischer als auch von deutscher Seite ins Stocken.<br />
Die Tokyo Dento lehnte die von den deutschen Partnern vorgeschlagene<br />
höhere Zinsbelastung von 6 Prozent und die kürzere Tilgungsdauer von nur 4<br />
Jahren ab. 322 Während die deutsche Seite die Kompromissvorschläge des<br />
japanischen Zaibatsu ablehnte, stellte auch hier die von japanischer Seite<br />
vorgeschlagene längere Tilgungsdauer von 5 Jahren zu einem Zinssatz von 5<br />
Prozent einen zentralen Kritikpunkt dar.<br />
320 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898, und SAA 20/Lk 368:<br />
Depesche von S&H, Centralstelle an S&H, JA, 10. Juni 1898, sowie Takenaka, Siemens,<br />
S. 172 ff. Die Rückzahlung durch das japanische Unternehmen sollte über 5 Jahre zu<br />
einem Zinssatz von 5 Prozent erfolgen. Der Kredit sollte mit einer Hypothek auf das<br />
Gesamtvermögen der Tokyo Dento gesichert werden, die aufgrund der noch restriktiven<br />
Politik gegenüber Ausländern dem langjährigen Gesandten und Keßler-Freund Aoki<br />
übertragen werden sollte, der hierbei aus juristischen Gründen als Mittler fungieren<br />
musste. Aoki sollte den Kredit übernehmen, da die Grund- und Bodenpolitik seit einer<br />
Verordnung von 1873 Ausländern den Besitz von Grund und Boden verbot. Die Revision<br />
der Verträge fand parallel zu den Kreditverhandlungen statt. Erst nach der Revision der<br />
ungleichen Verträge gingen alle Grund- und Bodenrechte vollständig an die Berliner<br />
Unternehmen über.<br />
321 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898, und SAA 20/Lk 368:<br />
S&H, JA, an S&H, Centralstelle, 24. Juli 1898. Der Gegenvorschlag der Berliner<br />
Unternehmen sah vor, einen Kredit in Höhe von 800.000 Yen mit einer Laufzeit von 4<br />
Jahren und einem Zinssatz von 6 Prozent, bereitzustellen. Die Kreditsicherung sollte durch<br />
eine Hypothek auf das Gesamtvermögen der Tokyo Dento, wie es vom japanischen<br />
Unternehmen bereits vorgeschlagen, vollzogen werden. Aoki Shuzo würde, wie bereits<br />
erwähnt, aus juristischen Gründen so lange als Strohmann fungieren bis eine Revision der<br />
Zoll- und Handelsverträge erfolgt war. Erst dann sollte die Hypothek auf die Berliner<br />
Unternehmen übertragen werden.<br />
322 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898, und SAA 20/Lk 368:<br />
S&H, JA, an S&H, Centralstelle, 24. Juli 1898.<br />
Seite | 107
Zudem standen die Vertreter des deutschen Konsortiums dem geplanten<br />
Mittelsmann Aoki zunehmend misstrauisch gegenüber. Dieser hatte eine<br />
Absprache mit Keßler nicht eingehalten und die AEG aktiv zu Investitionen in<br />
Japan aufgefordert. Als weiteren Vertrauensbruch wertete der langjährige<br />
Leiter der Japan-Agency Keßler, dass Aoki als Vermittler während der<br />
Verhandlungen zugunsten der Tokyo Dento Partei bezogen hätte. Keßler riet<br />
auch Hartogh zur Vorsicht, der vom Japan-Experten Lönholm ein Gutachten<br />
über Aoki erstellen ließ. 323 Der Rechtsexperte sah Aoki ebenfalls kritisch und<br />
wies darüber hinaus auch auf rechtliche Probleme für die<br />
Hypothekensicherung im Falle seines Todes hin. 324 Infolgedessen einigten<br />
sich die beiden Berliner Unternehmen darauf, dass die Kreditsicherung nicht<br />
durch Aoki erfolgen sollte.<br />
Das Konsortium zog stattdessen in Erwägung, eine solvente Drittpartei an der<br />
Finanzierung des Projekts zu beteiligen. Diese sollte für die zu Verfügung<br />
gestellten liquiden Mittel einen Wechsel von der Tokyo Dento zur<br />
Kreditabsicherung erhalten. Der Wechsel könnte zu einem späteren Zeitpunkt<br />
möglicherweise in eine Hypothek umgewandelt werden. Auch das japanische<br />
Unternehmen befürwortete diesen Vorschlag. Als Drittpartei wurde das<br />
Handelshaus C. Illies & Co., mit dem Siemens bereits über eine<br />
Finanzierungsgesellschaft für das Straßenbahngeschäft verhandelt hatte,<br />
vorgeschlagen. Diese Entscheidung beruhte auf der starken Finanzkraft des<br />
Handelshauses, das über gute Verbindungen zur Hongkong Shanghai<br />
Banking Corp. verfügte. Nicht zuletzt deshalb trat Siemens mit dem<br />
Handelshaus Anfang Juli 1898 in konkrete Verhandlungen. 325 Allerdings<br />
lehnte C. Illies & Co., die bereits die Beteiligung an einer<br />
Finanzierungsgesellschaft für das Straßenbahngeschäft verweigert hatten,<br />
auch diesmal das Angebot mit Hinweis auf die zu diesem Zeitpunkt<br />
323 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 174 ff.<br />
324 Vgl. SAA 68/Li 151: Gutachten Lönholm, 27. Juni 1898.<br />
325 Vgl. SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Salzmann betr. Besprechung mit Illies in Sachen<br />
Tokyo Electric Light Co., 8. Juli 1898, und Takenaka, Siemens, S. 175 f.<br />
Seite | 108
schwierigen Rahmenbedingen in Japan ab. Der wohl entscheidendere Grund<br />
für die Absage war jedoch, das Illies eine über den Wechsel hinausgehende<br />
Absicherung verlangte. Das Handelshaus forderte neben dem Wechsel noch<br />
eine zusätzlich bereitgestellte Bürgschaft der Familie Mori.<br />
Als letzte Möglichkeit, das gemeinsame Projekt doch noch zu retten, sahen<br />
die beiden Berliner Elektrounternehmen eine Bankbürgschaft für Tokyo<br />
Dento. Doch die Anfrage der Berliner Unternehmen am 12. Juli bei dem<br />
wahrscheinlichsten Bürgen, der japanischen Bank „Yokohama Shokin<br />
Gingko“, in deren Londoner Filiale brachte ebenfalls keinen Erfolg. 326 Die<br />
Yokohama Shokin Gingko lehnte die Übernahme einer Bürgschaft für die<br />
Tokyo Dento ab. 327 Da die Verhandlungen über ein Kreditgeschäft mit der<br />
Tokyo Dento ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht hatten, beorderte die AEG<br />
Hartogh wieder nach Deutschland, da die AEG-Mutter für das Projekt keine<br />
Realisierungschancen mehr sah. 328<br />
Gänzlich wollten sich die beiden Berliner Elektrounternehmen jedoch nicht<br />
aus dem Kreditgeschäft mit der Tokyo Dento zurückziehen, was erneute<br />
Zusammenkünfte im August 1898 belegen. Hierbei fassten sie den<br />
Entschluss, auch in Zukunft weiterhin gemeinsam im Unternehmer- und<br />
Finanzierungsgeschäft tätig zu sein. Allerdings blieb die Umsetzung offen, da<br />
beide Unternehmen nach wie vor die Absicherung eines Lieferantenkredits<br />
durch eine Drittpartei bevorzugten. Beide Parteien präferierten hierbei immer<br />
noch das Handelshaus Illies. Zu diesem Zeitpunkt erhielten die stagnierenden<br />
Verhandlungen einen wichtigen Impuls, denn überraschenderweise erklärte<br />
sich das Handelshaus Illies im Februar 1899 doch dazu bereit, die<br />
Kreditsicherung zwischen den beiden Berliner Unternehmen und der Tokyo<br />
Dento zu übernehmen. Die Ursache für die veränderte Haltung des<br />
326 Vgl. SAA 20/Lg 27: AEG an Yokohama Specie Bank, London, 12. Juli 1898.<br />
327 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 18. Juli 1898.<br />
328 Vgl. SAA 20/Lk 368: Fischer an S&H, AbtB, 28. Juli 1898.<br />
Seite | 109
Handelshauses lag vermutlich in der zunehmenden Konkurrenzsituation mit<br />
amerikanischen Handelshäusern in Japan begründet. Um weiterhin<br />
konkurrenzfähig zu sein, blieb dem Handelshaus keine andere Wahl, als auch<br />
im Kreditgeschäft aktiv zu werden. Obwohl die Verhandlungen unverzüglich<br />
wieder aufgenommen wurden, hatte in der Zwischenzeit die amerikanische<br />
Konkurrenz ihre Einstiegschance schon genutzt. Die beteiligten Parteien<br />
hatten zu viel Zeit verstreichen lassen, sodass letzten Endes das Kraftwerk in<br />
Japan durch GE gebaut wurde. 329<br />
1.2.3.4 Unternehmergeschäft: Anleihe für Furukawa<br />
Parallel zu den gescheiterten Verhandlungen mit der Tokyo Dento wurden im<br />
Sommer 1898 Gespräche mit dem langjährigen Kunden Furukawa<br />
aufgenommen. Die Firma Furukawa in Person des Bergwerksdirektors der<br />
Ashiomine Kondo Rikusaburo bat das deutsche Unternehmen, eine Anleihe<br />
über das Tochterunternehmen Siemens Japan bereitzustellen. Die<br />
finanziellen Reserven des Furukawa-Konzerns waren durch seine starke<br />
Expansionspolitik sowie Regresszahlungen, die durch einen Umweltskandal<br />
verursacht worden waren, stark eingeschränkt. Aus diesem Grund benötigte<br />
das Unternehmen dringend liquide Mittel von außen um eine geplante<br />
Modernisierung seiner japanischen Bergwerke durch führen zu können. 330<br />
Die Höhe der angefragten Anleihe hatte ein Wert von 4 Millionen Mark. Die<br />
Hälfte, also 2 Millionen Mark, wollte das japanische Konglomerat zur<br />
Umschuldung laufender Verbindlichkeiten benutzen. Eine Million Mark wollte<br />
Furukawa für ein Wasserkraftwerk in Nikko und die Übertragungstechnik nach<br />
329 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 178 ff.<br />
330 Vgl. SAA 25/Lo 268: S&H Japan, Abteilung Bahn, Anfrage von Furukawa, 5. August 1898<br />
S. 1 ff., und Zöllner, Geschichte, S. 184 und S. 283 f. Der Ashio-Abwasserskandal<br />
vernichtete 1890 sowie 1896 große landwirtschaftliche Flächen. Auslöser waren Gifte, die<br />
bei der Kupferraffination in einem Kraftwerk Furukawas entstanden waren. Nach massiven<br />
öffentlichen Protesten musste Furukawa Kompensation bezahlen.<br />
Seite | 110
Ashio zu benutzen. Weitere 600.000 Mark sollten für den Ausbau der<br />
Kupfermine in Ashio verwendet werden. Die restlichen 400.000 Mark waren<br />
für den Ausbau und die Elektrifizierung eines Kohlebergwerks vorgesehen.<br />
Zur Absicherung des Kredits sollten die umfangreichen Bergwerke von<br />
Furukawa einschließlich der großen Kupfermine in Ashio, deren geschätzter<br />
Wert sich auf 4,6 Millionen Mark belief, herangezogen werden. Darüber<br />
hinaus bot Furukawa als Kreditsicherung das zu errichtende Leitungsnetz<br />
zwischen Ashio und Nikko an. 331<br />
Keßler unterbreitete Furukawa seinerseits ein eigenmächtig erstelltes<br />
Angebot. Darin hieß es Siemens wäre bereit, liquide Mittel in Höhe von 3,3<br />
Millionen Mark zur Verfügung zu stellen. In diesen Betrag hatte Keßler die von<br />
Furukawa gewünschten 2 Millionen Mark für die Umschuldung mit<br />
eingerechnet. Lediglich 1,3 Millionen Mark waren jedoch für die<br />
Modernisierung der Minen eingeplant. Für die Absicherung des Kredits<br />
präferierte Keßler die Abtretung der Wasser- und Bodenrechte des Furukawa-<br />
Konzerns an Siemens. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Vorschlag<br />
Furukawas war, dass Siemens auf eigene Kosten ein Kraftwerk in Nikko<br />
einschließlich der Transportnetze nach Ashio bauen wollte. Siemens knüpfte<br />
den Bau des Kraftwerks jedoch an zwei Bedingungen. Zum einen musste sich<br />
Furukawa dazu verpflichten, eine Mindestmenge Elektrizität des<br />
fertiggestellten Kraftwerks abzunehmen. Zum anderen musste Furukawa<br />
vertraglich zusichern, dass sie in einem Umkreis von 10 km kein eigenes<br />
Kraftwerk errichten würden. Die deutsche Unternehmung räumte Furukawa<br />
eine Kaufoption für das Kraftwerk ein, dessen Fertigstellung für August 1900<br />
veranschlagt wurde.<br />
Die Siemens-Mutter unterstützte das Projekt und kontaktierte die Deutsche<br />
Bank, um die Rahmenbedingungen der Kreditfinanzierung zu erarbeiten. Das<br />
Unternehmergeschäft mit Furukawa ist als eines der drei wichtigsten Projekte<br />
in Japan anzusehen, doch nach einer sehr kurzen anfänglichen<br />
331 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 183 f.<br />
Seite | 111
Euphoriephase kehrte bald Ernüchterung ein. Denn auch dieses Projekt<br />
musste aus verschiedenen Gründen wieder abgebrochen werden. Die<br />
Bauherren erkannten bereits im August 1898, dass die für die Generatoren<br />
des Wasserkraftwerks benötigte Wassermenge mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
nicht ausreichen würde. Die schlimmsten Befürchtungen wurden letztlich<br />
durch ein externes Gutachten zur Messung der Wassermenge bestätigt.<br />
Aufgrund dieser heiklen Situation rieten die Produktionsverantwortlichen von<br />
Siemens, den Kraftwerksbau einzustellen. Sie befürchteten, dass im<br />
schlimmsten Fall hohe Schadensersatzforderungen an Siemens<br />
herangetragen werden könnten, da sie durch die fehlende Wassermenge<br />
nicht in der Lage wären, die geforderte Mindest-Strommenge zu liefern.<br />
Darüber hinaus gestalteten auch noch einige rechtliche Aspekte das Projekt<br />
schwierig. Es war Ausländern nicht gestattet, Eigentum an Bergwerken zu<br />
erwerben, und auch die Übertragung der Wasserrechte war juristisch äußerst<br />
fraglich.<br />
Nach Abwägung der entstehenden Nachteile entschied sich das Stammhaus<br />
dafür, das Projekt mit Furukawa nicht mehr weiterzuverfolgen. 332<br />
1.2.3.5 Pläne für den Aufbau einer eigenen Produktion<br />
Bereits im Jahr 1899 gab es erste Vorüberlegungen zur Errichtung einer<br />
eigenen Kabelproduktionsstätte in Japan. Dies geschah zum einen<br />
angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Öffnung des Landes gegenüber<br />
ausländischen Direktinvestitionen und zum anderen hatte der amerikanische<br />
Rivale Western Electric mit der Nihon Denki eine Tochtergesellschaft<br />
332 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 184 ff. Siemens prüfte des Weiteren im Sommer 1899 eine<br />
Kreditfinanzierung für das Elektrizitätswerk Kanazawa. Der Lieferkredit sollte 200.000 Yen<br />
umfassen und mit einer Immobilienhypothek gesichert werden. Bis kurz vor Abschluss des<br />
Vertrags liefen die Gespräche recht erfolgreich. Schlussendlich scheiterte das Geschäft<br />
jedoch an einem Veto der Deutschen Bank. Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H an Bödiker, 10.<br />
August 1899, und SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 17. Aufsichtsrats-<br />
Sitzung, 18. August 1899.<br />
Seite | 112
gegründet, die ebenfalls über eine lokale Produktionsstätte verfügte. Ein<br />
Antrag für den Aufbau einer Kabelfabrik wurde allerdings vom Vorstand der<br />
Berliner Werke abgelehnt. 333<br />
In der Folgezeit etablierte sich jedoch eine lokale japanische Elektroindustrie,<br />
die immer mehr Marktanteile auf sich vereinigen konnte. Infolgedessen wurde<br />
im Juni 1906 überlegt wie der zunehmenden japanischen Konkurrenz im<br />
Markt begegnet werden könnte. Keßler legte in einer Marktstudie für die<br />
Berliner Kabelwerke eine Beurteilung des japanischen Kabelmarkts vor.<br />
Seiner Meinung nach stellte die japanische Konkurrenz eine konkrete und<br />
unmittelbare Bedrohung für Siemens dar. Die weitaus größte Gefahr sah er<br />
bei „Yabe Densen“ in Osaka sowie „Yokohama Densen“ in der Kanto-Region.<br />
Sollten diese Unternehmen ihren Wachstumstrend fortsetzen können, dann<br />
sei zu befürchten, dass Siemens sein gesamtes Absatzgebiet für die<br />
Kabelindustrie in Ostasien verliere. Um diese ungünstige Marktkonstellation<br />
zu verhindern gab Keßler die Empfehlung, einen der beiden japanischen<br />
Kabelproduzenten zu übernehmen. 334 „Die letzte Möglichkeit auf diesem<br />
Gebiete in Zukunft noch ein Geschäft zu machen, wäre nur die, sich durch<br />
Kapitalbeteiligung vorläufig einen Einfluss auf das eine oder andere dieser<br />
jap. Unternehmen zu verschaffen, (…) um die betr. Unternehmung später<br />
eventuell selbst in die Hand nehmen zu können.“ 335<br />
Angesichts dieser Situation nahm Siemens im Jahr 1907 Kontakt mit seinem<br />
langjährigen Kunden Furukawa auf, der in der Zwischenzeit die Kontrolle über<br />
333 Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H, Berliner Werk an S&H Directorium, Kabelfabrik, 21. Juli 1899,<br />
S. 1, und SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 60. Directorium-Sitzung, 18.<br />
August 1899, S. 1, sowie Takenaka, Siemens, S. 193.<br />
334 Vgl. SAA 68/Li 151: Seeberger (Siemens Japan) an Hermann Keßler, Kabelfabriken, 17.<br />
Juni 1906, S. 1 ff., und SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Exportbüro SSW Berlin,<br />
Kabelwerk, 21. Juni 1906, S. 1 ff. Interessanterweise übernahm bald Furukawa die<br />
Kontrolle über diese Unternehmen. 1906 stieg Furukawa bei der Yokohama Densen und<br />
1910 bei der Yabe Densen ein.<br />
335 Vgl. SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Exportbüro SSW Berlin, Kabelwerk, 21. Juni 1906,<br />
S. 2.<br />
Seite | 113
die Yokohama Densen übernommen hatte. Daraufhin entsandte das<br />
japanische Bergbauunternehmen ein Mitglied seines Direktoriums nach<br />
Deutschland, um im März 1907 dem Berliner Unternehmen ein Joint Venture<br />
vorzuschlagen. Da Furukawa den Bau einer Kabelfabrik, die möglichst auch<br />
Tiefseekabel produzieren sollte, beabsichtigte, erkannten die Verantwortlichen<br />
in Siemens mit seiner langjährigen Erfahrung und dem Know-how einen<br />
besonders geeigneten Kooperationspartner.<br />
Allerdings stand Siemens einem Joint Venture zunächst abweisend<br />
gegenüber und lehnte die geplante Kapitalbeteiligung kategorisch ab. Die<br />
reservierte Haltung lässt sich überwiegend auf die Rückschläge im<br />
Unternehmergeschäft um die Jahrhundertwende zurückführen. Da Siemens<br />
jedoch berechtigterweise die Gefahr sah, dass infolge einer völligen<br />
Ablehnung der Vorschläge Furukawas das japanische Unternehmen<br />
Verhandlungen mit der Konkurrenz führen könnte, signalisierte das Berliner<br />
Unternehmen letztendlich doch Bereitschaft, beim Bau des Werks zu helfen<br />
und technische Unterstützung für die Produktion zu gewährleisten. Als<br />
Gegenleistung für die technische Unterstützung solle ein Drittel des Gewinns<br />
an Siemens fließen.<br />
Zur Unterstützung der Verhandlungen wurde der Vorstandsvorsitzende der<br />
Siemens-Schuckertwerke , Alfred Berliner, nach Japan gesandt. Die im<br />
August 1907 beginnenden Einigungsgespräche, die auch mit japanischen<br />
Regierungsvertretern geführt wurden, brachten allerdings keinen Erfolg. 336<br />
Trotz der gescheiterten Verhandlungen plante der Berliner Elektrokonzern<br />
auch weiterhin den Bau einer eigenen Kabelproduktionsanlage in Japan.<br />
Neben der stetig zunehmenden japanischen Konkurrenz war für diesen<br />
Entschluss vor allem eine Änderung im japanischen Außenhandelsrecht im<br />
336 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 193 f.<br />
Seite | 114
Juli 1911 verantwortlich, durch den sich die Zölle für Siemens vor allem auf<br />
Kabel wesentlich erhöhten. 337<br />
Angesichts der gesetzlichen Änderungen schlossen europäische und<br />
amerikanische Unternehmen auf Initiative der AEG ein Submissionskartell für<br />
die Ausschreibung von Kabelprojekten. Ziel des Kartells war, die Preise für<br />
Telefonkabel zu heben und den Bedarf Japans zu kontingentieren. Dieses<br />
Vorgehen sah vor, dass gemeinsam ein Elektrounternehmen bestimmt wurde,<br />
das den Auftrag erhalten sollte. Die Unternehmung, die den Zuschlag bekam,<br />
musste die übrigen Kartellmitglieder mit einem im Preisgebot enthaltenen<br />
Aufschlag entschädigen. Der Erfolg des Kabelkartells war jedoch gering, da<br />
die japanischen Hersteller bei der Auftragsvergabe bevorzugt wurden. 338<br />
Daher konnte Siemens von den Kartellabsprachen nur wenig profitieren,<br />
sodass Keßler im Rahmen einer Auslandsreise im Jahr 1913 auf dem<br />
japanischen Markt weiterhin nach einem geeigneten Joint-Venture-Partner<br />
suchte. Beim Besuch in Osaka brachte Keßler in Erfahrung, dass das<br />
japanische Unternehmen Sumitomo den Bau eines neuen Werks plante. Nach<br />
Rücksprache mit dem Stammhaus in Berlin schlug er der<br />
Unternehmensleitung von Sumitomo vor, diese Fabrik im Rahmen eines Joint<br />
Ventures zu errichten. Sumitomo war für Siemens interessant, weil es sehr<br />
gute Beziehungen zu japanischen Behörden vorweisen konnte. Ein Indiz für<br />
die hervorragenden Kontakte war, dass Sumitomo Alleinlieferant der Marine<br />
337 Im Juli 1911 wurde ein Japanisch-Deutscher Handels- und Schifffahrtsvertrag<br />
geschlossen, der eine Umstellung von Wertzoll auf Gewichtszoll beinhaltete. Siemens<br />
bewertete die neuen Zölle als schweren Schlag. Bei Bekanntgabe des Inhalts des neuen<br />
Entwurfs für den Vertrag befürchtete Siemens, dass die Zölle für Kabel real auf 15 bis 20<br />
Prozent, für Generatoren, Transformatoren und Elektromotoren auf etwa 10 Prozent<br />
erhöht werden würden. Daher wies Siemens die deutsche Regierung darauf hin, dass<br />
dieses Zollniveau einem Importverbot gleichkäme. Als die Zölle schlussendlich in Kraft<br />
traten, sprach Siemens von einem großen Problem, das „die ausländische<br />
elektrotechnische Industrie z.Zt. empfindlich trifft.“<br />
338 Vgl. SAA 27/La 401: CVU an Ebeling, 1. Mai 1912, und SAA 27/La 401: CVU an Koettgen,<br />
25. September 1913, Vogt, Helmut, Überseebeziehung, 1979, S. 91 ff.<br />
Seite | 115
für Kupfermaterialien und Stahlrohre war, ein Sachverhalt, der vor allem für<br />
Keßler von erheblicher Bedeutung war. Von diesen Beziehungen und dem<br />
Einfluss des japanischen Unternehmens hoffte der Japanexperte auch bei<br />
anderweitigen Regierungsaufträgen zu profitieren. Daher wurde im Mai 1913<br />
ein Treffen der Siemens-Vertreter Keßler, Herrmann und Drenckhahn und des<br />
zuständigen Generaldirektors von Sumitomo Suzuki Masaya in der Nähe von<br />
Kobe anberaumt. 339 Die Verhandlungen verliefen erfolgreich. Daher entsandte<br />
das japanische Unternehmen zu Beginn des Jahres 1914 den<br />
stellvertretenden Fabrikdirektor des bestehenden Kabelwerks Akiyama<br />
Takesaburo nach Europa. In Berlin gab es erneute Verhandlungen, die mit<br />
dem vorläufigen Beschluss eines Joint Ventures endeten.<br />
Demzufolge sollte ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem Grundkapital<br />
von 2 Millionen Yen gegründet werden. Davon waren 1,25 Millionen Yen für<br />
den Bau eines Kabelwerks eingeplant. Das Betriebskapital des neuen<br />
Unternehmens sollte 750.000 Yen betragen. 60 Prozent dieses Kapitals stellte<br />
Sumitomo, während Siemens die verbleibenden 40 Prozent aufbrachte. Im<br />
Gegenzug für einen geplanten Technologietransfer von Siemens sollte das<br />
Berliner Unternehmen einen noch nicht festgelegten Anteil der Sumitomo-<br />
Aktien erhalten. Im Rahmen dieses Transfers verpflichtete sich Siemens,<br />
Lizenzen und Know-how zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren sagte<br />
Siemens zu, im Rahmen eines Ausbildungsvertrages japanische Mitarbeiter<br />
im deutschen Werk auszubilden. Die Führungsgremien der neuen Firma<br />
sollten im Verhältnis drei zu zwei zum Vorteil von Sumitomo besetzt werden.<br />
Ziel des Joint Ventures war der Aufbau einer Produktion von Kabeln für den<br />
Stark- und Schwachstrombereich. Das Geschäftsfeld der Tiefseekabel war<br />
aus Rücksicht auf Siemens Brothers ausgeklammert. Als Vertriebsgebiet<br />
versuchte das japanische Unternehmen die komplette asiatische Region<br />
sowie Sibirien und Australien durchzusetzen. Dies wurde von Siemens jedoch<br />
339 Vgl. SAA 15/La 56: Reisebericht von Keßler, 30. Juni 1913, und SAA 15/Ln 376: Referat<br />
von Keßler über das japanische Geschäft, 18. August 1913.<br />
Seite | 116
als zu weitläufig abgelehnt. Da keine Einigung erzielt werden konnte, mußte<br />
die Entscheidung in dieser Frage vertagt werden. Zusammenfassend kann<br />
gesagt werden, dass Siemens bei diesem Projekt die technische<br />
Unterstützung liefern und Sumitomo die kaufmännische Seite übernehmen<br />
sollte. 340<br />
Doch schon nach kurzer Zeit hatte die Siemens Muttergesellschaft mit einigen<br />
Punkten des zu Beginn des Jahres 1914 in Berlin beschlossenen<br />
provisorischen Joint Ventures einige Probleme. Vor allem den vereinbarten<br />
Mehrheitsanteil von Sumitomo sowie das weitreichende Absatzgebiet sah das<br />
Berliner Unternehmen kritisch. Infolgedessen sollte Alfred Berliner bei seinem<br />
Japan-Besuch im April 1914 nochmals einzelne Punkte des Vertrags mit<br />
Sumitomo nachverhandeln. Dem früheren Vorstandsvorsitzenden der SSW,<br />
der schon die Verhandlungen mit Furukawa 1907 geführt hatte, gelangen<br />
wichtige Änderungen:<br />
So setzte er eine Erhöhung der Beteiligung von Siemens am Joint Venture<br />
von 40 auf 50 Prozent durch. Bestehen blieb die Übertragung zusätzlicher 15<br />
Prozent der Sumitomo-Anteile als Gegenleistung für den Know-how-Transfer<br />
von Siemens, sodass das Berliner Unternehmen letztlich einen Anteil von 65<br />
Prozent am Joint Venture hielt. Bei zukünftigen Kapitalerhöhungen sollte die<br />
Zuteilung der jungen Aktien im Verhältnis eins zu eins erfolgen, um die<br />
bestehenden Verhältnisse nicht zu verändern.<br />
Des Weiteren setzte Berliner durch, dass der Vorstand des Joint Ventures<br />
paritätisch besetzt wurde. Das galt auch für die Mitsprache über den Betrieb<br />
des Gemeinschaftsunternehmens. Entsprechend wurde der Wunsch<br />
Sumitomos, im operativen Geschäft grundsätzlich das letzte Wort zu haben,<br />
revidiert und das Mehrheitsrecht für den Großteil der Entscheidungen<br />
340 Vgl. SAA 68/Li 151: Memorandum über Verhandlungen über eine Kabelfabrik,<br />
Januar/Februar 1914, S. 1–12, und Takenaka, Siemens, S. 196.<br />
Seite | 117
eschlossen. Bezüglich der kritischen Frage des Vertriebsgebiets, das in den<br />
Berliner Verhandlungen offengelassen worden war, wurde eine Einigung<br />
erzielt, die als Erfolg für Siemens gewertet werden konnte. Denn um Konflikte<br />
mit Siemens China zu vermeiden, wurde dieses Land regional aus dem<br />
Vertriebsgebiet ausgeklammert. Zusätzlich zu den Erfolgen bezüglich der<br />
Kapitalbeteiligung und des Absatzgebiets beabsichtigte Sumitomo, nicht nur<br />
die Produktionsanlagen für das Joint Venture, sondern zukünftig auch für den<br />
Gesamtkonzern bei Siemens zu erwerben. 341 Siemens und Sumitomo<br />
beschlossen, die neuen Vereinbarungen bis zum Mai 1914 vertragsfertig zu<br />
machen.<br />
Jedoch kündigte Sumitomo die laufenden Vereinbarungen im Mai 1914<br />
einseitig angesichts der im Zuge des Bestechungsskandals um Siemens<br />
publik werdenden Informationen. Das japanische Unternehmen erklärte, dass<br />
„Baron Sumitomo selbst aber möchte im derzeitigen Moment seinen Namen<br />
nicht mit dem Ihren verknüpfen.“ 342 Er fürchtete einen Imageschaden seines<br />
Hauses, das eng mit der japanischen Marine zusammenarbeitete. Angesichts<br />
der Tatsache, dass die Direktoren in den bisherigen Verhandlungen die<br />
Vorkommnisse als nicht so schwerwiegend erachtet hatten und das<br />
Unternehmen bereits seit mehreren Monaten nach der Aufdeckung des<br />
Skandals mit dem Berliner Elektrounternehmen verhandelte, scheint dies<br />
jedoch nur ein vorgeschobener Grund zu sein. Siemens Japan vermutete,<br />
dass es bei Sumitomo interne Widerstände gegen die Zusammenarbeit<br />
gegeben habe. So hatten die japanischen Ingenieure von Sumitomo erklärt,<br />
dass sie eigenständig den Bau und Betrieb einer rentabel arbeitenden<br />
Kabelfirma bewerkstelligen könnten. 343<br />
341 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 211 ff.<br />
342 Vgl. SAA 68/Li 151: Vertraulicher Bericht an Hermann Keßler Sumitomo Kabel Fabrik, 21.<br />
Mai 1914, S. 1.<br />
343 Vgl. SAA 68/Li 151: Vertraulicher Bericht an Hermann Keßler Sumitomo Kabel Fabrik, 21.<br />
Mai 1914, S. 1 ff., und Takenaka, Siemens, S. 213.<br />
Seite | 118
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass damit die Zusammenarbeit<br />
zwischen Siemens und Sumitomo endete und die geplante eigene Produktion<br />
in Japan vorerst gescheitert waren. Der Plan, in Japan eine eigene Fertigung<br />
aufzubauen, sollte erst nach dem Ersten Weltkrieg wieder aktuell werden.<br />
1.2.3.6 Bedeutende Aufträge bis zum Ersten Weltkrieg<br />
Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über einige ausgewählte Projekte in<br />
der Zwischenkriegszeit. Bei Betrachtung der auf den nachfolgenden Seiten<br />
dargestellten Tabellen müssen einige Aufträge hervorgehoben werden.<br />
Seite | 119
Abbildung 10: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 1<br />
Das erste von Siemens auf dem japanischen Markt eingeführte Produkt war<br />
ein Telegrafengerät, das die Preußische-Ostasien-Mission unter Leitung von<br />
<strong>Friedrich</strong> A. Graf Eulenburg als Gastgeschenk im Jahr 1861 mitführte. Für die<br />
Stromversorgung des Bergwerkes wurde für Furukawa im Jahr 1890 in Mato,<br />
etwa vier Kilometer vom Hauptschacht der Mine am Fluss Watarasegawa,<br />
das erste Wasserkraftwerk Japans fertig gestellt. Dieses versorgte das<br />
Bergwerk mit Strom, der für die Beleuchtung, die Lifte in den Bergwerksstollen<br />
und die Kupferraffination notwendig war. 344<br />
Wenige Jahre später erfolgten die Lieferung einer elektrischen Grubenbahn<br />
(1894), sowie die Errichtung eines weiteren Wasserkraftwerkes (1896) für das<br />
344 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 4.<br />
Seite | 120
Furukawa-Silberbergwerk in Innai. Vor allem die Anlagen zur Kupferraffination<br />
stießen in Japan auf großes Interesse. In Folge dessen mehrten sich die<br />
verschiedenen Anfragen nach diesen Anlagen bei Siemens. 345<br />
Im Jahr 1899 wurde für die Enoshima Denki Tetsudo KK ein Vertrag zur<br />
Lieferung einer kompletten Straßenbahn-Einrichtung beschlossen. Auch wenn<br />
dies nicht die erste elektrische Straßenbahn Japans war, so hatte sie doch<br />
eine gute Werbewirksamkeit. In den nächsten Jahren folgten zwei weitere<br />
Bahnen.<br />
Im Rahmen des Russisch-Japanischen Krieg 1905 lieferte Siemens<br />
zahlreiche Röntgen-Einrichtungen an die Lazarette in Tokio, Hiroshima und<br />
Matsuyama. Das Heer und Marine wurden mit zahlreichen Siemens-<br />
Scheinwerfern ausgestattet. Nach der großen Passagierschiffkatastrophe der<br />
„Titanic“ im April 1912 erkannte auch die japanische Marine und<br />
Handelsschifffahrt die Notwendigkeit stets einsatzbereiter funktechnischer<br />
Ausrüstung der Schiffe und Küstenstationen. Siemens nahm daher vermehrt<br />
Aufträge für die Tochterfirma Telefunken entgegen und vermittelte verstärkt<br />
drahtlose Telegrafieeinrichtung. 346<br />
345 Vgl. SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 27. Januar 1888, und SAA 68/Li 151: Momotami, Die<br />
Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan S. 1 f., und Takenaka, Siemens, S. 57 f. Dabei<br />
prüfte Keßler 1888 den Bau einer elektrischen Güterbahn zwischen Ashio und Omama<br />
(Joshuji-Strecke). Allerdings erwies sie sich als zu teuer und Keßler schlug den Einsatz<br />
einer dampfgetriebenen Bahn vor.<br />
346 Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan.<br />
Seite | 121
Abbildung 11: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 2<br />
1.2.4 Bewertung der Geschäftsergebnisse<br />
In den ersten Jahren der Geschäftstätigkeit von Siemens in Japan gelang es,<br />
kleinere Aufträge zu gewinnen, Kontakte zu knüpfen und das Unternehmen<br />
zu etablieren. Anhand der Umsatzgrafik lässt sich feststellen, dass der<br />
Geschäftsumfang von Siemens Japan in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg<br />
einen positiven Trend aufweist. Gleichzeitig lassen sich aber auch große<br />
Schwankungen erkennen.<br />
Seite | 122
Abbildung 12: Umsatz und Gewinn von Siemens in Japan 1892 bis 1914<br />
Für diese Entwicklung waren zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen<br />
resultierten die Schwankungen aus der starken Abhängigkeit des<br />
Japangeschäfts von Großaufträgen. So übten erfolgreiche Akquisitionen oder<br />
das Ausbleiben von Aufträgen aufgrund der hohen Summen, die in<br />
Investitionsgüter investiert werden, wesentlichen Einfluss auf die<br />
Gesamtbilanz des jeweiligen Geschäftsjahrs aus. Das Umsatzwachstum im<br />
Geschäftsjahr 1901/02 erklärt sich beispielsweise durch einen Großauftrag für<br />
das erste große japanische Stahlwerk, der steile Anstieg des Umsatzes im<br />
Jahre 1906 durch zwei Großaufträge für Furukawa und Soki Denki. Für den<br />
langjährigen Kunden Furukawa wurde eine Kraftanlage zur Kupferraffination<br />
mit anfänglich 2.000 PS, später 8.000 PS, errichtet, die zu diesem Zeitpunkt<br />
die größte industrielle Anlage dieser Art in Japan war. Der zweite Auftrag vom<br />
Stickstoffdüngerproduzenten Soki Denki betraf eine Wasserkraftanlage, mit<br />
Siemens-Generatoren und Wasserturbinen ausgerüstet, die am 1. Oktober<br />
1906 ihren Betrieb aufnahm.<br />
Seite | 123
Der zweite Grund für die volatile Geschäftsentwicklung in der Zeit bis zum<br />
Ersten Weltkrieg war die starke Reaktion des Geschäfts von Siemens Japan<br />
auf die konjunkturellen Schwankungen in dieser Zeit. In der wirtschaftlich<br />
angespannten Lage reagierten die Unternehmen in Japan naturgemäß<br />
deutlich zurückhaltender mit Investitionen als in Hochkonjunkturphasen. So<br />
stellt die Hochkonjunktur durch den russisch-japanischen Krieg den<br />
Wendepunkt nach dem Tief des Jahres 1907/1908 dar. Im Zusammenhang<br />
mit dem Rückgang von Aufträgen in konjunkturell schwachen Zeiten<br />
berichtete der Entsandte Wolff nach Berlin: „Wir geben uns zwar größte<br />
Mühe, an Aufträgen heranzuschaffen (…), aber der Bedarf ist an Anlagen ein<br />
geringerer, da jedermann die Hand auf der Tasche hält und zudem unsere<br />
Konkurrenz aus den gleichen Gründen ebenfalls zu nehmen, was sie kann,<br />
selbst wenn für sie kein Verdienst bleiben sollte.“ 347<br />
Von 1910/11 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wuchs der Umsatz<br />
schließlich aufgrund einer zunehmenden Elektrifizierung Japans<br />
kontinuierlich. Den höchsten Umsatz erzielte Siemens mit dem Vertrieb von<br />
Generatoren, Motoren und Transformatoren. 348<br />
Trotz des in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg insgesamt positiven<br />
Umsatztrends entwickelte sich der Gewinn deutlich unterproportional. So<br />
erwirtschaftete Siemens Japan zwar Gewinne, allerdings sehr überschaubare.<br />
Als der Marineskandal in der traditionsbewussten japanischen Gesellschaft<br />
publik wurde, brach der ohnehin geringe Gewinn vollständig ein. Die Verluste<br />
erklären sich durch die hohen Prozesskosten sowie vor allem durch die<br />
Stornierung zahlreicher staatlicher Aufträge.<br />
Deshalb lässt sich die Geschichte von Siemens in Japan bis zum Ersten<br />
Weltkrieg nur eingeschränkt als Erfolg bezeichnen.<br />
347 Vgl. SAA 68/Li 151: Auszug aus einem Privatschreiben von Herr Wolff an Hermann<br />
Keßler, 8. September 1908, S. 1.<br />
348 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 108.<br />
Seite | 124
1.3 Das Japangeschäft in der Zwischenkriegszeit<br />
Die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit von Siemens in Japan bestand<br />
zunächst im Vertrieb im Stammhaus hergestellter Produkte. Zwischen 1919<br />
und Jahr 1923 bot die SSDKK wie schon vor dem Krieg sämtliche Produkte<br />
des Hauses Siemens an. 349 Das erste Büro der SSDKK unter der Leitung von<br />
Mohr konnte 1920 in Osaka eröffnet werden. 350 Da nach dem Krieg allerdings<br />
keine Vorräte vorhanden waren, konnte zunächst kein Lagergeschäft<br />
betrieben werden. Alle Waren mussten direkt in Deutschland bestellt werden.<br />
Aufgrund der nach dem Krieg in Deutschland herrschenden Unruhen und der<br />
damit einhergehenden unsicheren Versorgungslage mit Rohstoffen betrugen<br />
die Lieferzeiten selbst für Standardmotoren teilweise 9 Monate, für<br />
Nichtstandardprodukte über 12 Monate. Die Lieferfristen waren damit<br />
ungefähr doppelt so hoch wie vor dem Ersten Weltkrieg. Zusätzlich traten bei<br />
349 Vgl. SAA 10108: Geschäftsbericht der SSDKK für die Geschäftsjahre 1920/21 bis 1922/23.<br />
Im Jahr 1921 wurde infolge der Gründung der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union eine<br />
Stahl- und Elektrochemieabteilung eingerichtet, die bis zu ihrer Auflösung 1927 gute<br />
Umsätze erzielte. Einzige Ausnahme bildete der Telefunken-Vertrieb. Hier strebte<br />
Siemens ein gemeinsames Vorgehen mit der AEG an und verhandelte seit Februar 1922<br />
mit der Okura & Co., einer japanischen Tochterfirma der AEG. In Japan sollte bei der<br />
Nippon Musen Denschin K. K. eine Scheinfabrik – lediglich zur Montage vorgefertigter<br />
Komponenten – errichtet werden, um rigide japanische Bestimmungen zu umgehen und<br />
durch ein einheimisches Produkt einen Vorteil vor der amerikanischen Konkurrenz zu<br />
haben. Der Telefunken-Vertrieb wurde 1923 auf die Nippon Musen Denshin Denwa K. K.<br />
übertragen. Vgl. SAA 9482: Aktennotiz über eine Besprechung mit der Telefunken vom 28.<br />
Februar 1922.<br />
350 Vgl. SAA 10108: Geschäftsbericht der SSDKK für die Geschäftsjahre 1920/21 bis 1922/23,<br />
S. 1, und SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979, S. 9, sowie SAA 17/Lc 320:<br />
Geschäftsbericht der SSDKK 1920/21, S. 2. Das Gebäude des Hauptbüros der SSDKK in<br />
Tokio wurde nach dem Ersten Weltkrieg enteignet, nur die Hälfte des Kaufpreises wurde<br />
der SSDKK ausbezahlt. Vgl. SAA 68/Ls 913: Chronology of SSDKK, S. 20. Als weitere<br />
Vorstände waren Keßler, Fessel und Reyss eingetragen, die von Berlin aus arbeiteten.<br />
Seite | 125
gelieferten Waren Qualitätsprobleme auf. 351 Immer mehr Kunden wanderten<br />
deshalb zur Konkurrenz ab. 352 Die SSDKK versuchte zwar, mit deutlichen<br />
Preissenkungen dennoch zu Aufträgen zu kommen, hatte damit zunächst<br />
aber nur wenig Erfolg. 353 Erst nachdem sich die Lage in Deutschland und<br />
damit die Lieferfristen wieder normalisierten, konnte wieder ein Anstieg der<br />
Aufträge verbucht werden. Infolgedessen konnte 1922 ein zweites Büro in<br />
Tokio eröffnet werden. 354<br />
Mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Fusi Denki K. K. 355<br />
zusammen mit Furukawa im Jahr 1923 wurde die Bedeutung der SSDKK<br />
wesentlich reduziert, da nach der Ausgliederung der Fabrikation an die Fusi<br />
und des Vertriebs elektrischer Maschinen und Apparate 356 bei der SSDKK nur<br />
351 Gelieferte Maschinen fielen aus, führten bei den Kunden zu Produktionsunterbrechungen<br />
und Verlusten. Die SSDKK befürchtete, dies könne sich herumsprechen und weitere<br />
Geschäfte verhindern. Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1921/22, S. 10.<br />
352 Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1921/22.<br />
353 Vgl. SAA 1179: Bilanzen der SSDKK. Geschäftsbericht für die Geschäftsjahre 1920/21 bis<br />
1922/23, S 1. Es wurden hauptsächlich Motoren, Zähler und Spezialantriebe für die<br />
Textilindustrie verkauft sowie bestehende Wasserkraftwerke ausgebaut. Das Geschäft mit<br />
der Bergbau- und Schiffsindustrie ruhte wegen der japanischen Wirtschaftskrise ganz.<br />
354 Die Adresse lautete Tokio Nr. 1, Yaesucho, 1 Chome, Kojimachi-Ku. Vgl. SAA 68/Ls 913:<br />
Chronology of SSDKK, S. 21. Im gleichen Gebäude war auch das Büro der Furukawa<br />
Denki. Vgl. SAA 17/La 812: 1. Geschäftsbericht der Fusi, S. 1. Auch das Büro in Osaka<br />
zog um. Das Büro zog von Dojima Hamadori, 1-chome No. 65, I, Osaka Kitaku, nach<br />
Furukawa Buliding, Nojima Hamadori, 2-chome, No. 4, Osaka Kitaku. Vgl. SAA 68/Ls 913:<br />
Chronology of SSDKK, S. 20. Gründe für den Umzug der Büros in Tokio und Osaka<br />
werden in den Quellen nicht angegeben. Das Tokioter-Büro befand sich nun an der<br />
gleichen Adresse wie die Furukawa Denki, das Osaka-Büro im Furukawa-Building.<br />
Möglicherweise waren der SSDKK von der Furukawa günstigere Mieten in Aussicht<br />
gestellt worden.<br />
355 Im Jahr 1923 gründete Siemens zusammen mit Furukawa das<br />
Gemeinschaftsunternehmen Fusi Denki K. K. Vgl. Hierzu Kapitel 1.3.1.1.<br />
356 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 1. Produziert werden sollten im Einzelnen elektrische<br />
Maschinen, Motoren, Transformatoren, Schaltapparate, Installationsmaterialien, Zähler,<br />
Seite | 126
noch der Vertrieb von Telefonen, 357 elektrochemischen Anlagen und von<br />
Fremdfabrikaten betrieben wurde. 358 Ferner betreute die SSDKK als wichtige<br />
Messinstrumente, Scheinwerfer, Telefonapparate, Blocksignalapparate, medizinische<br />
Apparate und Wassermesser<br />
357 Im Laufe der Zeit wurde jedoch auf Weisung des Berliner Stammhauses das<br />
Telefongeschäft schrittweise zur Unterstützung der finanziell angeschlagenen Fusi an<br />
diese übertragen. So wurde im Juni 1925 der Vertrieb von Telefonanlagen an die Fusi<br />
übergeben. Es folgten Pupinspulenkästen und Telefonanlagen. Pupinspulen – benannt<br />
nach ihrem Erfinder Michael Pupin – wurden in Abständen von einigen Kilometern<br />
zwischen Fernsprechkabeln eingezogen. Sie ermöglichten die Verständigung über weite<br />
Distanzen mittels Fernsprechern ohne, wie vor deren Erfindung nötig, dafür den<br />
Kabelquerschnitt stark erhöhen zu müssen. Die Quellen widersprechen sich bezüglich des<br />
Zeitpunkts der Aufnahme der Produktion von Pupinspulenkästen der Fusi. Mohr von der<br />
SSDKK schreibt dazu 1928: „Leider wird dieses Gebiet im Laufe eines Jahres für die<br />
SSDKK wieder bedeutungslos werden, da die Bestellungen bis dahin [gemeint ist 1929]<br />
nicht mehr in Berlin, sondern bei der Fusi erfolgen werden, die auch die Fabrikation von<br />
Pupinspulenkästen in kurzer Zeit aufnimmt und in einem Jahr als Lieferant voraussichtlich<br />
zugelassen wird.“ Vgl. SAA 17/Lc 320: Jahresbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr<br />
1927/28, S. 1 f. Die Fusi vermeldet im 14. Geschäftsbericht (vom 1. November 1929 bis 1.<br />
April 1930): „We started the manufactoring of a profitable article, which shall appear in the<br />
market in the near future.” Vgl. SAA 17/La 812: 14. Geschäftsbericht der Fusi. Die<br />
Siemens Festschrift nennt als Jahr des Beginns der Pupinspulenfertigung 1932. Vgl. SAA<br />
68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 32. Tatsächlich wurde 1929<br />
zunächst lediglich mit von S&H aus Deutschland importieren Pupinspulen eine Fabrikation<br />
von Pupinspulenkästen begonnen, um Staatsaufträge des Postministeriums zu erhalten.<br />
Die eigenständige Produktion von Pupinspulen bei der Fusi begann erst 1933. Vgl. SAA<br />
7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von 1929 bis<br />
1938,<br />
S. 1, und S. 1013. Bei den Telefonanlagen wurden zunächst Fernsprechtischstationen und<br />
Amtsleitungsverstärker für Privatzentralanlagen gefertigt. Vgl. SAA 10108: Tsuru,<br />
Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September 1939, S. 2. Mit der<br />
Western Electric hatte Siemens spätestens ab 1925 ein Übereinkommen für den<br />
japanischen Markt getroffen. Vgl. SAA 10793-1: Gutachten zum Western Vertrag von<br />
1926, S. 11. Das Gutachten stellte bezüglich eines Vertragspunktes, der für Österreich,<br />
Ungarn, Japan, China und Russland die Nichteinbeziehung in den Vertrag vorsieht, fest:<br />
„In der Durchführung sind nur China und Russland außerhalb des Vertrages geblieben.“<br />
Das heißt, Japan wurde in den Vertrag einbezogen. Ferner wurde das Osram-<br />
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Aufgabe die Regelung der Patentangelegenheiten des Siemens-Konzerns<br />
und der Fusi. 359<br />
Abbildung 13: Niederlassungen der SSDKK 1938<br />
Die Fusi übernahm nach ihrer Gründung die Niederlassungen von Siemens in<br />
Tokio 360 und Osaka 361 einschließlich Personal und Lagerbestand von der<br />
Lampengeschäft 1925 an die Fusi abgegeben. Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag mit<br />
Ergänzungen geschrieben 1940, S. 2.<br />
358 Die SSDKK betrieb neben ihren Vertriebsaufgaben für alle Erzeugnisse des Stammhauses<br />
einen regen Importhandel mit verschiedensten deutschen Fabrikaten. Neben dem Import<br />
aller Arten von Stahlträgern und Stahlprodukten durch die 1921 gegründete Stahlabteilung<br />
umfasste der Import von Fremdfabrikaten z. B. Verbrennungsmotoren, Drehbänke und<br />
Fräsmaschinen, Taxameter für die Tokioter Taxis, Armaturen zur Wasserabsperrung,<br />
Geldschränke und Schweißapparate. Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK<br />
1923/24, S. 9 f.<br />
359 Vgl. SAA 9376: Rundschreiben der CVU betr. Japan vom 3. November 1923, S. 3, und<br />
SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1923/24, S. 17.<br />
Seite | 128
SSDKK. Der SSDKK blieb nur in Tokio ein kleines Büro, das 1925 um ein<br />
Unterbüro in Osaka 362 ergänzt wurde. 363 Im Jahr 1937 gründete die SSDKK<br />
noch ein kleines Büro in Dairen. 364 Zusätzlich wurde mit der Fusi vereinbart,<br />
dass mandschukische Fusi-Vertretungen gegen Vergütung der Spesen<br />
Anfragen an das SSDKK-Büro in Dairen weiterleiteten. 365<br />
360 Die genaue Adresse des Tokio-Büros lautete Nr. 1, Yaesucho, 1-Chome, Kojimachi-Ku.<br />
361 Die genaue Adresse des Osaka-Büros lautete Kita-Ku, Dojima Hamadori 2-Chome 49.<br />
Vgl. SAA 9482: Internes Rundschreiben der CVU vom 1. März 1925, S. 2. Im Mai 1926<br />
zog das Osaka-Verkaufsbüro um. Im Erdgeschoss des neuen Büros in Osaka wurde ein<br />
Ausstellungsraum für die Produkte eingerichtet Neue Adresse Ossaka: No. 33, 1-Chome,<br />
Horikami-dori, Kyomachi-bori, Nishi-ku. Vgl. SAA 17/La 812: 6. Geschäftsbericht der Fusi,<br />
S. 3.<br />
362 Das genaue Eröffnungsdatum ist nicht genannt. Es wird lediglich im Geschäftsbericht von<br />
1923/24 Ende Oktober 1924 erwähnt, die SSDKK plane die Eröffnung eines Büros in<br />
Osaka. Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1923/24,<br />
S. 18.<br />
363 Von 68 Mitarbeitern in Tokio wurden 45 von der Fusi übernommen, 13 verblieben bei der<br />
SSDKK. Vgl. SAA 68/Ls 913: Chronology of SSDKK, S. 22 f.<br />
364 Der Stützpunkt war ähnlich wie das Büro in Osaka sehr klein und beschäftigte lediglich<br />
einen japanischer Ingenieur und dessen Assistenten, einen Monteur, ein Telefonmädchen<br />
und einen chinesischen Botenjungen. Vgl. SAA 10848-3: Monatliche Unkosten Dairen,<br />
Anlage zum Schreiben der SSDKK an CVU vom 20. Februar 1937.<br />
365 Die SSDKK eröffnete selbst ein Büro, da „unsere Produkte den Angestellten der<br />
Furukawa-Gesellschaft wenig liegen und häufiger Personalwechsel […] sich ungünstig auf<br />
unser Geschäft ausgewirkt“ hatte. „In Dairen lag der Fall so, dass die Vertretung nicht<br />
richtig ausgeübt wurde und wir beispielsweise im Klangfilmgeschäft ins Hintertreffen<br />
geraten sind.“ Vgl. SAA 10848-3: Schreiben der SSDKK an CVU vom 20. Februar 1937.<br />
Die Aktien und das Vermögen der SSDKK wurden nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
unter alliierte Kontrolle gestellt. Vgl. SAA 8088: Aktennotiz über die Tätigkeit des Hauses<br />
Siemens in Japan vom Mai 1966.<br />
Seite | 129
1.3.1 Die Entwicklung der Fusi Denki K. K. bis zum Beginn des<br />
Zweiten Weltkriegs<br />
1.3.1.1 Die Gründung des Joint Venture und Probleme in den<br />
Anfangsjahren<br />
Nach Ende des Ersten Weltkriegs begann Siemens erneut, den japanischen<br />
Markt nach potentiellen Partnern zu sondieren. Hierfür waren drei Gründe<br />
maßgeblich: Erstens produzierte die japanische Elektroindustrie zusehends<br />
wettbewerbsfähigere Anlagen, zweitens vergab der japanische Staat Aufträge<br />
bevorzugt an die eigene Industrie und drittens war die japanischen Marine<br />
stark am Siemens-Know-how interessiert. Das deutsche Unternehmen<br />
verfügte über eine Reihe technologisch wichtiger Patente für die Ausrüstung<br />
von Kriegsschiffen und Unterseebooten. Vor dem Krieg war damit die<br />
deutsche Kriegsmarine ausgerüstet worden. Nach den Bestimmungen des<br />
Versailler Vertrags durften diese Geräte aber in Deutschland nicht mehr<br />
produziert werden, weshalb der japanische Markt als mögliche<br />
Produktionsstätte in den Fokus rückte. 366 Die japanische Marine, ihrerseits<br />
interessiert am neuesten Stand der Wehrtechnik, war der ideale Abnehmer für<br />
das Marinegeschäft, sodass Siemens auf diesem Gebiet eine Fertigung in<br />
Japan plante. 367<br />
Die ausländische Konkurrenz hatte diese Aspekte ebenfalls längst erkannt.<br />
GE, Western Electric und Westinghouse waren bereits mit japanischen<br />
Partnern Joint Ventures zur Produktion eingegangen oder befanden sich in<br />
fortgeschrittenen Verhandlungen. Vor diesem Hintergrund war Keßler von der<br />
Notwendigkeit einer eigenen Fabrik in Japan überzeugt und kommunizierte<br />
dies auch in mehreren Strategiesitzungen an die Verantwortlichen bei<br />
366 Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 52.<br />
367 Vgl. SAA 21/Lc 374: Strategiepapier zur Produktion in Japan, o. D., S. 1. So plante die<br />
japanische Regierung für das Jahr 1920 den Kauf von 80 Kriegsschiffen. Vgl. Kudo,<br />
Japanese, S.169.<br />
Seite | 130
Siemens in Berlin. 368 Als geeignete Partner betrachtete das Unternehmen den<br />
Furukawa-Konzern oder Mitsubishi und nahmen bald umfangreiche<br />
Verhandlungen auf.<br />
Furukawa war der präferierte Partner, weil Siemens bereits seit über drei<br />
Jahrzehnten geschäftliche Kontakte mit dem japanischen Unternehmen<br />
pflegte und viele positive Erfahrungen gemacht hatte. Das japanische<br />
Zaibatsu war darüber hinaus aufgrund seines politischen Einflusses und des<br />
großen Firmenimperiums, zu dem auch eine Bank sowie eine<br />
Handelsgesellschaft mit eigenen Schiffen gehörten, als Kooperationspartner<br />
sehr interessant. 369 Alle Elektroaktivitäten hatte das Zaibatsu in der<br />
Tochtergesellschaft Furukawa Denki Kogyo Kaisha gebündelt. Diese verfügte<br />
über ein Grundkapital von 20 Millionen Yen und umfasste eine elektrische<br />
Kupferraffinerie in Nikko, ein Kupferwalzwerk in Honjo, nördlich von Tokio,<br />
und ein Kabelwerk in Yokohama. Ferner war der Bau einer Telefonfabrik mit<br />
einem Investitionskapital von 1 Million Yen geplant. 370 Keßler prüfte daher<br />
Anfang Oktober 1919 bei Inagaki – dem europäischen Repräsentanten<br />
Furukawas – die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit. 371 Nach<br />
Rücksprache mit der japanischen Firmenleitung ließ Inagaki Keßler wissen,<br />
dass Furukawa generell an einer Kooperation mit Siemens in allen<br />
Geschäftsbereichen interessiert sei. 372 Auch der geschäftsführende Direktor<br />
368 Vgl. SAA 54/La 496: Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., und Anlage<br />
zu SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 2.<br />
369 Vgl. SAA 54/La 496: Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., und Anlage<br />
zu SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 5.<br />
370 Vgl. SAA 54/La 496: Telegramm SSDKK an CVU vom 16. April, und SAA 54/La 496:<br />
Schreiben der SSDKK an CVU vom 29. April 1920.<br />
371 Vgl. SAA 54/La 496: Telegramm von Inagaki an Keßler vom 3. Oktober 1919. Das<br />
Telegramm bestätigt eine Besprechung Keßlers und Inagakis vom gleichen Tage. Es ist<br />
also wahrscheinlich, dass die Kontaktaufnahme bereits im September 1919 oder noch<br />
früher erfolgte. Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 53, und SAA 54/La 496:<br />
Telegramm von Inagaki an Keßler vom 3. Oktober 1919, sowie SAA 54/La 496: Schreiben<br />
des Vereins deutscher Maschinenbau-Anstalten an Siemens vom 25. Oktober 1919.<br />
372 Vgl. SAA 54/La 496: Brief von Inagaki an Keßler vom 20. November 1919.<br />
Seite | 131
Yamaguchi bestätigte bei einem Besuch der SSDKK sein Interesse an einer<br />
Zusammenarbeit. 373<br />
Parallel zu den Verhandlungen mit Furukawa prüfte Siemens auch die<br />
Möglichkeit einer Kooperation mit dem einflussreichen japanischen Konzern<br />
Mitsubishi. 374 Die Tochtergesellschaft Mitsubishi Dock Yards, die eng mit der<br />
japanischen Marine zusammenarbeitete, besaß bisher nur kleinere<br />
Werkstätten für elektrische Apparate. Angesichts der wachsenden Nachfrage<br />
der Marine plante die Mitsubishi Dock Yards die Gründung einer eigenen<br />
Fabrikgesellschaft für Kriegsschiffausrüstung und elektrische Maschinen.<br />
Ausgestattet mit einem Grundkapital von 10 Millionen Yen sollten hier circa<br />
5.000 Arbeiter beschäftigt werden. Wegen des hohen Investitionsvolumens<br />
suchte das Unternehmen dafür einen westlichen Partner. Gegen eine<br />
Kooperation von Siemens und Mitsubishi sprach allerdings, dass Mitsubishi<br />
über enge Verbindungen zu amerikanischen und englischen Firmen verfügte<br />
und sich bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Western Electric und<br />
Westinghouse befand. Daher signalisierte Mitsubishi kein Interesse an einer<br />
Kooperation mit Siemens, sodass die SSDKK am 9. Januar 1920 entschied,<br />
keine weiteren Verhandlungen mit Mitsubishi zu führen. 375<br />
Aus diesem Grund konzentrierte Siemens sich im weiteren Verlauf wieder auf<br />
eine Kooperation mit Furukawa. In einem Schreiben an Keßler erklärte<br />
Inagaki am 6. Februar 1920 die Zustimmung des Furukawa-Direktoriums zu<br />
einer gemeinsamen Unternehmung und die Entsendung von Hideo Kajiyama<br />
nebst Beraterstab zu weiteren Verhandlungen nach Deutschland. 376 Im März<br />
373 Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben SSDKK an CVU vom 5. Dezember 1919.<br />
374 Vgl. SAA 54/La 496: Keßler, Aktennotiz zur Frage der Errichtung einer Fabrik in Japan<br />
vom 8. Dezember 1919, S. 6 f.<br />
375 Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben von SSDKK an CVU vom 9. Januar 1920, und SAA 54/La<br />
496: Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., sowie Anlage zu SAA 54/La<br />
496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 5.<br />
376 Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 6. Februar 1920, und SAA<br />
54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 8. März 1920.<br />
Seite | 132
legte Furukawa ein erstes Verhandlungsangebot für eine Zusammenarbeit<br />
vor, in dem Siemens für die Einbringung seiner Patente und Know-how 30 bis<br />
40 Prozent der Aktien an der neu zu gründenden Gesellschaft erhalten sollte.<br />
Trotz der ungleichen Beteiligung am Grundkapital war eine paritätische<br />
Besetzung der Geschäftsleitung vorgesehen. 377 Um die Verhandlungen nicht<br />
vor ihrem eigentlichen Beginn scheitern zu lassen, akzeptierte Siemens per<br />
Telegramm vom 31. März 1920 die Minderheitsbeteiligung. 378 Der Berliner<br />
Elektrokonzern forderte jedoch seinerseits einen 40 prozentigen Anteil an<br />
einer neuen Gesellschaft, die mit einem Grundkapital von 15 Millionen Yen<br />
ausgestattet sein sollte. 379<br />
Zur weiteren Konkretisierung der Verträge sollte der Furukawa Unterhändler<br />
Hideo Kajiyama, der in Nikko für die Furukawa-Minengesellschaft tätig war, zu<br />
Verhandlungen nach Berlin reisen. 380 Zur Vorbereitung der Gespräche mit<br />
Kajiyama wurden in Berlin im April und Mai 1920 verschiedene<br />
377 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz No. 4 (Furukawa) der SSDKK, o. D., S. 1, und SAA 54/La<br />
496: Telegramm der SSDKK vom 20. März 1920, sowie Watanabe, History, S. 47–74, hier<br />
S. 55. Diese Entscheidung wurde der SSDKK bei einer Besprechung am 18. März<br />
mitgeteilt. Teilnehmer waren für Furukawa: Kajiyama, Takahashi und Kumasaki, für die<br />
SSDKK Mohr, Wallich und Ogawa. Als Grund für diese harte Verhandlungsposition<br />
Furukawas nannte Watanabe drei mögliche Ursachen: Entweder habe Furukawa für die<br />
Bereitstellung des gesamten Kapitals nicht auf die Mehrheit verzichten wollen oder<br />
Furukawa wusste von den weiteren Konkurrenten, die einem Zusammengehen von<br />
Siemens und Mitsubishi im Wege standen, oder Furukawa wollte bewusst die<br />
Verhandlungen beenden.<br />
378 Dies geht aus einem Schreiben der SSDKK hervor. Die SSDKK warnte in diesem<br />
Schreiben auch, dass ein Beharren auf hälftiger Beteiligung die Entsendung der<br />
Delegation verhindern könnte. Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 23<br />
März 1920.<br />
379 Vgl. SAA 54/La 496: Telegramm an SSDKK vom 31. März 1920.<br />
380 Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, S. 50 ff. Die Unternehmung Siemens war Hideo<br />
Kajiyama vertraut, da er während seines Studiums in Deutschland auch für das<br />
Nürnberger Werk der SSW gearbeitet hatte.<br />
