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<strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />

Inaugural-Dissertation<br />

zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors<br />

der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

(Dr. rer. pol.)<br />

Analyse der internationalen<br />

Unternehmenstätigkeit des Hauses<br />

Siemens in Ostasien vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg<br />

Vorgelegt von: Dipl.-Kfm. Dennis Kirchberg<br />

Anschrift: Hallstädter Weg 22<br />

90425 Nürnberg<br />

Eingereicht bei: Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der<br />

<strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />

Seite | I


Erstreferent: Prof. Dr. Wilfried Feldenkirchen<br />

Zweitreferent: Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt<br />

Promotionstermin: 18. Mai 2010 / Tag der letzen mündlichen Prüfung: 4.<br />

Mai 2010<br />

Seite | II


INHALTSVERZEICHNIS<br />

INHALTSVERZEICHNIS ................................................................................... III<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................... VI<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... X<br />

I. EINLEITUNG ................................................................................................... 1<br />

1. THEMENHINFÜHRUNG UND PROBLEMSTELLUNG ............................................... 2<br />

2. QUELLENLAGE UND FORSCHUNGSSTAND ........................................................ 7<br />

3. AUFBAU DER ARBEIT ................................................................................... 12<br />

II. SIEMENS IM IN- UND AUSLAND ................................................................ 15<br />

1. DIE ENTWICKLUNG DES HAUSES SIEMENS IM ÜBERBLICK VON DER GRÜNDUNG<br />

BIS ZUM BEGINN DES ZWEITEN WELTKRIEGS ................................................ 16<br />

2. DAS AUSLANDSGESCHÄFT DES UNTERNEHMENS BIS ZUM BEGINN DES ZWEITEN<br />

WELTKRIEGS .............................................................................................. 31<br />

III. DAS OSTASIENGESCHÄFT DES HAUSES SIEMENS ............................. 36<br />

1. SIEMENS IN JAPAN ....................................................................................... 37<br />

1.1 Die Rahmenbedingungen .................................................................... 37<br />

1.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund ............................... 37<br />

1.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung ............................................ 52<br />

1.1.3 Branchenentwicklung .................................................................... 58<br />

1.2 Die Anfänge des Japangeschäfts bis zum Ersten Weltkrieg ................ 64<br />

1.2.1 Markteintritt und erste Schritte ...................................................... 65<br />

1.2.2 Die Entwicklung der Siemens-Schuckert Denki Kabushiki Kaisha<br />

(SSDKK) bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ........................... 74<br />

1.2.2.1 Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit ................................... 74<br />

1.2.2.2 Das Unternehmen in der Krise ............................................... 86<br />

Seite | III


1.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit ................................ 94<br />

1.2.3.1 Die Rahmenbedingungen für das Unternehmergeschäft in<br />

Japan .................................................................................... 94<br />

1.2.3.2 Unternehmergeschäft: Das Bahnprojekt in Tokio ................... 97<br />

1.2.3.3 Unternehmergeschäft: Das Kraftwerksprojekt in Tokio ......... 105<br />

1.2.3.4 Unternehmergeschäft: Anleihe für Furukawa ....................... 110<br />

1.2.3.5 Pläne für den Aufbau einer eigenen Produktion ................... 112<br />

1.2.3.6 Bedeutende Aufträge bis zum Ersten Weltkrieg ................... 119<br />

1.2.4 Bewertung der Geschäftsergebnisse .......................................... 122<br />

1.3 Das Japangeschäft in der Zwischenkriegszeit ................................... 125<br />

1.3.1 Die Entwicklung der Fusi Denki K. K. bis zum Beginn des<br />

Zweiten Weltkriegs ..................................................................... 130<br />

1.3.1.1 Die Gründung des Joint Venture und Probleme in den<br />

Anfangsjahren ..................................................................... 130<br />

1.3.1.2 Restrukturierung und geschäftlicher Durchbruch.................. 155<br />

1.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939................ 175<br />

1.3.2.1 Die Fusi Tsushinki ................................................................ 175<br />

1.3.2.2 Die Goto Fuundo .................................................................. 186<br />

1.3.2.3 Bedeutende Aufträge bis 1939 ............................................. 188<br />

1.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und der Geschäftsergebnisse 192<br />

2. SIEMENS IN CHINA ..................................................................................... 199<br />

2.1 Die Rahmenbedingungen .................................................................. 199<br />

2.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund ............................. 199<br />

2.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung .......................................... 218<br />

2.1.3 Branchenentwicklung .................................................................. 224<br />

2.2 Die Anfänge des Chinageschäfts (1862-1919) .................................. 229<br />

2.2.1 Markteintritt und erste Schritte .................................................... 229<br />

2.2.2 Das Unternehmen in der Krise .................................................... 238<br />

2.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit .............................. 243<br />

2.2.3.1 Die Chinesische Elektrizitätsgesellschaft (CEG) .................. 243<br />

2.2.3.2 Bedeutende Aufträge bis 1919 ............................................. 247<br />

Seite | IV


2.2.4. Bewertung der Geschäftstätigkeit und der<br />

Geschäftsergebnisse ................................................................... 253<br />

2.3 Das Chinageschäft in der Zwischenkriegszeit (1919-1939) .............. 254<br />

2.3.1 Die Entwicklung der S.Ch.Co. bis 1939 ...................................... 254<br />

2.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939................ 271<br />

2.3.2.1 Gründung der Tseng Hua Electrical Manufacturing Co. ....... 271<br />

2.3.2.2 Bedeutende Aufträge bis 1939 ............................................. 276<br />

2.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und Geschäftsergebnisse ...... 291<br />

IV. RESÜMEE................................................................................................. 295<br />

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ................................................. XII<br />

ARCHIVQUELLEN ............................................................................................ XIII<br />

Deutsche Bank Archiv, Frankfurt am Main ............................................... XIII<br />

Siemens Med Archiv, <strong>Erlangen</strong> ................................................................ XIII<br />

Siemens Corporate Archives, München ................................................... XIII<br />

LITERATUR.................................................................................................. XXIX<br />

ANHANG ........................................................................................................ XLI<br />

Seite | V


ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ...................................................................... 12<br />

Abbildung 2: Übersichtskarte Japan .............................................................. 37<br />

Abbildung 3: Ausländische Generatoren-Importe nach Japan ....................... 61<br />

Abbildung 4: Kooperationen führender japanischer Unternehmen mit<br />

internationalen Elektrokonzernen ........................................... 62<br />

Abbildung 5: Importabhängigkeit Japans in ausgewählten Bereichen der<br />

Elektrotechnik ......................................................................... 63<br />

Abbildung 6: Vertriebsnetz von Siemens in Japan 1914 ................................ 80<br />

Abbildung 7: Beschäftigte bei Siemens in Japan 1914 .................................. 85<br />

Abbildung 8: Rahmenbedingungen des Unternehmergeschäfts in Japan ..... 96<br />

Abbildung 9: Das Siemens-AEG-Konsortium Straßenbahn (Oktober 1899) 103<br />

Abbildung 10: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 1 . 120<br />

Abbildung 11: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 2 . 122<br />

Abbildung 12: Umsatz und Gewinn von Siemens in Japan 1892 bis 1914 .. 123<br />

Abbildung 13: Niederlassungen der SSDKK 1938 ....................................... 128<br />

Abbildung 14: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K. ........ 149<br />

Abbildung 15: Ursachen und Sanierungsmaßnahmen für die finanziellen<br />

Schwierigkeiten der Fusi ...................................................... 151<br />

Abbildung 16: Entwicklung des eingezahlten Kapitals der Fusi ................... 153<br />

Abbildung 17: Faktoren für den Geschäftserfolg der Fusi ............................ 155<br />

Abbildung 18: Fusi-Standorte 1930 ............................................................. 166<br />

Abbildung 19: Das Satsuki-Kai-Kartell im Mai 1931 ..................................... 168<br />

Seite | VI


Abbildung 20: Umsatz und Reinergebnis der Fusi vom ersten<br />

Geschäftshalbjahr 1932 bis zum ersten Geschäftshalbjahr<br />

1940 ..................................................................................... 172<br />

Abbildung 21: Standorte der Fusi 1938 ....................................................... 174<br />

Abbildung 22: Meilensteine der Entwicklung der Fusi Tsushinki ................. 177<br />

Abbildung 23: Umsatz der Fusi Tsushinki vom ersten Geschäftshalbjahr 1935<br />

bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940 ............................... 185<br />

Abbildung 24: Umsatz der Goto Fuundo ...................................................... 188<br />

Abbildung 25: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 1 ..................... 189<br />

Abbildung 26: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 2 ..................... 190<br />

Abbildung 27: Umsatz und Reingewinn der SSDKK vom Geschäftsjahr<br />

1918/19 bis zum Geschäftsjahr 1937/38 .............................. 193<br />

Abbildung 28: Umsatzverteilung der SSDKK 1931 bis 1938 ....................... 194<br />

Abbildung 29: Umsatz der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis zum<br />

ersten Geschäftshalbjahr 1940 ............................................. 195<br />

Abbildung 30: Reinergebnis der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis<br />

zum ersten Geschäftshalbjahr 1940 ..................................... 196<br />

Abbildung 31: Umsatzverteilung der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1932<br />

bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940 ............................... 197<br />

Abbildung 32: Umsatz und Reinergebnis der Fusi Tsushinki vom ersten<br />

Geschäftshalbjahr 1935 bis zum ersten Geschäftshalbjahr<br />

1940 ..................................................................................... 198<br />

Abbildung 33: Übersichtskarte China ........................................................... 200<br />

Abbildung 34: Entwicklung des chinesischen Außenhandels (1870 bis 1895)<br />

............................................................................................. 220<br />

Seite | VII


Abbildung 35: Elektrotechnische Importe nach China 1903 bis 1920 .......... 225<br />

Abbildung 36: Elektrische Energieerzeugung in China 1920 bis 1937 ......... 226<br />

Abbildung 37: Elektrotechnische Importe nach China 1925 bis 1937 .......... 227<br />

Abbildung 38: Anteile am chinesischen Elektroimport 1934 bis 1937 .......... 228<br />

Abbildung 39: Gründung des Technischen Büros Shanghai (T. B. S.) ........ 232<br />

Abbildung 40: Maßnahmen zur offensiven Marktbearbeitung ...................... 234<br />

Abbildung 41: Niederlassungen der SCEEC 1914....................................... 237<br />

Abbildung 42: Faktoren für den Niedergang ................................................ 239<br />

Abbildung 43: Bedeutende Aufträge in China bis 1919 Teil 1 ...................... 247<br />

Abbildung 44: Bedeutende Aufträge China bis 1919 Teil 2 ......................... 250<br />

Abbildung 45: Umsatz und Gewinn von Siemens China von 1914 bis 1919 253<br />

Abbildung 46: Einflussfaktoren auf Siemens China nach dem Ersten Weltkrieg<br />

............................................................................................. 254<br />

Abbildung 47: Aufbau des Hauptbüros in Shanghai 1925 ........................... 259<br />

Abbildung 48: Standorte der S.Ch.Co. 1925 ................................................ 263<br />

Abbildung 49: Belegschaft von Siemens in China von 1922 bis 1940 ......... 266<br />

Abbildung 50: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 1 ......................... 277<br />

Abbildung 51: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 2 ......................... 280<br />

Abbildung 52: Umsatz und Gewinn von Siemens in China von 1921 bis 1940<br />

............................................................................................. 292<br />

Abbildung 53: Umsatzanteile der Geschäftsbereiche am Gesamtumsatz der<br />

S.Ch.Co. ............................................................................... 293<br />

Abbildung 54: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K. ........ 297<br />

Seite | VIII


Abbildung 55: Gemeinsamkeiten der Unternehmenstätigkeit in China und<br />

Japan .................................................................................... 300<br />

Abbildung 56: Standorte von Siemens in Ostasien 1937 ............................. 301<br />

Abbildung 57: Geschäftsfelder von Siemens in Ostasien ............................ 305<br />

Abbildung 58: Unterschiede der Unternehmenstätigkeit in China und Japan<br />

............................................................................................. 306<br />

Seite | IX


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

AB Abteilung Bahn<br />

Abb. Abbildung<br />

Abt. Abteilung<br />

a.D. außer Dienst<br />

AEG Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft<br />

AG Aktiengesellschaft<br />

AI Abteilung Industrie<br />

AK Abteilung Kleinartikel<br />

ASEA Allmanna Svenska Elektriska Aktiebolaget<br />

AU Abteilung Übersee<br />

Autelco Automatic Electric Co.<br />

AZ Abteilung Zentralen<br />

BA Bauabteilung<br />

BBC Brown Boveri&Cie<br />

bzw. beziehungsweise<br />

CDFC China Development Finance Corporation<br />

CEG Chinesische Elektrizitätsgesellschaft<br />

cm Zentimeter<br />

Co. Company<br />

Corp. Corporation<br />

CVU Central Verwaltung Übersee<br />

Seite | X


CWC C. Wolter & Co.<br />

D. Deutschland<br />

ders. derselbe<br />

d.h. das heißt<br />

Dr. Doktor<br />

E-Werk Elektrizitätswerk<br />

ebd. ebenda<br />

El. Electric<br />

etc. et cetera<br />

f. folgende<br />

ff. fortfolgende<br />

Flak Flugabwehrkanone<br />

F.M.S. zu gründende Gesellschaft von Furukawa,<br />

Mitsubishi und Siemens<br />

Fusi Fusi Denki Seizo Kabushiki Kaisha<br />

GB Großbritannien<br />

GE General Electric<br />

GMA Goerlitzer Maschinenbau A.G.<br />

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

GMD Guomindang<br />

HAPRO Handelsgesellschaft für industrielle Produkte<br />

Hrsg. Herausgeber<br />

Seite | XI


inkl. inklusive<br />

kg Kilogramm<br />

KG Kommanditgesellschaft<br />

K. K. Kabushiki Kaisha<br />

km Kilometer<br />

KpCH Kommunistische Partei Chinas<br />

kV Kilovolt<br />

kVA Kilovoltampère<br />

KW Kilowatt<br />

Ltd Limited<br />

m Meter<br />

m² Quadratmeter<br />

MW Megawatt<br />

Nacoco National Construction Comission<br />

n. Chr. nach Christus<br />

NEC Nippon Electric Company<br />

Nr. Nummer<br />

NRC National Resources Comission<br />

OHG Offene Handelsgesellschaft<br />

o.O. ohne Ort<br />

o.V. ohne Verfasser<br />

PEHAN Peking-Hankow (Peking-Hankow Bahn)<br />

Seite | XII


Prof. Professor<br />

PS Pferdestärke<br />

REU Rheinelbe-Union<br />

RGS Reiniger, Geppert und Schall<br />

RM Reichsmark<br />

S. Seite<br />

SAA Siemens-Archiv-Akte<br />

S.Ch.Co. Siemens China Electric Company<br />

S&H Siemens und Halske<br />

SRSU Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union<br />

SRV Siemens- Reiniger- Veifa GmbH<br />

SRW Siemens Reiniger Werke<br />

SSDKK Siemens Schuckert Denki Kabushiki Kaisha<br />

SSKDGK Siemens Schuckert Kankoku Denki Gormi Kaisha<br />

SSW Siemens Schuckert Werke<br />

UA Überseeabteilung<br />

u. a. unter anderem<br />

USA United States of America<br />

v. Chr. vor Christus<br />

V Volt<br />

W.V.G. Wassermesservertriebsgesellschaft<br />

z.B. zum Beispiel<br />

Seite | XIII


I. EINLEITUNG<br />

Seite | 1


1. Themenhinführung und Problemstellung<br />

„Mein leitender Gedanke (…) war der,<br />

eine dauernde Firma zu stiften, welche<br />

vielleicht mal später unter Leitung<br />

unserer Jungens eine Weltfirma à la<br />

Rothschild u.a. werden könnte.“ 1<br />

Das beschleunigte Zusammenwachsen der verschiedenen nationalen Märkte<br />

zu einem integrierten Weltmarkt stellt Unternehmen vor existentielle<br />

Herausforderungen. Neue Strategien und Organisationsformen müssen<br />

entwickelt sowie die gesamte unternehmerische Wertschöpfungskette global<br />

ausgerichtet werden, damit ein erfolgreiches Unternehmen sich langfristig auf<br />

dem Weltmarkt behaupten kann. Die internationale Ausrichtung der<br />

Unternehmen hat zum Ende des 20. Jahrhunderts einen neuen Höhepunkt<br />

erreicht, der sich sowohl qualitativ als auch intensitätsmäßig niederschlägt.<br />

Dabei hat neben den traditionell wichtigen Weltwirtschaftsregionen Europa<br />

und Nordamerika vor allem die Bedeutung des asiatisch-pazifischen<br />

Wirtschaftsraums stark zugenommen. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen<br />

Dynamik wurde diese Region somit zum wichtigsten Pol der Weltwirtschaft. 2<br />

Dieser beschleunigte Internationalisierungsprozess der Wirtschaft beschäftigt<br />

insbesondere seitdem letzten Jahrzehnt Wirtschaftswissenschaftler und<br />

Unternehmer, aber auch die breite Öffentlichkeit. Erklärungen werden<br />

gesucht, aber auch Konzepte, wie ein Unternehmen international erfolgreich<br />

expandieren kann. Die historische Perspektive dieser Entwicklung wurde<br />

zumindest von der Öffentlichkeit bisher kaum zur Kenntnis genommen.<br />

1 Vgl. SAA 60/Lh 303: Auszug: Matschoß, Conrad: Werner von Siemens, Ein kurzgefaßtes<br />

Lebensbild nebst einer Auswahl seiner Briefe, Bd. 1, Berlin 1916, S. 218.<br />

2 Vgl. Vgl. Holtbrügge, Management, S. 15 ff.<br />

Seite | 2


Dabei ist der Internationalisierungsprozess kein Phänomen unserer Zeit,<br />

sondern hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Im 19. Jahrhundert<br />

begann dieser Prozess mit der Industrialisierung in Europa und den USA, als<br />

die neuen Industrien nach weiteren Absatzmärktenfür ihre Produkte suchten<br />

und im Ausland fanden. Der aufkommende Liberalismus, die technisch-<br />

industrielle Revolution, die Entwicklung des Aktienrechts sowie insbesondere<br />

die Erfindung neuer Transport- und Kommunikationsmittel wie Eisenbahn,<br />

Telegraphen und Telefon begünstigten die Entwicklung moderner<br />

Großunternehmen. Der zunehmende Einsatz von Dampfmaschinen und<br />

später auch Fließbändern eröffnete massive Kostensenkungspotenziale durch<br />

Massenproduktionsvorteile, die die Ausweitung der Absatz- und<br />

Beschaffungsmärkte über die relativ kleinen nationalen Märkte Europas<br />

hinaus notwendig machte. 3 Dabei gelang es anfänglich vor allem englischen<br />

Unternehmungen, sich durch weltumspannende Handelsaktivitäten und die<br />

Gründung von Tochtergesellschaften eine Vormachtstellung in der<br />

Weltwirtschaft zu verschaffen. 4<br />

In den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts begannen<br />

jedoch auch viele deutsche Unternehmungen damit, ein weit verzweigtes Netz<br />

von Niederlassungen im Ausland aufzubauen, um ihre Produkte dort zu<br />

vertreiben sowie Kunden- und Finanzdienstleistungen anzubieten.<br />

Unter ihnen war auch das Unternehmen Siemens, das aufgrund seines<br />

Geschäftsengagements in Russland und Großbritannien sehr früh im Ausland<br />

investierte. Trotz des Verlusts der Auslandsdirektinvestitionen nach dem<br />

Ersten Weltkrieg entwickelte sich Siemens mit seinen beiden<br />

Stammgesellschaften Siemens & Halske und Siemens-Schuckert sowie<br />

3 Vgl. Holtbrügge, Management, S. 3.<br />

4 Vgl. dazu die Arbeit von Jones, Merchants. Amerikanische Unternehmungen begannen<br />

überwiegend erst nach dem Ersten Weltkrieg damit, ausländische Tochtergesellschaften<br />

in Europa und anderen Regionen der Welt zu errichten. Die Größe des amerikanischen<br />

Marktes erlaubte es ihnen, in ihrem Heimatland beträchtliche Massenproduktionsvorteile<br />

zu realisieren. Vgl. Wilkins, Emergence.<br />

Seite | 3


zahlreichen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften schon vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg zu einem weltweit operierenden Konzern, der das gesamte<br />

Spektrum der Elektrotechnik abdeckte und über ein für ein deutsches<br />

Industrieunternehmen singuläres weltweites Netz eigener Vertretungen<br />

verfügte. 5<br />

Für das Unternehmen Siemens war es daher konsequent, sich auch auf den<br />

zukunftsträchtigen „Emerging Markets“ in Ostasien zu engagieren. Zudem war<br />

der Unternehmensgründer Werner von Siemens schon früh vom Potenzial<br />

Ostasiens überzeugt. Bereits 1862 schrieb er an seinen Bruder Carl:<br />

„Hätten wir ein paar unzweifelhaft tüchtige und geeignete Leute, so könnte<br />

China vielleicht ein ungeheures Gebiet für uns werden, welches unser zweites<br />

Russland würde!“ 6<br />

Bis zum zweiten Weltkrieg etablierte Siemens in Ostasien ein ausgeprägtes<br />

Niederlassungsnetz einschließlich eigener Produktionsstätten. Die<br />

Internationalisierung in Ostasien ist durch Erfolge, aber auch durch<br />

empfindliche Rückschläge und harte Auseinandersetzungen um die geeignete<br />

Strategie gekennzeichnet.<br />

Daher stellen sich für die vorliegende Arbeit folgende Leitfragen:<br />

Wie entwickelte sich die internationale Unternehmenstätigkeit von<br />

Siemens in Ostasien vom Markteintritt bis 1939?<br />

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gab es bei der<br />

Internationalisierung von Siemens in Japan und in China?<br />

Es handelt sich bei dieser explorativ-deskriptiven Studie um einen Beitrag zur<br />

Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte von Siemens sowie zur<br />

Geschichte multinationaler Unternehmen. Ziel dieser Untersuchung ist es, die<br />

5 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 239.<br />

6 Vgl. SAA 8188: Bericht Eitel, Historische Entwicklung des Überseegeschäftes, S. 9.<br />

Seite | 4


internationale Unternehmenstätigkeit von Siemens in Ostasien zu<br />

rekonstruieren, strukturiert darzustellen und zu analysieren. Dazu wird eine<br />

Analyse der relevanten Aspekte im Zeitverlauf vorgenommen, da<br />

Diskontinuitäten, Transformationsphasen und Kontinuitäten erst durch eine<br />

umfassende chronologische Betrachtung deutlich werden. Eine<br />

Unternehmensentwicklung kann dabei nicht losgelöst von<br />

unternehmensexternen und -internen Einflussfaktoren erklärt werden. So<br />

konnte eine umfassende Analyse der spezifischen Unternehmensentwicklung<br />

in den beiden ostasiatischen Ländern nur vor dem Hintergrund der jeweiligen<br />

zeitimmanenten wirtschaftlichen, politischen und branchenspezifischen<br />

Rahmenbedingungen sowie der unternehmensspezifischen Einflussfaktoren<br />

sinnvoll vorgenommen werden. Diese zu identifizieren und ihren Einfluss zu<br />

bewerten, ist eine weitere Aufgabe der vorliegenden Untersuchung.<br />

Als „Internationale Unternehmenstätigkeit“ sollen im weitesten Sinne<br />

grenzüberschreitende Aktivitäten einer Unternehmung verstanden werden.<br />

Der Begriff dient in dieser Arbeit als Sammelbegriff für eine Vielzahl von<br />

Aktivitäten und Prozessen im Ausland. Dieser Ansatz, der auch von Dülfer 7<br />

und Nellißen 8 verwendet wird, reicht vom Export über den Betrieb einer<br />

Auslandsproduktionsstätte bis zur Internationalisierung weiterer<br />

Funktionsbereiche des Unternehmens. Er deckt ein breites Spektrum an<br />

Auslandsaktivitäten ab, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Räumlich<br />

werden unter Ostasien Japan und China einschließlich ihrer damaligen<br />

Kolonialgebiete Korea und Formosa verstanden. Die Untersuchung beginnt<br />

mit den Anfängen des Ostasiengeschäfts in den 1860er Jahren und endet mit<br />

dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939, der im Ostasiengeschäft<br />

eine harte Zäsur darstellt. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf dem Japan- und<br />

Chinageschäft des Hauses Siemens. Der Begriff „Haus Siemens“ bezeichnet<br />

Siemens & Halske und die mit ihr durch Mehrheitsbeteiligungen verbundenen<br />

7 Vgl. Dülfer, Management.<br />

8 Vgl. Nellißen, Mannesmann-Engagement.<br />

Seite | 5


Unternehmen und stellt eine Hilfskonstruktion dar, die ihre Einheit<br />

symbolisierten soll. 9<br />

9 Erst 1966 erfolgte schließlich die rechtliche Zusammenfassung der drei Hauptfirmen<br />

Siemens & Halske (S&H), Siemens-Schuckertwerke (SSW) und Siemens-Reiniger-Werke<br />

(SRW) zur Siemens AG. Vgl. hierzu Feldenkirchen, Siemens, S. 431.<br />

Seite | 6


2. Quellenlage und Forschungsstand<br />

Die vorliegende Arbeit basiert überwiegend auf Quellen aus dem Siemens-<br />

Archiv in München. Ergänzt wurde dieses Quellenmaterial durch Akten des<br />

Siemens-Medical-Archivs in <strong>Erlangen</strong> sowie der Deutschen Bank in Frankfurt<br />

am Main. Von besonderer Relevanz für die Erstellung dieser Studie waren der<br />

Schriftverkehr des Stammhauses mit den asiatischen Niederlassungen,<br />

Sitzungsprotokolle des Vorstands und anderer Leitungsgremien sowie<br />

Jahresberichte und Bilanzen der Tochtergesellschaften in Ostasien. Gerade<br />

der Schriftverkehr ist häufig sehr umfangreich und umfasst neben den<br />

direkten geschäftlichen Aspekten der eigenen Firma auch detaillierte Berichte<br />

über die wirtschaftliche und politische Situation. Grundsätzlich wollte das<br />

Stammhaus in Berlin einen möglichst genauen Eindruck von den<br />

Auslandsgesellschaften gewinnen, da diese aufgrund der räumlichen Distanz<br />

nur mit hohem Aufwand persönlich von den Vorständen besucht werden<br />

konnten. Schriftlich dargelegte Erinnerungen verschiedener Mitarbeiter haben<br />

sich im Verlauf der Studien als gute Quellen erwiesen, die über die reinen<br />

Fakten hinausreichend auch viele Entscheidungen transparenter machen.<br />

Exemplarisch sind hier die umfangreichen Aufzeichnungen von Rabe 10 ,<br />

Momotami 11 oder Wada 12 anzuführen. Einen guten Überblick bieten zudem<br />

diverse Festschriften des Unternehmens. 13 Hierbei sind allerdings subjektive<br />

Einfärbungen und zahlreiche Lücken zu berücksichtigen. Die in den Archiven<br />

vorhandenen Quellen weisen im Hinblick auf das Thema der vorliegenden<br />

Untersuchung sowohl quantitativ als auch qualitativ erhebliche Unterschiede<br />

auf. So ist beispielsweise die wirtschaftliche Entwicklung von Siemens in<br />

China vor dem Ersten Weltkrieg kaum zahlenmäßig dokumentiert, während<br />

10 Vgl. SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in<br />

China. Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten.<br />

11 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan.<br />

12 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre.<br />

13 Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift, 100 Jahre Siemens in Japan.<br />

Seite | 7


eispielsweise zum Unternehmer-geschäft in Japan sehr viel Material vor<br />

allem im Archiv der Deutschen Bank in Frankfurt am Main vorhanden ist.<br />

Zur Entwicklung internationaler 14 und multinationaler Unternehmen gibt es<br />

eine Reihe von Untersuchungen sowohl aus makroökonomischer als auch<br />

aus mikroökonomischer Sicht, die neben der wirtschaftswissenschaftlichen<br />

auch eine historische Perspektive in ihre Analysen mit einbeziehen. So gibt<br />

der Wirtschaftswissenschaftler Dunning in seiner Studie über multinationale<br />

Unternehmen und die Weltwirtschaft einen Überblick über die Geschichte<br />

multinationaler Unternehmen und ihre Rolle in der Weltwirtschaft von den<br />

70er Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. 15 Wilkins hat die<br />

Entwicklung multinational tätiger amerikanischer und europäischer<br />

Unternehmen von der Kolonialzeit bis 1970 untersucht. 16 Die historische<br />

14 Vgl. Perlitz, Management, S. 132. Die Internationalisierung von Unternehmen wird in der<br />

Forschung sowohl von Wirtschaftswissenschaftlern als auch von Wirtschaftshistorikern<br />

thematisiert. Eine Vielzahl von Theorien erklärt bestimmte Aspekte der internationalen<br />

Unternehmenstätigkeit für den historischen Internationalisierungsprozess über eine Dauer<br />

von mehr als einhundert Jahren ist jedoch bis heute keine allgemeine Theorie der<br />

Internationalisierung entwickelt worden. Es gibt allerdings mehrere Ansätze, die die<br />

Diskussion zur Erklärung der internationalen Unternehmenstätigkeit wesentlich geprägt<br />

haben. Dazu gehört die Theorie der Internalisierung von Buckley/Casson, die auf der<br />

Theorie von Coase basiert, dass für viele Transaktionen die Abwicklung über den Markt<br />

ineffizient und daher eine Integration der Transaktionen in das Unternehmen effizienter<br />

sei, die als Internalisierung bezeichnet wird. Buckley und Casson sehen das Entstehen<br />

internationaler Unternehmen als Ergebnis der Internalisierung unvollkommender Märkte.<br />

Dunning hat die Theorie der Internalisierung zur eklektischen Theorie erweitert, nach der<br />

die Internationalisierung eines Unternehmens von drei Faktoren abhängt, die als<br />

Vorteilskategorien bezeichnet werden: den Eigentumsvorteilen, den Internalisierungs- und<br />

den Standortvorteilen. Neben diesen beiden wichtigen Ansätzen gibt es noch zahreiche<br />

weitere, die den Internationalisierungsprozess eines Unternehmens teilweise auf<br />

unterschiedlichen Ebenen, teilweise auch aus unterschiedlichen<br />

wissenschaftstheoretischen Grundpositionen und aus einem unterschiedlichen<br />

Prozessverständnis heraus erklären. Vgl. Holtbrügge, Management, S. 79.<br />

15 Vgl. Dunning, Enterprises.<br />

16 Vgl. Wilkins, Emergence, und Wilkins, Maturing, sowie Wilkins, History, S. 24–51.<br />

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Entwicklung europäischer multinationaler Unternehmen in der Zeit von 1850<br />

bis 1992 wird insbesondere von Jones, Schröter sowie Hertner untersucht. 17<br />

Ausführliche Einzelfallstudien, wie sie auch von diesen Wirtschaftshistorikern<br />

immer wieder angemahnt werden, sind allerdings nach wie vor relativ selten.<br />

Zur allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in Ostasien gibt<br />

es zahlreiche Arbeiten. Für diese Studie waren vor allem die Arbeiten von<br />

Hentschel 18 für Japan sowie Spence 19 , Klein 20 und Feldenkirchen 21 für China<br />

sehr wertvoll. Einen guten Einblick in die Entwicklung der globalen<br />

Elektroindustrie bieten Hausmann/Hertner und Wilkins. 22<br />

Die Geschichte des Hauses Siemens wird schon seit dem Ende des<br />

19. Jahrhunderts in vielfältiger Weise untersucht. 23 Aus wissenschaftlicher<br />

Perspektive hat sich vor allem Feldenkirchen intensiv mit der Geschichte des<br />

Berliner Elektrounternehmens befasst. In zahlreichen Beiträgen und<br />

Publikationen untersucht er die Unternehmensgeschichte des Hauses<br />

Siemens aus verschiedensten Blickwinkeln. 24 Seine beiden grundlegenden<br />

Werke zum Unternehmen „Siemens – von der Werkstatt zum<br />

Weltunternehmen“ und „Siemens 1918 bis 1945“ bieten einen sehr<br />

umfangreichen und differenzierten Einblick in die Entwicklung des<br />

Unternehmens. Dabei gibt er auch einen guten Überblick über die<br />

17 Vgl. Jones/Schröter, Multinationals, S. 3–27, und Hertner, Enterprise, S. 113–134.<br />

18 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I+II.<br />

19 Vgl. Spence, Chinas, S. 261.<br />

20 Vgl. Klein, Geschichte, S. 42.<br />

21 Vgl. Feldenkirchen, Kapital, S. 64–80, und Feldenkirchen, Fernostgeschäfte.<br />

22 Vgl. Hausmann/Hertner/Wilkins, Electrification.<br />

23 Vgl. Siemens, Weg I+II, und Scott, Siemens Brothers, sowie Weiher, Siemens-Werke.<br />

24 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, und Feldenkirchen, Werkstatt, sowie Feldenkirchen,<br />

Unternehmenspolitik, S. 22–57.<br />

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Internationalisierung der Geschäftstätigkeit und bietet daher wichtige<br />

Anknüpfungspunkte für diese Arbeit. 25<br />

Explizit zum Ostasiengeschäft von Siemens gibt es bisher jedoch nur wenige<br />

den wissenschaftlichen Standards entsprechenden Untersuchungen.<br />

Die für diese Arbeit wichtigsten Studien sind die Darstellungen von<br />

Mielmann 26 und Takenaka 27 . Allerdings untersuchte Mielmann basierend auf<br />

dem zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Aktenmaterial bereits Anfang der<br />

1980er Jahre die deutsche Elektroindustrie in China. Seitdem sind jedoch<br />

zahlreiche neue Aktenbestände, zum Beispiel der sogenannte Dornburg-<br />

Bestand, der bis 1990 in DDR-Archiven lagerte, neu erfasst worden und<br />

konnten für diese Arbeit gesichtet und bewertet werden. Zudem fallen einige<br />

kleinere inhaltliche Ungenauigkeiten auf. Takenaka beschäftigt sich in seiner<br />

Studie mit dem Siemens-Geschäft in Japan vor dem Ersten Weltkrieg. Er<br />

zeigt dabei in weiten Teilen ein sehr detailgetreues Bild von den<br />

Siemensaktivitäten. Eine für den westlichen Leser nur bedingt<br />

nachvollziehbare Strukturierung sowie der weitestgehende Verzicht auf eine<br />

Untersuchung des Marineskandals bieten noch ausreichend<br />

Forschungsbedarf. Die beiden Studien von Mielmann und Takenaka bilden<br />

die Grundlage und Anknüpfungspunkte für die Analyse des<br />

Internationalisierungsprozesses in Ostasien dieser Dissertation. Kleinere<br />

Studien beschäftigen sich mit Teilaspekten der Geschäftstätigkeit von<br />

Siemens in Ostasien. Hervorzuheben sind hierbei die Arbeiten von Mutz 28 und<br />

Kudo. 29<br />

25 Vgl. zum Auslandsgeschäft insgesamt Feldenkirchen, Siemens, S. 81–86 und S. 233–240,<br />

und Feldenkirchen, Werkstatt, S. 200–208, sowie explizit zu Japan Feldenkirchen,<br />

Siemens, S. 242 ff., und Feldenkirchen, Werkstatt, S. 208 f.<br />

26 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen.<br />

27 Vgl. Takenaka, Siemens.<br />

28 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung.<br />

29 Vgl. Kudo, Japanese-German.<br />

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Die in dieser Dissertation aufgeworfenen Fragestellungen wurden bis heute<br />

nur in Teilaspekten betrachtet, eine umfassende, systematisch strukturierte<br />

und auch die Rahmenbedingungen bewertende Studie zur Geschichte<br />

Siemens in Ostasien fehlt jedoch bisher. Vor allem zum Japangeschäft von<br />

Siemens besteht noch großer Forschungsbedarf. Die vorliegende Arbeit ist<br />

daher ein Beitrag zur Schließung vorhandener Forschungslücken der<br />

Unternehmensaktivitäten von Siemens in Ostasien.<br />

Seite | 11


3. Aufbau der Arbeit<br />

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil, der Einleitung,<br />

werden die Problemstellung, die Quellenlage und der Forschungsstand sowie<br />

der Aufbau der Arbeit vorgestellt. In Teil II (Siemens im In- und Ausland)<br />

werden die Grundzüge der allgemeinen Unternehmensentwicklung des<br />

Hauses Siemens von seiner Gründung bis zum Zweiten Weltkrieg aufgezeigt.<br />

Vor diesem Hintergrund werden der Aufbau und die Entwicklung des<br />

Auslandsgeschäfts kurz erläutert.<br />

Das dritte Kapitel bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit und gliedert sich in die<br />

beiden Teilkapitel der Unternehmenstätigkeit von Siemens in Japan und<br />

China.<br />

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit<br />

Seite | 12


Zunächst werden im ersten Teilkapitel die geografisch-historischen und die<br />

politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Branchen-<br />

entwicklung für Japan dargestellt.<br />

Basierend auf diesen Ausführungen werden in Unterkapitel 1.2 die Anfänge<br />

des Japangeschäfts bis zum Ersten Weltkrieg erläutert. Der Schwerpunkt liegt<br />

hier auf dem Markteintritt und dem Ausbau der Geschäftstätigkeit unter<br />

Herrmann Keßler. Darüber hinaus werden anhand exemplarisch gewählter<br />

Aspekte der Geschäftstätigkeit das Unternehmergeschäft und die Pläne für<br />

den Aufbau einer eigenen Produktion näher untersucht. Abschließend wird<br />

eine Bewertung der Geschäftstätigkeit von Siemens in Japan vor dem Ersten<br />

Weltkrieg vorgenommen.<br />

Das Unterkapitel 1.3 stellt den zweiten Teil der historischen Analyse des<br />

Japangeschäfts bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dar. Neben der<br />

weiteren Entwicklung der Siemens-Schuckert K. K. liegt das Hauptaugenmerk<br />

auf der Gründung und Restrukturierung der Fusi Denki K. K. Am Beispiel der<br />

Fusi Tsushinki, der Goto Fuundo sowie ausgewählten Aufträgen bis 1939<br />

werden verschiedene Aspekte des zunehmenden Ausbaus der<br />

Geschäftstätigkeit näher untersucht. Anhand der Umsatz- und<br />

Ertragsentwicklung wird die Entwicklung von Siemens in Japan bis zum<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bewertet.<br />

Das zweite Teilkapitel des Hauptteils beschäftigt sich mit der<br />

Geschäftsentwicklung in China. Auch hier werden vorab die geografisch-<br />

historischen und die politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die<br />

Branchenentwicklung für China näher erläutert.<br />

Unterkapitel 2.2 beschreibt den Markteintritt in China und die<br />

Geschäftstätigkeit zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Als ausgewählte Aspekte<br />

des Chinageschäfts werden das erste größere Kraftwerksprojekt im Rahmen<br />

der Chinesischen Elektrizitäts-Gesellschaft mbH. Berlin und verschiedene<br />

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andere wichtige Aufträge erläutert. Auch hier wird abschließend eine kurze<br />

Bewertung der ersten Schritte in China vorgenommen.<br />

Das Unterkapitel 2.3 untersucht die weitere Entwicklung der<br />

Geschäftstätigkeit in China bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Der<br />

inhaltliche Schwerpunkt liegt auf dem Wiederaufbau des Vertriebsnetzes und<br />

der Expansion in neue Geschäftsbereiche. Exemplarisch werden auch hier<br />

verschiedene Aufträge sowie die Gründung der Tseng Hua Electrical<br />

Manufacturing Co. analysiert. Mit einer ausführlichen Bewertung der<br />

Geschäftsaktivitäten endet dieses Unterkapitel.<br />

Abschließend werden im vierten Kapitel die in der Einleitung aufgeworfenen<br />

Fragestellungen beantwortet. Hierzu werden die erarbeiteten Ergebnisse<br />

zusammengefasst und kritisch bewertet. Ein Vergleich der internationalen<br />

Unternehmenstätigkeit von Siemens in Japan und in China rundet die<br />

Untersuchung ab.<br />

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II. SIEMENS IM IN- UND AUSLAND<br />

Seite | 15


1. Die Entwicklung des Hauses Siemens im<br />

Überblick von der Gründung bis zum Beginn<br />

des Zweiten Weltkriegs<br />

Den Grundstein für die Unternehmensgründung Siemens & Halske legte<br />

Werner von Siemens mit der Konstruktion eines Zeigertelegraphen. Es gelang<br />

ihm, den von Wheatstone entwickelten Zeigertelegraphen dahin gehend zu<br />

verbessern, dass dieser nicht mehr ähnlich einem Uhrwerk arbeitete, sondern<br />

einen selbsttätigen Synchronlauf zwischen Sender und Empfänger aufwies. 30<br />

Werner von Siemens beauftragte den Mechaniker Halske mit dem Bau. Der<br />

fertiggestellte Zeigertelegraph konnte am 8. Juli 1847 erstmals auf der Linie<br />

Berlin-Potsdam vorgeführt werden. Aufgrund der guten Funktionsweise erhielt<br />

Werner von Siemens ein Patent für Preußen, das auf acht Jahre ausgestellt<br />

wurde. 31<br />

Nach der Kalkulation des zu erwartenden Auftragsvolumens und etlichen<br />

Unterredungen gelang es Werner von Siemens, den Mechaniker Johann<br />

Georg Halske für sein Vorhaben, eine Unternehmung zu gründen, zu<br />

gewinnen. Halske gab seine eigene Werkstatt im Herbst 1847 auf und ging<br />

das Risiko einer gemeinsamen Firmengründung mit Werner von Siemens<br />

ein. 32<br />

Am 12. Oktober 1847 gründeten sie die „Telegraphenbauanstalt Siemens &<br />

Halske“ 33 in der Schöneberger Straße in Berlin. 34<br />

30 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 27.<br />

31 Vgl. Siemens, Weg I, S. 18.<br />

32 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 22.<br />

33 Da ursprünglich geplant war, Telegraphen-Läutewerke für Eisenbahnen und<br />

Drahtisolierungen mittels Guttapercha herzustellen, wollte Werner von Siemens die Firma<br />

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Aufgrund der guten Kontakte von Werner von Siemens zur preußischen<br />