Seite | 133
Ausgestaltungsmöglichkeiten des geplanten Joint Venture diskutiert. 381<br />
Nachdem anfänglich S&H und SSW unabhängig voneinander mit<br />
unterschiedlichen Partnern in den japanischen Markt hatten eintreten wollen,<br />
einigten sich die beiden Stammhäuser letztlich auf ein gemeinsames<br />
Vorgehen. 382 Ferner wurde Mitte Mai über den Anteil der Kriegstechnik am<br />
geplanten japanischen Fabrikunternehmen beraten, da Siemens mit Offizieren<br />
der japanischen Marine und der Armee, die vor allem an<br />
Kriegsschiffkonstruktionen großes Interesse zeigten, in Verhandlungen<br />
stand. 383<br />
Ende Mai 1920 traf Kajiyama in Berlin ein und besichtigte zunächst<br />
ausführlich die Siemens-Werke. Bei einer ersten Besprechung am 4. Juni<br />
1920 schlug er vor, für die Konzeption der neuen Fabrik in Japan von den<br />
Berliner Siemens-Werken auszugehen und alles im Verhältnis 1:10<br />
381 Vgl. SAA 54/La 496: Ergebnis der Rücksprache über Japan, 6. April 1920, S. 1 ff., SAA<br />
54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, und SAA 54/La 496:<br />
Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., sowie Anlage zu SAA 54/La 496:<br />
Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920.<br />
382 Dieser Beschluss ist nicht explizit im Protokoll der Besprechung vom 6. Mai aufgeführt. Er<br />
findet sich stattdessen im Protokoll einer weiteren Besprechung vom 10. Mai 1920: „Herr<br />
Keßler berichtet von einer vor kurzem stattgefundenen Besprechung, an der Grabe<br />
teilgenommen habe [Es handelt sich dabei um die Besprechung am 6. Mai 1920] und auf<br />
welcher beschlossen wurde, mit Furukawa zusammenzugehen.“ Vgl. SAA 54/La 496:<br />
Ergebnis der Besprechung über Japan am 10. Mai 1920, Protokoll vom 14. Mai 1920.<br />
383 Vgl. SAA 54/La 496: Besprechung betr. Fabrikation in Japan am 22. Mai 1920. Protokoll<br />
vom 26. Mai 1920, S. 1. Es nahmen teil: Direktor Fessel, Direktor Koettgen, Prof. Krell,<br />
Hüls und Keßler. Hier berichtete Prof. Krell von den Verhandlungen mit Offizieren der<br />
japanischen Marine und Armee. Für sie sei es eine außerordentlich günstige Möglichkeit,<br />
das Kriegsschiffmaterial, die Konstruktionen und Konstrukteure in Japan weiter zu<br />
verwenden. Die Beteiligten waren sich einig, dass der Zusammenhang zwischen der<br />
Produktion von Kriegs- und Friedensmaterial eine nie dagewesene günstige Gelegenheit<br />
für Siemens darstelle. Je rascher die neue Fabrik in den Dienst der japanischen Marine<br />
gestellt werden könne, desto sicherer sei der Erfolg.<br />
Seite | 134
nachzubilden. Daher bat er Siemens um die Ausarbeitung etwaiger<br />
Gegenvorschläge für den Bau der Fabrik. 384<br />
In einer Direktoriumssitzung am 6. Juli wurden erste Rahmendaten für das<br />
neue Werk beschlossen. Siemens plante auf einem 500.000 m 2 großen<br />
Grundstück zunächst ein Werk von 33.500 m 2 für 1.500 Arbeiter zu errichten.<br />
Es sollten kleine Drehstrommaschinen und Transformatoren, Schaltanlagen<br />
und Schalter, Bahnmotoren und Bahnausrüstung, Zähler, Wassermesser,<br />
Telefone, Eisenbahnsignalanlagen und Marineausrüstung 385 hergestellt<br />
werden. 386<br />
Für den weiteren Fortgang der Verhandlungen musste eine Delegation nach<br />
Japan entsandt werden, da Kajiyama lediglich beauftragt war, die Vorschläge<br />
Furukawas an Siemens zu unterbreiten, nicht aber, Entscheidungen zu treffen<br />
oder gar Verträge zu schließen. 387 Für die Verhandlungen wollte Siemens im<br />
Herbst 1920 eine hochrangige Delegation bestehend aus Hermann Keßler,<br />
Hugo Natalis, dem inzwischen pensionierten kaufmännischen Leiter der<br />
384 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 4. Juni 1920, Protokoll vom<br />
5. Juni 1920, und SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 9. Juni 1920,<br />
Protokoll vom 22. Juni 1920. In verschiedenen Besprechungen steckte Siemens den<br />
geplanten Umfang der Fabrikation ab und erstellte erste Entwürfe für eine Fabrik. Hierzu<br />
wurden Vorschläge und Konzepte aller großen deutschen Werke des Siemens-Konzerns<br />
eingeholt. In einer weiteren Sitzung am 9. Juni wurde beschlossen, das Werk in erster<br />
Linie auf Friedensproduktion und nicht auf Kriegsgerät auszurichten. Weiterhin erklärte<br />
Prof. Krell, man habe das stillschweigende Einvernehmen des deutschen<br />
Reichsmarineamtes mit der japanischen Marine zur Adaption der Siemens-Technik.<br />
385 Umfangreiche parallel laufende Verhandlungen über Kriegsschiffausrüstungen zwischen<br />
SSW, S&H, Furukawa, Mitsubishi und dem japanischen Marineministerium verliefen<br />
erfolglos. Vgl. SAA 21/ Lc 374: Vertragsentwurf vom 1. Juli 1920.<br />
386 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz zur Direktoriumssitzung vom 6. Juli 1920. In einer weiteren<br />
Besprechung am 9. Juli 1920 wurden die Kosten der Fabrik auf 10,5 Millionen Yen ohne<br />
Betriebskapital geschätzt.<br />
387 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Gründung einer Fabrik in Japan mit Furukawa vom<br />
26. Juli 1920, S. 4.<br />
Seite | 135
Siemens-Schuckert-Werke, sowie Kieffer, der vor dem Krieg das Werk in<br />
Stafford aufgebaut hatte und nun das Nürnberger Werk leitete, entsenden. 388<br />
Die Verhandlungen über ein gemeinsames Unternehmen erfuhren allerdings<br />
Anfang August 1920 einen empfindlichen Rückschlag. 389 Die Furukawa<br />
Holding hatte durch die Fehlspekulation einer Tochtergesellschaft mit<br />
Sojabohnen einen Verlust in Höhe von 58 Millionen Yen erlitten. Die<br />
finanzielle Lage des Zaibatsu war äußerst angespannt. Verschlimmert wurde<br />
diese Situation noch durch die gerade einsetzende japanische<br />
Nachkriegsrezession. 390 Infolge der Krise wurde eine neue, deutlich<br />
konservativere Unternehmensführung bei Furukawa eingesetzt. Die<br />
altgedienten ehemaligen Direktoren, die nun die Führung innehatten,<br />
verfolgten einen rigiden Sparkurs und lehnten die Großinvestition in eine neue<br />
Starkstromfabrik zusammen mit Siemens ab. Ein Versuch des SSDKK<br />
Mitarbeiters Mohr, gemeinsam mit Furukawa-Direktor Yamaguchi die neue<br />
Direktion von einer Kooperation mit Siemens zu überzeugen, blieb<br />
erfolglos. 391<br />
Furukawa war entgegen den ursprünglichen Plänen eines großen Werks nur<br />
noch bereit, eine kleine Gesellschaft mit einem Grundkapital von einer Million<br />
Yen zur Produktion von Telefonen zu errichten und diese gegebenenfalls in<br />
späteren Jahren auszubauen. 392 Für Siemens war diese Lösung völlig<br />
ungeeignet, da der Berliner Elektrokonzern sich zur selben Zeit in<br />
Verhandlungen mit der Western Electric für ein weltweites Abkommen über<br />
den Telefonmarkt befand und für Japan wahrscheinlich nur eine sehr geringe<br />
388 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Gründung einer Fabrik in Japan mit Furukawa vom<br />
26. Juli 1920, S. 5.<br />
389 Ein Schreiben der CVU an die SSDKK erwähnt dieses Telegramm. Vgl. SAA 21/Lc 374:<br />
Schreiben CVU an SSDKK vom 7. August 1920.<br />
390 Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 65.<br />
391 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben von SSDKK (Mohr) an CVU (Keßler) vom 18. August 1920,<br />
S. 3 f., und SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 31. Juli 1920.<br />
392 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben CVU an SSDKK vom 7. August 1920.<br />
Seite | 136
Quote erhalten würde. Zudem war in Japan vorwiegend das technische<br />
System der Western Electric eingeführt worden, so dass für eine Produktion<br />
von Telefonen dieses Systems hohe Lizenzgebühren angefallen wären. Die<br />
Furukawa-Delegierten Kajiyama und Inagaki traten daher ohne Zusagen oder<br />
den Abschluss von Verträgen die Heimreise nach Japan an.<br />
Infolgedessen kontaktierte die SSDKK erneut Mitsubishi. Doch auch dieser<br />
Versuch blieb zunächst erfolglos, weil sich Mitsubishi in Verhandlungen mit<br />
Westinghouse befand. 393 Um jedoch nicht tatenlos abwarten zu müssen,<br />
versuchte man, weitere Informationen über den Stand der Verhandlungen zu<br />
bekommen. Aus diesem Grund wandten sich leitende Siemens-Angestellte<br />
am 26. August 1920 in Berlin an den japanischen Marineattaché<br />
Yamamoto. 394 Laut seiner Aussage waren die Verhandlungen von<br />
Westinghouse und Mitsubishi unterbrochen worden und ein Abkommen der<br />
beiden Firmen zweifelhaft. Da der Marineattaché sehr an der deutschen<br />
Marinetechnik interessiert war, erklärte er sich bereit, Noma, den Vertreter<br />
Mitsubishis in Deutschland, aufzusuchen, um ihm eine<br />
Interessengemeinschaft Furukawa-Mitsubishi mit Siemens nahezulegen.<br />
Sollte Mitsubishi eine solche Interessengemeinschaft mit Furukawa als<br />
Partner nicht wünschen, solle Mitsubishi allein mit Siemens<br />
zusammenzuarbeiten. Er werde Noma auffordern, diese Fragen schnellstens<br />
telegrafisch zu klären, sodass die Abreise der Siemens-Delegation zunächst<br />
verschoben wurde. 395<br />
393 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 3. September 1920, S. 2, und<br />
SAA 21/Lc 374: Schreiben von SSDKK (Mohr) an CVU (Keßler) vom 18. August 1920, S.<br />
2, sowie SAA 21/Lc 374: Telegramm an SSDKK vom 20. August 1920.<br />
394 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz über die Besprechung mit dem japanischen Marineattaché<br />
vom 26. August 1920, Protokoll vom 28. August 1920. Die Verhandlungen mit dem<br />
Marineattaché führten Reyss und Prof. Krell.<br />
395 Laut dem Protokoll sagte Yamamoto eine Antwort binnen einer Woche zu. Diese Antwort<br />
ist leider nicht im Aktenbestand erhalten. Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz über die<br />
Besprechung mit dem japanischen Marineattaché vom 26. August 1920, Protokoll vom 28.<br />
Seite | 137
Am 2. Oktober 1920 wurde auf einer Konferenz leitender Direktoren<br />
beschlossen, die Verhandlungen nach Japan zu verlagern. 396 Siemens hoffte<br />
darauf, Furukawa doch noch für ein gemeinsames Unternehmen zu<br />
interessieren sowie die japanische Marine an sich zu binden, falls Mitsubishi<br />
doch eine Kooperation mit Westinghouse eingehen sollte. 397<br />
Überraschenderweise teilte die Marine allerdings am 28. Oktober mit, dass sie<br />
kein Interesse an deutschen Kriegsschiffkonstruktionen besäße. Als<br />
Hauptgrund für die ablehnende Haltung wurden mögliche Proteste von Seiten<br />
der Alliierten und hier besonders Englands angeführt. Darüber hinaus hatte<br />
Siemens für ein Feuerleitungssystem 398 – das im Zentrum der Verhandlungen<br />
mit der Marine stand – deutlich überhöhte Forderungen gestellt, was einen<br />
überaus schlechten Eindruck bei den Verhandlungspartnern hinterlassen<br />
hatte. 399<br />
Trotz dieses Rückschlags hielt Siemens an der geplanten Reise der<br />
Direktoren Keßler, Natalis und Kieffer nach Japan fest. Am 26. November<br />
1920 reiste die Delegation, ausgestattet mit allen Vollmachten beider<br />
Stammhausfirmen, nach Japan. Sie kamen am 22. Januar 1921 in Yokohama<br />
August 1920, und SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 3. September<br />
1920, S. 2.<br />
396 Vgl. SAA 21/Lc 374: Aktennotiz vom 26.Oktober 1920 zur Besprechung am 2. Oktober<br />
1920. Die leitenden Direktoren waren Heinrich, Fessel, Krell, Hüls und Keßler.<br />
397 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 8. Oktober 1920, S. 2.<br />
398 Die Zielerfassung und Koordination der verschiedenen Geschütze von Kriegsschiffen, bei<br />
deren Einsatz sich sowohl das feuernde Schiff als auch das Ziel in meist größerer<br />
Entfernung in verschiedene Richtungen bewegen, ist eine hochkomplexe Aufgabe. Bereits<br />
vor und während des Ersten Weltkriegs entwickelten die deutsche und die englische<br />
Marine zu diesem Zweck elektrotechnische Anlagen. Vgl. Mindell, Human, S.19–68.<br />
399 Zunächst war von 30 Millionen, dann 10 Millionen und später 5 Millionen Yen die Rede.<br />
Das Schriftstück, anscheinend eine Telegrammabschrift, trägt weder Absender- noch<br />
Empfängerangaben. Lediglich Tokio, 28. Oktober 1920, ist vermerkt. Vgl. SAA 21/Lc 374:<br />
Schriftstück über Absage der japanischen Marine.<br />
Seite | 138
an. 400 Nach ihrer Ankunft wurde die Delegation vom britischen Secret Service<br />
ständig überwacht. 401<br />
Die unmittelbar nach dem Eintreffen der Direktoren eingeleiteten<br />
Verhandlungen mit der Marine blieben erneut erfolglos. 402 Die Delegation trat<br />
anschließend zu einer Aussprache mit Baron Furukawa und seinen leitenden<br />
Direktoren zusammen. In diesem Gespräch wurde die Wiederaufnahme der<br />
Kooperationsverhandlungen erreicht. Furukawa forderte allerdings angesichts<br />
der wirtschaftlichen Probleme des eigenen Unternehmens ein geringeres<br />
Grundkapital für die neu zu gründende Gesellschaft. Des Weiteren verlangte<br />
das Zaibatsu die Überlassung sämtlicher Patente einschließlich der<br />
Kriegsschifftechnik.<br />
Nachdem die Delegation die Bedingungen Furukawas an Siemens in Berlin<br />
übermittelt hatte, antwortete das Stammhaus am 23. März 1921, dass „unter<br />
diesen Umständen“ das geplante Gemeinschaftsunternehmen nicht mehr<br />
interessant sei. 403 Die angebotenen Freiaktien reichten dem Stammhaus nicht<br />
aus und darüber hinaus wurde das für eine komplexe Fabrik viel zu niedrige<br />
Grundkapital kritisiert. Man wies die Delegation daher erneut an,<br />
400 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />
Bericht von 1952, S. 8.<br />
401 Dem Secret Service gelang es so, einen guten Überblick über die Verbindungen des<br />
deutschen Unternehmens in Japan zu erhalten. Um der Überwachung zu entgehen,<br />
verließ die Delegation das Hotel in Tokio und mietete sich in ein kleines Privathaus in<br />
Yokohama ein. Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki<br />
Kaisha 1921–1945, Bericht von 1952, S. 8.<br />
402 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />
S. 1.<br />
403 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />
S. 2. Genauere Angaben zu „diesen Umständen“, d. h. welche Höhe des Grundkapitals<br />
Furukawa anstrebte und wie die Antwort der Delegation auf das Telegramm vom<br />
12. März 1920 lautete, finden sich nicht in den Quellen. Anzunehmen ist wohl eine Spanne<br />
von 10 bis 15 Millionen Yen. 10 Millionen Yen akzeptierte Siemens später von Furukawa,<br />
15 Millionen Yen forderte Siemens kurz darauf von Mitsubishi.<br />
Seite | 139
Verhandlungen mit der Marine und Mitsubishi aufzunehmen. Doch erneut<br />
verlief die Kontaktaufnahme erfolglos. So übermittelte die Delegation am 1.<br />
April 1921 nach Berlin, dass die Marine auch nach erneuter Anfrage weder<br />
Patente kaufe noch finanzielle Unterstützung für eine Produktion anbiete. 404<br />
Weitere Gespräche mit Mitsubishi verliefen in ähnlicher Weise, weshalb –<br />
obwohl die Kooperationsgespräche mit Westinghouse abgebrochen waren –<br />
es Siemens nicht gelang, eine Einigung mit den Gesprächspartnern zu<br />
erzielen. 405 Nachdem die zunächst diskutierten Alternativen nicht realisiert<br />
werden konnten, einigten sich Furukawa und Siemens in weiteren<br />
Gesprächen auf ein Grundkapital von 10 Millionen Yen. Davon sollte<br />
Furukawa 6 Millionen Yen sofort einzahlen, während das deutsche<br />
Unternehmen im Gegenzug 20 Prozent Freiaktien erhielt. Die technische<br />
Leitung des Unternehmens würde dabei Siemens übernehmen. 406<br />
404 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />
S. 3.<br />
405 In den Verhandlungen forderte die Siemens-Delegation die Gründung einer Gesellschaft<br />
mit 15 Millionen Yen Grundkapital und die Überlassung von 25 Prozent der Anteile als<br />
Freiaktien. Siemens war also in seiner Forderung nach Freiaktien deutlich hinter den zu<br />
Beginn von Furukawa verlangten Anteil von 40 Prozent zurückgegangen. Natalis erklärte<br />
später, er hätte lieber mit Mitsubishi abgeschlossen, doch der Leiter von Mitsubishi<br />
Takeda und seine leitenden Ingenieure hätten sich den älteren Beziehungen gegenüber<br />
Westinghouse verpflichtet gefühlt. Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom<br />
22. August 1921. Protokoll vom 3. September 1921, S. 4.<br />
406 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />
S. 3. In den überlassenen Patenten war ein Feuerleitsystem nicht mehr enthalten.<br />
Nachdem das Ergebnis der Verhandlungen Siemens in Berlin mitgeteilt worden war,<br />
antwortete das Mutterhaus am 13. April 1921, dass ein Grundkapital von 10 Millionen Yen<br />
und Freiaktien von 2 Millionen Yen akzeptabel seien. Für den Vertrieb solle Furukawa die<br />
Errichtung einer weiteren Gesellschaft mit 2 Millionen Yen Grundkapital, an der Siemens<br />
50 Prozent halten sollte, vorgeschlagen werden. Diesen Vorschlag konnte die Siemens-<br />
Delegation jedoch nicht durchsetzen. Vgl. hierzu SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr.<br />
Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921, S. 4. Am 2. Mai 1921 teilte die<br />
Delegation mit, dass eine Einigung mit Furukawa zu den genannten Konditionen<br />
verabschiedet worden sei. Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betreffend Abkommen mit<br />
Seite | 140
Nachdem eine grundsätzliche Einigung erzielt worden war, besuchte die<br />
deutsche Delegation die Kupfermine und die Raffinerie in Nikko sowie das<br />
Kabelwerk von Furukawa in Yokohama. Dabei wurden spezifische Fragen zur<br />
Rohstoff- und Arbeitskräfteversorgung und der Verkehrsanbindung der neu zu<br />
gründenden Gesellschaft geprüft. 407 Infolgedessen projektierte Kieffer<br />
verschiedene Varianten der neuen Fabrik. 408 Er plante ein Werk mit 1.000<br />
Arbeitern, in dem die wesentlichen Fertigungstechniken der Nürnberger und<br />
Berliner Werke durchgeführt werden konnten. Dafür sollten die Maschinen<br />
nicht spezifisch sondern möglichst vielseitig einsetzbar sein. 409<br />
Nach Klärung dieser Einzelfragen gründeten am 11. Juni 1921 die Furukawa<br />
Denki, die Siemens-Schuckert-Werke sowie Siemens & Halske gemeinsam<br />
ein Kooperationsunternehmen. Unternehmenszweck waren die Fabrikation<br />
und der Vertrieb elektrischer Maschinen und Apparate. Weiterhin sollte der<br />
Import und Vertrieb von in Deutschland hergestellten Siemens-Produkten<br />
betrieben werden. 410<br />
Furukawa vom 29. Dezember 1921, S. 5. Zusätzlich bat Direktor Natalis privat<br />
telegraphisch Direktor Henrich in Berlin, sich für diesen Vorschlag einzusetzen.<br />
407 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />
Bericht von 1952, S. 9.<br />
408 Kieffer hatte bereits in Deutschland mit der Fabrikprojektierung begonnen. Die<br />
ursprünglichen drei Varianten unterschieden sich in der Anordnung der Gebäude. In Japan<br />
wurden in Anpassung an örtliche Gegebenheiten zwei Varianten projektiert. In weiteren<br />
Verhandlungen, in denen unter anderem beschlossen wurde auch Raum für eine<br />
Scheinwerferproduktion zu schaffen, entstand die endgültige sechste Variante. Vgl. SAA<br />
12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht<br />
von 1952, S. 13.<br />
409 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />
Bericht von 1952, S. 12 f.<br />
410 Vgl. SAA 9376, Fusi Vertrag, S. 1. Produziert werden sollten im Einzelnen elektrische<br />
Maschinen, Motoren, Transformatoren, Schaltapparate, Installationsmaterialien, Zähler,<br />
Messinstrumente, Scheinwerfer, Telefonapparate, Blocksignalapparate, medizinische<br />
Apparate und Wassermesser<br />
Seite | 141
Das Gründungskapital der neuen Aktiengesellschaft betrug wie vereinbart<br />
10 Millionen Yen, zu 200.000 Aktien je 50 Yen. Siemens sollte bis zu 80.000<br />
Aktien (= 40 Prozent) halten, davon 40.000 Freiaktien (= 20 Prozent) als<br />
Gegenleistung für überlassene Patente, und hatte eine Option auf weitere<br />
40.000 Aktien (= 20 Prozent), deren Einlage Siemens in Form von Geld oder<br />
Sachwerten zu leisten hatte. 411 Furukawa brachte die Yokohama Denki als<br />
Einlage in die neue Gesellschaft ein. 412 Für Gebäude, Maschinen und<br />
Materialien der Yokohama Denki 413 erhielt Furukawa 40.000 Aktien (= 20<br />
Prozent) der gemeinsamen Unternehmung. Furukawa und Siemens<br />
verpflichteten sich, zusammen stets mindestens 50 Prozent des Kapitals zu<br />
halten. Siemens überließ dem neuen Unternehmen alle<br />
Forschungsergebnisse, Erfahrungen und Fabrikationsvorteile seiner<br />
deutschen Werke und seiner Verfahren und Patente. Dafür sollte das Berliner<br />
Elektrounternehmen, wie zuvor vereinbart, nach Rücklagen, Abschreibungen<br />
und Dividende eine jährliche Sondervergütung von 1 Prozent des Umsatzes<br />
erhalten, sofern ausreichend Gewinn erwirtschaftet wurde. 414 Auch zukünftige<br />
Patente sollte Siemens der neuen Gesellschaft überlassen. Furukawa erhielt<br />
das Recht, das Personal der gemeinsamen Unternehmung bei Siemens in<br />
Deutschland ausbilden zu lassen. Beide Unternehmen verpflichteten sich,<br />
411 Vgl. SAA 9376, Fusi Vertrag, S. 4 f.<br />
412 Der Wert der Gebäude, Maschinen und Materialien der Yokohama Denki wurde im Vertrag<br />
auf 500.000 Yen geschätzt. Dies entsprach dem zu einem Viertel eingezahlten<br />
Nominalwert der 40.000 Aktien von 2 Millionen Yen. Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 4 f.<br />
413 Nähere Informationen zur Yokohama Denki gehen aus den Quellen nicht hervor. Sicher ist<br />
nur, dass es dabei weder um das Yokohama-Gummiwerk noch um das Yokohama-<br />
Kabelwerk der Furukawa Denki handelt (deren Kapital wird mit jeweils 5 Millionen Yen<br />
deutlich höher angegeben). Auch die von Furukawa vor kurzem gegründete Telefonfabrik<br />
(Kapital 1 Million Yen) kann nicht mit Yokohama Denki gemeint gewesen sein. Diese<br />
Telefonfabrik ging erst in den 1930er Jahren an die Fusi über. Vgl. SAA 54/La 496: Keßler,<br />
Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., und Anlage zu SAA 54/La 496:<br />
Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 5.<br />
414 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 5 f. Das Kapital der neuen Unternehmung sollte zunächst<br />
zu einem Viertel eingezahlt werden.<br />
Seite | 142
keine ähnlichen Verträge mit anderen Unternehmen zu schließen und sich<br />
gegenseitig keine Konkurrenz zu machen. Siemens-Fabrikate sollten mit<br />
deutlichen Preisnachlässen an die neue Gesellschaft abgegeben werden. 415<br />
Der Vertrag hatte eine Gültigkeit von 20 Jahren.<br />
Nach der Rückkehr der Japan-Delegation fand am 22. August 1921 eine<br />
Besprechung bezüglich der Kooperation mit Furukawa unter Beteiligung Carl<br />
<strong>Friedrich</strong> von Siemens und vieler leitender Direktoren des Hauses in Berlin<br />
statt. 416 Natalis erklärte, die Verhandlungen in Japan seien lang und zäh<br />
gewesen, und in Anbetracht der Umstände, vor allem der wirtschaftlichen<br />
Depression, so günstig wie möglich ausgefallen. Im Zuge der Emission sollten<br />
75 Prozent der Aktien bei Furukawa und Siemens bleiben und 25 Prozent<br />
zum öffentlichen Verkauf ausgegeben werden. 417 Die öffentliche Zeichnung<br />
war gesichert, da sich „Furukawa mit seinen Bankfreunden verständig(t)e“. 418<br />
Natalis empfahl deshalb zusätzlich zu den 40.000 Freiaktien (20 Prozent)<br />
mindestens weitere 20.000 Aktien (10 Prozent) zu übernehmen. Das sollte<br />
durch Lieferung von Gebäudekonstruktionen und Fertigungsmaschinen, etwa<br />
für Scheinwerfer und weitere Anlagen, geschehen. 419 Ein Anrecht auf<br />
415 Fertige Fabrikate zu 15 bis 25 Prozent unter dem japanischen Marktpreis, aber nicht unter<br />
Selbstkosten. Halbfertige und Teilfabrikate ebenfalls 15 bis 25 Prozent unter dem<br />
japanischen Marktpreis, aber nicht unter Selbstkosten und nicht teurer als Selbstkosten<br />
plus 10 Prozent. Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 12.<br />
416 Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom<br />
3. September 1921.<br />
417 Nach diesen Bedingungen konnte Siemens zwar bis zu 40 Prozent der Aktien halten,<br />
während Furukawa nur verpflichtet gewesen wäre 35 Prozent zu halten. Der Siemens-<br />
Anteil war aber auf maximal 40 Prozent begeschränkt, während Furukawas Anteil keiner<br />
Beschränkung unterlag. Furukawa könnte also, falls er Siemens gegenüber in eine<br />
Minderheitsposition zu geraten drohte, nach Belieben Publikumsaktien kaufen.<br />
418 Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom<br />
3. September 1921, S. 5.<br />
419 Das gesamte Werk wurde „von der Eisenkonstruktion der Bauten bis zum letzen einfachen<br />
Werkzeug“ mit „deutschen Erzeugnissen“ erstellt. So wurde z. B. eine „Sondermaschine<br />
eigener Fertigung für die Herstellung der Parabolspiegel großer Scheinwerfer“ aus dem<br />
Seite | 143
5 Prozent Freiaktien bei eventuell folgenden Kapitalerhöhungen wurde zwar<br />
im Vertrag mit Furukawa vereinbart, mit Rücksicht auf die zu erstellenden<br />
Beteiligungsprospekte für die freie Zeichnung von Anteilen jedoch nicht darin<br />
vermerkt. Furukawa erwartete eine schnelle Antwort, ob und mit welchem<br />
Betrag sich Siemens über die Freiaktien hinaus beteiligen wolle. Ferner<br />
empfahl Natalis, die Forderung zu stellen, die technische Leitung an Kieffer zu<br />
übertragen, um diesem den notwendigen Einfluss auf die Qualität zu<br />
sichern. 420<br />
Die Vorlage des unterzeichneten Vertrags in den Stammhäusern sorgte nicht<br />
nur für Zustimmung. 421 Zum einen sah der Kontrakt vor, dass – entgegen der<br />
Zusagen Keßlers ans Stammhaus 422 – die neue Gesellschaft ihre Fabrikate<br />
vollkommen frei in jeden beliebigen Markt exportieren konnte. 423 Zum anderen<br />
hatte das Stammhaus während der Verhandlungen in Japan im Juni 1921<br />
einen Kartellvertrag mit der Western Electric geschlossen. 424<br />
Bestand des Nürnberger Werkes entnommen. Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das<br />
Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht von 1952, S. 15–19.<br />
420 Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom<br />
3. September 1921, S. 6 f.<br />
421 „Als sie den Vertrag den Vorständen […] vorlegten, war die Bestürzung der leitenden<br />
Herren groß.“ Vgl. SAA 8155: Vertrauliches Schreiben zum Fusi Vertrag, 7. August 1951,<br />
S. 1.<br />
422 Vgl. die Angaben Keßlers während der Verhandlungen in Japan ans Stammhaus.<br />
423 Vgl. SAA 19567: Bericht von Reyss, Das Zustandekommen des Fusi Vertrages vom 29.<br />
Januar 1946, S. 2.<br />
424 Bereits 1913 war die „gegenseitige Gewährung von Patenten“ und eine „gewisse<br />
Geschäftsverteilung“ zwischen den beiden Firmen vereinbart worden. Dieser Kartellvertrag<br />
wurde „mit Rücksicht auf die amerikanische Antitrustgesetzgebung“ von den englischen<br />
Tochtergesellschaften der Stammhäuser geschlossen, für Siemens & Halske also durch<br />
Siemens Brothers in London. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Enteignung von<br />
Siemens Brothers fühlte sich die Western Electric gegenüber Siemens & Halske nicht<br />
mehr an diesen Vertrag gebunden. Nach erneuten Verhandlungen wurde im Juni 1921<br />
zwischen der Siemens & Halske und der Western Electric ein Vertrag geschlossen, der<br />
„die Verteilung des Fernsprechergeschäftes […] der Welt […] nach bestimmten<br />
Seite | 144
Aufgrund von Abstimmungs- und Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb<br />
des Konzerns wurde dieser Punkt bei den Verhandlungen in Japan jedoch<br />
nicht berücksichtigt, 425 weshalb Siemens einer gemeinsamen<br />
Telefonproduktion mit Furukawa vertraglich zugestimmt hatte. Versuche von<br />
Seiten Siemens angesichts des Kooperationsvertrags mit Furukawa<br />
Zugeständnisse bei Western Electric zu erreichen, lehnten diese jedoch im<br />
Januar 1922 ab. 426 Infolgedessen waren Nachverhandlungen mit Furukawa<br />
notwendig, in deren Vorfeld vor allem der nachträgliche Wunsch von<br />
Siemens, auf eine Telefonfertigung zu verzichten, auf japanischer Seite<br />
zunächst für Verstimmung sorgte. 427<br />
Anfang 1922 reisten Hideo Kajiyama und Manjiro Yoshimura zu erneuten<br />
Verhandlungen nach Deutschland. 428 Der Furukawa-Konzern zeigte sich bei<br />
den folgenden Nachverhandlungen überraschend entgegenkommend. 429 Am<br />
23. März 1922 wurde ein Zusatzvertrag unterzeichnet, der den bestehenden<br />
Kontrakt in den strittigen Punkten ergänzte. Dieser sah unter anderem vor,<br />
Quotensätzen“ regelte. Vgl. SAA 10793-1: Rechtsgutachten zu den Western-Verträgen, S.<br />
3–12, sowie Kudo, Japanese, S.170 ff.<br />
425 Während der Verhandlungen hatte Berlin per Telegramm vom 13. April 1921 das<br />
Produktionsgebiet der neuen Fabrik eingeschränkt, Telefone waren nicht zur Produktion<br />
vorgesehen. Per Telegramm vom 21. Mai war die Japan-Delegation erneut zur Einhaltung<br />
dieser Produktionsbeschränkung aufgefordert worden. Am 30. Mai wurde explizit auf den<br />
Vertrag mit Western Electric hingewiesen. Laut Aktennotiz Keßlers waren die<br />
Vertragsbedingungen zu diesem Zeitpunkt bereits fixiert und konnten nicht mehr geändert<br />
werden. Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember<br />
1921, S. 1–7.<br />
426 Vgl. SAA 11/Lf 480: Schreiben der Western Electric an S&H vom 25. Januar 1922.<br />
427 Vgl. SAA 11/Lf 480: Schreiben von Yoshimura an C. F. von Siemens vom 21. Dezember<br />
1921. Dort wörtlich: „We have never been informed by you about this agreement, [...] we<br />
were much surprised. [...] That is a great loss for the new company.“<br />
428 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />
20. November 1922. S. 1. Yoshimura hatte ebenso wie Kajiyama vor dem Ersten<br />
Weltkrieg in Deutschland studiert und war aus dieser Zeit mit Hermann Keßler persönlich<br />
bekannt. Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 67.<br />
429 Vgl. SAA 8155: Vertrauliches Schreiben zum Fusi Vertrag, 7. August 1951, S. 1.<br />
Seite | 145
dass die neue Gesellschaft für den Export ihrer Fabrikate die Zustimmung von<br />
Siemens einholen musste. Für den Export nach China war eine Abstimmung<br />
mit der Siemens China Co. zwingend erforderlich – was bedeutete, dass<br />
Siemens den Export jederzeit unterbinden konnte. 430 Da Furukawa ihre im<br />
Jahr 1921 errichtete Telefonfabrik aufgrund der neuen Verträge nicht in die<br />
gemeinsame Gesellschaft einbringen konnte, wurde diese nun<br />
ausgeklammert. Das Zaibatsu war zudem bereit, bestehende Siemens-<br />
Vertragsbindungen und -Absprachen für Wassermesser und Signalanlagen zu<br />
akzeptieren und diese ebenfalls aus dem Vertrag auszuschließen.<br />
Des Weiteren wurde im Zusatzvertrag fixiert, dass Siemens die Option für<br />
20.000 weitere Aktien wahrnahm und als Gegenleistung Sachwerte in Form<br />
von Lagerbeständen und Geschäftsausstattung der SSDKK in die neue<br />
Gesellschaft einbrachte. Als Ausgleich wollte Furukawa die Patentverwaltung<br />
der drei Gesellschaften in einer gemeinsamen Einrichtung bündeln. Siemens<br />
lehnte dies jedoch ab. Deutsche Patente sollten auch zukünftig von der<br />
SSDKK in Japan angemeldet werden und danach – unter Übernahme der<br />
Kosten der Patentanmeldung – auf die neue Gesellschaft übertragen<br />
werden. 431 Yoshimura und Kajiyama kehrten im Mai 1922 nach der<br />
Unterzeichnung der Zusatzverträge nach Japan zurück. Das in Berlin<br />
verhandelte Vertragswerk wurde von der Furukawa Holding angenommen.<br />
Die Bauarbeiten für die Fabrik begannen noch im selben Jahr. Ende<br />
November 1922 war das Gelände für die Fabrik bautechnisch erschlossen:<br />
Das Seeufer war befestigt, ein Stichkanal gegraben und ein Anschlussgleis<br />
verlegt. Keßler reiste Ende 1922 nach Japan, um nun selbst die Leitung der<br />
430 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 11.<br />
431 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />
20. November 1922, S. 2. Die Produktion von Wassermessern sollte jedoch bei dem<br />
Gemeinschaftsunternehmen verbleiben.<br />
Seite | 146
Arbeiten zu übernehmen. Kieffer sollte ihm einige Monate später folgen. 432 In<br />
Deutschland wurden Aufträge für die Eisenkonstruktionen zum Bau der<br />
japanischen Fabrik vergeben, die im Februar 1923 in Japan eintrafen. 433<br />
Vereinbarungsgemäß wurden die ersten beiden Mitarbeiter Furukawas nach<br />
Deutschland zur Ausbildung entsendet. 434<br />
Zur selben Zeit versuchten die beiden Partner, die noch offenen Punkte für<br />
die Gründung der Fusi zügig zum Abschluss zu bringen. Die Beschaffung des<br />
Gründungskapitals ging dabei zunächst gut voran. Anfang Oktober 1922 war<br />
der Emissionsprospekt zur Gewinnung privater Zeichner für die 25 Prozent<br />
Publikumsaktien fertig gestellt und wurde an 200 Banken und Investoren<br />
verteilt. 435 Der am 14. Oktober 1922 in Japan abreisende SSDKK-Mitarbeiter<br />
Bunten erklärte bei seinem Eintreffen in Berlin am 13. November im Auftrag<br />
des Furukawa-Direktors Nakagawa, die Gründungsbekanntmachung und der<br />
Prospekt wären überall auf großen Zuspruch gestoßen. 436 Im gleichen Monat<br />
fand eine vorbereitende Versammlung zur Gründung der neuen<br />
432 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />
Bericht von 1952, S. 17.<br />
433 „Es galt, mit dieser neuzeitlichen und zweckentsprechenden Fertigungsstätte ein<br />
eindrucksvolles Anschauungsobjekt deutschen Könnens und deutscher technischer<br />
Leistungen zu zeigen. Bei gutem Gelingen musste dieses, von der Eisenkonstruktion der<br />
Bauten bis zum letzten einfachen Werkzeug aus deutschen Erzeugnissen erstellten<br />
Werkes eine Werbewirkung ausgehen, die in ihrer Bedeutung für den weiteren Export<br />
deutscher Industrieerzeugnisse nicht zu unterschätzen war.“ Vgl. SAA 12/Lh 759: Le<br />
Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht von 1952,<br />
S. 15.<br />
434 Diese Mitarbeiter waren Asada und Koike, noch 1922 wurden drei weitere Personen<br />
erwartet. Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in<br />
Japan vom 20. November 1922, S. 5.<br />
435 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />
20. November 1922, S. 4. Als Name für die neue Unternehmung war nun im Prospekt<br />
Kabushiki Kaisha Tsurumi Denki Seisakucho (Aktiengesellschaft Tsurumi<br />
Elektrizitätswerke) vorgesehen<br />
436 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />
20. November 1922, S. 4.<br />
Seite | 147
Unternehmung statt. Auf dieser Zusammenkunft war die Einzahlung des<br />
ersten Viertels des Aktienkapitals durch alle Aktionäre, nach zügiger<br />
Platzierung der Publikumsaktien, für Mitte Januar 1923 vorgesehen. 437<br />
Die tatsächliche Gründungsversammlung der Fusi Denki Seizo Kabushiki<br />
Kaisha (Fusi Elektromaschinen Fabrik, kurz Fusi) 438 fand schließlich am<br />
22. August 1923 statt. 439 Siemens hielt am Grundkapital insgesamt<br />
30 Prozent, davon 20 Prozent als Freiaktien für überlassene Patente und<br />
10 Prozent für gelieferte Fabrikationsanlagen. Von den insgesamt 60.000<br />
Aktien im Besitz des Siemens-Konzerns hielt die SSW 45.000 und die S&H<br />
15.000. Die Aktien wurden pro forma von Keßler und Franke erworben, 440 die<br />
diese sofort an die SSW und S&H übertrugen. 441 Da laut Satzung 442 jeder<br />
Direktor der Fusi 300 Aktien halten musste, verblieben je 300 Pflichtaktien bei<br />
den sechs Direktoren. Diese waren von japanischer Seite Natori als Präsident<br />
und kaufmännischer Leiter („Managing director“), sowie Yoshimura und<br />
Kajiyama.<br />
437 Eine nach und nach erfolgende Einzahlung des Aktienkapitals scheint in Japan nicht<br />
ungewöhnlich gewesen zu sein. Die Aktionäre hatten so zunächst geringere Zahlungen zu<br />
leisten, waren aber verpflichtet, das noch nicht eingezahlte Kapital bei Einforderung durch<br />
die Gesellschaft auch einzubringen.<br />
438 Laut einer weiteren Fassung des Zeichnungsprospekts, die nicht im Archiv verfügbar ist,<br />
wurde als Name noch Fuji Denki Seizo K. K. angegeben. Vgl. SAA 9376: Schreiben der<br />
CVU an SSDKK vom 14. August 1923, S. 3. Im Zeichnungsprospekt, der im Archiv<br />
verfügbar ist, findet sich der Name Fusi in Maschinenschrift, der handschriftlich in Fuji<br />
geändert wurde. Vgl. SAA 9376: Zeichnungsprospekt, S. 1. Als endgültiger Name wurde<br />
Fusi, ein Kürzel aus Furukawa und Siemens, gewählt. Im Folgenden wird Fusi als<br />
Abkürzung für Fusi Denki Seizo Kabushiki Kaisha verwandt.<br />
439 Vgl. SAA 9482: Internes Schreiben der CVU zur Fusi Gründung vom 23. November 1923.<br />
440 Franke übernahm für die deutsche Seite den Sitz im Aufsichtsrat der Fusi.<br />
441 Vgl. SAA 9376: Abschrift des Vertrages zur Übertragung der gezeichneten Aktien von<br />
Franke und Keßler an die SSW und S&H vom 15. Oktober 1923.<br />
442 „The directors and the auditors shall be selected from the shareholders holding more than<br />
300 shares.” Vgl. SAA 9376: Satzung der Fusi, S. 8.<br />
Seite | 148
Abbildung 14: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K.<br />
Von deutscher Seite waren es Kieffer als technischer Leiter und Fabrikdirektor<br />
sowie Mohr, der auch Direktor der SSDKK blieb, und Keßler. Der Aufsichtsrat<br />
bestand aus Nakagawa, Nagashima und Franke. 443 Keßler und Franke<br />
führten ihre Tätigkeit von Berlin aus und wurden durch Kieffer und Mohr vor<br />
Ort in Japan vertreten. 444 Das Geschäftsjahr der Fusi war auf<br />
2 Geschäftshalbjahre (Semester) aufgeteilt, die sich vom 1. Mai bis zum<br />
31. Oktober und vom 1. November bis zum 30. April erstreckten. Die<br />
Gesellschaft wurde am 29. August 1923 offiziell eingetragen und nahm am<br />
1. September 1923 den Geschäftsbetrieb auf. Die Fusi übernahm nach ihrer<br />
Gründung mangels eigener Gebäude zunächst die Büros der SSDKK in<br />
443 Hier wurde von der im Fusi-Vertrag festgelegten Anzahl von 8 Direktoren abgewichen. Für<br />
die Gründe dieser Abweichung finden sich in den Quellen keinerlei Hinweise.<br />
444 Vgl. SAA 9376: Abschriften der Vollmacht von Keßler an Kieffer und der Vollmacht von<br />
Franke an Mohr.<br />
Seite | 149
Osaka 445 und Tokio 446 einschließlich Personals. Zusätzlich unterhielt sie zur<br />
Betreuung japanischer Besucher ein Büro in der Berliner Siemensstadt, das<br />
an die CVU angeschlossen war. Die Vertretung der Fusi in Berlin bestand aus<br />
einem Leiter, einem Ingenieur und einer Hilfskraft. 447 Bis zur Fertigstellung der<br />
eigenen Fabrik importierte und verkaufte das Kooperationsunternehmen<br />
weiterhin Produkte aus Deutschland.<br />
Die neue Gesellschaft hatte jedoch von Anfang mit erheblichen Problemen zu<br />
kämpfen, die die schmale finanzielle Basis des Unternehmens stark<br />
belasteten und eine Vielzahl von Sanierungsmaßnahmen nach sich zogen.<br />
445 Die genaue Adresse des Osaka-Büros lautete Kita-Ku, Dojima Hamadori 2-Chome 49.<br />
Vgl. SAA 9482: Internes Rundschreiben der CVU vom 1. März 1925, S. 2. Im Mai 1926<br />
zog das Osaka-Verkaufsbüro um. Im Erdgeschoss des neuen Büros in Osaka wurde ein<br />
Ausstellungsraum für die Produkte eingerichtet. Die neue Adresse lautete: Osaka,<br />
No. 33, 1-Chome, Horikami-dori, Kyomachi-bori, Nishi-ku. Vgl. SAA 17/La 812:<br />
6. Geschäftsbericht der Fusi, S. 3.<br />
446 Die genaue Adresse des Tokio-Büros lautete Nr. 1, Yaesucho, 1-Chome, Kojimachi-Ku.<br />
447 So waren beispielsweise 1923 circa 1.200 japanische Besucher in Berlin zu betreuen. Vgl.<br />
SAA 9374: General Meeting for the Organisation of Fusi Seizo K. K., 22. August 1923,<br />
S. 6.<br />
Seite | 150
Abbildung 15: Ursachen und Sanierungsmaßnahmen für die finanziellen<br />
Schwierigkeiten der Fusi<br />
So verzögerte ein schweres Erdbeben die Fertigstellung der Fabrik im<br />
September 1923. Zwar wies die im Bau befindliche Fabrik – die nahe am<br />
Zentrum des Bebens war – überraschenderweise nur geringe Schäden auf,<br />
doch die für die neue Fabrik bereits vorhandenen Maschinen und<br />
Produktionsanlagen wurden schwer beschädigt oder zerstört. Diese waren<br />
zunächst in Hafenspeichern und Zollschuppen an den Kaianlagen gelagert<br />
worden und wurden durch im Zusammenhang mit dem Beben ausbrechenden<br />
Bränden vernichtet. Der finanzielle Schaden für Siemens und Furukawa war<br />
zunächst überschaubar, da die Unternehmen gegen dieses Risiko versichert<br />
waren. Da allerdings ein Großteil der Anlagen neu in Deutschland beschafft<br />
werden musste und in Japan infolge des großangelegten Wiederaufbaus nicht<br />
genügend Bauarbeiter vorhanden waren, kam es zu erheblichen<br />
Bauverzögerungen. So waren etwa die aus dem Nürnberger Werk<br />
kommenden Fertigungsmaschinen für Parabolspiegel großer Scheinwerfer<br />
zerstört worden. Im Handel waren diese Maschinen jedoch nicht erhältlich.<br />
Nachdem eine Neufertigung in Nürnberg zu zeitraubend gewesen wäre,<br />
Seite | 151
erklärte sich auf dringende Bitte das Wiener Werk zur Abgabe seiner eigenen<br />
Fertigungsmaschinen an das Japanwerk bereit. 448 Unmittelbar nach dem<br />
Erdbeben hofften die Verantwortlichen auf einen steigenden Umsatz im<br />
Lagergeschäft, da durch die Zerstörungen infolge des Bebens verschiedenste<br />
elektrotechnische Geräte dringend benötigt wurden. Um mit ihrem<br />
Lagergeschäft vom Wiederaufbau zu profitieren, kaufte die Fusi 1924 Pumpen<br />
und kleine Elektromotoren im Wert von 375.000 Yen bei Siemens in<br />
Deutschland. 449 Aufgrund der Tatsache, dass diese Waren jedoch teilweise<br />
von minderwertiger Qualität waren, stiegen die Umsätze nicht wie erwartet.<br />
Zusätzlich sanken sie nach Preissenkungen von Mitbewerbern auch im<br />
Wert. 450 Um die Lagerbestände zu veräußern, wurde schließlich im Tokioter<br />
Stadtteil Kyobashi ein Verkaufsladen eröffnet. 451 Doch auch hier verlief der<br />
Verkauf schleppend und die Waren konnten nur mit großen Abschlägen<br />
veräußert werden. 452<br />
Der zweite Faktor, der für die mangelhafte Liquidität der Fusi verantwortlich<br />
war, betraf die nur langsame Einzahlung des Aktienkapitals durch die<br />
Aktionäre. Laut Gründungsvertrag mussten die Anteilseigner zunächst<br />
448 Das Erdbeben zerstörte große Teile Tokios und Yokohamas und kostete mehrere<br />
hunderttausend Menschen das Leben. Auch die Telefonfabrik der Furukawa Denki war<br />
beim Erdbeben schwer beschädigt worden. Die Produktion ruhte seitdem. Im November<br />
1924 bot die Furukawa Denki der Fusi die Übernahme der Fabrik an. Angesichts der<br />
angespannten Liquiditätslage lehnten die deutschen Fusi-Direktoren dieses Angebot ab.<br />
Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha<br />
1921–1945, Bericht von 1952, S. 18, und SAA 9376: Besprechung mit der Fusi vom<br />
19. bis 22. November 1924, S. 11.<br />
449 Vgl. SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />
1924, S. 11. Zusätzlich hatte die Fusi einen Lagerbestand von 110.000 Yen von der<br />
SSDKK übernommen.<br />
450 Vgl. SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />
1924, S. 11. Siemens übernahm von den 56.000 Yen Verlust an Lagerware 36.000 Yen.<br />
451 Vgl. SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />
452 Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 10. Juli 1926, S. 4.<br />
Seite | 152
lediglich 25 Prozent des Aktienkapitals einzahlen. 453 Danach wurden laut<br />
Zeichnungsprospekt in den ersten beiden Geschäftshalbjahren 50 Prozent<br />
des Aktienkapitals von allen Aktionären einschließlich Furukawa eingezahlt. 454<br />
Im Oktober 1925 waren jedoch nur 66 Prozent des Kapitals einbezahlt wie in<br />
der nachfolgenden Abbildung deutlich wird. 455 Da keine weiteren Zeitpunkte<br />
zur Einforderung des ausstehenden Eigenkapitals vereinbart waren, bildete<br />
die weitere Kapitalausstattung der Fusi in den folgenden Jahren einen<br />
fortwährenden Streitpunkt zwischen Siemens und Furukawa. 456<br />
Abbildung 16: Entwicklung des eingezahlten Kapitals der Fusi<br />
453 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag.<br />
454 Vgl. SAA 9376: Zeichnungsprospekt für Fusi Aktie.<br />
455 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag.<br />
456 Laut Gründungsvertrag sollten zunächst 25 Prozent des Aktienkapitals eingezahlt werden.<br />
Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag. Laut Zeichnungsprospekt für die Fremdaktionäre waren in<br />
den ersten beiden Geschäftshalbjahren 50 Prozent des Aktienkapitals einzuzahlen. Vgl.<br />
SAA 9376: Zeichnungsprospekt für Fusi Aktie. In den Quellen findet sich kein Hinweis auf<br />
weitere vereinbarte Zeitpunkte zur Einforderung des Eigenkapitals. Die weitere Einzahlung<br />
war in den folgenden Jahren Streitpunkt zwischen Siemens und Furukawa.<br />
Seite | 153
Die Fertigstellung der Fabrik in Kawasaki und die Aufnahme der Produktion<br />
im April 1925 führten zu neuen finanziellen Problemen. 457 Zwar konnte die<br />
Fabrik etwas günstiger als zunächst geplant errichtet werden, doch die Höhe<br />
des geplanten betriebsnotwendigen Kapitals für die laufenden Kosten von<br />
Personal und Produktionsmaschinen war bei den Vorkalkulationen deutlich zu<br />
niedrig angesetzt worden. 458 Ein großes Problem waren darüber hinaus die<br />
hohen Gehälter der deutschen Angestellten. 459 So forderte ein japanischer<br />
Direktor in einem Schreiben vom 11. Juni 1927 den Abbau des deutschen<br />
Personals, dessen hohe Kosten er als „Krebsgeschwür der Fusi von Anfang<br />
an“ bezeichnete, sowie günstigere Einkaufspreise für Siemens-Produkte. 460<br />
Infolgedessen waren bereits Ende 1924 kurzfristige Bankverbindlichkeiten in<br />
Höhe von 1,5 Millionen Yen für den Geschäftsbetrieb entstanden. 461<br />
457 Vgl. SAA 17/La 812: 5. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />
458 Vgl. SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, handschriftliche Ergänzungen auf<br />
S. 1 f.<br />
459 Es finden sich in den Quellen keine Angaben über die Höhe des Gehalts eines deutschen<br />
und eines japanischen Angestellten. Auf der Grundlage der von Kajiyama erstellten<br />
Kalkulationen sind einfache Berechnungen möglich: So erhielt ein durchschnittlicher<br />
deutscher Angestellter im Vertrieb 11.600 Yen und ein durchschnittlicher deutscher<br />
Arbeiter der Fabrik 10.400 Yen im Jahr als Lohn („German staff in Business circle 12<br />
[persons]. Salary per Year 140.000“ und „German staff in works 36. Salary per Year<br />
375.000 Yen.“ Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni<br />
1927). Dagegen erhielt ein japanischer Arbeiter lediglich 950 Yen, ein japanischer<br />
Angestellter 2160 Yen. Vgl. SAA 17/La 812: Tabellen zur Fusi Fabrik von Zederbohm,<br />
1929. Aufbauend auf einer Frage Kajiyamas kann angenommen werden, dass deutsche<br />
Mitarbeiter ungefähr das Vierfache eines ähnlich qualifizierten Japaners verdienten: „Can<br />
a German accomplish four times as much as a Japanese can?“ Vgl. SAA 20/La 942:<br />
Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni 1927.<br />
460 „The under-estimation of […] the enourmous expense for employment of German staff,<br />
both in Business Department and Factory were [...] the cancer of the new company from<br />
the beginning.” Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni<br />
1927.<br />
461 Vgl. SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />
1924, S. 2.<br />
Seite | 154
1.3.1.2 Restrukturierung und geschäftlicher Durchbruch<br />
Eine Restrukturierung und Sanierungsmaßnahmen erschienen den<br />
Verantwortlichen angesichts der drückenden finanziellen Belastung<br />
unumgänglich. Hinsichtlich der Sanierung des Unternehmens lassen sich<br />
verschiedene endogene und exogene Faktoren feststellen, die schließlich zu<br />
einer positiven Wende in der Geschäftsentwicklung der Fusi führten.<br />
Abbildung 17: Faktoren für den Geschäftserfolg der Fusi<br />
Zur Sanierung des Geschäftsbetriebs und zur Behebung der zunehmenden<br />
Liquiditätsengpässe beschloss die Fusi ein umfassendes Sanierungskonzept,<br />
dessen wichtigste Bestandteile sich in drei Bereiche gliederten. Somit sollten<br />
die Siemensanleihe, der Ausbau des Vertriebsnetzes sowie Absprachen mit<br />
der Konkurrenz die Kernbereiche des Sanierungskonzepts bilden.<br />
ENDOGENE FAKTOREN<br />
Seit ihrer Gründung litt die Fusi unter einer zu geringen Kapitalausstattung.<br />
Schon für die Finanzierung der benötigten Anlagen musste die Unternehmung<br />
von Beginn an auf 1,5 Millionen Yen Fremdkapital zurückgreifen. Die<br />
aufgelaufenen Verluste resultierten zu einem Großteil aus anfallenden<br />
Schuldzinsen. Die daraus entstehende Kapital- beziehungsweise<br />
Liquiditätskrise versuchte die japanische Unternehmung auf verschiedenen<br />
Wegen zu lösen. Zum einen konnten durch die Aufnahme eines Kredits<br />
(„loan“) in Höhe von 1,8 Millionen Yen bei der Mitsui im sechsten<br />
Seite | 155
Geschäftsjahr 462 die gravierendsten Liquiditätsengpässe 463 beseitigt werden.<br />
Die hieraus resultierenden Zinsverpflichtungen verursachten jedoch weitere<br />
Kosten in Höhe von circa 100.000 Yen pro Geschäftshalbjahr. Insofern konnte<br />
das eigentliche Problem nicht gelöst werden. Zum anderen deckte die Fusi<br />
einen Teil ihres Kapitalbedarfs durch den Aufbau von Lieferverbindlichkeiten<br />
bei Siemens in Berlin. Bereits am 28. September 1926 belief sich der aktuelle<br />
Stand der kurzfristigen Verbindlichkeiten auf 1,9 Millionen Yen. Die Fusi war<br />
zu diesem Zeitpunkt außer Stande die aufgelaufenen Verbindlichkeiten zu<br />
zahlen. 464 Der deutsche Direktor der Fusi, Mohr, schlug Siemens vor, der Fusi<br />
eine Anleihe über 1,5 Millionen Yen zu Verfügung zu stellen, die mit 8 Prozent<br />
verzinst werden sollte. Einen Teil der Anleihe – circa 350.000 Yen – würde die<br />
Fusi zur teilweisen Tilgung der Lieferverbindlichkeiten nutzen.<br />
Eine Erhöhung des einbezahlten Grundkapitals durch Einforderung des noch<br />
offenen Aktienkapitals Furukawas und der anderen Aktionäre war zunächst<br />
nicht möglich gewesen. Furukawa hatte den Fremdaktionären im<br />
Zeichnungsprospekt zugesichert, dass weitere Einzahlungen erst nach der<br />
erstmaligen Ausschüttung einer Dividende eingefordert würden. Um<br />
überhaupt eine Dividende ausschütten zu können war es jedoch notwendig,<br />
den aus den vergangenen Semestern aufgelaufenen Verlustvortrag von circa<br />
750.000 Yen zu beseitigen. Dazu sollte, nach Erreichen der Gewinnschwelle,<br />
462 Das sechste Geschäftsjahr umfasst den Zeitraum vom 1. November 1925 bis 30. April<br />
1926.<br />
463 „Während im letzten Semester ein Minus von 127.000 Yen vorhanden war, ist jetzt ein<br />
Plus von 222.000 Yen vorhanden. Dieser geringe Betrag ist natürlich als Betriebskapital<br />
viel zu gering, und daher wird auch im laufenden Geschäftsjahr die Finanzierung nicht<br />
leicht sein.“ Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 22. Dezember<br />
1926, S. 4.<br />
464 Mohr nennt 1,35 Millionen Yen und 328.000 US-Dollar Lieferverbindlichkeiten. Vgl. SAA<br />
17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 22. Dezember 1926, S. 2. In einer<br />
Aktennotiz dazu beträgt diese Verbindlichkeit umgerechnet 1,9 Millionen Yen. Vgl. SAA<br />
20/La 942: Aktennotiz zum Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 28. September 1926,<br />
und SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 30. Oktober 1926.<br />
Seite | 156
der Wert des Fabrikgeländes in den Büchern dem aktuellen Marktpreis<br />
angepasst werden. Durch diese bilanztechnische Anpassung würde das<br />
Betriebsvermögen um 1 Million Yen erhöht, die vorgetragenen Verluste<br />
kompensiert und es könnte eine Dividende ausgeschüttet werden. Auf diese<br />
Weise wäre das Primärziel, die ausstehenden Einzahlungen für das noch<br />
ausstehende Aktienkapital einzufordern, erreicht.<br />
Als problematisch erwies sich jedoch, dass die Lieferverbindlichkeiten nicht<br />
wie zuvor angenommen 1,9 Millionen Yen ausmachten, sondern mit 2,5<br />
Millionen Yen um 600.000 Yen drastisch höher lagen als zuvor kommuniziert.<br />
Da sich die beiden Unternehmungen neben den tatsächlichen<br />
Schuldbeträgen auch nicht auf die Zahlungsbedingungen zur Schuldentilgung<br />
einigen konnten, wurde ein Mitarbeiter von Rosen aus dem Hause Siemens<br />
nach Kawasaki entsandt, um vor Ort die noch offenen Fragen zu klären. 465<br />
Am 15. und 18. Januar wurde bei Konferenzen in Japan die Lage sondiert.<br />
Die Anleihe der Fusi bei der Mitsui-Bank war im aktuellen<br />
8. Geschäftshalbjahr (1. Mai bis 31. Oktober 1927) auf 3 Millionen Yen erhöht<br />
worden. Dafür musste die Fusi Gebäude und Maschinen mit Buchwert von 6,5<br />
Millionen Yen als Sicherheiten hypothekarisch belasten. Darüber hinaus<br />
465 Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz zum Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom<br />
28. September 1926, und SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 30. Oktober 1926. Eine<br />
Aktennotiz der AU 1 – der kaufmännischen Abteilung der CVU – vom 3. Januar 1927 setzt<br />
sich ebenfalls kritisch mit den Vorschlägen Mohrs zur Anleihe auseinander: Würde die<br />
geforderte Anleihe an die Fusi gegeben, würde diese von der Mitsui-Bank zur Tilgung<br />
ihres Kredits gefordert werden. Weiterhin sei die finanzielle Lage der Fusi noch prekärer<br />
als von Mohr geschildert, da die Fusi bislang kaum Abschreibungen vorgenommen habe.<br />
Hätte die Fusi nach Siemens-Prinzipien Abschreibungen durchgeführt, hätten<br />
Abschreibungen von zusätzlich 3,5 Millionen Yen verbucht werden müssen, was die<br />
Insolvenz der Fusi zur Folge gehabt hätte. Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 3. Januar<br />
1927. Über Abreise oder Eintreffen des Mitarbeiters von Rosen geben die Quellen keine<br />
Auskunft. Er ist wahrscheinlich derselbe Beauftragte, der laut Aktennotiz vom<br />
30. Oktober nach Japan entsandt werden sollte. Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz über die<br />
Besprechung mit der Fusi am 15. und 18. Januar 1927.<br />
Seite | 157
wollte das japanische Unternehmen Siemens um eine weitere Anleihe<br />
ersuchen. Diese sollte in einer Höhe von 2 Millionen Yen aufgelegt werden.<br />
Die erneute Anfrage überbrachte von Rosen dem Stammhaus in Berlin. Er<br />
selbst war außer Stande, eine verbindliche Entscheidung darüber zu treffen.<br />
Von Rosen wurde lediglich von Berlin dazu ermächtigt, die Unstimmigkeiten<br />
bezüglich der Zahlungsbedingungen zu klären. Die Fusi erbat die Einräumung<br />
längerer Zahlungsziele, die sich auch auf die Lieferungen von Lagerwaren<br />
erstrecken sollten. Dies wurde jedoch vom Stammhaus verweigert. 466<br />
In der darauffolgenden Besprechung vom 17. Januar 1927 wurde über das<br />
erneute Anleihengesuch der Fusi verhandelt. Zentral war hierbei die<br />
Diskussion über die Absicherung der Anleihe und ihre Rückzahlung. 467 In<br />
einem Bericht vom 16. Februar 1927 wurden Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens und<br />
Direktor Köttgen über die prekäre Lage und die drohende Zahlungsunfähigkeit<br />
der Fusi informiert. Die Ausführungen bezeichneten eine Sicherstellung der<br />
Siemens Forderungen aus Lieferungen an die Fusi von umgerechnet nun<br />
2,5 Millionen Yen als fraglich. Ein Nachfolgebericht der Zentralen<br />
Werksverwaltung vom 28. Februar 1927 zur gegenwärtigen Lage der Fusi<br />
bestätigte diese Aussagen. 468<br />
466 Hierbei ging es weniger um die Bezahlung der Lieferverbindlichkeiten als um die Dauer<br />
des zinsfreien Zahlungsaufschubs. Die Fusi forderte, wie für andere Bestellungen, auch<br />
für Lagerwaren sechs Monate Kredit ab Verschiffung. Siemens beließ es aber bei fünf<br />
Monaten Zahlungsziel, danach wurden der Fusi 8 Prozent Zins in Rechnung gestellt. Eine<br />
Entscheidung über die Höhe der ausstehenden Lieferverbindlichkeiten wurde in einer<br />
Besprechung vom 20. Dezember 1926 getroffen, deren Protokoll nicht in den Quellen<br />