Telegraphenkommission, der Anhaltischen Bahn und dem russischen<br />

Gesandten entwickelte sich die Firma Siemens & Halske positiv. 35<br />

Der nach einer Ausschreibung im Jahre 1848 vergebene Auftrag zum Bau der<br />

Telegraphenlinie zwischen Berlin und Frankfurt brachte dem Unternehmen<br />

den ersten großen Erfolg. Am 28. März 1849 wurde die Wahl des preußischen<br />

Königs <strong>Friedrich</strong> Wilhelm IV. zum deutschen Erbkaiser mittels der<br />

fertiggestellten Telegraphenlinie nach Berlin übermittelt. 36 Die gute<br />

Zusammenarbeit mit der preußischen Telegraphenkommission hatte jedoch<br />

nicht lange Bestand. Der neu angenommene Auftrag zum Bau einer weiteren<br />

Linie im preußischen Rheinland entwickelte sich zu einem schwierigen<br />

Unterfangen. Es traten Probleme wegen der mangelhaften Isolierung im<br />

Telegraphennetz auf, die zu erheblichen Leitungsstörungen führten. 37<br />

Aufgrund der auftretenden Fehler und Störungen entzog der Leiter der<br />

Telegrafenkommission, <strong>Friedrich</strong> Wilhelm Nottebohm, 38 Siemens & Halske<br />

„Maschinen-Bauanstalt“ nennen, um sich somit nicht auf ein Gebiet festlegen zu müssen.<br />

Vgl. hierzu Heintzenberg, Leben, S. 31 f.<br />

34 Vgl. o.V., Begegnung, S. 26, und Feldenkirchen, Werkstatt, S. 28.<br />

35 Vgl. Feldenkirchen/Bartels, Werner von Siemens, S. 14 f.<br />

36 Vgl. Busse, Werner von Siemens, S. 8.<br />

37 Das Hauptproblem bestand darin, dass der Guttapercha-Ummantelung Schwefel zugeführt<br />

wurde, so dass die Leitungen aufgrund der chemischen Oxidation porös wurden. 1842 war<br />

der englische Arzt Dr. Montgomery zum ersten Mal in Kontakt mit Guttapercha<br />

gekommen. Er legte Proben dieses Stoffes in London vor und entsandte später eine<br />

größere Menge nach England. Dort kam William Siemens, der bereits seit 1844 in England<br />

lebte, mit dem Werkstoff in Kontakt. William schickte seinem Bruder Werner das<br />

Guttapercha im Frühjahr 1847, der es von jenem Zeitpunkt an als Kabelisolierung<br />

einsetzte. Werner erfand die Guttaperchapresse, die für die Fabrikation von See- und<br />

Landkabeln Anwendung fand. Vgl. hierzu Siemens, Weg I, S. 18 f., und Feldenkirchen,<br />

Werner von Siemens, S. 71 ff.<br />

38 <strong>Friedrich</strong> Wilhelm Nottebohm war Leiter der Telegraphenkommission. Zwei besondere<br />

Faktoren bestimmten die Rückläufigkeit der Aufträge: zum einen die Präsenz eines noch<br />

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Folge- und Anschlussaufträge im Jahre 1851. Das Unternehmen stand<br />

dadurch vor einer existentiellen Krise. 39<br />

Erst das Russlandgeschäft sollte das Unternehmen wieder zurück in die<br />

Erfolgsspur bringen. In Russland bestand sowohl aus wirtschaftlicher als auch<br />

aus militärischer Sicht die Notwendigkeit, das Land kommunikationstechnisch<br />

zu erschließen. Infolgedessen zeigte Zar Nikolaus großes Interesse an den<br />

technischen Neuerungen. 40 Werner von Siemens gelang es nach mehreren<br />

Russlandreisen, einen Vertrag über den Bau der Telegraphenlinie von St.<br />

Petersburg über Oranienbaum nach Kronstadt abzuschließen. 41 Bereits ab<br />

dem Jahr 1853 überstiegen die Umsätze aus dem russischen Geschäft die<br />

des nationalen Umsatzes um ein Vielfaches. 42 Werner von Siemens<br />

entsandte seinen Bruder Carl Siemens, dessen Versuch eine Filiale in<br />

Frankreich zu gründen, fehlgeschlagen war, nach Russland. Carl Siemens<br />

erwies sich als äußerst kompetent und erhielt im November 1853 Prokura für<br />

das russische Geschäft. 43 Im Jahre 1855 wurde das von Carl geleitete<br />

Unternehmen in eine Zweigniederlassung umgewandelt. Er führte diese von<br />

nun an selbstständig und mit eigenem Vermögen. 44 Siemens & Halske<br />

konnten sich zudem Bau langjährige regelmäßige Verträge für die Wartung<br />

der Telegraphenlinie sichern, die regelmäßige Einnahmen versprachen. 45<br />

Dieser Wartungsvertrag kompensierte auch den Auftragsrückgang aufgrund<br />

unausgereiften technischen Produkts und zum anderen auftretende Differenzen in<br />

geschäftlichen Beziehungen. Vgl. hierzu Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 73 f.<br />

39 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 25.<br />

40 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 83 f.<br />

41 Vgl. Siemens, Weg I, S. 30 f.<br />

42 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 27.<br />

43 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 85.<br />

44 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 54 ff.<br />

45 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 31.<br />

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der russischen Niederlage im Krim-Krieg und der dadurch angespannten<br />

Staatsfinanzen. 46<br />

Neben dem Inlands- und dem Russlandgeschäft engagierte sich Siemens vor<br />

allem in Großbritannien. Das Büro in London führte seit 1850 Wilhelm<br />

Siemens, Werners zweitjüngster Bruder. 47<br />

Ein neuer Geschäftszweig entstand durch die Entwicklung und Verlegung<br />

telegraphischer Seekabel.<br />

Da Siemens & Halske aufgrund fehlender Mittel den Bau einer eigenen<br />

Kabelfabrik ablehnten, schien ein Patent- und Lizenzabkommen mit dem<br />

Kabelhersteller R.S. Newall im Jahre 1854 der richtige Weg zu sein. 48 In<br />

Folge der Kooperation und mehrerer erfolgreicher Projekte expandierte das<br />

Geschäft. In der Werkstatt in Millbank Row in Westminster waren unter der<br />

Führung von Wilhelm Siemens bereits zwischen 80 und 100 Angestellte<br />

beschäftigt. 49 Daher wurde am 1. Oktober 1858 das Büro in eine Tochter, die<br />

Siemens Halske & Co., umgewandelt. 50 Der bestehende Kooperationsvertrag<br />

mit Newall wurde aufgrund unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten<br />

bereits im Jahre 1860 gekündigt. 51 In der Folge eröffnete das Londoner<br />

Unternehmen Siemens Halske & Co. 1863 eine eigene Kabelfabrik in<br />

Charlton bei Woolwich, um das bis dato äußerst erfolgreiche<br />

Seekabelgeschäft auch ohne R.S. Newall fortführen zu können.<br />

46 Werner von Siemens gelang es mit der Erfindung des Tataren-Galvanoskops, die<br />

Störstellen in der Telegraphenleitung schnell ausfindig zu machen. Dadurch konnten die<br />

Personalkosten für die Wartung niedrig gehalten werden. Vgl. hierzu Feldenkirchen,<br />

Werner von Siemens, S. 90 f.<br />

47 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 98, und Scott, Siemens Brothers, S. 28 f.<br />

48 Vgl. Weiher, Siemens-Werke, S. 26, und Scott, Siemens Brothers, S. 30 f.<br />

49 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 102.<br />

50 Vgl. Scott, Siemens Brothers, S. 31.<br />

51 Vgl. Weiher, Siemens-Werke, S. 54.<br />

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Nach hohen Verlusten kündigte Halske seine Geschäftsverbindungen mit<br />

England, denen er von Beginn an skeptisch gegenüber gestanden hatte. 52<br />

Am 1. Januar 1865 wurde das Londoner Geschäft in „Siemens Brothers“<br />

umbenannt. 53<br />

Im Jahr 1866 entwickelte Werner von Siemens das dynamoelektrische<br />

Prinzip. Damit gab er den Impuls für die Entwicklung leistungsstarker und<br />

wirtschaftlich arbeitender Generatoren und Elektromotoren und leitete eine<br />

neue Epoche der Elektroindustrie ein. In Folge dessen stieg der Bedarf an<br />

Strom enorm an. Da Siemens jedoch angesichts der Möglichkeiten und<br />

Interessen eines Familienunternehmens eine eher konservative<br />

Expansionspolitik betrieb, betätigte sich das Berliner Elektrounternehmen als<br />

führendes Schwachstromunternehmen anfänglich nicht intensiv genug auf<br />

dem neuen Geschäftsfeld. 54 Während dessen wuchs ihm mit der AEG ein<br />

mächtiger Gegenspieler.<br />

Im Jahr 1890 zog sich Werner von Siemens aus dem Unternehmen zurück. 55<br />

In dieser verschärften Wettbewerbssituation übernahm der zweite Sohn<br />

Wilhelm Siemens die Führung im Unternehmen. Er war sich der Probleme<br />

des Unternehmens bewusst und brachte es wieder auf einen<br />

Wachstumskurs. 56<br />

Erster Ausdruck der Neuausrichtung des Unternehmens war die Veränderung<br />

der Rechtsform. Im Jahr 1890 wurde die bisherige offene Handelsgesellschaft<br />

Siemens & Halske in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Persönlich<br />

hafteten als Gesellschafter und Geschäftsinhaber die Söhne Werner von<br />

52 Vgl. Weiher, Siemens-Werke, S. 37 f.<br />

53 Vgl. Feldenkirchen, Werner von Siemens, S. 106 f., und Weiher, Siemens-Werke, S. 48 ff.<br />

54 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 33 und S. 448.<br />

55 Vgl. Feldenkirchen, Lebenserinnerungen, S. 287.<br />

56 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 58 und S. 62. Der Bruder Arnold<br />

widmete sich stärker sozialen und repräsentativen Aufgaben. Carl von Siemens wurde<br />

Seniorchef und war bis zu seinem Ausscheiden 1904 ein wichtiger Berater Wilhelms.<br />

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Siemens. Im selben Jahr im Oktober nahm das Unternehmen im Rahmen<br />

einer Anleihe erstmals Fremdkapital auf. 57<br />

Auf den Rat des Seniorchefs Carl von Siemens hin wandelte Wilhelm im Jahr<br />

1897 das Unternehmen schließlich in eine Aktiengesellschaft um. Ursächlich<br />

hierfür war die aufstrebende Konkurrenz, die eine Erweiterung der<br />

Kapitalbasis vor allem vor dem Hintergrund des Unternehmergeschäfts<br />

notwendig machte. 58 Die elektrotechnische Industrie hatte in ihren Anfängen<br />

noch mit einem starken Misstrauen gegen die praktische Anwendbarkeit ihrer<br />

Erfindungen und der Rentabilität von Licht- und Kraftanlagen zu kämpfen. Vor<br />

allem öffentliche Körperschaften erwiesen sich als kritisch. Da die großen<br />

Elektrofirmen anfänglich nicht genügend Anlagenbestellungen erhielten,<br />

finanzierten sie sich selbst durch das sogenannte Unternehmergeschäft.<br />

Dabei beantragten die Unternehmen eine Konzession für die Errichtung eines<br />

Kraftwerks, gründeten dann eine Betriebsgesellschaft und vergaben den<br />

Bauauftrag durch die Betriebsgesellschaft an sich selber. Für das<br />

Bahngeschäft erwarb Siemens meist die Aktienmajorität der bestehenden<br />

Gesellschaft und beschloss dann die Elektrifizierung unter Ausgabe neuer<br />

Aktien, die sie selbst übernehmen mussten. Dadurch ergab sich das Problem,<br />

dass die kapitalintensiven Elektrizitätswerke und Straßenbahnen erstmals<br />

langfristig vorfinanziert werden mussten, bis eine bestimmte Rentabilität des<br />

Betriebs nachgewiesen werden konnte. 59<br />

Formell erfolgte am 3. Juni 1897 die Gründung der Siemens & Halske AG,<br />

wobei die Aktiva und Passiva der Kommanditgesellschaft Siemens&Halske<br />

auf die neue Aktiengesellschaft übertragen wurden. Der Einfluss der Familie<br />

wurde durch die Gesellschaftsstatuten gesichert, die es dem<br />

Aufsichtsratsvorsitzenden ermöglichten, die Geschäftsführung des<br />

57 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 60. Werner von Siemens agierte als Kommandist. In<br />

seinem Testament verfügte er, dass sein Kommanditanteil nach seinem Tode an seine<br />

sechs Kinder übergehen sollte.<br />

58 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 70.<br />

59 Vgl. Jacob-Wendler, Elektroindustrie, S. 25.<br />

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Vorstandes zu überwachen und alle Bücher und Schriften einzusehen. 60 Die<br />

neue Finanzpolitik wurde nachhaltig durch Georg Siemens, einen Cousin<br />

Wilhelms unterstützt, der Direktor bei der Deutschen Bank war. Diese hatte<br />

anfänglich enge Kontakte zur AEG gehalten und deren Geschäfte innerhalb<br />

des Bankenkonsortiums gefördert. Im Laufe der folgenden Jahre und des<br />

zunehmenden Rückgriffs auf Fremdkapital entwickelte sich die Deutsche<br />

Bank zur Siemens-Hausbank. Sie war federführend bei organisatorischen<br />

Veränderungen, Anleihe-Emissionen und Kapitalerhöhungen in den Siemens-<br />

Stützpunkten in Deutschland, Russland und Großbritannien. 61 Zur<br />

Unterstützung des Unternehmergeschäfts im Ausland errichtete S&H in<br />

Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank im Dezember 1897 eine eigene<br />

Finanzierungsgesellschaft. Die „Elektrische Licht- und Kraftanlagen AG“ sollte<br />

die Expansion von Siemens auf den Weltmärkten unterstützen und verfügte<br />

anfänglich über ein Aktienkapital von 30 Millionen Mark. 62<br />

Mit der strategischen Wende vergrößerte Siemens in den 1890er Jahren<br />

stetig sein Geschäft, wobei ihm die allgemeine Konjunktur der Elektroindustrie<br />

in den 1890er Jahren zugutekam. 63 Dadurch blieb Siemens mit einem Aktien-<br />

60 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 62. Durch jährliche Erhöhungen stieg das Kapital bis zum<br />

Jahre 1900 auf 54 Millionen Mark. Die Bestimmung, dass der Aufsichtsratschef ein „Chef<br />

des Hauses“ sein sollte, blieb bis zur Novellierung des Aktiengesetzes 1937 bestehen.<br />

61 Vgl. Helfferich, Georg Siemens, S. 36 f., und Takenaka, Siemens, S. 29 f. Die Beziehungen<br />

zur AEG blieben bestehen aber in deutlich geringerem Umfang als zuvor.<br />

62 Vgl. Strobel, Gründung, S. 303–332, hier S. 325 ff. Von der Gründung erwartete sich die<br />

Frankfurter Börse den Ausbau der Betätigung der deutschen Elektroindustrie auf dem<br />

Weltmarkt. Vor allem in Südamerika beteiligte sich die neue Finanzierungsgesellschaft.<br />

Ferner unterhielt Siemens eine Finanzierungsgesellschaft in der Schweiz. Zusammmen<br />

mit verschiedenen Schweizer Banken wurde 1896 die Schweizerische Gesellschaft für<br />

elektrische Industrie in Basel (Indelec) gegründet. Vgl. hierzu Jacob-Wendler,<br />

Elektroindustrie, S. 28. Diese beteiligte sich bspw. an der Mexican Electric Works Ltd. mit<br />

Sitz in London. Vgl. hierzu SAA 68/Li 260/ III, Wegner, Jürgen: Siemens in Mexico,<br />

S. 14 f.<br />

63 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 101.<br />

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und Obligationskapital von 84,3 Millionen Mark das größte deutsche<br />

Elektrounternehmen im Jahr 1899/1900. 64<br />

In Folge der Expansion des Unternehmens erweiterte Siemens ständig seine<br />

Produktionsanlagen. So wurde das erste Werk in Berlin in ein Spezialwerk für<br />

die Schwachstromtechnik umfunktioniert. 65 Des Weiteren konzentrierte<br />

Siemens seine Produktionsanlagen für den Starkstrombereich großenteils im<br />

„Charlottenburger Werk“ in Berlin. Die positive Entwicklung des Hauses<br />

Siemens in den 1890er Jahren hatte zu Kapazitätsproblemen sowohl in der<br />

Schwachstromfertigung wie auch bei der Starkstrom- und Kabelfertigung<br />

geführt. 66 Gerade für die Kabelproduktion des Charlottenburger Werkes<br />

bestand großer Bedarf an Produktionsfläche. Eine Vergrößerung der<br />

Produktionsstätten wurde von der Stadt Charlottenburg jedoch nicht<br />

genehmigt. Daher suchte Siemens ein neues Grundstück und erwarb<br />

schließlich ein 210.000 qm großes unerschlossenes Grundstück an der Spree<br />

– die Nonnenwiesen – im November 1897. In Folge der steigenden Nachfrage<br />

nach Leitungen und Kabeln für die Nachrichten- und Energietechnik seit der<br />

Jahrhundertwende wurde in einem ersten Schritt ein Kabelwerk am<br />

Rohrdamm eingerichtet, das am 1. August 1899 seine Produktion aufnahm.<br />

Nach der Fertigstellung des ersten Kabelwerks entstanden noch weitere<br />

Fabrikationsstätten und Gebäude. 67 .<br />

64 Vgl. Strobel, Gründung, S. 303–332, hier S. 304 ff. Die Jahre 1889–1894 waren vor allem<br />

durch den Straßenbahnbau geprägt, während sich in der Aufschwungphase von 1895 bis<br />

1900 der Höhepunkt des Unternehmergeschäftes befand.<br />

65 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 63, und Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer,<br />

S. 73 ff.<br />

66 Vgl. Ribbe/Schäche, Siemensstadt, S. 61.<br />

67 Vgl. Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer, S. 75. Bis zu Beginn des Jahres 1912<br />

entstand ein neues Kabelwerk außerhalb der Siemensstadt, welches der größte<br />

Hallenfabrikbau Europas war. Das freiwerdende alte Kabelwerk in Siemenstadt wurde in<br />

Folge als Fabrikation für Elektromotoren und kleinere Maschinen genutzt. Das Werk<br />

firmierte unter „Elmowerk“ (Elektromotorenwerk). Mitte der 1920er wurde dort mit der<br />

Produktion von elektrischen Haushaltgeräten begonnen.<br />

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Dabei wurden gleichartige Fabrikationen möglichst räumlich gebunden. Die<br />

zweite wichtige eigenständige neue Fabrik war das „Wernerwerk“ für die<br />

Produktion von Fernmeldeeinrichtungen im Jahr 1905. 68 Als drittes wurde ein<br />

Kleinbauwerk zur Produktion von Installations- und Schaltmaterial im Jahr<br />

1906 errichtet. Kurz danach wurde eine geräumige Halle für den<br />

Großmaschinenbau gebaut, aus der das wichtige Dynamowerk hervorging.<br />

Hier wurden elektrische Dynamomaschinen für den Kraftwerksbau,<br />

Leistungsgeneratoren, Förderanlagen, Walzstraßen, Elektroschmelzöfen<br />

sowie elektrische Lokomotiven hergestellt. 69<br />

Nachdem die Mehrzahl der Produktionsstätten an den neuen Standort am<br />

Nonnendamm verlegt worden war, folgten im Jahr 1914 die<br />

Verwaltungszentralen der Berliner und Charlottenburger Fertigungsstätten.<br />

Um das Firmengelände optimal versorgen zu können, investierte Siemens<br />

umfangreich in den Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur und<br />

Wohnungen. Als Dank für den geleisteten Beitrag zur Stadtentwicklung wurde<br />

der Ortsteil Nonnendamm im Jahr 1914 in Siemensstadt umbenannt. Zu<br />

diesem Zeitpunkt wohnten 7000 Mitarbeiter dauerhaft in der „Stadt“, 23.000<br />

Menschen waren in den Produktionsstätten oder der Verwaltung tätig.<br />

Daneben entwickelte Siemens seine Vertriebsorganisation jedoch nur<br />

langsam. Während sich das Schwachstromgeschäft auf nur wenige<br />

Großkunden wie Behörden und Großunternehmen verteilte, erforderte die<br />

neue Starkstromtechnik, deren Abnehmer auch kleinere Betriebe und<br />

Privathaushalte waren, eine veränderte Absatzorganisation. Nachdem der<br />

Vertrieb bisher zentral über Berlin abgewickelt worden war, setzte Siemens<br />

68 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 66. Dieses Werk wurde später als Wernerwerk F oder<br />

Fernmeldewerk bekannt, seit 1928 auch mit dem Zusatz „I“.<br />

69 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 67, und Feldenkirchen/Posner, Siemens-Unternehmer,<br />

S. 75. Ab 1914 wurde zusätzlich das Wernerwerk für Meßtechnik errichtet, das heute mit<br />

seinem Uhrtum ein markantes Gebäude der Siemensstadt ist.<br />

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aufgrund der Ausweitung des Geschäfts und des Produktspektrums die<br />

Anwerbung von Vertretern durch. Nachdem es dabei zunehmend zu<br />

Problemen gekommen war, beschloss die Firmenleitung im Jahr 1885, das<br />

Vertreterwesen durch eigene Technische Büros umgesetzt. Dieses Konzept<br />

wurde jedoch erst Anfang der 1890er konsequent umgesetzt. Die technischen<br />

Büros hatten die Absatzmöglichkeiten zu beobachten und die Projekte<br />

weiterzuleiten, damit sie vom Stammhaus bearbeitet werden konnten. 70<br />

Im Jahr 1901/02 litt Deutschland unter einer allgemeinen Konjunkturkrise. Auf<br />

dem zuvor stets expandierenden Markt für elektrische Maschinen war die<br />

Nachfrage allmählich gesättigt. Im Verlauf der Krise geriet auch die Firma<br />

Schuckert in Nürnberg in finanzielle Schwierigkeiten. In Folge dessen legten<br />

im März 1903 Schuckert und S&H ihre Starkstromfabrikation zu den Siemens-<br />

Schuckert-Werken zusammen. Siemens spaltete dazu organisatorisch seine<br />

Starkstromwerke – wie das Charlottenburger Werk und das Kabelwerk – ab<br />

und fusionierte diese als Siemens-Schuckert-Werke GmbH mit den Anlagen<br />

von Schuckert. Der Schwachstrombereich wurde als Siemens & Halske AG<br />

fortgeführt.<br />

Dadurch erreichte Siemens neben der AEG eine Monopolstellung in der<br />

deutschen Elektroindustrie vor dem Ersten Weltkrieg. 71<br />

Im Jahr 1919 trat der jüngste Sohn Werner von Siemens‘ Carl <strong>Friedrich</strong> von<br />

Siemens, der 1912 den Vorstandsvorsitz der SSW-Werke übernommen hatte,<br />

die Nachfolge seines 17 Jahre älteren Bruder Wilhelm als „Chef des Hauses<br />

Siemens“ an. In seine Amtszeit fielen die Umstellung von der „Kriegs- auf die<br />

Friedenswirtschaft“ sowie der Wiederaufbau und der Ausbau der<br />

70 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 62 f. Die zeitliche Verzögerung beim Ausbau des<br />

Vertriebsnetzes stärkte die Position der Konkurrenz gegenüber S&H.<br />

71 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 68.<br />

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Elektroindustrie unter Wahrung der Corporate Identity oberstes Ziel der<br />

Unternehmenspolitik. 72<br />

Langfristig meisterte das Familienunternehmen Siemens diese Aufgaben.<br />

Umsatz und Belegschaft nahmen gegenüber 1913/14 in der<br />

Zwischenkriegszeit zu.<br />

Das Wachstum der deutschen Elektroindustrie wurde gleichermaßen vom<br />

Schwach- wie vom Starkstrombereich getragen. Das Anwachsen der<br />

Leistungsfähigkeit, der Größe und der Komplexität der Energie- und<br />

Nachrichtentechnik sowie ihrer Systeme kennzeichneten diese Entwicklung.<br />

Für den Schwachstrombereich waren die Neuerschließung und der Ausbau<br />

bestimmter Anwendungsgebiete der Elektrizität (Telefonie,<br />

Fernschreibtechnik, Medizin, Rundfunk), für den Starkstrombereich die<br />

Steigerung der Stromerzeugung und des Verbrauchs pro Kopf maßgeblich. 73<br />

Der Neubau und die Erweiterung von Kraftwerken und Hochspannungsnetzen<br />

trugen erheblich zur günstigen Entwicklung des Anlagengeschäfts bei.<br />

Die installierte Generatorenleistung sämtlicher Elektrizitätswerke stieg von<br />

8713 MW im Jahr 1925 auf 16250 MW im Jahr 1938. Gestützt wurde diese<br />

günstige Entwicklung der Elektroindustrie auch von der steigenden Nachfrage<br />

nach elektrischen Anlagen und dem daraus resultierenden Stromverbrauch. In<br />

Folge dessen wurde der gesamte Mechanisierungsprozess im verarbeitenden<br />

Gewerbe fast ausschließlich vom Einsatz elektrischer Antriebsmaschinen<br />

bestimmt. So erreichte mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung die deutsche<br />

Wirtschaft den Elektrifizierungsgrad der amerikanischen Industrie. 74<br />

Siemens stand aufgrund der Absatzmarkt-, Patent- und Beteiligungsverluste<br />

als Folge des Ersten Weltkriegs vor großen Herausforderungen.<br />

72 Vgl. Feldenkirchen, Unternehmenspolitik, S. 22–57, hier S. 28.<br />

73 Vgl. SAA 11/Lf 287: Nachlass Köttgen.<br />

74 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 103.<br />

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Erleichtert wurde der Neubeginn nach Kriegsende dadurch, das zumindest die<br />

Sachwerte erhalten geblieben waren und Siemens weiterhin bei der<br />

technischen Leistung führend war. Dennoch erschwerten die politischen und<br />

wirtschaftlichen Umstände in der Nachkriegszeit eine langfristig ausgerichtete<br />

Unternehmenspolitik. Nach Kriegsende stand vor allem die Beschaffung von<br />

Rohstoffen im Vordergrund.<br />

Bereits im Jahr 1917 waren zwischen Siemens und Hugo Stinnes angesichts<br />

schwieriger Materialbeschaffung Gespräche über die Gründung einer<br />

möglichen Interessensgemeinschaft geführt worden. In Folge dessen wurde<br />

nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Dezember 1919 und Januar 1920 in<br />

Gesprächen zwischen Otto Henrich (SSW), Hugo Stinnes und Albert Vögler<br />

(Deutsch-Luxemburgerische Bergwerks- und Hütten AG) beschlossen,<br />

gemeinsam Dynamobleche zu produzieren. Dadurch entwickelte sich der Plan<br />

eines vertikalen Zusammenschlusses von Kohle/Erz über Eisen/Stahl bis hin<br />

zur Fertigwarenindustrie. 75 Nach zahlreichen Verhandlungen bildeten<br />

schließlich am 30.12.1920 die Gelsenkirchener Bergwerks-AG, das<br />

Dortmunder Unternehmen Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten<br />

AG sowie S&H und die SSW eine Interessengemeinschaft. Es wurde geplant,<br />

dass die Vertragsgesellschaften unter Wahrung ihrer rechtlichen und<br />

verwaltungsmäßigen Selbstständigkeit eine wirtschaftliche Einheit bilden<br />

sollten. Die langfristig angelegte Übereinkunft sah einen finanziellen Ausgleich<br />

zwischen den Gesellschaften vor. Als Organ dieser Interessengemeinschaft<br />

wurde die Siemens-Rheinelbe-Schuckert GmbH (SRSU) gegründet.<br />

Spätestens mit der Stabilisierung der Währung Ende des Jahres 1923<br />

erkannte Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens jedoch, dass die Gewinnverteilung für<br />

Siemens ungünstig war. Zudem waren die beiden Montanunternehmen als<br />

Abnehmer für elektrotechnische Erzeugnisse entgegen der Erwartung<br />

75 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 188 f. und S. 535–540. Die bisherigen oberschlesischen<br />

Lieferanten Bismarckshütte und Friedenshütte wurden als nicht mehr lieferfähig<br />

angesehen. Gleichzeitig sollte im Rahmen der Selbstverbrauchsregelung des Rheinisch-<br />

Westfälischen Kohlesyndikats Kohle günstiger bezogen werden können.<br />

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unbedeutend. Die Gründung der Vereinigten Stahlwerke AG im Jahr 1926,<br />

der auch die beiden Montanunternehmen angehörten, führte schließlich zur<br />

faktischen Auflösung der SRSU, auch wenn diese formell noch nicht<br />

vollzogen wurde.<br />

Der Ausbau des Hauses Siemens vom eher technisch orientierten<br />

Gründerunternehmen zu einem modernen Industriekonzern wurde durch die<br />

vier Schlüsselfaktoren Finanzkraft, Rationalisierung, Marketing sowie Einheit<br />

des Hauses wesentlich gefördert. In der Inflationszeit gingen nur geringe<br />

liquide Mittel verloren, da Siemens frühzeitig sein Kapital auf Sachwerte<br />

verlagert hatte. Nach der Währungsstabilisierung ließ sich die zeitweilige<br />

Geldknappheit verhältnismäßig leicht mit kurzfristigen Mitteln überwinden, da<br />

durch die erhalten gebliebenen Anlagenwerte nur die Löhne und der<br />

Materialeinkauf finanziert werden mussten.<br />

In den folgenden Jahren wurde die Finanzkraft durch eine vorsichtige<br />

Dividendenpolitik sowie die Bildung stiller Reserven weiter unterstützt. 76<br />

Durch die Aufnahme von Auslandsanleihen, die der Finanzierung des<br />

Absatzes sowie dem Ausbau der Werke dienten, konnte die Finanzkraft des<br />

Konzerns weiter gestärkt werden. 77<br />

Zweiter Schlüsselfaktor für erfolgreiches betriebswirtschaftliches Handeln war<br />

die Rationalisierung. In der Zwischenkriegszeit nahm der Siemens-Konzern<br />

diesbezüglich eine Führungsrolle innerhalb der deutschen Industrie ein.<br />

Die Bemühungen zur Rationalisierung verstärkte in den 1920er Jahren vor<br />

allem Carl Köttgen. Der SSW-Vorsitzende, der auch im Reichskuratorium für<br />

Wirtschaftlichkeit eine führende Rolle spielte, erreichte durch die Einführung<br />

einer straffen Organisation eine weitgehende Rationalisierung der Fertigung<br />

76 Vgl. Feldenkirchen, Unternehmenspolitik, S. 22–57, hier S. 35.<br />

77 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 393 ff.<br />

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und Normung von Bauteilen und Erzeugnissen. So wurden im Jahr 1921<br />

erstmalig die sogenannten Arbeitsbüros geschaffen. Diese führten Zeitstudien<br />

an Werkzeugmaschinen durch und normierten Werkzeuge. 1924 wurde das<br />

Lochkartenverfahren nach dem Hollerith-Verfahren für die Lohn- und<br />

Materialabrechnung sowie die Bestell- und Umsatzstatistik eingeführt. Im Jahr<br />

1925 erfolgte die Fließbandfertigung für standardisierte Massenware. 78<br />

Darüber hinaus wurde inspiriert von amerikanischen Unternehmen auch das<br />

Marketing ausgebaut und ein einheitliches Corporate Design geschaffen. 79<br />

Dadurch gelang es Siemens, seine Markenbekanntheit und sein<br />

Markenimage zu steigern. 80<br />

Vierter Schlüsselfaktor war die Einheit des Hauses. Aktienrechtlich gesehen<br />

übte die S&H eine Holdingfunktion gegenüber der SSW und den SRW aus,<br />

wodurch diese abhängige Gesellschaften wurden. In der Praxis war das<br />

Verhältnis zwischen S&H und SSW geprägt von gleichberechtigter<br />

Partnerschaft. Um eine einheitliche Führung des Unternehmens zu<br />

gewährleisten, saßen die Vorstände der S&H auch im Vorstand der SSW und<br />

umgekehrt. Die zentrale Rolle nahm dabei der sogenannte „Chef des Hauses“<br />

ein, der als Vorsitzender der Aufsichtsräte beider Gesellschaften auftrat.<br />

Bestimmte Abteilungen, beispielsweise Finanzen, Recht, Steuern oder<br />

Personal, fungierten als Bindeglieder zwischen den Gesellschaften und<br />

wurden deshalb ebenfalls gemeinschaftlich geführt. Die so geschaffene<br />

78 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 224 ff.<br />

79 Feldenkirchen, Kontinuität, S. 269–285, hier S. 268. Im Bereich Marketing und dort vor<br />

allem auf dem Gebiet der Kommunikationspolitik bestand bei Siemens während der<br />

Zwischenkriegszeit erheblicher Reformbedarf. Das Problem war die fehlende<br />

Einheitlichkeit des Werbeauftritts im Sinne einer Corporate Identity und die<br />

unzweckmäßige organisatorische Verankerung des Marketings in den einzelnen<br />

Stammgesellschaften, die jeweils eigene Werbeabteilungen besaßen. Das Problem wurde<br />

1935 mit der Schaffung einer Hauptwerbeabteilung (HWA) unter Leitung von Hans<br />

Domizlaff gelöst. Domizlaff sorgte für ein einheitliches Corporate Design und eine bewusst<br />

verfolgte Dachmarkenstrategie.<br />

80 Vgl. Kramer, Identity, S. 241, hier S. 241.<br />

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„Einheit des Hauses“ war ein zentraler Aspekt der Unternehmenskultur von<br />

Siemens.<br />

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2. Das Auslandsgeschäft des Unternehmens bis<br />

zum Beginn des Zweiten Weltkriegs<br />

Schon kurz nach seiner Gründung wurde Siemens auch im Ausland aktiv. Im<br />

Rahmen seiner Unternehmensentwicklung kam es neben internationalen<br />

Großprojekten, wie der Indo-Europäischen Telegraphenlinie, zu einem<br />

verstärkten Ausbau der Auslandswerke. Einen besonderen Stellenwert besaß<br />

das Auslandswerk in Großbritannien. Der britische Stützpunkt der Siemens<br />

Brothers hatte sich im Lauf der Zeit auf das Tiefseekabelgeschäft spezialisiert<br />

und war auf diesem Geschäftsgebiet sehr erfolgreich. In Folge dessen wurde<br />

der Stützpunkt 1880 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, in der jedoch<br />

der Prokurist Löffler zunehmend an Einfluss gewann. Sein<br />

Alleinvertretungsanspruch für die Überseemärkte sorgte für heftige Konflikte<br />

zwischen Siemens Brothers und der deutschen Muttergesellschaft, die in der<br />

zusammenfassend als „Löfflerkrise“ bezeichnet werden und erst 1888<br />

endgültig beigelegt wurden. 81<br />

Neben England nahm das Geschäft in Russland eine besondere Stellung ein,<br />

da Siemens dort auch über Fabrikationsstätten verfügte. 82 Neben England<br />

und Russland war Siemens in Europa vor allem in Österreich-Ungarn, Belgien<br />

und Spanien sehr engagiert. 83<br />

81 Siemens Brothers durfte nun Aufträge aus Russland und Deutschland ausführen, ebenso<br />

wie Siemens & Halske Aufträge aus dem Vereinigten Königreich entgegen nehmen durfte.<br />

Vgl. hierzu Weiher, Siemens-Werke, S. 167 ff.<br />

82 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 71 ff. und S. 100 f. So besaß Siemens ein eigenes<br />

Kabelwerk in Russland Auf diesem Weg konnten die in Russland 1877 verhängten<br />

Importzölle umgangen werden. Das St. Petersburger Unternehmen wurde 1898 in eine<br />

Aktiengesellschaft umgewandelt und fungierte fortan als Russische Elektrotechnische<br />

Werke S & H AG. Langfristig bedeutend war der 1906 erfolgte Zusammenschluss der von<br />

der AEG, Felten & Guilleaume und Siemens & Halske eingebrachten Kabelwerke zur<br />

Vereinigte Kabelwerke AG St. Petersburg.<br />

83 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 86 ff.<br />

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In den 1890er Jahren trat das deutsche Elektrounternehmen auch in den<br />

amerikanischen Markt ein, den Hauptrivalen Deutschlands im Elektrobereich.<br />

Im Jahre 1892 gründete Siemens in Chicago die „S&H Electric Co. of<br />

America“, ein paritätisches Joint Venture mit örtlichem Kapital. Angesichts der<br />

scharfen Konkurrenz auf dem amerikanischen Markt gab es jedoch Probleme<br />

mit dem Kooperationspartner, so dass sich Siemens nur wenige Jahre später<br />

aus Nordamerika zurückzog. 84 Dagegen konnte neben Asien vor allem das<br />

Überseegeschäft in Südamerika ausgebaut werden. 85<br />

Trotz der Expansion kam bei Siemens der Aufbau einer<br />

Verwaltungsorganisation für das Überseegeschäft nur schleppend voran. Mit<br />

ihren zahlreichen Abteilungen in den verschiedenen Siemens-Gesellschaften,<br />

die jeweils aus aktueller Notwendigkeit heraus geschaffen worden waren,<br />

stellte die Auslandsorganisation zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein<br />

kompliziertes Gebilde dar. Angesichts der organisatorischen<br />

Überschneidungen und großen Unterschiede in der Auslastung der einzelnen<br />

Werke war die Vergeudung von Ressourcen unvermeidlich. Die<br />

Unternehmensleitung beschloss daher, die Vielzahl der für den Export<br />

zuständigen Verwaltungsorganisationen des Konzerns zusammenzufassen<br />

und errichtete im November 1908 die „Central-Verwaltung Übersee“ (CVU).<br />

Die CVU hatte die Aufgabe, eine allgemeine Linie für das gesamte<br />

Auslandsgeschäft des Siemens-Konzerns auszuarbeiten. Darüber hinaus<br />

nahm sie Bestellungen aus dem Ausland entgegen, leitete diese an die<br />

Einzelunternehmen weiter und überwachte ihre Erledigung. Ferner hatte sie<br />

die Aufgabe, die Geschäfte der Auslandsstützpunkte zu kontrollieren, und<br />

befand über Personal- und Verwaltungsangelegenheiten der Stützpunkte. Als<br />

erster Direktor der CVU fungierte Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens.<br />

84 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 71 ff.<br />

85 Vgl. Jacob-Wendler, Elektroindustrie, S. 219 ff.<br />

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Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg besaß das Unternehmen in zehn<br />

Ländern Tochtergesellschaften mit Produktionsanlagen und in 49 Ländern<br />

insgesamt 168 Stützpunkte. 86<br />

Durch den Ersten Weltkrieg war Siemens von allen ausländischen<br />

Absatzmärkten abgeschnitten. Die deutsche Niederlage und der Versailler<br />

Vertrag trafen das internationale Geschäft von Siemens schwer. Den<br />

Kriegsgegnern wurde das Recht zugesprochen, deutsches Eigentum zu<br />

liquidieren und gegen eigene Forderungen aufzurechnen Dieses bedeutete<br />

für international operierende Konzerne den Verlust von Niederlassungen,<br />

Fertigungsstätten Patenten und Markennamen. Siemens verlor sein gesamtes<br />

Vermögen im gegnerischen Ausland, insbesondere die Fabriken in England<br />

und Russland.<br />

Trotz der erheblichen Belastung entschloss sich Siemens im Jahr 1919 erneut<br />

aus der Erkenntnis heraus, dass der deutsche Markt für eine Auslastung der<br />

vorhandenen Elektroindustrie keineswegs ausreichte und die<br />

Konkurrenzfähigkeit des Hauses langfristig nur im internationalen Wettbewerb<br />

gesichert werden könnte sich um alte und neue Exportmärkte zu bemühen<br />

und im Ausland auch wieder neue Vertriebsgesellschaften und<br />

Fertigungsstätten zu errichten. Die Wiedererlangung einer führenden Position<br />

auf dem Weltmarkt gestaltete sich jedoch schwierig. Dafür waren mehrere<br />

Faktoren verantwortlich. Während des Kriegs, als deutsche<br />

Ausfuhrlieferungen nicht mehr zur Verfügung standen, waren in vielen<br />

Märkten neue Konkurrenzunternehmen entstanden. Diese wurden nun oft<br />

durch ihre Regierung bei der Auftragsvergabe begünstigt oder durch<br />

86 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 39 ff. Die Stützpunkte wurden je nach dem Land, in dem sie<br />

sich befanden, in eine deutsche und eine britische Gruppe aufgeteilt. Zur Gruppe I der<br />

beiden deutschen Siemens-Unternehmen zählten Länder, in denen Deutschland starken<br />

wirtschaftlichen Einfluss ausübte oder in denen das Unternehmen bereits über eine<br />

gewisse Position verfügte. Die Gruppe II bezeichnete dagegen die britische<br />

Wirtschaftssphäre. Unabhängig von der Zuordnung zu den jeweiligen Überseeabteilungen<br />

repräsentierte jeder Stützpunkt von Siemens nach außen den Gesamtkonzern.<br />

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Einfuhrzölle oder auch nicht tarifäre Handelsbeschränkungen (wie z.B.<br />

Importkontingente) geschützt. Zweitens gab es aufgrund der Kapitalmarktlage<br />

in Deutschland Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Auslandsgeschäfts.<br />

Dritter Faktor war die nicht mehr in dem Maße wie vor 1913 gegebene<br />

technische Leistungsfähigkeit. Durch die auf die Kriegswirtschaft<br />

zurückzuführenden Versäumnisse in der Forschung war Siemens wie die<br />

gesamte deutsche Elektroindustrie in einigen Teilbereichen der<br />

Elektrotechnik, aber auch in der Ablauforganisation hinter die wichtigsten, vor<br />

allem amerikanischen Konkurrenten zurückgefallen. Diese Entwicklung führte<br />

einerseits dazu, dass Siemens die Zusammenarbeit mit ausländischen<br />

Großunternehmen intensivierte, die Erschließung der Auslandsmärkte mit<br />

Hilfe von Joint Ventures anging und sich andererseits die Waren- und<br />

Regionalstruktur des Exports änderte, wobei der Anteil der anspruchsvolleren<br />

Qualitätserzeugnisse gegenüber den im Ausland billiger hergestellten bzw. im<br />

Absatzland erzeugten einfachen elektrotechnischen Erzeugnissen langfristig<br />

zunahm. 87<br />

Um den in der Zwischenkriegszeit wachsenden Forderungen nach einer<br />

Produktion im Lande zu entsprechen, wurde die Zahl der Fertigungsstätten<br />

trotz aller Schwierigkeiten erhöht. Im Jahre 1936 gab es 16 Fertigungsstätten<br />

in Europa. Fabriken entstanden unter anderem in Italien, in der Schweiz, in<br />

87 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 233 ff. Der Verlust von Siemens Brothers in England<br />

bedeutete einen großen Rückschlag für die Firma, da sie nun unabhängig vom Mutterhaus<br />

und unter englischer Kontrolle stehend, jedoch den deutschen Namen sowie Erfindung<br />

und Erfahrung nutzend, als neuer Konkurrent auftrat. So hatte S&H noch kurz vor dem<br />

Ausbruch des Ersten Weltkriegs seine englischen Tochergesellschaften über das eigene<br />

System der automatischen Telefonie unterrichtet. Mit diesem Wissen trat Siemens<br />

Brothers schließlich in Konkurrenz mit Siemens. Erst nach persönlichem Kontakt beider<br />

Unternehmensleitungen kam es im Jahr 1929 zu einem Kooperationsvertrag, in dem<br />

vereinbart wurde, sich gegenseitig auf dem Heimatmarkt keine Konkurrenz zu machen<br />

und gemeinsam gegen den amerikanischen Konkurrenten ITT vorzugehen. Um die<br />

angestrebte wirtschaftliche Verständigung zu fördern, fand ein Aktientausch beider<br />

Unternehmen statt: Der Siemens-Konzern hielt nun 18,37 Prozent des Stammkapitals<br />

seiner ehemaligen Tochter Siemens Brothers.<br />

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Holland und in Schweden. Größere Fertigungsbetriebe lagen in Österreich, in<br />

der Tschechoslowakei, in Budapest, Mailand und Barcelona. Eine Sonderrolle<br />

nahm das Geschäft in den USA ein. Basierend auf den strategischen<br />

Überlegungen der Firmen wurden die Arbeitsgebiete in einem Vertrag mit<br />

Westinghouse aufgeteilt. Zusätzlich wurde in dem Vertrag ein regelmäßiger<br />

Austausch von Patenten und Erfahrungen beschlossen.<br />

Siemens verfügte am Ende der Zwischenkriegszeit im Ausland über ein für<br />

ein deutsches Unternehmen singuläres Netzwerk eigener Vertretungen im<br />

Ausland. 88<br />

88 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 233–241.<br />

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III. DAS OSTASIENGESCHÄFT DES HAUSES<br />

SIEMENS<br />

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1. Siemens in Japan<br />

1.1 Die Rahmenbedingungen<br />

1.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund<br />

Japan (jap. Nihon) ist ein der Ostküste des asiatischen Festlands<br />

vorgelagerter Inselstaat, der vom Pazifischen Ozean und dem Japanischen<br />

Meer umgeben ist. Die 3.000 km lange bogenförmige Inselkette ist mit<br />

377.484 km 2 flächenmäßig etwas größer als Deutschland. 89 Japan besteht<br />

aus vier Hauptinseln. 90<br />

Abbildung 2: Übersichtskarte Japan<br />

Hokkaido ist die nördlichste Hauptinsel und umfasst mit ihren Nebeninseln<br />

78.513 km 2 . Die dünnbesiedelte zweitgrößte Insel Japans ist damit ungefähr<br />

89 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 109.<br />

90 Vgl. Mayer/Pohl, Länderbericht, S. 21 ff.<br />

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so groß wie Österreich. Ihr Name setzt sich aus Hoku (Nord) und kaido<br />

(Küstenweg) zusammen. Wichtige Städte auf Hokkaido sind Sapporo sowie<br />

die südliche Hafenstadt Hakodate. Im Süden ist Hokkaido durch die Tsugaru-<br />

Straße von der Insel Honshu getrennt. 91<br />

Honshū ist die größte Insel Japans und wird auch als japanisches „Kernland“<br />

bezeichnet, weil sie circa 60 Prozent der Gesamtfläche Japans ausmacht.<br />

Honshū ist etwa 1.300 km lang und zwischen 50 und 240 km breit. Im Süden<br />

wird Honshū durch die Seto-Inlandsee von der Insel Shikoku getrennt. Im<br />

Südwesten liegt, getrennt von Honshū durch die Meeresstraße von<br />

Shimonoseki, die Insel Kyūshū. Der höchste Punkt auf Honshu ist der Berg<br />

Fuji mit 3.776 m Höhe. Auch der größte See Japans, der Biwa-See befindet<br />

sich auf Honshū. Größte Städte sind die Agglomerationsräume Tokio-<br />

Yokohama sowie Kobe-Osaka-Kyoto. Weitere wichtige Städte sind Nagoya,<br />

Hiroshima, Nigata sowie Sendai.<br />

Die sehr gebirgige Insel Kyūshū ist die südlichste der vier Hauptinseln und mit<br />

einer Fläche von 35.640 km² die drittgrößte und die zweit-<br />

bevölkerungsreichste Insel Japans. Die beiden wichtigsten Städte auf Kyūshū<br />

sind die Hafenstädte Fukuoka und Nagasaki.<br />

Die Insel Shikoku ist mit 18.000 km² die kleinste der vier Hauptinseln Japans.<br />

Die wichtigsten Städte auf Shikoku sind Takamatsu, Matsuyama, Tokushima<br />

und Kōchi. 92 Neben den vier Hauptinseln gibt es noch circa 4.000 kleine<br />

Inseln. Unter ihnen sind die Okinawa-Inseln, die sich von der Südspitze<br />

Kyushus bis fast nach Taiwan ausdehnen, die Bedeutendsten. 93 Von der<br />

gesamten Oberfläche Japans sind vier Fünftel Gebirge, sodass für<br />

Siedlungen und landwirtschaftlichen Anbau nur wenig Fläche vorhanden ist. 94<br />

Da die Hauptinseln nur eine durchschnittliche Breite von 180 km haben und in<br />

91 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 158 ff.<br />

92 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 164 ff. und S. 186 ff.<br />

93 Vgl. Meyer, Japan, S. 4.<br />

94 Vgl. Hall, Kaiserreich, S. 13.<br />

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ihrer Mitte von Wasserscheiden in einer Höhenlage von 1.000 bis 3.000 m<br />

durchzogen werden, gibt es Japan keine Flüsse von nennenswerter Länge. 95<br />

Die Klimazonen reichen von kühlgemäßigt im Norden bis warm-gemäßigt-<br />

subtropisch im Süden. Vom Frühsommer bis Anfang Herbst ist in Japan<br />

Taifun-Saison. Diese Wirbelstürme verursachen immer wieder verheerende<br />

Schäden auf den Inseln. 96 Auch durch andere Naturkatastrophen ist Japan in<br />

regelmäßigen Abständen bedroht. Mehrere Bruchstellen der Erdkruste, an<br />

denen sich tektonische Platten gegeneinander verschieben, verlaufen durch<br />

die Inselkette. So kommt es häufig zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen, die<br />

zum Teil gewaltige Schäden anrichten. Mit etwa 60 aktiven und unzähligen<br />

erloschenen Vulkanen ist Japan eines der vulkanreichsten Länder der Erde.<br />

Darüber hinaus verursachen Unterseebeben vor der Pazifischen Küste häufig<br />

große Flutwellen (Tsunamis), die über das Land hereinbrechen. 97<br />

Die japanische Zivilisation entwickelte sich in Folge der Insellage relativ<br />

isoliert und homogen. Das Inselreich erhielt zwar von China über die<br />

Kulturbrücke Korea beziehungsweise über das ostchinesische Meer nach<br />

Kyushu und Westhonshu wichtige kulturelle Impulse, wurde allerdings nie<br />

erobert. Die große Mehrheit der Japaner bekennt sich zu einem Synkretismus<br />

aus Shintoismus und Buddhismus. Daneben gibt es noch chinesische<br />

Einflüsse durch Daoismus und Konfuzianismus. Die Amtssprache ist<br />

Japanisch. Die japanische Sprache besitzt eines der komplexesten<br />

Schriftsysteme der Welt. 98 Der Staat und die Gesellschaft im vormodernen<br />

95 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 146.<br />

96 Vgl. Mayer/Pohl, Länderbericht, S. 21 ff.<br />

97 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 202 ff.<br />

98 Vgl. Mayer/Pohl, Länderbericht, S. 24, S. 463 ff. und S. 506 ff. Shinto ist keine<br />

Gründerreligion mit einer heiligen Schrift und daraus abgeleitetem Dogma. Grundlage ist<br />

der Glaube an übernatürliche Wesen, Gottheiten, die sich im Wirken der Natur offenbaren.<br />

Der Buddhismus erreichte Japan über China und Korea im 6. Jahrhundert n.Chr. Fast alle<br />

Sekten Japans gehören mit wenigen Ausnahmen dem Mahayana- Buddhismus („Großes<br />

Fahrzeug“) an.<br />

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Japan 99 gingen aus einem langjährigen Bürgerkrieg hervor. Zwischen 1467<br />

und 1600 kämpften Territorialfürsten des Kaiserreichs um die Herrschaft. 100<br />

99 Vgl. Meyer, Japan, S. 4, 8–13, und Pohl, S. 37–49. Die frühesten Nachweise für eine<br />

menschliche Besiedelung Japans reichen über 500.000 Jahre zurück. Die Bewohner<br />

Japans kamen in verschiedenen Einwanderungswellen aus innerasiatischen und<br />

indonesisch-polynesischen Völkern und lebten zunächst als Jäger und Sammler. Ab etwa<br />

1000 v. Chr. zeigen sich Ansätze für Ackerbau und Sesshaftigkeit. Ab circa 300 v. Chr.<br />

sind Kenntnisse über Metallverarbeitung und Nassfeldbau nachweisbar. Beachtliche<br />

kulturelle Einflüsse erreichten Japan aus China. Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. wurde die<br />

chinesische Schrift übernommen und ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. breiteten sich der<br />

Taoismus und der Buddhismus in Japan aus, der im Folgenden immer mehr mit dem<br />

traditionellen japanischen Ahnenkult des Schintoismus verschmolz. Der japanische Staat<br />

war feudal organisiert, ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. zentral unter der Herrschaft des<br />

Tenno. Im 8. Jahrhundert wurde Kyoto zur Residenzstadt des Kaiserhauses. In den<br />

folgenden Jahrhunderten schwand die zentrale Macht des Kaiserhauses drastisch, im<br />

Gegenzug zu der wachsenden partikularen Macht des aufkommenden Kriegeradels<br />

(Samurai). Ab dem 10. Jahrhundert kam es immer wieder zu offenen Kämpfen zwischen<br />

den mächtigsten Daimyio (Daimyio bedeutet wörtlich übersetzt: „großer Name“. Es ist der<br />

oberste Rang der Samurai, oft mit großen Ländereien belehnt, vergleichbar den deutschen<br />

Territorialfürsten im Mittelalter. Historisch ist der Begriff erst ab dem 15. Jahrhundert<br />

gebräuchlich (Vgl. Pohl, Geschichte, S. 37) sowohl untereinander als auch in wechselnden<br />

Koalitionen gegen die Herrscherdynastie des Tenno. Im 12. Jahrhundert verlor die<br />

Kaiserfamilie endgültig die Macht über Japan. Der zunächst mit ihm gegen andere Fürsten<br />

verbündete Miamoto Yoritomo zwang den Tenno, ihn zum Shogun (wörtlich übersetzt:<br />

„Großer General zur Unterwerfung der Barbaren“. Erstmals 720 mit dem Auftrag verliehen,<br />

die Ainu zu unterwerfen, später nur noch formaler Titel) zu ernennen, und riss die Macht<br />

an sich. Dabei wurden weder der Tenno noch die bestehenden Herrschaftsinstitutionen<br />

abgesetzt oder beseitigt, sondern mit den bestehenden militärischen Institutionen<br />

Yorimotos überlagert. Die konkrete Macht lag von nun an in den Händen des Shoguns,<br />

gestützt auf den Kriegeradel der Samurai. Dieses Regierungssystem wurde Bakufu<br />

genannt. Der Tenno blieb in seiner spirituellen Bedeutung weiterhin Gottkaiser aller<br />

Japaner, hatte keinerlei Macht mehr. In den folgenden Jahrhunderten ging der Titel des<br />

Shoguns mehrmals nach heftigen Kriegen an die stärkste Daimyio-Familie über.<br />

100 Vgl. Pohl, Geschichte, S. 42 ff. Im Kampf um die Vorherrschaft in Japan konnte sich<br />

schließlich Toyotomi Hideyoshi 1590 endgültig durchsetzen. Er errichtete eine neue<br />

Zentralgewalt und ließ alle Bauernkrieger und alle anderen Nichtsamurai entwaffnen.<br />

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Das Haus Tokugawa konnte den Kampf schließlich zu seinen Gunsten<br />

entscheiden und Japan eine Herrschafts- und Friedensordnung aufzwingen,<br />

die mehr als zweieinhalb Jahrhunderte Bestand haben sollte. 101 Das Amt des<br />

Kaisers (Tenno) wurde auf rituelle Aufgaben reduziert. Der siegreiche Fürst<br />

Tokugawa Ieyasu erhielt im Jahr 1603 den Titel Shogun. 102 Er zwang Japan<br />

eine Friedensordnung auf, die für über 250 Jahre unter ihm und seine<br />

Nachfolgern Bestand haben sollte. Japan war nun ein zentralisierter<br />

Feudalstaat. Die Hauptstadt wurde nach Edo verlegt. 103 Um eine Parteinahme<br />

fremder Mächte gegen die Herrschaft der Tokugawa auszuschließen,<br />

schotteten seine Nachfolger Japan ab 1637 gänzlich von der Außenwelt<br />

abschotten. Kein Ausländer durfte Japan betreten, lediglich in Nagasaki, im<br />

Territorium des Shoguns, durften die Holländer einen kleinen Inselstützpunkt<br />

unterhalten. Die Isolation endete erst als zu Beginn der 1850er Jahre eine<br />

amerikanische Flotte unter dem Kommando des US-Admirals Matthew Perry<br />

in Japan landete. Durch diplomatisches Auftreten gelang es Perry, die<br />

Shogunats-Regierung soweit einzuschüchtern, dass Japan der Freigabe<br />

seiner Häfen sowie der Unterzeichnung von Freundschafts- und<br />

Handelsverträgen zustimmte.<br />

Diese Maßnahme führte zu einer scharfen Trennung zwischen nunmehr waffenlosen<br />

Bauern und dem einzig zum Waffentragen berechtigten Kriegeradel der Samurai. Um die<br />

nach Einigung des Landes potentiell gefährlichen Samurai zu binden, befahl Hideoshi<br />

einen Koreafeldzug. Die Eroberung Koreas verlief mit 200.000 Mann zunächst problemlos<br />

bis zum chinesischen Grenzfluss Yalu. Schließlich griff China massiv in den Kampf ein<br />

und konnte die Japaner nach großen Verlusten zum Rückzug zwingen.<br />

101 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 13.<br />

102 Vgl. Piper, Japans, S. 15. Tokugawa war zuvor Verbündeter und oberster Regent<br />

Hideoshis gewesen und sollte für dessen Sohn den Thron sichern. Wie Hideoshi zuvor bei<br />

Nobunga riss auch Tokugawa die Macht an sich, schaffte es jedoch auch, diese in seiner<br />

Familie zu halten. Vgl. Totman, History, S. 215 f.<br />

103 Getrieben durch die alternierende Residenzpflicht (jeder Daimyio musste sich zeitweise in<br />

Edo aufhalten. War er abwesend, musste er seine Familie als Geiseln in Edo lassen),<br />

wurde Edo zur damals größten Stadt der Welt mit über 1 Million Einwohnern. Vgl.<br />

Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 22.<br />

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In der Folgezeit schloss Japan unter militärischem Druck ähnliche Verträge<br />

mit Großbritannien (1854), Russland (1855), den Niederlanden (1856),<br />

Frankreich und Preußen (1861). 104<br />

Diese Schwäche gegenüber dem Ausland 105 zeigte auch eine innere<br />

Schwäche des Systems und trug dazu bei, die Herrschaft des Bakufu zu<br />

untergraben. Als der Shogun den Tenno Mutsuhito schließlich um<br />

Unterstützung und Zustimmung zu den Verträgen mit den ausländischen<br />

Mächten bat, lehnte dieser ab. 106 Infolge dessen kam es wiederholt zu<br />

landesweiten Aufständen gegen den Shogun nach dem Motto „Ehret den<br />

Tenno, vertreibt die Barbaren“. Oppositionelle Daimyos 107 verbündeten sich<br />

daraufhin mit dem Tenno und schließlich legte der letzte Tokugawa-Shogun<br />

1867 sein Amt nieder. 108 Der Tenno erklärte das Bakufu für aufgelöst und die<br />

Lehen des Shogun für eingezogen. Der Regierungssitz wurde aus Kyoto in<br />

die alte Bakufu-Hauptstadt Edo verlegt und der Kaiser gab ihr den Namen<br />

104 Erst in den 1890er Jahren gelang eine Revision der „ungleichen Verträge“. Als Erstes<br />

gelang dies 1894 mit England. Dabei war Aoki Shuzo federführend, der zu diesem<br />

Zeitpunkt Botschafter in London war und beim Aufbau des Siemens-Geschäftes in Japan<br />

eine wichtige Rolle spielte. Die volle Zollhoheit erlangte Japan jedoch erst 1911 wieder.<br />

Vgl. Inoue, Geschichte, S. 288 f., und Zöllner, Geschichte, S. 141 und S. 269 ff., sowie<br />

Hartmann, Geschichte, S. 74.<br />

105 Diese Schwäche war vor allem durch den grundsätzlichen Verzicht des japanischen<br />

Militärs auf Feuerwaffen begründet. Zwar gab es niemals ein offizielles Verbot, das<br />

Tokugawa-Bakufu hatte die Fertigung jedoch zunächst monopolisiert und ab 1696 ganz<br />

einstellen lassen. So erwarteten Perry nur wenige und zudem jahrhundertealte Geschütze<br />

in der Bucht von Tokio. Vgl. Perrin, Feuerwaffen, S. 53, S. 70 f. und S. 74.<br />

106 Der Tenno erkannte diese „Verträge der Schande“ erst 1865 an. Vgl. Hartmann,<br />

Geschichte, S. 24.<br />

107 Daimyos waren landbesitzende Samurais.<br />

108 Gründe dafür waren zunächst der ungewisse Ausgang eines möglichen Bürgerkriegs, der<br />

aber in jedem Fall zu einer Schwächung Japans gegenüber dem Ausland geführt hätte,<br />

und die Hoffnung nach dem Rücktritt weiterhin eine führende Stellung einzunehmen, was<br />

auch gelang. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 25.<br />

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Tokyo („Östliche Hauptstadt“). 109 Nach und nach gelang es dem Kaiser auch<br />

die Daimyos geschickt aus ihren Positionen zu verdrängen 110 und Japan<br />

territorial neu zu ordnen. Durch die direkte Kontrolle des Landes war die<br />

Zentralregierung nun auch im Stande, Steuern auf Boden zu erheben und<br />

eigene Einnahmen zu generieren. 111 In weiteren Reformen wurden der<br />

Binnenhandel liberalisiert und erste <strong>Universität</strong>en gegründet. Daneben wurde<br />

eine starke kaiserliche Militärmacht nach westlichem Muster einschließlich<br />

einer Wehrpflicht geschaffen. 112 Der bisherige Kriegerstand der Samurai<br />

wurde in Folge dessen überflüssig. 113 Wiederholte Aufstände der Samurai<br />

109 Der Tenno zog somit in die alte Bakufu-Hauptstadt ein, und bezog dort den Palast des<br />

ehemaligen Shoguns ein. Damit hatte er nun auch symbolisch die Macht wieder an sich<br />

gezogen. Vgl. Meyer, Japan, S. 128.<br />

110 Da die Daimyio ihre Gebiete vom Shogun erhalten hatten, wurden sie überzeugt, diese<br />

nun dem Tenno zu geben, um sie danach von ihm als Lehen zurückzuerhalten. Die alten<br />

Daimyio bekamen ihre Han wirklich zurück, allerdings nun als Gouverneure kaiserlicher<br />

Provinzen. Das Lehensverhältnis wurde so in ein Beamtenverhältnis überführt, erst 1871<br />

setzte die Zentralregierung alle Daimyio-Gouverneure ab, entschädigte sie jedoch<br />

materiell durch große kaiserliche Pensionen. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I,<br />

S. 36 f.<br />

111 Die Einnahmen reichten trotzdem bei Weitem nicht aus um die enormen Ausgaben für<br />

Kriege und Pensionen zu decken. Die Zentralregierung lieh Geld bei Händlern und<br />

Gewerbetreibenden, was deren Aufstieg als soziale Schicht begünstigte. Vgl. Hentschel,<br />

Wirtschaftsgeschichte I, S. 37.<br />

112 Vgl. Krieger, Geschichte, S. 215. Ein Admiralsstab nach britischem Vorbild wurde<br />

geschaffen. Englische Fachleute wurden zur Verbesserung der Marine und preußische<br />

Fachleute zur Modernisierung des Heeres eingesetzt. Zahlreiche junge Japaner wurden<br />

auf ausländische Militärschulen entsandt. Vgl. hierzu Lone, Army, S. 19 f.<br />

113 Die Samurai wurden finanziell entschädigt. Die dafür anfangs gewährte kaiserliche<br />

Pension wurde später, ebenso wie die der Daimyio, durch staatliche<br />

Schuldverschreibungen einmalig abgegolten. Dies begünstigte die Kapitalbildung und trug<br />

somit auch zur späteren Industrialisierung bei. Vgl. Totman, History, S. 292.<br />

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gegen ihre Entmachtung wurden von der neuen, moderner ausgerüsteten<br />

Wehrpflichtarmee gewaltsam niedergeschlagen. 114<br />

Auf der Grundlage der immer weiter voranschreitenden ökonomischen und<br />

militärischen Modernisierung entwickelte sich in Japan eine zunehmend<br />

expansionistische Außenpolitik, deren erstes Opfer Korea wurde. 115<br />

In einem ersten Schritt zwang Japan mit einer ähnlichen<br />

„Kanonenbootdiplomatie“, wie Perry gegenüber dem japanischen Shogunat,<br />

Korea gewaltsam zur Aufnahme politischer und wirtschaftlicher Beziehungen.<br />

Dabei war die japanische Politik darauf ausgerichtet, die chinesische<br />

Vormachtstellung über Korea zu brechen. Die zunehmenden Spannungen<br />

mündeten schließlich im Jahr 1894/95 im ersten Chinesisch-Japanischen<br />

Krieg, nach dem es im Februar 1894 zu einem Volksaufstand in Korea kam.<br />

Nach dem Volksaufstand im Februar 1894 bat die koreanische Regierung ihre<br />

Schutzmacht China um eine militärische Intervention. Japan reagierte darauf,<br />

indem es „unaufgefordert“ ebenfalls Truppen nach Korea entsandte, aber<br />

nicht aktiv in den Konflikt eingriff. Im weiteren Verlauf verhandelten China und<br />

Japan über Reformen in Korea. Japan forderte die Loslösung Koreas aus der<br />

chinesischen Tributherrschaft, was von chinesischer Seite abgelehnt wurde.<br />

Eine militärische Konfrontation war die Folge. Dabei war die chinesische<br />

Armee zwar zahlenmäßig überlegen, aber schlecht ausgebildet und<br />

114 Der bekannteste der aufständischen Samurai ist Saigo Takamori. Zunächst war er als<br />

Reformer am Sturz des Bakufu beteiligt. 1877 führte er dann 23.000 aufständische<br />

Samurai zu einem Marsch auf Tokio. Die Revolte wurde blutig niedergeschlagen und<br />

Saigo gab sich selbst den Tod. Später wurde ihm aber ein ehrendes Andenken zu teil. Vgl.<br />

Zöllner, Geschichte, S. 228 f. und S. 233 f.<br />

115 Nachdem dennoch 1874 ein Botschafteraustausch zwischen Japan und Korea vereinbart<br />

worden war, wurde der japanische Gesandte jedoch zurückgewiesen. Ein japanisches<br />

Kanonenboot bombardierte Seoul und nach weiteren Machtdemonstrationen der<br />

japanischen Marine ließ sich Korea auf den (ungleichen) Vertrag von Kanghwa ein. Später<br />

nötigten auch andere Mächte Korea ungleiche Verträge auf. Vgl. Meyer, Japan, S. 160 f.<br />

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ausgerüstet. 116 So gelang es Japan im September 1894 einen wichtigen Sieg<br />

über die chinesische Flotte zu erringen. 117 Die japanischen Truppen<br />

überschritten schließlich im Oktober 1894 den chinesisch-koreanischen<br />

Grenzfluss Yalu und trugen den Krieg auf chinesisches Territorium. Mit der<br />

Eroberung der Liaodong- und Shandonghalbinsel war der Krieg militärisch zu<br />

Gunsten Japans entschieden. 118 Das ohnehin durch das Eindringen<br />

europäischer Kolonialmächte stark geschwächte China bat 1895 um Frieden.<br />

Im Rahmen der Verhandlungen musste China im Frieden von Shimonoseki<br />

die Unabhängigkeit – de facto die japanische Besetzung – Koreas<br />

anerkennen, eine enorme Kriegsentschädigung zahlen sowie Formosa und<br />

die strategisch hochbedeutsame Liaodong-Halbinsel abtreten. 119<br />

Die sich durch den Friedensvertrag abzeichnende große Erweiterung der<br />

japanischen Machtsphäre im Fernen Osten weckte allerdings bei den<br />

okzidentalen Mächten, vor allem bei Russland, Misstrauen hinsichtlich der<br />

weiteren Expansionsbestrebungen Japans. 120 Daher intervenierten Russland,<br />

Frankreich und das Deutsche Reich, bevor der Friedensvertrag von<br />

Shimonoseki in Kraft trat, massiv zugunsten Chinas (Tripelintervention) und<br />

forderten die Rückgabe der Liaodong-Halbinsel. Die drei europäischen<br />

Großmächte setzten sich mit ihren Forderungen trotz massiver Proteste der<br />

Öffentlichkeit in Japan durch. In der Folge entwickelte sich in Japan gegen die<br />

intervenierenden Mächte – vor allem gegen Deutschland – eine nachhaltige<br />

Antipathie. Dennoch zog Japan seinen Anspruch auf die Liaodong-Halbinsel<br />

zurück und forderte stattdessen eine Reparationssumme von 30 Millionen<br />

Taels. 121 Angesichts eines sich abzeichnenden Konflikts mit Russland<br />

investierte Japan die Zahlungen Chinas in den Ausbau der Marine und der<br />

116 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 271.<br />

117 Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 82.<br />

118 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 271.<br />

119 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 69.<br />

120 Vgl. Nish, Origins, S. 24 f.<br />

121 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 271.<br />

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Werften, 122 denn auch Russland verfolgte Anfang des 20. Jahrhunderts eine<br />

expansive Außenpolitik und versuchte seinen Einfluss in der Mandschurei und<br />

Korea weiter auszubauen. 123 Japan realisierte die potenzielle Bedrohung und<br />

griff – nachdem es sich Englands Neutralität gesichert hatte 124 – am 8.<br />

Februar 1904 überraschend die russische Pazifikflotte an. Binnen weniger<br />

Monate gelang es diese weitgehend auszuschalten. Anfang 1905 besetzte<br />

Japan die Mandschurei und im Mai 1905 wurde die russisch-baltische Flotte<br />

bei Tsushima vernichtend geschlagen. 125 Der vereinbarte Friedensvertrag<br />

regelte, dass Russland den südlichen Teil der Insel Sachalin, die Liaodong-<br />

Halbinsel mit allen Häfen sowie die ostchinesische Eisenbahn an Japan abtrat<br />

und Japans Oberhoheit über Korea anerkannte. 126 Zum ersten Mal seit<br />

Beginn des Imperialismus und der Industrialisierung war eine europäische<br />

Macht von einem außereuropäischen Land besiegt worden. Japan stieg damit<br />

endgültig zur dominierenden Großmacht in Asien auf. 127 1910 nutzte Japan<br />

122 85 Prozent der chinesischen Zahlungen wurden in den Ausbau von Marine und Heer<br />

investiert, der Rest für die weitere Industrialisierung verwandt. Vgl. Hartmann, Geschichte,<br />

S. 85.<br />

123 Russland konnte 1898 einige Häfen, unter anderem Port Arthur, auf der Liaodong<br />

Halbinsel von China „pachten“ (de facto besetzten). Russland plante, hier die<br />

transsibirische Eisenbahn enden zu lassen, um eisfreie Häfen mit gesichertem Nachschub<br />

für seine Pazifikflotte zu erhalten. Des Weiteren entsandte Russland Finanz- und<br />

Militärberater nach Korea, gründete eine russisch-koreanische Bank und kaufte größere<br />

Gebiete an der koreanisch-russischen Grenze. Vgl. Nish, Origins, S. 30–34, und<br />

Hartmann, Geschichte, S. 94.<br />

124 Großbritannien, durch Russland im Bündnis mit Frankreich kolonial herausgefordert,<br />

verschaffte sich durch den japanisch-britischen Defensivpakt 1902 Erleichterung seiner<br />

Verpflichtungen im Pazifik. Vgl. Kreiner, Krieg, S. 29.<br />

125 Vgl. Kreiner, Krieg, S. 17 f.<br />

126 Vgl. Kreiner, Krieg, S. 19 ff.<br />

127 Im Verhältnis zu den anderen europäischen Großmächten blieb Japan jedoch trotz dieser<br />

glanzvollen Siege unterlegen. Es hatte die Möglichkeit gegen ein vom Westen bereits<br />

geschwächtes feudales China und ein rückständiges zaristisches Russland ohne Eintritt<br />

anderer Großmächte kämpfen zu können. Auch die eigene Rüstungsproduktion blieb<br />

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antijapanische Aufstände in Korea, um es vollständig zu annektieren und<br />

offiziell zur japanischen Kolonie zu machen. 128 1912 verstarb der Meiji Tenno<br />

und sein Sohn Yoshihito (Taisho) wurde sein Nachfolger. In der Taisho-<br />

Periode („große Rechtschaffenheit“ 1912-1926) wurde die 1890 eingeführte<br />

Verfassung 129 um verschiedene demokratische Elemente ergänzt. 130<br />

Bei Eintritt in den Ersten Weltkrieg ersuchte England seinen japanischen<br />

Verbündeten, die englischen Häfen nahe China zu schützen, was Japan<br />

Gelegenheit gab, auf Seiten der Entente in den Krieg einzutreten. 131 Innerhalb<br />

weniger Monate waren die deutschen Kräfte in China und auf den Südsee-<br />

Inseln geschlagen. Japan konnte sein Kolonialreich ohne große<br />

Anstrengungen um Kiautschou mit der gut ausgebauten Hafenstadt Tsingtau<br />

und die Karolinen-, Marianen- und Marshallinseln sowie Palau erweitern. Im<br />

Wissen, dass die anderen Mächte mit dem Krieg in Europa beschäftigt waren<br />

setzte Japan gegen China seine Interessen rigoros durch und baute seinen<br />

bescheiden, Japans Marine vertraute auf in England gebaute Schlachtschiffe, die Armee<br />

auf Kanonen von Krupp. Vgl. Kennedy, Aufstieg, S. 319 f.<br />

128 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 159.<br />

129 1889 wurde eine nach europäischem Vorbild gestaltete Verfassung eingeführt und 1890<br />

kam Japans erstes Parlament erstmals zusammen. Eine Verfassung war vom Tenno unter<br />

innenpolitischem Druck bereits 1881 zugesagt worden. Ab 1882 bereisten Gesandte<br />

Europa um Vorbilder für eine japanische Verfassung zu finden. Die japanische Verfassung<br />

ähnelt der damaligen deutschen Verfassung. Es gab ein Zensuswahlrecht und der Tenno<br />

behielt wesentliche Rechte, wie die, den Krieg zu erklären, Verträge mit dem Ausland zu<br />

schließen und den Oberbefehl über die Streitkräfte. Auch das Budgetrecht des Parlaments<br />

war eingeschränkt: Fand ein neuer Haushalt keine Mehrheit, galt erneut der des<br />

Vorjahres. Das Parlament hatte im Wesentlichen nur das Recht neue Steuern zu<br />

verweigern. Vgl. Beasley, Rise, S. 76 ff.<br />

130 Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 117.<br />

131 Japan stellte für die Entente einen eher unerwünschten Verbündeten dar. Die Entente-<br />

Mächte waren auf dem europäischen Schlachtfeld gebunden und konnten so nur zusehen,<br />

wie ein aufsteigendes Japan auf einem Nebenkriegsschauplatz schnelle Beute machte.<br />

Vgl. Meyer, Japan, S. 174 ff.<br />

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Einfluss dort weiter aus. 132 Seine Gebietsgewinne konnte Japan im Vertrag<br />

von Versailles zunächst behaupten, lediglich Tsingtau und das umliegende<br />

Gebiet mussten 1922 auf US-amerikanischen Druck hin an China<br />

zurückgegeben werden. 133<br />

Außenpolitisch geriet Japan allerdings nach der Auflösung der Entente<br />

weitgehend in die Isolation. Die anderen Großmächte waren nicht mehr bereit,<br />

eine weitere imperiale Ausdehnung Japans in Asien zu tolerieren. Auf der<br />

Washingtoner Konferenz 1921 musste sich Japan auf eine Begrenzung seiner<br />

Flotte einlassen, da es auf amerikanische Rohstoffe und den amerikanischen<br />

Absatzmarkt angewiesen war. Es erreichte jedoch im Gegenzug einen<br />

Baustopp für Festungen und Militärstützpunkte der anderen Großmächte im<br />

Pazifik, so dass Japan weiterhin unangefochtene Großmacht in Südostasien<br />

blieb. 134<br />

1926 fand in Japan ein Wechsel auf dem Thron statt. Dem verstorbenen<br />

Kaiser Yoshihito folgte sein Sohn Hirohito, der wegen einer schweren<br />

Erkrankung seines Vaters allerdings schon seit 1921 die Staatsgeschäfte<br />

geführt hatte. Die 1920er Jahre waren in Japan gekennzeichnet von<br />

132 So sicherte sich Japan die vorherigen deutschen Sonderrechte in Tsingtau und festigte<br />

seinen Einfluss auf die Mandschurei auf Kosten Russlands und Chinas. Es sicherte auch<br />

seine Rohstoffversorgung durch Beteiligung an chinesischen Kohle- und Erzbergwerken<br />

und zwang China keine Häfen an europäische Mächte zu verpachten. Vgl. Hartmann,<br />

Geschichte, S. 120.<br />

133 Mit Vertrag vom 4. Februar 1922 verpflichtete sich Japan, seine Truppen zurückzuziehen<br />

und die ehemaligen deutschen Pachtrechte an China zurückzugeben. Die dortigen<br />

chinesischen Kohle- und Erzbergwerke wurden fortan unter chinesisch-japanischer<br />

Verwaltung geführt. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 141.<br />

134 Japans Flottenstärke wurde auf 60 Prozent der Stärke der Flotte Großbritanniens oder der<br />

USA beschränkt. Japan besaß in seinem Interessengebiet jedoch weiterhin die stärkste<br />

Position. Es verfügte über ein ausgedehntes Stützpunktsystem und die Flotte der USA war<br />

auch im Atlantik gebunden, während die britische Flotte weltweit verstreut war. Die<br />

Beschränkungen seiner Armee und Flotte nutzte Japan, um das hohe Militärbudget<br />

drastisch zu senken und die Staatsausgaben zu ordnen. Vgl. Hartmann, Geschichte,<br />

S. 141.<br />

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Bauernaufständen, militanten Streiks und zahlreichen Regierungswechseln. 135<br />

Die politisch unruhige Situation verschärfte sich Anfang der 1930er Jahre<br />

noch zusätzlich, als die Weltwirtschaftskrise auch Japan erreichte und zu<br />

Hungersnöten und zur Verelendung ganzer Landstriche führte. 136 Als 1932<br />

mehrere Regierungsmitglieder, darunter auch der amtierende Premier,<br />

ermordet wurden, übernahm das Militär vollständig die Staatsgeschäfte. Es<br />

regierte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mit Notverordnungen und<br />

verfolgte eine äußerst expansive Außenpolitik. 137 So besetzte Japan Anfang<br />

der 1930er Jahre eigenmächtig die Mandschurei 138 und rief 1932 den von<br />

China unabhängigen, japanisch kontrollierten Marionettenstaat Mandschuko<br />

aus. Als Staatsoberhaupt wurde der letzte chinesische Kaiser Pu Yi<br />

eingesetzt. 139 Nach weltweiten Protesten gegen das japanische Vorgehen,<br />

trat Japan 1933 aus dem Völkerbund aus.<br />

Um seine außenpolitische Isolation zu durchbrechen schloss Japan 1936<br />

einen Bündnisvertrag mit Deutschland. 140 Das Verhältnis zu den USA wurde<br />

dadurch jedoch zunehmend schwieriger. Daher rückte auch China mit seinen<br />

reichen Kohle- und Erzvorkommen immer mehr ins Zentrum der japanischen<br />

Expansionsbestrebungen, um dadurch unabhängig von den Rohstoffimporten<br />

aus den USA zu werden. Nachdem eine gewaltfreie Einigung mit den<br />

135 Vgl. Zöllner, Geschichte, S. 326.<br />

136 Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 312.<br />

137 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 15.<br />

138 Das Militär hatte die Mandschurei nach der Inszenierung eines Terroranschlages als<br />

Vorwand besetzt. Es handelte sich dabei um den sogenanten Mukden-Zwischenfall. Am<br />

18. September 1931 sprengten japanische Offiziere die Eisenbahnlinie vor Mukden. Dies<br />

diente als Vorwand um aus „Sicherheitsgründen“ die gesamte Mandschurei zu besetzen.<br />

Vgl. Beasley, Rise, S. 170 ff.<br />

139 Vgl. Beasley, Rise, S. 170 ff.<br />

140 Auch Deutschland hatte so 1933 den Völkerbund verlassen und war dadurch politisch<br />

relativ isoliert. Beide Staaten wollten ihre Isolierung durchbrechen, sie einte dadurch<br />

außerdem ihr strikter Antikommunismus. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 186.<br />

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chinesischen Nationalisten unter Tschiang Kaischeck gescheitert war, 141 kam<br />

es 1937 zu einem Feuergefecht zwischen japanischen und republikanisch-<br />

chinesischen Truppen, 142 infolge dessen Japan die Invasion Nordchinas<br />

durchführte. 143 Nach anfänglichen Erfolgen 144 und der Besetzung der<br />

gesamten chinesischen Küste stockte der Vormarsch ab 1938. Der Krieg in<br />

China erwies sich für Japan als sehr verlustreich und kostspielig. 145 Bereits<br />

1938 hatte die japanische Militärregierung die „neue Ordnung für Ostasien“<br />

ausgerufen, nach der Invasion erklärte Japan 1940 die besetzten Gebiete<br />

schließlich zum „größeren ostasiatischen Raum gemeinsamen<br />

Wohlergehens“. Innenpolitisch wurde die gesamte Wirtschaftsplanung auf<br />

Kriegswirtschaft umgestellt und alle Parteien und Gewerkschaften<br />

zwangsweise in „Verbände der patriotischen Einigung“ überführt. 146 Als die<br />

japanische Armee im Juli 1941 weiter nach Indochina vordrang, stieß Japan<br />

141 Japan bemühte sich um Verständigung mit Tschiang Kaischeck und bot Unterstützung<br />

gegen Maos Kommunisten als Gegenleistung für die Anerkennung Mandschukos an. Die<br />

Nationalisten waren aber nicht bereit eine Zerstückelung Chinas hinzunehmen. 1935<br />

scheiterte der Versuch. 1936 einigten sich Kommunisten und Nationalisten auf einen<br />

Waffenstillstand und ein gemeinsames Vorgehen gegen Japan. Vgl. Beasley, Rise,<br />

S. 194 f.<br />

142 Am 7. Juli 1937 kam es zum Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke, chinesische Truppen<br />

eröffneten das Feuer. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 188.<br />

143 Erneut gab es hier eine gewisse Eigendynamik des einmal begonnen Kampfes, da die<br />

Armeeführung an einen schnellen Sieg nach der Einnahme der Nationalisten Hauptstadt<br />

Nanking glaubte. Vgl. Beasley, Rise, S. 197.<br />

144 Die Hoffnung, die Eroberung Nankings wäre auch der Sieg im Krieg gegen China, erfüllte<br />

sich nicht. Japanische Truppen massakrierten in Nanking circa 300.000 Menschen. Vgl.<br />

Chang, Rape, S. 102 f.<br />

145 Japan kämpfte nun gegen beide Parteien des chinesischen Bürgerkriegs, die zusammen<br />

gut zwei Millionen Männer stellten. Der zweite Chinesisch-japanische Krieg band eine<br />

Million japanische Soldaten auf einer Front von 2.500 km Länge. Vgl. Hartmann,<br />

Geschichte, S. 188 f.<br />

146 Fernziel war die Schaffung eines großen, allein vom industrialisierten Japan dominierten<br />

Wirtschaftsraums in ganz Südostasien, der Japan mit den dringend benötigten Rohstoffen<br />

versorgte, Nahziel die effektive, gewinnträchtige Ausnutzung der Rohstoffe der eroberten<br />

Gebiete. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 33.<br />

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auf heftigen Widerstand der USA. 147 Im weiteren Verlauf verhängten die USA<br />

ein Erdölboykott gegen Japan. Der asiatische Inselstaat stand nun vor der<br />

Wahl, den US-Forderungen nach einem Rückzug aus China und Indochina<br />

nachzukommen und seine Großmachtspläne aufzugeben, oder die<br />

umliegenden westlichen Kolonien mit Gewalt zu besetzen und sich so die<br />

benötigten Rohstoffe zu sichern.<br />

Das fernöstliche Kaiserreich entschied sich für die zweite Option. 148 Japan<br />

glaubte an einen schnellen Sieg aufgrund des Überraschungsmoments und<br />

griff am 7. Dezember 1941 den US-amerikanischen Hafen Pearl Harbour<br />

an. 149 Gestützt auf seine übermächtige Flugzeugträgerflotte dominierte Japan<br />

mehr als ein Jahr lang den gesamten Pazifik und eroberte Hongkong,<br />

Malaysia, Singapur, die Philippinen, Niederländisch-Ostindien und Burma. 150<br />

Nach der Schlacht um Midway im Mai 1942 war die japanische Dominanz<br />

gebrochen 151 und Japan geriet durch das übermächtig erscheinende<br />

Rüstungspotenzial der Amerikaner zunehmend in die Defensive. 152 Die<br />

147 Die USA sahen in Japans Expansionspolitik seit längerem eine Herausforderung ihrer<br />

eigenen imperialen Politik. Die japanischen Truppen lagen nun in Saigon, in unmittelbarer<br />

Nähe des De facto US-Protektorats Philippinen. Vgl. Hartmann, Geschichte, S. 198.<br />

148 Japan war auf Einfuhren aus den USA und dem britisch, niederländisch und US-<br />

amerikanisch beherrschten Südostasien angewiesen: Es importierte 90 Prozent seines<br />