erhalten ist. Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von von Rosen an die CVU vom<br />
18. Januar 1927.<br />
467 Vgl. SAA 20/La 942: Bericht über die Besprechung zum Stand der Fusi am 17. Januar<br />
1927. Bei der Besprechung waren u. a. Graupe, Stauch, Freitag und Autenrieth von der<br />
Zentralen Werksverwaltung sowie Schwartz, Friedländer und Köhncke von der Abteilung<br />
Übersee anwesend.<br />
468 Vgl. SAA 20/La 942: Bericht der ZW an AU vom 28. Februar 1927. Der Bericht befasste<br />
sich zudem mit der Frage einer Einforderung des ausstehenden Aktienkapitals. In der<br />
Seite | 158
Am 9. März 1927 erstattete der Gesandte des Stammhauses, von Rosen, in<br />
Berlin der CVU Bericht über seinen Aufenthalt in Japan. 469 Er sah zum<br />
gegenwärtigen Zeitpunkt die Ausgabe einer Anleihe an die Fusi als<br />
unausweichlich an, da sonst das japanische Unternehmen nicht in der Lage<br />
sei, die Lieferverbindlichkeiten gegenüber Siemens zu begleichen. Natori wies<br />
ausdrücklich darauf hin, dass keine Bank dazu bereit wäre, die entstandenen<br />
Lieferverbindlichkeiten zwischenzufinanzieren. Siemens entschied sich<br />
letztlich aufgrund der Gefahr, die kurzfristigen Forderungen abschreiben zu<br />
müssen, dafür, der Fusi die geforderte Anleihe zu geben. Am 23. März 1927<br />
wurden folgende Bedingungen für eine Anleihe festgehalten: Die Anleihe<br />
sollte zu einen Nennwert von 1 Million US-Dollar (circa 2,1 Millionen Yen)<br />
ausgegeben werden und die Zinsbelastung wurde mit 7,5 Prozent fixiert.<br />
Darüber hinaus vereinbarten die Verantwortlichen die sofortige Zahlung der<br />
aufgelaufenen Zinsen für Lieferverbindlichkeiten und setzten einen Termin<br />
fest, wann die gesamten Lieferverbindlichkeiten zurückgezahlt werden<br />
mussten. Als Sicherheiten pfändete Siemens das Lager der Fusi und forderte<br />
eine Forderungsabtretung des japanischen Unternehmens zu ihren<br />
Gunsten. 470<br />
Siemens vorliegenden englischen Fassung des Zeichnungsprospekts finde sich keinerlei<br />
Einschränkung nach der erst eine Dividende ausbezahlt werden müsse, bevor das<br />
ausstehende Kapital eingefordert werden könne. Vgl. SAA 9376: Zeichnungsprospekt für<br />
Fusi Aktie. Nach der Quellenlage bleibt es unklar, ob es eine solche Regelung – entweder<br />
schriftlich im japanischen Originalzeichnungsprospekt oder mündlich als Zusage seitens<br />
Furukawas an wichtige Aktionäre – tatsächlich gab. Im Siemens-Schriftverkehr wird auch<br />
nach dem 28. Februar 1927 davon ausgegangen, dass diese Regelung existierte.<br />
469 Von Rosen kehrte wohl erst spät (ein Datum findet sich nicht in den Quellen) nach<br />
Deutschland zurück. Vgl. SAA 20/La 942: Bericht vom 9. März 1927 durch von Rosen.<br />
470 Vgl. SAA 20/La 942: Bedingungen für eine Anleihe an die Fusi vom 21. März 1927. Ein<br />
anderes Strategiepapier der AU 1 vom 1. April 1927 forderte unter den Punkten<br />
„Bilanzaufmachung“ und „Börsentechnik“ andere Maßnahmen zur Fusi-Sanierung: Nach<br />
Einsparungen in allen Bereichen sollte zum April 1928 die „Aufmachung“ der Bilanz<br />
umgestellt werden, um die Erzielung eines „scheinbaren Gewinns“ zu ermöglichen.<br />
Erstmalig solle dann 5 Prozent Dividende ausgeschüttet werden, allerdings nur an die<br />
Seite | 159
Dieser Vorschlag wurde am 2. April 1927 nach Japan telegrafiert. 471<br />
Zusätzlich forderte das deutsche Unternehmen die Erbringung einer<br />
Bankbürgschaft, 472 um damit zukünftige Lieferungen abzusichern. Sollte die<br />
Fusi auf die zusätzliche Forderung eingehen, dann wollte Siemens einen<br />
Bevollmächtigten zur Unterzeichnung des Anleihevertrags nach Japan zu<br />
entsenden. Die Fusi erklärte sich vorerst dazu bereit, die geforderte<br />
Bankbürgschaft zu erbringen, widerrief jedoch kurze Zeit später ihre<br />
Zusage. 473 Grund für dieses Verhalten war eine erneute Finanzkrise, die die<br />
Unternehmenssituation weiter verschärfte. 474 Die Mitsui-Bank hatte eine im<br />
freien Aktionäre. Siemens und Furukawa sollten insgeheim auf den ihnen zustehenden<br />
Teil der Dividende verzichten. Diese Maßnahme würde den Kurs der frei gehandelten Fusi<br />
Aktie an der Börse auf 30 bis 32 Yen steigen lassen. Zuvor sollten sich Siemens und<br />
Furukawa mit frei gehandelten Aktien eindecken. Deren späterer Verkauf würde zum<br />
einen die Dividendenausschüttung mehr als finanzieren. Zum anderen sei es danach<br />
möglich, das ausstehende Kapital einzufordern. Mit dem eingenommenen Geld solle die<br />
Mitsui-Anleihe abgelöst werden. Nachdem die Fusi durch Umstellung der „Aufmachung“<br />
der Bilanz und Einzahlung des Aktienkapitals scheinbar saniert sei, könne nun die Fusi die<br />
Bedingungen neuer notwendiger Anleihen „diktieren“ und sich günstiger finanzieren. Vgl.<br />
SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi der AU 1 vom 1. April<br />
1927.<br />
471 Die Bedingungen waren: Anleihe von 1 Million US-Dollar (circa 2,1 Millionen Yen),<br />
7,5 Prozent Zins, sofortige Zahlung der Zinsen für Lieferverbindlichkeiten und Festsetzung<br />
eines Termins für die Rückzahlung sämtlicher Lieferverbindlichkeiten sowie die<br />
Verpfändung des Lagers und der Kundschaftsforderungen der Fusi als Sicherheit. Vgl.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Fusi vom 2. April 1927.<br />
472 In den Akten wird das Wort Akkreditiv benutzt, eigentlich eine Art von Wechsel. Bei<br />
Siemens wurde darunter allerdings eine Bankbürgschaft verstanden.<br />
473 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm der Fusi an CVU vom 9. April 1927.<br />
474 Mohr erklärt die Finanzkrise folgendermaßen: Nach dem Erdbeben 1923 wurden von<br />
vielen Gesellschaften Wechsel auf ihre Schuldner gezogen und auf Druck der Regierung<br />
von den Banken ohne die sonst übliche Vorsicht diskontiert (d. h., die Wechsel wurden vor<br />
Fälligkeit gegen eine Gebühr von den Banken ausbezahlt. Das Risiko für das Ausfallen<br />
des Schuldners trug danach die diskontierende Bank). Ein großer Teil dieser Wechsel<br />
wurde von der Firma Suzuki gezogen und von der Formosa-Bank sehr leichtfertig<br />
diskontiert. Das Publikum war inzwischen nervös geworden, weshalb im März 1927<br />
Seite | 160
Vorfeld erteilte Zusage, über eine Bankbürgschaft wieder zurückgezogen.<br />
Infolge dessen war es der japanischen Unternehmung unmöglich, die von<br />
Siemens geforderte Bürgschaft in absehbarer Zukunft zu erbringen. 475 Die<br />
Fusi bat in der Folge um zeitlichen Aufschub für die Bezahlung der<br />
Lieferverbindlichkeiten, bis zumindest erste ausstehende Zahlungen von<br />
Kunden eingegangen waren. 476<br />
Am 19. April 1927 entschied Keßler, Hirschnitz von der<br />
Zentralfinanzverwaltung nach Japan zu entsenden, um den Anleihevertrag<br />
abzuschließen. 477 Die Lieferverbindlichkeiten der Fusi hatten inzwischen die<br />
3 Millionen Yen Grenze erreicht und Keßler mahnte an, die Sanierung<br />
unverzüglich voranzutreiben. Hirschnitz traf am 16. Mai 1927 in Tokio ein und<br />
war damit betraut, die Verhandlungen vor Ort zu führen. 478 Versuche, die<br />
Mitsui-Bank doch noch zu der zuvor zugesagten Bürgschaft zu bewegen,<br />
scheiterten in der Folgezeit. 479 Nachdem Hirschnitz in dieser Richtung auch<br />
keinerlei Verhandlungserfolg erwartet hatte, drängte er die<br />
Unternehmensleitung der Fusi zur Einforderung des ausstehenden<br />
Aktienkapitals. 480 Um seine Verhandlungsposition zu verbessern, wies er an,<br />
Bankruns in Tokio stattfanden. Anfang April musste die Suzuki die Zahlungen einstellen<br />
und damit wurde auch die Taiwan-Bank von der Panik ergriffen. Die Regierung wollte<br />
zunächst mit Staatsgarantien helfen, wurde aber nach Protesten zum Rücktritt<br />
gezwungen. Die Taiwan-Bank stellte die Zahlungen ein und weitere Großbanken mussten<br />
schließen. Es folgte ein wilder Run auf alle kleinen und mittleren Banken und am 21. April<br />
1927 wurden auf staatliche Anweisung hin alle Banken für drei Tage geschlossen. Die<br />
Regierung gab den Banken Vorschüsse von 1,5 Miliarden Yen, um die Lage zu<br />
entspannen, dennoch mussten viele Banken schließen. Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben<br />
von Mohr an CVU vom 26. April 1927.<br />
475 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Natori an CVU vom 25. April 1927, und SAA 20/La<br />
942: Schreiben von Mohr an CVU vom 26. April 1927.<br />
476 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. April 1927.<br />
477 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Keßler, CVU an Natori, Fusi vom 19. April 1927.<br />
478 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm der SSDKK an CVU vom 16. Mai 1927.<br />
479 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 24. Mai 1927.<br />
480 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 25. Mai 1927.<br />
Seite | 161
die künftige Verschiffung von Waren vorerst zu stoppen. 481 Dies brachte für<br />
Hirschnitz den entscheidenden Erfolg. 482 Bereits am 7. Juni 1927 erklärte sich<br />
die Furukawa Denki dazu bereit, als Gegenleistung für die Siemensanleihe 10<br />
Yen pro Aktie an ausstehendem Eigenkapital von den Aktionären<br />
einzufordern. 483 Darüber hinaus entschied sich die Furukawa dazu, Aktien von<br />
Fremdaktionären zu übernehmen, wenn sich diese auf ihr<br />
Einforderungsrecht 484 beriefen. Die Zusicherung der Aktienübernahme von<br />
Fremdaktionären stellte aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein zusätzliches<br />
Risiko für Furukawa dar, das trotzdem in Kauf genommen wurde. 485 Bereits<br />
Mitte Juni des Jahres 1927 konnte der Anleihevertrag abgeschlossen werden<br />
(„loan settled“). 486 Im Vertragswerk wurde fixiert, dass die bestehenden<br />
Lieferverbindlichkeiten durch die Einforderung des ausstehenden<br />
Aktienkapitals im Herbst des Jahres getilgt werden konnten. Ferner gelang es<br />
von Rosen, durchzusetzen, dass zukünftige Entscheidungen der Fusi der<br />
Zustimmung Mohrs oder Kieffers bedurften. Den deutschen Direktoren wurde<br />
somit laut Kontrakt ein Vetorecht eingeräumt. In dem am 10. Juni<br />
abgeschlossenen Anleihevertrag wurde festgelegt, dass Siemens der Fusi<br />
rückwirkend ab 1. April 1927 1 Million US-Dollar zu einem Zinssatz von 7,5<br />
481 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 27. Mai 1927. Unterdessen<br />
kam in Berlin von der Abteilung Übersee 1 der Vorschlag auf, die japanische Finanzkrise<br />
könne genutzt werden, um der Mitsui-Bank ihre 3 Millionen-Yen-Anleihe an die Fusi für<br />
2 Millionen Yen abzukaufen. Zusammen mit den Lieferverbindlichkeiten der Fusi von<br />
mittlerweile 3 Millionen Yen und den ohnehin vorhandenen Siemens-Anteilen hätte man<br />
die Fusi „zu 100 Prozent in seiner Hand“. Dadurch würde „der deutsche Einfluss<br />
maßgebend werden“. Vgl. SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi<br />
der AU 1 vom 30. Mai 1927.<br />
482 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Hirschnitz vom 4. Juni 1927.<br />
483 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Nakagawa, Furukawa Denki an Hirschnitz vom 7. Juni<br />
1927.<br />
484 Dieses Einforderungsrecht besagte, dass eine Einforderung des Grundkapitals erst nach<br />
Zahlung einer ersten Dividende erfolgen sollte.<br />
485 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 7. Juni 1927.<br />
486 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 10. Mai 1927.<br />
Seite | 162
Prozent zur Verfügung stellte. 487 Dieser Betrag entsprach umgerechnet 2,13<br />
Millionen Yen. Nach drei tilgungsfreien Jahren sollten ab Oktober 1930 in<br />
jedem Geschäftshalbjahr jeweils 125.000 US-Dollar zurückgezahlt werden.<br />
Die Anleihe sollte mit den ausstehenden Zinsschulden der Fusi verrechnet<br />
werden.<br />
Die Direktoren der Fusi, Yoshimura und Kajiyama, waren sich bewusst, dass<br />
die Einforderung des Aktienkapitals vor Dividendenzahlung zu Unruhe unter<br />
den Aktionären führen würde. Gegebenenfalls mussten sie sich sogar für den<br />
ausgegebenen Zeichnungsprospekt entschuldigen. Selbst ein eventueller<br />
Rücktritt aus ihren Ämtern war denkbar. 488 Diese Befürchtungen sollten sich<br />
jedoch nicht bewahrheiten. Sowohl Yoshimura als auch Kajiyama durften ihre<br />
Direktorenämter weiter ausüben.<br />
In der Folge wollte das Stammhaus den Anleihevertrag in einen notariell<br />
beglaubigten Vertrag überführen. Mohr beauftragte einen Anwalt mit der<br />
Ausarbeitung des Vertrags und sandte den Vertragsentwurf am 23. Juni 1927<br />
an das Stammhaus nach Berlin. 489 Der Vertragsentwurf bestätigte im<br />
Wesentlichen den abgeschlossenen Anleihevertrag und erklärte sämtliche<br />
Lagerzugänge als an Siemens verpfändet. Im Stammhaus wurde Dr. Springer<br />
von der Rechtsabteilung mit der Prüfung des Kontrakts beauftragt. 490 Die CVU<br />
zeigte sich mit den bisherigen Ausführungen weitestgehend zufrieden, wollte<br />
jedoch den Vertragsentwurf um eine Sicherungsübereignung der gelieferten<br />
Ware ergänzen. 491 Die Lagerwaren sollten nicht nur verpfändet werden,<br />
sondern ins Eigentum des Stammhauses übergehen. An sämtlichen<br />
Lagerwaren sollten Schilder angebracht werden, die sie als Eigentum von<br />
487 Vgl. SAA 20/La 942: Loan Agreement, o. D.<br />
488 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Yoshimura und Kajiyama, o. D.<br />
489 Vgl. SAA 20/La 942: Vertragsentwurf und Schreiben von Mohr an CVU vom 23. Juni 1927.<br />
490 Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz zur Weiterleitung des Vertragsentwurfes an Dr. Springer,<br />
o. D.<br />
491 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben der CVU an Mohr vom 31. August 1927 und Schreiben der<br />
Zentralfinanzverwaltung vom 2. September 1927.<br />
Seite | 163
Siemens kennzeichneten. Darüber hinaus sah der Vertragsentwurf<br />
Vertragsstrafen für die Nichtzahlung des Anleihezinses vor. In diesem Fall<br />
wäre die Gesamtschuld sofort fällig und bis zur vollständigen Zahlung stiege<br />
der Zins auf 10 Prozent an. Da die Anbringung der Eigentumsschilder im<br />
japanischen Recht jedoch keinerlei Bedeutung hatte, verzichtete Siemens auf<br />
diesen Schritt.<br />
Anfang Januar 1928 wurde den Aktionären die geplante Einforderung des<br />
Aktienkapitals um 8,50 Yen pro Aktie mitgeteilt 492 und in der Bilanz des<br />
10. Geschäftshalbjahres berücksichtigt. 493 Abzüglich der 20 Prozent<br />
Freiaktien für Siemens flossen der Fusi somit liquide Mittel in Höhe von<br />
1.366.000 Yen zu, von denen 363.525 Yen zur Tilgung der<br />
Lieferverbindlichkeiten bei Siemens aufgewendet wurden. 494 Durch den<br />
Abschluss des Anleihevertrags am 10. Juni 1927 und die Einzahlung der<br />
Aktionäre waren die Kapital- und Liquiditätsprobleme der Fusi vorerst gelöst.<br />
Als weitere Sanierungsmaßnahme sollte die Übertragung verschiedener<br />
Geschäftsbereiche von der SSDKK auf die Fusi erfolgen. Hierdurch erhofften<br />
sich alle Beteiligten eine erhebliche Steigerung des Umsatzes. Infolgedessen<br />
erhielt die Fusi im Frühsommer 1925 auf Weisung des Berliner Stammhauses<br />
die Vertriebsrechte für das Osram-Lampengeschäft 495 und den lukrativen<br />
492 In den Quellen finden sich keine Angaben, weshalb die Einforderung des Aktienkapitals<br />
statt wie geplant im Herbst 1927 mit 10 Yen pro Aktie, nun erst Anfang 1928 mit nur 8,50<br />
Yen je Aktie durchgeführt wurde. Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an die<br />
Aktionäre, o. D., S. 4.<br />
493 Vgl. dazu die Bilanzen der Fusi im Anhang. Die geringfügigen Abweichungen in der Höhe<br />
des eingezahlten Kapitals von 22.000 Yen erklären sich durch nicht erfolgte Einzahlungen<br />
der Fremdaktionäre. Weigerten sich diese zunächst zu zahlen, musste das eingeforderte<br />
Eigenkapital mehrfach angemahnt werden, bevor die Fusi berechtigt war, diese Aktionäre<br />
auszuschließen.<br />
494 Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. Februar 1929, S. 3.<br />
495 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag mit Ergänzungen geschrieben 1940, S. 2.<br />
Seite | 164
Vertrieb von Telefonanlagen, der zu diesem Zeitpunkt das größte noch<br />
verbliebene Geschäftsfeld der SSDKK darstellte. 496<br />
Um die Produkte künftig effizient vertreiben zu können, eröffnete die Fusi in<br />
den Folgenjahren Unterbüros in Mojii (1924), 497 Nagoya (1926), 498 sowie<br />
Sendai 499 . In Sapporo, Dairen (Mandschurei), Seoul (Korea) und Taihoku<br />
(Formosa) sollte die Vertretung durch Büros der Furukawa Denki erfolgen.<br />
496 Die Festschrift „100 Jahre Siemens in Japan“ gibt an, 1925 sei die Telefonfertigung von<br />
der erdbebenzerstörten Telefonfabrik der Furukawa Denki in das Fusi-Werk in Kawasaki<br />
verlagert worden. Dort sei 1925 die Fertigung von Fernsprechgeräten aufgenommen<br />
worden. Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 31. Für diese<br />
Aussage finden sich in den Quellen keinerlei Belege. In den Geschäftsberichten der Fusi<br />
wird zu jedem Semesterabschluss über die Art der hergestellten Güter berichtet. Dort<br />
finden sich keine Telefone. Vgl. SAA 17/La 812: Diverse Geschäftsberichte der Fusi von<br />
1923 bis 1930. Auch Schoen nennt nur den Vertrieb, nicht aber die Fertigung von<br />
Telefonen. Vgl. SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979, S. 12.<br />
497 Die genaue Adresse des Mojii-Büros lautete: Osaka Mainichi Building, Kiotaki machi. Vgl.<br />
SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />
498 Die genaue Adresse des Nagoya-Büros lautete: No. 2. 2-Chome, Shinyanagi-machi,<br />
Naka-ku. Vgl. SAA 17/La 812: 5. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />
499 Da in dieser Aufstellung in Sendai die Kosten für Personal ebenso wie bei anderen<br />
Unterbüros der Fusi in Nagoya enthalten sind, während diese Kosten bei den Furukawa-<br />
Denki-Vertretungen fehlen, ist anzunehmen, dass es sich in Sendai um ein direkt zur Fusi<br />
gehörendes Unterbüro handelte. Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an CVU vom 10.<br />
Juli 1926, S. 3. In einer anderen Aufstellung fehlt das Sendai-Büro, dafür sind zwei<br />
Mitarbeiter im Tokio-Büro für Sendai eingetragen. Vgl. SAA 17/La 812:<br />
13. Geschäftsbericht der Fusi, Number of Employees.<br />
Seite | 165
Abbildung 18: Fusi-Standorte 1930<br />
Zusätzlich versuchte die Fusi durch Verständigung mit der Konkurrenz und<br />
die Bildung von Kartellen ihre Wettbewerbsposition zu stärken. Die Situation<br />
im japanischen Elektromarkt war ab Mitte der zwanziger Jahre geprägt von<br />
kontinuierlich sinkenden Preisen. Diese ergaben sich vor allem durch die<br />
quantitativ große Zahl an Elektrofirmen. So sanken die erzielbaren<br />
Durchschnittspreise für alle Arten elektrischer Maschinen von 1926 bis Ende<br />
1930 um 45 Prozent. 500<br />
500 So sanken die erzielbaren Preise für Schalttafeln bis Ende 1930 auf 60 Prozent des<br />
Wertes von 1926. Im gleichen Zeitraum gingen die Preise für Transformatoren auf<br />
43 Prozent und die Preise für Motoren und Generatoren auf 59 Prozent des Preises von<br />
1926 zurück. Der Einkaufspreis für Material sank im gleichen Zeitraum nur auf 82 Prozent<br />
Seite | 166
Aufgrund dieser ungünstigen Marktsituation kam es zu umfangreichen<br />
Verhandlungen mit verschiedenen Konkurrenten. 501 Als Erstes konnte 1928<br />
eine Absprache mit den führenden japanischen Elektrounternehmen im<br />
Scheinwerfersegment getroffen werden. 502<br />
Nur ein Jahr später gelang es auch auf dem Gebiet der Spinnmotoren eine<br />
Übereinkunft mit den Konkurrenzunternehmen Yasukawa und Ito zu<br />
erzielen. 503 Alle neuen Aufträge wurden zukünftig gleichmäßig zu je einem<br />
Drittel unter den Firmen aufgeteilt. Bei der Preisfestlegung konnte sich die<br />
Fusi allerdings nicht durchsetzen. Sie hatte einen Mindestverkaufspreis von<br />
750 Yen je Motor gefordert, was von Yasukawa abgelehnt wurde. Der<br />
gemeinsame Mindestpreis betrug nun 650 Yen, was eine Erhöhung des zuvor<br />
üblichen Verkaufspreises um immerhin circa 100 Yen bedeutete. Dieser Preis<br />
bezog sich jedoch nur auf kleine Anfragen, alle größeren Anfragen waren dem<br />
Kartell zu melden.<br />
Wie an den beiden Beispielen deutlich wird, war die Fusi um entsprechende<br />
Arrangements mit verschiedenen Konkurrenten bemüht, doch das wichtigste<br />
Kartell zum damaligen Zeitpunkt stellte das Satsuki-Kai-Kartell dar.<br />
des Ausgangspreises von 1926 und war bis 1928 sogar auf 106 Prozent gestiegen. Vgl.<br />
SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Index of Prices.<br />
501 So gab es Überlegungen und Verhandlungen in der Weltwirtschaftskrise über eine Fusion<br />
mit Mitsubishi Electric sowie eines Zusammenschlusses der vier großen<br />
starkstromtechnischen Firmen Shibaura Engineering, Mitsubishi Electric, Hitachi und der<br />
Fusi. Beide Verhandlungen verliefen erfolglos. Vgl. Kudo, Japanese-German,<br />
S. 188–194.<br />
502 Vgl. SAA 17/La 812: Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom<br />
19. Februar 1929. Japan und seine Kolonien fielen nicht unter das INCA-Abkommen. Die<br />
japanischen Firmen hatten kein direktes Abkommen mit dem Kartell, waren aber als<br />
Lizenznehmer einiger INCA-Firmen in ihrem Export eingeschränkt. Zusätzlich waren die<br />
japanischen Produkte auf dem Weltmarkt noch nicht wettbewerbsfähig. Vgl. hierzu<br />
Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 178ff. und SAA 17/La 812: Auszug aus<br />
einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom 19. Februar 1929.<br />
503 Vgl. SAA 17/La 812: Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom<br />
19. Februar 1929.<br />
Seite | 167
Abbildung 19: Das Satsuki-Kai-Kartell im Mai 1931<br />
Nach mehrjährigen Verhandlungsrunden 504 wurde am 15. Mai 1931 in Tokio<br />
zwischen Mitsubishi, Hitachi, Shibaura und der Fusi ein Kartellvertrag<br />
abgeschlossen. 505 Dieser betonte die Freundschaft der Kartellmitglieder, ihre<br />
kooperative Zusammenarbeit und den Wunsch einer gesunden<br />
504 Über die ersten Kontakte der Kartellpartner schrieb der Fusi-Manager Wada: „Am Ende<br />
der Taisho Periode [1926] […] bei einer Besprechung von Spitzenpersönlichkeiten von<br />
Shibaura, Hitachi, Mitsubishi und Fuji Electric [gemeint ist die Fusi] schlug die Regierung<br />
vor, die Rationalisierung durch Vereinigung von Betreiben oder durch Standardisierung<br />
von Typen zu verbessern. Die vier Firmen […] diskutierten öfters darüber, was aber keinen<br />
Erfolg hatte. […] Der Vorschlag des Industrieministeriums brachte lediglich eine gute<br />
Gelegenheit, dass sich die Leute der Industrie gut kennenlernen konnten.“ Vgl. SAA 9925:<br />
Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 48.<br />
505 Vgl. SAA 54/Ld 192: Articles of Satsuki Kai, Mai 1931. Im März 1932 wurde noch<br />
zusätzlich die Yasukawa Denki Seisakusho (Yasukawa Electric Manufacturing Co.)<br />
Mitglied des Kartells.<br />
Seite | 168
Fortentwicklung des Geschäfts. Ziel des Kartells war die Verhinderung eines<br />
„unfairen“ Wettbewerbs und die Kontrolle der Preise.<br />
Das 1931 neu gegründete Kartell traf sich monatlich zu festgeschriebenen<br />
Terminen. Jede, der beteiligten Firmen musste ein Mitglied ihrer<br />
Geschäftsleitung als Direktor ins Kartell entsenden. Die vier Kartelldirektoren<br />
wählten aus ihrer Mitte für drei Monate einen Geschäftsführer („Managing<br />
director“), der das Kartell in dieser Zeit leitete. Für die Verabschiedung von<br />
Beschlüssen war eine Mehrheit von mehr als Dreiviertel der Direktoren<br />
notwendig. Innerhalb des Kartells wurde ein Großteil der elektrotechnischen<br />
Erzeugnisse des japanischen Markts reguliert. 506 Die Aufträge wurden nach<br />
einem speziell vorgegebenen Schlüssel verteilt: Shibaura erhielt 39 Anteile,<br />
Hitachi 35,5 Anteile, Mitsubishi 25,5 Anteile und die Fusi 12 Anteile. 507 Die<br />
Anteile der Fusi setzten sich aus fünf Anteilen aus dem Bereich Motoren und<br />
Generatoren („rotating machines“), 2,5 Anteilen aus dem Bereich<br />
Transformatoren und 4,5 Anteilen aus der Sparte Schaltanlagen zusammen.<br />
Von allen erhaltenen Aufträgen sollten die Firmen 5 Prozent des<br />
Auftragswerts als Reserve dem Kartell übertragen. Aus diesen Beträgen<br />
wurden unter anderem die Kartellunkosten finanziert. Ein Verstoß gegen die<br />
Kartellbestimmungen hatte den Ausschluss der betreffenden Firma zur Folge.<br />
Das Kartell war zunächst für die Laufzeit von einem Jahr gegründet worden.<br />
506 Wasserturbinen, Gleich- und Wechselstromgeneratoren (ausgenommen solche, die direkt<br />
mit Wasserturbinen gekoppelt waren), Frequenzwandler, Phasenverstärker, Einanker-<br />
umformer, Motorgeneratoren, Transformatoren (ausgenommen Stabtransformatoren mit<br />
weniger als 50 kVA), Quecksilberdampfgleichrichter, Induktionsregler, Wechselstrom-<br />
motoren (ausgenommen Standardmotoren mit weniger als 50 PS), Gleichstrommotoren<br />
(ausgenommen Hauptmotoren für U-Boote), Steuer- und Kontrolleinrichtungen und<br />
Widerstände, Motoren und Steuereinrichtungen für elektrische Autos, Schaltkästen und<br />
Schalttafeln, Stromkreisunterbrecher und Schutzvorrichtungen. Vgl. hierzu SAA 54/Ld 192:<br />
Articles of Satsuki Kai, Mai 1931, S. 3.<br />
507 Die Summe der Anteile ohne Fusi-Anteil beträgt 100, mit Fusi-Anteil 112. Die Anteile sind<br />
im Vertrag mit Prozentzeichen ausgewiesen. Dies lässt vermuten, dass die Quoten bereits<br />
unter den drei großen Firmen zur Basis 100 verteilt wurden und die Fusi erst später zum<br />
Kartell dazu stieß. Vgl. SAA 54/Ld 192: Articles of Satsuki Kai, Mai 1931, S. 3.<br />
Seite | 169
Äußerte keines der beteiligten Unternehmungen einen Monat vor Ende des<br />
laufenden Geschäftsjahrs den Wunsch, aus dem Kartell auszutreten,<br />
verlängerte sich der Vertrag um ein weiteres Jahr. Neben dem eigentlichen<br />
Kartellvertrag gab es zusätzlich detaillierte Business Regulations der Satsuki<br />
Kai. 508 Zum Geschäftsbetrieb des Kartells sollte jede der beteiligten Firmen<br />
ein Komitee einberufen und die Kartellorganisation selbst ebenfalls über<br />
eigene Mitarbeiter sowie über ein eigenes Büro in Tokio verfügen. Erhielt eine<br />
Firma Anfragen über die in der Kartellvereinbarung genannten Fabrikate,<br />
musste sofort Meldung an das Kartell gemacht werden. Die eingegangenen<br />
Anfragen wurden anschließend vom Geschäftsführer des Kartells unter den<br />
Firmen aufgeteilt. Sollte eine der Firmen, abweichend von der<br />
Auftragsverteilung des Geschäftsführers, weitere Aufträge auf sich vereinigen,<br />
sollte sie für diese Zusatzaufträge die doppelte Abgabe als Reserve an das<br />
Kartell leisten (also 10 Prozent des Auftragswerts). Mit der geleisteten<br />
Zahlung sollte die nicht berücksichtigte Firma des Kartells entschädigt<br />
werden. Über die Lage der Anfragen und die Auftragserteilung erstattete der<br />
Geschäftsführer den beteiligten Firmen wöchentlichen Bericht.<br />
Besprechungsnotizen zufolge, war die Atmosphäre innerhalb des Kartells<br />
freundlich und harmonisch. 509<br />
EXOGENE FAKTOREN<br />
Der Unternehmenserfolg durch die eingeleiteten Sanierungs- und<br />
Restrukturierungsmaßnahmen stellte sich bereits nach kurzer Zeit ein. Durch<br />
die verbesserten Rahmenbedingungen stiegen die Umsätze der Fusi nach<br />
1932 beständig an. Hierfür waren neben den endogenen drei exogene<br />
Gründe ausschlaggebend.<br />
508 Vgl. SAA 54/Ld 192: Business Regulation of Satsuki Kai, Mai 1931, S. 3.<br />
509 Vgl. SAA 54/Ld 192: Protokoll vom 31. Juni 1931, S. 7.<br />
Seite | 170
Ein Faktor war die starke Abwertung des Yen und die Lösung Japans vom<br />
Goldstandard im Jahr 1931. Entsprach ein Yen im September des Jahres<br />
1931 noch 2,10 Reichsmark, sank der Kurs auf 0,68 Reichsmark im Jahr<br />
1936. 510 Durch die starke Abwertung verteuerten sich die importierten Waren<br />
für die japanischen Kunden stark, wodurch lokal produzierte Waren<br />
wettbewerbsfähiger wurden. 511<br />
Darüber hinaus nahmen die Bestrebungen der japanischen Regierung zu,<br />
importierte Produkte zu „nationalisieren“, indem staatliche Stellen angewiesen<br />
wurden, ausschließlich einheimische Fabrikate („home products“ 512<br />
beziehungsweise „domestic products“) zu kaufen. 513 So veröffentlichte das<br />
japanische Eisenbahnministerium, bei dem es sich um einen der größten<br />
staatlichen Nachfrager handelte, eine Liste mit Artikeln, die es ausschließlich<br />
als „home products“ erwerben wollte. Betroffen waren unter anderem<br />
Stromzähler, Schalttafeln, Telefone sowie sämtliches Telefonzubehör. 514<br />
Ein weiterer exogener Grund war der andauernde Kriegszustand, in dem sich<br />
Japan nach der Unterwerfung der Mandschurei befand. Dieser führte in Japan<br />
zu einer steigenden Nachfrage nach Rüstungsgütern sowie nach Material für<br />
510 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 12.<br />
511 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 14.<br />
512 Vgl. SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Protokoll vom 30. Juni<br />
1931, S. 2. „Home products“ wurden definiert als Produkte, die ausschließlich oder zu<br />
mindestens 70 Prozent in Japan hergestellt wurden. Wurden mehr als 70 Prozent des<br />
Rohmaterials importiert, galt ein Produkt dennoch als japanisch, wenn dieses Rohmaterial<br />
ausschließlich in Japan raffiniert oder hergestellt worden war. Auch das Management und<br />
die Mehrheit des Aktienkapitals des Herstellers mussten sich in japanischer Hand<br />
befinden.<br />
513 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />
1939, S. 2.<br />
514 Vgl. SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, List of Articles, of which<br />
the Dept. of Railways purchases exclusively home makes, published on November 12 th<br />
1929.<br />
Seite | 171
verschiedene Infrastrukturprojekte in der Mandschurei. 515 Vom exogenen<br />
Nachfrageschock konnte die gesamte japanische Elektroindustrie profitieren.<br />
Der aggregierte Auftragseingang der gesamten japanischen Elektrobranche<br />
stieg deshalb bis 1934 auf das 4,7-Fache des Auftragseingangs von 1931. 516<br />
Im 18. Geschäftshalbjahr der Fusi, 517 konnten die Verluste von 86.000 Yen<br />
auf 39.000 Yen mehr als halbiert werden. Bereits im darauffolgenden<br />
Geschäftshalbjahr erreichte die Fusi den Break Even und realisierte dauerhaft<br />
Gewinne.<br />
Abbildung 20: Umsatz und Reinergebnis der Fusi vom ersten<br />
Geschäftshalbjahr 1932 bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />
515 Vgl. SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai<br />
1934, S. 1.<br />
516 Vgl. SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai<br />
1934, S. 2.<br />
517 Das 18. Geschäftshalbjahr entspricht der Zeit von 1. November bis 1931 bis 30. April<br />
1932.<br />
Seite | 172
Vor dem Hintergrund der günstigen Rahmenbedingungen Anfang der<br />
dreißiger Jahre wurde das Produktionssortiment sukzessive erweitert.<br />
Infolgedessen nahm die Fusi die Fertigung von Wasserturbinen und<br />
Expansionsschaltern auf. Mit der Produktion der Fernsprechämter und<br />
Pupinspulen 518 wurde ebenfalls bereits Mitte 1932 in Kawasaki begonnen.<br />
Dort entstand eine etwa 1.800 m² große, einstöckige Fabrikhalle auf einem<br />
etwa 27.000 m² großen Grundstück. 519<br />
518 Pupinspulen – benannt nach ihrem Erfinder Michael Pupin – wurden in Abständen von<br />
einigen Kilometern zwischen Fernsprechkabeln eingezogen. Sie ermöglichten die<br />
Verständigung über weite Distanzen mittels Fernsprechern ohne, wie vor deren Erfindung<br />
nötig, dafür den Kabelquerschnitt stark erhöhen zu müssen.<br />
519 Die Fabrikhalle war 600 Tsubo groß, das Grundstück 9.000 Tsubo. Ein Tsubo sind circa<br />
3,03 m². Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom<br />
22. September 1939, S. 3.<br />
Seite | 173
Abbildung 21: Standorte der Fusi 1938<br />
Die neue Fabrik wurde im April 1933 fertiggestellt. Am 30. Mai 1935 wurde<br />
per Beschluss der Gesellschafterversammlung die Fusi Tsushinki Seizo<br />
Kabushiki Kaisha (Fusi-Fabrik für nachrichtentechnische Apparate) von der<br />
Fusi Denki unabhängig. 520 Das Vertriebsnetz konnte in den dreißiger Jahren<br />
weiter ausgebaut werden.<br />
Ferner gründeten die Fusi und die Fusi Tsushinki im August 1937 die Fusi<br />
Denki Kosho Kofun Yugen Koshi, eine gemeinsame Montagewerkstatt in<br />
Mukden. 521 Beide Unternehmungen waren paritätisch an dem neuen<br />
Unternehmen beteiligt, das „zur Erleichterung der Betriebsführung“ in der<br />
520 Vgl. SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki.<br />
521 Vgl. SAA 10848-3: Schreiben der CVU an Fusi vom 10. Mai 1938.<br />
Seite | 174
Rechtsform einer mandschurischen Gesellschaft gegründet wurde. 522 Die<br />
Werkstatt sollte den Zusammenbau von Motoren, kleinen Transformatoren<br />
und automatischen Telefonen betreiben und Reparaturen durchführen.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Fusi nach schwierigen<br />
Anfangsjahren seit Beginn der 1930er Jahre sehr erfolgreich am Markt<br />
agierte. Die Entscheidung für den Aufbau einer eigenen Produktion in Japan<br />
hatte sich als richtig erwiesen.<br />
1.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939<br />
1.3.2.1 Die Fusi Tsushinki<br />
Im Anschluss an ein erfolgreich ausgeführtes Projekt zur Verbindung der<br />
Strecke Osaka-Kyoto mit pupinisierten Kabeln im Jahre 1923 wurde zwischen<br />
der Furukawa Denki und der S&H am 18. Mai 1923 ein Vertrag geschlossen,<br />
der Furukawa Denki die Erfahrungen und Patente für die Fernkabeltechnik<br />
zusicherte. 523 In den Folgejahren lieferte die Furukawa Denki Fernkabel an<br />
das Postministerium, die mit importierten Pupinspulen 524 der S&H versehen<br />
wurden. Größter Konkurrent in diesem Geschäft war die Nippon Electric<br />
Company (NEC), die über amerikanische Lizenzen verfügte, die sie zur<br />
522 Vgl. SAA 10848-3: Schreiben der CVU an Fusi vom 10. Mai 1938.<br />
523 Vgl. SAA 9376: Übersicht Japan Verträge vom 4. März 1938, S. 1.<br />
524 Pupinspulen – benannt nach ihrem Erfinder Michael Pupin – wurden in Abständen von<br />
einigen Kilometern zwischen Fernsprechkabeln eingezogen. Sie ermöglichten die<br />
Verständigung über weite Distanzen mittels Fernsprechern ohne, wie vor deren Erfindung<br />
nötig, dafür den Kabelquerschnitt stark erhöhen zu müssen. Vgl. Feldenkirchen,<br />
Feldenkirchen, Siemens, S. 446.<br />
Seite | 175
Fertigung von Pupinspulen und -kästen befähigte. Somit war sie die einzige<br />
Unternehmung, die diese Produkte direkt in Japan fertigte. 525<br />
Um für mehr Wettbewerb am Markt zu sorgen, war das japanische<br />
Postministerium bestrebt, neben der Nippon Denki einen weiteren in Japan<br />
fertigenden Hersteller für Fernkabeltechnik – zunächst von Pupinspulenkästen<br />
– zuzulassen. 526 Die Furukawa Denki konnte aufgrund ihres fehlenden<br />
technischen Know-how die Fertigung nicht in Eigenregie durchführen,<br />
weshalb sie mit der S&H übereinkam, die Pupinspulenkästen künftig von der<br />
Fusi produzieren zu lassen. Für die Aufnahme der Produktion übertrug die<br />
Furukawa Denki am 14. Februar 1929 ihre Vertriebsrechte für die<br />
Fernkabeltechnik auf die Fusi. 527 Zur ersten Produktionsaufnahme sollte ein<br />
Fachmann der S&H die Technik zur Herstellung von Pupinspulenkästen bei<br />
der Fusi einführen. Die dafür erforderlichen Pupinspulen wurden, wie auch bei<br />
Furukawa Denki zuvor, von der S&H aus Deutschland bezogen.<br />
525 Die NEC entstand 1899 aus einer Werkstatt der Western Electric. Western Electric hielt<br />
eine Beteiligung von 54 Prozent. NEC produzierte und importierte Fernmeldetechnik. Vgl.<br />
Hoshimi, Transfer, S. 233.<br />
526 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 1.<br />
527 Vgl. SAA 9376: Übersicht Japan Verträge vom 4. März 1938, S. 2.<br />
Seite | 176
Abbildung 22: Meilensteine der Entwicklung der Fusi Tsushinki<br />
Für den notwendigen Know-how-Transfer war der Ingenieur Leichsenring<br />
vorgesehen, der im Januar 1929 in Japan eintraf. 528 Um die<br />
Funktionsfähigkeit der zu produzierenden Kästen kontrollieren zu können,<br />
verlangte das Postministerium von der Fusi zunächst die Ausführung eines<br />
kleinen Testauftrags, der dann von der Behörde überprüft werden sollte.<br />
Nachdem die deutsche Konstruktion und die Fertigungsmethoden der<br />
Pupinspulenkästen an den japanischen Markt angepasst worden waren, 529<br />
erfolgte im Frühsommer 1929 die erste Lieferung an das Ministerium. Die<br />
Prüfung verlief durchweg positiv und die Fusi wurde als weiterer Lieferant für<br />
Pupinspulenkästen („approved maker“) zugelassen. Es folgten weitere<br />
Aufträge zur Fertigung der neuen Technik.<br />
528 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 2.<br />
529 So machte das feuchtwarme Klima in Japan eine andere Konstruktion des Kastens<br />
notwendig. Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in<br />
Japan von 1929 bis 1938, S. 5 ff.<br />
Seite | 177
Bei späteren Nachfragen des Postministeriums, ließ man diese „im Glauben,<br />
dass die Fusi die Pupinspulen bereits selbst fertigen würde. Die Fusi musste<br />
sich also bemühen, diesen Zustand nun auch zu verwirklichen.“ 530 Um die<br />
Fertigung in Japan letztlich vollständig durchführen zu können, wurden neue<br />
Verhandlungen mit der S&H aufgenommen. Die S&H war dazu bereit und<br />
wollte, noch vor Abschluss einer offiziellen Vereinbarung, einen Fachmann<br />
aus Deutschland zum Aufbau der Fertigung nach Japan schicken. Als weitere<br />
Alternative schlug die Fusi vor, ihren Ingenieur Leichsenring nach<br />
Deutschland zu entsenden, um ihn mit der dortigen Produktion der<br />
Pupinspulen vertraut zu machen. Im Anschluss daran sollte Leichsenring die<br />
Produktion in Japan aufbauen. Letztlich entschieden sich die beiden Häuser<br />
für die zweite Alternative, weshalb Leichsenring im Dezember 1931 nach<br />
Deutschland reiste. 531<br />
Nur fünf Monate später, am 30. Mai 1932, konnte zwischen der S&H und der<br />
Fusi ein Pupinspulenfabrikationsvertrag geschlossen werden, der der Fusi die<br />
Fabrikation von Pupinspulen nach S&H-Patenten gestattete. 532 Nach<br />
Abschluss des Kontrakts kehrte Leichsenring im Juni 1932 wieder nach Japan<br />
zurück. 533 Trotz der Klärung der rechtlichen Aspekte verzögerte sich das<br />
Anlaufverfahren der Fertigung von Pupinspulen in Japan aufgrund<br />
technischer Schwierigkeiten, sodass erneut Pupinspulen bei Siemens bestellt<br />
530 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 9, und SAA 54/Ld 192: Essential Points of Conversation with Mr. Shindo<br />
of the Dept. of communication on 8 th May 1930, S. 1 ff.<br />
531 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 10.<br />
532 Es ist anzunehmen, dass die Fusi der S&H dafür Lizenzgebühren entrichtete; Angaben<br />
dazu finden sich aber nicht in den Quellen. Mit gleichem Datum wurde auch ein weiterer<br />
Vertrag zwischen der S&H und der Furukawa Denki geschlossen, in welchem die<br />
Furukawa Denki dem Vertrag zwischen der S&H und der Fusi zustimmte. Vgl. SAA 9376:<br />
Übersicht Japan Verträge, S. 1.<br />
533 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 10.<br />
Seite | 178
werden mussten. 534 Obwohl die Fusi die Auflagen der „domestic products“<br />
nicht einhalten konnte, wurden die Staatsaufträge für Pupinspulenkästen vom<br />
Postministerium zwischen der Nippon Denki und Fusi verteilt. 535 Die Nippon<br />
Denki erhielt 55 bis 60 Prozent der Aufträge die Fusi zwischen 40 und 45<br />
Prozent. 536 „Erst im Verlauf des Jahres 1933 kam die Spulenwickelei [die<br />
Fertigung von Pupinspulen] auf die vorgesehene Leistung.“ 537 So gelang es<br />
der Fusi, die technischen Anfangsschwierigkeiten zu beseitigen, und das<br />
japanische Unternehmen war fortan nicht mehr darauf angewiesen die<br />
Pupinspulen von S&H zu beziehen.<br />
Parallel zu den Verhandlungen über die Pupinspulen und -kästen plante die<br />
Fusi, ihre Produktpalette sukzessive zu erweitern. So zeigte die Fusi starkes<br />
Interesse an der Fertigung automatischer Fernsprechämter. 538 Daraufhin<br />
534 Die Eigenfertigung verzögerte sich, da die bestellten Maschinen aus Deutschland erst<br />
hergestellt und verschifft werden mussten. Einige Fertigungsanlagen wollte die Fusi selbst<br />
erstellen, was weitere Zeit in Anspruch nahm. Auch das Anlernen der Arbeiter durch<br />
Leichsenring gestaltete sich schwierig, da er dazu Dolmetscher benötigte. Vgl. SAA 7894:<br />
Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von 1929 bis 1938, S.<br />
10 ff.<br />
535 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 12.<br />
536 Laut Leichsenring wurden die Aufträge vom Postministerium in diesem Verhältnis<br />
vergeben. Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in<br />
Japan von 1929 bis 1938, S. 12. Ein Schaubild der verschiedenen Firmen der japanischen<br />
Elektroindustrie von 1938 zeigt zwischen der Furukawa Denki und der Nippon Denki eine<br />
gestrichelte Linie mit der Aufschrift: Lose Vereinbarung zu Pupinspulen und einen Pfeil mit<br />
der Aufschrift 55Prozent in Richtung der Nippon Denki. Vgl. SAA 9376: Bindungen in der<br />
japanischen Elektroindustrie, Stand Januar 1938. Es ist also zu vermuten, dass die vom<br />
Postministerium vorgenommen Aufteilung der Pupinspulen Aufträge, auf einer<br />
Kartellvereinbarung beider Firmen beruht.<br />
537 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 13.<br />
538 Vgl. Kudo, Japanese, S. 170 ff. und S. 185 ff. Das Telefongeschäft war seit Beginn der<br />
Zusammenarbeit zwischen Siemens und Furukawa ein ständiges Streitthema. Da<br />
Siemens im Jahr 1921 eine Aufteilung des japanischen Marktes mit Western Electric<br />
Seite | 179
fanden im Mai 1930 zwischen dem japanischen Postministerium und der Fusi<br />
Gespräche über die Errichtung einer weiteren Fabrik zur Produktion<br />
automatischer Fernsprechämter statt. Am 7. Mai 1930 bat Shindo, Chef der<br />
Einkaufsabteilung des Postministeriums, die Fusi um eine Unterredung, die<br />
bereits am 8. Mai mit Wada und Nakamigawa von der Fusi abgehalten wurde.<br />
An dem Gespräch nahm auch Kitazawa, Chef des Telefoneinkaufs des<br />
Postministeriums, teil. Shindo forderte Auskünfte bezüglich der<br />
Eigentümerstruktur und Unternehmensführung der Fusi im Hinblick auf die<br />
Förderung einheimischer Produkte („domestic products“) durch das<br />
Postministerium. Wada erklärte, die Fusi sei zu 70 Prozent im Besitz von<br />
Japanern, 40 Prozent der Aktien gehörten dem Furukawa-Konzern und die<br />
Firma stehe unter japanischer Leitung. Allerdings seien auch Deutsche an der<br />
Geschäftsführung beteiligt. Alle Produktionsmaterialien seien japanischer<br />
Herkunft („of home origin“), bis auf wenige Ausnahmen, die unvermeidlich aus<br />
Deutschland importiert werden müssten.<br />
Wada erklärte, die Fusi wolle in der Zukunft auch Telefone und<br />
Fernsprechämter in Japan produzieren, und fragte nach der grundsätzlichen<br />
Position des Postministeriums dazu. Das Ministerium plante für die<br />
kommenden Jahre, eine Vielzahl automatischer und manueller<br />
Fernsprechämter zu errichten. Der Bedarf würde wahrscheinlich durch die in<br />
Japan produzierenden Firmen Nippon Denki und Oki gedeckt werden, die ihre<br />
vereinbart hatte, war das Telefongeschäft vom Joint Venture ausgeklammert worden und<br />
Furukawa hatte eine eigene kleine Telefonfabrik errichtet. Nachdem diese beim Kanto-<br />
Erdbeben zerstört wurde, wurde bei Gesprächen im November 1924 mit Hermann Reyss<br />
das Telefongeschäft erneut diskutiert. Zur Unterstützung der finanziell angeschlagenen<br />
Fusi wurden die Vertriebsrechte für das Telefongeschäft auf die Fusi zu übertragen. Eine<br />
eigene Produktion in Japan wurde aber von S&H abgelehnt. Infolge dessen kam es Ende<br />
der 1920er Jahre zu mehreren Konferenzen und Verhandlungen zwischen der S&H und<br />
der Fusi über den Aufbau einer Produktion für Telefonausrüstung in Japan. Die<br />
Verhandlungen verliefen allerdings ergebnislos.<br />
Seite | 180
Fernsprechämter basierend auf dem Strowger-System 539 etabliert hatten.<br />
Würde die Fusi versuchen, das Siemens-System zusätzlich auf dem<br />
japanischen Markt einzuführen, so dürften die Produktionskosten der Fusi<br />
nicht teurer sein als die der beiden Wettbewerber. Zudem müssten die<br />
Fernsprechämter zwingend in Japan hergestellt werden und den Regeln für<br />
„domestic products“ entsprechen. 540<br />
Unter dieser Prämisse wurde der Fusi der Auftrag für das automatische<br />
Fernsprechamt Minami, Osaka, vom Postministerium 1932 erteilt. 541 Laut<br />
Wada blieb der Fusi hier „nichts anderes übrig, als durch Herrn Yoshimura die<br />
Zusage zu geben, künftig in Japan hergestellte Erzeugnisse zu liefern, in der<br />
Hoffnung, von Siemens dafür die Genehmigung zu bekommen.“ 542 S&H war<br />
jedoch zunächst weiterhin nicht bereit, der Fusi die Produktion automatischer<br />
Fernsprechämter zu gestatten. Das japanische Unternehmen entsandte<br />
daraufhin Direktor Ogino Gentaro nach Berlin. 543 Ogino gelang es in weiteren<br />
Verhandlungen, S&H von der Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen<br />
Produktion zu überzeugen und die fehlenden Produktionsgenehmigungen zu<br />
erhalten. 544<br />
Nach Erhalt der Rechte hatte die Fusi im März 1932 mit der Produktion<br />
automatischer Fernsprechzentralanlagen begonnen. 545 Aufgrund der<br />
539 Der technische Autodidakt Almon B. Strowger hatte 1892 intuitiv den Hebdrehwähler als<br />
zentrales Bauelement selbsttätiger Fernsprechvermittlung erkannt. Vgl. Feldenkirchen,<br />
Siemens, S.446.<br />
540 Vgl. SAA 54/Ld 192: Essential Points of Conversation with Mr. Shindo of the Dept. of<br />
communication on 8 th May 1930, S. 1 ff.<br />
541 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />
1939, S. 2 f.<br />
542 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49.<br />
543 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49.<br />
544 Vgl. Kudo, Japanese-German, S. 201–204. Ogino überzeugte S&H, das ohne eine eigene<br />
Produktion keine Aufträge des Kommunikationsministeriums zu erhalten waren.<br />
545 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />
1939, S. 3.<br />
Seite | 181
mangelnden Erfahrung und Kenntnisse über die Produktionsprozesse<br />
verliefen diese jedoch nicht planmäßig. 546 Daraufhin entsandte die Fusi im<br />
Mai 1932 drei japanische Angestellte zu S&H nach Berlin, um sie dort<br />
ausbilden zu lassen und ihnen das nötige Know-how zu vermitteln. 547<br />
Die Produktion der Pupinspulen und Fernsprechämter in Japan begann ab<br />
Mitte des Jahres 1932. Geplant war, eigens dafür in Kawasaki, westlich der<br />
Hauptfabrik der Fusi, eine neue Fabrikhalle zu errichten. Dort entstand eine<br />
etwa 1.800 m² große, einstöckige Fabrikhalle auf einem 27.000 m² großen<br />
Grundstück. 548 Letztlich konnte die neue Fabrik bereits im April 1933<br />
fertiggestellt werden. Hier wurde die Fertigung von automatischen<br />
Fernsprechämtern und Pupinspulen aufgenommen, die sich nun nach<br />
Überwindung der Anlaufschwierigkeiten gut entwickelte. Die Fabrik<br />
beschäftigte anfänglich 245 Mitarbeiter. 549<br />
Durch Kursverluste des Yen und immer umfassendere Local-Content<br />
Forderungen entwickelte sich bei der Fusi zunehmend der Entschluss, weitere<br />
Produkte direkt in Kawasaki zu fertigen. 550 Die Furukawa Denki produzierte<br />
Fernsprechkabel aller Art, die Fusi fertigte bereits Pupinspulen und -kästen<br />
546 „Aber sie [die Fusi] war arm an Erfahrung um die ganzen Präzisionsteile herzustellen.“ Vgl.<br />
SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September 1939,<br />
S. 3.<br />
547 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />
1939, S. 3. Diese drei Angestellten waren Goro Tsuru, Shigo Shinoda und Jisuke<br />
Yamagishi. Sie kehrten im Februar 1933 wieder nach Japan zurück. Vgl. hierzu SAA 9925:<br />
Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49.<br />
548 Die Fabrikhalle war 600 Tsubo groß, das Grundstück 9000 Tsubo. Ein Tsubo sind circa<br />
3,03 m². Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22.<br />
September 1939, S. 3.<br />
549 Vgl. Kudo, Japanese, S. 205.<br />
550 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 14. Durch die Kursverluste waren importierte Güter auf dem japanischen<br />
Markt zunehmend schwierig abzusetzen.<br />
Seite | 182
sowie automatische Fernsprechämter. Für die Ausstattung eines kompletten<br />
Fernkabels mussten noch Fernkabelverstärker und Trägerfrequenzgeräte 551<br />
für Freileitungen und Kabel von der S&H aus Deutschland importiert<br />
werden. 552 Letztlich sollte diese noch fehlende Technik ebenfalls in Japan<br />
produziert werden können.<br />
Im März 1934 wurde daher Wada, ein Direktor der Fusi, nach Deutschland<br />
entsandt, um mit den ebenfalls in Berlin anwesenden Vorstandsvorsitzenden<br />
der NEC und der Tokio Electric über eine Aufteilung des japanischen<br />
Kommunikationsmarktes sowie eine Ausweitung der Produktionspalette zu<br />
verhandeln. 553 Nachdem ein Abkommen mit der Konkurrenz erzielt worden<br />
war, gelang es Wada in weiteren schwierigen Verhandlungen, 554 die Erlaubnis<br />
für eine Produktion weiterer Siemens-Produkte in Japan, zu erhalten. 555 In der<br />
551 Trägerfrequenzgeräte ermöglichen eine höhere Ausnutzung der Fernkabel. Es konnten so<br />
beispielsweise mehr Gespräche durch ein Kabel übertragen werden.<br />
552 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 14.<br />
553 Vgl. Kudo, Japanese, S. 207 ff.<br />
554 Wada zu den Verhandlungen: „Der hiesigen Herstellung [also der Produktion in Japan]<br />
gingen stets schwierige Verhandlungen voraus. Erst durch die Änderung der Lage nach<br />
dem zweiten Weltkrieg wurden die Verhandlungen mit Siemens viel einfacher.“ Vgl. SAA<br />
9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 46.<br />
555 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49 sowie Kudo, Japanese, S.206. Bei<br />
der Marktaufteilung wurde zwischen der NEC und Siemens eine Ratio von 70:30<br />
festgelegt. Ferner wurde die gegenseitige Nutzung bestimmter Patente vereinbart. Mit der<br />
Tokyo Denki wurde vereinbart, das diese das Geschäftsfeld der drahtlosen<br />
Kommunikation bearbeiten sollte, und die Fusi die drahtgebundene Kommunikation.<br />
Desweiteren wurde ein Aktientausch beschlossen. So wurde Anfang 1936 ein<br />
Aktientausch durchgeführt. Die Fusi übertrug der Tokio Denki ein Aktienpaket in Höhe von<br />
20 Prozent die sie an der Fusi Tsushinki hielt. Im Gegenzug erhielt die Fusi 20 Prozent der<br />
Aktien von der Tokio Denki Musen K. K., eine der Schwachstromtöchter der Tokio Denki.<br />
Die Wertdifferenz von 54.000 Yen glich die Fusi durch Barzahlung aus. Diese<br />
Überkreuzbeteiligung wurde bis 1938 auf jeweils 30 Prozent erhöht. Vgl. Kudo,<br />
Japanese,S. 209, und SAA 11/Lg 498: Aktennotiz vom 9. Semester 1936, sowie SAA<br />
9376: Übersicht Beteiligungen der Fusi.<br />
Seite | 183
Folge wurden verschiedene Fabrikationsverträge geschlossen. 556 Noch vor<br />
Ende des Jahres 1935 nahm die Fusi Tsushinki die Fabrikation der neuen<br />
Produkte auf. 557<br />
Am 30. Mai 1935 wurde per Beschluss der Gesellschafterversammlung die<br />
Fusi Tsushinki Seizo Kabushiki Kaisha (Fusi-Fabrik für nachrichtentechnische<br />
Apparate) aus der Fusi Denki ausgegründet 558 und erhielt ihre volle<br />
gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit. 559 Das Eigenkapital der neuen<br />
Unternehmung betrug 3 Millionen Yen und wurde von der Fusi Denki in voller<br />
Höhe eingezahlt. Dafür wurden die 1933 fertiggestellte Schwachstromfabrik,<br />
in der 1935 bereits circa 700 Mitarbeiter beschäftigt waren, und das gesamte<br />
zugehörige Schwachstromgeschäft, einschließlich Patenten, Lager und<br />
Kundschaftsforderungen von der Fusi auf die Fusi Tsushinki übertragen.<br />
Neuer Präsident wurde Yoshimura, der auch das Amt des Präsidenten bei der<br />
Fusi innehatte. Die Ämter der Direktoren übernahmen Ohyama, ein ranghoher<br />
556 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />
1929 bis 1938, S. 14, und SAA 9736: Übersicht Japan Verträge, S. 1. Zunächst einigten<br />
sich die S&H und die Fusi am 15. September 1934 auf den Abschluss eines Verstärker-<br />
Fabrikationsvertrages. Ergänzt wurde dieser am 21. März 1935 durch den noch offen<br />
stehenden Trägerfrequenz-Fabrikationsvertrag. Die Fusi hielt nun im Frühjahr 1935 alle<br />
Genehmigungen von Siemens, um im kompletten Fernkabelsystem aktiv zu werden und<br />
letztlich die Produktion in Eigenregie zu führen.<br />
557 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />
1939, S. 5. Auch in anderen Schwachstrombereichen übernahm die Fusi Tsushinki<br />
weitere Siemens Technik zur Fabrikation in Japan. Am 1. Dezember 1934 wurde in Berlin<br />
ein Lizenzvertrag zur Mitbenutzung der Patente des Siemens Autopiloten Flugreglers zur<br />
Kurssteuerung von Militärflugzeugen zwischen der Fusi und der Siemens Apparate und<br />
Maschinen GmbH abgeschlossen. Um die Nutzung und Konstruktion dieser neuen<br />
Technik in Japan einzuführen, wurde der Ingenieur Hans Heilbronn für mehrere Jahre<br />
nach Tokio gesandt. Vgl. SAA 9736: Übersicht Japan Verträge, S. 2, und SAA 68/Li 151:<br />
Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 33.<br />
558 Vgl. Kudo, Japanese, S. 211. Der Grund der Ausgründung ist aus den Quellen nicht<br />
ersichtlich.<br />
559 Vgl. SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki.<br />
Seite | 184
Mitarbeiter des Postministeriums und Rokusho, der frühere Chef des Osaka-<br />
Büros und jetzige Chef des General-Büros der Fusi.<br />
Die Geschäftstätigkeit der Fusi Tsushinki entwickelte sich positiv, und bereits<br />
Ende des ersten Geschäftshalbjahres im 30. September 1935 konnte eine<br />
Dividende von 60.000 Yen ausbezahlt werden. Kurz zuvor war am<br />
28. September das Aktienkapital der Fusi Tsushinki um 3 Millionen Yen auf<br />
6 Millionen Yen erhöht worden, von denen die ersten 750.000 Yen am<br />
3. Dezember 1935 eingefordert wurden. 560 Das Geschäft der Fusi entwickelte<br />
sich weiter positiv. 561 Der Umfang der erzeugten Schwachstromartikel stieg<br />
von knapp 1 Million Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1935 auf 4,8 Millionen<br />
Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1940.<br />
Abbildung 23: Umsatz der Fusi Tsushinki vom ersten Geschäftshalbjahr 1935<br />
bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />
560 Vgl. SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki Aktienkapital und Kudo, Japanese-German,<br />
S.211.<br />
561 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />
1939, S. 5. Die Fusi Tsushinki wurde im August 1937 als offizieller Lieferant des<br />
Postministeriums Telefon-Anlagen und Telefonzwischenverstärkeranlagen anerkannt.<br />
Seite | 185
Infolgedessen plante die Fusi, eine neue Schwachstromfabrik zu errichten.<br />
Dafür wurde bereits im Dezember 1936 ein etwa 100.000 m² großes<br />
Grundstück erworben. Dieses lag etwa 11 km nördlich des bestehenden<br />
Werks in Kawasaki am Nakhara-Bahnhof der Nabubahn. 562 Ein solcher<br />
Umzug war nötig geworden, da die Kawasaki-Fabrik unweit der Seeküste lag<br />
und besonders in der Regenzeit die Fabrikate und Rohstoffe unter der starken<br />
Nässe litten. Zudem befürchtete das Fusi-Management, dass Arbeitskämpfe<br />
in der direkt benachbarten Starkstromfabrik der Fusi jederzeit auf die Fusi<br />
Tsushinki übergreifen könnten. 563 Um die Baukosten von etwa 1,5 Millionen<br />
Yen zu decken, führte die Fusi weitere Einforderungen auf ihr ausstehendes<br />
Aktienkapital durch. 564 Zusätzlich wurde am 30. Oktober 1937 das<br />
Grundkapital der Fusi um 5 Millionen Yen erhöht, um dadurch die<br />
entstehenden Baukosten der Tochtergesellschaft zu finanzieren. Bei dieser<br />
Erhöhung wurden Siemens, wie im Mai 1921 zugesichert, 5 Prozent als<br />
Freiaktien zur Verfügung gestellt. 565 Siemens beteiligte sich über die<br />
5 Prozent Freiaktien hinaus mit weiteren 25 Prozent an der Kapitalerhöhung<br />
und hielt somit wie zuvor einen Anteil von 30 Prozent an der Fusi. 566<br />
1.3.2.2 Die Goto Fuundo<br />
Der Vertrieb der Medizintechnik der S&H wurde im Jahr 1923 zunächst von<br />
der Fusi übernommen.<br />
562 Das Grundstück lag an der Haltestelle Nakahara der Nabu-Bahn. Vgl. SAA 11/Lg 498:<br />
Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25. Januar 1937, S. 3.<br />
563 Vgl. SAA 11/Lg 498: Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25.<br />
Januar 1937, S. 3.<br />
564 Die Einforderungen erfolgten auf Vorstandsbeschluss vom 22. Januar und vom 21. April<br />
1937. Eingefordert wurden jeweils 750.000 Yen, sodass der Fusi Tsushinki die für den<br />
Bau der Nakahara Fabrik benötigten 1,5 Millionen Yen zuflossen.<br />
565 Vgl. SAA 11/Lg 498: Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25.<br />
Januar 1937, S. 10, und SAA 9376: Fusi Übersichten, Siemens Anteile am Aktienkapital<br />
der Fusi.<br />
566 Vgl. SAA 9376: Übersichten Fusi, Aktienkapital.<br />
Seite | 186
Im Jahr 1924 übernahm S&H das Unternehmen Reiniger, Gebbert und Schall<br />
(RGS), die in Japan seit 1908 durch die Firma Goto Fuundo 567 vertreten<br />
wurde, und gründete die Medizintechnikvertriebsfirma Siemens-Reiniger-Veifa<br />
GmbH (SRV). 568 Infolgedessen wurde der gesamte Vertrieb der Siemens-<br />
Medizintechnik auf die Goto Fuundo übertragen. 569<br />
1932 vereinbarten die Goto Fuundo und die mittlerweile fusionierten Siemens-<br />
Reiniger-Werke (SRW), angesichts einer immer stärkeren Förderung<br />
japanischer Produkte durch die Regierung und einer damit einhergehend<br />
aufstrebenden japanischen Konkurrenz, in Japan eine<br />
Fabrikationsgesellschaft zur Herstellung von Röntgenapparaten zu errichten.<br />
Die Gesellschaft sollte über ein Grundkapital von 400.000 Yen verfügen. Die<br />
Patente und Erfahrungen, die Siemens einbrachte, wurden dabei mit 200.000<br />
Yen bewertet, während die Goto Fuundo 200.000 Yen als Betriebskapital<br />
einbrachte. 570 Als Standort der neuen Fabrik wählten die Verantwortlichen den<br />
Tokioter Stadtteil Urawa. Dort wurden ab 1935 Röntgenapparate zur<br />
Diagnose und Therapie hergestellt. 571 Das Geschäft verlief erfolgreich. 572<br />
567 Vgl. SAA 16091: History of Siemens Medical activities in Japan, S. 10.<br />
568 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 369 ff.<br />
569 Vgl. SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Veifa und Goto Fuundo, 1. Januar 1925, und<br />
SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Phönix AG und Goto Fuundo, 20. Februar 1924,<br />
sowie SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen RGS und Goto Fuundo, 1. Januar 1924. Auch<br />
die Fusi übertrug ihre Gründungsvertrag von 1923 erworbenen Vertriebsrechte für<br />
Medizintechnik an die Goto Fuundo. Dafür verzichtete die Goto vorerst auf eine eigene<br />
Fabrik und die Fusi erhielt im Gegenzug Fabrikationsrechte und Lizenzen der SRV. Der<br />
Vertrag lief bis 1931. Vgl. hierzu SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Fusi und Goto<br />
Fuundo, 1. Mai 1926, und SMA 7610 3-3-06,:Vertrag Fusi mit SRV, 1. Mai 1927.<br />
570 Vgl. SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Goto Fuundo und Siemens-Reiniger-Veifer<br />
Gesellschaft, 30. Juni 1932.<br />
571 Vgl. SAA 16091: History of Siemens Medical activities in Japan, S. 16.<br />
572 Vgl. SMA 7610 3-3-06: Aktennotiz Gegenwärtiger Stand des SRW-Geschäfts in Japan,<br />
Berlin 4. Januar 1939.<br />
Seite | 187
in Yen<br />
500.000<br />
450.000<br />
400.000<br />
350.000<br />
300.000<br />
250.000<br />
200.000<br />
150.000<br />
100.000<br />
50.000<br />
0<br />
Abbildung 24: Umsatz der Goto Fuundo<br />
1.3.2.3 Bedeutende Aufträge bis 1939<br />
Die nachfolgenden Abbildungen in Tabellenform gibt Aufschluss über einige<br />
ausgewählte Projekte in der Zwischenkriegszeit. Bei der Betrachtung dieser<br />
müssen einige Aufträge hervorgehoben werden. So wurden 1924/25 zwei<br />
Turbinensätze von je 25 MW gekoppelt mit Escher-Wyss-Turbinen für die<br />
Nippon Denryoko K. K. in Amagasaki bestellt und in Betrieb gesetzt. Damit<br />
war diese Anlage mit den damals größten Dampfturbo-Aggregaten in Japan<br />
ausgestattet. 573<br />
Importe<br />
Lokale Produktion<br />
1933 1934 1935 1936 1937 1938<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach SMA 7610 3-3-06.<br />
573 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1925. Die Festschrift führt dazu an, diese Generatoren seien die ersten<br />
gewesen, die 1924 von der Fusi im Kawasaki Werk hergestellt wurden. Vgl. SAA 68/Li<br />
151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 32 f. Diese Angabe ist wahrscheinlich<br />
falsch. Das Kawasaki Werk nahm zum einen erst 1925 die Produktion auf. Es ist zum<br />
anderen wenig glaubhaft, dass dort - selbst wenn 1924 bereits produziert worden sein<br />
Seite | 188
Abbildung 25: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 1<br />
Für die Aidzu Denryoko K. K. wurde das Wasserkraftwerk Higashiyama 1926<br />
fertiggestellt. Dieses Kraftwerk war das erste bedienungslose<br />
Wasserkraftwerk, das die SSW nach Übersee lieferte. Die Anlage wurde von<br />
der Fusi allein, ohne Hilfe aus Deutschland, in Betrieb gesetzt. 1927 wurden<br />
sollte – unmittelbar mit der Produktion des größten Generators Japans begonnen worden<br />
wäre.<br />
Seite | 189
vier Drehstrom-Generatoren mit je 36.000 kVA für das Shoko-<br />
Wasserkraftwerk von der Chosen Suiden K. K. bestellt. 574 Da die Generatoren<br />
in unerschlossener Umgebung aufgestellt werden sollten, ein Transport also<br />
nicht möglich war, mussten die Generatoren vor Ort gewickelt werden. Die<br />
Siemens-Schuckert-Werke entsandten dafür vier extra geschulte Mitarbeiter<br />
aus Deutschland. Die Anlage wurde 1930 in Betrieb genommen. Insgesamt<br />
wurden zwischen 1921 und 1930 43 Turbogeneratoren nach Japan<br />
geliefert. 575<br />
Abbildung 26: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 2<br />
574 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1928.<br />
575 „Nachdem zahlreiche Wasserkraftwerke ausgebaut worden waren, verlangte die<br />
Regierung den Ausbau von Dampfkraftreserven, damit im Kriegsfalle die Rüstung nicht<br />
durch einen trockenen Sommer gefährdet werden [könnte]. So kam es zum Bau vieler<br />
großer Dampfkraftwerke. Trotz starker Konkurrenz konnten die SSW sich einen guten<br />
Anteil an diesen Bestellungen sichern.“ Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum<br />
Japangeschäft der Firma Siemens von 1943, Chronik der Jahre 1921–37.<br />
Seite | 190
Die Fertigung der Generatoren für das Yalu Wasserkraftwerk der Oryokuko<br />
Suiryoku Hatsuden K. K. Dairen war der wohl prestigeträchtigste Auftrag des<br />
Japangeschäftes. 1937 wurden vier Generatoren zu je 100.000 kVA bestellt.<br />
Die Generatoren waren zu groß, um im Kawasaki Werk der Fusi gebaut zu<br />
werden, sondern mussten in Deutschland gefertigt werden. Es waren die<br />
größten bis dahin in Europa gebauten Generatoren. 576 Während der Fertigung<br />
der Generatoren brach der Zweite Weltkrieg aus, weshalb nur ein Generator<br />
1941 mit einem Blockadebrecher unbeschadet nach Korea gebracht und dort<br />
auch montiert werden konnte. 577<br />
Innerhalb des Industriebereichs machten kleinere Kraftanlagen einschließlich<br />
Transformatoren und Gleichrichtern für Industriebetriebe den größten Teil am<br />
Umsatz aus. Die 1926 für die von der Kyoto Dento hergestellte Fukai-Station<br />
gelieferte Freiluft-Transformatoren-Station und Freiluftschaltanlage mit 33 kV<br />
war die erste Freiluftschaltanlage, die Siemens überhaupt fertigte. 578 Die<br />
Entwicklung war von der SSDKK angestoßen worden. Da in Japan bereits<br />
Freiluftschaltanlagen aus den USA in Betrieb waren, forderte die SSDKK die<br />
Ausführung der vorhandenen SSW-Schaltanlagen für die Aufstellung im<br />
Freien. Der Auftrag wurde von der Abteilung Übersee hoch subventioniert,<br />
„weil die Werke sämtliche Entwicklungskosten auf diesen einen Auftrag<br />
aufschlugen.“ 579<br />
1938 wurde von der Nippon Light Metal Co. aus Kambara eine vollständige<br />
Großgleichrichteranlage, bestehend aus 26 Gleichrichtern für je 6.000<br />
Ampere und 700 Volt sowie 13 Transformatoren mit 11 kV<br />
Anschlussspannung, gefertigt. Die Anlage wurde 1939 geliefert und 1940 in<br />
576 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1943.<br />
577 Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 34.<br />
578 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1926.<br />
579 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1926.<br />
Seite | 191
Betrieb genommen. Die Verschiffung erfolgte bereits während des Kriegs mit<br />
Blockadebrechern. 2 Gleichrichter und 3 Trafos, die nicht mehr mitgenommen<br />
werden konnten, wurden per Eisenbahn über Sibirien nachgesandt. 580<br />
Da die Textilindustrie auch in der japanischen Wirtschaftskrise gute<br />
Einnahmen erzielte, war sie ein weiterer Hauptabnehmer des<br />
Industriebereichs. 581 So konnten für die Textilindustrie zwischen 1926 und<br />
1931 13.800 Spinntopfmotoren geliefert werden. Eine Neukonstruktion der<br />
SSW setzte sich in der Kunstseidenspinnerei durch und „führte dort zu einem<br />
großen Geschäft.“ 582<br />
1.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und der<br />
Geschäftsergebnisse<br />
Nachdem die SSDKK während des Ersten Weltkriegs keine Geschäfte<br />
abgewickelt hatte erzielte sie im ersten Geschäftsjahr nach dem Krieg<br />
1920/21 einen Umsatz von 95.000 Yen. Der Umsatz stieg schnell wieder auf<br />
das Vorkriegsniveau von circa 3,8 Millionen Yen. Der außergewöhnlich starke<br />
Umsatzanstieg auf 6 Millionen Yen erklärt sich durch eine große<br />
Anlagenlieferung für das Ujigawa-Wasserkraftwerk. 583<br />
580 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1939.<br />
581 Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1920/21, S. 7 ff.<br />
582 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik der Jahre 1926–31.<br />
583 Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1923/24, S. 3.<br />
Dieses Geschäftsgebiet war zwar grundsätzlich schon an die Fusi übertragen, da der<br />
Auftragseingang jedoch vor der Übertragung an die Fusi erfolgte, wurde dieser noch über<br />
die SSDKK fakturiert.<br />
Seite | 192
Abbildung 27: Umsatz und Reingewinn der SSDKK vom Geschäftsjahr 1918/19<br />
bis zum Geschäftsjahr 1937/38<br />
Infolge der Übertragung des Telefongeschäfts an die Fusi sank der Umsatz<br />
der SSDKK dann allerdings auf 2,3 Millionen Yen im Geschäftsjahr 1926/27.<br />
Im Geschäftsjahr 1927/28 fiel der Umsatz erneut stark auf 246.000 Yen,<br />
nachdem die im Rahmen der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union (SRSU)<br />
gegründete Stahlabteilung ausgegliedert worden war. Der Umsatz stieg bis<br />
1929/30 wieder auf knappe 988.000 Yen an, um 1930/31 wegen der<br />
Übertragung des Geschäfts mit Pupinspulen auf die Fusi und den Folgen der<br />
Weltwirtschaftskrise wieder auf 252.000 Yen zu fallen. Der Anstieg auf<br />
414.000 Yen im folgenden Geschäftsjahr 1931/32 erklärt sich durch die<br />
Übernahme des Klangfilm-Vertriebs, der bereits im ersten Jahr 240.000 Yen<br />
zum Umsatz beitrug.<br />
Der Anstieg des Umsatzes seit 1933/34 resultiert aus einer Zunahme der<br />
Auftragseingänge infolgeder guten Binnenkonjunktur in Japan sowie<br />
Mandschuko.<br />
Seite | 193
Das Geschäft der SSDKK war nicht profitabel. In den Geschäftsjahren von<br />
1918/19 bis 1922/23 wurde jedes Jahr ein Verlust deutlich über 100.000 Yen<br />
ausgewiesen, da trotz des ruhenden beziehungsweise erst wieder<br />
beginnenden Geschäftsbetriebs Gehälter und Mieten Kosten verursachten.<br />
Ab dem Geschäftsjahr 1926/27 gelang es der SSDKK wieder, kostendeckend<br />
zu arbeiten. Meistens wies die SSDKK kleinere Reingewinne zwischen<br />
100 Yen und 35.000 Yen aus.<br />
Abbildung 28: Umsatzverteilung der SSDKK 1931 bis 1938<br />
Die Umsatzverteilung der SSDKK zeigt starke Schwankungen in den<br />
einzelnen Bereichen, die aus den häufig wechselnden Zuständigkeiten für die<br />
Geschäftsbereiche oder größeren Aufträgen resultieren.<br />
Abbildung 29 zeigt auch, dass die Produkte der Stammhäuser S&H und SSW<br />
auch nach der Übertragung weiterer Geschäftsbereiche an die Fusi mit stets<br />
über 70 Prozent den größten Teil der SSDKK-Umsätze ausmachten. Der<br />
Seite | 194
Klangfilmvertrieb trug zwischen 4 und 23 Prozent zum Umsatz bei, der<br />
Vertrieb der Telefunken bis zu 7 Prozent. Die anderen Geschäftsbereiche sind<br />
in Relation dazu fast bedeutungslos. 584<br />
Die Umsätze der Fusi stiegen zunächst kontinuierlich an. Der Umsatz wuchs<br />
bis auf 5,9 Millionen Yen im 2. Geschäftshalbjahr 1926 und der<br />
Bestelleingang auf fast 5,6 Millionen Yen im 1. Geschäftshalbjahr 1927. Der<br />
Umsatzeinbruch auf 4 Millionen Yen ab 1927 lässt sich auf die japanische<br />
Finanzkrise zurückführen. Bis 1928 hatte der Umsatz die 5 Millionen Yen<br />
Grenze wieder überschritten, doch durch die Weltwirtschaftskrise brachen<br />
Umsätze und Auftragseingänge ab 1929 erneut stark ein und erreichten ihren<br />
Tiefpunkt mit 2,4 Millionen Yen Umsatz im 2. Geschäftshalbjahr 1931.<br />
Abbildung 29: Umsatz der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis zum<br />
ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />
584 Vgl. SAA 17/Lc 320: SSDKK-Bilanzen 1920–1931, und SAA 6046: Bilanz der SSDKK<br />
1932, sowie SAA 8155: SSDKK-Bilanzen 1933–1941.<br />
Seite | 195
In den folgenden Jahren profitierte die Fusi von der steigenden Nachfrage<br />
aufgrund staatlicher Investitionsprogramme, den Vorteilen des Satsuki-Kai-<br />
Kartells sowie den Infrastrukturprojekten in Mandschuko und Korea. Diese<br />
Faktoren führten zu einem deutlichen Umsatzanstieg. Wurde im ersten<br />
Geschäftshalbjahr 1932 noch ein Umsatz von 2,6 Millionen Yen erzielt, so<br />
verzehnfachte sich dieser auf 20,9 Millionen Yen im Jahr 1939.<br />
Abbildung 30: Reinergebnis der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis<br />
zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />
Trotz der positiven Umsatzentwicklung erwirtschaftete die Fusi bis zum Jahr<br />
1932 nur Verluste. Der hohe Verlustzuwachs 1925 erklärt sich durch die<br />
anlaufende Produktion der Kawasaki-Fabrik. Infolgedessen stand die Fusi vor<br />
dem Bankrott und konnte nur durch die in Kapitel 2.3.2.2 beschriebene<br />
finanzielle Hilfe von Siemens gerettet werden. Erst mit den deutlich<br />
steigenden Umsätzen ab dem Jahr 1932 wurden Gewinne erzielt. Die<br />
Reinergebnisse stiegen von 13.000 Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1932 auf<br />
fast 2,9 Millionen Yen im zweiten Geschäftshalbjahr 1939.<br />
Seite | 196
Abbildung 31: Umsatzverteilung der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1932<br />
bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />
Die Abbildung zur Umsatzverteilung der Fusi zeigt deutlich den hohen Anteil,<br />
den das beständige absolute und relative Wachstum der Kawasaki-Fabrik am<br />
Gesamtumsatz der Fusi hatte. Wurden im ersten Geschäftshalbjahr 1932<br />
Waren im Wert von 1,7 Millionen Yen selbst hergestellt, so stieg dieser Wert<br />
auf 20,5 Millionen Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1940. In diesem<br />
Zusammenhang stieg der Anteil der lokal gefertigten Produkte von 66 Prozent<br />
im ersten Geschäftshalbjahr 1932 auf über 90 Prozent im Jahr 1939. Für die<br />
Fusi Tsushinki ergibt sich ein ähnliches Bild wie für die Fusi.<br />
Der Umsatz stieg von knapp unter 1 Million Yen nach der Gründung bis auf<br />
knapp 4,8 Millionen Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1940 deutlich an. Die<br />
Fusi Tsushinki erwirtschaftete von Beginn an gute Reinergebnisse zwischen<br />
Seite | 197
knapp 300.000 Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1936 und 644.000 Yen im<br />
ersten Geschäftshalbjahr 1940. 585<br />
Abbildung 32: Umsatz und Reinergebnis der Fusi Tsushinki vom ersten<br />
Geschäftshalbjahr 1935 bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />
585 Vgl. SAA 9376: Übersicht Ergebnisse Fusi.<br />
Seite | 198
2. Siemens in China<br />
2.1 Die Rahmenbedingungen<br />
2.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund<br />
Mit einer Gesamtfläche von 9,6 Millionen km² ist China nach Russland und<br />
Kanada das drittgrößte Land der Erde. Es bedeckt 6,4 Prozent der gesamten<br />
festen Erdoberfläche. Am Ostrand des eurasischen Kontinents gelegen, stellt<br />
China den größten Teil Asiens dar und nimmt auch große Teile Zentralasiens<br />
ein. Über 5.000 zumeist kleinere und unbewohnte Inseln sind der über 18.000<br />
km langen Küstenlinie im Gelben, ost- und südchinesischen Meer vorgelagert.<br />
Die beiden größten und wichtigsten Inseln sind Taiwan und Hainan. Das<br />
riesige Territorium erstreckt sich über rund 5.500 km in der Länge und über<br />
4.500 km in der Breite. 586<br />
Mit dem Monsungebiet im Osten (45 Prozent der Staatsfläche), dem<br />
trockenen Nordwesten (30 Prozent) und dem kalt-alpinen Westen (25<br />
Prozent) umfasst China drei große Klimaräume. 587<br />
Aufgrund seiner riesigen Landflächen im Osten Eurasiens teilt China<br />
Landesgrenzen mit 22 Staaten. Angesichts seiner gewaltigen Fläche und<br />
seiner großräumigen Zuordnung ist es nicht verwunderlich, dass China ein<br />
Land vielfältiger und gegensätzlicher Oberflächenformen und Landschaften<br />
ist. Die vollständig in China liegenden Flüsse Huang He und Yangtse zählen<br />
zu den längsten der Erde. Ebenso gehören einige Achttausender als<br />
Grenzberge zu China. 588<br />
586 Vgl. Domrös, Naturraum, S. 536–538.<br />
587 Vgl. Bähr, Harenberg-Länderlexikon, S. 179.<br />
588 Vgl. Domrös, Naturraum, S. 536–538.<br />
Seite | 199
Abbildung 33: Übersichtskarte China<br />
Die größten Städte sind Shanghai, Peking, Hongkong und Tianjin. Von den<br />
heute 1,2 Milliarden Einwohnern gehören 91,9 Prozent zur Gruppe der Han-<br />
Chinesen und 8,1 Prozent zu 56 verschiedenen nationalen Minderheiten, die<br />
sich durch ihre Sprache und Religion von der Hauptbevölkerung<br />
unterscheiden. Die wichtigsten Gruppen sind die Zhuang, die Mandjuren, die<br />
muslimischen Hui, die turksprachigen Uiguren sowie die Tibeter.<br />
Die Sprache der Han-Chinesen zerfällt in zwei Dialektgebiete, zahlreiche<br />
Untervarianten und besitzt eines der kompliziertesten Schriftsysteme der<br />
Welt. Die dominierenden Religionen sind der Taoismus, der Buddhismus, das<br />
Christentum sowie der eher philosophische Konfuzianismus. 589<br />
589 Vgl. Bähr, Harenberg-Länderlexikon, S. 175 ff. Weitere wichtige Städte: Shenyang,<br />
Wuhan, Kanton, Harbin, Chengdu, Xian und Nanjing.<br />
Seite | 200
Mit der Ablösung der Ming-Dynastie im Jahr 1644 durch die aus der<br />
Mandschurei stammenden Kaiser, die das Land bis 1911 regierten, kam es zu<br />
einer Zäsur in der chinesischen Geschichte. Die Mandschus verfolgten eine<br />
Expansionspolitik, die sich bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />
fortsetzte. Damit einher gingen ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung und<br />
ein stetiges Bevölkerungswachstum. So wuchs die Bevölkerung von 100<br />
Millionen im Jahre 1650 auf 420 Millionen im Jahr 1850 an. Das Reich der<br />
Mandschus war damit zu dieser Zeit das bevölkerungsreichste Land der<br />
Welt. 590<br />
Wachsende ökonomischen Schwierigkeiten, eine unfähigen Staatsverwaltung<br />
sowie der zunehmende Druck der westlichen Mächte, die den chinesischen<br />
Markt für ihre Produkte öffnen wollten, führten schließlich zu Beginn des 19.<br />
Jahrhunderts zu einer Krise der Mandschu-Dynastie. Ihren Höhepunkt<br />
erreichte sie, nachdem die chinesischen Bemühungen zur Unterbindung des<br />
illegalen Opiumhandels mit der Niederlage im ersten Opiumkrieg (1839 bis<br />
1842) endeten. Mit dem daraus resultierenden Vertrag von Nanking begann<br />
das System der „Ungleichen Verträge“. 591<br />
Nach dem zweiten Opiumkrieg (1856 bis 1860), nach dessen Ende die<br />
Privilegien des Nanking-Vertrags noch erweitert wurden, trat die Schwäche<br />
Chinas im Vergleich zu Europa offen zu Tage. 592 Am 13. Oktober 1860<br />
besetzten britische Truppen Peking. Mit der erneuten Niederlage wurden zwei<br />
weitere Reihen von Verträgen, 1858 in Tiantsien und 1860 in Peking,<br />
verabschiedet. Diese bildeten die Basis für die Wandlung Chinas in eine<br />
Halbkolonie, bei der das Reich der Mitte stark an Souveränität verlor. Zu den<br />
Bestimmungen gehörte unter anderem die Einrichtung ausländischer<br />
Vertretungen in Peking. Elf Vertragshäfen, von denen einige sich am Lauf des<br />
590 Vgl. Barraclough, Atlas, S. 106.<br />
591 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 29–34, und Dabringhaus, Geschichte, S. 54–58.<br />
592 Vgl. Wong, Dreams, S. 487 ff.<br />
Seite | 201
weithin schiffbaren Yangtse befanden, mussten geöffnet werden. Zudem<br />
wurde die Reisefreiheit für alle Ausländer im gesamten Reich ermöglicht.<br />
Als besonders nachteilig waren für China die Gesetze zur Exterritorialität und<br />
zur Konsulargerichtsbarkeit. Infolgedessen unterstanden die westlichen<br />
Ausländer nur den Gesetzen ihres Heimatlandes, die durch die jeweiligen<br />
Konsulate ausgeübt wurden. Die westlichen Staaten sicherten sich zudem<br />
Meistbegünstigungsklauseln, nach denen China allen vertragschließenden<br />
Mächten alle Rechte einräumen musste, die China zukünftig auch einer<br />
anderen Macht gewährte. Da diese Verträge China einseitig benachteiligten,<br />
wurden diese Kontrakte als „Ungleiche Verträge“ tituliert. 593<br />
Neben den außenpolitischen Schwierigkeiten Chinas kam es zu einer inneren<br />
Autoritätskrise des Staates. Zahlreiche Rebellionen brachen aus. Dabei ist die<br />
Taiping-Rebellion (1851–64) hervorzuheben. Der charismatische, christlich<br />
beeinflusste Anführer Hong Xiquan übernahm die Leitung einer<br />
Rebellionsgruppe. Unterstützung fand er vor allem bei den nicht-han-<br />
chinesischen Bevölkerungsgruppen. Ausgehend von Guanxi marschierten<br />
seine Truppen nordwärts und stellten für die Mandschu-Dynastie eine große<br />
Bedrohung dar. 1853 eroberten die Rebellen Nanjing und machten es zur<br />
Hauptstadt. Darüber hinaus kontrollierten sie große Gebiete in Mittel- und<br />
Ostchina. 594 Eine Konsolidierung der Macht gelang den Rebellen jedoch nicht.<br />
Dies lag auch an der Unterstützung der Quing-Regierung durch die westlichen<br />
Mächte, da die Taiping-Regierung in Nanjing ebenfalls eine Revision der<br />
„ungleichen Verträge“ forderte. Die westlichen Mächte zogen die<br />
Unterstützung des nach dem zweiten Opiumkrieg kompromissbereiten<br />
Kaiserhofs in Peking vor, da sie sich hierdurch eine bessere Durchsetzung<br />
ihrer Interessen erhofften.<br />
593 Vgl. Klein, Geschichte, S. 37 f.<br />
594 Vgl. Hsü, Rise, S. 230 ff.<br />
Seite | 202
Nach den Niederlagen in den ersten Jahren gelangen der Pekinger Regierung<br />
nach und nach Erfolge gegen die Rebellen. Mit der Eroberung der Taiping-<br />
Hauptstadt Nanjing im Jahr 1864 endete die Rebellion. Das Ergebnis dieses<br />
großen Bürgerkriegs waren die Verwüstung großer Teile Chinas und<br />
mindestens 20 Millionen Tote. 595 Eine weitere Folge war die Migration<br />
zahlreicher Chinesen nach Südostasien und Amerika, wo sie vor allem im<br />
Eisenbahnbau arbeiteten. 596<br />
Unter der Führung der Zentralregierung und einiger Provinzgouverneure<br />
sollten die Kriegsfolgen mit einem wirtschaftlich-unternehmerischen,<br />
bildungspolitischen und diplomatischen Reformprogramm beseitigt werden,<br />
um die Gesamtentwicklung des Landes langfristig zu fördern. Ziel dieser<br />
Reformen waren sowohl der Wiederaufbau des Reiches wie auch die<br />
Stärkung gegenüber den imperialistischen Mächten.<br />
Einhergehend mit den Reformen wurden moderne Unternehmen wie<br />
beispielsweise Dampfschiffgesellschaften, Bergbau- und Textilunternehmen<br />
gegründet. In den achtziger Jahren wurden zudem Waffenfabriken für die<br />
Produktion von Kugeln und Patronen, für im Ausland eingekaufte Remington-<br />
und Krupp-Gewehre, aufgebaut. Zusätzlich wurde ein Studienprogramm für<br />
chinesische Studenten in den USA geschaffen. 597<br />
Für die Regelung der außenpolitischen Beziehungen wurde eine Behörde mit<br />
dem Namen Tsungli Yamen eingerichtet. 598<br />
Dieser Regenerationsversuch wurde als Selbststärkungsbewegung oder nach<br />
dem von 1861 bis 1875 regierenden Kaiser als Tongzhi-Restauration bekannt.<br />
595 Vgl. Osterhammel, China, S. 150 ff., und Klein, China, S. 39 f., sowie Schoppa, Columbia,<br />
S. 25 f.<br />
596 Vgl. Spence, Chinas, S. 261 ff., und Pan, Sons, S. 128 f.<br />
597 Vgl. Spence, Chinas, S. 271 ff.<br />
598 Vgl. Hsü, Rise, S. 268 ff.<br />
Seite | 203
Die eigentliche Macht lag zwischen 1861 und 1908 bei der Kaiserinwitwe Cixi.<br />
Diese war im Jahr 1851 eine der Ehefrauen des Kaisers Xianfeng geworden.<br />
Nach der Geburt ihres Sohnes 1856 wurde sie eine enge Vertraute des<br />
Kaisers, der ihren Rat auch in politischen Angelegenheiten suchte. Nach<br />
dessen Tod sicherte sie sich durch einen Palaststreich die Position der<br />
Mitregentin neben ihrem Sohn Tongzhi von 1861 bis 1875. Dabei balancierte<br />
sie geschickt zwischen Reformern und Konservativen am Hof. Nach dem<br />
frühen Tod ihres Sohnes ernannte sie ihren dreijährigen Neffen Guangxu zum<br />
Kaiser und sicherte damit erneut ihre Machtposition. Durch die Niederlage im<br />
chinesisch-japanischen Krieg und die großen Gebietsverluste durch den<br />
Wettlauf der Großmächte um Stützpunkte, gewann im Reich der Mitte eine<br />
neue Reformbewegung die Oberhand. Angesichts der erfolgreichen<br />
Expansionspolitik Japans und der bisher unkoordinierten Neugestaltung in<br />
China wollte die Reformbewegung eine chinesische Reformpolitik für die<br />
Bereiche Verwaltung, Erziehung und Wirtschaft sowie Verteidigung unter der<br />
Führung des Kaiserhauses durchsetzen. 599 Zur Realisierung dieser Pläne<br />
erließ der 22-jährige Kaiser Guangxu, der sich aus der Macht seiner Tante<br />
Cixi befreien wollte, zwischen Juni und September (unter Führung von Kang<br />
Youwei) mehrere Reformedikte. Diese Politik wurde unter dem Begriff<br />
„Reform der 100 Tage“ bekannt und sah die Erweiterung des konfuzianischen<br />
Prüfungswesens um westliches Wissen vor. Des Weiteren wollten die<br />
Reformer aktiv gegen Korruption im Staatswesen vorgehen. Dies war für die<br />
konservativen Hofkreise um Cixi nicht hinnehmbar. Am 19. September<br />
erfolgte mit Unterstützung des Militärs Yuan Shikei ein Staatsstreich. Kaiser<br />
Guangxu wurde unter lebenslangen Hausarrest gestellt und mehrere seiner<br />
Berater hingerichtet. Kang Youwei konnte mit britischer Unterstützung ins<br />
Ausland flüchten. Damit beendete Cixi die Reformbewegung und regierte das<br />
Land bis zu ihrem Tod 1908. 600 Von 1898 bis 1908 war sie die höchste<br />
politische Autorität in China. 601<br />
599 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 81 f.<br />
600 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 70.<br />
Seite | 204
Der Einfluss Chinas in Ostasien schwand in der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts immer mehr. Ursächlich war hierfür vor allem die aggressive<br />
Außenpolitik Japans, die China um den Einfluss in Taiwan und Korea brachte.<br />
So besetzte Japan im Jahr 1879 die Ryuku-Inseln und verleibte sie als<br />
Präfektur Okinawa dem japanischen Staatsgebiet ein. 602<br />
Nach Streitigkeiten über die Politik in Korea gelang Japan 1894/95 ein<br />
überlegener Sieg im chinesisch-japanischen Krieg. Jedoch sollten sich die<br />
weitgehenden territorialen Forderungen Japans nicht erfüllen. Frankreich,<br />
Russland und das Deutsche Reich sahen ihre Interessen in Ostasien durch<br />
ein zu starkes Japan gefährdet und nahmen massiv Einfluss auf die<br />
Friedensverhandlungen. 603 Letztendlich musste Japan seine Forderungen<br />
reduzieren, dennoch wurde im Vertrag von Shimonoseki, Korea und Taiwan<br />
zu japanischen Protektoraten ernannt. 604 Darüber hinaus musste China eine<br />
erhebliche Reparationenszahlungen an Japan leisten und der Bau<br />
japanischer Produktionsstätten und die Öffnung mehrerer Vertragshäfen für<br />
den Handel wurden durchgesetzt. 605<br />
Von der chinesischen Schwäche versuchten nun auch die europäischen<br />
Großmächte zu profitieren. Nach umfangreichen Planungen besetzte das<br />
Deutsche Reich im November 1897 die Jiazhou-Bucht. Im Frühjahr 1898<br />
pachtete es die Bucht und brachte in der umliegenden Region Shandong<br />
Bergbau und Eisenbahn unter deutsche Kontrolle. Die Stadt Quingdao baute<br />
es als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum aus. 606 Auch andere<br />
Großmächte beteiligten sich an der wirtschaftlichen und politischen<br />
601 Vgl. Spence, Chinas, S. 269 f.<br />
602 Vgl. Krieger, Geschichte, S. 209. Neben den Einbußen aufgrund der japanischen<br />
Bedrohung vor allem im Nordosten des Landes verlor China mit der Kriegsniederlage<br />
1884/85 gegen Frankreich auch in Vietnam seinen Einfluss.<br />
603 Vgl. Paine, War, S. 287 ff.<br />
604 Vgl. Rubinstein, Taiwan, S. 203 ff.<br />
605 Vgl. Gray, Rebellions, S. 119.<br />
606 Vgl. Mühlhahn, Herrschaft, S. 94, S. 110 und S. 207 ff.<br />
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Ausbeutung des Reichs der Mitte. Russland pachtete im Jahr 1898 die beiden<br />
eisfreien Häfen Port Arthur (Lüshun) und Dairen (Dalian), strategisch wertvolle<br />
Stützpunkte an der Südspitze der Liaondong-Halbinsel. Ferner sicherte sich<br />
das Zarenreich weitreichende Rechte für den Bau von Eisenbahnen in der<br />
Mandschurei. Auch Großbritannien profitierte von dieser Entwicklung. Für die<br />
Erweiterung Hongkongs sicherte es sich die New Territories von 1898 an für<br />
99 Jahre. Das Einzugsgebiet des Yangtse wurde unter britischen Einfluss<br />
gestellt und ein Marinestützpunkt in Weihaiwei in Nordshandong (gegenüber<br />
von Port Arthur) errichtet. Ein anglo-japanisches Bündnis sicherte letztlich den<br />
Erwerb ab 1902. 607<br />
Frankreich war mit seinen territorialen Forderungen zurückhaltender und<br />
sicherte sich die wenig vielversprechende Hafenstadt Guangzhouwan am Golf<br />
von Tongking. Darüber hinaus erlangte Frankreich Einfluss auf die<br />
südwestlichen Provinzen Yunnan, Guanxi und Guandong. 608 Das Interesse an<br />
den Einflusszonen ergab sich durch den Übergang des Chinahandels zu<br />
anderen Formen wirtschaftlicher Durchdringung wie beispielsweise dem<br />
Erwerb von Bergbaurechten, der Konzession für Eisenbahnen sowie der<br />
Bereitstellung von Krediten.<br />
Die Gefahr einer Aufteilung durch die imperialistischen Mächte wurde jedoch<br />
im Jahr 1899 durch den amerikanischen Außenminister John Hay gestoppt. In<br />
der Open-door-Note ließ sich der Amerikaner von den in China aktiven<br />
Staaten zusichern, dass Angehörige aller Nationen den Zugang zum<br />
chinesischen Markt erhalten sollten. 609<br />
607 Vgl. Osterhammel, China, S. 205 ff.<br />
608 Vgl. Brötel, Frankreich, S. 493. Bereits 1883 musste die chinesische Regierung die<br />
Herrschaft Frankreichs über den Norden Vietnams nach einer Kriegsniederlage<br />
anerkennen und seine Truppen abziehen. Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 58–63.<br />
609 Vgl. Klein, Geschichte, S. 40 f.<br />
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Der zunehmende aggressive Imperialismus und die Niederschlagung der<br />
Hundert-Tage-Reformer führten schließlich zum Boxeraufstand im Jahr<br />
1900. 610 Zunächst bekämpfte die chinesische Regierung die Boxer, die<br />
vermehrt auch in Peking aktiv wurden, doch dann beschloss Cixi im Juni sie<br />
als Instrument gegen die europäischen Kolonialmächte einzusetzen.<br />
Nachdem der Gesandte der Reichsregierung, Baron Clemens von Ketteler, in<br />
Peking auf offener Straße auf dem Weg zum Tsungli Yamen erschossen<br />
worden war, eskalierte der Konflikt zu einem offenen Krieg. In Peking<br />
verschanzte sich das britische, russische, deutsche, japanische und<br />
amerikanische Diplomatenkorps auf dem Gelände der ausländischen<br />
Botschaften, das von Aufständischen belagert wurde. Ein multinationales<br />
Expeditionskorps schlug den Aufstand jedoch im August 1900 nieder, befreite<br />
das Gesandtschaftsviertel und besetzte Peking. 611 Die für den Aufstand<br />
Hauptschuldige Cixi flüchtete im August 1900 verkleidet nach Xian und kehrte<br />
erst im Januar 1902 in die Hauptstadt zurück. 612<br />
Infolgedessen musste die chinesische Regierung das Boxerprotokoll<br />
unterzeichnen, das neben einer Entschädigung von 67 Millionen Pfund<br />
Sterling auch die Bestrafung von Beamten und die Aussetzung der staatlichen<br />
Beamtenprüfung in allen Städten anordnete, in denen Ausländer getötet oder<br />
misshandelt worden waren. Des Weiteren erlaubte das <strong>Dokument</strong> den<br />
ausländischen Alliierten, das Gesandtschaftsviertel in Peking und die an der<br />
Küste führenden Bahnlinien zu befestigen. Russland nahm dabei die<br />
Boxerbewegung als Vorwand, die Mandschurei zu besetzen, musste diese<br />
610 Die Boxerbewegung entwickelte sich in den späten 1890er Jahren in der nordchinesischen<br />
Provinz Shandong infolge von Naturkatastrophen in Nordchina und vor dem Hintergrund<br />
des staatlichen Zerfalls. In ländlichen Regionen entstanden Geheimgesellschaften, die<br />
sich in Kampftechniken übten und bewaffneten. Die Anhänger der Boxerbewegung<br />
identifizierten die Ausländer und vor allem die Missionare als Grund für die wirtschaftliche<br />
Notlage. Daher kam es zu Pogromen gegenüber Ausländern und chinesischen Christen.<br />
Vgl. Hutchings, China, S. 47, und Harrison, China, S. 77.<br />
611 Vgl. Spence, Chinas, S. 291 ff.<br />
612 Vgl. Osterhammel, China, S. 215.<br />
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aber nach seiner Niederlage im russisch-japanischen Krieg 1904/05 wieder an<br />
Japan abtreten. 613<br />
Nach der Niederlage setzte ein umfassender Reformprozess ausgerechnet<br />
unter der Kaiserinwitwe Cixi ein. Die bedeutendste Maßnahme dieser Politik<br />
war die Abschaffung der seit Jahrhunderten praktizierten Beamtenprüfung.<br />
Die traditionellen kaiserlichen Hofämter wurden in moderne Ministerien<br />
umgewandelt. Parallel stieg die Zahl der Studenten die im Ausland studierten,<br />
vor allem in Japan, was die Implementierung westlicher, politischer und<br />
gesellschaftlicher Ideen sowie naturwissenschaftlichen Wissens in China<br />
förderte. 614<br />
Besonders hervorzuheben ist, das Cixi verschiedene konstitutionelle<br />
Reformen plante. So arbeitete eine kaiserliche Kommission im Jahr 1908<br />
einen Verfassungsentwurf aus, der für die folgenden acht Jahre den<br />
Zusammentritt eines Parlaments und die Bildung einer Regierung vorsah. 615<br />
Diese Reformen wurden auch fortgesetzt, nachdem Cixi einen Tag nach dem<br />
Tod des Kaisers Guangxu verstorben war. Nachfolger in der Mandschu-<br />
Dynastie wurde der dreijährige Puyi. Die Amtsgeschäfte übernahm für ihn<br />
Prinz Chun, ein Halbbruder des Kaisers Guangxu. 616<br />
Parallel dazu entwickelten sich politische Kräfte, denen die Reformansätze<br />
des Kaiserhofs nicht weit genug gingen und die den Sturz der Quing-Dynastie<br />
anstrebten. So entstanden bereits in den 1890er Jahren in den Vertragshäfen<br />
sowie unter den Auslandschinesen die ersten gegen die Mandschu-Dynastie<br />
gerichteten politisch-revolutionären Geheimgesellschaften. Daraufhin<br />
gründete der in den USA und Hongkong ausgebildete christliche Arzt Sun<br />
613 Vgl. Klein, Geschichte, S. 42.<br />
614 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 70.<br />
615 Vgl. Spence, Chinas, S. 306 ff.<br />
616 Vgl. Hsü, Rise, S. 416.<br />
Seite | 208
Yatsen im Jahr 1894 auf Hawaii eine Widerstandsgruppe mit dem Ziel, den<br />
Sturz der Mandschu-Dynastie voranzutreiben und eine republikanische<br />
Regierungsform zu errichten. Dabei knüpfte er vermehrt Kontakte in<br />
Südchina, wo es traditionell viele anti-mandschurische Strömungen gab. Von<br />
besonderer Relevanz war der Einfluss seiner Bewegung in die Armeekreise,<br />
deren politische Bedeutung in der Revolution von 1911 deutlich wurde. 617<br />
Eine unbeabsichtigte Explosion bei einem geheimen Bombenbau gab<br />
schließlich im Oktober den Anstoß für den Sturz der Mandschu-Dynastie.<br />
Nachdem die Polizei während ihrer Untersuchungen auf antidynastische<br />
Aktivitäten innerhalb der Armee gestoßen war, trat die enttarnte Gruppe die<br />
Flucht nach vorne an. Es kam zu einer Kettenreaktion von Aufständen in den<br />
Provinzen. 618 Nachdem sich die Nachbarprovinz Sichuan zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits in einem Aufstand gegen die Zentralregierung befand, bildeten die<br />
Erfolge der Revolutionäre im Städtedreieck von Wuchang, Hankou und<br />
Hanyang (später zu Wuhan vereinigt) den Ausgangspunkt für eine nationale<br />
Erhebung. Infolgedessen erklärten sich 14 Provinzen für unabhängig. Dort<br />
übernahmen Militärgouverneure neben den zivilen Gouverneuren die Macht.<br />
Sie spielten bis in die frühe Republikzeit eine bedeutende Rolle und förderten<br />
die Militarisierung des politischen Systems.<br />
Die Mandschu-Dynastie hatte den Befehl zur Bekämpfung der Revolution<br />
dem bisher loyalen Militär Yuan Shikai anvertraut. Nachdem sich die<br />
Nordprovinzen jedoch auch für eine republikanische Verfassung eingesetzt<br />
hatten, veranlasste Yuan Shikai die Absetzung des sechsjährigen Puyi. Mit<br />
einem Abfassungsedikt am 12. Februar 1912 endete offiziell das chinesische<br />
Kaisertum, das mehr als 2.000 Jahre Bestand gehabt hatte. 619<br />
617 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 100 ff.<br />
618 Vgl. Spence, Chinas, S. 325 ff.<br />
619 Vgl. Klein, Geschichte, S. 44. Das Quing-Imperium zerbrach auch, als im Jahr 1911 die<br />
nördlichen Teile der Mongolei und Tibet ihre Selbständigkeit erklärten. Zwar blieb die<br />
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Sun Yatsen hielt sich während des Aufstands im Ausland auf. Er wurde im<br />
Dezember in Nanjing von Vertretern von 17 Provinzen zum provisorischen<br />
Präsidenten der Republik China gewählt. Nach der Abdankung des Kaisers<br />
drohte dem Land allerdings erneut ein Bürgerkrieg. Auf der einen Seite<br />
standen die revolutionären Truppen in Südchina, auf der anderen Seite die<br />
ehemaligen kaiserlichen Truppen unter Yuan Shikai. Daher verzichtete Sun<br />
Yatsen nach der Abdankung des Kaisers im Februar 1912 zugunsten von<br />
Yuan Shikai auf das Präsidentenamt. Mit der Machtübergabe an den Führer<br />
der Nordprovinzen trat am 10. März 1912 eine provisorische Verfassung in<br />
Kraft. Sie garantierte allen Chinesen unter anderem Gleichheit und Schutz<br />
von Person und Eigentum. Ferner forderte sie die Wahl eines legitimierten<br />
Parlaments innerhalb von zehn Monaten. Nach den Wahlstatuten waren<br />
jedoch nur circa zehn Prozent der Bevölkerung wahlberechtigt. Für die Wahl<br />
ordnete Yuan Shikai die Umwandlung seiner revolutionären Allianz in die<br />
demokratische politische Partei Nationale Volkspartei (Guomindang) an.<br />
Diese erreichte bei der Wahl im Januar eine deutliche Mehrheit. Damit war die<br />
Guomindang gemäß der provisorischen Verfassung für die Ernennung von<br />
Premier und Kabinett zuständig. 620 Allerdings wollte Yuan Shikai seine Macht<br />
nicht verlieren und beendete deshalb vorerst die parlamentarische<br />
Entwicklung in China. Er ließ die engsten Vertrauten von Sun Yatsen in<br />
Shanghai ermorden und die Guomindang verbieten. Zu Beginn des Jahres<br />
1914 wurden das Parlament und alle Provinzversammlungen aufgelöst. 621<br />
Die außenpolitische Schwäche und der Versuch, sich zum Kaiser ausrufen zu<br />
lassen, führten schließlich zum Ende der Diktatur Yuan Shikais, der letztlich<br />
auch die Unterstützung der Militärs verlor. Er hinterließ bei seinem Tod im<br />
Juni 1916 einen politischen Trümmerhaufen. 622<br />
Unabhängigkeit Tibets nur bis in die 1950er Jahre bestehen, doch entstand aus der<br />
äußeren (nördlichen) Mongolei mit sowjetischer Hilfe ein unabhängiger Staat.<br />
620 Vgl. Spence, Chinas, S. 343 ff.<br />
621 Vgl. Gray, Rebellions, S. 145 ff., und Dabringhaus, Geschichte, S. 76 f.<br />
622 Vgl. Klein, Geschichte, S. 46 ff.<br />
Seite | 210
In der Folge kam es zu einer völligen Fragmentierung Chinas in verschiedene<br />
durch Warlords kontrollierte Herrschaftsbereiche. Dabei rivalisierten etwa ein<br />
Dutzend großer und mehrere Hundert kleinerer Kriegsherren miteinander und<br />
plünderten ihre Herrschaftsgebiete rücksichtslos aus. Es existierte zwar in<br />
Beijing eine Zentralregierung, die jedoch nur aus einem Kabinett der in der<br />
Hauptstadt ansässigen Warlords bestand und auch als außenpolitische<br />
Vertretung auftrat. Dabei waren zwei Lager zu unterscheiden. Während die<br />
Militärherrscher in Nord- und Zentralchina, in der Mehrzahl aus der<br />
ehemaligen kaiserlichen Beiyang-Armee von Yuan Shikai, um die Kontrolle<br />
der formal weiter bestehenden Pekinger Zentralregierung kämpften,<br />
stammten die meisten Kommandeure im Süden aus den revolutionären<br />
provinziellen Armeen, die bis 1916 gegen den ehemaligen Diktator gekämpft<br />
hatten. 623<br />
Die innenpolitischen Probleme schwächten das Land im Ersten Weltkrieg<br />
auch außenpolitisch. Dass die wichtigsten an China interessierten<br />
Großmächte an verschiedenen Kriegsschauplätzen gebunden waren,<br />
versuchte Japan für seine Ziele zu nutzen. Nachdem ein Ultimatum an die<br />
deutsche Regierung zur Übergabe des Pachtgebiets von Kiautschou nicht<br />
beantwortet worden war, eroberte das fernöstliche Kaiserreich im Herbst 1914<br />
die deutsche Niederlassung in Quingdao und erweiterte damit sein<br />
Einflussgebiet in China. 624 Zu Beginn des Jahres 1915 stellte Japan<br />
gegenüber China 21 Forderungen auf, deren Ziel eine weitestgehende<br />
Kontrolle des Landes war. Neben dem Transfer der deutschen Sonderrechte<br />
in Shandong forderte die japanische Regierung die Verlängerung der 1905<br />
von Russland übernommenen Gebiete in der Mandschurei. Zudem verlangten<br />
623 Vgl. Klein, Geschichte, S. 46.<br />
624 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 112 ff. Gleichzeitig eroberten japanische Truppen die<br />
Gebiete der deutschen Marianen-, Marshall- und Karolinen-Inseln. Damit verfügte Japan<br />
über Inselstützpunkte als strategisches Gleichgewicht zu den amerikanischen<br />
Stützpunkten auf Hawaii, den Philppinen und in Guam.<br />
Seite | 211
die Japaner eine Beteiligung und Kontrolle eines wichtigen nordchinesischen<br />
Industriekomplexes. Ferner sollte für den Aufbau einer Grundindustrie in der<br />
Provinz Fujian nur japanisches Kapital verwendet werden. Darüber hinaus<br />
sollte China seine Küste nicht an fremde Mächte veräußern dürfen sowie<br />
japanische Berater für die Verwaltung von Nordchina einstellen. Aufgrund des<br />
hohen politischen Drucks akzeptierte Yuan Shikai trotz öffentlicher Proteste<br />
eine abgeschwächte Form der Forderungen.<br />
Auf den Pariser Vorortkonferenzen erlitt China eine weitere außenpolitische<br />
Niederlage. Es berief sich auf die „Vierzehn Punkte“ und beanspruchte in der<br />
fälschlichen Annahme der Unterstützung Wilsons, dass die deutschen<br />
Sonderrechte in der Provinz Shandong an China zurückfallen würden. 625<br />
China hoffte damit auch Anerkennung dafür zu finden, dass es den Alliierten<br />
im Ersten Weltkrieg 100.000 Arbeiter in Westeuropa zur Verfügung gestellt<br />
hatte. 626 Japan hatte jedoch während des Ersten Weltkriegs mit mehreren<br />
Großmächten Geheimabkommen getroffen, die die Forderung Japans auf die<br />
ehemals deutschen Besitzungen versicherten. Daher musste Wilson den<br />
Forderungen Japans nachgeben, woraufhin sich die chinesische Delegation<br />
unter Protest von der Konferenz zurückzog. 627<br />
Am 4. Mai 1919 protestierten circa 5.000 Studenten der dreizehn<br />
<strong>Universität</strong>en Pekings vor dem Tor des Himmlischen Friedens gegen die<br />
Ergebnisse der Konferenz. Nachdem die Polizei mehrere Studenten verhaftet<br />
hatte, begann ein Generalstreik der Studenten, dem sich bald in den<br />
wichtigsten Städten Angestellte und Arbeiter anschlossen. Darüber hinaus<br />
kam es zu einem Boykott japanischer Produkte. 628 Die Politisierung der<br />
Jugend war die Basis für eine Neuausrichtung der chinesischen Politik in den<br />
Folgejahren. So gründete 1921 Sun Yatsen die Guomindang neu. 629<br />
625 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 114 f.<br />
626 Vgl. Spence, Chinas, S. 325.<br />
627 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 114 f.<br />
628 Vgl. Hsü, Rise, S. 501 ff.<br />
629 Vgl. Klein, Geschichte, S. 48.<br />
Seite | 212
Gleichzeitig kam es zu einer Polarisierung und der Akzeptanz einer linken<br />
Politik, die in der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas im selben<br />
Jahr mündete. 630 Beide politischen Bewegungen wurden durch das Ausland<br />
unterstützt. Vor allem die junge Sowjetunion war in der Angelegenheit sehr<br />
aktiv. Auf dem zweiten Weltkongress der Kommunistischen Internationale im<br />
Sommer 1920 beschlossen die Bolschewiki, nationalrevolutionäre Gruppen zu<br />
unterstützen. Infolgedessen sah die Komintern in der Guomindang neben der<br />
von ihr initiierten KPCh einen wichtigen Partner und nahm Gespräche mit<br />
verschiedenen Führungskräften auf. 631<br />
Schließlich wurde im Jahr 1923 ein Abkommen zwischen Sun und dem<br />
Komintern-Vertreter Adolf Joffe geschlossen und eine Einheitsfront zwischen<br />
der Guomindang und den Kommunisten gegründet. 632 Ferner baute Sun die<br />
Partei nach sowjetischem Vorbild um. 633 Hervorzuheben ist besonders, dass<br />
die Sowjetunion die Guomindang nicht nur politisch, sondern auch militärisch<br />
unterstützte. Dazu gründete sie auf der 16 km flussabwärts gelegenen Insel<br />
Whampoa eine Militärakademie, die der Freund Sun Yatsens, Chiang Kai<br />
Shek, leiten sollte. Die Kadetten wurden von sowjetischen Militärberatern gut<br />
ausgebildet und mit den Prinzipien des chinesischen Nationalismus vertraut<br />
gemacht. 634<br />
Nach dem Tod Sun Yatsens im März 1925 in Peking, übernahm nach einer<br />
kurzen Übergangszeit Chiang Kai Shek als sein Nachfolger die Führungsrolle<br />
630 Vgl. Pilz, Nationalstaat, S. 67–89, hier S. 74.<br />
631 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 121–125. In der Guomindang war Sun nicht unumstritten. Im<br />
Jahr 1922 kam es zu einem Putsch des Generals Chen Chiung-ming, den Sun nur knapp<br />
überlebte.<br />
632 Vgl. Van De Ven, War, S. 70 ff.<br />
633 Vgl. Hsü, Rise, S. 519.<br />
634 Vgl. Spence, Chinas, S. 413 ff. Chiang Kai Shek hatte als Mitglied einer Sonderdelegation<br />
einen mehrmonatigen Militärlehrgang in Moskau absolviert.<br />
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innerhalb der nationalrevolutionären Bewegung. 635 Er startete umgehend den<br />
Ausbau seines Herrschaftsgebiets von Guangzhou aus. Nachdem er zwei<br />
erfolgreiche Feldzüge gegen verschiedene Warlords im Osten von Guandong<br />
unternommen hatte, begann er einen weiteren Feldzug in den Norden Chinas.<br />
In den beiden folgenden Jahren wurden die Warlords besiegt oder zur<br />
Kooperation mit der Guomindang gezwungen und somit Nord- und Südchina<br />
wiedervereinigt. In der regierungsbildenden „Einheitsfront“ kam es jedoch<br />
schnell zu Spannungen zwischen den Kommunisten und den Nationalisten,<br />
die sich schon während des Nordfeldzugs angedeutet hatten. Chiang Kai<br />
Shek gelang es nicht, sich als neue Integrationsfigur nach Sun Yatsen zu<br />
etablieren und die konkurrierenden Strömungen zusammenzuhalten. Daher<br />
wandte er sich gegen die Kommunisten und zerschlug im Rahmen des<br />
Nordfeldzugs zusammen mit Gesellschaften des organisierten Verbrechens<br />
am 12. April 1927 die kommunistischen Gewerkschaften in Shanghai. Damit<br />
war die Einheitsfront endgültig in ein linkes und ein rechtes Lager<br />
gespalten. 636 Der neue Regierungssitz unter Chiang Kai Shek wurde am 10.<br />
Oktober 1928 Nanjing. 637<br />
In der Folgezeit kam es zu einer politischen Säuberungsaktion der<br />
Guomindang unter ihren Mitgliedern. Zwar wurden dadurch die Kommunisten<br />
in den Städten nahezu ausgelöscht, fanden jedoch zunehmend Unterstützung<br />
auf dem Land. Ursache hierfür war eine nicht durchgeführte Landreform. Die<br />
Kommunisten flüchteten in die unzugänglichen ländlichen Bergregionen in<br />
635 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 140. Er war dorthin gereist, um in einer Konferenz mit den<br />
Warlords des Nordens eine politische Einigung zu erreichen, und starb an einer<br />
Krebserkrankung.<br />
636 Vgl. Trampedach, Chiang Kaishek, S.125–139, hier S. 125–133.<br />
637 Vgl. Perkins, Encyclopedia, S. 90.<br />
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Südchina. Hier errichteten sie verschiedene Stützpunkte und beherrschten<br />
Gebiete mit mehreren Millionen Einwohnern. 638<br />
In der Nanjing-Periode von 1927 bis 1937 führte die Guomindang unter<br />
Chiang Kai Shek zahlreiche Reformen zum Aufbau des Staates in den von<br />
ihm kontrollierten Gebieten durch. Innenpolitisch gründete die<br />
Nationalregierung mehrere neue Partei- und Regierungsorganisationen.<br />
Wirtschaftlich kam es zu einem Ausbau der Infrastruktur und einer<br />
planorientierten Lenkung von Schlüsselindustrien. 639 Dabei konnte sich<br />
Chiang Kai Shek weder ganz auf die Unterstützung der Partei noch des<br />
Militärs verlassen. So führten bis Mitte der 1930er Jahre zahlreiche<br />
Meutereien innerparteilicher Gegner sowie regionaler Warlords immer wieder<br />
zu militärischen Auseinandersetzungen. Sogar in Guandong, der Keimzelle<br />
der Guomindang, gab es zwischen 1931 und 1936 eine<br />
Sezessionsbewegung. Dennoch gelang es Chiang Kai Shek, seine<br />
innerparteilichen Gegner zu kontrollieren. Die größten Gegner blieben jedoch<br />
die Kommunisten. In Südchina, ihrem Zentrum, gelang es trotz vier groß<br />
angelegter Feldzüge nicht, die kommunistischen Partisanen zu besiegen. Im<br />
fünften Feldzug vom Herbst 1933 bis zum Frühjahr 1934, der von deutschen<br />
Militärberatern geplant wurde, gelang es, die kommunistischen Partisanen<br />
zurückzudrängen. 640<br />
Der militärische Planungsstab des Jianxi-Sowjets beschloss daher, seine<br />
Gebiete zu evakuieren und sich nur mit einer Nachhut gegen die Guomindang<br />
638 Vgl. Terril, Mao, S. 129 ff., und Barraclough, Atlas, S. 106. Im Gegensatz zum russischen<br />
Modell, das sich zunehmend auf das städtische Proletariat stützte, waren die<br />
Kommunisten in China eine Art Bauernpartei.<br />
639 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 90 f. Der Einfluss Chiang Kai Sheks erstreckte sich<br />
vornehmlich auf die Yangtse-Region, weitere Teile Zentralchinas sowie einige<br />
Küstenstädte.<br />
640 Vgl. Klein, Geschichte, S. 51. So entwickelte sich im Herbst 1927 ein militärischer Konflikt<br />
zwischen der Nationalregierung und einer prokommunistisch eingestellten GMD-<br />
Gegenregierung in Wuhan.<br />
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zu verteidigen. So traten am 16. Oktober 1934 über 80.000 Menschen zum<br />
„Langen Marsch“ durch die Provinzen Südwestchinas in die nordwestliche<br />
Provinz Shaanxi an. Während des Marsches stieg Mao Zedong zur<br />
unumstrittenen Führungsperson auf. In der kleinen Stadt Yanan errichteten<br />
die Kommunisten nach hohen Verlusten 1936 ihr neues Hauptquartier. Es<br />
gelang ihnen schnell, sich zu etablieren und eine neue Streitmacht<br />
aufzubauen. 641<br />
Eine zunehmende Bedrohung für die Guomindang erwuchs auch durch den<br />
japanischen Imperialismus in Ostasien. Nachdem die Eroberung Liaodongs<br />
im chinesisch-japanischen Krieg am Widerstand des ostasiatischen Dreibunds<br />
gescheitert war, eroberte das fernöstliche Kaiserreich die Halbinsel nach dem<br />
Sieg über Russland im Jahr 1905. In diesem ressourcenreichen Gebiet<br />
gründeten die Japaner im November 1906 südlich von Changchun die<br />
südmandschurische Eisenbahngesellschaft. Entlang der Bahnzone wurde<br />
eine Schutztruppe stationiert, die seit April 1919 „Kwantung-Armee“ genannt<br />
wurde. 642<br />
Diese inszenierte eigenmächtig am 18. September 1931 einen<br />
Bombenanschlag auf die südmandschurische Eisenbahn in Mukden<br />
(Shenyang), an den sich Gefechte mit chinesischen Truppen anschlossen. 643<br />
Diesen Vorfall nahm die japanische Armeeführung als Vorwand zur<br />
Besetzung der Mandschurei. Hier gründeten die Japaner trotz scharfer<br />
internationaler Proteste im März 1932 den Staat Manzhougo (Mandschuko).<br />
An die Spitze wurde ab 1934 der letzte Kaiser von China Puyi gestellt. 644<br />
Dabei sah Japan die Mandschurei als Pufferzone gegenüber Russland und<br />
entwickelte in dem Gebiet eine Schwerindustrie, die den Ressourcenmangel<br />
des japanischen Inselreichs ausgleichen sollte. Parallel wurden japanische<br />
641 Vgl. Spence, Chinas, S. 485–495. Von den ursprünglich 80.000 Menschen, die Jianxi<br />
verlassen hatten, überlebten nur 8.000 bis 9.000 den Marsch.<br />
642 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 98.<br />
643 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 181 ff.<br />
644 Vgl. Hsü, Rise, S. 550 f.<br />
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Bauern angesiedelt. 645 In den folgenden Jahren stellte die japanische<br />
Regierung zahlreiche Forderungen an die Guomindang bezüglich einer<br />
faktischen Kontrolle über die Mongolei und Nordchina. Chiang Kai Shek<br />
akzeptierte diese ungeachtet großer Proteste der chinesischen Öffentlichkeit.<br />
Für ihn hatte der Kampf gegen die Kommunisten Vorrang. Im Dezember 1936<br />
sah sich Chiang Kai-Shek dann doch gezwungen, gegen die Japaner<br />
vorzugehen, und gründete gemeinsam mit den Kommunisten wieder eine<br />
Einheitsfront. 646<br />
Nach einem Schusswechsel an den Marco-Polo-Brücken in der Nähe von<br />
Peking brach am 7. Juli 1937 der Krieg zwischen Japan und China offen aus.<br />
Japan besetzte weite Gebiete der chinesischen Küste und installierte dort<br />
Kollaborationsregierungen. Bei der Eroberung der Guomindang-Hauptstadt<br />
Nanjing am 13. Dezember 1937 kam es zu einem großen Massaker. 647 Die<br />
Guomindang verlegte ihr Hauptquartier in das westchinesische Chongqing. 648<br />
Im Jahr 1938 war das Gebiet, das noch unter den Quing ein einheitliches<br />
Reich dargestellt hatte in mehrere große selbstständige Einheiten<br />
aufgesplittet. 649<br />
Ungeachtet ihrer brutalen und rücksichtslosen Kriegsführung gelang es den<br />
Japanern nicht, China zu unterwerfen. Mit ausländischer Unterstützung für die<br />
Guomindang und der bewährten kommunistischen Partisanenstrategie<br />
leistete China Widerstand. Doch auch die Chinesen konnten trotz der<br />
645 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 99. Der riesige Staat Mandschuko verzeichnete in der<br />
zweiten Hälfte der 30er Jahre sehr gute Wachstumsraten.<br />
646 Vgl. Klein, Geschichte, S. 52. Ausschlaggebend dafür war der Xian-Zwischenfall. Zwei<br />
Generäle der GMD stellten Chiang Kai-Shek unter Hausarrest, um ihn zu einem Bündnis<br />