Erdöls, davon 66 Prozent aus den USA. Zur Stahlerzeugung wurde mangels eigener<br />

Erzvorkommen Schrott ebenfalls größtenteils aus den USA, eingeführt. Vgl. Hentschel,<br />

Wirtschaftsgeschichte II, S. 37.<br />

149 In der Literatur ist wiederholt der Hinweis zu finden, die US-Regierung habe von dem<br />

bevorstehenden Angriff gewusst, habe jedoch keinerlei Gegenmaßnahmen eingeleitet, um<br />

eine Rechtfertigung für den Kriegseintritt zu haben. Vgl. Stinnet, Pearl Harbour, S. 13, und<br />

Hartmann, Geschichte, S. 199.<br />

150 Vgl. Beasley, Rise, S. 205.<br />

151 Wegen eines unnötig komplizierten Aufmarschplans verloren die Japaner hier vier<br />

Flugzeugträger. Dieser Verlust eines beträchtlichen Teils ihres Offensivpotentials leitete<br />

das Ende der japanischen Dominanz im Pazifik ein. Vgl. Kennedy, Kampf, S.130 ff.<br />

152 So war die Rüstungsproduktion der USA bereits 1941 mehr als viermal so groß wie die der<br />

Japaner, 1943 sogar achtmal so groß. 1943 produzierten die USA pro Tag ein Schiff und<br />

alle fünf Minuten ein Flugzeug. Vgl. Kennedy, Aufstieg, S. 530.<br />

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Atombombenabwürfe auf Nagasaki und Hiroshima bedeuteten das Ende des<br />

japanischen Großmachtsstrebens. Japan war vernichtend geschlagen und der<br />

Tenno erklärte am 15. August 1945 die bedingungslose Kapitulation. 153<br />

1.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung<br />

In Folge der sogenannten Meiji-Reformen in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts kam es zu wesentlichen wirtschaftlichen Veränderungen. Vor<br />

Beginn der Reformen hatte es in Japan kaum industrielle Produktion<br />

gegeben. Lediglich im Textilbereich war für Seide- und Baumwolle ein<br />

Manufaktur- beziehungsweise Verlagswesen vorhanden. Durch die Reformen<br />

wurden mit Hilfe von Verbrauchsteuern auf Reis und Tabak 154<br />

Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet, die die Verantwortlichen für eine<br />

gezielte Industrieförderung und eine Modernisierung des Verkehrs- und<br />

Nachrichtenwesen einsetzten. 155 In dieser Zeit entstanden auch die ersten<br />

Zaibatsu. 156 Außerdem profitierten die Industrialisierungsbemühungen,<br />

vergleichbar mit der Industrialisierung in England oder Deutschland, von<br />

einem starken Bevölkerungswachstum.<br />

153 Seit 1944 verfügte Japan über keine nennenswerte Flotte mehr und führte nur<br />

Rückzugsgefechte. Es leistete trotzdem härtesten Widerstand. Die beiden Bomben töteten<br />

jeweils über 150.000 Menschen. Vgl. Beasley, Rise, S. 210 f.<br />

154 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 56 f.<br />

155 So wurden im Jahr 1869 die erste Telegraphenlinie errichtet und 1872 die ersten<br />

Eisenbahnen gebaut. Erstaunlicherweise wurde die erste Telegraphenlinie noch vor der<br />

Errichtung eines regelmäßigen Postverkehrs (1871) in Betrieb genommen. Vgl. Hartmann,<br />

Geschichte, S. 38 f.<br />

156 Wohlhabende Familien konnten staatlich gegründeten Musterfabriken bei Privatisierungen<br />

günstig erwerben und so den Grundstein für Konzerne legen. Zaibatsu bedeutet wörtlich<br />

übersetzt „vermögender Klan“, sinngemäß: „Holdinggesellschaft im Familienbesitz“. Meist<br />

waren es Familien-Dynastien niederer Samurai, die die Anti-Bakufu-Bewegung<br />

unterstützten und es in der neuen wirtschaftlich freien Gesellschaft als Bankiers und<br />

Fabrikanten schnell zu Vermögen, Macht und großen Firmenimperien brachten. Um nur<br />

einige zu nennen: Mitsui, Mitsubishi, Kawasaki und auch Furukawa. Vgl. Hartmann,<br />

Geschichte, S. 51 ff.<br />

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Zwischen 1875 und 1915 wuchs die Bevölkerung Japans von 35 Millionen auf<br />

über 52 Millionen Menschen an. Dies ist vor allem durch eine enorme<br />

Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge und der Produktivität bedingt.<br />

Durch neue Anbaumethoden, die Erschließung von neuem Ackerland und die<br />

zunehmende Verbreitung von Kunstdünger konnte der landwirtschaftliche<br />

Ertrag zwischen 1875 und 1915 verdoppelt werden, während der<br />

Arbeitskräfteeinsatz konstant blieb. 157<br />

Die Landwirtschaft stellte jedoch nicht nur die Grundlage für die wachsende<br />

Bevölkerung, sondern auch die Rohstoffe für die ersten japanischen<br />

Industrieprodukte bereit. Dies galt vor allem für Seidenkokons und die daraus<br />

hergestellten Seidenprodukte. Dies und die zunehmende Industrialisierung<br />

der Branche führten dazu, dass sich die Seidenproduktion zum wichtigsten<br />

Industrie- und Exportsektor Japans entwickelte. 158 Es folgten die<br />

Baumwollspinnerei und später die Weberei, die zum zweiten wichtigen<br />

Industriesektor wurden. 159 Der Aufbau einer eigenen Schwerindustrie ging nur<br />

schleppend voran, vor allem, weil Japan über keinerlei nennenswerte eigene<br />

Kohle- oder Eisenvorkommen verfügte. 160<br />

Der Erste Weltkrieg verlieh der japanischen Wirtschaft enorme<br />

Wachstumsimpulse. Angesichts der Kriegshandlungen waren die<br />

internationalen Warenströme völlig zum Erliegen gekommen. Die Lücken, die<br />

157 Der Einsatz von Handelsdünger, eine sorgfältige Saatgutauswahl und die<br />

Schädlingsbekämpfung sowie die Etablierung zweier Fruchtfolgen wurden nun in ganz<br />

Japan verbreitet. Darüberhinaus wurde die künstliche Bewässerung ausgebaut und<br />

zunehmend Kunstdünger eingesetzt. Der durchschnittliche Ertrag je Hektar wurde von 2,5<br />

Tonnen auf 3,8 Tonnen Reis gesteigert. Neben der Erschließung weiterer Ackerflächen<br />

erklärt dies den enormen Anstieg. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 126 ff.<br />

158 So stieg z.B. die Rohseidenproduktion von 1.000 Tonnen auf 13.000 Tonnen pro Jahr. Vgl.<br />

Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 132.<br />

159 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 134 ff.<br />

160 „Japan produzierte damals 26.000 Tonnen Roheisen pro Jahr, England stellte an einem<br />

Tag mehr her, Russland in einer Woche.“ Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I,<br />

S. 138 f.<br />

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die kriegführenden Länder auf den ostasiatischen Märkten hinterließen,<br />

konnten jedoch durch lokale Anbieter geschlossen werden. Vor diesem<br />

Hintergrund entwickelte sich die Belieferung der Alliierten mit Kriegsmaterial,<br />

vor allem mit Munition und Schiffen, zur Grundlage eines gewaltigen<br />

Kriegsbooms der japanischen Wirtschaft. 161 Eine besondere Bedeutung<br />

erlangte dabei der Schiffbau. 162 Japans Bruttosozialprodukt wuchs in den<br />

Kriegsjahren von 1914 bis 1918 um ein Drittel und die Industrieproduktion<br />

stieg sogar um die Hälfte an. 163 Nach Kriegsende blieben jedoch die<br />

Rüstungsbestellungen aus und die europäische Konkurrenz kehrte wieder in<br />

die asiatischen Märkte zurück. Die hastig errichteten japanischen Werften und<br />

Stahlwerke erwiesen sich als nicht konkurrenzfähig, zudem musste auch die<br />

Baumwollindustrie gegen die europäischen Konkurrenzprodukte von höherer<br />

Qualität ankämpfen. Trotz dieser wirtschaftlichen Probleme führten die hohen<br />

Gewinne aus den Kriegsaufträgen zunächst zu einem Börsenboom. 164 Als<br />

Mitte 1920 dennoch die Kurse einbrachen, rutschte Japan in eine tiefe<br />

Rezession. Verstärkt wurde sie zusätzlich durch sinkende Preise und<br />

steigende Arbeitslöhne. 165 Auch zeigte sich, dass die japanische Industrie<br />

während der Kriegsjahre Überkapazitäten aufgebaut hatte, was in den<br />

161 Vgl. Allen, History, S. 100 f. Zu den Profiteuren zählte einerseits die Textilindustrie, die nun<br />

nahezu ohne europäische Konkurrenten ihre Produkte in Ostasien absetzen konnte.<br />

Andererseits profitierte auch die bis dahin international kaum konkurrenzfähige<br />

Schwerindustrie extrem stark von der kriegsbedingten Nachfrage.<br />

162 Vgl. Lockwood, development, S. 39, und Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 161 f.<br />

Japans Handelsflotte wuchs von etwa 1,5 Millionen BRT im Jahr 1914 auf über<br />

2,8 Millionen BRT 1919. Während die eigene Handelsflotte nach mehr Schiffsraum<br />

verlangte, um das gestiegene Exportvolumen bewältigen zu können, fragten nun auch die<br />

Alliierten, deren Handelsflotten durch den deutschen U-Boot-Krieg ständig dezimiert<br />

wurden, verstärkt Schiffe nach. Bei Kriegsende war Japan hinter Großbritannien und den<br />

USA die drittgrößte Schiffsbaunation mit einem Anteil von acht Prozent an Weltproduktion.<br />

163 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 160 f.<br />

164 So stiegen die Kurse an der Tokioter Börse von 1919 bis 1920 um 145 Prozent. Vgl.<br />

Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 166.<br />

165 Im Krieg erstarkte militante Gewerkschaften setzten trotz Krise Lohnsteigerungen durch,<br />

häufige Arbeitskämpfe taten ein Übriges. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 167 f.<br />

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Folgejahren zu einer massiven Investitionsschwäche führte. 166 Insbesondere<br />

die Schiffbauindustrie hatte darunter schwer zu leiden. Waren 1919 noch<br />

jährlich 612.000 Bruttoregistertonnen Schiffstonnage produziert worden, fiel<br />

die Produktion bis 1927 auf 42.000 Bruttoregistertonnen. 167 Während das<br />

japanische Bankensystem einer wachsenden Wirtschaft Kapital zum<br />

Wachstum bereitstellen konnte, war es auf Rezession, Deflation und<br />

sporadische Schocks sehr schlecht vorbereitet. 168 So kam es 1927 zu einer<br />

Finanzkrise, bei der trotz großzügiger Regierungsinterventionen 84 Banken<br />

ihre Zahlungsunfähigkeit erklären mussten. 169 Insgesamt jedoch wuchs die<br />

japanische Wirtschaft in den 1920er Jahren stetig um gut sieben Prozent<br />

jährlich. Träger des Wachstums waren die traditionelle Seiden- und<br />

Textilindustrie 170 aber auch die aufstrebende und expandierende<br />

Elektroindustrie. 171 Die zunehmende Verbreitung von Elektromotoren in<br />

Fabriken trug auch zur Stärkung anderer Industriezweige bei. 172 Die<br />

Schwerindustrie war trotz beginnenden Wachstums international noch nicht<br />

wettbewerbsfähig. 173<br />

166 Hinzu kommt die allgemeine Investitionsunwilligkeit in einer deflationären Krise. Vgl.<br />

Patrick, Muddle, S. 211–266, hier S. 224 f.<br />

167 Der starke Rückgang hing aber auch damit zusammen, dass der Bedarf an Schiffen gegen<br />

null ging. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 180.<br />

168 Vgl. Patrick, Muddle, S. 240.<br />

169 Vgl. Hartmann, Geschichte, S.147, und Zöllner, Geschichte, S. 351.<br />

170 Die Produktion von Rohseide wurde in den 1920er Jahren um 75 Prozent gesteigert.<br />

Japan war größter Seidenproduzent der Welt und erzeugte zwei Drittel der Weltproduktion<br />

an Seide. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 182.<br />

171 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 177 f.<br />

172 1914 wurden nur 30 Prozent der Fabrikkraft durch E-Motoren erzeugt, 1919 bereits 60<br />

Prozent und 1930 sogar 90 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I, S. 178.<br />

173 So wurden 1927, trotz vorhandener Kapazität zur Erzeugung von 2,2 Millionen Tonnen<br />

Stahl, nur 1,6 Millionen Tonnen produziert und 900.000 Tonnen eingeführt, da<br />

ausländischer Stahl hochwertiger und billiger war. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte I,<br />

S. 181.<br />

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Angesichts der bereits wirtschaftlich schwierigen Situation bekam Japan ab<br />

1930 die Folgen der Weltwirtschaftskrise drastisch zu spüren: Die Preise und<br />

auch die Nachfrage nach japanischer Seide und Baumwolle in den USA fielen<br />

rasant 174 , andere wichtige Exportmärkte wie Indien erhöhten die Einfuhrzölle<br />

stark. In der Folge gingen die japanischen Exporterträge drastisch zurück. 175<br />

Die landwirtschaftlichen Erträge Japans fielen bis 1931 auf unter 60 Prozent<br />

des Wertes von 1929. Die drückende Steuer- und Kredit- beziehungsweise<br />

Pachtzinslast der Bauern und Pächter blieb jedoch unverändert hoch. Dies<br />

führte zur Verelendung ganzer Landstriche und zu Hungersnöten.<br />

Die neue Militär-Regierung brach 1932 mit der Ausgabendisziplin ihrer<br />

Vorgänger und erhöhte die Staatsausgaben erheblich, unter anderem für<br />

Rüstungsprogramme. 176 Außerdem wurde die Golddeckung des Yen<br />

aufgehoben, sodass dieser im Verhältnis zu anderen Währungen abgewertet<br />

werden konnte, was der japanischen Wirtschaft höhere Exporteinnahmen<br />

ermöglichte. 177 Dabei waren an dem Anstieg der Exporte vor allem die<br />

Kolonien und Mandschuko überproportional beteiligt. Von 1933 bis 1937<br />

entfiel mehr als ein Drittel der Exporte darauf. 178 Durch die Abwertung des<br />

Yen konnte weniger importiert werden, was die von Rohstoffeinfuhren<br />

abhängige japanische Industrie vor große Probleme stellte. Trotzdem wuchs<br />

die japanische Industrieproduktion nach 1933 wieder stark, ging die<br />

174 1930 fiel der Preis für Rohseide um 40 Prozent, bis 1932 fiel er weiter auf 25 Prozent des<br />

Preises von 1929. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 10.<br />

175 Die Exportmenge von Baumwolle ging von 1929 auf 1930 um 20 Prozent zurück, der<br />

Exportwert sogar um 42 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 10.<br />

176 Vor allem die Rüstungsausgaben wurden erheblich erhöht. So war der Anteil der<br />

Rüstungsausgaben am Gesamthaushalt der Regierung von 60,5 Prozent des Jahres 1920<br />

auf 34,9 Prozent im Jahre 1931 gesunken. Dieser Anteil erhöhte sich in den folgenden<br />

Jahren weiter: 1933 auf 46 Prozent und bis auf 92 Prozent im Jahre 1938. Vgl. Patrick,<br />

Muddle, S. 251.<br />

177 Nach der Yen-Abwertung stieg die Exportmenge um über 30 Prozent, der Exporterlös<br />

sogar um 120 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 19 f.<br />

178 In Mandschuko diente der Großteil der Exporte dem militärisch geplanten und gelenkten<br />

Aufbau einer Schwerindustrie. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 20.<br />

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Arbeitslosigkeit langsam, aber stetig zurück und ab 1935 herrschte<br />

annähernde Vollbeschäftigung.<br />

Vor allem die Schwerindustrie profitierte von dieser Entwicklung, wuchs<br />

drastisch und wurde zum führenden Bereich der japanischen Wirtschaft. Die<br />

Stahlindustrie konnte erstmals den einheimischen Bedarf decken und<br />

exportierte ab 1932 sogar. Die Produktion von Roheisen, Roh- und Fertigstahl<br />

wurde von 1929 bis 1936 mehr als verdoppelt, allerdings blieb die<br />

Abhängigkeit von Kohle- und Eisenimporten bestehen. Parallel dazu<br />

entwickelte sich die Chemieindustrie zu einer der führenden der Welt. 179 Die<br />

Seidenindustrie erholte sich jedoch nicht wieder von der Weltwirtschaftskrise<br />

und wurde von der Textilindustrie abgelöst. Die Produktion konnte von 1931<br />

bis 1936 um 85 Prozent gesteigert werden, der asiatische Baumwollmarkt war<br />

fest in japanischer Hand. Japans Maschinen- und Elektroindustrie wuchs von<br />

1929 bis 1936 um 150 Prozent. Infolge dessen gingen die Importe in diesem<br />

Bereich deutlich zurück. Die gefertigte Schifftstonnage wurde von 164.000<br />

Bruttoregistertonnen im Jahr 1929 auf 451.000 Bruttoregistertonnen 1937<br />

gesteigert, was etwa 20 Prozent der Weltproduktion entsprach.<br />

Im Verlauf des Kriegs führte Japan ab 1937 verschiedene Beschränkungen<br />

der Wirtschaftstätigkeiten ein. 180 Die Regierung machte Importe über 100<br />

Yen von einer behördlichen Erlaubnis abhängig, um das Handelsbilanzdefizit<br />

zu senken. 181 Ab 1940 wurden die einzelnen Unternehmen einer Branche<br />

dazu verpflichtet, sich zu Lenkungsverbänden zusammenzuschließen, deren<br />

Führung bei großen Zaibatsu lag. Dies führte zu einer enormen staatlich<br />

179 Dieser Aufstieg stand vor allem in Verbindung mit dem Aufstieg Japans zum größten<br />

Kunstfaserproduzenten und -Exporteur der Welt. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II,<br />

S. 29.<br />

180 1933 wuchs die japanische Industrieproduktion um 17 Prozent von 1933 bis 1935 um 22<br />

Prozent. Vgl. Henschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 20–28.<br />

181 Die Devisen- und Goldreserven Japans waren stark geschrumpft, die Regierung erhoffte<br />

sich dadurch eine ausgeglichene Handelsbilanz, behinderte jedoch oftmals für die<br />

japanische Wirtschaft notwendige Importe. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 40.<br />

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angeordneten Fusionswelle in der japanischen Wirtschaft: So reduzierte sich<br />

die Zahl der Werften von 234 auf lediglich zehn. Die Zaibatsu profitierten von<br />

ihrer Führungsrolle als Lenkungsverband und wuchsen zu riesigen<br />

Industriekonglomeraten. 182 Diese mehr als 300 Verbände meldeten ihren<br />

Bedarf an Arbeitskräften und Rohstoffen bei der Regierung an, die diese<br />

zuteilte. Das äußerst bürokratische System funktionierte nur sehr<br />

eingeschränkt und als ab 1943, der Rohstoffmangel immer größer wurde,<br />

lenkte ein neues Rüstungsministerium sämtliche Zuteilungen zentral ohne die<br />

Lenkungsverbände. 183 Bis 1944 führten diese Maßnahmen zu einer mäßigen<br />

Steigerung der Produktion schwerindustrieller Grundstoffe, einer starken<br />

Steigerung der Produktion von Rüstungsgütern und einem drastischen<br />

Rückgang der Konsumgüter. Die Schwerindustrie hielt einen Anteil von 80<br />

Prozent an der gesamten Industrieerzeugung. Ab 1944 sank jedoch auch ihre<br />

Produktion drastisch 184 , bedingt durch den anhaltenden Rohstoffmangel. Die<br />

im Pazifikraum eroberten Gebiete konnten diesen nur teilweise beheben.<br />

Außerdem verlor Japan im Krieg nach und nach fast seine gesamte<br />

Handelsflotte. Der Krieg wurde durch Staatsanleihen und Vergrößerung der<br />

Geldmenge finanziert. Die Staatsschuld versiebzehnfachte sich. 185 Nach der<br />

Kapitulation war die Industrieproduktion auf 33 Prozent des Vorkriegsniveaus<br />

gefallen und Japan hoch verschuldet.<br />

1.1.3 Branchenentwicklung<br />

182 So besaßen die Zaibatsu 1937 10 Prozent des Eigenkapitals der japanischen Wirtschaft,<br />

ihr Anteil stieg bis 1946 auf 25 Prozent. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 42.<br />

183 Das System funktionierte nicht, da die Unternehmen grundsätzlich zu hohe Anforderungen<br />

stellten und die Abstimmung der 300 Lenkungsverbände untereinander unnötigen<br />

Aufwand verursachte. Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 43.<br />

184 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 44.<br />

185 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte II, S. 58.<br />

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Nachdem Japan seine selbstgewählte Isolation auf Druck der westlichen<br />

Mächte aufgeben musste, bot sich das Land auch als Absatzmarkt für<br />

elektrische Produkte an. So förderte die Meiji-Regierung den Bau von<br />

Telegrafen in Folge der Samurai-Aufstände zur Verbesserung der<br />

Kommunikation in Südwestjapan im Jahr 1874 und 1877. 186 Die<br />

amerikanische und englische Konkurrenz hatte daher in Japan eine<br />

beherrschende Stellung im Schwachstrommarkt inne. Anfang der 80er Jahre<br />

des 19. Jahrhunderts kam es wie in anderen Ländern auch angesichts der<br />

zunehmenden Innovationen im Starkstrombereich zu einer Expansion des<br />

japanischen Elektromarkts. Darüber hinaus stieß die elektrische<br />

Beleuchtungstechnik auf steigendes Interesse.<br />

Die großen Elektrounternehmen agierten deshalb verstärkt auch in Japan. So<br />

übernahm die Tokyo Electric Co. im Jahr 1886 die Vertretung der Edison Co.<br />

und Thomas Houston beauftragte die Osaka Electric Light Company damit. 187<br />

Die Tokio Electric Company beschränkte sich aber nicht nur auf die<br />

Stromversorgung der Hauptstadt Tokio, sondern war auch mit dem Bau von<br />

Elektrizitätswerken in anderen Landesteilen beauftragt. So entstanden in<br />

anderen japanischen Großstädten wie Kobe, Osaka und Kyoto ebenfalls<br />

Energieversorgungsunternehmen. 188<br />

Dabei entwickelten sich zwei verschiedene Wechselstromsysteme. Die<br />

Frequenz beträgt bis heute im östlichen Japan, das sich am deutschen<br />

Standard orientierte (darunter Tokio, Yokohama und Hokkaido), 50 Hertz.<br />

Westjapan (einschließlich Nagoya, Osaka, Kyoto, Hiroshima, Shikoku,<br />

Kyushu) orientierte sich am amerikanischen System und benutzt<br />

186 Vgl. Partner, Japan, S.11 ff.<br />

187 Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 235. Die im Jahr 1892 zur General Electric verschmolzenen<br />

Unternehmen arbeiteten zudem sehr eng mit dem Handelshaus Bagnall & Hills in<br />

Yokohama zusammen. Westinghouse arbeite mit Takada & Co. und die AEG mit dem<br />

Handelshaus Okura & Co. sowie in Folge der Zusammenarbeit mit GE mit der Tokio<br />

Electric Company zusammen.<br />

188 Vgl. SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan, S. 15 ff.<br />

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Wechselstrom mit 60 Hertz. Neben der Beleuchtung waren in den 1890er<br />

Jahren Generatoren und Motoren für Baumwollspinnereien ein wichtiges<br />

Geschäftsfeld. 189<br />

Nach dem russisch-japanischen Krieg kam es zu einer starken Belebung des<br />

wachsenden japanischen Elektromarkts. In Folge der Verbindung<br />

großvolumiger Wasserkraftwerken mit Stromübertragungssystemen entstand<br />

ein weitläufiges Stromversorgungssystem. 190 Den Großteil des Markts teilten<br />

sich dabei amerikanische und deutsche Firmen. Einzig nennenswerter lokaler<br />

Konkurrent war die Shibaura Works, die bis zum Ersten Weltkrieg der größte<br />

japanische Produzent war. Im Jahr 1909 schloss Shibaura mit General<br />

Electrics (GE) ein Abkommen, dadurch produzierte das Unternehmen nach<br />

GE-Patenten. Dafür erhielt GE 24 Prozent des Kapitals sowie 1 Prozent des<br />

Umsatzes von Shibaura. 191 Da jedoch die japanischen Elektroproduzenten<br />

gegenüber den großen amerikanischen und europäischen<br />

Elektrounternehmen, die einen enormen Forschungsvorsprung hatten, nicht<br />

wettbewerbsfähig waren 192 , produzierte Shibaura vorwiegend kleinere<br />

Generatoren. Weiterhin wurde deshalb ein Großteil der elektrotechnischen<br />

Maschinen importiert, wie nachfolgende Abbildung beispielhaft für<br />

Generatoren zeigt.<br />

189 Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 232.<br />

190 Vgl. SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan, S. 15 ff. 1907 prägte die<br />

elektrische Beleuchtung das Bild der japanischen Städte. Darüberhinaus beinflusste der<br />

elektrische Strom auch den städtischen Verkehr. So nahm im Jahr 1895 zunächst in Tokio<br />

eine Straßenbahn den Betrieb auf, es folgten bis zum Ersten Weltkrieg andere Städte wie<br />

Nagoya und Osaka.<br />

191 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 168. In Folge dessen kam es zu<br />

Unstimmigkeiten mit dem AEG Agenten Okura. Im Jahr 1905 hatte GE bereits die<br />

Mehrheit an der Tokyo Electric Company erworben und produzierte erfolgreich<br />

Glühlampen. Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 235 f.<br />

192 Vgl. Hoshimi, Transfer, S. 229. GE hatte bereits im Jahr 1905 ein Abkommen mit dem<br />

Lampenproduzenten Tokyo Denki abgeschlossen, welche in der Folgezeit zum führenden<br />

japanischen Lampenhersteller aufstieg.<br />

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Abbildung 3: Ausländische Generatoren-Importe nach Japan<br />

Der Ausbau des Fernmeldewesens und der Infrastruktur brachte auch dem<br />

von der öffentlichen Nachfrage abhängige Schwachstrombereich einen<br />

Aufschwung. Allerdings entwickelte er sich langsamer als der<br />

Starkstrombereich, der sich auf eine breite Nachfrage der Privatwirtschaft<br />

stützen konnte. 193<br />

Durch den Ersten Weltkrieg erlebte auch die japanische Elektroindustrie einen<br />

enormen Aufschwung. Viele Produkte die vorher importiert worden waren,<br />

konnten nun von japanischen Produzenten wie Hitachi, Mitsubishi Denki,<br />

Okumura Denki Shokai wie Shibaura Seisakusho gefertigt werden. 194 Die<br />

193 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 115 ff.<br />

194 Vgl. SAA 68/Li 151: Vortrag von Herrn Oberingenieur R. Georgi, 16. April 1920, S. 18 f.,<br />

und Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 171. Georgi nennt insbesondere<br />

Wasser- und Dampfturbinen bis zu 12.500 kVA, Hochspannungskabel bis 20.000 V und<br />

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Hochtechnologie, wie etwa große Generatoren oder Fernschreiber wurde<br />

allerdings weiterhin importiert. 195 Aufgrund von hohen Zöllen und<br />

Preissenkungen der japanischen Produzenten und angesichts einer Politik<br />

des Technologietransfers nahmen Kooperationen zwischen internationalen<br />

Elektrokonzernen und den führenden japanischen Unternehmen stark zu, wie<br />

die folgende Abbildung verdeutlicht:<br />

Abbildung 4: Kooperationen führender japanischer Unternehmen mit<br />

internationalen Elektrokonzernen<br />

Lediglich Hitachi fand keinen ausländischen Partner. Parallel mit den<br />

Technologieverträgen kam es zu einem Auf- beziehungsweise Ausbau von<br />

Fabriken. Hitachi und Shibaura profitierten von dieser Entwicklung stark. Die<br />

Produktionskapazität von Shibaura stieg gegenüber den Vorkriegsjahren um<br />

über 80 Prozent. Mitsubishi begann im Jahr 1925 mit dem Bau einer<br />

elektrotechnischen Fabrik in Nagoya. Im selben Jahr nahm die Fusi ihren<br />

Betrieb auf. 196<br />

eine Glühlampenproduktion, die den Eigenbedarf von 25 Millionen Lampen deckt und<br />

noch 16,5 Millionen Lampen für den Export ausstößt.<br />

195 Vgl. SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979, S. 9.<br />

196 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 174 ff.<br />

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So konnte ein Großteil des elektrotechnischen Bedarfs für den japanischen<br />

Markt im Land selbst produziert werden. 197<br />

Abbildung 5: Importabhängigkeit Japans in ausgewählten Bereichen der<br />

Elektrotechnik<br />

Diese Ausweitung führte jedoch zu einer Intensivierung des Wettbewerbs mit<br />

kontinuierlich sinkenden Preisen. So fielen die erzielbaren<br />

Durchschnittspreise für alle Arten elektrischer Maschinen von 1926 bis Ende<br />

1930 um 45 Prozent. 198 Um den Wettbewerb zu begrenzen, wurde nach<br />

197 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 172.<br />

198 So sanken die erzielbaren Preise für Schalttafeln bis Ende 1930 auf 60 Prozent des<br />

Wertes von 1926. Im gleichen Zeitraum gingen die Preise für Transformatoren auf 43<br />

Prozent und die Preise für Motoren und Generatoren auf 59 Prozent des Preises von 1926<br />

zurück. Der Einkaufspreis für Material sank im gleichen Zeitraum nur auf 82 Prozent des<br />

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mehrjährigen Verhandlungsrunden 199 am 15. Mai 1931 in Tokio zwischen<br />

Mitsubishi, Hitachi, Shibaura und der Fusi ein Kartellvertrag abgeschlossen, in<br />

dem der japanische Elektromarkt aufgeteilt wurde. Der größte japanische<br />

Lampenproduzent Tokyo Denki war zudem Mitglied des Phoebus Kartells. 200<br />

Der andauernde Kriegszustand, in dem sich Japan nach Unterwerfung der<br />

Mandschurei befand, führte in Japan zu steigender Nachfrage nach<br />

Rüstungsgütern für die Armee und nach Material für verschiedene<br />

Infrastrukturprojekte in der Mandschurei. Zusätzlich kam es zu einer<br />

Abwertung des Yen Anfang der 1930er. Davon profitierte die gesamte<br />

japanische Elektroindustrie. Ihr Auftragseingang erhöhte sich beständig und<br />

lag 1934 beim 4,7-fachen des Auftragseingangs von 1931. 201<br />

1.2 Die Anfänge des Japangeschäfts bis zum Ersten<br />

Weltkrieg<br />

Ausgangspreises von 1926 und war bis 1928 sogar auf 106 Prozent gestiegen. Vgl. SAA<br />

54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Index of Prices.<br />

199 Über die ersten Kontakte der Kartellpartner schrieb der Fusi Manager Wada: „Am Ende<br />

der Taisho-Periode [die Taisho Periode endete 1926] […] bei einer Besprechung von<br />

Spitzenpersönlichkeiten von Shibaura, Hitachi, Mitsubishi und Fuji Electric [gemeint ist die<br />

Fusi] schlug die Regierung vor, die Rationalisierung durch Vereinigung von Betrieben oder<br />

durch Standardisierung von Typen zu verbessern. Die vier Firmen […] diskutierten öfters<br />

darüber, was aber keinen Erfolg hatte. […] Der Vorschlag des Industrieministeriums<br />

brachte lediglich eine gute Gelegenheit, dass sich die Leute der Industrie gut<br />

kennenlernen konnten.“ SAA 9925: Wada, mein Weg durch 80 Jahre, S. 48.<br />

200 Vgl. Reich, Cartelization, S. 213–231, hier S. 222 ff. Das Phoebus Kartell wurde im Jahr<br />

1924 von führenden internationalen Elektrounternehmen gegründet. Es regelte die<br />

Produktion elektrischer Glühlampen. Die Vereinigten Staaten waren nicht im Phoebus-<br />

Kartell involviert, doch waren ihre Interessen berücksichtigt worden. Vgl. Feldenkirchen,<br />

Siemens, S. 363.<br />

201 Vgl. SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai<br />

1934, S. 2.<br />

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1.2.1 Markteintritt und erste Schritte<br />

Das erste von Siemens auf dem japanischen Markt eingeführte Produkt war<br />

ein Telegrafengerät, das die Preußische Ostasien-Mission unter Leitung von<br />

<strong>Friedrich</strong> A. Graf Eulenburg als Gastgeschenk im Jahr 1861 mitbrachte. Nach<br />

dem Empfang des Geräts beauftragt die japanische Regierung zwei Gelehrte,<br />

die Technik und den Aufbau des Telegrafen genauestens zu studieren. Sechs<br />

Jahre später wurde von der japanischen Regierung ein niederländisches<br />

Kriegsschiff gekauft. Der zur Abnahme in die Niederlande entsandte Vize-<br />

Admiral Enemoto kaufte noch zusätzlich zwei Siemens-Telegrafenapparate,<br />

die von der niederländischen Firma Digney in Rotterdam vertrieben<br />

wurden. 202<br />

Daher agierte Siemens lange Zeit auf dem japanischen Markt nur über<br />

indirekte Geschäftskontakte.<br />

Der erste direkte Geschäftskontakt geht auf das Jahr 1870 zurück. In einem<br />

Brief vom 23. März 1870 schrieb Werner von Siemens an seinen Bruder Karl,<br />

dass er „soeben mit einem bekannten Düsseldorfer Hause (L. Kneiffler),<br />

welches ausgedehnte Geschäfte mit Japan betreibt und Kompagnons in<br />

Yokohama und anderen japanischen Orten hat, ein Arrangement getroffen<br />

[habe], wonach wir […] Geschäft[e] mit Telegraphen-Anlagen in Japan<br />

machen wollen.“ 203 Den Düsseldorfer Unternehmer, der schon seit mehreren<br />

Jahren in Japan lebte, hatte Werner von Siemens in Berlin anlässlich der<br />

Gründungsverhandlungen über die Deutsche Bank kennen gelernt. Intention<br />

der Absprache mit Kneiffler war es, die Amerikaner, die schon eine kleine<br />

Telegrafenlinie in Japan errichtet hatten, zu verdrängen, um in Zukunft ganz<br />

202 Vgl. SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung des Überseegeschäftes<br />

des Hauses Siemens und seine Organisation, S. 28 f.<br />

203 Vgl. SAA 68/Li 151: Werner Siemens an Karl Siemens, Vertrag mit Düsseldorfer<br />

Handelshaus, 23. März 1870, S. 1 f.<br />

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Japan mit einem oberirdischen submarinen Telegrafennetz zu überziehen. 204<br />

Siemens hatte bereits früh Interesse an einem intensiveren Geschäft mit<br />

Japan gezeigt. So wurde eine japanische Regierungsdelegation, angeführt<br />

von Fürst Iwakura Tomomi, bei ihrer Deutschlandreise in das Berliner Werk<br />

eingeladen und bekam dort bei einer Firmenpräsentation über Telegrafen und<br />

Bogenlampen Informationen über die Produkte und das Unternehmen. 205<br />

Dennoch entwickelte sich das Japangeschäft vorerst nicht wie erhofft. Das<br />

japanische Geschäftsvolumen sollte auch in der Folgezeit zunächst marginal<br />

bleiben. So schrieb Werner von Siemens an seinen Bruder: „…Berlin wird<br />

Japan gern London ganz überlassen. Wir haben dort zwar die ältesten<br />

Anknüpfungen, noch von Eulenburg her, [und haben] auch später eine<br />

Apparatesendung durch ein rheinisches Haus dahin gemacht, doch hat das<br />

keine feste Verbindung gebracht.“ 206 Nachdem das Japangeschäft nicht so<br />

angelaufen war, wie es sich Werner von Siemens erhofft hatte, zeigte er sich<br />

enttäuscht. Eine Anfrage des Bremer Handelshauses „Eugen von der Heyde“,<br />

ob Siemens bereit sei, seine Produkte auf dem japanischen Markt durch das<br />

Bremer Handelshaus vertreten zu lassen, lehnte er in seinem Schreiben vom<br />

25. Oktober 1884, aufgrund des mangelnden technischen Verständnisses des<br />

Bremer Hauses, ab.<br />

„Indem ich mein Bedauern ausspreche, ihren Besuch hier selbst verfehlt zu<br />

haben, gestatte ich mir einige schriftliche Bemerkungen zu der von ihnen<br />

angeregten Frage einer Vertretung unserer Firma durch ihrige in Japan. Im<br />

Allgemeinen ist unsere Fabrikation zu mannigfach und kompliziert, daß eine<br />

allgemeine kommerzielle Vertretung in einem fernen Land sich erfolgreich<br />

erweisen könnte. Viele in dieser Hinsicht gemachten Versuche haben sich als<br />

verfehlt erwiesen. Unsere Artikel sind keine Handelsartikel, mit deren Verkauf<br />

204 Vgl. SAA 68/Li 151: Werner Siemens an Karl Siemens, Vertrag mit Düsseldorfer<br />

Handelshaus, 23. März 1870, S. 1 f.<br />

205 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 47 f.<br />

206 Vgl. SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung des Überseegeschäftes<br />

des Hauses Siemens und seine Organisation, S. 27.<br />

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das Geschäft getan ist. Zur Einführung unserer Produkte gehört in erster Linie<br />

technisches Verständnis. Durch Instruktionen lässt sich dieses nicht ersetzen.<br />

Um unsere Produkte richtig empfehlen zu können, muss man ihre Vorzüge<br />

verstehen, also überhaupt das betreffende Fach vollständig beherrschen.<br />

Dann müssen sie richtig installiert werden, wozu wieder vollständiges<br />

technisches Verständnis gehört. Endlich ist es nötig, die gelieferten Objekte<br />

immer im Auge zu behalten, denn nur wenn sie dauernd gut arbeiten, tritt<br />

Nachfrage nach ihnen ein. Ein kaufmännisches Kontor ist als solches nicht<br />

dazu befähigt […].“ 207<br />

Die Entscheidung, das Handelshaus nicht mit einer Vertretung der deutschen<br />

Muttergesellschaft zu beauftragen, lässt sich tatsächlich jedoch nur bedingt<br />

auf das mangelnde technische Know-how des Handelshauses zurückführen.<br />

Hauptgrund war wohl vielmehr der schwelende Streit um das<br />

Überseegeschäft mit der verselbständigten Tochtergesellschaft Siemens<br />

Brothers. Eine eigene Agentur im Japangeschäft hätte wahrscheinlich einen<br />

offenen Konflikt zur Folge gehabt. Daher musste Siemens in Japan sehr<br />

vorsichtig agieren. 208 Siemens Brothers respektive ihr Agent Raspe bemühten<br />

sich jedoch nicht im angemessenen Umfang um den Vertrieb der Produkte<br />

der deutschen Mutter in Japan. 209 Die amerikanische und englische<br />

Konkurrenz hatte daher in Japan eine beherrschende Stellung im<br />

Schwachstrommarkt inne.<br />

Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts kam es, wie in anderen Ländern<br />

auch, durch die großen Innovationen im Starkstrombereich zu einer<br />

Expansion des japanischen Elektromarkts. Gleichzeitig gewann die<br />

elektrische Beleuchtungstechnik zunehmend an Bedeutung. Bereits im Jahre<br />

207 Vgl. SAA 68/Li 151: Werner Siemens an von der Heyde (Bremen), Vertretung in Japan,<br />

25. Oktober 1884, S. 1, und SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung<br />

des Überseegeschäftes des Hauses Siemens und seine Organisation, S. 36 f.<br />

208 Vgl. SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 8. Mai 1886.<br />

209 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Juli 1886, und SAA 25/Lo 384: S&H an<br />

Henneberg, 8. Mai 1886.<br />

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1882 beantragten japanische Unternehmer wie Okura Konzessionen für eine<br />

Elektrizitätsgesellschaft bei der Provinzbehörde in Tokio. Im Jahre 1887<br />

wurde die Tokio Dento (Tokio Elektrizitätsgesellschaft) gegründet, die in den<br />

folgenden Jahren begann, eine Elektrizitätsversorgung aufzubauen. Ähnliche<br />

Projekte wurden in japanischen Großstädten wie Kobe, Osaka und Kyoto<br />

durchgeführt. 210 Angesichts dieser Entwicklungen wuchs bei Siemens, das<br />

bisher nur sporadisch Produkte nach Japan geliefert hatte, wieder das<br />

Interesse am Ausbau seines bis dato mäßigen Japangeschäfts.<br />

Eine erste Chance zum Ausbau des Engagements in Japan bot die<br />

Ausschreibung zur Ausstattung des neuen japanischen Kaiserpalastes mit<br />

Beleuchtungstechnik. Siemens wurde im Dezember 1885 von T. Ishii, einem<br />

hohen Beamten des japanischen Industrie-Ministeriums, auf die<br />

Ausschreibung aufmerksam gemacht und bemühte den Zuschlag für dieses<br />

prestigeträchtige Projekt zu erhalten. 211 Von Vorteil im Rahmen des<br />

Zuteilungsverfahrens war, dass Siemens bereits mehrere prestigträchtige<br />

Beleuchtungsprojekte im In- und Ausland als Referenz vorweisen konnte. 212<br />

Das Unternehmen sandte nach erfolgreichen Gesprächen mit Ishii, nach der<br />

Überwindung der Löfflerkrise in England und aufgrund der zunehmenden<br />

Nachfrage nach Starkstromartikeln in Japan den erfahrenen Ingenieur<br />

Henneberg nach Ostasien, der sich um den Auftrag der Beleuchtungsanlage<br />

für den Kaiserpalast bemühen sollte. Zudem wurde Henneberg damit betraut,<br />

210 Vgl. SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan, S. 15 ff.<br />

211 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, Bericht, 12. November 1886, und SAA 68/Li 151:<br />

Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan, S. 2. T. Ishii nahm mit seinen<br />

beiden Sekretären an einer Weihnachtsfeier teil und zeigte sich vor allem von dem<br />

elektrisch beleuchteten Weihnachtsbaum begeistert. Launige Festreden untermalten die<br />

gute Zusammenkunft.<br />

212 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 55. Als Beispiel dienen die Beleuchtung des Newski-<br />

Prospekts und des Winterpalais 1884 in St. Petersburg sowie die Bogenlichtbeleuchtung<br />

in Berlin (1882/1883). Auch in Asien verfügte Siemens mit der Installation einer<br />

Beleuchtungsanlage für den Palast des Sultans von Djokjarkarta über ein<br />

prestigeträchtiges Beispiel.<br />

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den japanischen Markt nach deutschen Handelshäusern zu sondieren. In<br />

mehreren Briefen unterrichtete Henneberg das Stammhaus über die Lage in<br />

Fernost und die seiner Meinung nach vorhandenen Geschäftschancen. 213<br />

Henneberg fokussierte sich bei der Sondierung des japanischen Markts<br />

zunehmend auf das deutsche Handelshaus C. Rohde & Co., das bereits seit<br />

Jahren im japanischen Markt aktiv war. Es hatte sich vom Handelshaus<br />

Schultze, Reis & Co. abgespalten und verfügte neben seinem Hauptsitz in<br />

Yokohama über Stützpunkte in Tokio und Hamburg. 214 Den entscheidenden<br />

Ausschlag für Verhandlungen zwischen Siemens und dem Handelshaus<br />

gaben dessen gute Kontakte zum japanischen Bergbauunternehmen<br />

Furukawa. Diesem sollte im weiteren Japangeschäft von Siemens eine<br />

herausragende Position als Kunde und Kooperationspartner zukommen. 215<br />

Nachdem Siemens und Rohde sich im August 1886 grundsätzlich auf eine<br />

Zusammenarbeit geeinigt hatten, wurde der Vertrag im Oktober<br />

unterzeichnet. 216 Siemens übertrug dem Handelshaus, dessen Niederlassung<br />

213 Vgl. u.a. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886, S. 1 ff., und SAA 25/Lo<br />

384: Henneberg an S&H, 9. September 1886, S. 1 ff.<br />

214 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 51 f.<br />

215 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886, und Takenaka, Siemens,<br />

S. 54 f. Furukawa, ein Kunde Rhodes, war sehr an einer Elektrifizierung seiner<br />

Kupferbergwerke in Ashio interessiert. Bei einem Besuch in Ashio in Begleitung des<br />

deutschen Ingenieurs Wilhelm Heise, eines Mitarbeiters der Sasuga Shokai, im August<br />

1886 inspizierte Henneberg das Bergwerk. In Ashio erstellte Henneberg einen ersten<br />

Kostenvoranschlag und traf sich neben dem Bergwerksdirektor auch mit dem Juniorchef<br />

der Furukawafamilie, Junkichi. Henneberg prüfte die Möglichkeiten für verschiedene<br />

Projekte wie den Bau eines kleinen Wasserkraftwerks am Fluss Watarase, die<br />

Beleuchtung des Bergwerks, die elektrische Raffination von Kupfer sowie den Bau einer<br />

Grubenbahn. Er verfasste mehrere Vorschläge zur Durchführung dieses Projekts und<br />

legte dadurch das Fundament für die guten Beziehungen zu Furukawa in den nächsten<br />

Jahren.<br />

216 Vgl. SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 24. August 1886, S. 1 f., SAA 25/Lo 384: Rohde<br />

an S&H, 28. September 1886, S. 1, und SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, 16. Oktober<br />

1886, sowie SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 19. Oktober 1886.<br />

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in Tokio aus juristischen Gründen als rechtlich unabhängige Firma „Sasuga<br />

Shokai“ geführt wurde, exklusiv den Vertrieb seiner Elektro- und<br />

Beleuchtungsausrüstung. Siemens verpflichtete sich dadurch künftige<br />

Geschäfte im Elektro- und Beleuchtungssektor in Japan über Rohde<br />

abzuwickeln. Das Handelshaus musste sich im Gegenzug dazu verpflichten,<br />

die in Japan akquirierten Aufträge an keine andere Firma als Siemens<br />

zuvergeben. Der Kontrakt bezog sich nur auf den Starkstrombereich und hatte<br />

für den Schwachstrommarkt keine Gültigkeit. Das Handelshaus erhielt für<br />

seine Dienste eine Provision von 10 Prozent des Verkaufspreises. Der<br />

Vertrag, der sich nach einer bestimmten Laufzeit automatisch verlängerte,<br />

hatte eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. 217<br />

Das Schwerpunktgeschäft von Rohde und Henneberg war in den folgenden<br />

Monaten das Projekt zur Installation einer Beleuchtungsanlage im Rahmen<br />

der Renovierung des Kaiserpalasts. Schärfster Konkurrent war dabei die<br />

Okura Gumi, ein japanischer Partner der amerikanischen Edison Electric Light<br />

Co. 218 Dabei zeichnete sich schon kurz nach Beginn der Verhandlungen ab,<br />

dass die amerikanische Konkurrenz den Auftrag erhalten würde. Dies missfiel<br />

vor allem Henneberg, der dem Handelshaus daraufhin mangelnde<br />

Einsatzbereitschaft vorwarf. 219 Daher warb er wiederholt selbst für Siemens<br />

bei führenden Politikern und Beamten, von denen Aufträge zu erwarten<br />

waren. Er knüpfte auch Verbindungen zur deutschen Gesandtschaft in Japan,<br />

217 Vgl. SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 19. Oktober 1886, und SAA 68/Li 151: Takenaka, Die<br />

Tätigkeit von Siemens in Japan vor dem 1. Weltkrieg; in: Bulletin Faculty of Letters 44, o.<br />

O. 1985, S. 13–31 hier S. 14, sowie Takenaka, Siemens, S. 52.<br />

218 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886, und SAA 25/Lo 384:<br />

Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886, S. 1 ff., sowie SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H,<br />

Bericht, 12. November 1886.<br />

219 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886, und SAA 25/Lo 384:<br />

Henneberg an S&H, 11. Dezember 1886, sowie Takenaka, Siemens, S. 60. Nach<br />

Auffassung Hennebergs war das Unternehmen nicht stark genug für Siemens engagiert,<br />

da es auch noch mehrere andere Firmen aus verschiedenen Branchen vertrat.<br />

Infolgedessen würde Rohde seine Kraft nicht auf Siemens fokussieren.<br />

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die seine Geschäftstätigkeit unterstützte. Als einer der wichtigsten Förderer,<br />

galt der Vize-Außenminister Aoki Shuzo, mit dem sich Henneberg mehrmals<br />

traf. 220 Dieser sollte auch später Hennebergs Nachfolger Keßler beim Aufbau<br />

von Kontakten und der Ausarbeitung einer Marketingstrategie helfen. 221<br />

Anfang des Jahres 1887 kehrte Henneberg nach Deutschland zurück.<br />

Dadurch fehlte dem Handelshaus die notwendige technische Expertise vor<br />

Ort. Als in der Folge vermehrt Aufträge verlorengingen, beschloss das<br />

Stammhaus, auf Wunsch Rohdes, wieder einen Ingenieur nach Japan zu<br />

entsenden. 222 Die Wahl fiel auf Hermann Keßler, der nun als<br />

Verbindungsingenieur fungieren sollte. Im weiteren Geschäftsverlauf wurde<br />

Keßler eine der prägendsten Persönlichkeiten des Ostasiengeschäfts vor dem<br />

Ersten Weltkrieg. 223<br />

220 Vgl. SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886, und SAA 25/Lo 384:<br />

Henneberg an S&H, 11. Dezember 1886, sowie Takenaka, Siemens, S. 53 f. und S. 60.<br />

Aoki Shuzo war Deutschland sehr verbunden. Er war 1869 als Student nach Berlin<br />

gekommen und mit einer deutschen Frau verheiratet. 1874 wurde er japanischer<br />

Gesandter für Deutschland. Nach seiner Rückkehr nach Tokio befasste er sich mit der<br />

Revision der Zoll- und Handelsverträge zwischen Japan und den Westmächten und war<br />

auch an unternehmerischen Tätigkeiten sehr interessiert.<br />

221 Vgl. SAA 25/Lo 385: Keßler an S&H, 8. Mai 1888, und SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 26.<br />

September 1888, sowie SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in<br />

Japan, S. 1 f.<br />

222 Vgl. SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, Anforderung eines Ingenieurs, Ort 12. März 1887,<br />

S. 1 f., und SAA 68/Li 151: Annonce der Firma Sasuga Shokai in jap. Tageszeitung,<br />

13. Februar 1887, S. 1, sowie Takenaka, Siemens, S. 55.<br />

223 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 1–14. Der im Jahre<br />

1860 im Fürstentum Liechtenstein geborene Hermann Keßler studierte an den<br />

Technischen Hochschulen in Zürich und Stuttgart Naturwissenschaften, Maschinenbau<br />

und Elektrotechnik. Er arbeitete danach zwei Jahre bei der Firma C. und G. Fein in<br />

Stuttgart und trat am 15. Januar 1883 im Alter von 23 Jahren bei S&H ein. Beim Berliner<br />

Unternehmen arbeitete er bei der Prüfung von Maschinen, Lampen, und Meßapparaten.<br />

Er war auch bei Versuchsarbeiten auf anderen Gebieten der Elektrotechnik tätig. So leitete<br />

er später den Bau elektrischer Lichtanlagen sowie von Kupfer-Raffinier-Anlagen. Diese<br />

Kenntnisse sollten ihm in Japan sehr hilfreich sein.<br />

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Bereits Mitte Juli 1887 reiste Keßler nach Japan, wo er am 1. August 1887<br />

seine Tätigkeit in Tokio am Sitz der Sasuga Shokai aufnahm. Seine Aufgaben<br />

bestanden primär darin, die Interessen von Siemens in Ostasien zu vertreten.<br />

Hinsichtlich des Geschäfts in Japan nahm er eine Doppelfunktion ein: Erstens<br />

unterstützte er in seiner Funktion als Techniker das Handelshaus bei<br />

Anfragen. Zweitens knüpfte er Kontakte mit dem japanischen Militär und<br />

privaten Kunden und machte Werbung für elektrische Beleuchtung. Eigens<br />

hierfür hatte er eine kleine transportable Lichtanlage mit einer Anzahl Bogen-<br />

und Glühlampen mitgebracht. 224 Damit beleuchtete er jeweils für kurze Zeit zu<br />

Vorführzwecken verschiedene öffentliche Plätze und Gebäude. 225<br />

Im Oktober 1887 besuchte Keßler die Minen des Furukawa-Konzerns, um,<br />

wie auch sein unmittelbarer Vorgänger Henneberg, Kontakt zu diesem<br />

Unternehmen zu halten und zu pflegen. Dabei traf er zufälligerweise auf den<br />

Unternehmensgründer Ichibei Furukawa. Dieser forderte Keßler auf,<br />

Verbesserungsvorschläge hinsichtlich des Betriebs der Mine für die<br />

elektrische Kraftübertragung und die elektrolytische Kupferraffinierung zu<br />

machen. Keßler schlug bei der Besichtigung der zentralen Kupferschmelze<br />

von Furukawa den Kauf einer Siemens-Versuchsanlage zur Raffination vor,<br />

ein Vorschlag, dem der Furukawa-Konzern positiv gegenüberstand. Keßler<br />

errichtete daraufhin eine kleine Versuchsanlage mit einer Tagesleistung von<br />

224 Vgl. SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, Ingenieur, 11. Mai 1887, S. 1, und SAA 68/Lr 488:<br />

Vertrag von Hermann Keßler, Vertrag über die Entsendung des Ingenieurs Hermann<br />

Keßler nach Japan, 13. Mai 1887, S. 1 f., sowie SAA 68/Lr 488: S&H an Rohde &Co., 11.<br />

Mai 1887. Keßler reiste mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern.<br />

225 Unter anderen das Chitoseza-Theater, die Azuma-Brücke und den Rokumeikan. Der erste<br />

Auftrag, den Keßler für das Unternehmen gewinnen konnte, war die Elektrifizierung des<br />

Palastes des Fürsten Tadayoshi Shimazu, in dem er eine elektrische Stromanlage<br />

einrichtete. Die Wohnanlagen wurden mit zahlreichen Glühlampen erhellt und fünf<br />

Bogenlampen beleuchteten den Garten. Vgl. hierzu SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann<br />

Keßler, Dezember 1957, S. 3.<br />

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250 kg Elektrolytkupfer. 226 Nach erfolgreichem Betrieb erhielt Siemens einen<br />

weiteren Auftrag für eine Kupferschmelze, deren Lieferung im Jahr 1889<br />

erfolgte. Für die Stromversorgung des Bergwerks wurde 1890 in Mato, etwa<br />

vier Kilometer vom Hauptschacht der Mine am Fluss Watarasegawa, das<br />

erste Wasserkraftwerk Japans fertiggestellt. Es versorgte das Bergwerk mit<br />

Strom, der für die Beleuchtung, die Lifte in den Bergwerksstollen und die<br />

Kupferraffination notwendig war. 227 Es folgte die Lieferung einer elektrischen<br />

Grubenbahn (1894) sowie die Errichtung eines weiteren Wasserkraftwerks<br />

(1896) für das Furukawa-Silberbergwerk in Innai. Vor allem die Anlagen zur<br />

Kupferraffination stießen in Japan auf großes Interesse. Infolgedessen<br />

mehrten sich die Anfragen nach diesen Anlagen bei Siemens. 228 Furukawa<br />

entwickelte sich in den Folgejahren zu einem stabilen Kunden des<br />

Unternehmens. 229<br />

Obwohl Siemens sein Geschäft in Japan konsequent ausweiten konnte, wog<br />

der Verlust des prestigeträchtigen Projekts zur Elektrifizierung des<br />

Kaiserpalastes schwer. Wie bereits sein Vorgänger äußerte Keßler harsche<br />

Kritik an dem Hamburger Handelshaus als Kooperationspartner. Hierbei<br />

kritisierte er vor allem das mangelnde Interesse des Hamburger<br />

Handelsunternehmens an der Zusammenarbeit mit Siemens. Er bezweifelte<br />

zudem, ob das deutsche Handelshaus über ausreichende Kontakte und<br />

226 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 3. Das Unternehmen<br />

benutzte bis zu diesem Zeitpunkt ein japanisches Imitationsprodukt, mit dem das<br />

Bergbauunternehmen jedoch äußerst unzufrieden war. Furukawa scheute aufgrund des<br />

hohen Konkurrenzdrucks keine Kosten um das bestmöglichste Material zu erhalten.<br />

227 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 4.<br />

228 Vgl. SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 27. Januar 1888, und SAA 68/Li 151: Momotami, Die<br />

Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan S. 1 f., und Takenaka, Siemens, S. 57 f. Dabei<br />

prüfte Keßler 1888 den Bau einer elektrischen Güterbahn zwischen Ashio und Omama<br />

(Joshuji-Strecke). Allerdings erwies sie sich als zu teuer und Keßler schlug den Einsatz<br />

einer dampfgetriebenen Bahn vor.<br />

229 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan. Neben Ashio<br />

lieferte Siemens beispielsweise 1896 auch eine hydroelektrische Anlage an das<br />

Silberbergwerk Innai Furukawas.<br />

Seite | 73


Informationen über den japanischen Markt verfügte, und riet dem Stammhaus,<br />

den bestehenden Agenturvertrag zu lösen. 230 Dieser Vorschlag wurde<br />

allerdings mit dem Verweis auf juristische Schwierigkeiten aus dem<br />

bestehenden Vertrag von der Muttergesellschaft abgelehnt.<br />

Jedoch zeigte sich auch das Handelshaus mit dem bestehenden Vertrag<br />

unzufrieden. Hierfür waren im Wesentlichen vier Gründe ausschlaggebend:<br />

Erstens waren geschäftlich lukrative und interessante Geschäftsfelder wie die<br />

Starkstromtechnik durch den Agenturvertrag ausgeklammert worden.<br />

Zweitens untersagte der Kontrakt die Vertretung von Konkurrenzprodukten.<br />

Dies führte vor allem zu Missfallen beim Handelshaus Rohde, das deshalb<br />

keinen Agenturvertrag mit der Deutschen Edison abschließen konnte. Als<br />

dritter Grund sind die Vorwürfe von Rohde gegenüber Siemens anzuführen.<br />

Das Handelshaus unterstellte der deutschen Unternehmung während der<br />

gesamten Geschäftsbeziehung einen Mangel an Transparenz ihres<br />

Geschäftsgebarens und kritisierte zudem die „geheime“ Korrespondenz des<br />

Stammhauses mit Keßler. Der vierte Grund, der den endgültigen Ausschlag<br />

für die Aufkündigung des bestehenden Agenturvertrags gab, war, dass die<br />

japanischen Unternehmungen vermehrt bestrebt waren, die westlichen<br />

Handelshäuser zu umgehen und ohne Vermittler die Produkte direkt zu<br />

importieren. Der den wechselseitig gefassten Entschluss, den bestehenden<br />

Agenturvertrag zu kündigen, macht Siemens den Weg frei, um ein eigenes<br />

Vertriebsbüro in Japan zu eröffnen. 231<br />

1.2.2 Die Entwicklung der Siemens-Schuckert Denki Kabushiki<br />

Kaisha (SSDKK) bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs<br />

1.2.2.1 Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit<br />

230 Vgl. SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, Vertrag mit Rohde, 7. Dezember 1888.<br />

231 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 60 f.<br />

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Nach der Kündigung des bestehenden Agenturvertrags mit dem Hamburger<br />

Handelshaus beschloss das Stammhaus im August 1892, ein eigenes<br />

Vertriebsbüro für den ostasiatischen Raum zu gründen. Die Leitung sollte<br />

Hermann Keßler übernehmen. „Sie werden (…) die geschäftliche und<br />

technische Leitung der Agentur unserer Firma übernehmen, welche wir in<br />

Tokio am 1. Januar 1893 unter der Firma SIEMENS & HALSKE BERLIN<br />

JAPAN-AGENCY zu errichten gedenken.“ 232<br />

Als Firmensitz sollte die Privatwohnung Keßlers in Tokio dienen. Die Japan-<br />

Agency war für den Vertrieb sowie den technischen Kundendienst von<br />

elektrischer Beleuchtung, Stromleitungen, elektrischen Eisenbahnen und<br />

Raffination zuständig. Dabei wählte Siemens bewusst Tokio und nicht das<br />

südlicher gelegene Handelszentrum Yokohama als Firmensitz, weil sich in der<br />

„neuen“ Hauptstadt die für Maschinenbau wichtigen Behörden und großen<br />

Privatunternehmen befanden. 233<br />

Die Geschäftstätigkeiten entwickelten sich schleppend. Es konnten anfangs<br />

nur sehr geringe Umsätze erzielt werden, des Weiteren mehrten sich die<br />

Defizite auf kaufmännischer Seite. Die Abwicklung der kaufmännischen<br />

Aufgaben durch die Handelshäuser Keil und Oestmann verlief äußerst<br />

unbefriedigend. 234 Vor allem gelang es der neuen Japan-Agency in den<br />

232 Vgl. SAA 68/Li 151: S&H an Keßler (Überlingen), Vertrag über die Entsendung, S. 1 ff.<br />

233 Vgl. SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Mitteilung No. 355, Berlin,<br />

6. Dezember 1909.<br />

234 Vgl. SAA 68/Li 151: Keil an Keßler, 8. Mai 1895, und SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, 10.<br />

Mai 1895, sowie SAA 68/Li 151: S&H Berlin an S&H Japan, 29. Oktober 1895. Um Keßler<br />

zugunsten des Vertriebs von den kaufmännischen Aufgaben zu entlasten, schloss<br />

Siemens einen Vertrag mit dem deutschen Kaufmann Oscar O. Keil. Keil sollte für<br />

Siemens zwei Aufgaben erfüllen. Erstens sollte er provisorisch die Leitung des<br />

Stützpunkts für die vorübergehende Rückkehr von Keßler nach Deutschland im Juni 1895<br />

übernehmen. Dazu erhielt er von Siemens eine Geschäftsvollmacht. Zweitens sollte Keil<br />

sich auch nach der Rückkehr von Keßler weiter um die kaufmännische Seite wie<br />

Bestellungen und Lagerbuchhaltung kümmern, und somit Keßler entlasten. Diese<br />

Aufgaben sollte Keil bewerkstelligen, ohne dem Unternehmen Siemens anzugehören. Der<br />

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ersten Jahren nicht, die notwendigen Vertriebswege zu den japanischen<br />

Kunden in einem ausreichenden Umfang zu öffnen. 235 So zeichnete sich ab,<br />

dass der Aufbau von Geschäftsbeziehungen in Japan zeitintensiver sein<br />

würde, als zuvor angenommen.<br />

Erst um die Jahrhundertwende gelang es der Japan-Agency, größere<br />

Aufträge in Ostasien zu akquirieren. Dabei stellte neben Furukawa das<br />

japanische Militär die wichtigste Kundengruppe dar. Nachdem anfänglich nur<br />

Beleuchtungsanlagen sowie Feldtelegrafen vertrieben werden konnten,<br />

gelang es der Japan-Agency im Jahr 1897, Aufträge für die Lieferung<br />

zahlreicher Stromgeneratoren und elektrischer Minenzünder für japanische<br />

Militärstützpunkte zu erhalten. 236 Der Auftragsanstieg konnte mit dem<br />

bisherigen Personal nicht mehr bewältigt werden, weswegen die Japan-<br />

Agency ihren Personalstand sukzessive erweitern musste. Neben mehreren<br />

technischen Mitarbeitern wurde der kaufmännische Angestellte Hermann<br />

nach Japan entsandt. Mit steigender Personalzahl stieß die Japan- Agency<br />

zunehmend an ihre räumlichen Grenzen. Aufgrund dieser Entwicklung ließ<br />

Vertrag wurde 1896 gekündigt, weil Keil sich nicht wie gewünscht für die Geschäfte von<br />

Siemens engagiert hatte. Zur kaufmännischen Unterstützung nahm Siemens 1896 das<br />

deutsche Handelshaus „Oestmann&Co.“ unter Vertrag. Im September 1897 ordnete das<br />

Stammhaus jedoch die Kündigung des Vertrags mit Oestmann an.<br />

235 Vgl. SAA 68/Li 151: S&H an Keßler, 19. Januar 1894, und SAA 68/Li 151: S&H an S&H<br />

Electric Co. of America, 19. Januar 1894. Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des<br />

Hauses Siemens in Japan. Keßler schlug infolge der Krise zum einen seine eigene<br />

Versetzung in die USA vor und zum anderen anstelle eines eigenen Vertriebsbüros wieder<br />

eine Agentur einzusetzen. Dabei favorisierte er die japanische „Tokio Dento“, die<br />

allerdings nach einer vom Stammhaus autorisierten Anfrage bezüglich einer<br />

Zusammenarbeit nicht interessiert waren, da sie zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen<br />

mit der AEG standen. Dabei ist zu vermuten, dass nicht nur geschäftliche Aspekte den<br />

Wunsch nach einer Veränderung bei Keßler auslösten. Seine erste Frau Emma, die nach<br />

Deutschland zurückgekehrt war, starb im Jahre 1893 in Stuttgart.<br />

236 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 6.<br />

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Keßler neben seiner Privatwohnung ein neues Bürogebäude errichten. 237 Des<br />

Weiteren erschien es Keßler sinnvoll, alle Interessen des Siemens-Konzerns<br />

in Japan, einschließlich der von Siemens Brothers, durch die Japan-Agency<br />

vertreten zu lassen. Noch bestehende Vertretungsverträge mit den<br />

Handelshäusern Takata Shokai (Vertretung von S&H Berlin) sowie Tanaka<br />

Shokai (Vertretung Siemens Brothers) wurden daraufhin gelöst. 238<br />

Nach der Fusion des Stammhauses mit den Schuckertwerken 1903<br />

übernahm die Japan-Agency auch das Japangeschäft von Schuckert. Die<br />

Schuckertwerke hatten über Handelshäuser, in verhältnismäßig geringem<br />

Umfang, Ausrüstungsteile für Schiff- und Küstenbeleuchtung geliefert. 239<br />

Darüber hinaus übernahm das Japan-Büro auch die Vertretung für die<br />

Telefunkengesellschaft. 240 Aus Rücksicht auf die zunehmend protektionistisch<br />

agierenden Behörden beschloss das Berliner Unternehmen 1905, die Japan-<br />

Agency zu einer Tochtergesellschaft aufzuwerten.<br />

Das Stammhaus war vom Marktpotenzial Ostasiens überzeugt. 241 Das<br />

Geschäftsziel der neuen Tochtergesellschaft mit dem Namen Siemens-<br />

Schuckert Denki Kabushiki Kaisha (SSDKK) war „der Bau und der Verkauf<br />

von elektrischen Anlagen, die Herstellung, der Ankauf und der Verkauf von<br />

elektrischen Maschinen, Apparaten aller Art, sowie die Ausübung und<br />

Durchführung von Geschäften auf dem Gebiete der Starkstromtechnik und die<br />

Teilnahme an Unternehmungen aller Art auf dem Gebiete der angewandten<br />

Elektrizität und damit im Zusammenhang stehender Operationen.“ 242<br />

Die neugegründete Tochter war ein Kapitalunternehmen nach japanischem<br />

Recht. Das Stammkapital in Höhe von 250.000 Yen war auf 500 Aktien<br />

237 Vgl. SAA 68/Li 151: Protokoll der Konferenz, 28. September 1897, und Takenaka,<br />

Siemens, S. 65.<br />

238 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 6.<br />

239 Vgl. SAA 6640: Diverse Schriftwechsel von Schuckert.<br />

240 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan, S. 8.<br />

241 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 57 und S. 385.<br />

242 Vgl. SAA 68/Li 151: Statuten der SSDKK, 6./11. Oktober 1905.<br />

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aufgeteilt. Daher hielt Siemens-Schuckert 300, den Großteil der<br />

verbleibenden Aktien teilten sich der Direktor der neuen japanischen Tochter,<br />

Keßler, sowie der Vorstandsvorsitzende der Siemens-Schuckertwerke, Alfred<br />

Berliner. 243 Die Rechtsformwandlung stellte eine Zäsur dar, da Siemens mit<br />

der Gründung der SSDKK nun über eine feste Organisation des<br />

Japangeschäfts verfügte.<br />

Bereits die offizielle Firmierung Siemens-Schuckert Denki Kabushiki Kaisha<br />

machte nach außen hin deutlich, dass die SSDKK eine Tochter der SSW war.<br />

Keßler, bis 1908 Direktor der SSDKK, wurde von Max Wolff (bis 1911) in<br />

dieser Funktion abgelöst und bekleidete eine leitende Position in der CVU.<br />

1911 übernahm Viktor Hermann die Leitung der SSDKK alleinverantwortlich.<br />

Angesichts der guten Auftragslage und der Gebietserweiterungen in der Zeit<br />

der ersten Expansionsbestrebungen Anfang des 20. Jahrhunderts baute die<br />

SSDKK ihr Filialnetz aus, vornehmlich in Westjapan, in den japanisch<br />

besetzten Gebieten beziehungsweise Einflusszonen Korea, Taiwan sowie in<br />

der Mandschurei. Aufgrund der territorialen Erweiterung und der guten<br />

Geschäftslage teilte Siemens im Jahr 1906 das japanische Vertriebsgebiet in<br />

zwei Bereiche auf. Dabei stand vor allem die Erschließung des<br />

westjapanischen Raums im Vordergrund. Neben Tokio wurde das 1902<br />

gegründete Büro in Osaka der zweite Knotenpunkt im Siemens-Vertriebsnetz.<br />

Das Osaka-Büro war zuständig für alle südlich von Nagoya gelegenen<br />

Gebiete sowie Formosa und Korea. Des Weiteren hatte das Büro die<br />

Aufgabe, alle in das Arbeitsgebiet der Stammfirmen in Europa fallenden<br />

Vorgänge zu überwachen und zu verfolgen. 244 Für das südliche<br />

Vertriebsgebiet wurde 1906 in Mojii, heute ein Stadtteil von Kitakyūshū, ein<br />

weiteres Büro gegründet. Bereits 1909 wurde ein weiteres Vertriebsbüro im<br />

243 Vgl. SAA 68/Li 151: Aktienbuch der SSDKK, o. D. Hugo Natalis war später auch<br />

entscheidend an den Verhandlungen mit Furukawa nach dem Ersten Weltkrieg beteiligt.<br />

244 Vgl. SAA 68/Li 151: Das Osaka-Zweigbureau der SSDKK, 1. März 1906, S. 1 ff. Dabei<br />

behielt sich das Hauptbüro in Tokio vor, bestimmte Aufträge wie Finanzierungsgeschäfte<br />

selbst durchzuführen.<br />

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westjapanischen Kure, in der Präfektur Hiroshima, gegründet, einem größten<br />

Kriegshäfen der japanischen Marine.<br />

Neben den Vertriebsbüros war die Gründung einer Werkstatt im Jahr 1909 zur<br />

Reparatur und Montage in der westjapanischen Stadt Kobe für das<br />

Ostasiengeschäft von Siemens von höchster Bedeutung. 245 Diese Werkstatt<br />

brachte Siemens den Vorteil, die Chancen und Risiken einer Produktion vor<br />

Ort in kleinerem Umfang auszuprobieren. Ursprünglich fertigte Kobe für den<br />

technischen Kundendienst einfaches Zubehör. Im Jahr 1910 wurde der<br />

Stützpunkt ausgebaut, um auf diese Weise die Produktpalette zu erweitern.<br />

Nach Abschluss der Erweiterung führte der Stützpunkt eigene<br />

Fertigungsarbeiten aus, die im Jahre 1913 um die Herstellung von<br />

Schaltertafeln und anderem Zubehör erweitert wurden.<br />

245 Takenaka, Siemens, S. 70.<br />

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Abbildung 6: Vertriebsnetz von Siemens in Japan 1914<br />

Auch in die japanisch besetzten Gebiete versuchte Siemens zu expandieren.<br />

Nach der Besetzung Koreas verstärkte Siemens seine Aktivitäten auf der<br />

Halbinsel und errichtete im Jahr 1906 für das japanische Militär eine große<br />

Kraftanlage in Chemulpo (Incheon) sowie eine Kraftanlage für eine Eisenbahn<br />

in Luzan. Für die Aktivitäten in Korea gründete Siemens zusammen mit dem<br />

deutschen Korea-Haus C. Wolter & Co. (CWC) 246 am 23. Februar 1906 die<br />

Siemens-Schuckert Koreanische Elektrizitäts-Gesellschaft (Siemens<br />

246 Vgl. http://maincc.hufs.ac.kr/~kneider/Kaufing.htm#Wolter, abgerufen am 1. Februar 2010.<br />

Karl Andreas Wolter war ein Kaufmann und Teilhaber der Firma E.Meyer & Co., Hamburg.<br />

Am 6. Juni 1884 kam Wolter zusammen mit Robert Seitz aus Schanghai, um in Chemulpo<br />

eine Filiale der Hamburger Firma aufzubauen. 1907 übernahm er die Firma von H.C.<br />

Eduard Meyer, benannte sie in Karl Wolter & Co. um und eröffnet in Pusan eine<br />

Zweigniederlassung. Im folgenden Jahr kehrte er mit seiner Frau und seinen acht Kindern<br />

Hamburg zurück und übergab die Leitung der Firma an seinen Teilhaber Paul Schirbaum.<br />

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Schuckert Kankoku Denki Gormi Kaisha (SSKDGK) als offene<br />

Handelsgesellschaft. Die Gründung dieser ersten koreanischen<br />

Landesgesellschaft erfolgte in Berlin. Der Hauptsitz der neuen Unternehmung<br />

sollte in Tokio sein, wobei eine weitere Filiale im koreanischen Incheon<br />

eröffnet wurde. Als offizieller Geschäftsleiter konnte das spätere SSW-<br />

Vorstandsmitglied Robert Maaß gewonnen werden. 247 Die Firma CWC<br />

verpflichtete sich, die SSKDGK in Korea bei der Anknüpfung von<br />

Geschäftsverbindungen und Aufträgen zu unterstützen. Darüber hinaus war<br />

die CWC dafür verantwortlich, „der K. D. [SSKDGK] durch Kenntnis von Land<br />

und Leuten in der Auswahl der Kundschaft und bei Feststellung derer Bonität<br />

behilflich zu sein.“ 248 Der Gewinn der Gesellschaft sollte nach Abzug von<br />

Unkosten zwischen der SSDKK und der CWC geteilt werden. Die CWC stellte<br />

hierfür die kaufmännische Unterstützung sowie eventuell notwendige<br />

Büroräume zur Verfügung. Das SSKDGK war organisatorisch dem Büro<br />

Osaka zugeordnet. Die koreanischen Filialen wurden verpflichtet, neben der<br />

laufenden Geschäftskorrespondenz monatliche Berichte und Bilanzen an das<br />

Büro der SSDKK in Osaka zu schicken. Durch die regelmäßige<br />

Berichterstattung sollte ein klares Bild von allen projektierten sowie in der<br />

Ausführung befindlichen und abgeschlossenen Geschäfte über die<br />

koreanische Marktlage entstehen. 249 Das Aktienkapital wurde paritätisch unter<br />

den beiden Kooperationspartnern aufgeteilt. Das Beteiligungsverhältnis sollte<br />

jedoch nur bis zum Jahr 1908 Bestand haben. Dann übernahm Siemens alle<br />

Anteile der Handelsfirma und betreute den Markt fortan allein durch ein<br />

Unterbüro in Seoul. 250<br />

247 Vgl. Feldenkirchen, 100 Jahre, S. 177–184, hier S. 180.<br />

248 Vgl. SAA 68/Li 151: Abkommen mit der Firma Wolter, 16. Dezember 1908, S. 2.<br />

249 Vgl. SAA 68/ Li 151: Abkommen mit der Firma Wolter, 16. Dezember 1908, S. 1 ff.<br />

250 Vgl. SAA 68/Li 151: Erklärung von Hermann Keßler, 8. September 1908, S. 1. Nicht<br />

Siemens übernahm die Aktien von Carl Wolter, wie Takenaka schreibt, sondern Hermann<br />

Keßler. Vgl. Takenaka, Siemens, S. 70.<br />

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Neben dem Ausbau der Aktivitäten wurde Siemens ebenfalls in der von<br />

China, Russland und Japan umkämpften Mandschurei aktiv. Bereits nach der<br />

russischen Besetzung im Jahr 1900 war es zu einer ersten Absprache über<br />

die Behandlung des Gebiets zwischen Siemens Russland, Siemens Japan<br />

und Siemens China gekommen. 251 Nach der japanischen Besetzung eröffnete<br />

Siemens Japan schließlich in der nordchinesischen Hafenstadt Dalian (jap.<br />

Dairen) im Jahr 1909 ein Unterbüro. 252<br />

Angesichts der prosperierenden Entwicklung der japanischen<br />

Tochtergesellschaft erkannten die Verantwortlichen auch das Potenzial des<br />

Schwachstromgeschäfts, das die SSDKK bis dahin eher beiläufig bearbeitet<br />

hatte. Im Dezember 1909 wurde die Errichtung einer eigenen<br />

Schwachstromabteilung innerhalb der SSDKK beschlossen. Die Abteilung<br />

wurde im Tokioter Büro angesiedelt und der Leitung des Ingenieurs Wilhelm<br />

unterstellt. Der Geschäftsbereich der Schwachstromabteilung erstreckte sich<br />

auf die von den Technischen Büros der Siemens-Schuckertwerke in Tokio<br />

und Osaka bearbeiteten Gebiete, einschließlich Port Arthur, der südlichen<br />

Mandschurei, Formosa und Korea. 253<br />

Nach der Rückkehr von einer Inspektionsreise nach Japan im November 1913<br />

machte Keßler in einem Gespräch mit leitenden Managern des Stammhauses<br />

den Vorschlag, die an die SSDKK angeschlossene Schwachstromabteilung<br />

zu verselbstständigen. Die neue Unternehmung sollte unter dem in Japan<br />

noch eingetragenen Namen der Firma Siemens & Halske als deren Japan-<br />

251 Vgl. SAA 25/Lg 136: Vertragswerk „Interessengemeinschaft bezüglich der elektrischen<br />

Geschäfte in China, zwischen den SSW, Berlin und der Fa. H. Mandl &Co, 1. Oktober<br />

1903.<br />

252 Vgl. SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Siemens Berlin, Exportgesellschaft, 4. Juli 1906,<br />

S. 7, und Takenaka, Siemens, S. 70.<br />

253 Vgl. SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Mitteilung No. 355, Berlin,<br />

6. Dezember 1909. Das Geschäftsjahr der neuen Schwachstromabteilung sollte sich<br />

analog, wie bei der SSW, vom 1. Juni bis zum 31. Mai, erstmalig also bis zum 31. Mai<br />

1910, erstrecken.<br />

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Filiale eröffnet werden. 254 Die Gründe für die Trennung der Stark- und<br />

Schwachstromorganisation lagen für Keßler in erster Linie im starken Anstieg<br />

des Schwachstromgeschäfts. Zudem erklärte der Leiter der SSDKK Hermann,<br />

dass er künftig nicht mehr bereit sei, die volle Verantwortung für die sich<br />

weiter ausdehnenden Schwachstromgeschäfte allein zu übernehmen.<br />

Die Trennung der beiden Strombereiche war bis zu diesem Zeitpunkt bereits<br />

häufiger vorgeschlagen worden, jedoch lehnten die Stammhäuser die Appelle<br />

bis 1910 noch vehement ab. 255 Grund dafür war, dass sie von dem Gedanken<br />

geleitet wurden, die Überseeorganisation der Firma so zu gestalten, dass die<br />

Unternehmung im Ausland als ein Konzern auftrat. Hierdurch konnte ihrer<br />

Ansicht nach erreicht werden, dass die verantwortlichen Herren „den Konnex“<br />

untereinander nicht ganz verlieren, was bei vollkommener Trennung und<br />

verschiedenen Firmenbezeichnungen zu befürchten gewesen wäre.<br />

Infolgedessen wurde als Kompromiss beschlossen, die Trennung zwischen<br />

Starkstrom und Schwachstrom so vorzunehmen, dass die<br />

Schwachstromabteilung als ein Teil der SSDKK, aber mit vollkommen<br />

getrenntem Personal in kaufmännischer und technischer Beziehung geführt<br />

werden sollte.<br />

Die Schwachstromabteilung gab ihre Räume innerhalb des Bürogebäudes auf<br />

und zog in das anliegende frühere Wohnhaus Keßlers. Darüber hinaus gelang<br />

es der Abteilung, zum Großteil eigenes Personal zu engagieren, um ihre<br />

kaufmännischen Geschäfte abzuwickeln. Die Personalaquise sollte sich<br />

jedoch nicht nur auf den kaufmännischen Bereich erstrecken. Deshalb war die<br />

Abteilung auch darum bemüht, ausreichend technisches Personal<br />

anzuwerben. So gelang es, in den einzelnen Unterbüros der SSDKK je einen<br />

254 Vgl. SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Aktennotiz über eine Besprechung<br />

zwischen den Herren Dr. Franke, Keßler und Crass wegen der von Herrn Keßler<br />

vorgeschlagenen Trennung der Tokio-Organisation, 1. November 1913. Im Februar 1901<br />

hatte Keßler den Firmennamen „Siemens&Halske AG“ beim Amtsgericht Tokio eintragen.<br />

255 Vgl. SAA 68 Li/151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, SSDKK an CVU, Betr.<br />

Schwachstrom-Abteilung, 1. April 1910.<br />

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geeigneten Ingenieur zu stationieren, der dort selbstständig nach den<br />

Direktiven der Tokioter Schwachstromabteilung deren Geschäfte verfolgte. 256<br />

Neben den eigenen Vertriebsbüros griff Siemens in dieser Phase in Japan<br />

jedoch auch auf die Dienste von Agenturen sowie Handelshäusern zurück. 257<br />

Zudem versuchte die SSDKK, über Kooperationen und Kartelle den<br />

Wettbewerb auf dem japanischen Markt zu verringern. Die Centralverwaltung<br />

Übersee (CVU) kam allerdings bei einem Rückblick kurz vor dem Ersten<br />

Weltkrieg zu einer negativen Bilanz der für Japan geschlossenen<br />

Vereinbarungen, da diese immer nur von äußerst kurzer Dauer waren oder<br />

gar nicht zustande kamen. 258<br />

Bedingt durch den Ausbau des Vertriebsnetzes wuchs der Personalbestand<br />

ständig. 259 So beschäftigte Siemens im Jahr 1914 circa 270 Mitarbeiter in<br />

Japan (34 Europäer und 233 Japaner, siehe Abbildung 7).<br />

256 SAA 68 Li/151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Aktennotiz über eine Besprechung<br />

zwischen den Herren Dr. Franke, Keßler und Crass wegen der von Herrn Keßler<br />

vorgeschlagenen Trennung der Tokio-Organisation, 1. November 1913.<br />

257 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 71.<br />

258 Vgl. SAA 20/Lg 27: CVU an Koettgen, 25. September 1913.<br />

259 Vgl. SAA 68/Li 151: Büro Tokio an Siemens Berlin, Betrifft: Personalvermehrung,<br />

21. Januar 1907, S. 1 ff.<br />

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Abbildung 7: Beschäftigte bei Siemens in Japan 1914<br />

Die vornehmlich deutschen Europäer besetzten sämtliche Schlüssel-<br />

positionen des Japangeschäfts von Siemens. Das europäische Personal<br />

wurde normalerweise für fünf Jahre in das Einsatzgebiet Ostasien entsandt.<br />

Die Leitung der Japan-Agency/ SSDKK lag von 1887 bis 1908 bei Keßler.<br />

Dieser kehrte am 28. Februar 1908 nach Deutschland zurück und übernahm<br />

fortan Führungsaufgaben bei der neuen CVU. Infolgedessen wurde der<br />

Stützpunkt gemeinsam von dem Ingenieur Max Wolff und dem Kaufmann<br />

Viktor Hermann geleitet. Als Wolff 1911 nach Deutschland zurückkehrte,<br />

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übernahm Hermann die japanische Tochter alleine, bis er im Verlaufe der<br />

Marineaffäre im Februar 1914 verhaftet wurde. 260<br />

Um die Geschäftstätigkeit so effizient wie möglich zu halten, wurden Japaner<br />

für spezielle Schnittstellentätigkeiten, die Kontakte mit japanischen Stellen<br />

erforderten, eingesetzt. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörten beispielsweise<br />

Übersetzungen, der Vertrieb und der Kundenverkehr. 261 Zwischen den<br />

jeweiligen Stützpunkten der ostasiatischen Region, vor allem aber zwischen<br />

Japan und China, kam es häufig zu einem regen personellen Austausch. Dies<br />

betraf vor allem Monteure, die häufig für Dienstreisen entsandt wurden. 262<br />

1.2.2.2 Das Unternehmen in der Krise<br />

Im Jahre 1913 erschütterte ein Skandal das Japangeschäft von Siemens.<br />

Ausgelöst wurde dieser durch den Angestellten Richter, der<br />

Geheimdokumente des Unternehmens entwendet hatte und ihre Rückgabe an<br />

die Zahlung einer erheblichen Geldsumme knüpfte. 263 Richter war erst wenige<br />