mit den Kommunisten gegen Japan zu zwingen.<br />
647 Vgl. Spence, Chinas, S. 529 ff.<br />
648 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 233.<br />
649 Vgl. Spence, Chinas, S. 537. 1. Gebiete in japanischer Einflusszone: Mandschuko, die<br />
Föderation der Inneren Mongolei, Nordostchina südlich der Großen Mauer, das östliche<br />
Zentralchina und Taiwan, Kanton 2. Guomindang-Regime in Chongquing 3.<br />
Kommunistische Basis in Shanxi 4. Xinjiang (vorwiegend muslimisch) 5. Tibet.<br />
Seite | 217
Unterstützung aus dem Ausland den Krieg nicht für sich entscheiden und<br />
nahmen dabei genauso wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. So ließ im<br />
Juni 1938 Chiang Kai Shek die Deiche des Huanghe ohne Vorwarnung der<br />
Zivilbevölkerung zerstören, sodass Hunderttausende Menschen ums Leben<br />
kamen. 650 Erst die amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und<br />
Nagasaki sowie die Kriegserklärung der Sowjetunion am 8. August 1945<br />
beendeten mit der Kapitulation Japans auch den Zweiten Weltkrieg in<br />
China. 651<br />
Es folgte ein weiterer chinesischer Bürgerkrieg, den die Kommunisten<br />
erfolgreich für sich entscheiden konnten. Am 1. Oktober 1949 proklamierte<br />
Mao Zedong auf dem Tianamen-Platz die Volksrepublik China. Die<br />
Guomindang-Truppen zogen sich im Dezember 1949 auf die von Japan<br />
zurückgegebene Insel Taiwan zurück. 652<br />
2.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung<br />
China war vom 10. Jahrhundert bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts eine<br />
der größten und reichsten Volkswirtschaften der Erde. 653 Dazu war das Land<br />
technologisch führend in verschiedensten Bereichen. Bedeutende<br />
Errungenschaften wie das Schwarzpulver, der magnetische Kompass sowie<br />
650 Vgl. Klein, Geschichte, S. 53. Die GMD wurde von der UDSSR mit Fliegerstaffeln und von<br />
Großbritannien zwischen 1938 bis 1942 durch die Burma-Straße und seit 1941 von den<br />
USA mit Kriegsmaterial versorgt. Da die Deiche nicht erneuert wurden, kam es 1943 zu<br />
einer weiteren Flutkatastrophe. Nach dem Kriegseintritt der USA nach dem japanischen<br />
Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 wurde der Konflikt in China zu einem Teil<br />
des Pazifikkriegs. Infolgedessen wurde die GMD zu einem wichtigen Verbündeten der<br />
USA und Chiang Kai Shek nahm 1943 an der großen Kriegskonferenz von Kairo teil.<br />
Dabei willigten die Amerikaner und die Briten in die formelle Aufhebung der „ungleichen<br />
Verträge“ ein, die jedoch schon seit Ende der 1920er Jahre nur noch Makulatur waren.<br />
651 Vgl. Hsü, Rise, S. 609 f.<br />
652 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 103 f.<br />
653 Vgl. Maddison, Performance, S. 13 f. und S. 40.<br />
Seite | 218
das Papier und der Buchdruck wurden in China erfunden. 654 Eine Reihe<br />
interner und externer Ereignisse sowie eine verfehlte Wirtschaftspolitik führten<br />
allerdings zu einem Niedergang der Wirtschaft. 655 Infolgedessen waren in<br />
China Mitte des 19. Jahrhunderts die Agrarwirtschaft und das Handwerk die<br />
wichtigsten Wirtschaftszweige. 656<br />
Der Außenhandel war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gesamtwirtschaftlich<br />
gesehen von eher nachrangiger Bedeutung und beschränkte sich auf den<br />
Hafen von Canton. 657 Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung jedoch<br />
sukzessive zu, da vor allem England nach den Opiumkriegen eine Öffnung<br />
mehrerer Häfen für den Handel forderte. Diese und weitere „geöffnete<br />
Städte“, auch im Landesinneren, standen seit Ende der 1860er Jahre allen<br />
ausländischen Nationen gleichermaßen offen. In der Folge nahm<br />
654 Eine in der Wissenschaft, unter dem Schlagwort „Needham Puzzle“, vieldiskutierte Frage<br />
ist, warum die Industrielle Revolution trotz hervorragender Ausgangsbedingungen nicht in<br />
China stattfand. Hierfür existieren zahlreiche Theorien. Vgl. Lin, Needham Puzzle,<br />
S. 200–247.<br />
655 Vgl. Maddison, Performance, S. 13 f. und S. 40, und Barraclough, Atlas, S. 108 f.<br />
656 Vgl. Feuerwerker, trends I, S. 2–70, hier S. 29. Der landwirtschaftliche Sektor war<br />
dominierend (75 Prozent aller Beschäftigten). Die übrige Bevölkerung war vorwiegend im<br />
Handwerk, Handel oder Kleingewerbe tätig.<br />
657 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 14 ff. Nach der Etablierung der Mandschu-<br />
Dynastie (1644–1911) verstärkte sich das Interesse, sich anderen Ländern zu öffnen. Der<br />
Kaiserhof gab einige Häfen für ausländische Schiffe frei, beschränkte jedoch den<br />
Außenhandel im Jahr 1757 auf den Hafen von Canton. Dabei unterlagen alle<br />
Handelsmächte besonderen Vorschriften. So war die Anzahl derer, die mit den Europäern<br />
Handel treiben durften, auf 13 chinesische Kaufleute, die sogenannten Hong Merchants,<br />
beschränkt. Ferner durften sich die Ausländer nur in den Wintermonaten September bis<br />
März in Canton aufhalten. Chinesische Lotsen, Bootsleute und anderes Personal, das für<br />
die Ausländer arbeitete, durften ihrer Tätigkeit nur mit besonderer Lizenz nachgehen.<br />
Seite | 219
Außenhandel zu und führte zur und der Etablierung von Shanghai als<br />
chinesischem Wirtschaftszentrum. 658<br />
350.000<br />
300.000<br />
250.000<br />
200.000<br />
150.000<br />
100.000<br />
50.000<br />
0<br />
Wert in Tael<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach Feuerwerker, Economic Trends, Cambridge China 11, S. 46.<br />
Abbildung 34: Entwicklung des chinesischen Außenhandels (1870 bis 1895)<br />
Die ersten nennenswerten Industrialisierungstendenzen gehen auf das Jahr<br />
1895 zurück. Der „nationale Schock“ der militärischen Niederlagen der Jahre<br />
1895 und 1900 führte zu einer Intensivierung der Modernisierungs-<br />
bemühungen. So wurde ab 1895 die Infrastruktur ausgebaut. Das<br />
Eisenbahnnetz, das sich noch im Jahr 1895 auf 288 km erstreckte, konnte bis<br />
658 Vgl. Rawski, Excerpts, S. 546–582, hier S. 561 ff. Zwar war Handel zugelassen, die<br />
Gründung von Produktionsstätten jedoch verboten. Die Rolle Shanghais ist dabei mit der<br />
Rolle New Yorks in der amerikanischen Wirtschaft vergleichbar.<br />
Seite | 220
zum Jahr 1912 auf 9.244 km ausgebaut werden. 659 Auf Seiten der<br />
kaiserlichen Regierung zeigte sich dies in den Reformen des Bildungs- und<br />
Verwaltungswesens. Zudem versuchten die Quing-Herrscher 1903 durch ein<br />
„Company Law“ die Voraussetzungen für eine Industrialisierung des Landes<br />
zu schaffen. 660 So gründeten mehrheitlich Beamte oder Provinzfürsten mit<br />
staatlicher Unterstützung Unternehmen. 661 Im Zeitraum zwischen 1895 und<br />
1913 entstand so eine Vielzahl von chinesischer Industrieunternehmen, die<br />
sich vorwiegend auf die Bereiche Textil- und Nahrungsmittelindustrie sowie<br />
auf den Bergbau fokussierten. 662<br />
Zudem musste China nach der Niederlage im chinesisch-japanischen Krieg<br />
ausländischen Nationen das Recht zur Errichtung von Fabriken in China<br />
einräumen. Ab 1895 entstanden mindestens 136 unter ausländischer<br />
Kontrolle stehende Industrieunternehmen vorwiegend in den Bereichen<br />
Bergbau und Textilindustrie mit einem anfänglichen Gründungskapital von<br />
100.000 chinesischen Dollar. 663 Diese dominierten in der Folgezeit die<br />
659 Vgl. Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 53–65. Die Eisenbahnen wurden größtenteils<br />
durch ausländische Anleihen finanziert.<br />
660 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 26.<br />
661 Vgl Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 32 ff. Auch die Binnen- und Seeschifffahrt<br />
wurde ausgebaut.<br />
662 Vgl. Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 35.<br />
663 Alle Zahlungen erfolgten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Tael, in Form von<br />
ungeprägtem Silber, bewertet nach Gewicht und Feingehalt. Das ungeprägte Silber hatte<br />
eine besondere Form, die zur Bezeichnung Silberschuhe führte. Dabei gab es für die<br />
Kaufleute Schwierigkeiten, da bei Zahlungen der Wert je nach Marktverhältnissen<br />
schwankte. Daher wurde unter dem Einfluss der Amerikaner und Europäer kurz nach der<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts der mexikanische Silberdollar (chinesischer Dollar) als zweite<br />
Währungseinheit eingeführt und erlangte unter den Kaufleuten große Beliebtheit. Als<br />
Reaktion auf die Währungsschwankungen und als Versuch, das Geldsystem – zumindest<br />
in den Vertragshäfen – zu vereinheitlichen, führten die Chinesen 1873 bis 1875 die<br />
Silbermünze Haikwan-Taels ein. Bis 1933 wurden sowohl der mexikanische Silberdollar<br />
als auch der Tael verwendet. Ein mexikanischer Silberdollar entsprach ungefähr 0,72<br />
Taels. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 233, und Feuerwerker, Trends I, S. 2–70,<br />
hier S. 29.<br />
Seite | 221
chinesische Industrie. 664 Dabei hielten England, Japan und Russland zwei<br />
Drittel der Firmen. Die ausländisch kontrollierten Unternehmen konzentrierten<br />
sich mit Ausnahme des Kohlebergbaus, der hauptsächlich in Hebei und der<br />
Mandschurei 665 angesiedelt war, auf Shanghai und die nördlichen<br />
Vertragshäfen.<br />
Von 1913 bis 1920 erstarkte in Folge des Ersten Weltkriegs die chinesische<br />
Wirtschaft. Die westlichen Importe sanken kriegsbedingt stark und<br />
begünstigten die lokale Wirtschaft. Zudem sorgte die Nachfrage der<br />
kriegsführenden Mächte vor allem nach Textilien für einen erheblichen<br />
Aufschwung. 666<br />
In der Zwischenkriegszeit setzte sich trotz der politischen Zersplitterung der<br />
wirtschaftliche Aufschwung fort. Sowohl der Außenhandel als auch der<br />
industrielle Sektor nahmen in der Zwischenkriegszeit erheblich zu. 667 Bereits<br />
vorhandene Industriezweige wurden erweitert und zahlreiche neue Betriebe<br />
gegründet. 668 Wichtigste Industriezweige blieben weiterhin die<br />
664 Vgl. Feuerwerker, Trends I, S .2–70, hier S. 28 ff.<br />
665 Die Minengesellschaften in der Mandschurei waren hauptsächlich in japanischer Hand und<br />
waren vor allem nach dem japanischen Sieg gegen Russland gegründet worden. Vgl.<br />
Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 32.<br />
666 Vgl. Wu, Account, S. 582–597, hier S. 590 ff. Begünstigt wurde diese Entwicklung noch<br />
durch einen Verfall des Silberpreises, der Exporte förderte.<br />
667 Vgl. Rawski, Excerpts, S. 546–582, hier S. 555 ff. Die chinesische Industrialisierung war<br />
dabei auf wenige Zentren beschränkt. So waren die Jiangsu-Provinz und die Mandschurei<br />
im Jahr 1933 für zwei Drittel des chinesischen Outputs verantwortlich. Dadurch war ein<br />
Großteil des Landes weiterhin von der Agrarwirtschaft geprägt.<br />
668 Vgl. Spence, Chinas, S. 405 und S. 499 ff. Die Mehrheit der Chinesen war auch in der<br />
Zwischenkriegszeit in der traditionellen Landwirtschaft sowie im Handwerk tätig. Dabei<br />
unternahm mindestens eine halbe Million Landarbeiter alljährlich Saisonwanderungen in<br />
die Mandschurei, um dort in großem Maße leichtverkäufliche Agrarprodukte wie<br />
Sojabohnen für den Weltmarkt anzubauen. Die Ernten wurden auf dem neuen<br />
mandschurischen Bahnnetz an die Küste befördert. Wichtige neue Industriezweige nach<br />
dem Ersten Weltkrieg waren die Zigarettenindustrie und das Bankenwesen.<br />
Seite | 222
Textilindustrie 669 sowie der Bergbau. 670 Ferner wurde das Eisenbahnnetz mit<br />
Hilfe ausländischer Darlehen weiter ausgebaut. 671<br />
Auch in der Zwischenkriegszeit blieb der Anteil ausländischer Investitionen in<br />
den „modernen“ Sektoren beachtlich. Trotz des Ausbaus der chinesischen<br />
Industrie zwischen 1912 und 1923 lag die Auslandsbeteiligung an den<br />
Gesamtinvestitionen im Schiffstransport noch immer bei circa 77 Prozent, in<br />
der Baumwollspinnerei bei 45 Prozent und im Kohlebergbau bei 78 Prozent.<br />
Die ausländischen Firmen verfügten dabei über etwa 7.000 verschiedene<br />
Zweigniederlassungen und Filialen. 672<br />
In die Weltwirtschaftskrise wurde China erst mit Verzögerung eingezogen,<br />
geriet dann jedoch in ernsthafte ökonomische Schwierigkeiten. Die prekäre<br />
wirtschaftliche Lage wurde durch die die Besetzung der wirtschaftlich<br />
bedeutenden Mandschurei sowie mehrere Naturkatastrophen noch verschärft.<br />
Mitte der 1930er Jahre war der Tiefpunkt der Krise überwunden und die<br />
Infrastrukturprogramme der Nanking-Regierung brachten einen<br />
wirtschaftlichen Aufschwung. 673 Dieser sollte allerdings nur von kurzer Dauer<br />
669 Vgl. Spence, Chinas, S. 400 f. Weitere Textilzentren mit hoher chinesischer Beteiligung<br />
waren Wuhan, Kanton, Changsha und Tianjien.<br />
670 Vgl. Spence, Chinas, S. 400. Ein Hauptträger dieser Entwicklung war die Han-Ye-<br />
Gesellschaft in der Region Wuhan, die auch von Siemens beliefert wurde. Dieser unter<br />
dem Quing-Generalgouverneur Zhang Zhidong ins Leben gerufene Industriekomplex<br />
setzte sich aus einem bedeutenden Hüttenwerk in Hanyang, Eisenbergwerken in Daye<br />
und Kohlezechen an der Grenze zu Jianxi zusammen. Hier sammelten Mao Zedong und<br />
andere KPCh-Mitglieder ihre ersten Erfahrungen in der Arbeiterorganisation.<br />
671 Verfügte China im Jahr 1912 über 9618 Kilometer Eisenbahnstrecke, verdoppelte sich die<br />
Zahl bis 1938. Vgl. Feuerwerker, Trends II, S. 28–116, hier S. 93.<br />
672 Vgl. Spence, Chinas, S. 404. Bedeutende marktbeherrschende ausländische Firmen<br />
waren Jardine Matheson (Großbritannien) in Bankwesen, Schiffstransport und<br />
Textilindustrie (früher im Opiumgeschäft), der deutsche Krupp-Vertreter Carlowitz für<br />
schwere Maschinen und Waffen, der japanische Mitsui-Konzern auf dem<br />
Versicherungssektor und im Schiffstransport.<br />
673 Vgl. Wu, Account, S. 582–597, hier S. 590 ff. Ferner führte die Nanking-Regierung im Jahr<br />
1935 eine neue Währung ein.<br />
Seite | 223
sein. Ab 1937 kam es kriegsbedingt zu einem Niedergang der chinesischen<br />
Wirtschaft. 674<br />
2.1.3 Branchenentwicklung<br />
Bis zum Jahr 1895 spielte die Elektroindustrie, abgesehen von<br />
Telegraphenlinien und vereinzelten Importen – die weitestgehend in<br />
englischer Hand waren – keine Rolle. Die einsetzende Industrialisierung im<br />
Jahr 1895 führte zu einem bescheidenen Anstieg der Elektroindustrie. So<br />
wurden um die Jahrhundertwende innerhalb der ausländischen<br />
Konzessionsgebiete erste kleinere Licht-Kraftwerke errichtet. 675 In den<br />
folgenden Jahren nahm die Geschäftstätigkeit innerhalb der Elektroindustrie<br />
zu. Dabei erwarben vermehrt chinesische Geschäftsleute Konzessionen für<br />
kleinere elektrische Anlagen, die hauptsächlich zur Beleuchtung dienten.<br />
Infolgedessen entstanden in China bis zum Ende des Ersten Weltkriegs unter<br />
anderen 40 Elektrizitätswerke für elektrische Beleuchtung.<br />
Vor allem nach der chinesischen Revolution und dem folgenden<br />
wirtschaftlichen Aufschwung stiegen die Elektroimporte an und vervierfachten<br />
sich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. 676<br />
674 Vgl. Feuerwerker, Trends II, S. 28–116, hier S. 45. Im Gegensatz dazu kam es zu einem<br />
wirtschaftlichen Aufschwung in der japanisch besetzten Mandschurei mit einer<br />
Wachstumsrate von nahezu 10 Prozent.<br />
675 U.a. durch Siemens in Peking und Tsingtao. Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das erste<br />
Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin 1900, und SAA 13087:<br />
Vertrag zwischen dem Schutzgebiet Kiautschou und den Siemens-Schuckertwerken und<br />
der AEG für den Bau eines Kraftwerkes, 17. November 1903, S. 2 f.<br />
676 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 115 ff. und S. 125.<br />
Seite | 224
in Millionen Taels<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1903 bis 1907<br />
1910<br />
1911<br />
1912<br />
Abbildung 35: Elektrotechnische Importe nach China 1903 bis 1920<br />
Nachdem bis zum Ersten Weltkrieg englische und deutsche Unternehmen<br />
führend waren, wurden in den Folgejahren vor allem japanische und<br />
amerikanische Unternehmen immer stärker. 677<br />
677 Der starke Anstieg japanischer Firmen im Ersten Weltkrieg erklärt sich vor allem durch<br />
Fortschritte im elektrischen Kleinbau sowie bei Lampen. Zudem konnte Japan durch die<br />
Gewährung von Anleihen an China seine Marktposition ausbauen. Der starke Anstieg<br />
amerikanischer Unternehmen folgte aus dem Markteintritt der großen amerikanischen<br />
Elektrogesellschaften General Electric, Western Electric sowie Westinghouse, die bisher<br />
nur vereinzelte Aufräge über Handelshäuser abwickelt hatten. So gründete General<br />
Electric im Jahr 1912 eine eigene Niederlassung in Shanghai und Western Electric plante<br />
eine eigene Telefonproduktion. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 122 ff., und SAA<br />
15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 14 f., und<br />
SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Jahresbericht China 1914/15, Shanghai 8. Juni 1916.<br />
1913<br />
1914<br />
1916<br />
1919<br />
Japan Großbritannien Deutschland USA<br />
1920<br />
Daten 1903 bis 1907 Durchschnittswerte. Für USA in den Jahren 1910 bis 1912 keine Angaben vorhanden.<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 71 und S. 125.<br />
Seite | 225
In der Zwischenkriegszeit kam es zu einem Anstieg der elektrischen<br />
Energieerzeugung. Neben kleineren lokalen Anlagen wurden nun auch immer<br />
mehr große Überlandkraftwerke errichtet. 678 Damit ging die Elektrifizierung der<br />
Industriebetriebe einher. Das Resultat dieser Entwicklung war eine beachtlich<br />
wachsende Elektroindustrie.<br />
Abbildung 36: Elektrische Energieerzeugung in China 1920 bis 1937<br />
Neben dem tradionellen Starkstromgeschäft erlebte das Geschäftsfeld<br />
„Telefonie“ einen starken Aufschwung. Zahlreiche Städte schufen eigene<br />
Telefonämter. 679 Jedoch wurde ein Großteil der elektrotechnischen<br />
Erzeugnisse weiterhin aus dem Ausland importiert. 680 Die steigende<br />
678 Vgl. SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />
10/1927, S. 662–668, hier S. 666. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es in China zwar eine<br />
Reihe kleinerer Zentralen für den örtlichen Einsatz, jedoch keine Überlandkraftwerke.<br />
Siemens nahm mit der Errichtung des Tseng-Hua-Kraftwerkes 1922 sowie des<br />
Überlandkraftwerks in Mukden eine Pionierrolle ein.<br />
679 Vgl. SAA 15/Lp 194: Anmerkung über China (Bericht von S&H), 6.8.1931.<br />
680 Es gab aber auch erste Versuche eines Aufbaus von Produktionsstätten. So errichtete GE<br />
gegen Ende des Kriegs eine Glühlampenfabrik. Der Siemens-Vorstand in Shanghai<br />
Seite | 226
Nachfrage nach elektrotechnischen Produkten spiegelt sich in der Zunahme<br />
der Elektroimporte bis zum bemerkenswerten Einbruch im Jahr 1932 wider.<br />
in Mill. RM<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1925 bis 1929<br />
1930<br />
1931<br />
1932<br />
Abbildung 37: Elektrotechnische Importe nach China 1925 bis 1937<br />
1933<br />
Der Einbruch Anfang der 1930er Jahre erklärt sich anhand mehrerer<br />
Faktoren. An erster Stelle ist hierbei die Annektierung der Mandschurei durch<br />
Japan zu nennen, die ein wichtiges Absatzgebiet der elektrotechnischen<br />
Industrie darstellte. Zweiter Faktor war die Weltwirtschaftskrise. Zwar erlebte<br />
China nach 1930 einen wirtschaftlichen Aufschwung, war jedoch von den<br />
negativen Auswirkungen der Krise ab 1931 massiv betroffen. Aufgrund der<br />
berichtete, dass dort von chinesischen Arbeitern unter Leitung eines Amerikaners täglich<br />
1.500 Lampen hergestellt wurden. Fäden und Metallteile der Lampen kamen aus Amerika,<br />
das Glas wurde in China hergestellt, was den Vorteil hatte, dass Glasbrüche während der<br />
Fracht ausgeschlossen werden konnten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China<br />
(Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 28.7.1919, S. 7. Dagegen scheiterte der<br />
Aufbau einer Telefonfertigung der Western Electric. Vgl. SAA 15/La 610: Geschäftsbericht<br />
der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 14 f.<br />
1934<br />
1935<br />
1936<br />
1937<br />
Deutschland USA Großbritannien Japan Sonstige<br />
Daten 1925 bis 1929 Durchschnittswerte<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach Mielmann, Handelsbeziehungen, S.181,240ff.<br />
Seite | 227
durch die krisenbedingten schlechten Finanzlage wurden zudem keine<br />
größeren Investitionen durchgeführt. Drittens traten Anfang der 1930er Jahre,<br />
begünstigt durch einen neuen Zolltarif, erstmals auch chinesische Firmen als<br />
ernsthafte Konkurrenten auf. Vor allem auf dem Starkstrom-Gebiet gewann<br />
die lokale Produktion immer mehr an Bedeutung. So wurden beispielsweise<br />
kleine Transformatoren, Schaltgeräte, Leitungszubehör und Glühlampen<br />
zunehmend im Land selbst hergestellt. Auch bot die neu gegründete<br />
Shanghaier Fabrik Asia Electric Motoren aus eigener Produktion auf dem<br />
Shanghaier Markt und im Landesinneren an. Ferner wurden in staatlichen und<br />
privaten Radiowerkstätten in Mukden, Shanghai und Canton drahtlose<br />
Stationen verschiedener Größe gefertigt. Die Chinesen konnten auf diese<br />
Weise sukzessive einen Teil der Elektroimporte durch die Produktion im<br />
eigenen Land ersetzen. 681<br />
in Prozent<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1934 1935 1936 1937<br />
Deutschland USA Großbritannien Japan<br />
Abbildung 38: Anteile am chinesischen Elektroimport 1934 bis 1937<br />
Auch wenn die Elektroimporte absolut gesehen sanken, lag Deutschland in<br />
den Jahren 1935 bis 1937 als Elektroexporteur nach China an erster Stelle.<br />
Während alle Hauptwettbewerbstaaten sinkende Elektroanteile verzeichneten,<br />
681 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 174 und S. 182 ff.<br />
Jahr<br />
Seite | 228
wuchs der deutsche Anteil bis zum Beginn der kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen. Dieser Anstieg erklärt sich aus der engen<br />
Zusammenarbeit Deutschlands mit der Guomindang während dieses<br />
Zeitraums, nachdem Deutschland und China im Jahr 1934 einen<br />
Kompensationsvertrag geschlossen hatten, der vorsah, dass Deutschland<br />
gegen Lieferung deutscher Industrie- und Rüstungsgüter chinesische<br />
Rohstoffe erhielt. Hiervon konnte auch die Elektroindustrie profitieren. 682<br />
2.2 Die Anfänge des Chinageschäfts (1862-1919)<br />
2.2.1 Markteintritt und erste Schritte<br />
Die ersten Überlegungen zur Erschließung des chinesischen Reiches sind für<br />
das Jahr 1862 nachweisbar. Durch die englische Gesandtschaft erfuhr<br />
Werner von Siemens von den Plänen für den Bau einer 1.400 km langen<br />
Telegrafenlinie. „Hätten wir ein paar unzweifelhaft tüchtige und geeignete<br />
Leute, so könnte China vielleicht ein ungeheures Gebiet für uns werden,<br />
welches unser zweites Russland würde!“ 683<br />
Angesichts der zunehmenden kolonialen Durchdringung Chinas und der<br />
verbesserten Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten wurde China für<br />
westliche Industrieunternehmen in den Folgejahren als Absatzmarkt immer<br />
interessanter. 684 Auch Siemens profitierte von dieser Entwicklung und konnte<br />
einzelne Aufträge ausführen. Schließlich begann im Jahre 1879 die<br />
systematische Erschließung des vielversprechenden chinesischen Markts. 685<br />
682 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 225 und S. 240 ff.<br />
683 Vgl. SAA 8188: Bericht Eitel, Historische Entwicklung des Überseegeschäftes, S. 9.<br />
684 Die Eröffnung des Suez-Kanals (1869), des Panamakanals (1914) sowie die Erweiterung<br />
der Weltschifffahrt und die Ersetzung der Segelschiffe durch große Ozeandampfer gaben<br />
dem Außenhandel enormen Auftrieb. Vgl. Barraclough, Atlas, S. 108 f.<br />
685 In einem Brief an seinen Bruder Carl im März 1879 schrieb Werner Siemens: „Mit China<br />
werden wir wohl bald in Gang kommen. Der hiesige Gesandte hat nach China berichtet<br />
Seite | 229
Im Zuge dessen schlossen das in Shanghai ansässige Handelshaus Carlowitz<br />
& Co. und Siemens Berlin einen Vertretungsvertrag. 686 Im Mittelpunkt der<br />
Agententätigkeit stand der Vertrieb von Telefonapparaten, Wassermessern<br />
und Telegrafenanlagen. 687 Dabei erwies sich die anfängliche<br />
Markterschließung angesichts amerikanischer Konkurrenz und fehlender<br />
Service-Technikern vor Ort als schwierig. 688 Jedoch wurden in den<br />
und in Folge dessen hat die chinesische Verwaltung einem deutschen Hause in Shanghai<br />
(früherem Konsul Deutschlands in China) den Wunsch ausgedrückt, Lichtmaschinen von<br />
uns zu beziehen. Die Leute fazilierten auch das Kruppsche Geschäft. Sie nehmen<br />
Bestellungen der Regierung (ausschließlich) entgegen und vermitteln die Ablieferung an<br />
dieselbe für 5 Prozent. Bezahlt wird bei Verschiffung hier. Die Sache kann man ja mal<br />
probieren. Braucht die Regierung Monteure usw., so werden die auf ihre Kosten geschickt.<br />
Die ungeheuren Profite der englischen Zwischenhändler sollen die chinesische Regierung<br />
zu dem Entschluss gebracht haben, künftig nur mit dem Fabrikanten zu verkehren! Kann<br />
uns nur angenehm sein.“ Vgl. SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 11. März<br />
1879, S. 3.<br />
686 Wie es zur Übertragung der Siemens-Vertretung an Carlowitz kam, wird aus einem Brief<br />
vom 3. Oktober 1879 von Werner Siemens an Carl Siemens deutlich: „Der Chef des<br />
Hauses, Carlowitz, kam mit dem chinesischen Gesandten zu uns, und wir haben<br />
denselben für einige Artikel (Telephone und Wassermesser für die Europäer) faktisch zu<br />
unserem Agenten gemacht und ihm weitere Agenturen in Aussicht gestellt, wenn er uns<br />
faktische Geschäftsofferten übermittelt. Sie wollen dann jemand herüberschicken, um sich<br />
in der Lichtmaschinentechnik zu instruieren, oder von hier jemand engagieren.“ Vgl. SAA<br />
68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879, S. 1 ff.<br />
687 Es waren vor allem die zukünftigen Geschäftschancen - das laufende Chinageschäft<br />
wurde eher pessimistisch gesehen - auf denen die Hoffnungen der Geschäftsleitung<br />
ruhten. Vgl. SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879, S. 1 ff.,<br />
und SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 11. März 1879, S. 1 ff.<br />
688 Daher empfahl Werner von Siemens am 29. Oktober 1879 in einem Brief an Carlowitz den<br />
Schwerpunkt des Vertriebs auf das Telefongeschäft zu legen, das er im Vergleich mit den<br />
englischen Produkten als besonders wettbewerbsfähig ansah. Er begründete dies mit der<br />
Bedienungsfreundlichkeit auch für Nichttechniker. Kritik an den nach Carlowitz zu hohen<br />
Preisen wies Werner Siemens zurück. Vgl. SAA 68/Li 190: S&H an Carlowitz, Berlin 29.<br />
Oktober 1879, S.1 ff., und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 42 ff.<br />
Seite | 230
Folgejahren nur im geringen Umfang elektrotechnische Erzeugnisse durch<br />
Carlowitz nach China exportiert. 689<br />
Daher wurde die Vereinbarung mit Carlowitz gelöst. Das Handelshaus Mandl,<br />
das auch Krupp im chinesischen Markt vertrat, wurde im Dezember 1895 zum<br />
Generalagenten für China einschließlich Hongkong für den Vertrieb aller<br />
Erzeugnisse von S&H ernannt. 690 Das mit den Eigenheiten des<br />
Chinageschäftes gut vertraute Handelshaus, das auch technische Erfahrung<br />
besaß, verfolgte für Siemens in den folgenden Jahren verschiedene Projekte<br />
und wurde mit Unterstützung in Japan stationierter Siemens-Ingenieure auch<br />
im Unternehmergeschäft aktiv. 691<br />
Aufgrund der voranschreitenden Industrialisierung und der kolonialartigen<br />
Erschließung durch das Deutsche Reich erweiterten Siemens 692 und Mandl<br />
ihre Kooperationsvereinbarung. Die beiden Unternehmen verhandelten im<br />
Oktober 1903 einen Vertrag, dessen Ziel die „Errichtung einer<br />
Interessensgemeinschaft für das elektrische Geschäft in China“ war. Die<br />
wichtigsten Inhalte dieser Vereinbarung waren Folgende: Siemens errichtete<br />
ein technisches Büro in Shanghai, das die Bezeichnung Siemens-<br />
Schuckertwerke, Technisches Büro Shanghai (T.B.S.) trug. Das<br />
Vertriebsgebiet umfasste China mit Ausnahme von Hongkong, Port Arthur<br />
689 Obwohl der Umfang des Chinageschäfts von Siemens Berlin überschaubar war, so sorgte<br />
es dennoch für weiteren Ärger im schwelenden Konflikt über die Aufteilung der Weltmärkte<br />
mit Siemens Brothers, das seinen Vertreter Bishop benachteiligt sah. Werner von Siemens<br />
war der Meinung, dass der chinesische Absatzmarkt groß genug sowohl für Carlowitz wie<br />
auch für Siemens Brothers sei, und er sehe einem Wettbewerb freudig entgegen. Vgl.<br />
SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879, S. 1 ff., und<br />
Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 42 ff.<br />
690 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 50 f.<br />
691 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 24.<br />
692 Nach der Fusion mit Schuckert wurde auch dessen Chinageschäft übernommen. Dieses<br />
wurde über das Handelshaus Schultz abgewickelt, war aber relativ klein. Vgl. SAA 6320:<br />
Diverse Briefwechsel zwischen EAG vormals Schuckert&Co. & Handelshaus Schultz,<br />
1899–1902.<br />
Seite | 231
und der Mandschurei. Dabei stellte Siemens das technische Personal<br />
einschließlich des technischen Leiters zur Verfügung. Mandl sorgte für das<br />
kaufmännische Personal und die Räumlichkeiten. Das T.B.S. erhielt eine<br />
Vollmacht zum Abschluss von Geschäften mit technischen Produkten bis zu<br />
50.000 Mark. Finanzierungsgeschäfte mussten mit den Stammhäusern<br />
abgesprochen werden. Mandl erhielt als Provision für die Vermittlung von<br />
Geschäften 5 Prozent des Auftragswerts. Des Weiteren erhielt das<br />
Handelshaus 10 Prozent des Gewinns des T.B.S. Die Zusammenarbeit wurde<br />
bis zum 31. Mai 1909 vereinbart und sollte sich um jeweils ein Jahr<br />
verlängern, sofern von keinem der Partner eine Kündigung erfolgte. 693<br />
Abbildung 39: Gründung des Technischen Büros Shanghai (T. B. S.)<br />
Als erster permanenter Siemens-Vertreter in China wurde der Siemens-<br />
Ingenieur Hermann Meyer nach Shanghai entsandt. 694 Die gute<br />
Zusammenarbeit zwischen Siemens und Mandl verschlechterte sich<br />
allerdings mit der Übernahme des Handelshauses Mandl durch Carlowitz im<br />
693 Vgl. SAA 21/Li 732: Vertrag zwischen SSW Berlin und Mandl, Berlin 1. Oktober 1903. Die<br />
bei Mielmann angegebene Signaturnummer SAA 25/Lg 136 ist nicht auffindbar.<br />
694 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 53. Er erreichte im November 1903 Shanghai. Am<br />
1. Januar 1904 nahm das T.B.S. seine Arbeit auf.<br />
Seite | 232
Jahr 1906. 695 Wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Geschäftspolitik<br />
beendete Siemens deshalb im September 1908 die Zusammenarbeit. 696<br />
Nach der Trennung von Carlowitz 1908 führte der Ingenieur Meyer das<br />
Unterbüro eigenständig weiter. Das Geschäft entwickelte sich allerdings ohne<br />
Partner schlecht, da ohne den Komprador 697 von Carlowitz der Kontaktmann<br />
zu den chinesischen Behörden fehlte. Daher war Siemens auch weiterhin auf<br />
die Zusammenarbeit mit Handelshäusern angewiesen. 698 Dennoch war das<br />
695 Vgl. SAA 68/Li 190: SSW-Berlin an Russische Gesellschaft Schuckert&Co, 26. Januar<br />
1906, S. 1 ff. Carlowitz strebte auch eine Erweiterung des Absatzgebietes um die<br />
Mandschurei an.<br />
696 Vgl. SAA 25/Lc 71: Siemens Berlin an TBS, Geschäfte mit Carlowitz, Berlin, Berlin 5.<br />
Februar 1909, S. 1 f., und SAA 68/Li 190: Schreiben über die Beendigung der Kooperation<br />
mit Carlowitz, Berlin 23. September 1908 S. 1 ff., sowie Mielmann, Handelsbeziehungen,<br />
S. 53 ff. So war die Herausgabe von Grenzpreisen an den neuen Kooperationspartner<br />
umstritten. Für weitere Verstimmung sorgte das T.B.S., das eigenmächtig einen Vertrag<br />
mit dem Handelshaus Schultz abgeschlossen hatte, Carlowitz aber eine Alleinvertretung<br />
beanspruchte. Im März 1908 schlug Carlowitz eine Neufassung des im Jahr 1909<br />
auslaufenden Vertrags vor. Die Handelsfirma wollte elektrisches Material auch von<br />
anderen Firmen beziehen. Dies war aber für das Berliner Elektrounternehmen nicht<br />
akzeptabel.<br />
697 Der Begriff Komprador geht auf das portugiesische Wort „comprar“ (einkaufen) zurück. Die<br />
Chinesen sprachen stattdessen von maiban (= Erlediger der Einkäufe) oder „ling-shi-di“ (=<br />
Führer der Geschäfte). Die Kompradore waren chinesische Geschäftsleute mit guten<br />
Kontakten zu Regierungskreisen und der Industrie. Zur Erfüllung waren neben ihren<br />
Verbindungen auch kaufmännische und organisatorische Begabung und ausreichende<br />
Englischkenntnisse erforderlich. Über technisches Wissen verfügten sie in der Regel nicht.<br />
Ihre Aufgabe bestand in erster Linie darin, ihre Beziehungen zur Vermittlung von<br />
Aufträgen einzusetzen. Um solche Beziehungen aufzubauen, beteiligten sie sich<br />
beispielsweise privat finanziell an chinesischen Unternehmungen. Den damit gewonnenen<br />
Einfluss nutzten sie später dazu, die Unternehmen zur Auftragsvergabe zu bewegen. Bei<br />
erfolgreichem Abschluss solcher Aufträge erhielten sie vom Umsatzvolumen abhängige<br />
Provisionen. Des Weiteren oblag ihnen die Leitung und Betreuung des chinesischen<br />
Personals. Vgl. Benecke, Komprador, S. 377–413, hier S. 400–413.<br />
698 Die CVU sah die Probleme jedoch vor allem als das Resultat hausgemachter<br />
schwerwiegender struktureller Mängel. Der bei der CVU für das Asiengeschäft<br />
Seite | 233
Stammhaus von den Zukunftsperspektiven des Markts überzeugt und<br />
beschloss, durch ein neues Maßnahmenbündel eine offensive<br />
Marktbearbeitung vorzunehmen.<br />
Abbildung 40: Maßnahmen zur offensiven Marktbearbeitung<br />
Infolgedessen wurde die Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH<br />
(SCEEC) mit einem Startkapital von 500.000 Mark gegründet. 699 Um das<br />
Verantwortliche Keßler kam zum Schluss, dass es bei der Arbeit von Meyer an Klarheit,<br />
Sachlichkeit und Vollständigkeit fehle. Dies erkennend machte Berlin dem Leiter des<br />
T.B.S. Vorhaltungen: „Noch unter dem Vertragsverhältnis mit dieser Firma war es ihre<br />
Aufgabe persönlich mit den chin. Behörden und der übrigen chinesischen Kundschaft in<br />
Berührung zu kommen und zu bleiben, damit unser Name bekannt wird; dadurch aber<br />
dass C.&Co. bisher immer diesen Verkehr besorgt haben, ist das Gegenteil erreicht<br />
worden und darunter werden wir für die erste Zeit, auf vielleicht Jahre hinaus zu kämpfen<br />
haben!“ Vgl. SAA 13/Lc 332: Schreiben CVU (Keßler) an TBS (Meyer), Berlin 16. März<br />
1910, und SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 29.<br />
699 Vgl. SAA 68/Li 190: Vertrag der Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH, Berlin 6.<br />
Juli 1910. Anteilseigner der Gesellschaft waren neben SSW die zwei Prokuristen der CVU<br />
Keßler und Lietke, die jeweils 1.000 Mark übernahmen. Die Aufgabe der neuen Firma war<br />
der Vertrieb von Artikeln der Fabrikation von Siemens-Produkten sowie die Teilnahme an<br />
Seite | 234
Geschäft anzukurbeln, veranlasste das SCEEC eine ausführliche<br />
Werbekampagne und förderte großzügig soziale Projekte und das kulturelle<br />
Leben. 700 Des Weiteren kam es für eine bessere Produktidentifizierung zu<br />
einer phonetischen Übersetzung des Namen Siemens. Er wurde in Anzeigen<br />
häufig mit Hsi-Men-Tze übersetzt, was bedeutet: Westen-Tor-Sohn oder<br />
etwas freier übersetzt „der Sohn, der durch das Westtor hereinkam“. 701<br />
Das Führungspersonal wurde um den chinaerfahrenen Kaufmann Franz<br />
Erhardt und einen Komprador, der von Carlowitz abgeworben worden war,<br />
ergänzt. 702 Unter der neuen Führung kam es zu einem Ausbau des Personals,<br />
da die Führungsriege eine durchweg positive Zukunftsentwicklung erwartete.<br />
Dabei sah die neue Firmenstrategie eine aktivere Marktbearbeitung vor, durch<br />
die Kontakt zu den chinesischen Behörden hergestellt und das Landesinnere<br />
durch eine intensive Reisetätigkeit erschlossen werden sollte. Dafür wurden<br />
Unternehmungen aller Art auf dem Gebiet der angewandten Elektrizität und damit im<br />
Zusammenhang stehenden Operationen. Der Eintrag des englischen Namens in das<br />
Handelsregister von Shanghai führte allerdings zum Konflikt mit der kaiserlichen<br />
Verwaltung in Tsingtau. Der zuständige Beamte lehnte es ab, mit einer „internationalen<br />
Firma“ über den Ausbau der Kolonie zu verhandeln. Daraufhin reiste der neue Direktor<br />
Erhardt nach Tsingtau und stellte eine Lösung in Aussicht. Die Siemens China Electrical<br />
Engineering Co. GmbH erhöhte das Stammkapital um 10.000 Mark und änderte ihren<br />
Namen am 7. Mai 1914 in „Siemens China Co. GmbH, Hauptsitz Berlin”. Vgl. SAA 25/Lc<br />
71: Erhardt an CVU, Verhandlung mit Herrn Major Klehmet, Tsingtau, Shanghai<br />
21.4.1911, und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 90.<br />
700 Vgl. SAA 68/Li 190: Betrifft Behandlung des Tantal- und Kohlefadenlampen-Geschäfts<br />
(Fotografie), und SAA 68/Li 190: Diverse Zeitungsausschnitte (1908 die Werbeoffensive<br />
nach Trennung von Carlo um Geschäft anzukurbeln), sowie zur Förderung der Kultur: SAA<br />
LC 26: Diverse Berichte Kultursponsoring – Siemens förderte großzügig verschiedene<br />
soziale Projekte und das kulturelle Leben wie auch Fachzeitschriften über China.<br />
701 Vgl. SAA 13/Lc 332: Rabe: Notizen für die 100-Jahr-Feier, Schreibmaschinenskript, 22.<br />
Dezember 1943, S. 1.<br />
702 Dieser erwarb seine Kenntnisse während einer mehrjährigen Tätigkeit bei der Chinese<br />
Engineering & Mining Co., die in Tientsin war. Zu Beginn seiner Tätigkeit reiste Erhardt<br />
nach Deutschland um die strategische Neuorganisation der chinesischen Tochter mit der<br />
Muttergesellschaft abzustimmen. Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 29.<br />
Seite | 235
die bestehenden Standorte in Shanghai, Tsingtau 703 , Tientsien und Hankow<br />
ausgebaut und neue Büros in Peking (1910), Hongkong (1911, mit Agentur in<br />
Kanton), Harbin (1911), Chengdu (1914) und Changsha (1914) errichtet. 704<br />
703 Siemens beteiligte sich aus politischen Gründen an der Gründung von<br />
Studiengesellschaften in der Provinz Shandong durch deutsche Banken, die um die<br />
Jahrhundertwende Marktstudien für den Kohlebergbau und den Bau von<br />
Eisenbahnanlagen durchführten. Die Beteiligung hatte einzig und allein das Ziel, Interesse<br />
zu signalisieren, um im Rahmen des Ausbaus der Kolonie und der Kolonialgesellschaften<br />
Aufträge zu erhalten. Der Anteil von Siemens an den Kolonialgesellschaften lag allerdings<br />
unter einem Prozent. Zudem wurden 90 Prozent der Anteile als Unterbeteiligung an die<br />
Deutsche Bank weitergegeben. Vgl. SAA 5264: Protokoll über die Gründung eines<br />
Syndikats, Berlin 12. Februar 1898, SAA 5264: DB Berlin an S&H Berlin, Vertr. Bericht<br />
über Studienunternehmungen in Shandong, 16. Februar 1898, S. 1, SAA 5264: DB Berlin<br />
an S&H Berlin, Übersendung des Protokolls, 19. Februar 1898, S. 1, und SAA 5264: S&H<br />
Berlin an DB Berlin, Betr. Studienunternehmung in Schantung, 18. Februar 1898, S. 1,<br />
sowie SAA 5264: S&H Berlin an DB, Konstituierende Sitzung der Schantung-Eisenbahn-<br />
Gesellschaft, 10. Juni 1899, S. 1.<br />
704 Vgl. SAA 68/Lr 488: Übersee-Vertretungen, Stand per 31. Mai 1914 (Anlage 9), und SAA<br />
16486: Mutz, Internationalisierung, S. 30.<br />
Seite | 236
Abbildung 41: Niederlassungen der SCEEC 1914<br />
Der Erfolg der jungen Gesellschaft wuchs durch die eingeleiteten<br />
Maßnahmen. Trotz der Revolution von 1911 verbesserte sich die Auftragslage<br />
von Siemens stetig. 705 Es entwickelte sich ein gutgehendes direktes Verkaufs-<br />
705 In einem ausführlichen Bericht schildert Erhardt Details zur Revolution: „Die Seele der<br />
Revolution sind fast durchweg Chinesen mit europäischer, japanischer oder<br />
amerikanischer Erziehung, die teilweise solange im Ausland gelebt haben, daß sie ihr<br />
eigenes Volk kaum noch verstehen. Sie sind scheinbar reichlich mit Geldmitteln versehen,<br />
und daher der schnelle Erfolg, der durchweg auf Bestechung der Truppen und Beamten<br />
resp. auf große Versprechungen zurückzuführen sein dürfte. Die Revolution ist bei der<br />
großen Masse populär, da man sich sagt, daß die Mißwirtschaft unter einem neuen<br />
Regime keinesfalls schlimmer sein könnte, als sie unter dem alten war, und das Volk sieht<br />
der Entwicklung der Dinge mit neugieriger Freude zu.(…) Abgesehen von dem<br />
momentanen Rückgang des Geschäfts haben wir für unseren Concern wenig Verluste zu<br />
befürchten.“ Vgl. SAA 15/Lp 194: Siemens China an Siemens Berlin, Information über die<br />
China-Revolution, 15.11.1911.<br />
Seite | 237
und Kleinanlagengeschäft. Darüber hinaus konnten mehrere Anlagen zur<br />
Stromerzeugung geliefert werden. Auch das Schwachstromgeschäft erfuhr<br />
einen Aufschwung, sodass über die Stationierung eines weiteren S&H-<br />
Ingenieurs in China nachgedacht wurde. Nachdem im Jahr 1910 die<br />
Vertretung von Telefunken 706 übernommen worden war, gelang es hier<br />
ebenfalls, bedeutende Aufträge zu erzielen. Keßler, Leiter der CVU, kam<br />
während einer Inspektionsreise in Ostasien 1913 für das Chinageschäft<br />
insgesamt zu einem positiven Ergebnis. 707<br />
2.2.2 Das Unternehmen in der Krise<br />
Der Erste Weltkrieg bedeutete eine Zäsur für das Chinageschäft. Dabei war<br />
die Führung bei Siemens noch zu Kriegsbeginn optimistisch, das Geschäft<br />
weiter ausbauen zu können. Die chinesische Siemens-Niederlassung 1914<br />
rechnete mit einem schnellen Ende des Kriegs. Es wurde zwar eine<br />
kurzfristige Verschlechterung der Geschäfte mit einkalkuliert, jedoch<br />
überwogen die günstigen Aussichten, vor allem im Kraftwerksbau. 708<br />
706 Vgl. SAA 10619: Bericht über Telefunkenaktivität in China, o. O., 1944. Seit dem Jahr<br />
1904 war auch Telefunken auf dem chinesischen Markt vertreten. Es wurde mit Georg<br />
Korndoerfer ein Vertreter der Telefunken nach China geschickt. Das Geschäftsgebiet<br />
beschränkte sich anfangs auf fahrbare und tragbare Stationen für militärische Zwecke<br />
sowie Stationen zwischen festen Standorten, Küsten und Schiffsstationen zwischen 100<br />
und 350 Kilometer. Nachdem die Firma anfangs Aufträge von Handelshäusern entgegen<br />
genommen hatte, agierte sie ab 1906 selbständig als „Telefunken - East Asiatic Wireless<br />
Telegraph Co.“ mit Sitz in Shanghai.<br />
707 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 30. Im Frühjahr 1913 führte Keßler eine<br />
Inspektionsreise in China durch. Vgl. SAA 15/Le 503: Diverse Reiseberichte von Keßler,<br />
1913.<br />
708 Den Absatz dafür wollte Siemens China durch günstige Finanzierungskonditionen (nur 10<br />
bis 20 Prozent Anzahlung, 7 Prozent Zinsen) sicherstellen. Als Gegenleistung sollten die<br />
Kraftwerke bis zur endgültigen Bezahlung im Besitz von Siemens bleiben und ihnen ein<br />
Monopol auf Materiallieferung und Erweiterung für bis zu 20 Jahre gewährt werden. Mit<br />
Seite | 238
Doch schon im Geschäftsbericht des Jahres 1915 wurde die Lage nüchterner<br />
beurteilt. Die Kriegsauswirkungen waren dramatischer als angenommen und<br />
es kam zu einem Einbruch der Geschäftstätigkeit.<br />
Abbildung 42: Faktoren für den Niedergang<br />
Dabei war der Niedergang der Geschäftstätigkeit multikausal. So war<br />
Siemens direkt von der Mobilmachung durch den Krieg betroffen. Mehrere<br />
Mitarbeiter mussten Kriegsdienst leisten und waren für Siemens nach der<br />
Eroberung Tsingtaos aufgrund Gefangenschaft oder Verletzung nicht mehr im<br />
Einsatz. 709<br />
diesem Geschäftsmodell war Siemens China bereits in Macao erfolgreich gewesen. Vgl.<br />
SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Jahresbericht China 1914/15, Shanghai 8. Juni 1916, S. 4,<br />
und SAA 50/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn,<br />
4. Juni 1919, S. 1 ff., sowie SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai 1915, Allgemeiner<br />
geschäftlicher Jahresbericht für alle Büros der Siemens China Co., S. 15.<br />
709 So sandte das Stammhaus am 1. Dezember 1914 eine Liste nach Shanghai, die bereits<br />
am 17. August 1914 erstellt worden war, in der es über die in Japan internierten oder im<br />
Hospital in Tsingtao befindlichen Mitarbeiter informierte. Das verbliebene Personal konnte<br />
nur mühsam ergänzt werden. Vgl. SAA 13/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens<br />
Seite | 239
Erschwert wurde die Gesamtsituation für den Berliner Elektrokonzern noch<br />
durch das Fehlen dringend benötigten Materials zur Verarbeitung und durch<br />
Lieferzeiten. 710 Wo immer es möglich war, wurde improvisiert und mit<br />
Fremdmaterial gearbeitet. In einigen Fällen wurden alte Maschinen „recycelt“.<br />
Zudem wurden die Lager vollständig geräumt. So reduzierte sich in Shanghai<br />
der Lagerbestand zwischen 1915 und 1919 von einem Wert von 170.000<br />
Mark auf 25.000 Mark. 711<br />
Die Kommunikation mit dem Stammhaus wurde zudem immer<br />
problematischer. So gelangten einige Briefe über Stockholm und Sibirien,<br />
andere über Amerika in den Fernen Osten. Die Verlustrate war allerdings sehr<br />
hoch. 712 Großbritannien versuchte außerdem das Geschäft von Siemens in<br />
China zu behindern und vor Ort eine antideutsche Stimmung zu erzeugen. 713<br />
China Co. seit Kriegsbeginn, 4. Juni 1919, und SAA 13/Lc 332: T.B. Shanghai an Siemens<br />
Berlin, 1. Dezember 1914, S. 1 ff., sowie SAA 29/Lp 530: Personalbestand der<br />
Überseeischen Bureaus per 31. Mai 1916, S. 1 ff.<br />
710 Vgl. SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz 1915/1916, S. 1<br />
ff., und SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai 1915, Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht<br />
für alle Büros der Siemens China Co., S. 1–5. Es kam zu einem zunehmenden Verkauf<br />
von Lagerware; fehlende Bauteile für Installations- und Montagezwecke wurden teilweise<br />
bei der Konkurrenz eingekauft. Zudem wurde auf Produkte aus spanischer Produktion<br />
zurückgegriffen, die aber preislich nicht konkurrenzfähig waren. Mit zunehmender<br />
Kriegsdauer waren auch Lieferungen aus spanischen und englischen Siemens-<br />
Produktionsstätten sowie von Konkurrenten nahezu unmöglich. Einzig über die japanische<br />
Niederlassung gelang gelegentlich der Bezug von Material wie Maschinen und<br />
Transformatoren.<br />
711 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 38, und SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai<br />
1915, Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht für alle Büros der Siemens China Co., S.<br />
1–5. So wurde die Erweiterung der Shanghai City Tramway Co. vom Siemens-Ingenieur<br />
Kocher, der inzwischen Meyer als technischen Direktor abgelöst hatte, mit<br />
amerikanischem Material durchgeführt.<br />
712 Vgl. SAA 50/Lm 312: Keßler an Erhardt, Tauchbootbrief, 13. Januar 1917, S. 1 ff.<br />
713 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 36, und SAA 50/Lm 312: Rabe:<br />
Vierteljahrhundert, S. 51. So wurde am Ufer eines Parks an der Uferpromenade in<br />
Shanghai ein Warnschild mit dem Hinweis „Dogs and Germans not allowed“ angebracht.<br />
Seite | 240
Es wurde Druck auf chinesische Behörden und Unternehmen ausgeübt, um<br />
die Geschäftsbeziehungen zu deutschen Unternehmen zu unterbinden. 714<br />
Neben der englischen war vor allem die aufstrebende japanische Konkurrenz<br />
für Siemens in China eine Gefahr. Die japanische Elektroindustrie hatte sich<br />
mit Firmen wie Shibaura, Tokyo Electric, Nippon Denki und Hitachi während<br />
des Ersten Weltkriegs zu einer der führenden Industrien des Landes<br />
entwickelt und war in China vor allem bei Kleinfabrikaten und Lampen<br />
aufgrund günstiger Preise und kurzer Lieferfristen eine ernstzunehmende<br />
Konkurrenz. 715 Zudem litt Siemens unter den sehr unsicheren politischen<br />
Rahmenbedingungen in China. Es wurden keine neuen Kraftwerksprojekte für<br />
Städte mehr ins Leben gerufen und auch bestehende Aufträge unterlagen<br />
einer hohen Unsicherheit, sodass ihre Verwirklichung permanent gefährdet<br />
war. 716<br />
Angesichts dieser Faktoren wurde das Geschäft immer schwieriger und kam<br />
nach der Kriegserklärung Chinas an Deutschland 1917 gänzlich zum<br />
714 Ein Beispiel gibt Rabe: „Bei Ausbruch des Kriegs hatten wir gerade eine große Sendung<br />
Wattstundenzähler für das Pekinger Elektrizitätswerk hereinbekommen. Der englische<br />
Ingenieur der Zentrale lehnte die Übernahme der Zähler ab. Da sie von den „Hunnen“<br />
kamen, waren sie „highly dangerous“. Er konnte sich damals noch mit englischen Waren<br />
eindecken. Wir nahmen die Zähler auf Lager und haben sie später, als auch von England<br />
keine Waren mehr hereinkamen, zum vielfachen Preis durch Zwischenhändler an<br />
dasselbe E.W. verkauft (…) Diese und ähnliche Geschäfte hielten uns über Wasser.“ Vgl.<br />
SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in China.<br />
Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten, Nanjing 1935. S. 81 ff.<br />
715 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 171, und Mielmann,<br />
Handelsbeziehungen, S. 123 ff. Japan konnte seine Marktposition durch die Gewährung<br />
von Anleihen weiter ausbauen.<br />
716 Vgl. SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz 1915/1916,<br />
S. 5 ff., und SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz<br />
1915/1916, S. 1 ff. Innenpolitische Krisen wie die Revolution in den Südprovinzen<br />
verstärkten diese Entwicklung. Aufgrund mangelnder Bonität des Kunden beschloss<br />
Siemens beispielsweise den Großauftrag über den Bau eines Kraftwerkes in Changsha zu<br />
verschieben.<br />
Seite | 241
Erliegen. 717 Die Führung der Geschäfte in China war nur noch inoffiziell<br />
möglich. Daher wurden in Shanghai die Büroräume der Siemens China Co.<br />
gekündigt und das Unternehmen zog in ein kleineres Büro um, wo die<br />
Arbeiten unter dem Namen des spanischen Mitarbeiters Ulia weitergeführt<br />
wurden. Geschäftsbücher und Akten wurden an verschiedenen Stellen in der<br />
Stadt versteckt. Der Komprador Pao sagte sich zum Schein von der Firma los.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Siemens durch diese<br />
Maßnahmen gelang, trotz hoher Unkosten eine Basis für den Wiederaufbau<br />
der Geschäftstätigkeit nach dem Krieg zu erhalten.<br />
717 Vgl. SAA 50/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn,<br />
4. Juni 1919, S. 3, und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 106–115. Ein besonderes<br />
Augenmerk verdient die Tätigkeit des T.B. Peking. Für die Telefunkenabteilung bot sich<br />
während des Kriegs ein Vertrag für eine moderne Großstation in Peking an. Dabei<br />
verhandelte die dänische Firma Larsen &Pau mit der chinesischen Regierung. Nach<br />
Vertragsabschluss am 16. November 1917 kam es zu heftigen diplomatischen Protesten<br />
Englands bei den Chinesen. Daraufhin verlangte die chinesische Regierung förmlich einen<br />
Beweis dafür, dass für das Großprojekt keine deutschen Gelder oder Erzeugnisse<br />
verwendet werden sollten.<br />
Seite | 242
2.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit<br />
2.2.3.1 Die Chinesische Elektrizitätsgesellschaft (CEG)<br />
Eine besondere Facette im Chinageschäft von Siemens vor dem Ersten<br />
Weltkrieg war der Auftrag zur Lieferung des ersten größeren<br />
Elektrizitätswerks. Im Frühjahr 1898 fanden in Peking Verhandlungen über die<br />
Lieferung und Errichtung des Kraftwerks statt, das das Gesandtschaftsviertel<br />
mit elektrischem Strom für die Beleuchtung 718 versorgen sollte. 719 Die<br />
Vermittlung hatte die Siemens-Vertretung Mandl&Co. übernommen, während<br />
der Angestellte Fischer des Siemens Büros in Tokio beratend an den<br />
Verhandlungen teilgenommen hatte. Infolgedessen wurde am 4. April 1899<br />
zur Durchführung des Auftrages sowie zum Betrieb des Elektrizitätswerkes<br />
die Chinesische Elektrizitäts-Gesellschaft m.b.H. Berlin (CEG) mit einem<br />
Stammkapital von 300.000 Mark gegründet. 720 Für den Bau des Kraftwerks<br />
kaufte die Firma H. Mandl & Co. nach längeren Verhandlungen ein<br />
geeignetes Grundstück in Peking, das auch noch Expansionsmöglichkeiten<br />
bot. 721 Die Grundlage für das neue Kraftwerk in Peking sollten zwei<br />
718 Das Kraftwerk war nicht wie Mielmann schreibt, für die Stromlieferung an die Straßenbahn<br />
zuständig. Dies ist durch die Photographien des straßenbahneigenen Kraftwerks in<br />
Majiapu widerlegt worden. Zudem wurde auch keine Freileitung zwischen Majiapu und<br />
dem Ausländerviertel in Peking erstellt, die für einen gegenseitigen Stromaustausch nötig<br />
gewesen wäre. Vgl. SAA 15686: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989, S. 10.<br />
719 In den Sommermonaten 1898 führten Siemens und Mandl eine ausführliche<br />
Korrespondenz über die Gründung der Gesellschaft. Vgl. SAA 5251-1: Mandl an S&H<br />
Berlin, Entgegennahme des Gesellschaftervertrages, 23. Juni 1898, S. 1 ff., und SAA<br />
5251: S&H Centralstelle an Mandl, Vertrag über die Centrale in Peking, 5. Juli 1898,<br />
S. 1 ff.<br />
720 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 59. Am 4. Mai 1899 wurde die Gesellschaft in das<br />
Handelsregister des königlichen Amtsgerichtes I in Berlin eingetragen. Das erste<br />
Geschäftsjahr dauerte nur gut acht Monate. Es umfasste den Zeitraum von der Gründung<br />
der Gesellschaft am 4. April 1899 bis zum 31. Dezember 1899.<br />
721 Eine Konzessionsurkunde wurde am 8. November durch das kaiserliche Konsulat in<br />
Tientsin angefertigt und an die neue Gesellschaft übertragen. SAA 5251-2: Bericht über<br />
Seite | 243
Maschinenaggregate werden, die Energie für die Beleuchtung von circa 1.800<br />
gleichzeitig brennenden Glühlampen zur Verfügung stellen sollten. Die Kosten<br />
für den Bau ohne das Grundstück wurden auf circa 204.000 Mark<br />
veranschlagt. Die Arbeiten gingen allerdings nur langsam voran. 722 Zudem<br />
gab es Schwierigkeiten mit den chinesischen Behörden. 723<br />
„Die von vornherein erwarteten Schwierigkeiten seitens der Behörde sind<br />
nicht ausgeblieben. Die Errichtung von Masten innerhalb der Straßen und die<br />
Verlegung von Freileitungen wurden polizeilich inhibiert. Dank dem<br />
energischen Eingreifen der Kaiserlichen Deutschen Gesandten wurde jedoch<br />
das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin 1900, S. 2. Das<br />
Grundstück war mit guterhaltenen Steinhäusern für Büros und einem Brunnen<br />
ausgestattet. Vgl. SAA 5251-1: Aktennotiz zwischen Lieder und Bauer in Tientsin, 29.<br />
Oktober 1898.<br />
722 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 61. Bis zum Anfang des Jahres 1900 konnte nur<br />
das kleine Maschinenaggregat mit 66 KW aufgestellt und der Betrieb des Kraftwerkes<br />
somit nur langsam vorangetrieben werden. Bis zum 31. Dezember lagen Siemens<br />
Aufträge über circa 1.200 Glühlampen vor. Zur weiteren Auslastung des Kraftwerkes<br />
schlug Siemens dem Tsungli-Yamen vor, eine Straßenbeleuchtung im<br />
Gesandtschaftsviertel und in den umliegenden Straßen des Regierungspalastes zu<br />
errichten. Die dafür erwarteten Kosten von circa 21.000 Mark sollten nach der Vorstellung<br />
von Siemens durch die chinesische Regierung übernommen werden. Ferner wurden<br />
Überlegungen angestellt, zusätzlich zum Kraftwerk eine Telefonzentrale einzurichten. Die<br />
auf 18.000 Mark geschätzten Anlagekosten würden sich schnell amortisieren. Da jedoch<br />