Monate zuvor als besonders vertrauenswürdig eingestuft und als<br />

Privatsekretär für den Japan-Chef Hermann in Tokio engagiert worden. Doch<br />

bereits nach kurzer Zeit begann Richter die Firmengeschäfte der<br />

Niederlassung in Japan auszuspionieren. Als Privatsekretär hatte er Zugang<br />

zu allen Unterlagen und dem Firmensafe. Er fand im Tresor <strong>Dokument</strong>e über<br />

eine Geheimkorrespondenz, aus denen hervorging, dass Siemens bei<br />

früheren Geschäftsverhandlungen japanischen Admirälen und hohen<br />

Offizieren Geld für die Auftragsaquisen gezahlt hatte. Richter versuchte<br />

Viktor Hermann zu erpressen, da die Unterlagen die Namen sämtlicher<br />

Offiziere enthielten, die in den Skandal involviert waren, und damit höchst<br />

260 Vgl. SAA 13/Lc 518: Erläuterung Keßler (von Keßler) zum japanischen Marine-Prozess,<br />

o. D.<br />

261 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 73 f.<br />

262 Vgl. SAA 13/Lc 332: CVU an Meyer, 4. Januar 1901.<br />

263 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98.<br />

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kompromittierend für das Unternehmen waren. Hermann ging auf die<br />

Geldforderung jedoch nicht ein und kündigte dem Privatsekretär fristlos. 264 Da<br />

das Vorhaben Richters fehlgeschlagen war, versuchte dieser, durch den<br />

Verkauf der <strong>Dokument</strong>e an den englischen Reuters-Journalisten Pooley<br />

anderweitig Profit daraus zu ziehen. Pooley drohte mit einer weltweiten<br />

Veröffentlichung und Verbreitung der <strong>Dokument</strong>e, wenn er nicht eine Summe<br />

von 250.000 Yen bekäme. 265 Vor dem Hintergrund der veränderten<br />

Rahmenbedingungen beriet sich Hermann mit seinem Freund Thiele, dem<br />

deutschen Generalkonsul in Japan. Beide entschieden sich dafür, mit Hilfe<br />

der deutschen Botschaft das japanische Marineministerium in einem<br />

vertraulichen Treffen über die Geschehnisse zu informieren. Man wollte dem<br />

Marineminister Saito zu bedenken geben, dass im Falle einer gerichtlichen<br />

Auseinandersetzung die Marine unter Korruptionsverdacht stünde. Daher sei<br />

es sinnvoll, wenn das Ministerium durch seinen Einfluss auf die Justiz die<br />

Sache möglichst geräuschlos aus der Welt schaffe. Der Marineminister hielt<br />

es allerdings für absurd, dass seine Admiräle bestochen worden waren und<br />

lehnte eine staatliche Einmischung kategorisch ab. Daher sah sich Hermann<br />

gezwungen, zur Abwendung größerer Schäden für sich und die Firma mit<br />

Pooley eine Übereinkunft zu treffen. Gegen die Zahlung von 50.000 Yen<br />

gelang es, die Papiere zurückzukaufen. Hermann zeigte sich nach dem<br />

Wiedererhalt der <strong>Dokument</strong>e erleichtert und verbrannte sie mit seinem Freund<br />

Thiele im Kamin des deutschen Generalkonsulats.<br />

Im Glauben, künftige Schäden für das Unternehmen abgewandt zu haben,<br />

entschloss sich Siemens, gegen den Erpresser Richter vorzugehen, und<br />

zeigte ihn in Berlin an. Dieser befand sich gerade auf dem Rückweg nach<br />

Deutschland, als er an der deutschen Grenze verhaftet wurde. Bei seiner<br />

264 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

Karl Voigt war der Anwalt Hermanns in Japan.<br />

265 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98.<br />

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Überführung nach Berlin fanden die Behörden Kopien der Geheimdokumente<br />

in seinem Reisegepäck. 266<br />

Gegen Richter wurde ein Strafverfahren eingeleitet und es kam wenig später<br />

zur Verhandlung am Landgericht Berlin-Charlottenburg. Der Prozess fand<br />

unter reger Anteilnahme von Presse und Politik statt. Die deutsche Botschaft<br />

und das Generalkonsulat in Japan wurden über die Entwicklungen informiert.<br />

Daraufhin machte sich bei Siemens Japan die Sorge breit, das es zu einem<br />

Skandal kommen könnte, da die Hauptverhandlungen in Berlin in der Regel<br />

öffentlich durchgeführt wurden. Verstärkt wurden diese Ängste noch dadurch,<br />

dass die Verteidigung Richters der bekannte Sozialist und Rechtsanwalt Karl<br />

Liebknecht übernommen hatte. 267 Daraufhin intervenierte die deutsche<br />

Botschaft in Japan beim Auswärtigen Amt in Berlin. Ziel war es, Einfluss auf<br />

den Präsidenten der Strafkammer zu nehmen, um bei der Verhandlung einen<br />

Ausschluss der Öffentlichkeit zu erreichen. Der Vertreter des Auswärtigen<br />

Amtes, Graf Monteglas, der selbst Botschaftsrat in Tokio gewesen war, wies<br />

auf die freundschaftlichen Beziehungen zu Japan hin, die durch den Prozess<br />

bedroht würden, und versuchte, auf diese Weise die Forderung des<br />

Ausschlusses durchzusetzen.<br />

Die Bemühungen Monteglas scheiterten jedoch, da der Präsident des<br />

Landgerichts eine solche Gefährdung nicht gegeben sah. 268 Daher waren<br />

dem Unternehmen die Hände gebunden und ein Publikwerden des Skandals<br />

war unausweichlich. In den Gerichtsverhandlungen wurden die belastenden<br />

<strong>Dokument</strong>e verlesen und die Namen der Admiräle und Offiziere<br />

bekanntgegeben. Darüber hinaus verfasste Liebknecht einen ausführlichen<br />

266 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

267 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98<br />

268 Darüber hinaus begründete er seine Entscheidung, dass ein Ausschluss der Öffentlichkeit<br />

nur bei der Gefährdung der Sittlichkeit, der öffentlichen Grundordnung oder der<br />

Staatssicherheit zulässig sei. Diese Begriffe sollten sich aber nur auf interne nationale<br />

Gefährdungen beziehen und nicht auf das Verhältnis des Reiches zu einem ausländischen<br />

Staat.<br />

Seite | 88


Bericht über den Prozessverlauf in der Zeitung „Vorwärts“. Darin<br />

veröffentlichte er die Namen der Marineoffiziere und kritisierte die<br />

Lasterhaftigkeit des Siemenskonzerns sowie aller kapitalistischen<br />

Großunternehmen. 269 Der Angeklagte Richter wurde am Ende der<br />

Gerichtsverhandlung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. 270<br />

Die Reuters-Meldung über den Prozess in Berlin und die Verurteilung Richters<br />

sorgten für große Unruhe in Japan. In der Presse gab es heftigen Anklagen<br />

gegen die Marine, zudem mehrten sich die feindseligen Stimmen gegenüber<br />

Deutschland. Das japanische Parlament, das gerade seine Wintertagung<br />

abhielt, richtete Anfragen an die Regierung und übte heftige Kritik an der<br />

Marine. Nachdem die Regierung die Aufklärung zugesagt hatte, wurde<br />

Hermann verhaftet und langen Verhören unterzogen. Es folgten<br />

Hausdurchsuchungen bei Siemens Japan und die Inbesitznahme des<br />

kompletten Aktenmaterials. Für Hermann sprach, dass die belastenden<br />

<strong>Dokument</strong>e nicht in seiner Zeit, sondern wesentlich früher verfasst worden<br />

waren und er nachweislich keine Gelder an die japanischen Marineoffiziere<br />

bezahlt hatte. Bis dato war er immer als Zeuge vorgeladen, jedoch räumte<br />

Hermann im Verhör ein, die <strong>Dokument</strong>e in seinem Büro vernichtet zu haben<br />

um auf diese Weise seinen Freund, Generalkonsul Thiele, zu schützen. Dies<br />

hatte zur Folge, dass der zuständige japanische Richter Untersuchungshaft<br />

für Hermann verfügte. Die Siemens-Leitung in Berlin – über den Prozess<br />

bestens informiert – berief daraufhin den Leiter des Büros von Osaka,<br />

Drenckhahn als Vertreter für das Büro in Tokio.<br />

Für Pooley und Reuters, die den Skandal ausgelöst hatten, erwies sich der<br />

Triumph über die korrupten deutschen Geschäftsmethoden jedoch als<br />

Bumerang, da Pooley nur kurze Zeit später in Japan verhaftet wurde. Im Zuge<br />

der Untersuchung wegen der Bestechung von Marineoffizieren wurde auch<br />

269 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

270 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 76.<br />

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die Auftragsvergabe für das Schlachtschiff „Kongo“ beleuchtet. Der Auftrag<br />

war an das japanische Unternehmen Mitsui vergeben worden, das den Bau<br />

des Kriegsschiffs zum Teil von englischen Werften bewerkstelligen ließ. Das<br />

Schiff sollte 40 Millionen Yen, etwa 80 Millionen, Mark kosten. Siemens hatte<br />

für die elektrischen Installationen auf dem Schiff einen Anteil von circa zwei<br />

Prozent der gesamten Auftragssumme erhalten. Bei den zahlreichen<br />

Verhören von Mitsui-Direktoren und Marineoffizieren stellte sich heraus, dass<br />

in vielen Fällen Kommissionen bezahlt worden waren. Es gab zahlreiche<br />

Verhaftungen und mehrere englische Firmenangehörige, die in den Fall<br />

verwickelt waren, verließen überstürzt das Land. Nachdem sich der deutsche<br />

Botschafter des Falles Hermann angenommen hatte, konnte bereits nach drei<br />

Wochen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden. 271<br />

In der japanischen Öffentlichkeit fand der Skandal ebenfalls zunehmend<br />

Beachtung, mit weitreichenden Folgen. Die Regierung unter Ministerpräsident<br />

Yamamoto reagierte zunächst gelassen und überstand einen<br />

Misstrauensantrag im Februar 1914. Aufgrund nahezu täglicher neuer<br />

Veröffentlichungen zum Skandal und nach starken Angriffen der Opposition<br />

auf Marine und Regierung wurde das Kabinett jedoch unhaltbar. Nach dem<br />

Scheitern des Marineetats im Oberhaus im März trat schließlich<br />

Ministerpräsident Yamamoto mit seinem Ministerium zurück. 272<br />

Dies war für die deutsch-japanischen Beziehungen ein schwerer Schlag, da<br />

das Yamamoto-Kabinett die erste deutschfreundliche Regierung seit zwanzig<br />

Jahren gestellt hatte. Der Sturz des Kabinetts durch einen Skandal, der von<br />

deutscher Seite ausgelöst worden war, ist retrospektiv als Rückschritt die<br />

gerade langsam wieder aufgebauten deutsch-japanischen Beziehungen zu<br />

bewerten. 273 Vom neuen Kabinett unter Ministerpräsident Okuma war keine<br />

271 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

272 Vgl. Rauck, Beziehung, S. 98.<br />

273 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio<br />

1962, S. 33 ff. Die diplomatischen Beziehungen waren seit dem Frieden von Shimonoseki<br />

nach dem chinesisch-japanischen Krieg von 1894/95 getrübt, da Deutschland die<br />

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deutschfreundliche Haltung zu erwarten. 274 Der neue Außenminister Kato war<br />

vorher Botschafter in London gewesen und seinen Äußerungen zufolge eher<br />

als deutschlandfeindlich einzustufen. 275<br />

Die zunehmende Anzahl und Komplexität der Fälle sorgte dafür, dass das<br />

Gericht geraume Zeit brauchte, um die Anklage vorzubereiten. Bezüglich des<br />

Falls Hermann fokussierte sich die Anklageschrift auf drei Punkte:<br />

1. Bestechung des Kapitäns Z. Sawasaki im Zusammenhang mit der<br />

Funabashi-Funkstation. Dieser erhielt zwischen Juli 1913 und<br />

Januar 1914 11.500 Yen.<br />

2. Versuchte Bestechung des Konteradmirals Iwasaki.<br />

3. Vernichtung von Beweisen. 276<br />

Am 18. Juni 1914 begann die Hauptverhandlung vor der Strafkammer des<br />

Landgerichts Tokio. Zuerst wurde gegen mehrere Mitarbeiter von Mitsui<br />

verhandelt, die der Bestechung und Fälschung von Buchungen bezichtigt<br />

wurden. Durch Vernehmungsprotokolle, Zeugenaussagen und Aussagen der<br />

Angeklagten wurde in der Hauptverhandlung der Beweis erbracht, dass die<br />

Mitsui-Mitarbeiter, zusammen mit englischen Firmen, vor allem mit Vickers &<br />

Sons, japanische Regierungsbeamte bestochen hatten. Das Gericht sprach<br />

mehrere Gefängnisstrafen aus. Diese Urteile wurden jedoch der Presse nicht<br />

zugänglich gemacht, weil für die Bestrafung der gleichzeitig beschuldigten<br />

Admiräle eine kaiserliche Genehmigung eingeholt werden musste. Die<br />

Hauptverhandlung wurde in gleicher Weise gegen Pooley und Hermann<br />

fortgesetzt.<br />

Die Verteidigung Hermanns wies im Fall des Kapitäns Sawasaki darauf hin,<br />

dass die bei der Order der drahtlosen Station bezahlte Kommission nicht<br />

Forderung nach der Rückgabe der japanisch besetzten Halbinsel Kwantung mit Port<br />

Arthur unterstützt hatte.<br />

274 Vgl. SAA 9411: The Japanese Times, 17. April 1914.<br />

275 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl: Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

276 Vgl. SAA 9411: The Japanese Times, 26. April 1914.<br />

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durch Hermann, sondern durch den Agenten Yoshida selbstständig<br />

vorgenommen worden war. Yoshida war von 1896 bis 1904 Angestellter bei<br />

Siemens Japan unter der Leitung Keßlers gewesen. Er hatte dann ein<br />

eigenes Agenturgeschäft für Importe. Im Jahr 1906 schloss Siemens Japan<br />

mit Yoshida einen Vertrag, demzufolge er für die Vermittlung von Geschäften<br />

an die japanische Marine 1 Prozent Kommission sowie 5 Prozent<br />

Extrakommission erhalten sollte. Diese 5 Prozent waren dem Gericht<br />

verdächtig, es konnten jedoch keine belastenden Beweise gefunden<br />

werden. 277 Trotz der unklaren Beweislage im Fall Yoshida erhängte sich der<br />

Beschuldigte während der Untersuchungshaft in seiner Zelle am 17. März<br />

1914. 278<br />

Hermann, der im Jahre 1911 als Direktor von Siemens Japan aufgerückt war,<br />

hatte das Agenturverhältnis mit Yoshida bei seinem Amtsantritt bestehen<br />

lassen. Da Hermann als Direktor in Japan über mehrere Zweigstellen und<br />

ungefähr 300 Mitarbeiter verfügte, prüfte er nicht jeden einzelnen<br />

Agenturvertrag. Die Anklage in diesem Punkt war absurd, hinzu kam, dass<br />

Hermann den Namen Sawasaki erstmals während der Anklage hörte. In dem<br />

am 14. Juli 1914 verkündeten Urteil wurde Hermann zu einer Haftstrafe von<br />

einem Jahr Gefängnis verurteilt, die jedoch für drei Jahre zur Bewährung<br />

ausgesetzt wurde. 279<br />

Die Aktivitäten des Japangeschäfts wurden durch den Beginn des Ersten<br />

Weltkriegs im Spätsommer 1914 deutlich reduziert, da Siemens in Japan<br />

während des Kriegs keine Geschäfte abschließen durfte und der Kontakt mit<br />

den Kunden durch politischen den Druck Großbritanniens erschwert wurde.<br />

Die Büros in Dalian, Seoul, Mojii und Kure mussten kurz nach Kriegsbeginn<br />

geschlossen werden. Die Werkstatt in Kobe wurde stillgelegt und<br />

schlussendlich werden. Es folgte die Schließung der Büros in Mojii im Herbst<br />

277 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

278 Vgl. SAA 9411: The Japanese Adviser, 18. März 1914, und SAA 9411: The Japan Daily<br />

Herald, 18. März 1914.<br />

279 Vgl. SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

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1917 und Osaka im Sommer 1918. Somit bestand nur noch das Büro in<br />

Tokio. Die Verantwortlichen entließen fast das gesamte Personal und leiteten<br />

weitere umfangreiche Sparmaßnahmen ein. 280<br />

Siemens engagierte sich sehr in der Kriegsfürsorge. Direkt bei Ausbruch des<br />

Kriegs riefen in Tokio, Yokohama und Kobe lebende Deutsche<br />

Hilfsausschüsse ins Leben. Siemens stellte die Räumlichkeiten für den<br />

Hilfsausschuss in Tokio zur Verfügung und übernahm umgehend die zu<br />

erledigenden Aufgaben. Dies war von zentraler Bedeutung für den<br />

Hilfsausschuss, der aus praktischen Gründen bis zum März 1917 nicht<br />

polizeilich registriert war und dessen Arbeits mit dem Namen der Firma<br />

gedeckt wurden. Die wichtigste Aufgabe war die Versorgung von<br />

Kriegsgefangenen nach dem Eintritt Japans in den Krieg und der Eroberung<br />

der deutschen Kolonie Tsingtau. Die ersten 70 Kriegsgefangenen kamen im<br />

Oktober 1914 aus der ehemaligen deutschen „Kolonie“ Tsingtau nach Japan.<br />

Den Japanern bereitete mangels an Erfahrung die Versorgung der<br />

Kriegsgefangenen mit europäischer Kost größte Probleme. Das dafür<br />

beauftragte japanische Unternehmen bewältigte diese Aufgabe nur<br />

unzureichend. Siemens Japan nahm umgehend Kontakt mit den japanischen<br />

Behörden auf und erreichte, dass das japanische Kommando den Bau einer<br />

Großküche veranlasste, in der die Kriegsgefangenen gelieferte Lebensmittel<br />

selbst zubereiten konnten. Zusätzlich wurde eine Bäckerei errichtet. Die<br />

Erfahrungen aus dieser Hilfe im kleinen Maßstab wurden umso wichtiger, als<br />

im November 1914 weitere 4.700 Kriegsgefangene in Japan interniert wurden.<br />

Die Gefangenen litten, bedingt durch die Kämpfe, den 10-tägigen<br />

Schiffstransport aus China sowie die chaotischen Zustände in den noch<br />

unfertigen Kriegsgefangenlagern unter ausgeprägten Mangelerscheinungen.<br />

280 Vgl. SAA 50/Ll 577: Schreiben Drenckhahn an CVU, Maßnahmen während des Kriegs, II.<br />

Bericht, Reduktion der Unkosten, 25. November 1914, und SAA 50/Ll 577: Schreiben<br />

Georgi an CVU, Übersicht.<br />

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Siemens engagierte sich auch hier bei der Lieferung von Lebensmitteln sowie<br />

dem Bau von Großküchen und Bäckereien. 281<br />

Zusätzlich stellten Besuche von Siemens-Angestellten in allen<br />

Kriegsgefangenenlagern die dringendsten Sorgen und Nöte fest und eine<br />

sinnvolle Verteilung der Hilfsmittel sicher. 282 Neben der Versorgung der<br />

Allgemeinheit standen zahlreiche Einzelwünsche, Bestellungen, Bitten um<br />

Unterstützung, Vorschüsse und Darlehen auf der Tagesordnung. Zudem<br />

übernahmen Siemens-Mitarbeiter auch konsularische Aufgaben, da die<br />

Schweizer Gesandtschaft, die die Vertretung der deutschen Interessen in<br />

Japan übernommen hatte, wegen Personalmangels überlastet war. Aufgrund<br />

dieser Tätigkeiten gelang es Siemens in Japan, auch während des Kriegs das<br />

Ansehen der Firma zu steigern. 283<br />

1.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit<br />

1.2.3.1 Die Rahmenbedingungen für das Unternehmergeschäft in<br />

Japan<br />

Aufgrund der von Wilhelm von Siemens eingeleiteten Reformen der<br />

Absatzorganisation konnte sich das deutsche Unternehmen vermehrt im<br />

Unternehmergeschäft betätigen. 284 Die zögerlichen Anfänge wurden um die<br />

Jahrhundertwende intensiviert, sodass sich Siemens nun ernsthaft im<br />

281 Vgl. SAA 50/La 788: Bericht über die Tätigkeit der SSDKK in Kriegsgefangenen-<br />

Angelegenheiten in Japan 1914–1920, 15. August 1919.<br />

282 Vgl. SAA 68/Li 151: Vortrag von Herrn Oberingenieur R. Georgi, 16. April 1920.<br />

283 Vgl. SAA 50/La 788: Schreiben CVU an Zentralvorstand, Kriegsgefangenenunkosten der<br />

SSDKK Tokio, 3. Mai 1921. Zwar erstattete das Reichswehrministerium Siemens einen<br />

Teil der Kosten zurück, dennoch entstand aufgrund von Wechselkursschwankungen ein<br />

hoher Verlust.<br />

284 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 60, und Feldenkirchen, Siemens, S. 82 ff.<br />

Seite | 94


Unternehmergeschäft in Japan engagierte. 285 Zudem veränderte sich auch die<br />

Haltung der Meiji-Regierung gegenüber ausländischen Direktinvestitionen. 286<br />

Im chinesisch-japanischen Krieg lockerte die japanische Regierung die<br />

Kapitaleinfuhrbestimmungen, öffnete sich für ausländische Direktinvestitionen<br />

und reformierte den Finanz- und Handelssektor. Eine weitere Verbesserung<br />

der Rahmenbedingungen erfolgte durch die Revision der „ungleichen<br />

Verträge“. 287<br />

285 Vgl. SAA 25/Lo 385: Schreiben Keßler an S&H, 9. Februar 1888, und SAA 20/Lg 27:<br />

Schreiben S&H an Rohde, Elektrifizierung Ausländerviertel Yokohama, 19. Oktober 1889.<br />

Rohde plante 1888 eine Beleuchtungsanlage für das Ausländerviertel von Yokohama. Die<br />

Siemens-Mutter zeigte sich zwar interessiert, lehnte eine Kapitalbeteiligung aber ab.<br />

Infolgedessen kam das Projekt nicht zustande.<br />

286 Bis zur Jahrhundertwende hatte die Meiji-Regierung, aus Furcht von der Abhängigkeit<br />

gegenüber dem Ausland, ausländische Direktinvestitionen nahezu untersagt. Infolge<br />

dieser Restriktionen und Protektionismus waren Unternehmergeschäfte für den<br />

japanischen Binnenmarkt nicht attraktiv.<br />

287 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 36 ff., und Hentschel, Wirtschaftsgeschichte 1, S. 152 ff. Eine<br />

wichtige Reform war die Einführung des Goldstandards 1897. Die „ungleichen Verträge“<br />

mit den europäischen Großmächten wurden in den 1890er Jahren zunehmend revidiert,<br />

so auch mit Deutschland im Deutsch-Japanischen Vertrag vom April 1896. Das<br />

Abkommen trat 1899 in Kraft.<br />

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Abbildung 8: Rahmenbedingungen des Unternehmergeschäfts in Japan<br />

Begünstigt wurde die Förderung des Unternehmergeschäfts durch die<br />

fehlende Leistungsfähigkeit der japanischen Banken. So äußerte sich ein<br />

Zeitzeuge: „Die bestehenden japanischen Banken in Japan sind angeblich<br />

noch unreif für größere Geschäfte und unsicher, in welcher Weise derartige<br />

Geschäfte zu machen seien, auch seien sie nicht kapitalkräftig genug, um<br />

finanzielle Geschäfte ohne Unterstützung großer ausländischer Banken<br />

durchzuführen.“ 288<br />

Der dritte und wohl bedeutendste Aspekt, der das Unternehmergeschäft<br />

förderte, war der Übergang Japans zum Goldstandard im Jahr 1897. Die<br />

japanische Industrie und der Handel wehrten sich gegen den Goldstandard,<br />

weil er die Yen-Abwertung als Maßnahme einer flexiblen Geldpolitik<br />

verhinderte. Für Premierminister Matsukata war allerdings der sichere Gewinn<br />

an internationaler Reputation und Kreditwürdigkeit wichtiger als ein<br />

288 Vgl. SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 14. März 1898, und SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin<br />

an S&H Tokio, 28. Mai 1898.<br />

Seite | 96


eventueller Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Darüber hinaus<br />

beabsichtigte die japanische Regierung nach Kriegsende den Ausbau sowie<br />

die Modernisierung von Industrie und Armee. Eine wiederholte Abwertung des<br />

Yen in einem System flexibler Wechselkurse hätte die notwendigen Importe<br />

von Kriegsmaterial und Industrieausrüstung verteuert.<br />

Nach der Einführung des Goldstandards und dem eingeleiteten militärisch-<br />

wirtschaftlichen Entwicklungsprogramm stiegen die Importe stark an. Gold<br />

strömte ab und die Handelsbilanz wies ein großes Defizit auf. Die japanische<br />

Zentralbank setzte nach den allgemeinen international anerkannten Regeln<br />

des Goldstandards auf eine Politik der Deflation. 289 Die Zahlungsbilanz konnte<br />

damit zwar ausgeglichen werden, jedoch wurden die liquiden Mittel immer<br />

knapper und verhältnismäßig teuer. Die Deflationspolitik wurde erst Anfang<br />

1902 wieder aufgegeben und der Goldstandard der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung geopfert. 290<br />

1.2.3.2 Unternehmergeschäft: Das Bahnprojekt in Tokio<br />

Obwohl der verkehrstechnische Sektor bei Siemens in der ersten Dekade der<br />

Japan-Agency eher als Randgeschäft bezeichnet werden musste, hoffte das<br />

Berliner Unternehmen darauf, den Absatz in den 1890er Jahren merklich<br />

ausbauen zu können. 291 Ausschlaggebend hierfür waren technische<br />

289 Vgl. Neumann, Volkswirtschaftslehre, S. 292 ff.<br />

290 Vgl. Hentschel, Wirtschaftsgeschichte 1, S. 152 ff.<br />

291 Vgl. Feldenkirchen, Werkstatt, S. 59 ff. Nach der Entdeckung des dynamoelektrischen<br />

Prinzips im Jahre 1867 wurde bei Siemens überlegt, elektrische Bahnen neben dem<br />

Bergbau auch für den Personenverkehr einzusetzen. Die erste elektrische Lokomotive<br />

wurde 1879 auf der Berliner Gewerbeausstellung präsentiert. Auch wenn die Bahn ein<br />

Publikumsmagnet war und zahlreiche ausländische Großstädte sie für Messen als<br />

Transportmittel anforderten, blieb der Absatz trotz erheblichem Werbeaufwand gering.<br />

Lediglich drei elektrische Bahnen wurden in den 1880er Jahren gebaut und verkauft. Die<br />

erste elektrische Eisenbahn nahm am 16. Mai 1881 ihren Probebetrieb in Berlin-<br />

Lichterfelde auf. Einen technischen Schwachpunkt der elektrischen Bahnen stellte die<br />

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Entwicklungen und die veränderte Geschäftspolitik des Stammhauses<br />

hinsichtlich des Unternehmergeschäfts. Dies galt auch für das<br />

verheißungsvolle Absatzgebiet in Ostasien. Dort wurde mit dem Bau der<br />

Straßenbahn von Peking das erste große Bahnprojekt Ostasiens abgewickelt.<br />

Bereits 1893 zog Keßler mithilfe von Aoki Shuzo erste Erkundigungen<br />

hinsichtlich des Baus einer elektrischen Straßenbahn in Tokio ein. 292 Als<br />

Siemens im Jahr 1896 erfuhr, dass die Thomas-Houston-Gruppe eine<br />

Straßenbahn in Kyoto gebaut hatte, wurde das Interesse an dem Tokio-<br />

Projekt noch größer. 293 Die Funktionsweise der Bahn stieß auf große<br />

Resonanz der Bevölkerung, sodass auch andere japanische Großstädte<br />

planten, ähnliche Projekte durchzuführen. 294 Für die Durchführung dieses<br />

Projekts erwog Siemens Japan zunächst eine japanische Kapitalbeteiligung.<br />

Nach Rücksprache des Stammhauses mit einem Vertreter der Deutschen<br />

Bank mussten die Beteiligten jedoch einsehen, dass im japanischen<br />

Bankensystem kein adäquater Partner für ein solches Geschäft gefunden<br />

werden konnte. 295<br />

Obwohl die Finanzierungsfrage noch nicht geklärt war, verfasste Fischer am<br />

14. März 1898 einen Bericht über das Geschäftspotential von Straßenbahnen.<br />

Stromzuführung durch eine Mittelschiene dar. Daher scheiterten viele Projekte an den<br />

Sicherheitsbedenken kommunaler Behörden. Erst Mitte der 1880er Jahre fand der<br />

Amerikaner Frank Sprague eine Lösung mithilfe einer Stange und einer Kontaktrolle<br />

gefunden. Die Nutzungsrechte für Deutschland hatte allerdings die AEG. Erst 1889<br />

entwickelte der Siemens-Ingenieur Walter Reichel einen funktionsfähigen Schleifbügel und<br />

verbesserte damit die Absatzmöglichkeiten für elektrische Bahnen von Siemens.<br />

292 Vgl. SAA 25/Lo 268: Schreiben Keßler an S&H, 27. Oktober 1893.<br />

293 Vgl. SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H Japan an S&H Berlin, SAA 25/Ln 142: Projekt Tokio,<br />

22. März 1898, und SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H, AbtB an S&H Centralstelle, 12.<br />

Februar 1898, sowie Takenaka, Siemens, S. 143.<br />

294 Vgl. SAA 25/Lo 268: Bericht über Straßenbahnbau in Kyoto, 4. Juni 1896.<br />

295 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an Deutsche Bank, Secretariat, 12. Februar<br />

1898, und SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an S&H Japan, Telegramm Beteiligung Banken, 15.<br />

Februar 1898.<br />

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Er sah die Rahmenbedingungen für elektrische Bahnen als sehr günstig an,<br />

„weil Pferde relativ selten sind in Japan und für Traditionszwecke nicht die<br />

Rolle spielen wie bei uns.“ 296 Als entscheidenden Vorteil sah Fischer die<br />

zunehmende Ausdehnung der japanischen Städte an, wobei wiederum die<br />

enge Straßenführung ihm einige Sorgen bereitete.<br />

Fischer vertrat bei seinen Ausführungen die Ansicht, dass zuerst Tokio in<br />

Betracht käme, da dort eine äußerst erfolgreiche Pferdebahngesellschaft<br />

bestand, die bereits die Umwandlung auf elektrischen Betrieb ins Auge<br />

gefasst hatte. 297 Aufgrund dieser Rahmenbedingungen erarbeitete Fischer<br />

Ende März 1898 einen konkreten Entwurf, der die Elektrifizierung der<br />

Pferdebahn in Tokio vorsah. 298<br />

Nach diesem Vorschlag sollte Siemens die unternehmerische Kontrolle über<br />

die Pferdebahngesellschaft erlangen und sie elektrifizieren.<br />

Eigens dafür hatte Fischer im Rahmen einer Ist-Analyse unter anderem das<br />

Streckennetz, das Passagieraufkommen und die Bahnanlagen untersucht.<br />

Daraus entwickelte er eine detaillierte Investitionsrechnung. Das gesamte<br />

benötigte Investitionskapital belief sich auf 5 Millionen Yen. Davon entfielen<br />

3,32 Millionen Yen für den Kauf der Pferdebahngesellschaft und 1,64<br />

Millionen für die Elektrifizierung und den Ausbau der Strecke. Die jährlichen<br />

Unterhaltskosten für den laufenden Betrieb wurden mit 603.000 Yen<br />

veranschlagt, während auf der Einnahmeseite mit einer Million Yen gerechnet<br />

wurde. Somit sollte sich ein kalkulierter Reingewinn von 397.000 Yen<br />

ergeben. 299 Mangels finanzieller Mittel empfahl Fischer, das Handelshaus C.<br />

Illies & Co. als Partner für in das Projekt aufzunehmen. Das etablierte<br />

Handelshaus unterhielt enge Verbindungen zu Siemens Japan. „Der Nutzen<br />

könnte darin liegen, dass die verbündete kaufmännische Firma durch ihre<br />

296 Vgl. SAA 25/Lo 268: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Abteilung Bahn, 14. März 1898.<br />

297 Vgl. SAA 25/Lo 268: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Abteilung Bahn, 14. März 1898.<br />

298 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />

299 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />

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Agenten in den Kreisen der Regierung und durch den Ruf, welchen sie sich in<br />

Japan erworben hat, uns die Wege bahnen helfen kann, wenn es sich etwa<br />

darum handelt, die Erlaubnis für irgend eine Anlage zu bekommen oder<br />

Bestimmungen zu umgehen, oder aus dem Wege zu räumen, welche für das<br />

Erträgnis einer beabsichtigten Anlage eine Lebensfrage ist.“ 300<br />

Das Handelshaus zeigte allerdings kein Interesse an der Gründung einer<br />

gemeinsamen Finanzierungsgesellschaft. Zudem versprach sich das<br />

Unternehmen von der Revision der „ungleichen Verträge“ keine<br />

grundlegenden Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 301<br />

Obwohl die Planung für das Straßenbahngeschäft durch die Ausführungen<br />

Fischers im März 1898 konkretere Formen annahm war der Erwerb der<br />

Lizenz zum Betrieb der Pferdebahngesellschaft nach wie vor offen. Fischer<br />

schlug den Kauf der Pferdebahn vor, denn er sah aufgrund des<br />

Kapitalmangels in Japan gute Chancen, den Zukauf zu realisieren. Das dann<br />

noch ausstehende Kapital für die Elektrifizierung der Bahn wollte er durch<br />

Kapitalerhöhungen der Pferdebahn erhalten. Dieses Vorgehen barg jedoch<br />

erhebliches Gefahrenpotential, denn im japanischen Handelsrecht war der<br />

Besitz japanischer Unternehmensaktien bei Ausländern juristisch unklar.<br />

Schon eine Woche nach dem Vorschlag Fischers musste Siemens Japan<br />

eingestehen, dass aus juristischer Sicht einen Kauf der Pferdebahn nicht<br />

möglich war. 302<br />

Um die juristischen Hürden zu umgehen, die eine Übernahme japanischer<br />

Unternehmen durch Ausländer untersagte, war Siemens Japan um die<br />

Einsetzung eines vertrauenswürdigen „Strohmanns“ bemüht. 303 Zur<br />

300 Vgl. SAA 68/Li 151: Abschrift eines Briefes von Fischer, 24. Februar 1898.<br />

301 Vgl. SAA 68/Li 151: Aktennotiz von Schrimpff über Gespräch mit Illies und Takata, 28.<br />

April 1898.<br />

302 Vgl. SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 1. April 1898, und Takenaka, Siemens, S. 145 ff.<br />

303 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben Siemens Japan an Siemens Berlin, Einsetzung eines<br />

Strohmannes, 7. Juli 1898, und SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Japan,<br />

Neue Nachrichten über Strohmann, 24. August 1898.<br />

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Unterstützung einer fundierten Urteilsfindung beschloss das Stammhaus in<br />

Berlin, eigens hierfür deutsche Japanexperten zu konsultieren. Der Ingenieur<br />

Hermann Rumschöttel, der im Rahmen der Planung des Eisenbahnbaus von<br />

1887 bis 1894 in Japan gearbeitet hatte, sah auch nach der Revision der<br />

„ungleichen Verträge“ den Aktienbesitz durch Ausländer skeptisch. 304<br />

Lönholm, ein Experte den Siemens Japan auf Wunsch der deutschen<br />

Muttergesellschaft heranzog, war mit dem japanischen Zivil- und<br />

Handelsgesetz sehr vertraut. 305 In seinem Gutachten sah er die<br />

Rahmenbedingungen für Investitionen zwar als günstig an, bewertete die<br />

Einsetzung eines Strohmanns jedoch als zu riskant. Lönholm befürchtete,<br />

dass es zu Problemen in der Nachfolge kommen könnte, falls der Strohmann<br />

einmal stürbe. Er empfahl, zunächst die Revision der „ungleichen Verträge“<br />

abzuwarten, um dann erneut einem geeignetes Verfahren zur Übernahme der<br />

Pferdebahn zu suchen. Aufgrund der erheblichen Bedenken Lönholms, wurde<br />

dies nicht mehr weiterverfolgt. 306<br />

Die Überlegungen hinsichtlich der Übernahme und des Betriebs der<br />

Pferdebahn wurden letztlich durch einen Beschluss des Stadtrats von Tokio<br />

hinfällig, den Betrieb der Bahn in städtischer Hand sowie mit einem neuen<br />

Antriebsverfahren umzusetzen. Es wurde zudem festgelegt, dass das<br />

Straßenbahnprojekt durch eine Anleihe finanziert werden sollte. 307 Auf diesen<br />

Rückschlag reagierte Siemens Japan im Spätsommer 1898 mit einem neuen<br />

Entwurf für das Straßenbahngeschäft. Erneut wurde Fischer mit der<br />

Ausarbeitung des Plans betraut. Zentral bei seinen Ausführungen war ein neu<br />

ausgearbeiteter und erweiterter Streckenplan. Darüber hinaus entwickelte er<br />

neue Ansätze hinsichtlich der Finanzierung und Kontrolle des Projekts.<br />

304 Vgl. SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Bödiker betr. Unterredung mit Schmidt-Leda, 16. Mai<br />

1898.<br />

305 Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Siemens Japan, Information über die Japanexperten<br />

und Lönholm, 24. Mai 1898.<br />

306 Vgl. SAA 20/Lk 368: Siemens Japan an Siemens Berlin, Gutachten von Lönholm, 27. Juni<br />

1898.<br />

307 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 155 ff.<br />

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Fischer ging aufgrund des Kapitalmangels in Japan von der Annahme aus,<br />

dass die Stadtregierung von Tokio nicht in der Lage sei, das benötigte Kapital<br />

auf dem japanischen Finanzmarkt zu beschaffen. Daher schlug Fischer vor,<br />

die Stadt Tokio solle eine Anleihe von 4,5 Millionen Yen mit einem Zinssatz<br />

von 5 Prozent zur Finanzierung der Straßenbahn bei einem Konsortium<br />

bestehend aus Siemens und der Deutschen Bank, emittieren. Als Pfand<br />

erhielte das Konsortium die Betriebsrechte der Bahn für die ersten 10 Jahre.<br />

Mit den Einnahmen aus dem Straßenbahnbetrieb wäre es möglich, die Zinsen<br />

und Provisionen für das Konsortium zu finanzieren. Die Steigerung der<br />

Baukosten von 1,64 Millionen Yen im ersten Entwurf auf 4 Millionen Yen im<br />

zweiten erklärt sich durch die Erweiterung des Streckenbaus. Dass trotz der<br />

höheren Aufwendungen für die Elektrifizierung der gesamte Kapitalaufwand<br />

niedriger als beim ersten Vorschlag lag, resultierte daraus, dass ein<br />

Aktienerwerb der Pferdebahn nicht mehr nötig war. 308<br />

Das Stammhaus bewertete den ausgearbeiteten Entwurf als vielversprechend<br />

und leitete ihn an die Deutsche Bank weiter, um das Projekt mit den neuen<br />

Vorgaben zu realisieren.<br />

Das Bankhaus lehnte ein Engagement allerdings ab. 309 Nachdem auch dieser<br />

Plan nicht realisierbar war, sah sich Siemens veranlasst, einen<br />

Kooperationspartner zu suchen, der nicht zwangsläufig im Bankensektor<br />

angesiedelt war. Bei der Sondierung potentieller Partner fasste Siemens im<br />

Oktober 1899 die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der AEG ins Auge.<br />

Grund für diese Haltung war, dass die AEG und Siemens parallel über die<br />

Kreditfinanzierung mit der Tokyo Dento verhandelten. 310<br />

308 Vgl. HDtB S 490: Schreiben Fischer an S&H, Elektrische Straßenbahn in Tokio, 12.<br />

September 1898, und Takenaka, Siemens, S. 156 ff.<br />

309 Vgl. HDtB S 490: Schreiben DtB an S&H, AbtB, 16. September 1899, und SAA 20/Lk 368:<br />

DtB an S&H, 6. Juli 1899.<br />

310 Vgl. SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 67. Directoriumssitzung, 25. Oktober<br />

1899.<br />

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Abbildung 9: Das Siemens-AEG-Konsortium Straßenbahn (Oktober 1899)<br />

Nur einen Tag nach der Abgabe des Angebots von Siemens einigten sich die<br />

beiden Berliner Unternehmen auf die Bildung eines Konsortiums. Zielsetzung<br />

war es, die Betreibergesellschaft der Tokioer Stadtbahn mit ausreichendem<br />

Kapital auszustatten, um dadurch die Finanzierungskredite für<br />

Maschinenaufträge sicherzustellen. Die Vermittlerrolle bei dem geplanten<br />

Projekt zwischen den beiden deutschen Elektrounternehmen und der<br />

Stadtbahn übernahm das japanische Unternehmen Okura Gumi. 311 Da die<br />

AEG bereits enge Beziehungen zu dem Zaibatsu unterhielt war es für die<br />

Vermittlerrolle prädestiniert. Infolgedessen reiste der Firmenchef Okura<br />

Kihachiro im Sommer 1900 nach Berlin, um mit den beiden kooperierenden<br />

Elektrounternehmen zu verhandeln. Gegenüber der AEG und Siemens<br />

verdeutlichte Okura Kihachiro nochmals, dass die Aktien der neugegründeten<br />

Straßenbahngesellschaft aufgrund der Deflationspolitik nur unzureichend<br />

gezeichnet wurden und fragte bezüglich einer deutschen Kapitalbeteiligung<br />

311 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 2061. Okura war einer der frühen großen Zaibatsu.<br />

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an. Er schlug vor, dass Siemens, die AEG und Okura sich jeweils mit 3,75<br />

Millionen Yen an der Straßenbahn beteiligen sollten, um dadurch das<br />

notwendige Gründungskapital bereitzustellen. Allerdings stand der damalige<br />

AEG-Chef Emil Rathenau dem Vorschlag ablehnend gegenüber. Der Grund<br />

für seine Haltung war die schwierige Finanzsituation in ganz Europa. Seiner<br />

Meinung nach sollte eine direkte Kapitalbeteiligung daher möglichst gering<br />

gehalten und der noch fehlende Kapitalbedarf durch eine<br />

Unternehmensanleihe gedeckt werden. Der Japaner Okura versuchte, die<br />

deutschen Elektrokonzerne mit dieser Haltung unter Druck zu setzen. Er<br />

stellte in Aussicht, dass sich im Falle eines deutschen Zögerns amerikanische<br />