die chinesischen Behörden wiederholt Schwierigkeiten bei der Verlegung von<br />
Freileitungen gemacht hatten, wurde das Telefon-Projekt vorerst verschoben.<br />
723 Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-<br />
Gesellschaft, Berlin 1900, S. 2. Aufgrund von bürokratischen Hindernissen, die bei solchen<br />
Projekten in der Regel auftraten, wurde auf eine Konzession verzichtet. Zur Sicherung des<br />
Projektes versprachen die deutsche und österreichische Gesandtschaft ihren Schutz und<br />
im Notfall als Auftraggeber aufzutreten. „Ein Genehmigungsversuch für das Projekt wurde<br />
als nicht für opportun erachtet, da bei dem Misstrauen der Chinesen gegen alle<br />
Neuerungen eine Ablehnung durch das Tsung-li-yamen als bestimmt vorausgesetzt<br />
wurde. (…) Die formelle Nachsuchung einer Concession ist ins Auge gefaßt, sobald sich<br />
die chinesische Bevölkerung mit den Vorteilen des elektrischen Lichtes soweit vertraut<br />
gemacht haben wird, daß ein Widerstand der Behörden nicht mehr zu erwarten ist.“<br />
Seite | 244
nach längeren Verhandlungen mit dem Tsung-li-yamen das Verbot mit der<br />
Bedingung zurückgezogen, dass an den Übergängen der Hauptstraßen nur<br />
Kabel zur Verwendung kommen. Bis zur Beschaffung derselben wurde an<br />
den Straßenübergängen provisorische Freileitung an 30 Fuß hohen Masten<br />
gestattet, sofern wir uns verpflichteten, dieselben später durch Kabel zu<br />
ersetzen. Dies ist den Behörden einstweilen zugesagt worden, doch steht zu<br />
hoffen, dass wenn sich die Bevölkerung erst an die Freileitung gewöhnt hat,<br />
von dieser immerhin sehr lästigen Bestimmung ganz Abstand genommen<br />
wird.“ 724<br />
Das zweite Jahr brachte hinsichtlich des Geschäftsumfangs keine<br />
wesentlichen Neuerungen. Der Bau des Kraftwerks wurde fortgesetzt. Es gab<br />
jedoch Verzögerungen im Bauprojekt aufgrund von Lieferproblemen, da aus<br />
Deutschland eingetroffene Maschinen aufgrund mangelhafter<br />
Verkehrsinfrastruktur nur mit Verzögerung nach Peking gebracht werden<br />
konnten. Daraufhin wurde das Kraftwerk vorerst provisorisch in Betrieb<br />
genommen. 725 Der erfolgreiche Aufbau der Geschäftstätigkeit der CEG und<br />
der Betrieb des Kraftwerkes wurden durch den Boxeraufstand beendet. „Der<br />
Betrieb war, von wenigen Unterbrechungen abgesehen, zufriedenstellend,<br />
konnte aber infolge der sich entwickelnden Boxer-Unruhen leider nicht lange<br />
aufrecht erhalten werden. Am 20. Juni 1900 wurde anlässlich der Belagerung<br />
der europäischen Gesandtschaft in Peking die Centrale vollständig zerstört,<br />
ebenso gerieten die noch unterwegs befindlichen Maschinen etc. in<br />
Verlust.“ 726<br />
724 Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-<br />
Gesellschaft, Berlin 1900.<br />
725 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 62. Die ersten Kunden waren die Hongkong und<br />
Shanghai-Bank, die Russo-Chinese-Bank, die Lager von Imbeck und Kiernoff, das Peking<br />
Hotel sowie die österreichische Gesandtschaft. Des Weiteren wurden für die<br />
Gesandtschaftsstraße drei Bogenlampen zu Reklamezwecken aufgestellt.<br />
726 Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das zweite Geschäftsjahr der CEG, Berlin 1901.<br />
Seite | 245
Nach der Zerstörung des Kraftwerks ließ Siemens ein Gutachten durch einen<br />
Sachverständigen verfassen, das als Grundlage für provisorische<br />
Schadensersatzforderungen an die chinesische Regierung 727 galt: „Da<br />
vorauszusehen war, dass eine genaue Feststellung des Schadens sehr<br />
zeitraubend sein würde, haben wir bereits im September 1900 unseren<br />
Anspruch auf Schadenersatz provisorisch in Höhe von M 400.000 bis M<br />
500.000 angemeldet und uns eine spätere genaue Spezifizierung unserer<br />
Forderung vorbehalten.“ 728<br />
Nachdem anfänglich noch ein Wiederaufbau diskutiert wurde, kam Siemens<br />
schließlich zu dem Entschluss, vom erneuten Aufbau des Kraftwerks<br />
abzusehen und die CEG abzuwickeln. Nach Zahlung einer Entschädigung in<br />
Höhe von 438.000 Mark und dem Verkauf des Grundstücks an das englische<br />
Finanzkonsortium „Yunnan Syndikat“ für 102.500 Mark wurde die CEG Mitte<br />
November 1902 mit gutem Erfolg aufgelöst. 729<br />
727 Im Rahmen seiner Sühnereise besuchte der chinesische Prinz Chuun im Jahr 1901 auch<br />
die Berliner Siemens Werke, wo er von der Firmenleitung herzlich begrüßt wurde. Vgl.<br />
SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 21.<br />
728 Vgl. SAA 5251-2: Zweiter und dritter Geschäftsbericht, Berlin 1901 und Berlin 1902.<br />
Siemens versuchte also von der Zerstörung zu profitieren. Erstens war der Schaden bei<br />
weitem nicht so hoch wie der geforderte Schadensersatz. Des Weiteren forderte Siemens<br />
beim deutschen Botschafter in Peking für den Wiederaufbau des Geschäfts der CEG eine<br />
alleinige Konzession für den Großraum Peking für Licht- und Kraftanlagen, Bahnbetrieb<br />
sowie für den Bau von Telefonzentralen.<br />
729 Für die Abwicklung waren drei Faktoren ausschlaggebend. Erstens wurde die<br />
Wahrscheinlichkeit ein Auftragsmonopol für den Großraum Peking zu erhalten, als gering<br />
eingeschätzt. Dafür war auch die große amerikanische und englische Konkurrenz<br />
verantwortlich, die eigene Beleuchtungsanlagen für Peking plante. Zweitens erwiesen sich<br />
die Kosten für ein geeignetes Grundstück einschließlich der Pacht als zu hoch. Drittens<br />
konnte Siemens durch die Veräußerung des Grundstücks und die Entschädigung die CEG<br />
äußerst lukrativ abwickeln. Erst Jahre später wurde von einer chinesischen Gesellschaft,<br />
der Chinese Chartered El. Light Co., Peking, ein in der Stadt gelegenes neues Kraftwerk<br />
gebaut. Dieses wurde vorerst mit kleineren Dampfmaschinensätzen englischer Firmen<br />
ausgerüstet. Im Jahr 1910 wurde aber eine Erweiterung notwendig, die Siemens einen<br />
Seite | 246
2.2.3.2 Bedeutende Aufträge bis 1919<br />
Abbildung 43: Bedeutende Aufträge in China bis 1919 Teil 1<br />
Siemens verkaufte im Jahr 1870 4.000 km Kabel an die dänische Great<br />
Northern Telegraph Company, die in Fernost ein Telegraphennetz<br />
errichtete. 730 Kleinere Aufträge aus China kamen vom englischen Handels-<br />
Auftrag für die Lieferung von zwei Dampfturbosätzen einbrachte. Vgl. Mielmann,<br />
Handelsbeziehungen, S. 63 f., und SAA 10738: Bericht „100 Jahre Siemens“, Betätigung<br />
in Übersee, 1943/44, S. 1 f., sowie SAA 5251-2: Auszug aus dem Protokoll der<br />
Direktoriumssitzung, 19.02.1902.<br />
730 Vgl. Kunert, Telegraphen-Seekabel, S. 431. Das Kabel wurde für den Bau eines<br />
Telegraphennetzes als Verbindung zwischen dem russischen Hafen Wladiwostok, dem<br />
japanischen Nagasaki, dem chinesischen Shanghai sowie dem britischen Handels- und<br />
Militärstützpunkt Hongkong verwendet.<br />
Seite | 247
haus Bishop, das in Shanghai als Agent für Siemens Brothers arbeitete. 731 In<br />
einem Brief an S&H von Siemens Brothers am 24. Januar 1872 heißt es:<br />
„Die elektrischen Uhren (Anm. des Verfassers: Zeigertelegrafen), betreffs<br />
derer wir bei ihnen anfragten, waren für China bestimmt.(…) Es scheint, dass<br />
jetzt (…) die Chinesen selber anfangen, sich mit den Erfindungen der<br />
Europäer vertraut zu machen und sie dann zu gebrauchen. Unsere Zeiger-<br />
Apparate und verschiedene andere Sachen, die wir probeweise unserem<br />
Agenten in China zugesandt haben, haben bereits allgemein Beifall gefunden;<br />
und sollten evtl. die Chinesen anfangen, selbst Telegraphenlinien anlegen zu<br />
wollen, ist es von ungeheurer Wichtigkeit von Anfang an das Terrain besetzt<br />
gehalten zu haben.(…). Wie große Aussichten das enorme Reich bietet, wenn<br />
einmal der Anfang gemacht wurde, liegt auf der Hand.“ 732<br />
Der erste nennenswerte Auftrag wurde im Jahr 1879 abgewickelt. Siemens<br />
Brothers lieferte durch Vermittlung seines Agenten eine 10 PS starke<br />
Dampfmaschine mit Generator an die Verwaltung der International<br />
Settlements von Shanghai, die zur Beleuchtung der Hafenanlagen diente.<br />
Nach chinesischen Angaben war dies die erste elektrische Anlage, die in<br />
China erstellt wurde. 733<br />
Ein weiterer wichtiger Auftrag war die erste Straßenbahn in China, die<br />
Siemens in Peking errichtete. 734 Die Vorgeschichte der Straßenbahn Beijing-<br />
731 Vgl. SAA 68/Li 190: Auszug aus dem Geschäftskopierbuch 98, S. 936.<br />
732 Vgl. SAA 68/Li 190: Schreiben Siemens Brothers Co. an S&H, London 24. Januar 1872,<br />
S. 1.<br />
733 Vgl. SAA 20872: China Erinnerungen Probst, August 1986, S. 1 f. Die Maschine wurde<br />
1882 von einer neuen englischen Elektrizitätsgesellschaft gekauft, mit einem 16 PS<br />
Dampfmaschinensatz erweitert und beleuchtete den Bund, den Shanghai Club und einige<br />
Bürohäuser. Aus dem weiteren Ausbau dieser Anlage enstand die englische Shanghai<br />
Power Co., bei der Siemens aber keine Folgeaufträge mehr gewinnen konnte.<br />
734 Neben dem Straßenbahnprojekt in Peking versuchte Siemens gleichzeitig einen Auftrag<br />
für ein Bahnprojekt in Shanghai zu gewinnen. Für die aufstrebende Industrie- und<br />
Handelsmetropole kam schon früh der Gedanke an eine Straßenbahn auf. Allerdings<br />
Seite | 248
Majiapu ist dabei eng mit der Entwicklung des chinesischen Eisenbahnnetzes<br />
verbunden. Die Ausländer, die den Bahnbau maßgeblich betrieben, hätten<br />
gerne einen Bahnhof innerhalb der Stadt errichtet, was jedoch der Kaiserhof<br />
strikt ablehnte. So einigten sich die Parteien auf einen Fernbahnhof drei<br />
Kilometer südlich von Beijing in der Nähe des Dorfes Majiapu. Die<br />
Notwendigkeit, den Bahnhof mit der Stadt durch ein besonderes<br />
Verkehrsmittel zu verbinden, sah die Verwaltung der kaiserlichen Eisen-<br />
bahnen früh ein. Daher beschlossen die Verantwortlichen den Bau einer<br />
elektrischen Bahn und erteilten Siemens hierzu den Auftrag. 735 Die im Juni<br />
scheiterten Anträge für den Bau einer Linie bei der städtischen Verwaltung immer wieder<br />
am Einfluss von Landeignern, die eigene Pferdebahnen betrieben. Anfang 1899 erhielt<br />
eine belgische Gesellschaft dennoch den Auftrag für den Betrieb einer elektrischen Bahn<br />
und forderte führende amerikanische und europäische Firmen auf, bis zum 15. März 1899<br />
Angebote abzugeben. Hierfür stellte Fischer ein detailliertes Angebot zusammen,<br />
nachdem für die Ermittlung der Betriebskosten aufwendige Verkehrszählungen<br />
vorgenommen wurden. Die Baukosten wurden mit circa 2,8 Millionen Mark beziffert, die<br />
Finanzierung durch ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutsch-Asiatischen Bank<br />
finanziert werden sollten. Da vor allem die Engländer in Shanghai einen bedeutenden<br />
Einfluss hatten, wurde versucht Siemens Brothers in London für das Projekt zu gewinnen,<br />
um wegen der deutschen Herkunft keinen Nachteil zu haben. Eine Beteiligung lehnte die<br />
Londoner Tochter aber kurz vor Weihnachten 1898 ab. Infolgedessen wurde versucht,<br />
durch Vermittlung der Deutschen Bank Kontakt mit einem englischen Handelshaus<br />
aufzunehmen. Trotz der intensiven Bemühungen konnte der Auftrag nicht gewonnen<br />
werden. Den Zuschlag zum Bau erhielt die englische Firma Bruce Reebles&Co. Vgl. SAA<br />
Lp 171: Projekt einer elektrischen Bahn in Shanghai, 1.9.1898, und SAA 5264: S&H Berlin<br />
an S. Brothers London, Straßenbahn Shanghai, sowie SAA 5264: Auszug aus 35.<br />
Direktoriumssitzung, 13. Januar 1899, S. 1.<br />
735 Vgl. SAA 15686: Forschner, Dirk: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989, S. 7. Die<br />
Verhandlungen für das Straßenbahnprojekt wurden durch Mitarbeiter Fischer des<br />
Siemens-Büros in Tokio abgewickelt. Vorläufig sollte die Bahn nicht ins Stadtinnere<br />
hineinführen, da es sich um ein Verkehrsmittel handelte, das zum ersten Male in China<br />
eingesetzt wurde. Es war daher unklar, wie sich die Bevölkerung ihm gegenüber verhalten<br />
würde, zumal Aberglauben und religiöse Vorurteile noch tief im Volk wurzelten. Ein<br />
weiteres Hindernis war die Durchführung der Bahn durch die Stadtmauer, sei es nun durch<br />
ein besonderes oder eines der vorhandenen Tore, die auf erheblichen Widerstand<br />
Seite | 249
1899 in Betrieb genommene Straßenbahn war die erste in ganz China, wurde<br />
allerdings nur vier Monate nach Inbetriebnahme während des Boxeraufstands<br />
zerstört. 736<br />
Abbildung 44: Bedeutende Aufträge China bis 1919 Teil 2<br />
gestoßen wäre, da die Chinesen fürchteten, dass nach Einreißen der Stadtmauer böse<br />
Geister ungehindert in die Stadt eindringen könnten. Vgl. Petersen, Eisenbahn, S. 30 ff.<br />
736 Vgl. SAA 15686: Forschner, Dirk: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989, S.10 ff.<br />
Die weitgehend geradlinige Strecke überwand einige kleine Steigungen und zwei Brücken.<br />
In die eingleisige Bahnstrecke wurden sechs Weichen, zwei Endweichen und zwei<br />
Ausweichen eingebaut, sodass Züge mit drei Wagen einander ausweichen konnten. Die<br />
Straßenbahn wurde von Anfang an mit einem eigenen Kraftwerk ausgerüstet. Es lag rund<br />
400 Meter vom Staatsbahnhof entfernt im hinteren Teil des Wagenschuppens. Während<br />
im vorderen Teil Wagen und Büros untergebracht waren, befand sich im hinteren Teil ein<br />
Maschinenraum. Das Bahnprojekt wurde unter der Leitung eines Ingenieurs und eines<br />
europäischen Monteurs ausschließlich mit chinesischen Arbeitern abgewickelt. Im<br />
Betriebsdienst waren nur Chinesen beschäftigt. Die Fahrkarten wurden an beiden Enden<br />
der Strecke verkauft. Die Einwohnerschaft gewöhnte sich recht gut an das neue<br />
Verkehrsmittel, und die Bedenken, die anfänglich gehegt wurden, bewahrheiteten sich<br />
nicht. Allerdings kam es bei der Betriebseröffnung einen Sturm auf die Bahn. Der Grund:<br />
Das Sichern eines Sitzplatzes.<br />
Seite | 250
Auch im Landesinneren bekam Siemens einen interessanten Auftrag. Zur<br />
Stromversorgung der aufstrebenden Region Yunnan gründete eine Gruppe<br />
von Kaufleuten und Bankiers in Yünnanfu die Elektrizitätsgesellschaft Yao<br />
Loong und bestellte bei Siemens im Jahr 1910 ein großes Kraftwerk. 737 Ziel<br />
war es, den wasserreichen, gefällstarken Abfluss (Drachenfluss) des etwa<br />
2.200 m hoch gelegenen Jünnansees für die Elektrizitätsgewinnung zu<br />
nutzen. Die Bauarbeiten begannen 1910. 1913 wurden die ersten<br />
Anlagenteile in Betrieb genommen. Das Kraftwerk wurde durch eine 35 km<br />
lange Hochspannungsleitung mit der Stadt Kunming verbunden. 738<br />
Ein weiteres großes Projekt im Landesinneren war der Bau eines Kraftwerks<br />
in Wuchang. 739 In folge eines wirtschaftlichen Aufschwungs fasste die Stadt<br />
den Plan, ein Kraftwerk für die Licht- und Kraftversorgung zu errichten.<br />
Nachdem chinesische Konsortien trotz Konzessionserteilung auf den Bau<br />
eines Kraftwerks verzichtet hatten, regte der damalige Vize-König von Hubei,<br />
für den Siemens bereits eine kleine Blockzentrale zur Beleuchtung seines<br />
Palasts errichtet hatte, den Erwerb der Konzession durch Siemens an. Dabei<br />
737 Vgl. SAA 20872: Siemens-Kraftanlagen in China, S. 3. Dabei ging die Gesellschaft ein<br />
hohes Risiko ein, da fraglich war, ob jemals genügend Strom von den Einwohnern<br />
abgenommen würde und eine Wirtschaftlichkeit der Anlage erzielt werden könnte.<br />
738 Vgl. SAA 10738: Bericht Karl Mosig: Aus dem Elektro-Ausbau Chinas. S.Z. 1927 Heft 10,<br />
S. 662–668, hier S. 663 ff., und SAA 10738: Berichtsbogen über das Wasserkraftwerk<br />
Yünannfu, 1944, S. 1. Aufgrund der kontinuierlichen Nachfrage nach elektrischer Energie<br />
kam es in den Jahren 1922/23 und 1932–38 zur Erweiterung dieser Wasserkraftanlagen.<br />
Auch diese Aufträge erhielt Siemens.<br />
739 Vgl. SAA La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914, S. 1 ff. Die Stadt<br />
Wuchang, die am Zusammenfluss des Han&Yangtse Flusses lag, war die größte und<br />
wichtigste Stadt Zentral-Chinas. Sie war ein wichtiger Knotenpunkt der bedeutendsten<br />
Nord-Süd Bahn von Peking nach Kanton und der im Bau befindlichen Ost-West-Bahn<br />
zwischen Shanghai und Chonquing. Direkt am Ufer des jederzeit schiffbaren<br />
Han&Yangtse Flusses gelegen, bildete Wuchang mit dem gegenüberliegenden Hankow,<br />
den Umschlaghafen für die westlichen Provinzen Chinas. Wuchang war außerdem Sitz<br />
der Behörden und Provinzhauptstadt von Hubei.<br />
Seite | 251
musste indirekt vorgegangen werden, da Wuchang nicht zu den „offenen“<br />
Plätzen Chinas gehörte, das heißt, mit ausländischem Kapital konnten weder<br />
Konzessionen noch Eigentum erworben werden. Daher gründete Siemens die<br />
chinesische Gesellschaft Wuchang Electric Light Co. Ltd. An der Spitze<br />
standen als Vermittler die beiden Kompradoren der Büros Shanghai und<br />
Hankow, mit denen zur Sicherstellung der Siemensinteressen ein Vertrag<br />
abgeschlossen wurde, in dem festlegt wurde, dass Siemens das alleinige<br />
Recht auf den Bau und den Betrieb der Zentrale samt Leitungsnetz und<br />
Installationsanschlüssen erhielt. 740 Die Lieferung und die Inbetriebnahme der<br />
Anlage erfolgten trotz der umständlichen Transportmöglichkeiten noch vor<br />
Ausbruch des Ersten Weltkriegs. 741<br />
740 Vgl. SAA 27/La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914, S. 1 ff. Das<br />
Gründungskapital betrug zunächst 120.000 chinesische Dollar, von denen vor der<br />
Erteilung der Konzession 60.000 Dollar in einer europäischen Bank deponiert werden<br />
mussten. Das Aktienkapital wurde in 1.200 Aktien zu je 100 Dollar aufgeteilt. Die<br />
Dividende wurde auf 8 Prozent pro Jahr festgesetzt, konnte jedoch bei schlechter<br />
Geschäftslage gesenkt werden. Die Konzession war zeitlich unbegrenzt und sicherte<br />
Siemens ein Monopol für die Licht- und Kraftabgabe sowie für die etwaige Stromabgabe<br />
an elektrische Bahnen. Die Errichtung von Gasanstalten zur Lieferung von Gas für<br />
Beleuchtungszwecke wurde als Konkurrenzunternehmen angesehen und nicht gestattet.<br />
Die Anlage war zunächst für 6.000 Kohlefadenlampen bemessen. Die Baukosten sollten<br />
durch SSW bestritten werden. Erst nach Inbetriebnahme der Anlage sollten Aktien der<br />
Gesellschaft dem chinesischen Publikum angeboten werden. Die Regierung, die an dem<br />
Auftrag sehr interessiert war, erklärte sich bereit, sich durch die Vergabe eines<br />
Grundstücks im Werte von 12.000 Dollar zu beteiligen. Des Weiteren gewährten die<br />
Behörden einen Erlass der Konzessionsgebühren und eine Befreiung von allen Steuern.<br />
741 Vgl. SAA 27/La 792: Memorandum of Agreement zwischen Siemens China and Wuchang<br />
Electric Light Co., S. 1 ff. In der Wirtschaftlichkeitsrechnung wurde eine ungefähr 10-<br />
prozentige Verzinsung des Kapitals ermittelt.<br />
Seite | 252
2.2.4. Bewertung der Geschäftstätigkeit und der<br />
Geschäftsergebnisse<br />
Eine Bewertung der Geschäftstätigkeit ist mangels aussagekräftigen<br />
Zahlenmaterials nur bedingt möglich. Anhand der Abbildung wird deutlich,<br />
dass der jährliche Umsatz im Jahr 1914 bei ungefähr vier Millionen Mark lag.<br />
Wenn Gewinn anfiel, war dieser im Verhältnis zum Umsatz allerdings sehr<br />
niedrig. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verringerte sich der Umsatz<br />
beträchtlich. Durch die Aufrechterhaltung der stark verkleinerten Organisation<br />
gab es in den Kriegsjahren jährliche Verluste zwischen 100.000 und 200.000<br />
Mark.<br />
in Millionen Mark<br />
5<br />
4,5<br />
4<br />
3,5<br />
3<br />
2,5<br />
2<br />
1,5<br />
1<br />
0,5<br />
0<br />
-0,5<br />
1914<br />
1915<br />
Abbildung 45: Umsatz und Gewinn von Siemens China von 1914 bis 1919<br />
1916<br />
Umsatz Gewinn<br />
1917<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach SAA 16486 und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 113.<br />
1918<br />
1919<br />
Seite | 253
2.3 Das Chinageschäft in der Zwischenkriegszeit (1919-<br />
1939)<br />
2.3.1 Die Entwicklung der S.Ch.Co. bis 1939<br />
Die Geschäftslage für Siemens war in den Jahren unmittelbar nach dem<br />
Ersten Weltkrieg sehr schwierig. Die Weiterführung der Geschäfte wurde in<br />
den Nachkriegsjahren im Wesentlichen durch fünf Faktoren erschwert.<br />
Abbildung 46: Einflussfaktoren auf Siemens China nach dem Ersten Weltkrieg<br />
Erstens hatten kurz nach dem Zusammenbruch der deutschen Fronten in<br />
Europa die Engländer die Repatriierung deutscher Staatsbürger aus China<br />
und die Beschlagnahmung (Sequestration) ihres Eigentums durchgesetzt. Mit<br />
wenigen Ausnahmen war das deutsche Personal daher aufgrund von<br />
Ausweisung oder Kriegsgefangenschaft 742 zwischen 1919 und 1921 nicht vor<br />
Ort. 743<br />
742 Bei der Verteidigung Tsingtaus wurden auch Siemens-Mitarbeiter der China-Organisation<br />
gefangengenommen und später in Japan interniert. Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen<br />
für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie<br />
Seite | 254
Zweitens erschwerten die Konsequenzen, die sich aus dem am 10. Januar<br />
1920 in Kraft getretenen Versailler Vertrag ergaben, die Geschäftstätigkeit. So<br />
verschlechterte sich die Zoll-Situation 744 und es kam zum Verlust von<br />
Standortvorteilen in ehemaligen deutschen Konzessionsgebieten und<br />
Kolonien. 745 Wurden die Auflagen des Versailler Vertrags nicht erfüllt, drohten<br />
Beschlagnahmung und Enteignung. 746 Dabei wurde die wirtschaftliche<br />
Betätigung von Siemens in China von den Alliierten sehr genau beobachtet 747<br />
über die Tätigkeit unserer Übersee-Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S.<br />
3 ff.<br />
743 Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die<br />
Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-<br />
Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S. 3 ff.<br />
744 Das Stammhaus beklagte §129 des Vertrags, der China zur freien Festlegung von<br />
Einfuhrzöllen auf deutsche Produkte berechtigte, während für die Waren aller anderen<br />
Mächte ein fester Wertzoll von 5 Prozent berechnet wurde. Da in chinesischen Zollämtern<br />
der englische Einfluss überwog, musste Siemens mit erhöhten Zöllen rechnen. Vgl. SAA<br />
50/Lm 312: Geschäftsaussichten in China nach dem Kriege (Keßler), Siemensstadt<br />
6.10.1919, S. 3 f.<br />
745 Die Siemens China Co. hatte den Verlust von Standortvorteilen in den Gebieten Hankow<br />
und Tientsin hinzunehmen, in denen sich durch die Aufhebung der deutschen<br />
Konzessionen und ihre Rückgabe an China (§132 des Vertrags) der internationale<br />
Wettbewerb verschärfte. Ähnliche Nachteile ergaben sich für die Siemens-Geschäfte in<br />
der Shantung-Provinz als ehemalige deutsche Kolonie: In den §156 bis 158 wurde die<br />
Annullierung aller dortigen deutschen Rechte, Titel und Privilegien und ihre Übertragung<br />
an Japan festgelegt. Vgl. SAA 50/Lm 312: Geschäftsaussichten in China nach dem Kriege<br />
(Keßler), Siemensstadt 6.10.1919, S. 3 f.<br />
746 Daher wurden noch im Herbst 1921 Schiffsladungen von Siemens, die für China bestimmt<br />
waren, an Deckadressen gesandt. Andere größere deutsche Firmen verwendeten zu<br />
diesem Zeitpunkt sogar noch für Briefsendungen derartige Deckadressen. Vgl. SAA 5968-<br />
2: Verwendung des Firmennamens (Schreiben von S.Ch.Co. an Unterbüro in Hankow mit<br />
Kopie an weitere Büros und CVU), 24.9.1921.<br />
747 Beispielsweise erschien im Jahre 1920 in den „China Daily“ ein Zeitungsartikel, der scharf<br />
kritisierte dass Siemens chinesische Unternehmen mit Anlagen für den Abbau von<br />
Kohleminen beliefert hatte. Hintergrund der Vorwürfe war, dass Deutschland im Versailler<br />
Vertrag verpflichtet worden war, derartige Anlagen als Reparationsleistung für im Krieg<br />
zerstörte Kohleminen an die Franzosen abzugeben. Diesen gegenüber hatte Deutschland<br />
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und häufig auch bewusst erschwert. 748 Angesichts dieser Umstände konnte<br />
Siemens während der ersten Nachkriegsjahre häufig nur verdeckt am Markt<br />
agieren. 749 Als dritter Faktor ist die sich weiter verschärfende<br />
Wettbewerbssituation anzuführen, vor allem die aufstrebende japanische<br />
Konkurrenz, die zunächst besonders im Verkaufsgeschäft zu beachten war.<br />
Viertens hatten die politisch instabilen Zustände in China und Deutschland<br />
negative Auswirkungen auf die Geschäftssituation. Rohstoffmangel, Inflation,<br />
eingeschränkte Produktionsmöglichkeiten sowie Streiks führten zu<br />
Lieferausfällen und -verzögerungen. 750 Nicht zuletzt wurde der Wiederaufbau<br />
des China-Geschäfts durch die kritische Finanzlage des Siemens-Konzerns<br />
respektive der S.Ch.Co. 751 erschwert. Die S.Ch.Co. konnte in der ersten<br />
Nachkriegszeit nicht auf ihre gesamten Bankguthaben zurückgreifen, da sich<br />
nach der Beschlagnahmung des deutschen Eigentums ein Teil der<br />
Geldbestände in Hongkong weiterhin im Besitz der Kriegsgegner befand.<br />
aber erklärt, lieferunfähig zu sein. Vgl. SAA 50/Lm 312: Übersetzung eines am 15.10.1920<br />
in den North China Daily News erschienenen Zeitungsartikels, S. 1–4.<br />
748 So versuchten die Alliierten den Ruf der Deutschen in China zu schädigen. Ziel war es,<br />
das Vertrauen der Chinesen in deutsche Produkte zu erschüttern. Tatsächlich ließ sich bei<br />
einigen chinesischen Kunden und Kompradoren eine gewisse Verunsicherung<br />
beobachten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus Hankow (Schreiben von S.Ch.Co.<br />
an CVU), Hankow 4.7.1920, S. 2.<br />
749 Vgl. SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in<br />
China. Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten, Nanjing 1935, S. 148 f., und SAA<br />
50/Lm 312: Geschäftslage in China (Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Berlin 8.11.1919,<br />
S. 1 f. Die Gefahr, die ehemaligen Kriegsgegner zu provozieren und mit Sanktionen belegt<br />
zu werden, war bei offenem Auftreten zu hoch. In Peking wurden die Geschäfte<br />
beispielsweise unter dem Deckmantel der Yü Foong Co. abgeschlossen.<br />
750 Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die<br />
Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-<br />
Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S. 5.<br />
751 Vgl. SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co.<br />
(Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 12.<br />
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Angesichts der fünf geschilderten Faktoren ist es umso beachtlicher, dass die<br />
verbliebenen deutschen Siemens-Mitarbeiter Kocher (Shanghai), Müller,<br />
Amann (jeweils Peking) und Bolte (Hankow) sowie die Kompradoren Kwan<br />
(Shanghai) und Pao (Peking) in der Lage waren, einzelne Geschäfte in den<br />
Jahren von 1919 bis 1921 weiterzuführen, wichtige Kundenbeziehungen 752<br />
aufrechtzuerhalten und dem Stammhaus weiterhin über die Geschäftslage<br />
Bericht zu erstatten. 753<br />
752 Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die<br />
Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-<br />
Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S. 5 f. In mehreren <strong>Dokument</strong>en<br />
berichteten Siemens-Mitarbeiter, dass die chinesischen Kunden den Deutschen auch nach<br />
dem Krieg freundlich gegenüberstanden. Dies lässt sich u.a. damit erklären, dass<br />
Deutschland nach dem Krieg seine Vertragsgebiete und die Eigengerichtsbarkeit in China<br />
aufgeben musste. Nach dem Verlust dieser Vorrechte konnte sich zu den Deutschen ein<br />
partnerschaftlicheres Verhältnis entwickeln als beispielsweise zu den Engländern. Vgl.<br />
SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />
10/1927, S. 662–668, hier S. 662.<br />
753 Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />
28.7.1919, und SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Geschäftsbericht (Handschriftlicher Bericht<br />
von S.Ch.Co. an CVU), Peking 24.10.1919, sowie SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus<br />
Hankow (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Hankow 4.7.1920. Besonders hervorzuheben<br />
ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Kocher, Kwan und Pao. Unter der Leitung<br />
Kochers waren noch zu Kriegszeiten ein Hochofenwerk für die Wou Ching Co. gebaut und<br />
eine aus Amerika gelieferte Turboanlage für die Shanghaier Straßenbahn aufgestellt<br />
worden. Als Berater der Shanghaier Straßenbahn gelang es ihm unmittelbar nach<br />
Kriegsende, 1919, Siemens einen Erweiterungsauftrag für diese zu sichern. Der im<br />
gleichen Jahr erteilte Auftrag zum Bau eines Elektrizitätswerks in Tungchow war Resultat<br />
der Kontakte Kochers zum Großindustriellen Chang Chien, dem ehemaligen Minister für<br />
Ackerbau und Handel. Kwan konnte Siemens nach Kriegsende einen Auftrag für zwei<br />
Turboaggregate an Spinnereien in Chung und Wusieh vermitteln. Dabei machte er sich<br />
den Umstand zunutze, dass er mit Anteilseignern der Unternehmen befreundet war. Pao<br />
stellte die Weichen für die später durchgeführten Geschäfte bei den Ihsein-Gruben. Vgl.<br />
dazu: SAA 25/Lc 71: Zur Organisation in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />
Shanghai April 1922, S. 1.<br />
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Nachdem die unmittelbaren Nachkriegsschwierigkeiten überwunden waren,<br />
erfolgte Anfang der 1920er Jahre ein zügiger Wiederaufbau der<br />
Geschäftstätigkeit. Zur Lösung der finanziellen Probleme und um einen<br />
besseren Marktzugang zu erhalten wurde die S.Ch.Co. – bis dahin eine<br />
GmbH der SSW mit Sitz in Berlin – im Jahr 1921 in eine deutsch-chinesische<br />
Gesellschaft chinesischen Rechts (Limited Liability Company) mit Sitz in<br />
Shanghai umgewandelt.<br />
Dabei kam es allerdings zu<br />
Meinungsverschiedenheiten zwischen der S.Ch.Co. und dem Stammhaus in<br />
Berlin über die Höhe der chinesischen Kapitalbeteiligung. So wollte die<br />
Leitung der S.Ch.Co. im Gründungsvertrag eine möglichst hohe<br />
Kapitalbeteiligung der Chinesen festlegen, die ihren Anteil bar einzahlen<br />
sollten, um sofort über größtmögliche Liquiditätsreserven zu verfügen. Dafür<br />
musste eine relativ hohe Beteiligung des chinesischen Konsortiums von 45<br />
Prozent in Kauf genommen werden. 754 Die Leitung der CVU befürchtete<br />
allerdings einen zu großen Einfluss der chinesischen Anteilseigner und setzte<br />
schließlich eine Reduzierung durch. 755 Der Anteil chinesischer Kapitalgeber<br />
am Stammkapital von 0,5 Millionen mexikanischen Dollar 756 betrug schließlich<br />
30 Prozent. 757<br />
754 Vgl. SAA 25/Lc 71: Umwandlung der Siemens China Co. in eine deutsch-chinesische<br />
Gesellschaft (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 21.7.1921, S. 2 und S. 5 f.<br />
755 Vgl. SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co.<br />
(Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 13.<br />
756 In China gab es zur damaligen Zeit verschiedene Währungen. Seit Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts war der mexikanische Silber-Dollar das am häufigsten genutzte<br />
Zahlungsmittel bei Handels-geschäften. In den 20er und 30er Jahren wurde schließlich<br />
auch von China selbst eine Silberwährung herausgegeben. Neben dem mexikanischen<br />
Dollar hatte der Shanghai-Tael eine gewisse Bedeutung. Sein Wert basierte auf<br />
Silberreserven, welche von chinesischen Banken gehalten wurden. Vgl. Suleski,<br />
Government, S. 13 f.<br />
757 Das Stammkapital setzte sich folgendermaßen zusammen: 150.000 mexikanische Dollar<br />
wurden von den Chinesen eingezahlt. Der Wert der Aktiva (Grundstücke etc.), die von der<br />
alten an die neue Gesellschaft übergingen, wurde auf 50.000 mexikanische Dollar<br />
geschätzt. Weitere 225.000 mexikanische Dollar wurden für die immateriellen<br />
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Es erfolgte ein zügiger Wiederaufbau der Organisation. Im Zentrum der<br />
Bemühungen stand dabei das Hauptbüro in Shanghai, in dem nahezu 150<br />
Mitarbeiter beschäftigt waren. Die folgende Abbildung zeigt die<br />
Aufbauorganisation. 758<br />
Abbildung 47: Aufbau des Hauptbüros in Shanghai 1925<br />
Die Leitung des Büros lag in den Händen der Vorstände der S.Ch.Co., des<br />
Ingenieurs Kocher und des chinesischen Kompradors Kwan. Die<br />
Vermögenswerte wie Ansehen und Markenbekanntheit angesetzt. Dieser Wert war also<br />
deutlich höher als der der Aktiva. Das Stammhaus sah hierin den Lohn der „30-jährigen<br />
Pionierarbeit“ in China. Die verbleibenden 75.000 mexikanischen Dollar mussten<br />
zusätzlich in Form von Lagerbeständen der S.Ch.Co. eingebracht werden. Vgl. SAA 68/Li<br />
190: Protokoll einer Aufsichtsratssitzung der SSW im Februar 1922 (Auszug). Letztlich war<br />
das Joint Venture bzw. die Beteiligung der chinesischen Anleger nur von kurzer Dauer:<br />
Vier Jahre nach der Umwandlung, 1925, war die SSW wieder alleinige Gesellschafterin<br />
der erneut als deutsche GmbH geführten S.Ch.Co. Vgl. dazu: SAA 13082: Notarieller<br />
Vertrag über Änderungen bei der S.Ch.Co., 19.6.1925.<br />
758 Vgl. SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 9 ff.<br />
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Verkaufsabteilung organisierte den Vertrieb kleiner bis mittelgroßer Produkte,<br />
die zum Bereich der SSW gehörten. 759<br />
Bei diesen Produkten, die in Deutschland bestellt und in China auf Lager<br />
gehalten werden konnten, handelte es sich unter anderen um<br />
Werkzeugmaschinen, Pumpen, Motoren, Ventilatoren, Installationsmaterial<br />
(Stecker und Schalter), Transformatoren, Zähler, Leitungen und Kohlestäbe,<br />
Kleinteile für Glühlichtbeleuchtung, Lampen 760 und Protos-Haushaltsgeräte. 761<br />
Die Starkstromabteilung übernahm in diesem Zusammenhang die<br />
Projektierung und Durchführung großer Anlagenprojekte. 762 Ein bedeutender<br />
759 Innerhalb der SSW-Organisation übernahm die Abteilung Kleinfabrikate (AK) den Vertrieb<br />
dieser Produkte. Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 287 f.<br />
760 Im Lampengeschäft kam es bereits 1924 zu Preisabsprachen im Rahmen des Phoebus-<br />
Kartells, in dem Siemens eine Quote von 29 Prozent für den chinesischen Markt erhielt.<br />
Dennoch blieb der Markt schwierig, da ein starker Wettbewerb durch chinesische<br />
Fabrikanten entstand, der 1934 neben einer Erhöhung der Einfuhrzölle zu einem starken<br />
Geschäftsrückgang bei Lampen führte. Im Jahr 1934 gründete Osram daher zusammen<br />
mit der GE und Philips eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft, die China United Lamp<br />
Company (Culco) in Shanghai, die allerdings nur bescheidene Erfolge erzielen konnte.<br />
Vgl. SAA 16486 Mutz, Internationalisierung, S. 82, und Mielmann, Handelsbeziehungen,<br />
S. 194 f.<br />
761 Zu einzelnen Produkten und Fertigungsstätten in Deutschland vgl. Feldenkirchen,<br />
Siemens, S. 308 f.<br />
762 In den ersten Nachkriegsjahren war die Starkstromabteilung noch nicht ausreichend<br />
entwickelt, um die vorgesehenen Aufgaben (Projektierung, kompetente Kundenbetreuung<br />
etc.) zufriedenstellend ausführen zu können. Die größten Probleme stellten der<br />
Personalmangel und die Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Stammhaus dar, das<br />
Preislisten und technische Unterlagen nur unzureichend und teilweise fehlerhaft zur<br />
Verfügung stellte. Dies führte dazu, dass Kundennachfragen häufig mit dem Satz „Da<br />
müssen wir erst unser Stammhaus fragen.“ beantwortet werden mussten. Vgl. SAA 25/Lc<br />
71: Zur Organisation in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai April 1922,<br />
S. 1 ff.<br />
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Teil der Starkstromabteilung war die daran angeschlossene große Werkstatt,<br />
mit der in Shanghai ein guter Kundenservice geboten werden konnte. 763<br />
Zur Starkstromabteilung gehörte auch eine Bauabteilung, die in erster Linie<br />
beim Bau von Wasserkraftwerken zum Einsatz kam. 764 Durch die<br />
Zusammenarbeit von Bau- und Starkstromabteilung war es möglich, dem<br />
Auftraggeber große Teile des Auftrags „aus einer Hand“ anzubieten.<br />
Die Schwachstromabteilung war für Produkte zuständig, die direkt oder<br />
indirekt dem Bereich S&H zugeordnet werden konnten. Im Zentrum standen<br />
Fernsprechanlagen, hinzu kamen weitere Produkte wie etwa Wassermesser<br />
oder elektromedizinische Produkte.<br />
Bei S&H-Geschäften ergaben sich häufiger Unstimmigkeiten zwischen der<br />
Schwachstromabteilung beziehungsweise der S.Ch.Co. als Ganzes und der<br />
S&H-Leitung in Berlin. 765 Insbesondere bei Lieferpreisen und der Preispolitik<br />
traten Konflikte auf. 766 Wie aus der Abbildung ersichtlich, hatten zudem<br />
763 Die wichtigsten Konkurrenten, insbesondere diejenigen, welche sich von<br />
Handelsgesellschaften vertreten ließen, verfügten nicht über eine vergleichbare<br />
Einrichtung, sodass Siemens sich besonders profilieren konnte. Die Einrichtung von<br />
Werkstätten wurde generell im Übersee-Geschäft mit gutem Erfolg praktiziert. Vgl. SAA<br />
8188: Siemens in Übersee. Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944, S. 40.<br />
764 Die Bauabteilung der S.Ch.Co. war relativ klein und daher nicht in der Lage, Bauaufgaben<br />
größeren Ausmaßes durchzuführen. Im Jahr 1925 diskutierten Vertreter der CVU und der<br />
SBU in Berlin über die Möglichkeit, die Bauabteilung in China in eine größere SBU-<br />
Abteilung zu überführen und diese wiederum der S.Ch.Co. anzugliedern. Vgl. SAA 10845-<br />
1: Betätigung der Siemens-Bauunion in China (Protokoll einer Besprechung in Berlin),<br />
Berlin 23.10.1925, S. 1 f.<br />
765 Diese Probleme rührten möglicherweise auch daher, dass der Vertrieb bei S&H direkt bei<br />
den Werken lag und nicht wie bei SSW in den Vertriebsabteilungen zentralisiert war. Eine<br />
weitere Ursache könnte der Umstand gewesen sein, dass S&H mit der UA und die SSW<br />
mit der AU getrennte Exportorganisationen für das Überseegeschäft besaßen. Vgl.<br />
Feldenkirchen, Siemens, S. 183 und S. 533, und SAA 8188: Siemens in Übersee.<br />
Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944, S. 69 ff.<br />
766 In einigen Fällen lag der Verkaufspreis für Telefonanlagen in China deutlich höher (bis zu<br />
100 Prozent) als der Einkaufspreis des Stammhauses. Dies begründete die Führung in<br />
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Telefunken und die Rheinelbe-Union (REU) eigene, in das Hauptbüro<br />
Shanghai eingegliederte Abteilungen.<br />
Die verschiedenen kaufmännischen Aufgaben und Kommissionierungs-<br />
arbeiten wurden von den Abteilungen für Buchhaltung und Kasse, Versand<br />
und Verschiffung sowie der Registratur wahrgenommen.<br />
Bemerkenswert ist, dass eine große, von Kwan geleitete chinesische<br />
Abteilung mit einem Übersetzer, vier Kompradoren und einer Reihe weiterer<br />
Bürokräften vorhanden war. Hieran und an dem Umstand, dass mit Kwan ein<br />
Chinese Vorstandsmitglied war, zeigt sich die Bedeutung der Kompradoren<br />
für die Organisation. 767 Die Aufbauorganisation sollte sich bis 1937 nur<br />
geringfügig ändern. 768<br />
China mit hohen Ausgaben für „Squeeze“, Bankprovisionen und Finanzierungs-<br />
operationen. Vgl. SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom 27.10.1925 über das<br />
chinesische Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925, S. 7, und SAA 15/Lp<br />
168: Auszug aus einer Besprechung im Wernerwerk über die Reise von Direktor Reyss<br />
nach China, Berlin 20.9.1924, sowie SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom<br />
27.10.1925 über das chinesische Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925,<br />
S. 5 ff.<br />
767 Bei der S.Ch.Co. waren die beiden bedeutendsten Kompradore Kwan (zuständig für den<br />
Raum Shanghai) und Pao (zuständig für den Raum Peking).<br />
768 Beim Vergleich der Aufbauorganisation im Jahr 1937 mit dem Stand von 1925 zeigt sich,<br />
dass der grundsätzliche Aufbau unverändert geblieben war: Weiterhin bildeten die<br />
Technische Abteilung (Starkstromabteilung), die Schwachstrom- und die<br />
Verkaufsabteilung das Grundgerüst. Folgende wichtige Veränderungen sind zu erkennen:<br />
Wegfall der REU-Abteilung, Ausweisung des Bereiches Elektromedizin innerhalb der<br />
Schwachstromabteilung, Neugründung einer Installationsabteilung (angegliedert an die<br />
Technische Abteilung) und Anpassungen bei der chinesischen Abteilung. Eine<br />
Besonderheit stellt die Neuschaffung einer Werbeabteilung 1936 dar. Bereits vorher hatte<br />
Siemens auf allen nach China gelieferten Produkten ein Schild mit den drei Schriftzeichen<br />
„Dsie-Men-dse“ angebracht. Damit gelang es dem Unternehmen schon früh in China<br />
bekannt zu werden. Mitte der 1930er Jahre erhielten alle Siemens-Produkte das<br />
einheitliche „Warenzeichen 630“ (chinesisches Siemens-Zeichen im Ring mit Siemens-<br />
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Die Organisation umfasste im Jahr 1925 neben dem Hauptbüro in Shanghai<br />
zehn Unterbüros und elf Agenturen. Damit war Siemens zu diesem Zeitpunkt<br />
in China bereits an mehr Standorten aufgestellt als vor dem Ersten Weltkrieg<br />
und verfügte dort über sein größtes Niederlassungsnetz im überseeischen<br />
Ausland. 769<br />
Abbildung 48: Standorte der S.Ch.Co. 1925<br />
Die Standorte der S.Ch.Co. erstreckten sich vom Norden Chinas (Harbin,<br />
Mukden, Peking, Tientsin) über Zentralchina (Shanghai, Nanking, Hankow)<br />
Fünfeck). Vgl. SAA 68/Li 190: Organisationsplan der S.Ch.Co., Stand vom 1.6.1937, und<br />
SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 9 ff.<br />
769 Vgl. SAA 8185: „Für Siemens eine Reise um die Erde“ (Vortrag von Reyss, vermutlich<br />
1925), S. 19.<br />
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is in den Süden des Landes (Amoy, Kanton, Hongkong). In westlicher<br />
Richtung reichte das Gebiet bis in die Szechuan- beziehungsweise die<br />
Yunnan-Provinz. Bis Mitte der 1920er Jahre war auch die ostsibirische<br />
Siemens-Vertretung in Wladiwostok der S.Ch.Co. unterstellt. 770 Die Errichtung<br />
dieser zahlreichen Vertretungen war wegen der Größe des Landes, der<br />
eingeschränkten Mobilität und der im Vergleich zu heute noch stark<br />
eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten notwendig. Hinzu kam, dass<br />
bei den meisten von Siemens verkauften Produkten Kundennähe ein<br />
wichtiger Erfolgsfaktor war. Jede Vertretung bearbeitete ein ihr zugewiesenes<br />
Marktareal unterschiedlicher Größe. 771 Die Wahl des Standorts und die Art<br />
der Vertretung (Unterbüro oder Agentur) waren von aktuellen und zukünftigen<br />
Umsatzchancen abhängig. 772<br />
770 Da die politischen Verhältnisse in dieser Region als schwer überschaubar galten, hatte<br />
Wladiwostok, genau wie Harbin, zunächst nicht den Status einer Siemens-Vertretung,<br />
sondern den einer befreundeten Firma. Die Leitung der „Firmen“ oblag Angestellten der<br />
russischen SSW, welche die Geschäfte nach dem Krieg auf eigenes Risiko weiterführten.<br />
Im Jahr 1921 wurde entschieden, die Kontrolle über die Büros der S.Ch.Co. zu übergeben,<br />
zumal zu diesem Zeitpunkt die russischen SSW offiziell nicht mehr existierten. Vgl. SAA<br />
68/Li 190: Vertretung im Ausland. Ost-Sibirien und Mandschurei (6. Nachtrag zum ZV 6-<br />
Rundschreiben Nr. 6.), Siemensstadt 7.10.1921, und SAA 68/Li 190: Besprechung mit<br />
Herrn Mühlhardt über die Zukunft des Wladiwostok-Geschäfts (Aktennotiz), 14.9.1921.<br />
771 Vgl. SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und<br />
Mietverträgen), Shanghai 3.12.1923, S. 3 f. So war die Geschäftsstelle in Shanghai für<br />
Ost-, Mittel- und Südchina zuständig, das Büro in Tientsin dagegen nur für die Stadt<br />
Tientsin und deren Umgebung.<br />
772 Vgl. SAA 25/Lc 71: Geschäfte in Szechuan (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />
18.2.1925, S. 1 f., und SAA 25/Lc 71: Vertretung in Hongkong (Schreiben von S.Ch.Co. an<br />
CVU), Shanghai 19.2.1925, S. 2. Beispielsweise wurde 1925 die Szechuan-Provinz als<br />
aussichtsreiches Gebiet angesehen und daher beschlossen, in Chengtu ein Büro zu<br />
eröffnen. Dabei spielte auch die Überlegung eine Rolle, dass dort der englischen<br />
Konkurrenz (Arnold Brothers) der Markt nicht allein überlassen werden sollte. Das<br />
Unterbüro in Hongkong wurde unter anderem gegründet, um von den dortigen<br />
Zollerleichterungen auf eingeschiffte Waren zu profitieren.<br />
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In der Rangfolge der Vertretungen stand das Hauptbüro in Shanghai an erster<br />
Stelle vor den Unterbüros und Agenturen. Diese mussten vor der<br />
Unterzeichnung wichtiger Verträge die Zustimmung in Shanghai einholen. 773<br />
Das Unterbüro in Peking nahm eine Sonderstellung ein, da es die<br />
Buchhaltung der Nordbüros Mukden und Tientsin betreute. 774<br />
Üblicherweise bestand die Leitung der Büros aus mindestens einem Ingenieur<br />
und einem Kaufmann. In größeren Geschäftsstellen wie Shanghai, Peking<br />
oder Hankow war im Büro-Vorstand auch jeweils ein Komprador vertreten. 775<br />
Die nächste Führungsebene, die Leitung der einzelnen Abteilungen – wie<br />
etwa Starkstrom und Schwachstrom –, wurde zumeist von europäischen<br />
Mitarbeitern besetzt. Unter den zahlreichen Ingenieuren, Dolmetschern,<br />
Zeichnern, Buchhaltern etc. befanden sich sowohl Europäer als auch<br />
Chinesen. Einfachere Aufgaben wie Lager- und Werkstattarbeiten, Chauffeur-<br />
und Hausdienste, Transporte und Ähnliches lagen aus Kostengründen<br />
beinahe ausschließlich in chinesischer Hand.<br />
Auf der untersten Ebene der Hierarchie standen die Agenturen, das heißt,<br />
deutsche respektive chinesische Firmen sowie Privatpersonen, die als<br />
Agenten für Siemens fungierten und dem Unternehmen gegen Zahlung von<br />
Provisionen (und in einigen Fällen auch fixen monatlichen Gehältern zwischen<br />
773 Vgl. SAA 25/Lc 71: Hauptbuchhaltung in Peking (Schreiben von Reyss an das Unterbüro<br />
in Peking), 2.1.1925, S. 2.<br />
774 Die Hierarchie fand auch im Aufbau der Buchhaltung Ausdruck. Shanghai führte die<br />
Zentralbuchhaltung und Peking eine Hauptbuchhaltung, die wiederum die<br />
Nebenbuchhaltung der Nordbüros mit einschloss. Später wurde Peking von Tientsin als<br />
neues Hauptbüro für den Norden abgelöst. Dies lag daran, dass Peking infolge des<br />
Umzugs der Regierung nach Nanking - etwa 30.000 Beamte wanderten aus Peking ab -<br />
als Standort an Bedeutung verloren hatte und die Geschäftslage sich dort immer mehr<br />
verschlechterte. Vgl. SAA 25/Lc 71: Hauptbuchhaltung in Peking (Schreiben von Reyss an<br />
das Unterbüro in Peking), 2.1.1925, S. 2, und SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein<br />
Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in China. Plaudereien eines Siemens-<br />
Auslandsbeamten, Nanjing 1935, S. 159 f.<br />
775 Vgl. SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 9.<br />
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200 und 350 mexikanischen Dollar) Aufträge vermittelten oder den Vertrieb<br />
kleinerer Siemens-Artikel übernahmen. Die Zusammenarbeit mit diesen<br />
Vertretungen ließ sich flexibel steuern, da die Verträge kurze Laufzeiten<br />
hatten und jederzeit kündbar waren beziehungsweise nur eine kurze<br />
Kündigungsfrist vorsahen. 776 In einigen Fällen wurde auch mit befreundeten<br />
deutschen Firmen kooperiert. 777<br />
Bis zum Jahr 1927 wuchs die Belegschaft auf 380 Personen an. Da das<br />
Stammhaus im Jahr 1927 auf eine Verkleinerung drängte, gab es einen<br />
Personalabbau, vorwiegend beim europäischen Personal. Infolgedessen<br />
beschäftigte die Siemens China Co. bis zum Ausbruch des Kriegs in ihrem<br />
Vertriebsnetz ungefähr 250 Mitarbeiter.<br />
Abbildung 49: Belegschaft von Siemens in China von 1922 bis 1940<br />
776 Vgl. SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und<br />
Mietverträgen), Shanghai 3.12.1923, S. 6–9. Mit einigen Vertretern, wie im Fall von Herrn<br />
Amundsen in Yünnanfu, bestand nicht einmal ein Vertragsverhältnis.<br />
777 Vgl. SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und<br />
Mietverträgen), Shanghai 3.12.1923, S. 13. So führte die S.Ch.Co. zusammen mit Telge &<br />
Schroeter im Geschäftsjahr 1924/25 eine 300-PS-Zentrale für ein Kaufhaus aus. Ferner<br />
war gemeinsam mit der Goerlitzer Maschinenbau A.G. (GMA), die sich von Siemssen &<br />
Co. vertreten ließ, die Elektrifizierung der Kohlegruben bei Ihsien umgesetzt worden, für<br />
die die GMA die Turbinen geliefert hatte.<br />
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Von den Mitarbeitern waren ungefähr 80 Prozent chinesischer Herkunft und<br />
20 Prozent europäischer Abstammung. 778 Eine besondere Rolle nahmen wie<br />
vor dem Ersten Weltkrieg die Kompradoren ein. Allerdings wurde ihre Position<br />
in der Zwischenkriegszeit deutlich geschwächt. 779 Dafür waren zwei Faktoren<br />
verantwortlich. Erstens war das Nationalbewusstsein der Chinesen gestiegen.<br />
Dies führte dazu, dass der Druck von chinesischer Seite auf die Kompradoren<br />
wuchs, die dem Vorwurf ausgesetzt waren, mit den „Gegnern“ zu kooperieren.<br />
Das schlechte Ansehen der Kompradoren in der chinesischen Öffentlichkeit<br />
spiegelte sich weiterhin darin wider, dass sie mitunter als „running dogs for<br />
the foreigners“ bezeichnet wurden. 780 Zweitens zählten die Beziehungen der<br />
778 Zahlen nach SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S.<br />
8–25. Die S.Ch.Co. beschäftigte im Jahr 1925 372 Mitarbeiter. In Folge von<br />
Einsparmaßnahmen reduzierte sich die Zahl. Am 1.6.1937 beschäftigte die S.Ch.Co.<br />
insgesamt 275 Mitarbeiter, darunter 44 Deutsche (16 Prozent der Gesamtzahl), 209<br />
Chinesen (76 Prozent) und 22 Personen anderer Nationalität (8 Prozent).<br />
779 Trotz dieser Entwicklungen konnte die S.Ch.Co. nicht auf chinesische Kontaktleute zur<br />
Auftragsvermittlung verzichten. Anstatt der Bezeichnung Komprador wurde für sie nun<br />
allerdings der Begriff Adviser verwendet. Der ehemalige Komprador Pao wurde 1926<br />
seiner Direktoren-Stellung enthoben und zum Adviser ernannt. Ende der 20er Jahre<br />
mußte die S.Ch.Co. einen weiteren Adviser rekrutieren, da Kwan aus gesundheitlichen<br />
Gründen ausgeschieden war und Pao 1929 angekündigt hatte, das Unternehmen<br />
ebenfalls verlassen zu wollen. Im Jahr 1930 erfolgte die Einstellung von Yang-Yin als<br />
„Chief Adivser“. Yang-Yin erwies sich als äußerst wertvoll für das Unternehmen, da er in<br />
den Folgejahren maßgeblich verantwortlich für die Gewinnung einiger bedeutender<br />
Aufträge war. Vgl. dazu SAA 4/Lf 802: SSW-Organisation in China, Berlin 23.8.1929, S. 2,<br />
SAA 4/Lf 802: SSW-Organisation in China, Berlin 23.8.1929, S. 2, SAA 68/Li 190:<br />
Einstellung eines ersten Chinesen (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />
11.2.1930, und SAA 68/Li 190: Personalia Yang-Yin (vertrauliches Schreiben von<br />
S.Ch.Co. an CVU), Yunnanfu 3.12.1937, sowie SAA 68/Li 190: Formosa –<br />
Zusammenfassender Bericht über Yang-Yin (Notiz für Herrn W. Müller), <strong>Erlangen</strong><br />
29.11.1957.<br />
780 Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai<br />
31.8.1928, S. 18. Der zunehmende Druck äußerte sich beispielsweise darin, dass ihnen in<br />
einigen Fällen die Erlaubnis zur Mitgliedschaft in chinesischen Handelskammern entzogen<br />
wurde.<br />
Seite | 267
einzelnen Kompradoren zu bestimmten Regierungsstellen aufgrund häufiger<br />
Personalwechsel in den jeweiligen Regierungen weniger als früher. 781<br />
Beim Personal wurden chinesische Ingenieure besonders gefördert. So erhielt<br />
eine ganze Reihe junger Chinesen –in der Regel fertig ausgebildete<br />
Ingenieure, die in China studiert hatten – durch Vermittlung der S.Ch.Co. die<br />
Möglichkeit, als sogenannte Informanten eine praktische Weiterbildung in den<br />
Berliner Werken zu absolvieren. 782 Dort wurde ihnen ein intensiver Einblick in<br />
die Bereiche gegeben, auf die sie sich in ihrem Studium spezialisiert hatten. 783<br />
Siemens erhielt in der Zwischenkriegszeit in China immer stärkere<br />
internationale Konkurrenz. Die wichtigsten europäischen Konkurrenten waren<br />
General Electric Co., Westinghouse Co., Brown Boveri 784 sowie die China-<br />
781 Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai<br />
31.8.1928, S. 18.<br />
782 Vgl. SAA 37/La 529: Einstellung von Informanten (Schreiben von AU an S.Ch.Co.), Berlin<br />
8.1.1934, S. 1, und SAA 37/La 529: Telefunken-Informant S.S. Chow (Schreiben von<br />
Telefunken/China an Telefunken/Berlin), Shanghai 7.8.1934.<br />
783 Vgl. SAA 37/La 529: Chinesisches S&H-Personal (Schreiben von Übersee-Abteilung an<br />
S.Ch.Co.), Berlin 5.5.1933, S. 1 ff., und SAA 37/La 529: Einstellung von Informanten<br />
(Schreiben von AU an S.Ch.Co.), Berlin 8.1.1934, S. 1. Daneben gab es auch einige in<br />
Deutschland studierende Chinesen, die aufgrund von Empfehlungen der chinesischen<br />
Gesandtschaft oder deutscher Professoren als Hochschulpraktikanten in den Siemens-<br />
Werken ausgebildet wurden. Denjenigen, die dabei besonders positiv auffielen, wurde<br />
eine spätere Einstellung bei der S.Ch.Co. zu ermöglicht. Unterstützung von Siemens<br />
erhielten die Hochschulpraktikanten beispielsweise in Form von Stipendien oder speziell<br />
für sie eingerichteten Unterrichtskursen an der <strong>Universität</strong>.<br />
784 Die Organisation der BBC in China unterschied sich deutlich von der der S.Ch.Co.<br />
Während letztere einen großen Stab europäischer Kaufleute und Ingenieure in China<br />
beschäftigte, hatte die BBC höchstens einen eigenen Ingenieur, in der Regel aber nur<br />
einen Montageleiter vor Ort stationiert. Das Unternehmen konnte stattdessen auf in der<br />
Schweiz ausgebildete chinesische Ingenieure zurückgreifen. Die Vertriebsorganisation des<br />
Schweizer Unternehmens lag ansonsten vollständig in der Hand der rein chinesischen<br />
Sintoon-Handelsgesellschaft. Diese wurde aus nationalistischen Gründen von<br />
chinesischer Seite stark unterstützt, hatte hervorragende Verbindungen im Land und<br />
konnte durch enge Zusammenarbeit mit einer chinesischen Bank zudem finanzielle<br />
Seite | 268
Ausfuhr-Vereinigung Concordia 785 und die AEG 786 . 787 Die wichtigsten<br />
japanischen Konkurrenten waren Hitachi, Mitsubishi, Shibaura sowie Tokyo<br />
Electric. 788 Zu Beginn der 1930er Jahre traten auch erstmals chinesische<br />
Unternehmen als ernstzunehmende Konkurrenten auf. 789 So bot die<br />
Shanghaier Fabrik Asia Electric Motoren aus eigener Produktion an. Neben<br />
Sicherheiten bieten. Neben diesen Faktoren bestand ein weiterer wichtiger Vorteil in den<br />
geringen Kosten einer solchen Organisation. Dies schlug sich in den günstigen<br />
Preiskonditionen der BBC nieder, die das Unternehmen auch in China zu einem ernst zu<br />
nehmenden Konkurrenten von Siemens machten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der<br />
S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai 31.8.1928, S. 18 f.<br />
785 Die China-Ausfuhr-Vereinigung Concordia bestand aus D.E.W., Garbe, Lahmeyer & Co.,<br />
Aachen-Jülich für elektrische Fabrikate, Voigt & Haeffner AG, Frankfurt/Main für<br />
Schaltanlagen und Schaltapparate, Hartmann & Braun AG, Frankfurt/Main für<br />
Messinstrumente und Gottfried Hagen, Köln-Kalk, für Akkumulatoren. Vgl. SAA 15/La 610:<br />
Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 13.<br />
786 Die Vertriebsorganisation der AEG China Electric verfügte in der Zwischenkriegszeit über<br />
ein kleines Vertriebsnetz. So gab es Büros in Shanghai (Hauptsitz), Tientsin, Canton (seit<br />
Januar 1935) und Nanking sowie Ingenieurposten in Jinan und Hongkong. Die Mehrzahl<br />
der Aufträge wurde jedoch über verschiedene deutsche und chinesische Handelshäuser<br />
abgewickelt, mit denen die AEG China Electric Co. Vertreterverträge abgeschlossen hatte.<br />
Die Aufträge der AEG erstreckten sich dabei auf die gesamte Produktpalette des<br />
Konzerns. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 296.<br />
787 Weitere Konkurrenten waren u.a. die schwedische Firma ASEA (Allmanna Svenska<br />
Elektriska Aktiebolaget) bei Turbinen. Vgl. SAA 15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co.<br />
1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 11 f., und SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co.<br />
1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 17.<br />
788 Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus Hankow (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />
Hankow 4.7.1920, S. 3.<br />
789 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 208 ff. Unter diesen Gesichtspunkten erwog die<br />
Siemens China Co., eine Produktionskooperation mit der Asiatic Electric einzugehen. Das<br />
Stammhaus zeigte sich in Bezug auf dieses Thema allerdings unentschlossen und<br />
zurückhaltend, so dass der Plan nicht über den Zustand „unverbindlicher Besprechungen“<br />
hinauskam.<br />
Seite | 269
Glühlampen und Motoren wurde auch die Produktion von Leitungen<br />
aufgenommen. 790<br />
Nach Ausbruch des chinesisch-japanischen Kriegs 791 ging das Anlagen- und<br />
Verkaufsgeschäft stark zurück, wobei anfänglich mit kriegswichtigem Material<br />
noch ein gewisser Ausgleich erzielt werden konnte. 792 Nach dem Ausbruch<br />
790 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 182 f. Ferner wurden in von der Regierung<br />
eingerichteten Radiowerkstätten in Mukden, Shanghai und Canton drahtlose Stationen<br />
verschiedener Größe zusammengebaut.<br />
791 John H. D. Rabe (1882–1950) spielte eine besondere Rolle im Verlaufe des chinesisch-<br />
japanischen Kriegs. Rabe war seit 1911 in China tätig. Ab November 1931 war er als<br />
Repräsentant der Siemens China Co. in der damaligen Hauptstadt Nanking. Nach der<br />
Eroberung der Stadt am 12. Dezember 1937 richteten japanische Truppen ein Blutbad an.<br />
Mehr als acht Wochen kam es zu Massenexekutionen sowie systematischen<br />
Vergewaltigungen. Schätzungen gehen von etwa 300.000 Opfern aus. Die in der Stadt<br />
verbliebenen Ausländer versuchten den Einwohnern zu helfen, indem sie eine<br />
Sicherheitszone aufbauten. Infolgedessen wurde John Rabe zum Vorsitzenden des<br />
Internationalen Komittees der Sicherheitszone gewählt, da man hoffte, dass ein Deutscher<br />
am besten auf das japanische Militär Einfluss nehmen könnte. In der 6 Quadratkilomter<br />
großen Zone und dem Siemensgelände konnten 250.000 Menschen gerettet werden.<br />
John Rabes humanitäres Engagement lag nicht im Interesse der Siemens China Co., die<br />
Rabe nach Hankow, den neuen Sitz der KMT-Regierung nach Eroberung Nankings,<br />
beordern wollte. Nachdem er im Februar 1938 Nanking verlassen hatte, machte Rabe in<br />
Deutschland durch Vorträge und Filmvorführungen bei Siemens und in verschiedenen<br />
Ministerien auf die japanischen Kriegsverbrechen aufmerksam. Als Rabe im Sommer 1938<br />
eine Kopie seines Berichts an Hitler sandte, wurde er von der Gestapo verhaftet. Nach<br />
Intervention von Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens wurde Rabe freigelassen. Allerdings wurde<br />
ihm verboten, weiter über die Ereignisse zu berichten, und er wurde für einige Monate<br />
nach Afghanistan entsandt. Während des Kriegs war er in der Siemens-Überseeabteilung<br />
beschäftigt, verlor diese Stelle allerdings nach dem Krieg. Er starb verarmt in Berlin im<br />
Jahr 1950. Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 52 f., und Chang,<br />
Vergewaltigung, S. 117–132, sowie Wickert, John Rabe.<br />
723 So veräußerten die Siemens China Co. und Telefunken über die HAPRO zunehmend<br />
Einrichtungen für Nachrichtenübertragung. In diesem Zusammenhang erfolgte im Jahr<br />
1937 die Errichtung einer Werkstatt in Hongkong, in der die Montage von Feldtelefonen für<br />
das chinesische Militär vorgenommen wurde. Im Juni 1937 schloss die S.Ch.Co. ein<br />
Abkommen mit der China Development Finance Corporation ab, das die Unterstützung<br />
Seite | 270
des Kriegs in Europa beschränkte sich das Geschäft dann fast ausschließlich<br />
auf Reparaturarbeiten. Die Mehrzahl der Unterbüros musste aus diesem<br />
Grund geschlossen werden. 793 Mit der offiziellen Kriegserklärung Chinas an<br />
Deutschland am 9. Dezember 1941 kam das Geschäft gänzlich zum Erliegen.<br />
Nach der Kapitulation Japans wurden im Herbst 1945 die in der japanischen<br />
Besatzungszone verbliebenen Büros, Lager sowie Geschäfte von der<br />
chinesischen Regierung geschlossen und die Guthaben und Immobilien<br />
beschlagnahmt.<br />
2.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939<br />
2.3.2.1 Gründung der Tseng Hua Electrical Manufacturing Co.<br />
Im selben Zeitraum wurde von der S.Ch.Co. und einem chinesischen<br />
Finanzkonsortium, das sich aus angesehenen Persönlichkeiten aus der<br />
chinesischen Industrie und Eisenbahn-Gesellschaften zusammensetzte, die<br />
Tseng-Hua-Gesellschaft gegründet. 794<br />
von Siemens-Lieferungen für das chinesische Nachrichtenwesen auf langfristiger<br />
Finanzierungsbasis beinhaltete. Das Ziel der China Development Finance Corporation, der<br />
prominente Wirtschaftsvertreter aus China und Europa angehörten, war die Beschaffung<br />
von Finanzmitteln zur Durchführung von Wirtschaftsprojekten in China. Vgl. SAA 68/Li<br />
190: Captain Yang Yin (Schreiben von Probst aus Brasilien an SSW-AG Berlin), Rio de<br />
Janeiro 24.5.1954, S. 3, und SAA 68/Li 190: Siemens in China (Zusammenstellung von<br />
Wettlaufer), München 2.1.1980, S. 53, sowie Kuß, Völkerbund, S. 150 f.<br />
793 Vgl. Mielmann, S. 259 f. Die Schließung in den japanisch besetzten Gebieten war<br />
allerdings nicht freiwillig. Alle ausländischen Firmen, auch die deutschen mussten ihre<br />
Tätigkeit einstellen. Ende 1940 bestanden nur noch das Hauptbüro in Shanghai sowie die<br />
Unterbüros in Peking, Tientsin und Jinan.<br />
794 Das Direktorium der Tseng Hua bestand aus 9 Mitgliedern, die aufgrund des damaligen<br />
chinesischen Handelsrechts allesamt Chinesen sein mussten. Fünf der<br />
Direktoriumsmitglieder wurden von den chinesischen, die restlichen vier von den<br />
Seite | 271
Das Kapital dieses Joint Ventures betrug 1,5 Millionen mexikanische Dollar,<br />
die zu 51 Prozent von den Chinesen und zu 49 Prozent von der S.Ch.Co.<br />
aufgebracht werden mussten. 795 Langfristiges Ziel der Gesellschaft sollte die<br />
Aufnahme einer eigenen Produktion in China sein, wofür die SSW<br />
Erfahrungen und Patente zur Verfügung stellte. Auf unbestimmte Zeit war<br />
eine Produktion allerdings nicht vorgesehen. Stattdessen sollte lediglich der<br />
Schein erweckt werden, dass es sich um eine in China fabrizierende<br />
Gesellschaft handle. 796<br />
Die Hintergründe dieser Überlegungen und die weitere Entwicklung der<br />
Tseng- Hua-Gesellschaft werden im Folgenden näher erläutert.<br />
Ein großes Problem beim Wiederaufbau des Geschäfts der S.Ch.Co. in China<br />
stellten die hohen, oft nicht wettbewerbsfähigen Preise dar, die das<br />
Stammhaus in Berlin seiner chinesischen Tochtergesellschaft für die<br />
gelieferten Produkte vorschrieb. Die Geschäftsführer der S.Ch.Co., Ehrhardt<br />
und Kocher, zeigten sich darüber äußerst unzufrieden und waren aber<br />
deutschen Kapitalgebern gewählt. Zusätzlich wurde eine sechsköpfige<br />
Überwachungskommission eingesetzt, zu der auch der Fabrikleiter gehörte. Vgl. SAA<br />
11/Lf 499: Vertrag zwischen Tseng Hua und S.Ch.Co., Peking 14.5.1921, S. 4.<br />
795 Die S.Ch.Co. sicherte sich aber über ihren Komprador Kwan, der Anteile in Höhe von<br />
50.000 mexikanischen Dollar (3,33 Prozent der Anteile) erwarb, die Aktienmajorität. Das<br />
Stammhaus gab Anweisung, mit ihm zu vereinbaren, dass er seine Anteile entweder an<br />
die S.Ch.Co. weiterzuverkaufen oder sein Stimmrecht an sie abzugeben habe. Vgl. SAA<br />
25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von<br />
CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 6 f.<br />
796 Es war vorgesehen, dass sich die S.Ch.Co. in einigen Fällen der Tseng Hua bedienen<br />
sollte, um Aufträge einzuholen, da davon auszugehen war, dass ein (scheinbar) rein<br />
chinesisches Unternehmen bei Aufträgen der chinesischen Regierungsstellen und<br />
Behörden bevorzugt werden würde. Um die Tseng Hua als Auftragnehmer glaubhaft<br />
erscheinen zu lassen, sollte eine eigene Fabrikation vorgetäuscht werden. Vgl. SAA 25/Lc<br />
71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von CVU an<br />
S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 1, und SAA 25/Lc 71: Protokoll einer Konferenz<br />
vom 8.9.1921 über die in China am 14.5.1921 eingegangenen Verträge (Aktennotiz),<br />
Berlin 10.9.1921, S. 2.<br />
Seite | 272
vermutlich ernsthaft an einer Fabrikation in China interessiert. Dies hätte<br />
bedeutet, dass Produkte aufgrund der Einsparungen bei Transport- und<br />
Fertigungskosten zu deutlich niedrigeren Preisen hätten angeboten werden<br />
können. Höhere Umsätze und Gewinne wären die Folge gewesen. Ferner<br />
konnte die Geschäftsführung der S.Ch.Co. davon ausgehen, dass sie mit<br />
einer Fabrikation in China mehr Verantwortung, Macht und Autonomie – auch<br />
bei der Preisfestlegung – erhalten hätte. 797<br />
Ein zusätzlicher Ansporn für die Errichtung einer eigenen Produktionsstätte in<br />
China dürfte auch das Verhalten der Wettbewerber gewesen sein: Die<br />
amerikanische General Electric Co. hatte gegen Ende des Kriegs, 1917, in<br />
Shanghai eine Glühlampenfabrik unter dem Namen China General Edison<br />
Co. gebaut. 798 Das englische Unternehmen Marconi führte<br />
Vertragsverhandlungen mit dem chinesischen Board of Communications in<br />
Peking über die gemeinsame Errichtung einer Fabrikation funktechnischer<br />
Geräte. 799 Die Western Electric Co. wiederum verfügte über eine<br />
Fertigungsstätte für Telefone in Shanghai. 800<br />
Obwohl das Stammhaus es nicht für ausgeschlossen hielt, unter veränderten<br />
politischen Rahmenbedingungen in Zukunft eine eigene Fabrikation der<br />
Tseng Hua zuzulassen, lehnte es dies vorerst ab, da die zu dieser Zeit<br />
797 Vgl. SAA 25/Lc 71: Umwandlung der Siemens China Co. in eine deutsch-chinesische<br />
Gesellschaft (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 21.7.1921, S. 2 f.<br />
798 Vgl. Mangold, Industrie, S. 32. Im Jahr 1919 berichtete der Vorstand in Shanghai der CVU,<br />
dass dort von chinesischen Arbeitern unter Leitung eines Amerikaners täglich 1.500<br />
Lampen hergestellt wurden. Fäden und Metallteile der Lampen kamen aus Amerika. Das<br />
Glas wurde in China hergestellt, was den Vorteil hatte, dass Glasbrüche während der<br />
Fracht ausgeschlossen werden konnten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China<br />
(Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 28.7.1919, S. 7.<br />
799 Vgl. SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Geschäftsbericht (Handschriftlicher Bericht von S.Ch.Co.<br />
an CVU), Peking 24.10.1919, S. 1–7.<br />
800 Die Fertigung dort war nur von kurzer Dauer und wurde 1922 bis auf Weiteres eingestellt.<br />
Vgl. SAA 15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922,<br />
S. 14 f.<br />
Seite | 273
herrschenden politischen Zustände in China als ein zu großes Risiko für einen<br />
solchen Schritt empfunden wurden. 801 Ferner mangelte es an Vertrauen in die<br />
chinesischen Partner bezüglich des Umgangs mit Patenten und<br />
Lizenzen. 802 Daher wurde entschieden, dass die Tseng Hua für die nächsten<br />
Jahre im Wesentlichen als größere Werkstatt fungieren sollte. 803<br />
Da jedoch nicht davon auszugehen war, dass eine reine Werkstatt genügend<br />
Gewinn abwerfen würde, um die chinesischen Aktionäre zufriedenzustellen,<br />
musste die S.Ch.Co. eine weitere Anlagemöglichkeit für das Kapital suchen.<br />
Zu diesem Zweck wurde beschlossen, zusammen mit der Tseng Hua die<br />
Finanzierung und den Betrieb eines Kraftwerks – des Tseng-Hua-Kraftwerks –<br />
zu übernehmen. 804<br />
Im Jahr 1922 begann die S.Ch.Co. mit der Errichtung der Tseng-Hua-<br />
Überlandzentrale, bei der es sich um das erste chinesische Überland-<br />
Dampfkraftwerk handelte. Es wurde in der Nähe des damals kleineren Ortes<br />
Tsi-Shu-Yen gebaut, der am Kaiser-Kanal an der Bahnlinie Shanghai-Nanking<br />
lag. Betreiber war die Tseng Hua Electric Manufacturing Co. Zum<br />
801 Vgl. SAA 25/Lc 71: Protokoll einer Konferenz vom 8.9.1921 über die in China am<br />
14.5.1921 eingegangenen Verträge (Aktennotiz), Berlin 10.9.1921, S. 2.<br />
802 Im Jahresbericht 1929/30 der S.Ch.Co. heißt es: „Eine gewisse Schwierigkeit wird<br />
vorläufig darin liegen, dass die Patentgesetzgebung Chinas rückständig ist. Die seinerzeit<br />
erlassene Verordnung, die geradezu eine Prämie auf Patentverletzung aussetzte, ist vor<br />
kurzem aufgehoben, ohne dass man jedoch bisher über die anderen Absichten des<br />
Gesetzgebers im Klaren ist.“ Vgl. SAA 15/Lp 168: Auszug aus dem Jahresbericht<br />
1929/1930 der Siemens China Co., 12.11.1930.<br />
803 Vgl. SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co.<br />
(Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 7.<br />
804 Vgl. SAA 10850: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben<br />
von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 3.1.1922, S. 1–14, und SAA 15/Lp 168: Tseng Hua<br />
Electrical Manufacturing Co. (Aktennotiz), Berlin 19.9.1924, S. 1–5, sowie SAA 12/Lm<br />
910a I: Mosig, Karl, Die erste Hochspannungs-Fernübertragungsanlage Chinas; in:<br />
Siemens-Zeitschrift, 4/1925, S. 149–153, hier S. 149.<br />
Seite | 274
Lieferumfang gehörten neben zwei Turbosätzen (jeweils 3.200 kW)<br />
Fernleitungen und Umspannwerke. 805<br />
Das Projekt war mit einem hohen unternehmerischen Risiko verbunden.<br />
Anders als in Deutschland üblich, gab es vor der Errichtung keine Verträge für<br />
den Strombezug mit späteren Abnehmern. So kam es, dass das Kraftwerk<br />
während der ersten Monate mit einer äußerst geringen Auslastung in Betrieb<br />
gehen musste. Erst nach intensiver Werbearbeit eigens dafür angestellter<br />
Beamter konnten Abnehmer gefunden und die Überlandzentrale auf Volllast<br />
hochgefahren werden. 806<br />
Schließlich wurde die erzeugte Energie zur Versorgung der 10 be-<br />
ziehungsweise 33 Kilometer entfernten Städte Changchow (im Jahr 1927<br />
circa 130.000 Einwohner) und Wusieh (im Jahr 1927 circa 200.000<br />
Einwohner) sowie zum Betrieb von Bewässerungsanlagen eingesetzt. 807<br />
Im Jahr 1929 wurde das Kraftwerk per Dekret von der Nanking-Regierung<br />
nationalisiert und Siemens von allen Verpflichtungen des Gründungsvertrages<br />
entbunden. 808<br />
805 Vgl. SAA 47/Lp 178: Ausführlicher Bericht auf Grund der Unterlagenblätter über China,<br />
Mandschukuo, Thailand (Teil der Unterlagenmappe „100 Jahre Siemens“), S. 6, und SAA<br />
47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift, 10/1927,<br />
S. 662–668, hier S. 663 f., sowie SAA 12/Lm 910a I: Mosig, Karl, Die erste<br />
Hochspannungs-Fernübertragungsanlage Chinas; in: Siemens-Zeitschrift, 4/1925, S. 149–<br />
153, hier S. 149 f.<br />
806 Vgl. SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />
10/1927, S. 662–668, hier S. 664.<br />
807 Vgl. SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />
10/1927, S. 662–668, hier S. 663.<br />
808 Vgl. SAA 10850: Auflösung des Vertrages mit Tseng Hua Electric Manufacturing Co. of<br />
China, Berlin 9.9.1930.<br />
Seite | 275
2.3.2.2 Bedeutende Aufträge bis 1939<br />
Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über einige ausgewählte Projekte in<br />
der Zwischenkriegszeit. Die beiden wichtigsten Geschäftsfelder waren dabei<br />
der Bau von Kraftwerken beziehungsweise die Lieferung von<br />
Kraftwerksausrüstung und die Kommunikationstechnik vor allem das<br />
Telefongeschäft. Im Geschäftsfeld Kraftwerke gelang es Siemens im<br />
Zeitverlauf, immer mehr Aufträge für den Bau von Überlandkraftwerken zur<br />
Versorgung von Städten zu gewinnen. Im Industriekundengeschäft erhielt das<br />
deutsche Unternehmen vor allem von Minengesellschaften, Textil- und<br />
Zementfirmen zahlreiche Aufträge für kleinere Kraftwerke, Förderanlagen und<br />
elektrische Maschinen. Auch im Bahngeschäft war Siemens weiterhin aktiv.<br />
Seite | 276
Abbildung 50: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 1<br />
Seite | 277
Die S.Ch.Co. war an Straßenbahnprojekten in Shanghai, Harbin und Peking<br />
beteiligt. 809 Ferner wurden mehrere Grubenbahnen und elektrische<br />
Lokomotiven für Minengesellschaften geliefert.<br />
Im Geschäftsfeld Kommunikationstechnik gab es einige Projekte größeren<br />
Ausmaßes. Dabei ist die Einrichtung von Telefonämtern hervorzuheben.<br />
Größere Anlagen wurden beispielsweise im Laufe der Jahre in Tsinanfu,<br />
Tientsin, Mukden und Hankow errichtet und mehrmals erweitert. 810 Die<br />
Erfolge in diesem Bereich wurden vor allem aufgrund von Verträgen und<br />
Abkommen mit Regierungsstellen beziehungsweise durch gute Beziehungen<br />
zu diesen erst möglich. 811 Im Geschäftsjahr 1937/38 wurde im Telefonsektor<br />
ein Umsatz von etwa 2,6 Millionen US-Dollar erzielt. 812<br />
809 Vgl. SAA 47/Lp 178: Ausführlicher Bericht auf Grund der Unterlagenblätter über China,<br />
Mandschukuo, Thailand (Teil der Unterlagenmappe „100 Jahre Siemens“), S. 12 f., und<br />
SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />
10/1927, S. 662–668, hier S. 667. Dabei standen Projekte im Bereich Straßenbahnen<br />
angesichts des Stromverbrauchs in enger Verbindung zum Kraftwerksgeschäft. Neben der<br />
Stromversorgung von Straßenbahnen übernahm Siemens auch die Lieferung der<br />
elektrischen Ausrüstung und mitunter ganzer Triebwagen.<br />
810 Vgl. SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom 27.10.1925 über das chinesische<br />
Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925, S. 5 ff., und Mielmann,<br />
Handelsbeziehungen, S. 278.<br />
811 Siemens hatte eine Art Monopolstellung für die Lieferung von Nachrichtentechnik beim<br />
chinesischen Kriegsministerium inne. Dort waren bis 1938 hochrangige deutsche<br />
Militärberater angestellt, die veranlassen konnten, dass Siemens bei Auftragsvergaben<br />
des Ministeriums besonders berücksichtigt wurde. Im Jahr 1937 wurde ein Vertrag<br />
zwischen der National Resources Comission (NRC) sowie S&H über die gemeinsame<br />
Errichtung einer Telefonfabrik abgeschlossen. Zu den Initiatoren dieses Projektes, mit dem<br />
die chinesische Regierung ihr Know-how im Bereich Telefontechnik zu verbessern hoffte,<br />
gehörte Chiang Kai-Shek. Nachdem S&H einige Auslieferungen durchgeführt hatte, wurde<br />
die Unternehmung in den Folgejahren, vermutlich aufgrund der Kriegswirren, nicht weiter<br />
vorangetrieben. Im Jahr 1948 teilte S&H der NRC schließlich die Kündigung des Vertrages<br />
zum 30.6.1949 mit. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 280, SAA 12013:<br />
Vollmachtserteilung für Eicke und Schulz zur Unterzeichnung des Vertrags für die<br />
Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von S&H an die chinesische Botschaft in Berlin),<br />
Seite | 278
Auch in der Funktechnik konnte die S.Ch.Co. vermehrt Aufträge verbuchen.<br />
Dabei war die Geschäftslage für Telefunken in China in den ersten<br />
Nachkriegsjahren aufgrund der starken angelsächsischen und französischen<br />
Konkurrenz außerordentlich schwierig. Dennoch wurden mehrere Aufträge für<br />
Sendestationen bearbeitet. 813<br />
Ein Geschäftszweig von Telefunken, dessen Bedeutung in China Ende der<br />
1930er Jahre zunahm, war das Geschäft mit Kopfhörern, Rundfunkgeräten<br />
(Radios) und Tonabnehmern. 814 Besonders gut absetzen ließen sich<br />
Kopfhörer, die hauptsächlich von Behörden nachgefragt wurden.<br />
22.7.1937, und SAA 12013: Bemerkungen zum Vertrag für die Telefonfabrik in Changsha<br />
(Schreiben von S&H an die National Resources Commission), Nanking 1.8.1937, sowie<br />
SAA 12013: Kündigung des Vertrages der Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von S&H<br />
an die National Resources Commission), 5.11.1948.<br />
812 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 278.<br />
813 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18. Im Jahr 1921 wurde für das<br />
Verkehrsministerium ein Löschfunksender in Chefoo (5 Kilowatt) errichtet. Zwischen 1922<br />
und 1924 kamen Anlagen u.a. in Taku (1,5 Kilowatt), Paotingfu (1,5 Kilowatt), Amoy (1,5<br />
Kilowatt), Newchwang (1,5 Kilowatt), Haimen (0,5 Kilowatt), Hulutao (1,5 Kilowatt) und<br />
Yinkow (1,5 Kilowatt) hinzu. In der Folgezeit trat diese Technik allerdings hinter die neu<br />
aufkommenden Röhrensender zurück. Röhrensenderstationen wurden u.a. nach Tientsin,<br />
Wuchow, Hangchow, Nanning, Suchow, Mukden (jeweils 0,5 Kilowatt), Tsitsihar (1<br />
Kilowatt), Tayuanfu, Changchun, Pratas (jeweils 2 Kilowatt), Peking, Woosung, Wuchang<br />
und Harbin (jeweils 5 Kilowatt) und Mukden (10 Kilowatt) geliefert. Weitere wichtige<br />
Meilensteine für die Entwicklung des Rundfunkgeschäfts in China waren die Jahre 1933<br />
(große Kurzwellen-Rundfunksender, die bis nach China senden konnten, kamen in<br />
Zeesen in Betrieb) und 1935, als die Leistung der Sender in Deutschland nochmals<br />
deutlich verbessert werden konnte. 1940 wurde in Shanghai ein deutscher<br />
Rundfunksender errichtet, der das Interesse für den lokalen Empfang steigerte und das<br />
Geschäft weiter belebte.<br />
814 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 15 f. Das Rundfunkgeschäft<br />
beschränkt sich fast ausschließlich auf die großen Städte, da in der Regel nur dort Strom<br />
zur Verfügung stand. Der Verkauf der Geräte erfolgte entweder über die S.Ch.Co. und<br />
deren Unterbüros oder über Agenturen. Zu den Unterbüros und Agenturen wurde von Zeit<br />
zu Zeit Personal entsandt, das in der Rundfunkwerkstatt in Shanghai ausgebildet worden<br />
war, um beispielsweise Reparaturdienste durchführen zu können.<br />
Seite | 279
Problematisch war, dass die Geräte teilweise von geheimen Werkstätten bis<br />
hin zur Verpackung illegal kopiert wurden. 815<br />
Abbildung 51: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 2<br />
Auf dem Markt für Rundfunkgeräte und Tonträger 816 herrschte ein großer<br />
Wettbewerbsdruck. Telefunken sah sich mit internationaler Konkurrenz, vor<br />
allem amerikanischer Firmen, konfrontiert. 817 Bis 1934 war das Geschäft in<br />
815 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18.<br />
816 Im Jahr 1931 gingen die elektroakustischen Abteilungen von Siemens und der AEG an<br />
Telefunken über. Bei Produkten aus diesem Bereich handelte es sich insbesondere um<br />
Lautsprecher und Musikanlagen.<br />
817 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18. Auf dem chinesischen Markt<br />
wurde grundsätzlich das gesamte Qualitätsspektrum angeboten, wobei Produkte der<br />
Seite | 280
China auf diesem Geschäftsfeld daher relativ schwach. Nach 1934 kam es in<br />
dieser Sparte allerdings zu einem Aufschwung, den die S.Ch.Co. auf die gute<br />
Qualität und das ansprechende Design ihrer Fabrikate, verstärkte Werbung<br />
sowie eine intensivere Elektrifizierung zurückführte. 818<br />
Darüber hinaus konnte Siemens auch auf dem Gebiet der Elektromedizin<br />
seine Geschäftstätigkeit ausweiten. 819 Im Jahr 1936 betrug der Anteil der<br />
SRW am deutschen Gesamt-Export medizinisch-technischer Waren nach<br />
China 27 Prozent. Die Hauptabnehmer der Produkte (Röntgen-, Kurzwellen-,<br />
Ultratherm-, Diathermiegeräte und verschiedene Messinstrumente) waren<br />
Krankenhäuser und <strong>Universität</strong>en. 820 Ein wichtiger Wettbewerber war neben<br />
japanischen Unternehmen den Geschäftsberichten zufolge die deutsche<br />
Firma Sanitas. Eine ungewöhnliche Konkurrenz bildeten Ende der 1930er<br />
Jahre aus Deutschland geflohene jüdische Ärzte, die elektromedizinische<br />
untersten Klasse bereits von der chinesischen Industrie gefertigt wurden. Hierbei handelte<br />
es sich allerdings beinahe ausschließlich um Kopien amerikanischer Geräte.<br />
818 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18. Zu mittleren und größeren<br />
Lieferungen gehörten u.a. Lautsprecher- bzw. Musikanlagen für Kunden in Nanking<br />
(Stadion, Central-Broadcasting-Station, Artillerieschule und ein Arsenal), Shanghai (Race<br />
Course, Deutscher Gartenclub, Französischer Club, Auditorium, Lyceum-Theater und das<br />
Canidrome), Tsiantau (katholische Kirche), Hongkong (Kathedrale) sowie für die Städte<br />
Hanko, Chingkiang und Canton.<br />
819 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 282.<br />
820 Bis 1939 wurden Krankenhäuser bzw. <strong>Universität</strong>en in folgenden Städten mit den<br />
genannten Produkten beliefert: Shanghai (Paulun-Hospital, General Hospital, Country<br />
Hospital, Municipal Hospital, Civic Centre Hospital) Shanghai-Nantao (Municipal Hospital),<br />
Shanghai-Kiangwan (Chung Shan Hospital, Tubercoulosis Clinic, Hungjao Sanatorium),<br />
Nanking (Central Hospital), Peking (German Hospital, Union Medical College), Tientsin<br />
(German-American Hospital, Mackenzie Hospital), Tsingtao (German Faber Hospital,<br />
Municipal Hospital), Hongkong (British Government Civic Hospital), Macao (Government<br />
Hospital), Canton (German Hospital, Municipal Hospital, Sun Yat Sen University), Swatow<br />
(Municipal Hospital), Changsha (Hunan Yale University) und Nanchang (Government<br />
Hospital). Vgl. SAA 68/Li 190: Siemens in China (Zusammenstellung von Wettlaufer),<br />
München 2.1.1980, S. 49 ff.<br />
Seite | 281
Geräte aus der Heimat mitgebracht hatten und zu sehr niedrigen Preisen in<br />
China verkauften. 821<br />
Auch im Geschäftsfeld „Fremdgeschäfte“ war Siemens sehr erfolgreich. Das<br />
wichtigste Projekt hierbei war die Modernisierung der Peking-Hankow-Bahn.<br />
Es handelte sich hierbei um ein Lieferabkommen für die Modernisierung der<br />
circa 1.400 km langen Bahnlinie Peking-Hankow (PEHAN-Bahnlinie) mit<br />
einem Wert von 45 Millionen mexikanischen Dollar. Im Lieferumfang waren<br />
Eisenbahnwerkstätten, Beleuchtungsanlagen für Bahnhöfe, Eisenbahn-<br />
signalanlagen von S&H, Eisenbahnschienen, Weichen, Stellwerke und<br />
Eisenkonstruktionen für Brücken enthalten. Siemens übertrug allerdings kurze<br />
Zeit nach dem Auftragserhalt gegen eine Abschlussprovision von 0,25<br />
Prozent des Gesamtwerts die Projektführung an die Stahlunion. Da im<br />
Rahmen des chinesisch-japanischen Kriegs die PEHAN-Bahnlinie zerstört<br />
wurde und keine weiteren Bestellungen oder Bezahlungen mehr erfolgten,<br />
erwies es sich für Siemens letztlich als vorteilhaft, die Verantwortung für das<br />
Projekt abgegeben zu haben. 822 Die Analyse dieses Auftrags führt zu vier<br />
Feststellungen: Erstens zeigt sich, dass Siemens auch nach dem Ende der<br />
REU noch engen Kontakt zur Stahlindustrie hatte, der auch in China genutzt<br />
wurde. 823 Zweitens wurde erneut die Bedeutung persönlicher Beziehungen für<br />
den Abschluss von Geschäften erkennbar, da Siemens diesen Auftrag vor<br />
allem aufgrund seiner Kontakte zu Eisenbahnminister Ku Meng-Yü und<br />
dessen Nachfolger Chang Kia-ngau erhielt. 824 Drittens unterstreicht die<br />
Tatsache, dass die chinesischen Auftraggeber die Verträge nicht direkt mit<br />
821 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 282 f.<br />
822 Vgl. SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />
24.6.1984, S. 1 ff.<br />
823 Die auf die frühere Interessengemeinschaft Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union<br />
zurückgehende Stahlabteilung der S.Ch.Co. hatte bis in die 30er Jahre Bestand. Vgl. SAA<br />
9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984,<br />
S. 1 ff.<br />
824 Vgl. SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />
24.6.1984, S. 1 ff.<br />
Seite | 282
den Stahlfirmen abschlossen, sondern mit dem nur zu geringen Teilen an den<br />
Lieferungen beteiligten Siemens-Konzern, das Vertrauen, das die Chinesen<br />
dem Unternehmen als Vertragspartner entgegenbrachten. Viertens wird<br />
angesichts der Kriegsereignisse das enorme Risiko deutlich, mit dem große<br />
Aufträge in China zu dieser Zeit verbunden waren.<br />
Ein weiteres wichtiges Fremdgeschäft war die Lieferung von Baggerschiffen<br />
der Firma Schichau-Elbing. In den 1930er Jahren erhielt Siemens vom<br />
Whangpoo Conservancy Board, einer dem Verkehrsministerium in Shanghai<br />
unterstellten Behörde, den Auftrag für die Lieferung eines großen<br />
Baggerschiffs. 825<br />
Ähnlich wie beim PEHAN-Projekt bevorzugten es die Chinesen auch in<br />
diesem Fall die Verhandlungen, nicht mit dem eigentlichen Produzenten der<br />
Ware – der Firma Schichau-Elbing – sondern über Siemens zu führen. 826<br />
Hintergrund dieses Verhaltens war das Misstrauen der Chinesen gegenüber<br />
Firmen, die ihnen nicht genau bekannt waren, beziehungsweise das im<br />
Gegenteil weitgehende Vertrauen zu gut bekannten Geschäftspartnern: Als<br />
der Präsident des Conservancy Boards, T.L. Soong 827 , gefragt wurde, ob das<br />
825 Zweck dieses Schiffs war das Ausbaggern einer Schiffsrinne im Whangpoo-Fluss. Diese<br />
Wasserstraße, an der die Handelsmetropole Shanghai liegt, mündet in den Yangtse und<br />
wurde häufig von Schiffen genutzt, um Waren von Shanghai ins Innere Chinas zu<br />
transportieren. Da der Whangpoo große Mengen Lehm mit sich führte, die sich immer<br />
wieder absetzten und großen Schiffen die Durchfahrt unmöglich machten, war ein<br />
ständiges Ausbaggern der Schiffsrinne erforderlich. Vgl. SAA 9839: Siemens-<br />
Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 3.<br />
826 Dies war der S.Ch.Co. vom Stammhaus zunächst untersagt worden. Die Zusage wurde<br />
erst erteilt, nachdem sich Geheimrat Schichau persönlich an Dr. Carl <strong>Friedrich</strong> von<br />
Siemens gewandt hatte, der unter Vorbehalt einwilligte. Vgl. SAA 9839: Siemens-<br />
Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 4.<br />
827 Soong Tzu Liang, T.L. Soong genannt, war der Bruder des damaligen Finanzministers<br />
T.V. Soong. Siemens waren die Brüder u.a. durch Verhandlungen mit der von ihnen<br />
gegründeten China Development Finance Cooperation (CDFC) bekannt. Vgl. SAA 9839:<br />
Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 3.<br />
Seite | 283
Schichau-Angebot Aussicht auf Erfolg habe, bejahte er, ergänzte aber, dass<br />
„ uns stört, dass Schichau nicht in China anwesend ist oder eine bewährte<br />
uns bekannte Vertretung hat. Wenn Schwierigkeiten mit einer Schichau-<br />
Lieferung entstehen, kann die kleine Firma S. das Firmenschild von der<br />
Bürotür abnehmen und abreisen.“ Als T.L. Soong daraufhin gefragt wurde,<br />
welche Vertretungsfirma denn geeignet wäre, antwortete er: „Wir haben zwar<br />
keine Präferenzen, aber es sollte eine zuverlässige deutsche Großfirma in<br />
China sein, z.B. eine Firma wie Siemens. 828 “ Diese Aussagen lassen deutlich<br />
erkennen, welche Vorteile eine eigene Vertretung in China im Vergleich zur<br />
Vertretung durch Handelsfirmen mit sich brachte. Den Erfolg der Geschäfte<br />
beurteilte Probst, der damalige Vorstand der S.Ch.Co. später<br />
folgendermaßen: „Die Bagger-Geschäfte für Schichau waren<br />
gewinnbringende Fremdgeschäfte, welche uns außer den Verhandlungen und<br />
einigen Briefen keine Arbeit bereitet haben.“ 829<br />
Im Geschäftsfeld „Diverses“ waren das Rüstungsgeschäft, das<br />
Installationsgeschäft sowie das allgemeine Verkaufsgeschäft von besonderer<br />
Bedeutung. Waffengeschäfte zwischen China und Deutschland hatten zur<br />
damaligen Zeit eine lange Tradition: Bereits in den 60er Jahren des 19.<br />
Jahrhunderts besaß Deutschland praktisch das Monopol für den Waffenexport<br />
nach China, der mit erheblichen Gewinnen verbunden war. 830 Ende der<br />
1920er Jahre intensivierte sich die Zusammenarbeit von Deutschland und<br />
China auf militärischem Gebiet erneut. Hierfür waren in erster Linie die in<br />
China stationierten deutschen Militärberater verantwortlich, die die<br />
chinesische Regierung unter Chiang Kai-Shek bis 1938 beim Aufbau einer<br />
828 Das hier direkt zitierte Gespräch fand zwischen dem deutschen Botschafter Dr. Trautmann<br />
und T.L. Soong während eines offiziellen Empfangs statt. Vgl. SAA 9839: Siemens-<br />
Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 3 f.<br />
829 Vgl. SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />
24.6.1984, S. 5. Wenige Jahre später, 1936, gab es vom Conservancy Board eine<br />
Ausschreibung für ein zweites Baggerschiff, welches wiederum von Schichau-Elbing<br />
gebaut und von Siemens geliefert wurde.<br />
830 Vgl. Feldenkirchen, Kapital, S. 64–80, hier S. 65.<br />
Seite | 284
schlagkräftigen Armee unterstützten und Siemens mehrere Aufträge<br />
einbrachten. 831<br />
Eine besonders wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang die 1934<br />
gegründete Handelsgesellschaft für industrielle Produkte (HAPRO), die dem<br />
Konzern in dieser Phase verschiedene Aufträge vermittelte. 832 Im Jahr 1934<br />
erhielt Siemens über Vermittlung der HAPRO den Auftrag, die vollständige<br />
elektrische Ausrüstung einer Fabrikationsanlage für Geschosse, Zünder und<br />
Giftgas in Pah Kong Hau (nördlich von Kanton) bereitzustellen. Die Siemens-<br />
Lieferung hierfür umfasste unter anderem ein Dieselkraftwerk, Motoren und<br />
Beleuchtungsanlagen. 833<br />
Siemens war darüber hinaus 1936/37 an Lieferungen von Flak-Scheinwerfern<br />
beteiligt, für die in China eine hohe Nachfrage bestand. 834 Die HAPRO hatte<br />
für diese Geräte einen Auftrag vom chinesischen Militär erhalten und<br />
831 Der Aufbau der Beraterschaft fand unter Oberst Max Bauer statt. Zu den späteren Leitern<br />
der Mission, die auf ihrem Höhepunkt knapp 80 Personen umfasste, zählten Kriebel,<br />
Wetzell, Seeckt und von Falkenhausen - allesamt ranghohe Offiziere a.D. Vgl. Martin,<br />
Beraterschaft, S. 15–53, hier S. 15, 28 f. und S. 32 f.<br />
832 Die HAPRO war 1934 vom deutschen Militär von Klein als eine „Eigengeschäfte<br />
betreibende Gesellschaft“ gegründet und 1936 verstaatlicht worden. Sie wurde mit Hilfe<br />
der Wehrmacht geführt, die das Ziel verfolgte, ihre eigenen Verbindungen nach China<br />
über die HAPRO zu institutionalisieren. Aufgabe der HAPRO war in erster Linie die<br />
Organisation von Rüstungsgeschäften zwischen Deutschland und China. Grundlage der<br />
Geschäfte war ein Austauschabkommen (im Wert von 100 Millionen Reichsmark), nach<br />
dem von Deutschland gelieferte Industriegüter von chinesischer Seite mit<br />
Rohstofflieferungen bezahlt werden sollten. Vgl. Ratenhof, Chinapolitik, S. 433, S. 437, S.<br />
446, S. 465 und S. 544, und Martin, Beraterschaft, S. 15–53, hier S. 34.<br />
833 Vgl. SAA 10738: Unterlagenmappe SSW-Projekte in China (von Karl Mosig), April 1943,<br />
Blatt 25.<br />
834 Vgl. SAA 15/Lp 168: Dipl.-Ing. Weiss – Scheinwerfergeschäft (Schreiben der SSW an<br />
S.Ch.Co.), 14.12.1936.<br />
Seite | 285
vermittelte diesen an Siemens. 835 Neben der Lieferung von Scheinwerfern<br />
entsandte Siemens einen Ingenieur nach China, der chinesischen Technikern<br />
eine Kurz-Ausbildung an den Anlagen gab. Zusätzlich wurde ein Mitarbeiter<br />
der S.Ch.Co. zum „Waffen-Experten“ an Flak-Scheinwerfern und<br />
Horchgeräten ausgebildet. 836 Insgesamt belief sich der Wert der Aufträge<br />
(Bestelleingänge) der HAPRO für die SSW zwischen 1934 und 1937 auf etwa<br />
11,5 Millionen RM. 837 In dieser Summe waren neben den oben erwähnten<br />
Scheinwerfern auch Bestellungen für Minen enthalten. 838<br />
Neben dem Rüstungsgeschäft ist das Installationsgeschäft im Geschäftsfeld<br />
„Diverses“ hervorzuheben.<br />
Im Jahr 1936 beschloss die Leitung der S.Ch.Co. das Installationsgeschäft<br />
aufzugreifen. Hierfür wurde eine eigene Installationsabteilung eingerichtet, die<br />
an die Verkaufsabteilung angeschlossen war. 839 Hintergrund der<br />
Entscheidung, auf diesem Gebiet tätig zu werden, war das Ziel, den Umsatz<br />
der Werke mit den entsprechenden Materialien zu fördern. Ferner stellte<br />
dieser Geschäftsbereich Mitte der 1930er Jahre in China eine Art Marktlücke<br />
dar, da die vorhandenen einheimischen oder ausländischen Installateur-<br />
835 Vgl. SAA 15/Lp 168: Scheinwerferspezialist für China (Schreiben der SSW an HAPRO),<br />
4.12.1936, und SAA 15/Lp 168, Rückreise von Oberingenieur Weiss (Schreiben von<br />
S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 10.6.1937.<br />
836 Vgl. SAA 15/Lp 168: Flak-Scheinwerfer 150 cm für Nanking (Abschrift eines Schreibens<br />
von AU an S.Ch.Co.), 27.4.1937.<br />
837 Zu weiteren Details der Zusammenarbeit zwischen Siemens und der HAPRO vgl. SAA<br />
11/Lm 167: Kontoeröffnung für HAPRO-Geschäfte (Aktennotiz), Berlin 17.7.1935, und<br />
SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit Kraney (Aktennotiz der AU 2),<br />
Berlin 18.7.1935, sowie SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit von<br />
Seeckt über die Zukunft der HAPRO-Geschäfte (Geheime Aktennotiz), Berlin 20.1.1936.<br />
838 Vgl. SAA 47/Lp 178: AU 7-Bericht. Geschäftsrückblick und -ausblick auf das China-<br />
Geschäft, August 1940, S. 4.<br />
839 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst),<br />
20.3.1938,<br />
S. 1.<br />
Seite | 286
Firmen weder hochwertige Technik einsetzten noch über gut geschultes<br />
Personal verfügten. Zudem war es sinnvoll, die Markenbekanntheit und das<br />
Markenvertrauen, das sich Siemens bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitet hatte,<br />
für die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit zu nutzen. 840<br />
Tatsächlich gelang in diesem Bereich in China ein schneller und erfolgreicher<br />
Einstieg, sodass zwischen 1936 und 1938 eine Reihe von Aufträgen<br />
bearbeitet werden konnte, darunter auch einige nennenswerte<br />
Großinstallationen für Krankenhäuser, Nachtclubs und Banken. 841<br />
Das Installationsgeschäft war insgesamt ein gewinnträchtiger<br />
Geschäftszweig, der sich besonders während des Zweiten Weltkriegs als<br />
wichtig erwies. Die geschilderten Großinstallationen beweisen darüber hinaus,<br />
dass Siemens hier die Möglichkeit nutzte, bedeutende Prestigeaufträge<br />
abzuschließen, deren erfolgreiche Bearbeitung sich wiederum positiv auf das<br />
Image des Unternehmens auswirkte. 842<br />
840 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst),<br />
20.3.1938,<br />
S. 1.<br />
841 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst),<br />
20.3.1938. Für dieses Krankenhaus lieferte Siemens die gesamte elektrische Installation<br />
einschließlich einer neuzeitlichen Lichtruf- und einer kompletten Haustelefonanlage. Einen<br />
weiteren interessanten und anspruchsvollen Auftrag stellte die elektrische Ausstattung des<br />
„Ciro’s Night Club“ dar. Hierbei handelte es sich um ein modernes Nachtlokal, in dem<br />
Siemens u.a. eine Beleuchtungsanlage (die komplett vom Pult des Kapellmeisters<br />
gesteuert werden und verschiedene Lichteffekte erzeugen konnte) und ein versenkbares<br />
Geländer für die Tanzfläche installierte. Schließlich nahm Siemens die Lieferung und den<br />
Einbau der elektrischen Innenausrüstung verschiedener Banken in Shanghai vor, darunter<br />
die Mitsui- und die Chase-Bank. Ferner erwähnenswert ist der umfangreiche Auftrag, den<br />
Siemens von der Bank of China erhielt.<br />
842 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Handschriftliche Notiz von<br />
Probst, angeheftet an den Bericht).<br />
Seite | 287
Dritte Säule im Geschäftsfeld „Diverses“ war der Vertrieb kleiner bis<br />
mittelgroßer Produkte, die zum Bereich der SSW gehörten. 843 Bei den<br />
Produkten, die in Deutschland bestellt und in China auf Lager gehalten<br />
werden konnten, handelte es sich unter anderem um Werkzeugmaschinen,<br />
Pumpen, Motoren, Ventilatoren, Installationsmaterial (wie Stecker und<br />
Schalter), Transformatoren, Zähler, Leitungen und Kohlestäbe, Kleinteile für<br />
Glühlichtbeleuchtung, Lampen und Protos-Haushaltsgeräte. 844 Zu den<br />
Vorteilen dieses Geschäftsfelds gegenüber großen Projekten im<br />
Anlagenbereich zählte die Tatsache, dass es weniger von der politischen und<br />
wirtschaftlichen Instabilität im Land beeinflusst wurde. Hinzu kam, dass das<br />
Verlustrisiko verhältnismäßig gering war und sich besser einschätzen ließ.<br />
Schließlich konnte im Gegensatz zum Anlagengeschäft, das kostenintensives,<br />
hoch qualifiziertes Personal erforderte, zur Durchführung des<br />
Verkaufsgeschäfts größtenteils auf geringer bezahlte chinesische Mitarbeiter<br />
oder Agenturen zurückgegriffen werden. 845 Eine Verlagerung des<br />
Betätigungsschwerpunkts auf dieses Feld war daher besonders für<br />
Kosteneinsparungen geeignet. 846<br />
843 Innerhalb der SSW-Organisation übernahm die Abteilung Kleinfabrikate (AK) den Vertrieb<br />
dieser Produkte. Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 287 f.<br />
844 Zu einzelnen Produkten und Fertigungsstätten in Deutschland vgl. Feldenkirchen,<br />
Siemens, S. 308 f.<br />
845 Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai<br />
31.8.1928, S. 21.<br />
846 Neben den typischen Artikeln des Verkaufsgeschäfts wurden auch die Absatzchancen<br />
weiterer Produkte aus der großen Palette des Konzerns geprüft. Dem Stammhaus<br />
unterbreitete die S.Ch.Co. in diesem Zusammenhang zahlreiche Vorschläge und<br />
Anregungen, die vom Verkauf kompletter Flugzeuge (Siemens hätte die Bereitstellung der<br />
Motoren übernommen) bis hin zu Eismaschinen reichten. Für die meisten dieser<br />
potentiellen Betätigungsfelder gab es allerdings Wettbewerber, die sich auf den jeweiligen<br />
Bereich spezialisiert hatten und schwer zu verdrängen gewesen wären. Ein Großteil der<br />
Vorschläge wurde daher nicht weiter verfolgt. Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co.<br />
zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai 31.8.1928, S. 12 ff., S. 16 und S. 19.<br />
Seite | 288
Allerdings traten mehrere Probleme auf. Diese bestanden in erster Linie darin,<br />
dass Siemens für viele Produkte keine konkurrenzfähigen Preisen anbieten<br />
konnte. Der Grund hierfür war, dass es sich beim Verkaufsgeschäft im<br />
Wesentlichen um standardisierte Fabrikate mit relativ geringem Wert bzw.<br />
niedrigem Herstellungsaufwand handelte. Insofern gab es zahlreiche<br />
internationale Wettbewerber, darunter auch chinesische Produzenten, die die<br />
gleiche Ware preisgünstiger anbieten konnten. 847 Darüber hinaus konnte<br />
Siemens einige Produktgruppen nicht optimal an die chinesischen Kunden-<br />
bedürfnisse anpassen. Bei Tee- und Kaffeemaschinen wurden in China<br />
beispielsweise amerikanische Fabrikate bevorzugt, deren Design besser auf<br />
den chinesischen Geschmack zugeschnitten war. 848<br />
Das Umsatzpotenzial für die Produkte war ferner dadurch stark begrenzt,<br />
dass die Gruppe privater Haushalte in China, die als Käufer in Frage kam,<br />
relativ klein war: Zum einen hatte nur ein geringer Teil der Bevölkerung<br />
Zugang zu elektrischem Strom, die Stromerzeugung pro Kopf betrug Ende der<br />
1920er Jahre circa 1 Prozent des entsprechenden Wertes für Deutschland zu<br />
diesem Zeitpunkt. 849 Selbst wenn z.B. in großen Städten ein Zugang möglich<br />
gewesen wäre, hätten sich die meisten Einwohner die Inanspruchnahme einer<br />
Stromversorgung nicht leisten können. 850 Zudem unterlag das Stromnetz<br />
847 Ein Lösungsansatz für dieses Problem wäre die Produktion entsprechender Artikel in<br />
China gewesen. Die S.Ch.Co. wies das Stammhaus wiederholt auf die Vorzüge einer<br />
Produktion und die Aktivitäten der Konkurrenz hin. Vgl. SAA 15/Lp 168: Jahresbericht<br />
1932/33, Shanghai 2.9.1933, S. 7.<br />
848 Vgl. SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des<br />
Geschäftsberichtes der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai, S. 2 f.<br />
849 Vgl. SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China<br />
(vermutlich aus dem Jahr 1930), S. 2.<br />
850 Vgl. SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China<br />
(vermutlich aus dem Jahr 1930), S. 3.<br />
Seite | 289
mitunter Spannungsschwankungen, die für empfindlichere elektrische Geräte<br />
ein hohes Risiko darstellten. 851<br />
Schließlich gab es für bestimmte Haushaltsgeräte, wie z.B. die Protos-<br />
Staubsauger, nur eine äußerst geringe Nachfrage, da das Küchenpersonal<br />
der Haushalte so gering bezahlt wurde, dass kein Anreiz bestand, es durch<br />
entsprechende Maschinen zu ersetzen. 852<br />
Anfang der 1930er Jahre gab es starke Rückgänge im Geschäft, die<br />
insbesondere Fächer, Zähler und Leitungen betrafen und die Umsätze<br />
erheblich schmälerten. 853<br />
Im Jahr 1931 wurde daher beschlossen, sich stärker auf bestimmte Bereiche<br />
wie Motoren, die wichtigste Stütze des Geschäftes, Elmo-Pumpen und<br />
bestimmte Installationsmaterialien zu fokussieren. Die Lagerhaltung sollte<br />
zudem auf solche Artikel beschränkt werden, mit denen sich lohnende<br />
Umsätze erzielen ließen. Schließlich war auch der verstärkte Einsatz von<br />
Werbemaßnahmen geplant. 854<br />
851 Vgl. SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China<br />
(vermutlich aus dem Jahr 1930), S. 12 f.<br />
852 Vgl. SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des<br />
Geschäftsberichtes der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai, S. 2 f.<br />
853 Vgl. SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des<br />
Geschäftsberichtes der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai, S. 6.<br />
854 Vgl. SAA 15/Lp 168: VA-Geschäftsbericht 1930/31 (Teil des Geschäftsberichtes der<br />
S.Ch.Co. 1930/31), Shanghai, S. 9 f. Für das gesamte Überseegeschäft vor der<br />
Weltwirtschaftskrise bestand zwischen den Umsätzen im AK-Geschäft und denen im<br />
Anlagengeschäft etwa ein Verhältnis von 1:1. Nach der Weltwirtschaftskrise änderte sich<br />
dies zugunsten des Anlagengeschäfts in ein 1:2-Verhältnis, worin sich die verstärkte<br />
Konkurrenz nationaler Industrien und gleichzeitig der Aufholbedarf von Siemens im<br />
Bereich von Normierung und Typisierung widerspiegelte. Vgl. SAA 8188: Siemens in<br />
Übersee. Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944, S. 31 f. und S. 44.<br />
Seite | 290
2.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und<br />
Geschäftsergebnisse<br />
Zwischen 1921/22 und 1926/27 war ein deutlicher Anstieg der Umsätze von<br />
circa 5,7 auf circa 14,4 Millionen RM zu verzeichnen. Die zunächst noch sehr<br />
niedrigen Werte der ersten Nachkriegsjahre sind auf die besonderen<br />
Schwierigkeiten dieser Zeit zurückzuführen.<br />
Die beachtlichen Umsatzsteigerungen während der folgenden Geschäftsjahre<br />
sind teilweise auf die gestiegene Nachfrage in China nach Industriegütern<br />
zurückzuführen, welche von einem allmählichen Aufbau der nationalen<br />
Industrie begleitet wurde. Darüber hinaus gelang es Siemens, trotz der<br />
problematischen Ausgangsposition schnell wieder Fuß zu fassen, indem ein<br />
rascher Wiederaufbau der Organisation erfolgte und zahlreiche Aufträge auf<br />
den verschiedenen Arbeitsgebieten des Konzerns eingeholt wurden.<br />
Die hohen Kosten des Wiederaufbaus der großen und weitverzweigten<br />
Organisation führten dazu, dass die Gewinne, mit Ausnahme des<br />
Geschäftsjahrs 1922/23, negativ ausfielen. Im Geschäftsjahr 1924/25<br />
schlugen die Verluste mit über 1 Million RM besonders zu Buche.<br />
Seite | 291
in Mark/RM<br />
16.000.000<br />
14.000.000<br />
12.000.000<br />
10.000.000<br />
8.000.000<br />
6.000.000<br />
4.000.000<br />
2.000.000<br />
-2.000.000<br />
-4.000.000<br />
Abbildung 52: Umsatz und Gewinn von Siemens in China von 1921 bis 1940<br />
Im Jahr 1927 wurde die S.Ch.Co. von der CVU in Berlin angewiesen, auf<br />
risikoreiche Anlagengeschäfte aufgrund der unsicheren politischen Lage zu<br />
verzichten und Einsparungen bei der Organisation vorzunehmen. Diese<br />
beiden Maßnahmen sowie Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und der<br />
unsicheren politischen Lage führten zu einer Halbierung des Umsatzes auf<br />
knapp 7 Millionen RM im Jahr 1932. Dabei konnten jedoch auch die Verluste<br />
erheblich gesenkt und dadurch im Geschäftsjahr 1931/32 ein neutrales<br />
Vertriebsergebnis erzielt werden.<br />
0<br />
1921/22<br />
1922/23<br />
1923/24<br />
1924/25<br />
1925/26<br />
1926/27<br />
1927/28<br />
1928/29<br />
1929/30<br />
1930/31<br />
1931/32<br />
1932/33<br />
1933/34<br />
1934/35<br />
1935/36<br />
1936/37<br />
1937/38<br />
1938/39<br />
1939/40<br />
Umsatz Gewinn<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach SAA 25/Lg 136<br />
Durch die mit der HAPRO im Zusammenhang stehenden Aufträge, durch die<br />
Unterstützung nationalsozialistischer Exportförderungsprogramme 855 sowie<br />
855 Die Subventionierung des deutschen Exports hatte aufgrund des Preisverfalls während der<br />
Weltwirtschaftskrise und der Notwendigkeit, Devisen zu beschaffen, bereits 1931<br />
begonnen und wurde unter den Nationalsozialisten fortgesetzt. Der Handel mit China war<br />
im Hinblick auf die nationalsozialistischen Aufrüstungspläne besonders interessant, da das<br />
Land über wichtige Rohstoffe wie Wolfram verfügte. Angesichts dieser Umstände wies<br />
Seite | 292
mehrere Großprojekte in der Mandschurei erhielt das Geschäft neue Impulse.<br />
Diese trugen dazu bei, dass der negative Trend bei den Umsätzen der<br />
S.Ch.Co. gestoppt werden konnte und zwischen 1934 und 1937 eine<br />
kurzzeitige Stabilisierung der Geschäftsergebnisse möglich war. Die Umsätze<br />
bewegten sich in diesem Zeitraum zwischen 7 und 10 Millionen RM. Dagegen<br />
lagen die Gewinne weiterhin bei „plus/minus Null“, was beweist, dass es auch<br />
in diesem Abschnitt gelang, die seit 1927 verordnete Kostendisziplin weiter<br />
einzuhalten.<br />
Die folgende Abbildung veranschaulicht, wie sich der Gesamtumsatz in China<br />
während der Geschäftsjahre 1932/33 bis 1937/38 auf die verschiedenen<br />
Konzernteile von Siemens respektive die in Vertretung für Fremdfirmen<br />
abgeschlossenen Kommissionsgeschäfte (Kategorie „Diverse“) verteilte.<br />
Abbildung 53: Umsatzanteile der Geschäftsbereiche am Gesamtumsatz der<br />
S.Ch.Co.<br />
Siemens Mitte der 30er Jahre das Wirtschaftsministerium eindringlich auf die<br />
Förderungswürdigkeit des China-Geschäftes hin. Vgl. SAA 25/Ls 675: Export nach China<br />
(Schreiben von SSW an das Reichswirtschaftsministerium), 6.8.1934, S. 1 ff.<br />
Seite | 293
Dabei wird deutlich, dass neben den SSW- und den S&H-Geschäften, auf die<br />
zusammen zwischen 30 und 60 Prozent des Gesamtumsatzes fielen, das<br />
Montangeschäft und diverse Kommissionsgeschäfte die entscheidenden<br />
Stützen des Umsatzes bildeten. Die Anteile von Osram, Telefunken und der<br />
Wassermesser-Vertriebsgesellschaft (W.V.G.) lagen dagegen überwiegend<br />
unter 5 Prozent.<br />
Im Geschäftsjahr 1938/39 setzte ein rapider Abwärtstrend bei den Umsätzen<br />
ein, der auf die Folgen des chinesisch-japanischen Kriegs beziehungsweise<br />
den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurückzuführen war.<br />
Seite | 294
IV. RESÜMEE<br />
Diese Arbeit verfolgte das Ziel, die Unternehmenstätigkeit von Siemens in<br />
Ostasien vor dem Hintergrund interner und externer Einflussfaktoren bis zum<br />
Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren und zu analysieren.<br />
Hierbei stellten sich folgende Forschungsfragen:<br />
Wie entwickelte sich die internationale Unternehmenstätigkeit von<br />
Siemens in Ostasien vom Markteintritt bis 1939?<br />
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gab es bei der<br />
Internationalisierung von Siemens in Japan und China?<br />
Für das Unternehmen Siemens, das bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mit<br />
dem erfolgreichen Auf- und Ausbau seines Auslandsgeschäfts begonnen<br />
hatte, war es eine logische Konsequenz, sich auch auf den zukunftsträchtigen<br />
und sich öffnenden Märkten in Ostasien zu engagieren. Dabei galt anfänglich<br />
vor allem der japanische Markt als aussichtsreich.<br />
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts trat Siemens mit Japan in Kontakt und<br />
wickelte vereinzelt Aufträge ab. Das erste von Siemens auf dem japanischen<br />
Markt eingeführte Produkt war ein Telegrafengerät, das die<br />
preußischeOstasien-Mission unter der Leitung von Graf Eulenburg als<br />
Gastgeschenk im Jahr 1861 mitführte. Anfang der 80er Jahre des 19. Jahr-<br />
hunderts verstärkte sich bei Siemens das Interesse am Ausbau seines<br />
Japangeschäfts. Infolgedessen schloss Siemens 1886 einen Vertrag mit dem<br />
Handelshaus Rohde und entsandte Hermann Keßler als<br />
Verbindungsingenieur nach Japan.<br />
Nachdem es mit dem Handelshaus zu Unstimmigkeiten gekommen war,<br />
errichtete Siemens zu Beginn des Jahres 1893 mit der „Siemens&Halske<br />
Berlin Japan-Agency“ ein eigenes Vertriebsbüro in Tokio unter der Leitung<br />
Hermann Keßlers. Der Beginn der Geschäftstätigkeiten entwickelte sich<br />
allerdings schleppend. Es konnten anfangs nur sehr geringe Umsätze erzielt<br />
Seite | 295
werden und der Aufbau von Geschäftsbeziehungen in Japan erwies sich als<br />
zeitintensiver als geplant. Dennoch gelang es der Japan-Agency ihr Geschäft<br />
vor allem nach dem chinesisch-japanischen Krieg auszuweiten. Eine<br />
Voraussetzung hierfür war, dass aus Rücksicht auf die zunehmenden<br />
protektionistischen Bestrebungen der Behörden die Japan-Agency im Jahr<br />
1905 in eine Tochtergesellschaft nach japanischem Recht umgewandelt<br />
wurde. Das Filialnetz wurde vor allem in Westjapan ausgebaut. Dabei<br />
entwickelte sich die Niederlassung in Osaka mit einer Werkstatt in Kobe, die<br />
auch kleine Fertigungsarbeiten ausführte, neben dem Büro in Tokio zum<br />
zweiten Knotenpunkt im japanischen Vertriebsnetz. Bedingt durch den<br />
Ausbau der Standorte und der Werkstatt wuchs der Personalbestand ständig<br />
und Siemens beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg 270 Mitarbeiter in Japan.<br />
Eine geplante Produktion in Kooperation mit dem Zaibatsu Sumitomo<br />
scheiterte an den Folgen des Marineskandals. Während des Ersten<br />
Weltkriegs war die Ausübung der Geschäftstätigkeit durch Einberufungen,<br />
Lieferprobleme sowie fehlende Aufträge praktisch unmöglich. Alle Büros und<br />
die Werkstatt in Kobe wurden geschlossen, ein Großteil des Personals<br />
entlassen und das Firmenkapital nach Deutschland transferiert.<br />
Nach Kriegsende nahm Siemens seine Tätigkeit in Japan erneut auf und die<br />
SSDKK eröffnete Anfang der 1920er Jahre wieder Büros in Osaka und Tokio.<br />
Allerdings hatten sich die Rahmenbedingungen während des Kriegs<br />
grundlegend geändert. Auch hatten sich die japanischen Elektrohersteller wie<br />
Hitachi, Mitsubishi und Shibaura in Folge der Unterbrechung der<br />
Maschinenimporte aus dem Westen zu ernsthaften Konkurrenten<br />
weiterentwickelt. Zudem erschwerten hohe Zölle und die Bevorzugung<br />
japanischer Unternehmen bei Staatsaufträgen das Siemensgeschäft. Daher<br />
war Siemens von der Notwendigkeit einer eigenen Produktion in Japan<br />
überzeugt und führte umfangreiche Kooperationsverhandlungen mit<br />
Furukawa, Mitsubishi und der japanischen Marine.<br />
Nach schwierigen Verhandlungen in Deutschland und Japan wurde<br />