Firmen über Wertpapiere an dem Projekt beteiligen könnten. Auf diese Weise<br />

bekämen diese auch mehr Einfluss auf die Auftragsvergabe für<br />

Maschinenlieferungen. Neben dieser subtilen Drohung versuchte Okura eine<br />

Option zu fixieren, die ihm die Vorkaufsrechte der von Siemens und der AEG<br />

gehaltenen Aktienanteile sicherte. Diese sollte jedoch frühestens nach 5<br />

Jahren in Kraft treten. Obwohl die Verhandlungen gut vorangeschritten waren,<br />

kam über den ursprünglichen Zielkonflikt kein Konsens zustande.<br />

Infolgedessen wurden auch diese Gespräche ergebnislos beendet. 312 In den<br />

beiden Folgejahren wurde zwar noch fieberhaft versucht, auch unter<br />

Mitwirkung des deutschen Großindustriellen Ballin, das Straßenbahngeschäft<br />

zu beleben, jedoch blieben diese Bemühungen ohne Ergebnis.<br />

Zusammenfassend ist das Scheitern des Projekts auf die risikoaverse Haltung<br />

der Banken angesichts der in Deutschland vorherrschenden Wirtschaftskrise<br />

und auf die harte Position potentieller japanischer Partner zurückzuführen. 313<br />

312 Vgl. SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H, AbtB an AEG, Geschäft Japan, 27. Oktober 1899,<br />

SAA 25/Ln 142: Aktennotiz von Schrimpff betr. Straßenbahn in Tokio, 6. Juli 1900, SAA<br />

20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 67. Directoriumssitzung, 25. Oktober 1899, und<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 68. Directoriumssitzung, 4. November<br />

1899, sowie Takenaka, Siemens, S. 165 ff.<br />

313 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Japan an S&H, Centralstelle, Gründung einer<br />

Finanzierungsgesellschaft, 9. Februar 1900, SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll<br />

der 105. Directoriums-Sitzung, 21. Januar 1901, und SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem<br />

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1.2.3.3 Unternehmergeschäft: Das Kraftwerksprojekt in Tokio<br />

Neben dem Straßenbahnprojekt war das geplante Unternehmergeschäft mit<br />

der Tokyo Dento das bedeutendste für Siemens Japan. Der erste Kontakt zu<br />

dem aufstrebenden japanischen Unternehmen ergab sich über die AEG.<br />

Tokyo Dento war seit 1894 die Vertretung der AEG in Japan und hatte extra<br />

hierfür Maschinen zum eigenen Gebrauch importiert. 314<br />

Das expandierende Unternehmen beabsichtigte den Ausbau eines soeben<br />

fertiggestellten Kraftwerks in Tokio aufgrund der immer weiter steigenden<br />

Stromnachfrage in der Stadt. 315 Dieses Vorhaben ließ sich jedoch nicht ohne<br />

Weiteres realisieren, da vor allem die mangelnde eigene Liquidität und der in<br />

Japan herrschende Kapitalmangel den Spielraum des Tokioer Unternehmens<br />

einengten. Im April 1898 schlug der nach Japan entsandte AEG-Ingenieur<br />

Hartogh eine Kooperation zwischen Siemens und der AEG bezüglich des<br />

Unternehmergeschäfts vor. 316 Bereits einen Monat später kam es in Berlin zu<br />

Gesprächen hinsichtlich der „Verständigung mit der AEG über<br />

Finanzierungsgeschäfte auf Rathenaus Antrag“. 317 Die beiden Parteien<br />

konnten sich in den Verhandlungen auf eine Zusammenarbeit im<br />

Protokoll der Directoriums-Sitzung, 8. Mai 1901, sowie HDtB S 490: Bericht von Keßler<br />

über das Tokio-Straßenbahnprojekt, 16. April 1901. Neben dem beschriebenen Projekt<br />

untersuchte Siemens den Bau einer elektrischen Eisenbahn von der Hafenstadt Kobe in<br />

die Ausländerenklave Hyogo. Dazu sollte eine Eisenbahngesellschaft mit einem Kapital<br />

von 750.000 Yen gegründet werden. Voraussetzung für den Bauauftrag der Behörden<br />

war, dass das Unternehmen von einem Japaner geführt wurde. Die Federführung für<br />

dieses Projekt lag bei Fischer, der auch die Entwürfe für die Verhandlungen mit der<br />

Tokioer Stadtbahn angefertigt hatte. In seinem Entwurf bat er im Januar 1900 das<br />

Stammhaus um Unterstützung bei der Deutschen Bank. Doch wieder sollte das Projekt<br />

abgelehnt werden. Vgl. SAA 25/Lo 268: Fischer an S&H, Berlin, 6. Februar 1900.<br />

314 Vgl. SAA 25/Lk 939: S&H an S&H, JA 12. November 1896.<br />

315 Das Kraftwerk stand in Asakusa, einem Stadtteil Tokios.<br />

316 Vgl. SAA 20/Lk 368: Siemens Tokio an S&H Centralstelle, Gemeinsames Vorgehen, 20.<br />

April 1898.<br />

317 Vgl. SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Tokio, 28. Mai 1898, S. 1.<br />

Seite | 105


Unternehmergeschäft einigen. Die Kooperation sollte Anfang Juni 1898<br />

beginnen. 318 Die Zusammenarbeit sah die langfristige Gründung einer<br />

Risikokapital-Gesellschaft für weitere elektrotechnische Projekte vor. Die<br />

Motive von Siemens für die Kooperation mit der AEG waren vielfältig.<br />

Einerseits verfügte das Unternehmen über erhebliche Kapitalmittel und wollte<br />

diese gewinnbringend einsetzen. Zum anderen hoffte das Unternehmen durch<br />

die Zusammenarbeit international effektiver gegen die amerikanische<br />

Konkurrenz vorgehen zu können. Parallel zu den Verhandlungen über Japan<br />

führten beide Parteien auch Gespräche über eine Zusammenarbeit in<br />

Südamerika. Daher muss die „Japan-Kooperation“ in einen größeren Rahmen<br />

eingeordnet werden, da die Führung der beiden Berliner Unternehmen bereits<br />

über weitere gemeinsame Expansionen in Übersee verhandelten. Sie<br />

vereinbarten eine Marge für das Japangeschäft von 30 Prozent und die<br />

Aufteilung der Maschinenproduktion. 319<br />

Mitte Juni 1898 kamen die beiden Berliner Unternehmen und Tokyo Dento zu<br />

weiteren Gesprächen zusammen. Die Verhandlungsführung übernahm für<br />

das deutsche Konsortium der AEG-Vertreter Hartogh. Während der<br />

Finanzkrise benötigte das japanische Unternehmen für die Erweiterung des<br />

Tokioer Kraftwerks insgesamt 1,5 Millionen Yen. Die japanischen Banken<br />

waren zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, diese Finanzierungssumme<br />

aufzubringen. Die notwendigen finanziellen Mittel durch eine Erhöhung des<br />

Stammkapitals zu beschaffen, wurde aus unternehmensstrategischen<br />

Gründen ebenfalls abgelehnt.<br />

Angesichts der insgesamt ungünstigen Finanzsituation forderte das<br />

japanische Zaibatsu das deutsche Konsortium auf, einen Lieferantenkredit für<br />

318 Vgl. SAA 20/Lk 368: Protokoll der Direktoriumssitzung vom 8. Juni 1898, S. 1.<br />

319 Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Deutsche Bank, Finanzierungsgeschäft Tokyo Dento,<br />

9. Juni 1898, S. 1 f., und Takenaka, Siemens, S. 170 ff. Am 9. Juli kam es zu einem<br />

Südamerika-Abkommen zwischen der AEG und Siemens.<br />

Seite | 106


Maschinen in Höhe von 1,13 Millionen Yen zur Verfügung zu stellen. 320 Im<br />

weiteren Verlauf konnte jedoch weder über den ursprünglichen Vorschlag der<br />

Tokyo Dento noch den Gegenvorschlag des Berliner Konsortiums eine<br />

Einigung erzielt werden. 321 Die Verhandlungen gerieten sowohl von<br />

japanischer als auch von deutscher Seite ins Stocken.<br />

Die Tokyo Dento lehnte die von den deutschen Partnern vorgeschlagene<br />

höhere Zinsbelastung von 6 Prozent und die kürzere Tilgungsdauer von nur 4<br />

Jahren ab. 322 Während die deutsche Seite die Kompromissvorschläge des<br />

japanischen Zaibatsu ablehnte, stellte auch hier die von japanischer Seite<br />

vorgeschlagene längere Tilgungsdauer von 5 Jahren zu einem Zinssatz von 5<br />

Prozent einen zentralen Kritikpunkt dar.<br />

320 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898, und SAA 20/Lk 368:<br />

Depesche von S&H, Centralstelle an S&H, JA, 10. Juni 1898, sowie Takenaka, Siemens,<br />

S. 172 ff. Die Rückzahlung durch das japanische Unternehmen sollte über 5 Jahre zu<br />

einem Zinssatz von 5 Prozent erfolgen. Der Kredit sollte mit einer Hypothek auf das<br />

Gesamtvermögen der Tokyo Dento gesichert werden, die aufgrund der noch restriktiven<br />

Politik gegenüber Ausländern dem langjährigen Gesandten und Keßler-Freund Aoki<br />

übertragen werden sollte, der hierbei aus juristischen Gründen als Mittler fungieren<br />

musste. Aoki sollte den Kredit übernehmen, da die Grund- und Bodenpolitik seit einer<br />

Verordnung von 1873 Ausländern den Besitz von Grund und Boden verbot. Die Revision<br />

der Verträge fand parallel zu den Kreditverhandlungen statt. Erst nach der Revision der<br />

ungleichen Verträge gingen alle Grund- und Bodenrechte vollständig an die Berliner<br />

Unternehmen über.<br />

321 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898, und SAA 20/Lk 368:<br />

S&H, JA, an S&H, Centralstelle, 24. Juli 1898. Der Gegenvorschlag der Berliner<br />

Unternehmen sah vor, einen Kredit in Höhe von 800.000 Yen mit einer Laufzeit von 4<br />

Jahren und einem Zinssatz von 6 Prozent, bereitzustellen. Die Kreditsicherung sollte durch<br />

eine Hypothek auf das Gesamtvermögen der Tokyo Dento, wie es vom japanischen<br />

Unternehmen bereits vorgeschlagen, vollzogen werden. Aoki Shuzo würde, wie bereits<br />

erwähnt, aus juristischen Gründen so lange als Strohmann fungieren bis eine Revision der<br />

Zoll- und Handelsverträge erfolgt war. Erst dann sollte die Hypothek auf die Berliner<br />

Unternehmen übertragen werden.<br />

322 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898, und SAA 20/Lk 368:<br />

S&H, JA, an S&H, Centralstelle, 24. Juli 1898.<br />

Seite | 107


Zudem standen die Vertreter des deutschen Konsortiums dem geplanten<br />

Mittelsmann Aoki zunehmend misstrauisch gegenüber. Dieser hatte eine<br />

Absprache mit Keßler nicht eingehalten und die AEG aktiv zu Investitionen in<br />

Japan aufgefordert. Als weiteren Vertrauensbruch wertete der langjährige<br />

Leiter der Japan-Agency Keßler, dass Aoki als Vermittler während der<br />

Verhandlungen zugunsten der Tokyo Dento Partei bezogen hätte. Keßler riet<br />

auch Hartogh zur Vorsicht, der vom Japan-Experten Lönholm ein Gutachten<br />

über Aoki erstellen ließ. 323 Der Rechtsexperte sah Aoki ebenfalls kritisch und<br />

wies darüber hinaus auch auf rechtliche Probleme für die<br />

Hypothekensicherung im Falle seines Todes hin. 324 Infolgedessen einigten<br />

sich die beiden Berliner Unternehmen darauf, dass die Kreditsicherung nicht<br />

durch Aoki erfolgen sollte.<br />

Das Konsortium zog stattdessen in Erwägung, eine solvente Drittpartei an der<br />

Finanzierung des Projekts zu beteiligen. Diese sollte für die zu Verfügung<br />

gestellten liquiden Mittel einen Wechsel von der Tokyo Dento zur<br />

Kreditabsicherung erhalten. Der Wechsel könnte zu einem späteren Zeitpunkt<br />

möglicherweise in eine Hypothek umgewandelt werden. Auch das japanische<br />

Unternehmen befürwortete diesen Vorschlag. Als Drittpartei wurde das<br />

Handelshaus C. Illies & Co., mit dem Siemens bereits über eine<br />

Finanzierungsgesellschaft für das Straßenbahngeschäft verhandelt hatte,<br />

vorgeschlagen. Diese Entscheidung beruhte auf der starken Finanzkraft des<br />

Handelshauses, das über gute Verbindungen zur Hongkong Shanghai<br />

Banking Corp. verfügte. Nicht zuletzt deshalb trat Siemens mit dem<br />

Handelshaus Anfang Juli 1898 in konkrete Verhandlungen. 325 Allerdings<br />

lehnte C. Illies & Co., die bereits die Beteiligung an einer<br />

Finanzierungsgesellschaft für das Straßenbahngeschäft verweigert hatten,<br />

auch diesmal das Angebot mit Hinweis auf die zu diesem Zeitpunkt<br />

323 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 174 ff.<br />

324 Vgl. SAA 68/Li 151: Gutachten Lönholm, 27. Juni 1898.<br />

325 Vgl. SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Salzmann betr. Besprechung mit Illies in Sachen<br />

Tokyo Electric Light Co., 8. Juli 1898, und Takenaka, Siemens, S. 175 f.<br />

Seite | 108


schwierigen Rahmenbedingen in Japan ab. Der wohl entscheidendere Grund<br />

für die Absage war jedoch, das Illies eine über den Wechsel hinausgehende<br />

Absicherung verlangte. Das Handelshaus forderte neben dem Wechsel noch<br />

eine zusätzlich bereitgestellte Bürgschaft der Familie Mori.<br />

Als letzte Möglichkeit, das gemeinsame Projekt doch noch zu retten, sahen<br />

die beiden Berliner Elektrounternehmen eine Bankbürgschaft für Tokyo<br />

Dento. Doch die Anfrage der Berliner Unternehmen am 12. Juli bei dem<br />

wahrscheinlichsten Bürgen, der japanischen Bank „Yokohama Shokin<br />

Gingko“, in deren Londoner Filiale brachte ebenfalls keinen Erfolg. 326 Die<br />

Yokohama Shokin Gingko lehnte die Übernahme einer Bürgschaft für die<br />

Tokyo Dento ab. 327 Da die Verhandlungen über ein Kreditgeschäft mit der<br />

Tokyo Dento ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht hatten, beorderte die AEG<br />

Hartogh wieder nach Deutschland, da die AEG-Mutter für das Projekt keine<br />

Realisierungschancen mehr sah. 328<br />

Gänzlich wollten sich die beiden Berliner Elektrounternehmen jedoch nicht<br />

aus dem Kreditgeschäft mit der Tokyo Dento zurückziehen, was erneute<br />

Zusammenkünfte im August 1898 belegen. Hierbei fassten sie den<br />

Entschluss, auch in Zukunft weiterhin gemeinsam im Unternehmer- und<br />

Finanzierungsgeschäft tätig zu sein. Allerdings blieb die Umsetzung offen, da<br />

beide Unternehmen nach wie vor die Absicherung eines Lieferantenkredits<br />

durch eine Drittpartei bevorzugten. Beide Parteien präferierten hierbei immer<br />

noch das Handelshaus Illies. Zu diesem Zeitpunkt erhielten die stagnierenden<br />

Verhandlungen einen wichtigen Impuls, denn überraschenderweise erklärte<br />

sich das Handelshaus Illies im Februar 1899 doch dazu bereit, die<br />

Kreditsicherung zwischen den beiden Berliner Unternehmen und der Tokyo<br />

Dento zu übernehmen. Die Ursache für die veränderte Haltung des<br />

326 Vgl. SAA 20/Lg 27: AEG an Yokohama Specie Bank, London, 12. Juli 1898.<br />

327 Vgl. SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 18. Juli 1898.<br />

328 Vgl. SAA 20/Lk 368: Fischer an S&H, AbtB, 28. Juli 1898.<br />

Seite | 109


Handelshauses lag vermutlich in der zunehmenden Konkurrenzsituation mit<br />

amerikanischen Handelshäusern in Japan begründet. Um weiterhin<br />

konkurrenzfähig zu sein, blieb dem Handelshaus keine andere Wahl, als auch<br />

im Kreditgeschäft aktiv zu werden. Obwohl die Verhandlungen unverzüglich<br />

wieder aufgenommen wurden, hatte in der Zwischenzeit die amerikanische<br />

Konkurrenz ihre Einstiegschance schon genutzt. Die beteiligten Parteien<br />

hatten zu viel Zeit verstreichen lassen, sodass letzten Endes das Kraftwerk in<br />

Japan durch GE gebaut wurde. 329<br />

1.2.3.4 Unternehmergeschäft: Anleihe für Furukawa<br />

Parallel zu den gescheiterten Verhandlungen mit der Tokyo Dento wurden im<br />

Sommer 1898 Gespräche mit dem langjährigen Kunden Furukawa<br />

aufgenommen. Die Firma Furukawa in Person des Bergwerksdirektors der<br />

Ashiomine Kondo Rikusaburo bat das deutsche Unternehmen, eine Anleihe<br />

über das Tochterunternehmen Siemens Japan bereitzustellen. Die<br />

finanziellen Reserven des Furukawa-Konzerns waren durch seine starke<br />

Expansionspolitik sowie Regresszahlungen, die durch einen Umweltskandal<br />

verursacht worden waren, stark eingeschränkt. Aus diesem Grund benötigte<br />

das Unternehmen dringend liquide Mittel von außen um eine geplante<br />

Modernisierung seiner japanischen Bergwerke durch führen zu können. 330<br />

Die Höhe der angefragten Anleihe hatte ein Wert von 4 Millionen Mark. Die<br />

Hälfte, also 2 Millionen Mark, wollte das japanische Konglomerat zur<br />

Umschuldung laufender Verbindlichkeiten benutzen. Eine Million Mark wollte<br />

Furukawa für ein Wasserkraftwerk in Nikko und die Übertragungstechnik nach<br />

329 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 178 ff.<br />

330 Vgl. SAA 25/Lo 268: S&H Japan, Abteilung Bahn, Anfrage von Furukawa, 5. August 1898<br />

S. 1 ff., und Zöllner, Geschichte, S. 184 und S. 283 f. Der Ashio-Abwasserskandal<br />

vernichtete 1890 sowie 1896 große landwirtschaftliche Flächen. Auslöser waren Gifte, die<br />

bei der Kupferraffination in einem Kraftwerk Furukawas entstanden waren. Nach massiven<br />

öffentlichen Protesten musste Furukawa Kompensation bezahlen.<br />

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Ashio zu benutzen. Weitere 600.000 Mark sollten für den Ausbau der<br />

Kupfermine in Ashio verwendet werden. Die restlichen 400.000 Mark waren<br />

für den Ausbau und die Elektrifizierung eines Kohlebergwerks vorgesehen.<br />

Zur Absicherung des Kredits sollten die umfangreichen Bergwerke von<br />

Furukawa einschließlich der großen Kupfermine in Ashio, deren geschätzter<br />

Wert sich auf 4,6 Millionen Mark belief, herangezogen werden. Darüber<br />

hinaus bot Furukawa als Kreditsicherung das zu errichtende Leitungsnetz<br />

zwischen Ashio und Nikko an. 331<br />

Keßler unterbreitete Furukawa seinerseits ein eigenmächtig erstelltes<br />

Angebot. Darin hieß es Siemens wäre bereit, liquide Mittel in Höhe von 3,3<br />

Millionen Mark zur Verfügung zu stellen. In diesen Betrag hatte Keßler die von<br />

Furukawa gewünschten 2 Millionen Mark für die Umschuldung mit<br />

eingerechnet. Lediglich 1,3 Millionen Mark waren jedoch für die<br />

Modernisierung der Minen eingeplant. Für die Absicherung des Kredits<br />

präferierte Keßler die Abtretung der Wasser- und Bodenrechte des Furukawa-<br />

Konzerns an Siemens. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Vorschlag<br />

Furukawas war, dass Siemens auf eigene Kosten ein Kraftwerk in Nikko<br />

einschließlich der Transportnetze nach Ashio bauen wollte. Siemens knüpfte<br />

den Bau des Kraftwerks jedoch an zwei Bedingungen. Zum einen musste sich<br />

Furukawa dazu verpflichten, eine Mindestmenge Elektrizität des<br />

fertiggestellten Kraftwerks abzunehmen. Zum anderen musste Furukawa<br />

vertraglich zusichern, dass sie in einem Umkreis von 10 km kein eigenes<br />

Kraftwerk errichten würden. Die deutsche Unternehmung räumte Furukawa<br />

eine Kaufoption für das Kraftwerk ein, dessen Fertigstellung für August 1900<br />

veranschlagt wurde.<br />

Die Siemens-Mutter unterstützte das Projekt und kontaktierte die Deutsche<br />

Bank, um die Rahmenbedingungen der Kreditfinanzierung zu erarbeiten. Das<br />

Unternehmergeschäft mit Furukawa ist als eines der drei wichtigsten Projekte<br />

in Japan anzusehen, doch nach einer sehr kurzen anfänglichen<br />

331 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 183 f.<br />

Seite | 111


Euphoriephase kehrte bald Ernüchterung ein. Denn auch dieses Projekt<br />

musste aus verschiedenen Gründen wieder abgebrochen werden. Die<br />

Bauherren erkannten bereits im August 1898, dass die für die Generatoren<br />

des Wasserkraftwerks benötigte Wassermenge mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

nicht ausreichen würde. Die schlimmsten Befürchtungen wurden letztlich<br />

durch ein externes Gutachten zur Messung der Wassermenge bestätigt.<br />

Aufgrund dieser heiklen Situation rieten die Produktionsverantwortlichen von<br />

Siemens, den Kraftwerksbau einzustellen. Sie befürchteten, dass im<br />

schlimmsten Fall hohe Schadensersatzforderungen an Siemens<br />

herangetragen werden könnten, da sie durch die fehlende Wassermenge<br />

nicht in der Lage wären, die geforderte Mindest-Strommenge zu liefern.<br />

Darüber hinaus gestalteten auch noch einige rechtliche Aspekte das Projekt<br />

schwierig. Es war Ausländern nicht gestattet, Eigentum an Bergwerken zu<br />

erwerben, und auch die Übertragung der Wasserrechte war juristisch äußerst<br />

fraglich.<br />

Nach Abwägung der entstehenden Nachteile entschied sich das Stammhaus<br />

dafür, das Projekt mit Furukawa nicht mehr weiterzuverfolgen. 332<br />

1.2.3.5 Pläne für den Aufbau einer eigenen Produktion<br />

Bereits im Jahr 1899 gab es erste Vorüberlegungen zur Errichtung einer<br />

eigenen Kabelproduktionsstätte in Japan. Dies geschah zum einen<br />

angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Öffnung des Landes gegenüber<br />

ausländischen Direktinvestitionen und zum anderen hatte der amerikanische<br />

Rivale Western Electric mit der Nihon Denki eine Tochtergesellschaft<br />

332 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 184 ff. Siemens prüfte des Weiteren im Sommer 1899 eine<br />

Kreditfinanzierung für das Elektrizitätswerk Kanazawa. Der Lieferkredit sollte 200.000 Yen<br />

umfassen und mit einer Immobilienhypothek gesichert werden. Bis kurz vor Abschluss des<br />

Vertrags liefen die Gespräche recht erfolgreich. Schlussendlich scheiterte das Geschäft<br />

jedoch an einem Veto der Deutschen Bank. Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H an Bödiker, 10.<br />

August 1899, und SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 17. Aufsichtsrats-<br />

Sitzung, 18. August 1899.<br />

Seite | 112


gegründet, die ebenfalls über eine lokale Produktionsstätte verfügte. Ein<br />

Antrag für den Aufbau einer Kabelfabrik wurde allerdings vom Vorstand der<br />

Berliner Werke abgelehnt. 333<br />

In der Folgezeit etablierte sich jedoch eine lokale japanische Elektroindustrie,<br />

die immer mehr Marktanteile auf sich vereinigen konnte. Infolgedessen wurde<br />

im Juni 1906 überlegt wie der zunehmenden japanischen Konkurrenz im<br />

Markt begegnet werden könnte. Keßler legte in einer Marktstudie für die<br />

Berliner Kabelwerke eine Beurteilung des japanischen Kabelmarkts vor.<br />

Seiner Meinung nach stellte die japanische Konkurrenz eine konkrete und<br />

unmittelbare Bedrohung für Siemens dar. Die weitaus größte Gefahr sah er<br />

bei „Yabe Densen“ in Osaka sowie „Yokohama Densen“ in der Kanto-Region.<br />

Sollten diese Unternehmen ihren Wachstumstrend fortsetzen können, dann<br />

sei zu befürchten, dass Siemens sein gesamtes Absatzgebiet für die<br />

Kabelindustrie in Ostasien verliere. Um diese ungünstige Marktkonstellation<br />

zu verhindern gab Keßler die Empfehlung, einen der beiden japanischen<br />

Kabelproduzenten zu übernehmen. 334 „Die letzte Möglichkeit auf diesem<br />

Gebiete in Zukunft noch ein Geschäft zu machen, wäre nur die, sich durch<br />

Kapitalbeteiligung vorläufig einen Einfluss auf das eine oder andere dieser<br />

jap. Unternehmen zu verschaffen, (…) um die betr. Unternehmung später<br />

eventuell selbst in die Hand nehmen zu können.“ 335<br />

Angesichts dieser Situation nahm Siemens im Jahr 1907 Kontakt mit seinem<br />

langjährigen Kunden Furukawa auf, der in der Zwischenzeit die Kontrolle über<br />

333 Vgl. SAA 20/Lk 368: S&H, Berliner Werk an S&H Directorium, Kabelfabrik, 21. Juli 1899,<br />

S. 1, und SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 60. Directorium-Sitzung, 18.<br />

August 1899, S. 1, sowie Takenaka, Siemens, S. 193.<br />

334 Vgl. SAA 68/Li 151: Seeberger (Siemens Japan) an Hermann Keßler, Kabelfabriken, 17.<br />

Juni 1906, S. 1 ff., und SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Exportbüro SSW Berlin,<br />

Kabelwerk, 21. Juni 1906, S. 1 ff. Interessanterweise übernahm bald Furukawa die<br />

Kontrolle über diese Unternehmen. 1906 stieg Furukawa bei der Yokohama Densen und<br />

1910 bei der Yabe Densen ein.<br />

335 Vgl. SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Exportbüro SSW Berlin, Kabelwerk, 21. Juni 1906,<br />

S. 2.<br />

Seite | 113


die Yokohama Densen übernommen hatte. Daraufhin entsandte das<br />

japanische Bergbauunternehmen ein Mitglied seines Direktoriums nach<br />

Deutschland, um im März 1907 dem Berliner Unternehmen ein Joint Venture<br />

vorzuschlagen. Da Furukawa den Bau einer Kabelfabrik, die möglichst auch<br />

Tiefseekabel produzieren sollte, beabsichtigte, erkannten die Verantwortlichen<br />

in Siemens mit seiner langjährigen Erfahrung und dem Know-how einen<br />

besonders geeigneten Kooperationspartner.<br />

Allerdings stand Siemens einem Joint Venture zunächst abweisend<br />

gegenüber und lehnte die geplante Kapitalbeteiligung kategorisch ab. Die<br />

reservierte Haltung lässt sich überwiegend auf die Rückschläge im<br />

Unternehmergeschäft um die Jahrhundertwende zurückführen. Da Siemens<br />

jedoch berechtigterweise die Gefahr sah, dass infolge einer völligen<br />

Ablehnung der Vorschläge Furukawas das japanische Unternehmen<br />

Verhandlungen mit der Konkurrenz führen könnte, signalisierte das Berliner<br />

Unternehmen letztendlich doch Bereitschaft, beim Bau des Werks zu helfen<br />

und technische Unterstützung für die Produktion zu gewährleisten. Als<br />

Gegenleistung für die technische Unterstützung solle ein Drittel des Gewinns<br />

an Siemens fließen.<br />

Zur Unterstützung der Verhandlungen wurde der Vorstandsvorsitzende der<br />

Siemens-Schuckertwerke , Alfred Berliner, nach Japan gesandt. Die im<br />

August 1907 beginnenden Einigungsgespräche, die auch mit japanischen<br />

Regierungsvertretern geführt wurden, brachten allerdings keinen Erfolg. 336<br />

Trotz der gescheiterten Verhandlungen plante der Berliner Elektrokonzern<br />

auch weiterhin den Bau einer eigenen Kabelproduktionsanlage in Japan.<br />

Neben der stetig zunehmenden japanischen Konkurrenz war für diesen<br />

Entschluss vor allem eine Änderung im japanischen Außenhandelsrecht im<br />

336 Vgl. Hammitzsch, Japan, S. 193 f.<br />

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Juli 1911 verantwortlich, durch den sich die Zölle für Siemens vor allem auf<br />

Kabel wesentlich erhöhten. 337<br />

Angesichts der gesetzlichen Änderungen schlossen europäische und<br />

amerikanische Unternehmen auf Initiative der AEG ein Submissionskartell für<br />

die Ausschreibung von Kabelprojekten. Ziel des Kartells war, die Preise für<br />

Telefonkabel zu heben und den Bedarf Japans zu kontingentieren. Dieses<br />

Vorgehen sah vor, dass gemeinsam ein Elektrounternehmen bestimmt wurde,<br />

das den Auftrag erhalten sollte. Die Unternehmung, die den Zuschlag bekam,<br />

musste die übrigen Kartellmitglieder mit einem im Preisgebot enthaltenen<br />

Aufschlag entschädigen. Der Erfolg des Kabelkartells war jedoch gering, da<br />

die japanischen Hersteller bei der Auftragsvergabe bevorzugt wurden. 338<br />

Daher konnte Siemens von den Kartellabsprachen nur wenig profitieren,<br />

sodass Keßler im Rahmen einer Auslandsreise im Jahr 1913 auf dem<br />

japanischen Markt weiterhin nach einem geeigneten Joint-Venture-Partner<br />

suchte. Beim Besuch in Osaka brachte Keßler in Erfahrung, dass das<br />

japanische Unternehmen Sumitomo den Bau eines neuen Werks plante. Nach<br />

Rücksprache mit dem Stammhaus in Berlin schlug er der<br />

Unternehmensleitung von Sumitomo vor, diese Fabrik im Rahmen eines Joint<br />

Ventures zu errichten. Sumitomo war für Siemens interessant, weil es sehr<br />

gute Beziehungen zu japanischen Behörden vorweisen konnte. Ein Indiz für<br />

die hervorragenden Kontakte war, dass Sumitomo Alleinlieferant der Marine<br />

337 Im Juli 1911 wurde ein Japanisch-Deutscher Handels- und Schifffahrtsvertrag<br />

geschlossen, der eine Umstellung von Wertzoll auf Gewichtszoll beinhaltete. Siemens<br />

bewertete die neuen Zölle als schweren Schlag. Bei Bekanntgabe des Inhalts des neuen<br />

Entwurfs für den Vertrag befürchtete Siemens, dass die Zölle für Kabel real auf 15 bis 20<br />

Prozent, für Generatoren, Transformatoren und Elektromotoren auf etwa 10 Prozent<br />

erhöht werden würden. Daher wies Siemens die deutsche Regierung darauf hin, dass<br />

dieses Zollniveau einem Importverbot gleichkäme. Als die Zölle schlussendlich in Kraft<br />

traten, sprach Siemens von einem großen Problem, das „die ausländische<br />

elektrotechnische Industrie z.Zt. empfindlich trifft.“<br />

338 Vgl. SAA 27/La 401: CVU an Ebeling, 1. Mai 1912, und SAA 27/La 401: CVU an Koettgen,<br />

25. September 1913, Vogt, Helmut, Überseebeziehung, 1979, S. 91 ff.<br />

Seite | 115


für Kupfermaterialien und Stahlrohre war, ein Sachverhalt, der vor allem für<br />

Keßler von erheblicher Bedeutung war. Von diesen Beziehungen und dem<br />

Einfluss des japanischen Unternehmens hoffte der Japanexperte auch bei<br />

anderweitigen Regierungsaufträgen zu profitieren. Daher wurde im Mai 1913<br />

ein Treffen der Siemens-Vertreter Keßler, Herrmann und Drenckhahn und des<br />

zuständigen Generaldirektors von Sumitomo Suzuki Masaya in der Nähe von<br />

Kobe anberaumt. 339 Die Verhandlungen verliefen erfolgreich. Daher entsandte<br />

das japanische Unternehmen zu Beginn des Jahres 1914 den<br />

stellvertretenden Fabrikdirektor des bestehenden Kabelwerks Akiyama<br />

Takesaburo nach Europa. In Berlin gab es erneute Verhandlungen, die mit<br />

dem vorläufigen Beschluss eines Joint Ventures endeten.<br />

Demzufolge sollte ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem Grundkapital<br />

von 2 Millionen Yen gegründet werden. Davon waren 1,25 Millionen Yen für<br />

den Bau eines Kabelwerks eingeplant. Das Betriebskapital des neuen<br />

Unternehmens sollte 750.000 Yen betragen. 60 Prozent dieses Kapitals stellte<br />

Sumitomo, während Siemens die verbleibenden 40 Prozent aufbrachte. Im<br />

Gegenzug für einen geplanten Technologietransfer von Siemens sollte das<br />

Berliner Unternehmen einen noch nicht festgelegten Anteil der Sumitomo-<br />

Aktien erhalten. Im Rahmen dieses Transfers verpflichtete sich Siemens,<br />

Lizenzen und Know-how zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren sagte<br />

Siemens zu, im Rahmen eines Ausbildungsvertrages japanische Mitarbeiter<br />

im deutschen Werk auszubilden. Die Führungsgremien der neuen Firma<br />

sollten im Verhältnis drei zu zwei zum Vorteil von Sumitomo besetzt werden.<br />

Ziel des Joint Ventures war der Aufbau einer Produktion von Kabeln für den<br />

Stark- und Schwachstrombereich. Das Geschäftsfeld der Tiefseekabel war<br />

aus Rücksicht auf Siemens Brothers ausgeklammert. Als Vertriebsgebiet<br />

versuchte das japanische Unternehmen die komplette asiatische Region<br />

sowie Sibirien und Australien durchzusetzen. Dies wurde von Siemens jedoch<br />

339 Vgl. SAA 15/La 56: Reisebericht von Keßler, 30. Juni 1913, und SAA 15/Ln 376: Referat<br />

von Keßler über das japanische Geschäft, 18. August 1913.<br />

Seite | 116


als zu weitläufig abgelehnt. Da keine Einigung erzielt werden konnte, mußte<br />

die Entscheidung in dieser Frage vertagt werden. Zusammenfassend kann<br />

gesagt werden, dass Siemens bei diesem Projekt die technische<br />

Unterstützung liefern und Sumitomo die kaufmännische Seite übernehmen<br />

sollte. 340<br />

Doch schon nach kurzer Zeit hatte die Siemens Muttergesellschaft mit einigen<br />

Punkten des zu Beginn des Jahres 1914 in Berlin beschlossenen<br />

provisorischen Joint Ventures einige Probleme. Vor allem den vereinbarten<br />

Mehrheitsanteil von Sumitomo sowie das weitreichende Absatzgebiet sah das<br />

Berliner Unternehmen kritisch. Infolgedessen sollte Alfred Berliner bei seinem<br />

Japan-Besuch im April 1914 nochmals einzelne Punkte des Vertrags mit<br />

Sumitomo nachverhandeln. Dem früheren Vorstandsvorsitzenden der SSW,<br />

der schon die Verhandlungen mit Furukawa 1907 geführt hatte, gelangen<br />

wichtige Änderungen:<br />

So setzte er eine Erhöhung der Beteiligung von Siemens am Joint Venture<br />

von 40 auf 50 Prozent durch. Bestehen blieb die Übertragung zusätzlicher 15<br />

Prozent der Sumitomo-Anteile als Gegenleistung für den Know-how-Transfer<br />

von Siemens, sodass das Berliner Unternehmen letztlich einen Anteil von 65<br />

Prozent am Joint Venture hielt. Bei zukünftigen Kapitalerhöhungen sollte die<br />

Zuteilung der jungen Aktien im Verhältnis eins zu eins erfolgen, um die<br />

bestehenden Verhältnisse nicht zu verändern.<br />

Des Weiteren setzte Berliner durch, dass der Vorstand des Joint Ventures<br />

paritätisch besetzt wurde. Das galt auch für die Mitsprache über den Betrieb<br />

des Gemeinschaftsunternehmens. Entsprechend wurde der Wunsch<br />

Sumitomos, im operativen Geschäft grundsätzlich das letzte Wort zu haben,<br />

revidiert und das Mehrheitsrecht für den Großteil der Entscheidungen<br />

340 Vgl. SAA 68/Li 151: Memorandum über Verhandlungen über eine Kabelfabrik,<br />

Januar/Februar 1914, S. 1–12, und Takenaka, Siemens, S. 196.<br />

Seite | 117


eschlossen. Bezüglich der kritischen Frage des Vertriebsgebiets, das in den<br />

Berliner Verhandlungen offengelassen worden war, wurde eine Einigung<br />

erzielt, die als Erfolg für Siemens gewertet werden konnte. Denn um Konflikte<br />

mit Siemens China zu vermeiden, wurde dieses Land regional aus dem<br />

Vertriebsgebiet ausgeklammert. Zusätzlich zu den Erfolgen bezüglich der<br />

Kapitalbeteiligung und des Absatzgebiets beabsichtigte Sumitomo, nicht nur<br />

die Produktionsanlagen für das Joint Venture, sondern zukünftig auch für den<br />

Gesamtkonzern bei Siemens zu erwerben. 341 Siemens und Sumitomo<br />

beschlossen, die neuen Vereinbarungen bis zum Mai 1914 vertragsfertig zu<br />

machen.<br />

Jedoch kündigte Sumitomo die laufenden Vereinbarungen im Mai 1914<br />

einseitig angesichts der im Zuge des Bestechungsskandals um Siemens<br />

publik werdenden Informationen. Das japanische Unternehmen erklärte, dass<br />

„Baron Sumitomo selbst aber möchte im derzeitigen Moment seinen Namen<br />

nicht mit dem Ihren verknüpfen.“ 342 Er fürchtete einen Imageschaden seines<br />

Hauses, das eng mit der japanischen Marine zusammenarbeitete. Angesichts<br />

der Tatsache, dass die Direktoren in den bisherigen Verhandlungen die<br />

Vorkommnisse als nicht so schwerwiegend erachtet hatten und das<br />

Unternehmen bereits seit mehreren Monaten nach der Aufdeckung des<br />

Skandals mit dem Berliner Elektrounternehmen verhandelte, scheint dies<br />

jedoch nur ein vorgeschobener Grund zu sein. Siemens Japan vermutete,<br />

dass es bei Sumitomo interne Widerstände gegen die Zusammenarbeit<br />

gegeben habe. So hatten die japanischen Ingenieure von Sumitomo erklärt,<br />

dass sie eigenständig den Bau und Betrieb einer rentabel arbeitenden<br />

Kabelfirma bewerkstelligen könnten. 343<br />

341 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 211 ff.<br />

342 Vgl. SAA 68/Li 151: Vertraulicher Bericht an Hermann Keßler Sumitomo Kabel Fabrik, 21.<br />

Mai 1914, S. 1.<br />

343 Vgl. SAA 68/Li 151: Vertraulicher Bericht an Hermann Keßler Sumitomo Kabel Fabrik, 21.<br />

Mai 1914, S. 1 ff., und Takenaka, Siemens, S. 213.<br />

Seite | 118


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass damit die Zusammenarbeit<br />

zwischen Siemens und Sumitomo endete und die geplante eigene Produktion<br />

in Japan vorerst gescheitert waren. Der Plan, in Japan eine eigene Fertigung<br />

aufzubauen, sollte erst nach dem Ersten Weltkrieg wieder aktuell werden.<br />

1.2.3.6 Bedeutende Aufträge bis zum Ersten Weltkrieg<br />

Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über einige ausgewählte Projekte in<br />

der Zwischenkriegszeit. Bei Betrachtung der auf den nachfolgenden Seiten<br />

dargestellten Tabellen müssen einige Aufträge hervorgehoben werden.<br />

Seite | 119


Abbildung 10: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 1<br />

Das erste von Siemens auf dem japanischen Markt eingeführte Produkt war<br />

ein Telegrafengerät, das die Preußische-Ostasien-Mission unter Leitung von<br />

<strong>Friedrich</strong> A. Graf Eulenburg als Gastgeschenk im Jahr 1861 mitführte. Für die<br />

Stromversorgung des Bergwerkes wurde für Furukawa im Jahr 1890 in Mato,<br />

etwa vier Kilometer vom Hauptschacht der Mine am Fluss Watarasegawa,<br />

das erste Wasserkraftwerk Japans fertig gestellt. Dieses versorgte das<br />

Bergwerk mit Strom, der für die Beleuchtung, die Lifte in den Bergwerksstollen<br />

und die Kupferraffination notwendig war. 344<br />

Wenige Jahre später erfolgten die Lieferung einer elektrischen Grubenbahn<br />

(1894), sowie die Errichtung eines weiteren Wasserkraftwerkes (1896) für das<br />

344 Vgl. SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957, S. 4.<br />

Seite | 120


Furukawa-Silberbergwerk in Innai. Vor allem die Anlagen zur Kupferraffination<br />

stießen in Japan auf großes Interesse. In Folge dessen mehrten sich die<br />

verschiedenen Anfragen nach diesen Anlagen bei Siemens. 345<br />

Im Jahr 1899 wurde für die Enoshima Denki Tetsudo KK ein Vertrag zur<br />

Lieferung einer kompletten Straßenbahn-Einrichtung beschlossen. Auch wenn<br />

dies nicht die erste elektrische Straßenbahn Japans war, so hatte sie doch<br />

eine gute Werbewirksamkeit. In den nächsten Jahren folgten zwei weitere<br />

Bahnen.<br />

Im Rahmen des Russisch-Japanischen Krieg 1905 lieferte Siemens<br />

zahlreiche Röntgen-Einrichtungen an die Lazarette in Tokio, Hiroshima und<br />

Matsuyama. Das Heer und Marine wurden mit zahlreichen Siemens-<br />

Scheinwerfern ausgestattet. Nach der großen Passagierschiffkatastrophe der<br />

„Titanic“ im April 1912 erkannte auch die japanische Marine und<br />

Handelsschifffahrt die Notwendigkeit stets einsatzbereiter funktechnischer<br />

Ausrüstung der Schiffe und Küstenstationen. Siemens nahm daher vermehrt<br />

Aufträge für die Tochterfirma Telefunken entgegen und vermittelte verstärkt<br />

drahtlose Telegrafieeinrichtung. 346<br />

345 Vgl. SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 27. Januar 1888, und SAA 68/Li 151: Momotami, Die<br />

Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan S. 1 f., und Takenaka, Siemens, S. 57 f. Dabei<br />

prüfte Keßler 1888 den Bau einer elektrischen Güterbahn zwischen Ashio und Omama<br />