schließlich zusammen mit Furukawa das Gemeinschaftsunternehmen „Fusi<br />
Denki Seizo Kabushiki Kaisha“ gegründet, an dem Siemens mit 30 Prozent<br />
Seite | 296
eteiligt war. Die neue Gesellschaft übernahm einen Großteil des Geschäfts<br />
der weiterhin bestehenden SSDKK.<br />
Abbildung 54: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K.<br />
In Kawasaki entstand eine Fabrik, die nach einer Bauverzögerung infolge<br />
eines schweren Erdbebens im Jahr 1925 den Betrieb aufnahm. Hohe<br />
Anlaufkosten, eine unzureichende Finanzierung sowie ein scharfer<br />
Wettbewerb führten 1927 zu einer drohenden Insolvenz, die erst durch<br />
finanzielle Hilfe von Siemens verhindert werden konnte. Die prekäre Lage<br />
wurde durch die Weltwirtschaftskrise noch verschlimmert. Der Fusi gelang es<br />
jedoch die Krise durch Restrukturierungsmaßnahmen, die Erschließung neuer<br />
Geschäftsfelder, einer zunehmenden Kartellierung des japanischen<br />
Elektromarktes, sowie die Kriegskonjunktur zwischen 1932 und 1939 ihren<br />
Umsatz zu verzehnfachen. Parallel wurden die Fabrikation und das<br />
Vertriebsnetz ausgebaut. Insgesamt war die internationale Unternehmens-<br />
tätigkeit von Siemens in Japan nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich.<br />
Seite | 297
Neben Japan war China der zweite wichtige Ländermarkt. Mit einem<br />
Vertretungsvertrag mit dem Handelshaus Carlowitz begann die systematische<br />
Erschließung des chinesischen Markts im Jahr 1879. Nach kleinen<br />
anfänglichen Erfolgen wurden in den folgenden Jahren jedoch nur wenige<br />
elektrotechnische Erzeugnisse von Carlowitz nach China exportiert. Im Jahr<br />
1895 übernahm daher das Handelshaus Mandl auf Kommissionsbasis die<br />
Generalagentur von Siemens für China. Das mit den Eigenheiten des<br />
Chinageschäfts gut vertraute Handelshaus bearbeitete für Siemens in den<br />
folgenden Jahren verschiedene Projekte und wurde mit der Unterstützung in<br />
Japan stationierter Siemens-Ingenieure auch im Unternehmergeschäft aktiv.<br />
So wurde im Rahmen der Erstellung des ersten größeren Kraftwerks in China<br />
die Chinesische Elektrizitätsgesellschaft (CEG) mit einem Stammkapital von<br />
300.000 Mark gegründet. Nachdem das Kraftwerk allerdings während des<br />
Boxeraufstands zerstört worden war, wurde die CEG abgewickelt. Im Jahr<br />
1904 wurde eine neue Kooperationsvereinbarung mit dem Handelshaus<br />
Mandl vereinbart und eine „Interessensgemeinschaft für das elektrische<br />
Geschäft“ in China gegründet. Dabei stellte Siemens das technische<br />
Personal, während Mandl in Shanghai für Räume und kaufmännische<br />
Mitarbeiter sorgte. Infolge der Übernahme von Mandls durch Carlowitz<br />
wechselte im Jahr 1906 der kaufmännischen Partner. Aufgrund<br />
unterschiedlicher Auffassungen über die Geschäftspolitik beendete Siemens<br />
daher im September 1908 die Zusammenarbeit.<br />
Nach der Trennung von Carlowitz 1908 führte der Ingenieur Hermann Meyer<br />
die Geschäfte eigenständig weiter. Das Geschäft entwickelte sich allerdings<br />
schlecht, da ohne den Komprador von Carlowitz der Mittelsmann zu den<br />
chinesischen Behörden fehlte.<br />
Dennoch war das Stammhaus von den Zukunftsperspektiven des Markts<br />
überzeugt und verfolgte eine expansive Markterschließung. Daher wurde<br />
1910 die Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH mit einem<br />
Startkapital von 500.000 Mark gegründet, Führungspersonal eingestellt und<br />
Seite | 298
ein Komprador von Carlowitz abgeworben. Die bestehenden Standorte in<br />
Shanghai, Tsingtau, Tientsin und Hankow wurden ausgebaut und neue Büros<br />
gegründet. Der Erfolg der jungen Gesellschaft wuchs aufgrund der<br />
eingeleiteten Maßnahmen. Trotz der Revolution von 1911 im Land<br />
verbesserte sich die Auftragslage merklich. Keßler, Leiter der CVU, kam bei<br />
einer Inspektionsreise in Ostasien 1913 für China zu einem positiven<br />
Ergebnis. Der Erste Weltkrieg bedeutete eine Zäsur für das Chinageschäft.<br />
Das Geschäft wurde zunehmend schwieriger und kam nach der<br />
Kriegserklärung Chinas 1917 an Deutschland gänzlich zum Erliegen.<br />
Die Geschäftslage blieb für Siemens in den Jahren unmittelbar nach dem<br />
Ersten Weltkrieg sehr angespannt. Nachdem die unmittelbaren<br />
Nachkriegsschwierigkeiten überwunden waren, erfolgte Anfang der 1920er<br />
Jahre ein zügiger Wiederaufbau der Geschäftstätigkeit. Zur Lösung der<br />
finanziellen Probleme und um einen besseren Marktzugang zu erhalten,<br />
wurde die S.Ch.Co. – bis dato eine GmbH der SSW mit Sitz in Berlin – im<br />
Jahr 1921 in eine Gesellschaft chinesischen Rechts (Limited Liability<br />
Company) mit Sitz in Shanghai umgewandelt. Es erfolgte ein zügiger<br />
Wiederaufbau der Organisation. Im Zentrum stand dabei das Hauptbüro in<br />
Shanghai. Der Aufbau einer eigenen Produktion, für die mit der Tseng Hua<br />
Electrical Manufacturing Company im Jahr 1921 bereits eine eigene<br />
Gesellschaft gegründet worden war, wurde aufgrund der unsicheren<br />
politischen Verhältnisse nicht realisiert. Aus dem gleichen Grund wurde die<br />
S.Ch.Co. im Jahr 1927 von der CVU in Berlin angewiesen, auf risikoreiche<br />
Anlagengeschäfte zu verzichten und Einsparungen bei der Organisation<br />
vorzunehmen. Diese Maßnahmen, sowie die Auswirkungen der<br />
Weltwirtschaftskrise führten zu einem massiven Umsatzeinbruch.<br />
Durch Aufträge für die Handelsgesellschaft für industrielle Produkte sowie<br />
mehrere Großprojekte in der Mandschurei erhielt das Geschäft kurzfristig<br />
neue Impulse. In Folge des chinesisch-japanischen Kriegs und des folgenden<br />
Bürgerkriegs kam das Geschäft ab 1938/39 gänzlich zum Erliegen.<br />
Seite | 299
Der Vergleich des Markteintritts und der -bearbeitung in Japan und in China<br />
ergibt eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten und nur wenige Unterschiede.<br />
Abbildung 55: Gemeinsamkeiten der Unternehmenstätigkeit in China und<br />
Japan<br />
Im folgenden Teil werden die Parallelen in den beiden ostasiatischen Ländern<br />
betrachtet.<br />
Sowohl in Japan als auch in China begann Siemens seine strukturierte<br />
Markterschließung bereits in den 1880er Jahren. Ausschlaggebend hierfür<br />
waren die Überwindung der Löfflerkrise und die einsetzende politische und<br />
wirtschaftliche Öffnung der Märkte. Darüber hinaus wählten die<br />
Verantwortlichen sowohl in Japan als auch in China meist renommierte<br />
Handelshäuser, die kaufmännisch über Spezialerfahrung und Kontakte im<br />
Überseegeschäft verfügten und bereits andere technische Artikel exportierten.<br />
Im nächsten Schritt entsandte Siemens zur technischen Unterstützung einen<br />
Verbindungsingenieur, wobei das für China zuständige Handelshaus bis 1904<br />
Seite | 300
von in Japan stationierten Ingenieuren betreut wurde. In beiden Ländern<br />
traten in der Folgezeit Konflikte zwischen dem Verbindungsingenieur und den<br />
Handelshäusern auf, die häufig Konkurrenzprodukte vertreiben wollten.<br />
Abbildung 56: Standorte von Siemens in Ostasien 1937<br />
Angesichts dieser Probleme gründete Siemens sowohl in Japan (1892) als<br />
auch in China (1908) eigene Tochtergesellschaften. In beiden Ländern<br />
wurden diese durch SSW geschaffen und mit Vertretungsrechten von S&H<br />
ausgestattet. Die Büros vertraten darüber hinaus auch andere Siemens-<br />
Firmen wie Telefunken und Siemens Brothers.<br />
Im Zentrum des Vertriebsnetzes von Siemens in Ostasien standen die Büros,<br />
die vor allem im weiträumigen China durch Handelshäuser und Agenturen<br />
unterstützt wurden. Die Aufbauorganisation der Büros in Asien glich bis zum<br />
Zweiten Weltkrieg dem der Verkaufsstellen in Deutschland und war nach dem<br />
Divisionsprinzip gegliedert. So gab es innerhalb der asiatischen Büros<br />
Seite | 301
typischerweise die beiden Hauptgruppen SSW und S&H. Charakteristisch für<br />
die Hauptgruppe SSW war dabei eine Aufteilung in eine technische Abteilung<br />
– häufig mit einer kleinen Werkstatt oder Montage – und eine<br />
Verkaufsabteilung für Kleinfabrikate mit einer Installationsabteilung. Die<br />
Starkstromabteilung übernahm die Projektierung und Durchführung aller<br />
großen Anlagenprojekte. Zur Starkstromabteilung gehörte darüber hinaus<br />
häufig auch eine Bauabteilung. Die Verkaufsabteilungen organisierten den<br />
Vertrieb kleiner bis mittelgroßer Produkte, die zum Bereich der SSW<br />
gehörten. Bei diesen Produkten, die in Deutschland bestellt und in Ostasien<br />
auf Lager gehalten werden konnten, handelte es sich unter anderen um<br />
Pumpen, Motoren, Installationsmaterial (Stecker und Schalter), Lampen und<br />
Protos-Haushaltsgeräte.<br />
Die Schwachstromabteilung der asiatischen Niederlassungen/Fusi<br />
organisierte in China und Japan unter anderem den Absatz von Telefonen,<br />
Medizintechnik sowie von Wassermessern. Das Kerngeschäft bestand jedoch<br />
im Vertrieb von Telefonämtern respektive Fernsprechanlagen. Daneben<br />
existierten verschiedene andere Spezialabteilungen für Produktbereiche, wie<br />
etwa Telefunken oder das Fremdgeschäft. Diese waren häufig auch an die<br />
Schwachstromgruppe angeschlossen. Des Weiteren besaßen die Stützpunkte<br />
in Ostasien eine kaufmännische Abteilung, in der vorwiegend das<br />
Rechnungswesen und die Registratur, aber auch Verschiffung und Verzollung<br />
abgewickelt wurden.<br />
Üblicherweise setzte sich die Leitung der Büros aus mindestens einem<br />
Ingenieur und einem Kaufmann zusammen, in den größeren chinesischen<br />
Geschäftsstellen war auch meist ein Komprador im Bürovorstand. Dabei<br />
wurden an das Management des Ostasiengeschäfts hohe Ansprüche gestellt.<br />
Die CVU legte Wert darauf, dass es sich bei den „ersten Siemens-<br />
Repräsentanten“ um Persönlichkeiten handelte, die sich überall Achtung und<br />
Anerkennung verschaffen konnten. Außerdem sollten sie im Stande sein,<br />
Zutritt zu höchsten Staatsstellen zu erhalten und sich ihr Vertrauen zu<br />
erwerben. Neben dem fachlichen Know-how wurde vor allem darauf geachtet,<br />
dass sich der Betreffende in die fremde Kultur einfügen konnte. Dabei ist<br />
Seite | 302
Hermann Keßler hervorzuheben, der die prägendste Figur im<br />
Ostasiengeschäft war. Während seines über 20 Jahre dauernden Aufenthalts<br />
baute er das Siemens-Geschäft in der Region auf. Nach seiner Rückkehr war<br />
er in Berlin für die Koordinierung des Geschäfts zuständig. Bei maßgeblichen<br />
Verhandlungen, wie etwa bei der Kooperation mit Furukawa, war er auch<br />
nach seiner Rückkehr persönlich federführend. Für China sind als<br />
herausragende Persönlichkeiten vor allem die Kompradoren Pao und Kwan<br />
sowie John Rabe, der aufgrund seinen persönlichen Einsatzes in Nanking ein<br />
hohes Maß an Achtung in China genoss, zu nennen. Eine besondere Rolle<br />
bei der Anbahnung von Kontakten zu Auftraggebern spielten auch<br />
einflussreiche Persönlichkeiten wie Aoki oder Yoshimura in Japan. In China<br />
erfüllten diese Funktion hauptsächlich die Kompradoren, die Siemens den<br />
Zugang zu den chinesischen Behörden und den Geschäftskunden<br />
ermöglichten.<br />
Die nächste Führungsebene, die Leitung der einzelnen Abteilungen, wurde<br />
zumeist von europäischen Mitarbeitern besetzt. Unter den zahlreichen<br />
Ingenieuren, Dolmetschern, Zeichnern und Buchhaltern befanden sich sowohl<br />
Europäer als auch Asiaten. Insbesondere in der Zwischenkriegszeit nahm der<br />
Anteil der Asiaten an den höherqualifizierten Aufgaben zu. So erhielt eine<br />
ganze Reihe junger Ostasiaten – in der Regel um gut ausgebildete Ingenieure<br />
– die Möglichkeit, als sogenannte Informanten eine praktische Weiterbildung<br />
in den Berliner Werken zu absolvieren. Einfachere Aufgaben wie Lager- und<br />
Werkstattarbeiten, Chauffeur- und Hausdienste, Transporte und Ähnliches<br />
lagen aus Kostengründen beinahe ausschließlich in asiatischer Hand.<br />
Der Schlüssel für den reibungslosen Ablauf in den Niederlassungen in<br />
Ostasien war die Kommunikation zwischen den Hauptbüros und der Berliner<br />
Zentrale. Zur Überbrückung diente in beiden Ländern ein intensiver<br />
Schriftverkehr, der im Bedarfsfall durch verschlüsselte, telegrafische, häufig<br />
codierte Anweisungen beschleunigt werden konnte. Die ostasiatischen Büros<br />
und ihre einzelnen Abteilungen verfassten ausführliche Jahresberichte und<br />
Bilanzen, die neben der Unternehmenstätigkeit auch die politische und<br />
wirtschaftliche Lage analysierten. Hinzu kamen regelmäßige Berichte über die<br />
Seite | 303
Geschäftslage in den verschiedenen Büros und Regionen. Für eine enge,<br />
auch persönliche Verknüpfung zwischen dem Stammhaus und den<br />
Niederlassungen in Ostasien war eine intensive Reisetätigkeit notwendig.<br />
Neben den vor Ort stationierten Mitarbeitern, die in der Regel alle zwei bis<br />
drei Jahre nach Berlin reisten, besuchten auch mehrere Vorstandsmitglieder<br />
Ostasien. Neben der Inspektion unterstützten sie meist konkrete<br />
Kooperationsverhandlungen.<br />
Siemens arbeitete im gesamten ostasiatischen Raum eng mit der<br />
Reichsregierung zusammen. So unterstützte Siemens den Ausbau von<br />
Tsingtau und erwarb auch Anteile an verschiedenen Kolonialgesellschaften.<br />
Diese Geschäfte erwiesen sich in der Regel als Verlustgeschäfte, allerdings<br />
erhielten die Landesgesellschaften auch Unterstützung in verschiedenen<br />
Bereichen. Beispielsweise unterstützte die Reichsregierung Siemens bei den<br />
Verhandlungen über eine Entschädigung für das beim Boxeraufstand<br />
zerstörte Kraftwerk der Chinesischen Elektrizitätsgesellschaft. Auch bei der<br />
Marine-Affäre in Japan intervenierte die Reichsregierung zugunsten von<br />
Siemens. Ferner förderte sie den Abbau von Außenhandelsbeschränkungen.<br />
Hierzu zählt etwa die Revision des deutsch-japanischen Handelsvertrags. In<br />
Asien unterstützten die Vertretungen des Auswärtigen Amtes die<br />
Geschäftstätigkeit von Siemens vor Ort. Sie stellten im Rahmen der<br />
Auftragsgewinnung Verbindungen zu asiatischen Behörden her, insbesondere<br />
bei Aufträgen von Heer und Marine.<br />
Siemens war dabei sowohl in Japan als auch in China auf folgenden sechs<br />
Geschäftsfeldern tätig:<br />
Seite | 304
Abbildung 57: Geschäftsfelder von Siemens in Ostasien<br />
Die beiden wichtigsten Geschäftsfelder waren der Bau von Kraftwerken<br />
respektive die Lieferung von Kraftwerksausrüstung und die<br />
Kommunikationstechnik (hier vor allem das Telefongeschäft). Dabei lieferte<br />
Siemens hauptsächlich an vier Kundengruppen. Neben asiatischen Behörden<br />
und Privatkunden waren vor allem multinationale, in Ostasien tätige<br />
Unternehmen sowie ausländische Behörden und Vertretungen die<br />
Auftraggeber.<br />
Im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit war Siemens sowohl in Japan als auch<br />
in China fast im gesamten Untersuchungszeitraum auf finanzielle<br />
Unterstützung durch das Stammhaus angewiesen. So konnte beispielsweise<br />
die Fusi Ende der 1920er nur aufgrund großer finanzieller Hilfen von Siemens<br />
Berlin vor der Insolvenz gerettet werden. Im operativen Bereich arbeitete<br />
Siemens eng mit deutschen und ausländischen Bankhäusern zusammen, die<br />
die Finanzierung, das Währungsmanagement, die Anleiheemission und den<br />
Zahlungsverkehr abwickelten. Die wichtigsten waren die Yokohama Specie<br />
Bank, die Deutsch-Asiatische Bank sowie die Hongkong Shanghai Banking<br />
Corporation (HSBC). Dabei nahm vor allem die Deutsche Bank häufig sehr<br />
direkten und auch detaillierten Einfluss auf das Geschäft in Japan und China.<br />
Dies wurde vor allem während der Phase des Unternehmergeschäfts um die<br />
Jahrhundertwende deutlich, in der zahlreiche Investitions- und<br />
Seite | 305
Finanzierungspläne geprüft wurden. Dabei war das Bankhaus sehr vorsichtig,<br />
und stoppte in den meisten Fällen die Expansionspläne des Unternehmens.<br />
Insgesamt lässt sich darüber hinaus für beide Länder feststellen, dass<br />
Siemens bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Ostasien im Vergleich<br />
zur Gesamtunternehmensentwicklung keine großen Gewinne erzielt hat.<br />
Abbildung 58: Unterschiede der Unternehmenstätigkeit in China und Japan<br />
Neben der großen Zahl von Gemeinsamkeiten in der Marktbearbeitung von<br />
Siemens in Japan und China lassen sich aber auch einige Unterschiede<br />
feststellen.<br />
So wurde bei Siemens bereits vor dem Ersten Weltkrieg über den Aufbau<br />
einer eigenen Produktion in Ostasien nachgedacht. Allerdings kam es<br />
lediglich in Japan zum Bau verschiedener Fabriken, während in China nur<br />
größere Werkstätten entstanden. Im Jahr 1925 nahm die Fabrik in Kawasaki<br />
die Produktion starkstromtechnischer Komponenten auf. Anfang der 30er<br />
Jahre wurde diese um eine Schwachstromfabrik erweitert (Fusi Tsushinki).<br />
Seite | 306
Ferner wurde Mitte der 1930er in Kooperation mit der Goto Fuundo eine<br />
kleinere Fabrik zur Herstellung medizinischer Apparate gegründet.<br />
Während in Japan die Verhandlungen zum Unternehmergeschäft großen<br />
Raum einnahmen, jedoch ohne Ergebnis, führten die Verhandlungen in China<br />
zu konkreten Resultaten. Hierzu zählt etwa die Gründung der Chinesischen<br />
Elektrizitätsgesellschaft. Darüber hinaus verfügte Siemens in China – bedingt<br />
durch die räumlichen Verhältnisse des Landes – über ein wesentlich weiter<br />
ausgedehntes Agenturnetz als in Japan, während dem Aufbau eigener Büros<br />
eine geringere Bedeutung zukam. Schließlich gelang es Siemens, in der<br />
Zwischenkriegszeit ohne Partnerunternehmen eine Geschäftstätigkeit zu<br />
etablieren, während dies in Japan nur mit Hilfe lokaler Kooperationspartner<br />
möglich war.<br />
Heute ist Siemens mit 75.000 Mitarbeitern eines der größten und<br />
erfolgreichsten deutschen Unternehmen in der Region Ostasien und kann auf<br />
fast 150 Jahre Asienerfahrung zurückblicken. Der frühe Markteintritt in ein<br />
Kulturgebiet, das sich durch eine starke Langfristorientierung auszeichnet,<br />
erwies sich für Siemens dabei als großer Wettbewerbsvorteil. Trotz der<br />
Vielzahl von Rückschlägen in den ersten Jahrzehnten gelang es dadurch, den<br />
Grundstein zu legen, auf dem die sehr positive Geschäftsentwicklung des<br />
Unternehmens nach dem Zweiten Weltkrieg basierte.<br />
Seite | 307
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS<br />
Seite | XII
Archivquellen<br />
Deutsche Bank Archiv, Frankfurt am Main<br />
HDtB S 490: Bericht von Keßler über das Tokio-Straßenbahnprojekt, 16. April 1901.<br />
HDtB S 490: Schreiben DtB an S&H, AbtB, 16. September 1899.<br />
HDtB S 490: Schreiben Fischer an S&H, Elektrische Straßenbahn in Tokio, 12. September<br />
1898.<br />
Siemens Med Archiv, <strong>Erlangen</strong><br />
SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen RGS und Goto Fuundo, 1. Januar 1924.<br />
SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Phönix AG und Goto Fuundo, 20. Februar 1924.<br />
SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Veifa und Goto Fuundo, 1. Januar 1925.<br />
SMA 7610 3-3-06,Vertrag zwischen Fusi und Goto Fuundo, 1. Mai 1926.<br />
SMA 7610 3-3-06: Vertrag Fusi mit SRV, 1. Mai 1927.<br />
SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Goto Fuundo und Siemens-Reiniger-Veifer<br />
Gesellschaft, 30. Juni 1932.<br />
SMA 7610 3-3-06: Aktennotiz Gegenwärtiger Stand des SRW-Geschäfts in Japan, Berlin<br />
4. Januar 1939.<br />
Siemens Corporate Archives, München<br />
SAA 1179: Bilanzen der SSDKK. Geschäftsbericht für die Geschäftsjahre 1920/21 bis<br />
1922/23.<br />
SAA 5251: S&H Centralstelle an Mandl, Vertrag über die Centrale in Peking, 5. Juli<br />
1898.<br />
SAA 5251-1: Mandl an S&H Berlin, Entgegennahme des Gesellschaftervertrages, 23.<br />
Juni 1898.<br />
SAA 5251-1: Aktennotiz zwischen Lieder und Bauer in Tientsin, 29. Oktober 1898.<br />
SAA 5251-2: Bericht über das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-<br />
Gesellschaft, Berlin 1900.<br />
SAA 5251-2: Bericht über das zweite Geschäftsjahr der CEG, Berlin 1901.<br />
SAA 5251-2: zweiter und dritter Geschäftsbericht, Berlin 1901 und Berlin 1902.<br />
SAA 5251-2: Auszug aus dem Protokoll der Direktoriumssitzung , 19.02.1902.<br />
SAA 5264: Protokoll über die Gründung eines Syndikats, Berlin 12. Februar 1898.<br />
Seite | XIII
SAA 5264: DB Berlin an S&H Berlin, Vertr. Bericht über Studienunternehmungen in<br />
Shandong, 16. Februar 1898.<br />
SAA 5264: S&H Berlin an DB Berlin, Betr. Studienunternehmung in Schantung, 18.<br />
Februar 1898.<br />
SAA 5264: DB Berlin an S&H Berlin, Übersendung des Protokolls, 19. Februar 1898.<br />
SAA 5264: Auszug aus 35. Direktoriumssitzung , 13. Januar 1899.<br />
SAA 5264: S&H Berlin an DB, Konstituierende Sitzung der Schantung-Eisenbahn-<br />
Gesellschaft, 10. Juni 1899.<br />
SAA 5264: S&H Berlin an S.Brothers London, Straßenbahn Shanghai.<br />
SAA 5968-2: Verwendung des Firmennamens (Schreiben von S.Ch.Co. an Unterbüro in<br />
Hankow mit Kopie an weitere Büros und CVU), 24.9.1921.<br />
SAA 6046: Bilanz der SSDKK 1932.<br />
SAA 6320: Diverse Briefwechsel zwischen EAG vormals Schuckert&Co. & Handelshaus<br />
Schultz, 1899–1902.<br />
SAA 6640: Diverse Schriftwechsel von Schuckert.<br />
SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von 1929<br />
bis 1938.<br />
SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan.<br />
SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />
SAA 8088: Aktennotiz über die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan vom Mai 1966.<br />
SAA 8150: Länder-Statistiken (Unterlagen der AU).<br />
SAA 8155: SSDKK-Bilanzen 1933–1941.<br />
SAA 8155: Vertrauliches Schreiben zum Fusi Vertrag, 7. August 1951.<br />
SAA 8185: „Für Siemens eine Reise um die Erde“ (Vortrag von Reyss, vermutlich 1925).<br />
SAA 8188: Siemens in Übersee. Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944.<br />
SAA 8188: Bericht Eitel, Historische Entwicklung des Überseegeschäftes.<br />
SAA 9374: General Meeting for the Organisation of Fusi Seizo K.K., 22. August 1923.<br />
SAA 9376: Schreiben der CVU an SSDKK vom 14. August 1923.<br />
SAA 9376: Rundschreiben der CVU betr. Japan vom 3. November 1923.<br />
SAA 9376: Abschrift des Vertrages zur Übertragung der gezeichneten Aktien von Franke<br />
und Keßler an die SSW und S&H vom 15. Oktober 1923.<br />
SAA 9376: Besprechung mit der Fusi vom 19. bis 22. November 1924.<br />
SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />
1924.<br />
Seite | XIV
SAA 9376: Bindungen in der japanischen Elektroindustrie, Stand Januar 1938.<br />
SAA 9376: Übersicht Japan Verträge vom 4. März 1938.<br />
SAA 9376: Fusi Vertrag mit Ergänzungen geschrieben 1940.<br />
SAA 9376: Abschriften der Vollmacht von Keßler an Kieffer und der Vollmacht von<br />
Franke an Mohr.<br />
SAA 9376: Fusi Vertrag.<br />
SAA 9376: Satzung der Fusi.<br />
SAA 9376: Übersicht Beteiligungen der Fusi.<br />
SAA 9376: Übersicht Ergebnisse Fusi.<br />
SAA 9376: Übersicht Japan Verträge.<br />
SAA 9376: Übersichten Fusi, Aktienkapital.<br />
SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki Aktienkapital.<br />
SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki.<br />
SAA 9376: Zeichnungsprospekt für Fusi Aktie.<br />
SAA 9376: Zeichnungsprospekt.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1921/37.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1925.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1926.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1926/31.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1928.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1939.<br />
SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />
Chronik Jahr 1943.<br />
SAA 9411: The Japanese Adviser, 18. März 1914.<br />
SAA 9411: The Japan Daily Herald, 18. März 1914.<br />
SAA 9411: The Japanese Times, 17. April 1914.<br />
SAA 9411: The Japanese Times, 26. April 1914.<br />
SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom 3.<br />
September 1921.<br />
Seite | XV
SAA 9482: Aktennotiz über eine Besprechung mit der Telefunken vom 28. Februar 1922.<br />
SAA 9482: Internes Schreiben der CVU zur Fusi Gründung vom 23. November 1923.<br />
SAA 9482: Internes Rundschreiben der CVU vom 1. März 1925.<br />
SAA 9736: Übersicht Japan Verträge.<br />
SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />
24.6.1984.<br />
SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre.<br />
SAA 10108: Geschäftsbericht der SSDKK für die Geschäftsjahre 1920/21 bis 1922/23.<br />
SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom 20.<br />
November 1922.<br />
SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September 1939.<br />
SAA 10619: Bericht über Telefunkenaktivität in China, o. O., 1944.<br />
SAA 10619: Telefunken in China, April 1944.<br />
SAA 10738: Bericht Karl Mosig: Aus dem Elektro-Ausbau Chinas. S.Z. 1927 Heft 10, S.<br />
662–668.<br />
SAA 10738: Unterlagenmappe SSW-Projekte in China (von Karl Mosig), April 1943, Blatt<br />
25.<br />
SAA 10738: Bericht „100 Jahre Siemens“, Betätigung in Übersee, 1943/44.<br />
SAA 10738: Berichtsbogen über das Wasserkraftwerk Yünannfu, 1944.<br />
SAA 10793-1: Gutachten zum Western Vertrag von 1926.<br />
SAA 10793-1: Rechtsgutachten zu den Western-Verträgen.<br />
SAA 10845-1: Betätigung der Siemens-Bauunion in China (Protokoll einer Besprechung<br />
in Berlin), Berlin 23.10.1925.<br />
SAA 10848-3: Schreiben der SSDKK an CVU vom 20. Februar 1937.<br />
SAA 10848-3: Monatliche Unkosten Dairen, Anlage zum Schreiben der SSDKK an CVU<br />
vom 20. Februar 1937.<br />
SAA 10848-3: Schreiben der CVU an Fusi vom 10. Mai 1938.<br />
SAA 10850: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von<br />
S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 3.1.1922.<br />
SAA 10850: Auflösung des Vertrages mit Tseng Hua Electric Manufacturing Co. of<br />
China, Berlin 9.9.1930.<br />
SAA 12013: Vollmachtserteilung für Eicke und Schulz zur Unterzeichnung des Vertrags<br />
für die Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von S&H an die chinesische Botschaft in<br />
Seite | XVI
Berlin), 22.7.1937.<br />
SAA 12013: Bemerkungen zum Vertrag für die Telefonfabrik in Changsha (Schreiben<br />
von S&H an die National Resources Commission), Nanking 1.8.1937.<br />
SAA 12013: Kündigung des Vertrages der Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von<br />
S&H an die National Resources Commission), 5.11.1948.<br />
SAA 13082: Notarieller Vertrag über Änderungen bei der S.Ch.Co., 19.6.1925.<br />
SAA 13087: Vertrag zwischen dem Schutzgebiet Kiautschou und den Siemens<br />
Schuckertwerken und der AEG für den Bau eines Kraftwerkes, 17. November 1903.<br />
SAA 15686: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989.<br />
SAA 15686: Forschner, Dirk: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989.<br />
SAA 16091: History of Siemens Medical Activities in Japan.<br />
SAA 16486: Mutz, Internationalisierung.<br />
SAA 19567: Bericht von Reyss, Das Zustandekommen des Fusi Vertrages vom 29.<br />
Januar 1946.<br />
SAA 20872: China Erinnerungen Probst, August 1986.<br />
SAA 20872: Siemens-Kraftanlagen in China.<br />
SAA 4/Lf 802: SSW-Organisation in China, Berlin 23.8.1929.<br />
SAA 11/Lf 287: Nachlass Köttgen.<br />
SAA 11/Lf 480: Aktennotiz über die Besprechung mit dem japanischen Marineattache vom 26.<br />
August 1920, Protokoll vom 28. August 1920.<br />
SAA 11/Lf 480: Schreiben von Yoshimura an C.F. von Siemens vom 21. Dezember 1921.<br />
SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921.<br />
SAA 11/Lf 480: Schreiben der Western Electric an S&H vom 25. Januar 1922.<br />
SAA 11/Lf 499: Vertrag zwischen Tseng Hua und S.Ch.Co., Peking 14.5.1921.<br />
SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai 1934.<br />
SAA 11/Lg 498: Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25. Januar<br />
1937.<br />
SAA 11/Lm 167: Kontoeröffnung für HAPRO-Geschäfte (Aktennotiz), Berlin 17.7.1935.<br />
SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit Kraney (Aktennotiz der AU 2),<br />
Berlin 18.7.1935.<br />
SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit von Seeckt über die Zukunft der<br />
HAPRO-Geschäfte (Geheime Aktennotiz), Berlin 20.1.1936.<br />
SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in China.<br />
Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten, Nanjing 1935.<br />
Seite | XVII
SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht<br />
von 1952.<br />
SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung des Überseegeschäftes des<br />
Hauses Siemens und seine Organisation.<br />
SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die Vorgänge in<br />
der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-Organisation während des<br />
Kriegs, Berlin 12.8.1919.<br />
SAA 12/Lm 910a I: Mosig, Karl, Die erste Hochspannungs-Fernübertragungsanlage Chinas;<br />
in: Siemens-Zeitschrift, 4/1925, S. 149–153.<br />
SAA 13/Lc 332: CVU an Meyer, 4. Januar 1901.<br />
SAA 13/Lc 332: Schreiben CVU (Keßler) an TBS (Meyer), Berlin 16. März 1910.<br />
SAA 13/Lc 332: T.B. Shanghai an Siemens Berlin, 1. Dezember 1914.<br />
SAA 13/Lc 332: Rabe: Notizen für die 100-Jahr-Feier, Schreibmaschinenskript, 22. Dezember<br />
1943.<br />
SAA 13/Lc 518: Erläuterung Keßler (von Keßler) zum jap. Marine Prozess, o. D.<br />
SAA 13/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn, 4. Juni<br />
1919.<br />
SAA 15/La 56: Reisebericht von Keßler, 30. Juni 1913.<br />
SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz 1915/1916.<br />
SAA 15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922.<br />
SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926.<br />
SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai 1915, Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht für alle<br />
Büros der Siemens China Co.<br />
SAA 15/Le 503: Diverse Reiseberichte von Keßler, 1913.<br />
SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China (vermutlich aus<br />
dem Jahr 1930).<br />
SAA 15/Ln 376: Referat von Keßler über das japanische Geschäft, 18. August 1913.<br />
SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Jahresbericht China 1914/15, Shanghai 8. Juni 1916.<br />
SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />
28.7.1919.<br />
SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Geschäftsbericht (Handschriftlicher Bericht von S.Ch.Co. an<br />
CVU), Peking 24.10.1919.<br />
SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus Hankow (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Hankow<br />
4.7.1920.<br />
SAA 15/Lp 168: Tseng Hua Electrical Manufacturing Co. (Aktennotiz), Berlin 19.9.1924.<br />
Seite | XVIII
SAA 15/Lp 168: Auszug aus einer Besprechung im Wernerwerk über die Reise von Direktor<br />
Reyss nach China, Berlin 20.9.1924.<br />
SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai 31.8.1928.<br />
SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des Geschäftsberichtes<br />
der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai.<br />
SAA 15/Lp 168: Auszug aus dem Jahresbericht 1929/1930 der Siemens China Co.,<br />
12.11.1930.<br />
SAA 15/Lp 168: VA-Geschäftsbericht 1930/31 (Teil des Geschäftsberichtes der S.Ch.Co.<br />
1930/31), Shanghai.<br />
SAA 15/Lp 168: Jahresbericht 1932/33, Shanghai 2.9.1933.<br />
SAA 15/Lp 168: Scheinwerferspezialist für China (Schreiben der SSW an HAPRO),<br />
4.12.1936.<br />
SAA 15/Lp 168: Dipl. Ing. Weiss – Scheinwerfergeschäft (Schreiben der SSW an S.Ch.Co.),<br />
14.12.1936.<br />
SAA 15/Lp 168: Flak-Scheinwerfer 150 cm für Nanking (Abschrift eines Schreibens von AU an<br />
S.Ch.Co.), 27.4.1937.<br />
SAA 15/Lp 168: Rückreise von Oberingenieur Weiss (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />
Shanghai 10.6.1937.<br />
SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst), 20.3.1938.<br />
SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Handschriftliche Notiz von Probst,<br />
angeheftet an den Bericht).<br />
SAA 15/Lp 194: Siemens China an Siemens Berlin, Information über die China-Revolution,<br />
15.11.1911.<br />
SAA 15/Lp 194: Anmerkung über China (Bericht von S&H), 6.8.1931.<br />
SAA 17/La 812: 1. Geschäftsbericht der Fusi.<br />
SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi.<br />
SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, handschriftliche Ergänzungen.<br />
SAA 17/La 812: 5. Geschäftsbericht der Fusi.<br />
SAA 17/La 812: 6. Geschäftsbericht der Fusi.<br />
SAA 17/La 812: 13. Geschäftsbericht der Fusi, Number of Employees.<br />
SAA 17/La 812: 14. Geschäftsbericht der Fusi. Die Siemens Festschrift nennt als Jahr des<br />
Beginns der Pupinspulenfertigung 1932.<br />
SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 10. Juli 1926.<br />
SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 22. Dezember 1926.<br />
SAA 17/La 812: Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom 19.02.1929.<br />
Seite | XIX
SAA 17/La 812: Tabellen zur Fusi Fabrik von Zederbohm, 1929.<br />
SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. Februar 1929.<br />
SAA 17/La 812: Diverse Geschäftsberichte der Fusi von 1923 bis 1930.<br />
SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an die Aktionäre, o. D.<br />
SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1920/21.<br />
SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1921/22.<br />
SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1923/24.<br />
SAA 17/Lc 320: Jahresbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1927/28.<br />
SAA 17/Lc 320: SSDKK-Bilanzen für die Geschäftsjahre 1920–1931.<br />
SAA 20/La 942: Aktennotiz zum Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 28. September 1926.<br />
SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 30. Oktober 1926.<br />
SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 3. Januar 1927.<br />
SAA 20/La 942: Bericht über die Besprechung zum Stand der Fusi am 17. Januar 1927.<br />
SAA 20/La 942: Aktennotiz über die Besprechung mit der Fusi am 15. und 18. Januar 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von von Rosen an die CVU vom 18. Januar 1927.<br />
SAA 20/La 942: Bericht der ZW an AU vom 28. Februar 1927.<br />
SAA 20/La 942: Bericht vom 9. März 1927 durch von Rosen.<br />
SAA 20/La 942: Bedingungen für eine Anleihe an die Fusi vom 21. März 1927.<br />
SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi der AU 1 vom 1. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Fusi vom 2. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm der Fusi an CVU vom 9. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von Keßler, CVU an Natori, Fusi vom 19. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von Natori an CVU vom 25. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von Mohr an CVU vom 26. April 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 10. Mai 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm der SSDKK an CVU vom 16. Mai 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 24. Mai 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 25. Mai 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 27. Mai 1927.<br />
SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi der AU 1 vom 30. Mai 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Hirschnitz vom 4. Juni 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von Nakagawa, Furukawa Denki an Hirschnitz vom 7. Juni 1927.<br />
SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 7. Juni 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni 1927.<br />
Seite | XX
SAA 20/La 942: Vertragsentwurf und Schreiben von Mohr an CVU vom 23. Juni 1927.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben der CVU an Mohr vom 31. August 1927 und Schreiben der<br />
Zentralfinanzverwaltung vom 2. September 1927.<br />
SAA 20/La 942: Aktennotiz zur Weiterleitung des Vertragsentwurfes an Dr. Springer, o. D.<br />
SAA 20/La 942: Loan Agreement, o. D.<br />
SAA 20/La 942: Schreiben von Yoshimura und Kajiyama, o. D.<br />
SAA 20/Lg 27: AEG an Yokohama Specie Bank, London, 12. Juli 1898.<br />
SAA 20/Lg 27: CVU an Koettgen, 25. September 1913.<br />
SAA 20/Lg 27: Schreiben S&H an Rohde, Elektrifizierung Ausländerviertel Yokohama, 19.<br />
Oktober 1889.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an Deutsche Bank, Secretariat, 12. Februar 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H, AbtB an S&H Centralstelle, 12. Februar 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an S&H Japan, Telegramm Beteiligung Banken, 15. Februar<br />
1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 1. April 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Siemens Tokio an S&H Centralstelle, Gemeinsames Vorgehen, 20. April<br />
1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Bödiker betr. Unterredung mit Schmidt-Leda, 16. Mai 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Siemens Japan, Information über die Japanexperten und<br />
Lönholm, 24. Mai 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 14. März 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Tokio, 28. Mai 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Protokoll der Direktoriumssitzung vom 8. Juni 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Deutsche Bank, Finanzierungsgeschäft Tokyo Dento, 9. Juni<br />
1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Depesche von S&H, Centralstelle an S&H, JA, 10. Juni 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Siemens Japan an Siemens Berlin, Gutachten von Lönholm, 27. Juni 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben Siemens Japan an Siemens Berlin, Einsetzung eines<br />
Strohmannes, 7. Juli 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Salzmann betr. Besprechung mit Illies in Sachen Tokyo<br />
Electric Light Co., 8. Juli 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 18. Juli 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: S&H, JA, an S&H, Centralstelle, 24. Juli 1898.<br />
Seite | XXI
SAA 20/Lk 368: Fischer an S&H, AbtB, 28. Juli 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Japan, Neue Nachrichten über Strohmann, 24.<br />
August 1898.<br />
SAA 20/Lk 368: DtB an S&H, 6. Juli 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: S&H, Berliner Werk an S&H Directorium, Kabelfabrik, 21. Juli 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: S&H an Bödiker, 10. August 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 17. Aufsichtsrats-Sitzung, 18. August 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 60. Directorium-Sitzung, 18. August 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 67. Directoriumssitzung, 25. Oktober 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 68. Directoriumssitzung, 4. November 1899.<br />
SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Japan an S&H, Centralstelle, Gründung einer<br />
Finanzierungsgesellschaft, 9. Februar 1900.<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 105. Directoriums-Sitzung, 21. Januar 1901.<br />
SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der Directoriums-Sitzung, 8. Mai 1901.<br />
SAA 21/ Lc 374: Vertragsentwurf vom 1. Juli 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Schreiben CVU an SSDKK vom 7. August 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Schreiben von SSDKK (Mohr) an CVU (Keßler) vom 18. August 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Telegramm an SSDKK vom 20. August 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 3. September 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Aktennotiz vom 26.Oktober 1920 zur Besprechung am 2. Oktober 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 8. Oktober 1920.<br />
SAA 21/Lc 374: Schriftstück über Absage der japanischen Marine.<br />
SAA 21/Lc 374: Strategiepapier zur Produktion in Japan, o. D.<br />
SAA 21/Li 732: Vertrag zwischen SSW Berlin und Mandl, Berlin 1. Oktober 1903.<br />
SAA 25/Lc 71: Siemens Berlin an TBS, Geschäfte mit Carlowitz, Berlin, Berlin 5. Februar<br />
1909.<br />
SAA 25/Lc 71: Erhardt an CVU, Verhandlung mit Herrn Major Klehmet, Tsingtau, Shanghai<br />
21.4.1911.<br />
SAA 25/Lc 71: Umwandlung der Siemens China Co. in eine deutsch-chinesische Gesellschaft<br />
(Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 21.7.1921.<br />
SAA 25/Lc 71: Protokoll einer Konferenz vom 8.9.1921 über die in China am 14.5.1921<br />
eingegangenen Verträge (Aktennotiz), Berlin 10.9.1921.<br />
SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von<br />
CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921.<br />
SAA 25/Lc 71: Zur Organisation in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai April<br />
Seite | XXII
1922.<br />
SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und Mietverträgen),<br />
Shanghai 3.12.1923.<br />
SAA 25/Lc 71: Hauptbuchhaltung in Peking (Schreiben von Reyss an das Unterbüro in<br />
Peking), 2.1.1925.<br />
SAA 25/Lc 71: Geschäfte in Szechuan (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />
18.2.1925.<br />
SAA 25/Lc 71: Vertretung in Hongkong (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />
19.2.1925.<br />
SAA 25/Lg 136: Vertragswerk „Interessengemeinschaft bezüglich der elektrischen Geschäfte<br />
in China, zwischen den SSW, Berlin und der Fa. H. Mandl &Co, 1. Oktober 1903.<br />
SAA 25/Lg 136: Ergebnis-Übersicht der Siemens China Co. 1922–1941.<br />
SAA 25/Lk 939: S&H an S&H, JA 12. November 1896.<br />
SAA 25/Ln 142: Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />
SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H, AbtB an AEG, Geschäft Japan, 27. Oktober 1899.<br />
SAA 25/Ln 142: Aktennotiz von Schrimpff betr. Straßenbahn in Tokio, 6. Juli 1900.<br />
SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H Japan an S&H Berlin.<br />
SAA 25/Lo 268: Schreiben Keßler an S&H, 27. Oktober 1893.<br />
SAA 25/Lo 268: Bericht über Straßenbahnbau in Kyoto, 4. Juni 1896.<br />
SAA 25/Lo 268: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Abteilung Bahn, 14. März 1898.<br />
SAA 25/Lo 268: S&H Japan, Abteilung Bahn, Anfrage von Furukawa, 5. August 1898.<br />
SAA 25/Lo 268: Fischer an S&H, Berlin, 6. Februar 1900.<br />
SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 27. Januar 1888.<br />
SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 26. September 1888.<br />
SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 8. Mai 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Juli 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 24. August 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 9. September 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 28. September 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, 16. Oktober 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 19. Oktober 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, Bericht, 12. November 1886.<br />
SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 11. Dezember 1886.<br />
Seite | XXIII
SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, Anforderung eines Ingenieurs, 12. März 1887.<br />
SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, Ingenieur, 11. Mai 1887.<br />
SAA 25/Lo 385: Schreiben Keßler an S&H, 9. Februar 1888.<br />
SAA 25/Lo 385: Keßler an S&H, 8. Mai 1888.<br />
SAA 25/Ls 675: Export nach China (Schreiben von SSW an das<br />
Reichswirtschaftsministerium), 6.8.1934.<br />
SAA 27/La 401: CVU an Ebeling, 1. Mai 1912.<br />
SAA 27/La 401: CVU an Koettgen, 25. September 1913, Vogt, Helmut, Überseebeziehung,<br />
1979.<br />
SAA 27/La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914.<br />
SAA 27/La 792: Memorandum of Agreement zwischen Siemens China and Wuchang Electric<br />
Light Co.<br />
SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom 27.10.1925 über das chinesische<br />
Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925.<br />
SAA 29/Lp 530: Personalbestand der Überseeischen Bureaus per 31. Mai 1916.<br />
SAA 37/La 529: Telefunken-Informant S.S. Chow (Schreiben von Telefunken/China an<br />
Telefunken/Berlin), Shanghai 7.8.1934.<br />
SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens Zeitschrift,<br />
10/1927, S. 662–668.<br />
SAA 47/Lp 178: AU 7-Bericht. Geschäftsrückblick und -ausblick auf das China-Geschäft,<br />
August 1940.<br />
SAA 47/Lp 178: Ausführlicher Bericht auf Grund der Unterlagenblätter über China,<br />
Mandschukuo, Thailand (Teil der Unterlagenmappe „100 Jahre Siemens“).<br />
SAA 50/La 788: Bericht über die Tätigkeit der SSDKK in Kriegsgefangenen-Angelegenheiten<br />
in Japan 1914–1920, 15. August 1919.<br />
SAA 50/La 788: Schreiben CVU an Zentralvorstand, Kriegsgefangenenunkosten der SSDKK<br />
Tokio, 3. Mai 1921.<br />
SAA 50/Ll 577: Schreiben Drenckhahn an CVU, Maßnahmen während des Kriegs, II. Bericht,<br />
Reduktion der Unkosten, 25. November 1914.<br />
SAA 50/Ll 577: Schreiben Georgi an CVU, Übersicht.<br />
SAA 50/Lm 312: Keßler an Erhardt, Tauchbootbrief, 13. Januar 1917.<br />
SAA 50/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn, 4. Juni<br />
1919.<br />
SAA 50/Lm 312: Geschäftsaussichten in China nach dem Kriege (Keßler), Siemensstadt<br />
6.10.1919.<br />
Seite | XXIV
SAA 50/Lm 312: Übersetzung eines am 15.10.1920 in den North China Daily News<br />
erschienenen Zeitungsartikels, S. 1–4.<br />
SAA 50/Lm 312: Geschäftslage in China (Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Berlin 8.11.1919.<br />
SAA 50/Lm 312: Rabe: Vierteljahrhundert.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben von SSDKK an CVU vom 9. Januar 1920.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 6. Februar 1920.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 8. März 1920.<br />
SAA 54/La 496: Telegramm der SSDKK vom 20. März 1920.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 23 März 1920.<br />
SAA 54/La 496: Telegramm an SSDKK vom 31. März 1920.<br />
SAA 54/La 496: Ergebnis der Rücksprache über Japan, 6. April 1920.<br />
SAA 54/La 496: Telegramm SSDKK an CVU vom 16. April.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 29. April 1920.<br />
SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920.<br />
SAA 54/La 496: Ergebnis der Besprechung über Japan am 10. Mai 1920, Protokoll vom 14.<br />
Mai 1920.<br />
SAA 54/La 496: Besprechung betr. Fabrikation in Japan am 22. Mai 1920. Protokoll vom 26.<br />
Mai 1920.<br />
SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 4. Juni 1920, Protokoll vom 5. Juni<br />
1920.<br />
SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 9. Juni 1920, Protokoll vom 22. Juni<br />
1920.<br />
SAA 54/La 496: Aktennotiz zur Direktoriumssitzung vom 6. Juli 1920.<br />
SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Gründung einer Fabrik in Japan mit Furukawa vom 26. Juli<br />
1920.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 31. Juli 1920.<br />
SAA 54/La 496: Telegramm von Inagaki an Keßler vom 3. Oktober 1919.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben des Vereins deutscher Maschinenbau-Anstalten an Siemens vom<br />
25. Oktober 1919.<br />
SAA 54/La 496: Brief von Inagaki an Keßler vom 20. November 1919.<br />
SAA 54/La 496: Schreiben SSDKK an CVU vom 5. Dezember 1919.<br />
SAA 54/La 496: Keßler, Aktennotiz zur Frage der Errichtung einer Fabrik in Japan vom 8.<br />
Dezember 1919.<br />
SAA 54/La 496: Aktennotiz No. 4 (Furukawa) der SSDKK, o. D.<br />
SAA 54/La 496: Keßler, Strategiepapier Betr. Fabrikation in Japan, o. D.<br />
Seite | XXV
SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, List of Articles, of which the<br />
Dept. of Railways purchases exclusively home makes, published on November 12 th 1929.<br />
SAA 54/Ld 192: Essential Points of Conversation with Mr. Shindo of the Dept. of<br />
communication on 8 th May 1930.<br />
SAA 54/Ld 192: Articles of Satsuki Kai, Mai 1931.<br />
SAA 54/Ld 192: Business Regulation of Satsuki Kai, Mai 1931.<br />
SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Index of Prices.<br />
SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Protokoll vom 30. Juni 1931.<br />
SAA 54/Ld 192: Protokoll vom 31. Juni 1931.<br />
SAA 60/Lh 303: Auszug: Matschoß, Conrad: Werner von Siemens, Ein kurzgefaßtes<br />
Lebensbild nebst einer Auswahl seiner Briefe, Bd. 1, Berlin 1916.<br />
SAA 68/Li 151: Werner Siemens an Karl Siemens, Vertrag mit Düsseldorfer Handelshaus, 23.<br />
März 1870.<br />
SAA 68/Li 151: Werner Siemens an von der Heyde (Bremen), Vertretung in Japan, 25.<br />
Oktober 1884.<br />
SAA 68/Li 151: Annonce der Firma Sasuga Shokai in jap. Tageszeitung, 13. Februar 1887.<br />
SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, Vertrag mit Rohde, 7. Dezember 1888.<br />
SAA 68/Li 151: S&H an Keßler, 19. Januar 1894.<br />
SAA 68/Li 151: S&H an S&H Electric Co. of America, 19. Januar 1894.<br />
SAA 68/Li 151: Keil an Keßler, 8. Mai 1895.<br />
SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, 10. Mai 1895.<br />
SAA 68/Li 151: S&H Berlin an S&H Japan, 29. Oktober 1895.<br />
SAA 68/Li 151: Protokoll der Konferenz, 28. September 1897.<br />
SAA 68/Li 151: Abschrift eines Briefes von Fischer, 24. Februar 1898.<br />
SAA 68/Li 151: Aktennotiz von Schrimpff über Gespräch mit Illies und Takata, 28. April 1898.<br />
SAA 68/Li 151: Gutachten Lönholm, 27. Juni 1898.<br />
SAA 68/Li 151: Statuten der SSDKK, 6./11. Oktober 1905.<br />
SAA 68/Li 151: Das Osaka-Zweigbureau der SSDKK, 1. März 1906.<br />
SAA 68/Li 151: Seeberger (Siemens Japan) an Hermann Keßler, Kabelfabriken, 17. Juni<br />
1906.<br />
SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Exportbüro SSW Berlin, Kabelwerk, 21. Juni 1906.<br />
SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Siemens Berlin, Exportgesellschaft, 4. Juli 1906.<br />
SAA 68/Li 151: Büro Tokio an Siemens Berlin, Betrifft: Personalvermehrung, 21. Januar 1907.<br />
SAA 68/Li 151: Auszug aus einem Privatschreiben von Herr Wolff an Hermann Keßler, 8.<br />
September 1908.<br />
Seite | XXVI
SAA 68/Li 151: Erklärung von Hermann Keßler, 8. September 1908.<br />
SAA 68/Li 151: Abkommen mit der Firma Wolter, 16. Dezember 1908.<br />
SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Mitteilung No. 355, Berlin, 6. Dezember<br />
1909.<br />
SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, SSDKK an CVU, Betr. Schwachstrom-<br />
Abteilung, 1. April 1910.<br />
SAA 68 Li/151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Aktennotiz über eine Besprechung<br />
zwischen den Herren Dr. Franke, Keßler und Crass wegen der von Herrn Keßler<br />
vorgeschlagenen Trennung der Tokio-Organisation, 1. November 1913.<br />
SAA 68/Li 151: Memorandum über Verhandlungen über eine Kabelfabrik, Januar/Februar<br />
1914.<br />
SAA 68/Li 151: Vertraulicher Bericht an Hermann Keßler Sumitomo Kabel Fabrik, 21. Mai<br />
1914.<br />
SAA 68/Li 151: Vortrag von Herrn Oberingenieur R. Georgi, 16. April 1920.<br />
SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957.<br />
SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979.<br />
SAA 68/Li 151: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan vor dem 1. Weltkrieg; in:<br />
Bulletin Faculty of Letters 44, o. O. 1985, S. 13–31.<br />
SAA 68/Li 151: Aktienbuch der SSDKK, o. D.<br />
SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan.<br />
SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan.<br />
SAA 68/Li 151: S&H an Keßler (Überlingen), Vertrag über die Entsendung.<br />
SAA 68/Li 190: Schreiben Siemens Brothers Co. an S&H, London 24. Januar 1872.<br />
SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 11. März 1879.<br />
SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879.<br />
SAA 68/Li 190: S&H an Carlowitz, Berlin 29. Oktober 1879.<br />
SAA 68/Li 190: SSW-Berlin an Russische Gesellschaft Schuckert&Co, 26. Januar 1906.<br />
SAA 68/Li 190: Schreiben über die Beendigung der Kooperation mit Carlowitz, Berlin 23.<br />
September 1908.<br />
SAA 68/Li 190: Vertrag der Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH, Berlin 6. Juli<br />
1910.<br />
SAA 68/Li 190: Besprechung mit Herrn Mühlhardt über die Zukunft des Wladiwostok-<br />
Geschäfts (Aktennotiz), 14.9.1921.<br />
SAA 68/Li 190: Vertretung im Ausland. Ost-Sibirien und Mandschurei (6. Nachtrag zum ZV 6-<br />
Rundschreiben Nr. 6.), Siemensstadt 7.10.1921.<br />
Seite | XXVII
SAA 68/Li 190: Protokoll einer Aufsichtsratssitzung der SSW im Februar 1922 (Auszug).<br />
SAA 68/Li 190: Einstellung eines ersten Chinesen (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />
Shanghai 11.2.1930.<br />
SAA 68/Li 190: Organisationsplan der S.Ch.Co., Stand vom 1.6.1937.<br />
SAA 68/Li 190: Personalia Yang-Yin (vertrauliches Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />
Yunnanfu 3.12.1937.<br />
SAA 68/Li 190: Captain Yang Yin (Schreiben von Probst aus Brasilien an SSW-AG Berlin),<br />
Rio de Janeiro 24.5.1954.<br />
SAA 68/Li 190: Formosa - Zusammenfassender Bericht über Yang-Yin (Notiz für Herrn W.<br />
Müller), <strong>Erlangen</strong> 29.11.1957.<br />
SAA 68/Li 190: Siemens in China (Zusammenstellung von Wettlaufer), München 2.1.1980.<br />
SAA 68/Li 190: Auszug aus dem Geschäftskopierbuch 98.<br />
SAA 68/Li 190: Betrifft Behandlung des Tantal- und Kohlefadenlampen-Geschaefts<br />
(Fotografie).<br />
SAA 68/Li 190: Diverse Zeitungsausschnitte.<br />
SAA 68/Li 260/ III, Wegner, Jürgen: Siemens in Mexico.<br />
SAA 68/Lr 488: S&H an Rohde &Co., 11. Mai 1887.<br />
SAA 68/Lr 488: Vertrag von Hermann Keßler, Vertrag über die Entsendung des Ingenieurs<br />
Hermann Keßler nach Japan, 13. Mai 1887.<br />
SAA 68/Lr 488: Übersee-Vertretungen, Stand per 31. Mai 1914 (Anlage 9).<br />
SAA 68/Ls 913: Chronology of SSDKK.<br />
SAA La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914.<br />
SAA Lc 26: Diverse Berichte Kultursponsoring.<br />
SAA Lp 171: Projekt einer elektrischen Bahn in Shanghai, 1.9.1898.<br />
Seite | XXVIII
Literatur<br />
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London 1981.<br />
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Barraclough, Geoffrey (Hrsg.), Atlas der Weltgeschichte, Augsburg 1997.<br />
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Weltwirtschaftliches Archiv, 18/1922, S. 377–413.<br />
Brötel, Dieter, Frankreich im Fernen Osten. Imperalistische Expansion und<br />
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1904 (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte,<br />
65), Stuttgart 1996.<br />
Busse, Kurt, Werner von Siemens, Bad Godesberg 1966.<br />
Chang, Iris, Die Vergewaltigung von Nanking, Zürich, München 2009.<br />
Chang, Iris, The Rape of Nanking. The Forgotten Holocaust of World War II,<br />
o. O. 1997.<br />
Dabringhaus, Sabine, Geschichte Chinas 1279–1949, München 2006.<br />
Domrös, Manfred, Naturraum; in: Staiger, Brunhild (Hrsg.): Das große China-<br />
Lexikon, Darmstadt 2003, S. 536–538.<br />
Seite | XXIX
Dülfer, Eberhard, Internationales Management in unterschiedlichen<br />
Kulturbereichen, 4. Auflage, München 1996.<br />
Dunning, John, Multinational Enterprises and the Global Economy, 6.<br />
Auflage, Harlow 1998.<br />
Feldenkirchen, Wilfried, 100 Jahre erfolgreiches History-Marketing; in:<br />
Archiv und Wirtschaft, 40 Jg. 2007, Heft 4, S. 177–184.<br />
Feldenkirchen, Wilfried, Deutsches Kapital in China vor dem 1. Weltkrieg; in:<br />
Bankhistorisches Archiv, 9/2 1983, S. 64–80.<br />
Feldenkirchen, Wilfried, Fernostgeschäfte der Felten & Guilleume Carlswerk<br />
AG bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs; in:<br />
Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 22. Jg., 2/1977<br />
und 3/1977 (Fortsetzung), S. 91–108, 161–182.<br />
Feldenkirchen, Wilfried, Kontinuität und Wandel. Geschichte als Element<br />
der Marken- und Unternehmensidentität der Siemens<br />
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