(Joshuji-Strecke). Allerdings erwies sie sich als zu teuer und Keßler schlug den Einsatz<br />

einer dampfgetriebenen Bahn vor.<br />

346 Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan.<br />

Seite | 121


Abbildung 11: Übersicht ausgewählte Aufträge von Siemens Japan Teil 2<br />

1.2.4 Bewertung der Geschäftsergebnisse<br />

In den ersten Jahren der Geschäftstätigkeit von Siemens in Japan gelang es,<br />

kleinere Aufträge zu gewinnen, Kontakte zu knüpfen und das Unternehmen<br />

zu etablieren. Anhand der Umsatzgrafik lässt sich feststellen, dass der<br />

Geschäftsumfang von Siemens Japan in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg<br />

einen positiven Trend aufweist. Gleichzeitig lassen sich aber auch große<br />

Schwankungen erkennen.<br />

Seite | 122


Abbildung 12: Umsatz und Gewinn von Siemens in Japan 1892 bis 1914<br />

Für diese Entwicklung waren zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen<br />

resultierten die Schwankungen aus der starken Abhängigkeit des<br />

Japangeschäfts von Großaufträgen. So übten erfolgreiche Akquisitionen oder<br />

das Ausbleiben von Aufträgen aufgrund der hohen Summen, die in<br />

Investitionsgüter investiert werden, wesentlichen Einfluss auf die<br />

Gesamtbilanz des jeweiligen Geschäftsjahrs aus. Das Umsatzwachstum im<br />

Geschäftsjahr 1901/02 erklärt sich beispielsweise durch einen Großauftrag für<br />

das erste große japanische Stahlwerk, der steile Anstieg des Umsatzes im<br />

Jahre 1906 durch zwei Großaufträge für Furukawa und Soki Denki. Für den<br />

langjährigen Kunden Furukawa wurde eine Kraftanlage zur Kupferraffination<br />

mit anfänglich 2.000 PS, später 8.000 PS, errichtet, die zu diesem Zeitpunkt<br />

die größte industrielle Anlage dieser Art in Japan war. Der zweite Auftrag vom<br />

Stickstoffdüngerproduzenten Soki Denki betraf eine Wasserkraftanlage, mit<br />

Siemens-Generatoren und Wasserturbinen ausgerüstet, die am 1. Oktober<br />

1906 ihren Betrieb aufnahm.<br />

Seite | 123


Der zweite Grund für die volatile Geschäftsentwicklung in der Zeit bis zum<br />

Ersten Weltkrieg war die starke Reaktion des Geschäfts von Siemens Japan<br />

auf die konjunkturellen Schwankungen in dieser Zeit. In der wirtschaftlich<br />

angespannten Lage reagierten die Unternehmen in Japan naturgemäß<br />

deutlich zurückhaltender mit Investitionen als in Hochkonjunkturphasen. So<br />

stellt die Hochkonjunktur durch den russisch-japanischen Krieg den<br />

Wendepunkt nach dem Tief des Jahres 1907/1908 dar. Im Zusammenhang<br />

mit dem Rückgang von Aufträgen in konjunkturell schwachen Zeiten<br />

berichtete der Entsandte Wolff nach Berlin: „Wir geben uns zwar größte<br />

Mühe, an Aufträgen heranzuschaffen (…), aber der Bedarf ist an Anlagen ein<br />

geringerer, da jedermann die Hand auf der Tasche hält und zudem unsere<br />

Konkurrenz aus den gleichen Gründen ebenfalls zu nehmen, was sie kann,<br />

selbst wenn für sie kein Verdienst bleiben sollte.“ 347<br />

Von 1910/11 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wuchs der Umsatz<br />

schließlich aufgrund einer zunehmenden Elektrifizierung Japans<br />

kontinuierlich. Den höchsten Umsatz erzielte Siemens mit dem Vertrieb von<br />

Generatoren, Motoren und Transformatoren. 348<br />

Trotz des in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg insgesamt positiven<br />

Umsatztrends entwickelte sich der Gewinn deutlich unterproportional. So<br />

erwirtschaftete Siemens Japan zwar Gewinne, allerdings sehr überschaubare.<br />

Als der Marineskandal in der traditionsbewussten japanischen Gesellschaft<br />

publik wurde, brach der ohnehin geringe Gewinn vollständig ein. Die Verluste<br />

erklären sich durch die hohen Prozesskosten sowie vor allem durch die<br />

Stornierung zahlreicher staatlicher Aufträge.<br />

Deshalb lässt sich die Geschichte von Siemens in Japan bis zum Ersten<br />

Weltkrieg nur eingeschränkt als Erfolg bezeichnen.<br />

347 Vgl. SAA 68/Li 151: Auszug aus einem Privatschreiben von Herr Wolff an Hermann<br />

Keßler, 8. September 1908, S. 1.<br />

348 Vgl. Takenaka, Siemens, S. 108.<br />

Seite | 124


1.3 Das Japangeschäft in der Zwischenkriegszeit<br />

Die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit von Siemens in Japan bestand<br />

zunächst im Vertrieb im Stammhaus hergestellter Produkte. Zwischen 1919<br />

und Jahr 1923 bot die SSDKK wie schon vor dem Krieg sämtliche Produkte<br />

des Hauses Siemens an. 349 Das erste Büro der SSDKK unter der Leitung von<br />

Mohr konnte 1920 in Osaka eröffnet werden. 350 Da nach dem Krieg allerdings<br />

keine Vorräte vorhanden waren, konnte zunächst kein Lagergeschäft<br />

betrieben werden. Alle Waren mussten direkt in Deutschland bestellt werden.<br />

Aufgrund der nach dem Krieg in Deutschland herrschenden Unruhen und der<br />

damit einhergehenden unsicheren Versorgungslage mit Rohstoffen betrugen<br />

die Lieferzeiten selbst für Standardmotoren teilweise 9 Monate, für<br />

Nichtstandardprodukte über 12 Monate. Die Lieferfristen waren damit<br />

ungefähr doppelt so hoch wie vor dem Ersten Weltkrieg. Zusätzlich traten bei<br />

349 Vgl. SAA 10108: Geschäftsbericht der SSDKK für die Geschäftsjahre 1920/21 bis 1922/23.<br />

Im Jahr 1921 wurde infolge der Gründung der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union eine<br />

Stahl- und Elektrochemieabteilung eingerichtet, die bis zu ihrer Auflösung 1927 gute<br />

Umsätze erzielte. Einzige Ausnahme bildete der Telefunken-Vertrieb. Hier strebte<br />

Siemens ein gemeinsames Vorgehen mit der AEG an und verhandelte seit Februar 1922<br />

mit der Okura & Co., einer japanischen Tochterfirma der AEG. In Japan sollte bei der<br />

Nippon Musen Denschin K. K. eine Scheinfabrik – lediglich zur Montage vorgefertigter<br />

Komponenten – errichtet werden, um rigide japanische Bestimmungen zu umgehen und<br />

durch ein einheimisches Produkt einen Vorteil vor der amerikanischen Konkurrenz zu<br />

haben. Der Telefunken-Vertrieb wurde 1923 auf die Nippon Musen Denshin Denwa K. K.<br />

übertragen. Vgl. SAA 9482: Aktennotiz über eine Besprechung mit der Telefunken vom 28.<br />

Februar 1922.<br />

350 Vgl. SAA 10108: Geschäftsbericht der SSDKK für die Geschäftsjahre 1920/21 bis 1922/23,<br />

S. 1, und SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979, S. 9, sowie SAA 17/Lc 320:<br />

Geschäftsbericht der SSDKK 1920/21, S. 2. Das Gebäude des Hauptbüros der SSDKK in<br />

Tokio wurde nach dem Ersten Weltkrieg enteignet, nur die Hälfte des Kaufpreises wurde<br />

der SSDKK ausbezahlt. Vgl. SAA 68/Ls 913: Chronology of SSDKK, S. 20. Als weitere<br />

Vorstände waren Keßler, Fessel und Reyss eingetragen, die von Berlin aus arbeiteten.<br />

Seite | 125


gelieferten Waren Qualitätsprobleme auf. 351 Immer mehr Kunden wanderten<br />

deshalb zur Konkurrenz ab. 352 Die SSDKK versuchte zwar, mit deutlichen<br />

Preissenkungen dennoch zu Aufträgen zu kommen, hatte damit zunächst<br />

aber nur wenig Erfolg. 353 Erst nachdem sich die Lage in Deutschland und<br />

damit die Lieferfristen wieder normalisierten, konnte wieder ein Anstieg der<br />

Aufträge verbucht werden. Infolgedessen konnte 1922 ein zweites Büro in<br />

Tokio eröffnet werden. 354<br />

Mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Fusi Denki K. K. 355<br />

zusammen mit Furukawa im Jahr 1923 wurde die Bedeutung der SSDKK<br />

wesentlich reduziert, da nach der Ausgliederung der Fabrikation an die Fusi<br />

und des Vertriebs elektrischer Maschinen und Apparate 356 bei der SSDKK nur<br />

351 Gelieferte Maschinen fielen aus, führten bei den Kunden zu Produktionsunterbrechungen<br />

und Verlusten. Die SSDKK befürchtete, dies könne sich herumsprechen und weitere<br />

Geschäfte verhindern. Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1921/22, S. 10.<br />

352 Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1921/22.<br />

353 Vgl. SAA 1179: Bilanzen der SSDKK. Geschäftsbericht für die Geschäftsjahre 1920/21 bis<br />

1922/23, S 1. Es wurden hauptsächlich Motoren, Zähler und Spezialantriebe für die<br />

Textilindustrie verkauft sowie bestehende Wasserkraftwerke ausgebaut. Das Geschäft mit<br />

der Bergbau- und Schiffsindustrie ruhte wegen der japanischen Wirtschaftskrise ganz.<br />

354 Die Adresse lautete Tokio Nr. 1, Yaesucho, 1 Chome, Kojimachi-Ku. Vgl. SAA 68/Ls 913:<br />

Chronology of SSDKK, S. 21. Im gleichen Gebäude war auch das Büro der Furukawa<br />

Denki. Vgl. SAA 17/La 812: 1. Geschäftsbericht der Fusi, S. 1. Auch das Büro in Osaka<br />

zog um. Das Büro zog von Dojima Hamadori, 1-chome No. 65, I, Osaka Kitaku, nach<br />

Furukawa Buliding, Nojima Hamadori, 2-chome, No. 4, Osaka Kitaku. Vgl. SAA 68/Ls 913:<br />

Chronology of SSDKK, S. 20. Gründe für den Umzug der Büros in Tokio und Osaka<br />

werden in den Quellen nicht angegeben. Das Tokioter-Büro befand sich nun an der<br />

gleichen Adresse wie die Furukawa Denki, das Osaka-Büro im Furukawa-Building.<br />

Möglicherweise waren der SSDKK von der Furukawa günstigere Mieten in Aussicht<br />

gestellt worden.<br />

355 Im Jahr 1923 gründete Siemens zusammen mit Furukawa das<br />

Gemeinschaftsunternehmen Fusi Denki K. K. Vgl. Hierzu Kapitel 1.3.1.1.<br />

356 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 1. Produziert werden sollten im Einzelnen elektrische<br />

Maschinen, Motoren, Transformatoren, Schaltapparate, Installationsmaterialien, Zähler,<br />

Seite | 126


noch der Vertrieb von Telefonen, 357 elektrochemischen Anlagen und von<br />

Fremdfabrikaten betrieben wurde. 358 Ferner betreute die SSDKK als wichtige<br />

Messinstrumente, Scheinwerfer, Telefonapparate, Blocksignalapparate, medizinische<br />

Apparate und Wassermesser<br />

357 Im Laufe der Zeit wurde jedoch auf Weisung des Berliner Stammhauses das<br />

Telefongeschäft schrittweise zur Unterstützung der finanziell angeschlagenen Fusi an<br />

diese übertragen. So wurde im Juni 1925 der Vertrieb von Telefonanlagen an die Fusi<br />

übergeben. Es folgten Pupinspulenkästen und Telefonanlagen. Pupinspulen – benannt<br />

nach ihrem Erfinder Michael Pupin – wurden in Abständen von einigen Kilometern<br />

zwischen Fernsprechkabeln eingezogen. Sie ermöglichten die Verständigung über weite<br />

Distanzen mittels Fernsprechern ohne, wie vor deren Erfindung nötig, dafür den<br />

Kabelquerschnitt stark erhöhen zu müssen. Die Quellen widersprechen sich bezüglich des<br />

Zeitpunkts der Aufnahme der Produktion von Pupinspulenkästen der Fusi. Mohr von der<br />

SSDKK schreibt dazu 1928: „Leider wird dieses Gebiet im Laufe eines Jahres für die<br />

SSDKK wieder bedeutungslos werden, da die Bestellungen bis dahin [gemeint ist 1929]<br />

nicht mehr in Berlin, sondern bei der Fusi erfolgen werden, die auch die Fabrikation von<br />

Pupinspulenkästen in kurzer Zeit aufnimmt und in einem Jahr als Lieferant voraussichtlich<br />

zugelassen wird.“ Vgl. SAA 17/Lc 320: Jahresbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr<br />

1927/28, S. 1 f. Die Fusi vermeldet im 14. Geschäftsbericht (vom 1. November 1929 bis 1.<br />

April 1930): „We started the manufactoring of a profitable article, which shall appear in the<br />

market in the near future.” Vgl. SAA 17/La 812: 14. Geschäftsbericht der Fusi. Die<br />

Siemens Festschrift nennt als Jahr des Beginns der Pupinspulenfertigung 1932. Vgl. SAA<br />

68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 32. Tatsächlich wurde 1929<br />

zunächst lediglich mit von S&H aus Deutschland importieren Pupinspulen eine Fabrikation<br />

von Pupinspulenkästen begonnen, um Staatsaufträge des Postministeriums zu erhalten.<br />

Die eigenständige Produktion von Pupinspulen bei der Fusi begann erst 1933. Vgl. SAA<br />

7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von 1929 bis<br />

1938,<br />

S. 1, und S. 1013. Bei den Telefonanlagen wurden zunächst Fernsprechtischstationen und<br />

Amtsleitungsverstärker für Privatzentralanlagen gefertigt. Vgl. SAA 10108: Tsuru,<br />

Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September 1939, S. 2. Mit der<br />

Western Electric hatte Siemens spätestens ab 1925 ein Übereinkommen für den<br />

japanischen Markt getroffen. Vgl. SAA 10793-1: Gutachten zum Western Vertrag von<br />

1926, S. 11. Das Gutachten stellte bezüglich eines Vertragspunktes, der für Österreich,<br />

Ungarn, Japan, China und Russland die Nichteinbeziehung in den Vertrag vorsieht, fest:<br />

„In der Durchführung sind nur China und Russland außerhalb des Vertrages geblieben.“<br />

Das heißt, Japan wurde in den Vertrag einbezogen. Ferner wurde das Osram-<br />

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Aufgabe die Regelung der Patentangelegenheiten des Siemens-Konzerns<br />

und der Fusi. 359<br />

Abbildung 13: Niederlassungen der SSDKK 1938<br />

Die Fusi übernahm nach ihrer Gründung die Niederlassungen von Siemens in<br />

Tokio 360 und Osaka 361 einschließlich Personal und Lagerbestand von der<br />

Lampengeschäft 1925 an die Fusi abgegeben. Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag mit<br />

Ergänzungen geschrieben 1940, S. 2.<br />

358 Die SSDKK betrieb neben ihren Vertriebsaufgaben für alle Erzeugnisse des Stammhauses<br />

einen regen Importhandel mit verschiedensten deutschen Fabrikaten. Neben dem Import<br />

aller Arten von Stahlträgern und Stahlprodukten durch die 1921 gegründete Stahlabteilung<br />

umfasste der Import von Fremdfabrikaten z. B. Verbrennungsmotoren, Drehbänke und<br />

Fräsmaschinen, Taxameter für die Tokioter Taxis, Armaturen zur Wasserabsperrung,<br />

Geldschränke und Schweißapparate. Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK<br />

1923/24, S. 9 f.<br />

359 Vgl. SAA 9376: Rundschreiben der CVU betr. Japan vom 3. November 1923, S. 3, und<br />

SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1923/24, S. 17.<br />

Seite | 128


SSDKK. Der SSDKK blieb nur in Tokio ein kleines Büro, das 1925 um ein<br />

Unterbüro in Osaka 362 ergänzt wurde. 363 Im Jahr 1937 gründete die SSDKK<br />

noch ein kleines Büro in Dairen. 364 Zusätzlich wurde mit der Fusi vereinbart,<br />

dass mandschukische Fusi-Vertretungen gegen Vergütung der Spesen<br />

Anfragen an das SSDKK-Büro in Dairen weiterleiteten. 365<br />

360 Die genaue Adresse des Tokio-Büros lautete Nr. 1, Yaesucho, 1-Chome, Kojimachi-Ku.<br />

361 Die genaue Adresse des Osaka-Büros lautete Kita-Ku, Dojima Hamadori 2-Chome 49.<br />

Vgl. SAA 9482: Internes Rundschreiben der CVU vom 1. März 1925, S. 2. Im Mai 1926<br />

zog das Osaka-Verkaufsbüro um. Im Erdgeschoss des neuen Büros in Osaka wurde ein<br />

Ausstellungsraum für die Produkte eingerichtet Neue Adresse Ossaka: No. 33, 1-Chome,<br />

Horikami-dori, Kyomachi-bori, Nishi-ku. Vgl. SAA 17/La 812: 6. Geschäftsbericht der Fusi,<br />

S. 3.<br />

362 Das genaue Eröffnungsdatum ist nicht genannt. Es wird lediglich im Geschäftsbericht von<br />

1923/24 Ende Oktober 1924 erwähnt, die SSDKK plane die Eröffnung eines Büros in<br />

Osaka. Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1923/24,<br />

S. 18.<br />

363 Von 68 Mitarbeitern in Tokio wurden 45 von der Fusi übernommen, 13 verblieben bei der<br />

SSDKK. Vgl. SAA 68/Ls 913: Chronology of SSDKK, S. 22 f.<br />

364 Der Stützpunkt war ähnlich wie das Büro in Osaka sehr klein und beschäftigte lediglich<br />

einen japanischer Ingenieur und dessen Assistenten, einen Monteur, ein Telefonmädchen<br />

und einen chinesischen Botenjungen. Vgl. SAA 10848-3: Monatliche Unkosten Dairen,<br />

Anlage zum Schreiben der SSDKK an CVU vom 20. Februar 1937.<br />

365 Die SSDKK eröffnete selbst ein Büro, da „unsere Produkte den Angestellten der<br />

Furukawa-Gesellschaft wenig liegen und häufiger Personalwechsel […] sich ungünstig auf<br />

unser Geschäft ausgewirkt“ hatte. „In Dairen lag der Fall so, dass die Vertretung nicht<br />

richtig ausgeübt wurde und wir beispielsweise im Klangfilmgeschäft ins Hintertreffen<br />

geraten sind.“ Vgl. SAA 10848-3: Schreiben der SSDKK an CVU vom 20. Februar 1937.<br />

Die Aktien und das Vermögen der SSDKK wurden nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

unter alliierte Kontrolle gestellt. Vgl. SAA 8088: Aktennotiz über die Tätigkeit des Hauses<br />

Siemens in Japan vom Mai 1966.<br />

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1.3.1 Die Entwicklung der Fusi Denki K. K. bis zum Beginn des<br />

Zweiten Weltkriegs<br />

1.3.1.1 Die Gründung des Joint Venture und Probleme in den<br />

Anfangsjahren<br />

Nach Ende des Ersten Weltkriegs begann Siemens erneut, den japanischen<br />

Markt nach potentiellen Partnern zu sondieren. Hierfür waren drei Gründe<br />

maßgeblich: Erstens produzierte die japanische Elektroindustrie zusehends<br />

wettbewerbsfähigere Anlagen, zweitens vergab der japanische Staat Aufträge<br />

bevorzugt an die eigene Industrie und drittens war die japanischen Marine<br />

stark am Siemens-Know-how interessiert. Das deutsche Unternehmen<br />

verfügte über eine Reihe technologisch wichtiger Patente für die Ausrüstung<br />

von Kriegsschiffen und Unterseebooten. Vor dem Krieg war damit die<br />

deutsche Kriegsmarine ausgerüstet worden. Nach den Bestimmungen des<br />

Versailler Vertrags durften diese Geräte aber in Deutschland nicht mehr<br />

produziert werden, weshalb der japanische Markt als mögliche<br />

Produktionsstätte in den Fokus rückte. 366 Die japanische Marine, ihrerseits<br />

interessiert am neuesten Stand der Wehrtechnik, war der ideale Abnehmer für<br />

das Marinegeschäft, sodass Siemens auf diesem Gebiet eine Fertigung in<br />

Japan plante. 367<br />

Die ausländische Konkurrenz hatte diese Aspekte ebenfalls längst erkannt.<br />

GE, Western Electric und Westinghouse waren bereits mit japanischen<br />

Partnern Joint Ventures zur Produktion eingegangen oder befanden sich in<br />

fortgeschrittenen Verhandlungen. Vor diesem Hintergrund war Keßler von der<br />

Notwendigkeit einer eigenen Fabrik in Japan überzeugt und kommunizierte<br />

dies auch in mehreren Strategiesitzungen an die Verantwortlichen bei<br />

366 Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 52.<br />

367 Vgl. SAA 21/Lc 374: Strategiepapier zur Produktion in Japan, o. D., S. 1. So plante die<br />

japanische Regierung für das Jahr 1920 den Kauf von 80 Kriegsschiffen. Vgl. Kudo,<br />

Japanese, S.169.<br />

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Siemens in Berlin. 368 Als geeignete Partner betrachtete das Unternehmen den<br />

Furukawa-Konzern oder Mitsubishi und nahmen bald umfangreiche<br />

Verhandlungen auf.<br />

Furukawa war der präferierte Partner, weil Siemens bereits seit über drei<br />

Jahrzehnten geschäftliche Kontakte mit dem japanischen Unternehmen<br />

pflegte und viele positive Erfahrungen gemacht hatte. Das japanische<br />

Zaibatsu war darüber hinaus aufgrund seines politischen Einflusses und des<br />

großen Firmenimperiums, zu dem auch eine Bank sowie eine<br />

Handelsgesellschaft mit eigenen Schiffen gehörten, als Kooperationspartner<br />

sehr interessant. 369 Alle Elektroaktivitäten hatte das Zaibatsu in der<br />

Tochtergesellschaft Furukawa Denki Kogyo Kaisha gebündelt. Diese verfügte<br />

über ein Grundkapital von 20 Millionen Yen und umfasste eine elektrische<br />

Kupferraffinerie in Nikko, ein Kupferwalzwerk in Honjo, nördlich von Tokio,<br />

und ein Kabelwerk in Yokohama. Ferner war der Bau einer Telefonfabrik mit<br />

einem Investitionskapital von 1 Million Yen geplant. 370 Keßler prüfte daher<br />

Anfang Oktober 1919 bei Inagaki – dem europäischen Repräsentanten<br />

Furukawas – die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit. 371 Nach<br />

Rücksprache mit der japanischen Firmenleitung ließ Inagaki Keßler wissen,<br />

dass Furukawa generell an einer Kooperation mit Siemens in allen<br />

Geschäftsbereichen interessiert sei. 372 Auch der geschäftsführende Direktor<br />

368 Vgl. SAA 54/La 496: Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., und Anlage<br />

zu SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 2.<br />

369 Vgl. SAA 54/La 496: Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., und Anlage<br />

zu SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 5.<br />

370 Vgl. SAA 54/La 496: Telegramm SSDKK an CVU vom 16. April, und SAA 54/La 496:<br />

Schreiben der SSDKK an CVU vom 29. April 1920.<br />

371 Vgl. SAA 54/La 496: Telegramm von Inagaki an Keßler vom 3. Oktober 1919. Das<br />

Telegramm bestätigt eine Besprechung Keßlers und Inagakis vom gleichen Tage. Es ist<br />

also wahrscheinlich, dass die Kontaktaufnahme bereits im September 1919 oder noch<br />

früher erfolgte. Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 53, und SAA 54/La 496:<br />

Telegramm von Inagaki an Keßler vom 3. Oktober 1919, sowie SAA 54/La 496: Schreiben<br />

des Vereins deutscher Maschinenbau-Anstalten an Siemens vom 25. Oktober 1919.<br />

372 Vgl. SAA 54/La 496: Brief von Inagaki an Keßler vom 20. November 1919.<br />

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Yamaguchi bestätigte bei einem Besuch der SSDKK sein Interesse an einer<br />

Zusammenarbeit. 373<br />

Parallel zu den Verhandlungen mit Furukawa prüfte Siemens auch die<br />

Möglichkeit einer Kooperation mit dem einflussreichen japanischen Konzern<br />

Mitsubishi. 374 Die Tochtergesellschaft Mitsubishi Dock Yards, die eng mit der<br />

japanischen Marine zusammenarbeitete, besaß bisher nur kleinere<br />

Werkstätten für elektrische Apparate. Angesichts der wachsenden Nachfrage<br />

der Marine plante die Mitsubishi Dock Yards die Gründung einer eigenen<br />

Fabrikgesellschaft für Kriegsschiffausrüstung und elektrische Maschinen.<br />

Ausgestattet mit einem Grundkapital von 10 Millionen Yen sollten hier circa<br />

5.000 Arbeiter beschäftigt werden. Wegen des hohen Investitionsvolumens<br />

suchte das Unternehmen dafür einen westlichen Partner. Gegen eine<br />

Kooperation von Siemens und Mitsubishi sprach allerdings, dass Mitsubishi<br />

über enge Verbindungen zu amerikanischen und englischen Firmen verfügte<br />

und sich bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Western Electric und<br />

Westinghouse befand. Daher signalisierte Mitsubishi kein Interesse an einer<br />

Kooperation mit Siemens, sodass die SSDKK am 9. Januar 1920 entschied,<br />

keine weiteren Verhandlungen mit Mitsubishi zu führen. 375<br />

Aus diesem Grund konzentrierte Siemens sich im weiteren Verlauf wieder auf<br />

eine Kooperation mit Furukawa. In einem Schreiben an Keßler erklärte<br />

Inagaki am 6. Februar 1920 die Zustimmung des Furukawa-Direktoriums zu<br />

einer gemeinsamen Unternehmung und die Entsendung von Hideo Kajiyama<br />

nebst Beraterstab zu weiteren Verhandlungen nach Deutschland. 376 Im März<br />

373 Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben SSDKK an CVU vom 5. Dezember 1919.<br />

374 Vgl. SAA 54/La 496: Keßler, Aktennotiz zur Frage der Errichtung einer Fabrik in Japan<br />

vom 8. Dezember 1919, S. 6 f.<br />

375 Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben von SSDKK an CVU vom 9. Januar 1920, und SAA 54/La<br />

496: Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., sowie Anlage zu SAA 54/La<br />

496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 5.<br />

376 Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 6. Februar 1920, und SAA<br />

54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 8. März 1920.<br />

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legte Furukawa ein erstes Verhandlungsangebot für eine Zusammenarbeit<br />

vor, in dem Siemens für die Einbringung seiner Patente und Know-how 30 bis<br />

40 Prozent der Aktien an der neu zu gründenden Gesellschaft erhalten sollte.<br />

Trotz der ungleichen Beteiligung am Grundkapital war eine paritätische<br />

Besetzung der Geschäftsleitung vorgesehen. 377 Um die Verhandlungen nicht<br />

vor ihrem eigentlichen Beginn scheitern zu lassen, akzeptierte Siemens per<br />

Telegramm vom 31. März 1920 die Minderheitsbeteiligung. 378 Der Berliner<br />

Elektrokonzern forderte jedoch seinerseits einen 40 prozentigen Anteil an<br />

einer neuen Gesellschaft, die mit einem Grundkapital von 15 Millionen Yen<br />

ausgestattet sein sollte. 379<br />

Zur weiteren Konkretisierung der Verträge sollte der Furukawa Unterhändler<br />

Hideo Kajiyama, der in Nikko für die Furukawa-Minengesellschaft tätig war, zu<br />

Verhandlungen nach Berlin reisen. 380 Zur Vorbereitung der Gespräche mit<br />

Kajiyama wurden in Berlin im April und Mai 1920 verschiedene<br />

377 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz No. 4 (Furukawa) der SSDKK, o. D., S. 1, und SAA 54/La<br />

496: Telegramm der SSDKK vom 20. März 1920, sowie Watanabe, History, S. 47–74, hier<br />

S. 55. Diese Entscheidung wurde der SSDKK bei einer Besprechung am 18. März<br />

mitgeteilt. Teilnehmer waren für Furukawa: Kajiyama, Takahashi und Kumasaki, für die<br />

SSDKK Mohr, Wallich und Ogawa. Als Grund für diese harte Verhandlungsposition<br />

Furukawas nannte Watanabe drei mögliche Ursachen: Entweder habe Furukawa für die<br />

Bereitstellung des gesamten Kapitals nicht auf die Mehrheit verzichten wollen oder<br />

Furukawa wusste von den weiteren Konkurrenten, die einem Zusammengehen von<br />

Siemens und Mitsubishi im Wege standen, oder Furukawa wollte bewusst die<br />

Verhandlungen beenden.<br />

378 Dies geht aus einem Schreiben der SSDKK hervor. Die SSDKK warnte in diesem<br />

Schreiben auch, dass ein Beharren auf hälftiger Beteiligung die Entsendung der<br />

Delegation verhindern könnte. Vgl. SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 23<br />

März 1920.<br />

379 Vgl. SAA 54/La 496: Telegramm an SSDKK vom 31. März 1920.<br />

380 Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, S. 50 ff. Die Unternehmung Siemens war Hideo<br />

Kajiyama vertraut, da er während seines Studiums in Deutschland auch für das<br />

Nürnberger Werk der SSW gearbeitet hatte.<br />

Seite | 133


Ausgestaltungsmöglichkeiten des geplanten Joint Venture diskutiert. 381<br />

Nachdem anfänglich S&H und SSW unabhängig voneinander mit<br />

unterschiedlichen Partnern in den japanischen Markt hatten eintreten wollen,<br />

einigten sich die beiden Stammhäuser letztlich auf ein gemeinsames<br />

Vorgehen. 382 Ferner wurde Mitte Mai über den Anteil der Kriegstechnik am<br />

geplanten japanischen Fabrikunternehmen beraten, da Siemens mit Offizieren<br />

der japanischen Marine und der Armee, die vor allem an<br />

Kriegsschiffkonstruktionen großes Interesse zeigten, in Verhandlungen<br />

stand. 383<br />

Ende Mai 1920 traf Kajiyama in Berlin ein und besichtigte zunächst<br />

ausführlich die Siemens-Werke. Bei einer ersten Besprechung am 4. Juni<br />

1920 schlug er vor, für die Konzeption der neuen Fabrik in Japan von den<br />

Berliner Siemens-Werken auszugehen und alles im Verhältnis 1:10<br />

381 Vgl. SAA 54/La 496: Ergebnis der Rücksprache über Japan, 6. April 1920, S. 1 ff., SAA<br />

54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, und SAA 54/La 496:<br />

Keßler, Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., sowie Anlage zu SAA 54/La 496:<br />

Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920.<br />

382 Dieser Beschluss ist nicht explizit im Protokoll der Besprechung vom 6. Mai aufgeführt. Er<br />

findet sich stattdessen im Protokoll einer weiteren Besprechung vom 10. Mai 1920: „Herr<br />

Keßler berichtet von einer vor kurzem stattgefundenen Besprechung, an der Grabe<br />

teilgenommen habe [Es handelt sich dabei um die Besprechung am 6. Mai 1920] und auf<br />

welcher beschlossen wurde, mit Furukawa zusammenzugehen.“ Vgl. SAA 54/La 496:<br />

Ergebnis der Besprechung über Japan am 10. Mai 1920, Protokoll vom 14. Mai 1920.<br />

383 Vgl. SAA 54/La 496: Besprechung betr. Fabrikation in Japan am 22. Mai 1920. Protokoll<br />

vom 26. Mai 1920, S. 1. Es nahmen teil: Direktor Fessel, Direktor Koettgen, Prof. Krell,<br />

Hüls und Keßler. Hier berichtete Prof. Krell von den Verhandlungen mit Offizieren der<br />

japanischen Marine und Armee. Für sie sei es eine außerordentlich günstige Möglichkeit,<br />

das Kriegsschiffmaterial, die Konstruktionen und Konstrukteure in Japan weiter zu<br />

verwenden. Die Beteiligten waren sich einig, dass der Zusammenhang zwischen der<br />

Produktion von Kriegs- und Friedensmaterial eine nie dagewesene günstige Gelegenheit<br />

für Siemens darstelle. Je rascher die neue Fabrik in den Dienst der japanischen Marine<br />

gestellt werden könne, desto sicherer sei der Erfolg.<br />

Seite | 134


nachzubilden. Daher bat er Siemens um die Ausarbeitung etwaiger<br />

Gegenvorschläge für den Bau der Fabrik. 384<br />

In einer Direktoriumssitzung am 6. Juli wurden erste Rahmendaten für das<br />

neue Werk beschlossen. Siemens plante auf einem 500.000 m 2 großen<br />

Grundstück zunächst ein Werk von 33.500 m 2 für 1.500 Arbeiter zu errichten.<br />

Es sollten kleine Drehstrommaschinen und Transformatoren, Schaltanlagen<br />

und Schalter, Bahnmotoren und Bahnausrüstung, Zähler, Wassermesser,<br />

Telefone, Eisenbahnsignalanlagen und Marineausrüstung 385 hergestellt<br />

werden. 386<br />

Für den weiteren Fortgang der Verhandlungen musste eine Delegation nach<br />

Japan entsandt werden, da Kajiyama lediglich beauftragt war, die Vorschläge<br />

Furukawas an Siemens zu unterbreiten, nicht aber, Entscheidungen zu treffen<br />

oder gar Verträge zu schließen. 387 Für die Verhandlungen wollte Siemens im<br />

Herbst 1920 eine hochrangige Delegation bestehend aus Hermann Keßler,<br />

Hugo Natalis, dem inzwischen pensionierten kaufmännischen Leiter der<br />

384 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 4. Juni 1920, Protokoll vom<br />

5. Juni 1920, und SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 9. Juni 1920,<br />

Protokoll vom 22. Juni 1920. In verschiedenen Besprechungen steckte Siemens den<br />

geplanten Umfang der Fabrikation ab und erstellte erste Entwürfe für eine Fabrik. Hierzu<br />

wurden Vorschläge und Konzepte aller großen deutschen Werke des Siemens-Konzerns<br />

eingeholt. In einer weiteren Sitzung am 9. Juni wurde beschlossen, das Werk in erster<br />

Linie auf Friedensproduktion und nicht auf Kriegsgerät auszurichten. Weiterhin erklärte<br />

Prof. Krell, man habe das stillschweigende Einvernehmen des deutschen<br />

Reichsmarineamtes mit der japanischen Marine zur Adaption der Siemens-Technik.<br />

385 Umfangreiche parallel laufende Verhandlungen über Kriegsschiffausrüstungen zwischen<br />

SSW, S&H, Furukawa, Mitsubishi und dem japanischen Marineministerium verliefen<br />

erfolglos. Vgl. SAA 21/ Lc 374: Vertragsentwurf vom 1. Juli 1920.<br />

386 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz zur Direktoriumssitzung vom 6. Juli 1920. In einer weiteren<br />

Besprechung am 9. Juli 1920 wurden die Kosten der Fabrik auf 10,5 Millionen Yen ohne<br />

Betriebskapital geschätzt.<br />

387 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Gründung einer Fabrik in Japan mit Furukawa vom<br />

26. Juli 1920, S. 4.<br />

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Siemens-Schuckert-Werke, sowie Kieffer, der vor dem Krieg das Werk in<br />

Stafford aufgebaut hatte und nun das Nürnberger Werk leitete, entsenden. 388<br />

Die Verhandlungen über ein gemeinsames Unternehmen erfuhren allerdings<br />

Anfang August 1920 einen empfindlichen Rückschlag. 389 Die Furukawa<br />

Holding hatte durch die Fehlspekulation einer Tochtergesellschaft mit<br />

Sojabohnen einen Verlust in Höhe von 58 Millionen Yen erlitten. Die<br />

finanzielle Lage des Zaibatsu war äußerst angespannt. Verschlimmert wurde<br />

diese Situation noch durch die gerade einsetzende japanische<br />

Nachkriegsrezession. 390 Infolge der Krise wurde eine neue, deutlich<br />

konservativere Unternehmensführung bei Furukawa eingesetzt. Die<br />

altgedienten ehemaligen Direktoren, die nun die Führung innehatten,<br />

verfolgten einen rigiden Sparkurs und lehnten die Großinvestition in eine neue<br />

Starkstromfabrik zusammen mit Siemens ab. Ein Versuch des SSDKK<br />

Mitarbeiters Mohr, gemeinsam mit Furukawa-Direktor Yamaguchi die neue<br />

Direktion von einer Kooperation mit Siemens zu überzeugen, blieb<br />

erfolglos. 391<br />

Furukawa war entgegen den ursprünglichen Plänen eines großen Werks nur<br />

noch bereit, eine kleine Gesellschaft mit einem Grundkapital von einer Million<br />

Yen zur Produktion von Telefonen zu errichten und diese gegebenenfalls in<br />

späteren Jahren auszubauen. 392 Für Siemens war diese Lösung völlig<br />

ungeeignet, da der Berliner Elektrokonzern sich zur selben Zeit in<br />

Verhandlungen mit der Western Electric für ein weltweites Abkommen über<br />

den Telefonmarkt befand und für Japan wahrscheinlich nur eine sehr geringe<br />

388 Vgl. SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Gründung einer Fabrik in Japan mit Furukawa vom<br />

26. Juli 1920, S. 5.<br />

389 Ein Schreiben der CVU an die SSDKK erwähnt dieses Telegramm. Vgl. SAA 21/Lc 374:<br />

Schreiben CVU an SSDKK vom 7. August 1920.<br />

390 Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 65.<br />

391 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben von SSDKK (Mohr) an CVU (Keßler) vom 18. August 1920,<br />

S. 3 f., und SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 31. Juli 1920.<br />

392 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben CVU an SSDKK vom 7. August 1920.<br />

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Quote erhalten würde. Zudem war in Japan vorwiegend das technische<br />

System der Western Electric eingeführt worden, so dass für eine Produktion<br />

von Telefonen dieses Systems hohe Lizenzgebühren angefallen wären. Die<br />

Furukawa-Delegierten Kajiyama und Inagaki traten daher ohne Zusagen oder<br />

den Abschluss von Verträgen die Heimreise nach Japan an.<br />

Infolgedessen kontaktierte die SSDKK erneut Mitsubishi. Doch auch dieser<br />

Versuch blieb zunächst erfolglos, weil sich Mitsubishi in Verhandlungen mit<br />

Westinghouse befand. 393 Um jedoch nicht tatenlos abwarten zu müssen,<br />

versuchte man, weitere Informationen über den Stand der Verhandlungen zu<br />

bekommen. Aus diesem Grund wandten sich leitende Siemens-Angestellte<br />

am 26. August 1920 in Berlin an den japanischen Marineattaché<br />

Yamamoto. 394 Laut seiner Aussage waren die Verhandlungen von<br />

Westinghouse und Mitsubishi unterbrochen worden und ein Abkommen der<br />

beiden Firmen zweifelhaft. Da der Marineattaché sehr an der deutschen<br />

Marinetechnik interessiert war, erklärte er sich bereit, Noma, den Vertreter<br />

Mitsubishis in Deutschland, aufzusuchen, um ihm eine<br />

Interessengemeinschaft Furukawa-Mitsubishi mit Siemens nahezulegen.<br />

Sollte Mitsubishi eine solche Interessengemeinschaft mit Furukawa als<br />

Partner nicht wünschen, solle Mitsubishi allein mit Siemens<br />

zusammenzuarbeiten. Er werde Noma auffordern, diese Fragen schnellstens<br />

telegrafisch zu klären, sodass die Abreise der Siemens-Delegation zunächst<br />

verschoben wurde. 395<br />

393 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 3. September 1920, S. 2, und<br />

SAA 21/Lc 374: Schreiben von SSDKK (Mohr) an CVU (Keßler) vom 18. August 1920, S.<br />

2, sowie SAA 21/Lc 374: Telegramm an SSDKK vom 20. August 1920.<br />

394 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz über die Besprechung mit dem japanischen Marineattaché<br />

vom 26. August 1920, Protokoll vom 28. August 1920. Die Verhandlungen mit dem<br />

Marineattaché führten Reyss und Prof. Krell.<br />

395 Laut dem Protokoll sagte Yamamoto eine Antwort binnen einer Woche zu. Diese Antwort<br />

ist leider nicht im Aktenbestand erhalten. Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz über die<br />

Besprechung mit dem japanischen Marineattaché vom 26. August 1920, Protokoll vom 28.<br />

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Am 2. Oktober 1920 wurde auf einer Konferenz leitender Direktoren<br />

beschlossen, die Verhandlungen nach Japan zu verlagern. 396 Siemens hoffte<br />

darauf, Furukawa doch noch für ein gemeinsames Unternehmen zu<br />

interessieren sowie die japanische Marine an sich zu binden, falls Mitsubishi<br />

doch eine Kooperation mit Westinghouse eingehen sollte. 397<br />

Überraschenderweise teilte die Marine allerdings am 28. Oktober mit, dass sie<br />

kein Interesse an deutschen Kriegsschiffkonstruktionen besäße. Als<br />

Hauptgrund für die ablehnende Haltung wurden mögliche Proteste von Seiten<br />

der Alliierten und hier besonders Englands angeführt. Darüber hinaus hatte<br />

Siemens für ein Feuerleitungssystem 398 – das im Zentrum der Verhandlungen<br />

mit der Marine stand – deutlich überhöhte Forderungen gestellt, was einen<br />

überaus schlechten Eindruck bei den Verhandlungspartnern hinterlassen<br />

hatte. 399<br />

Trotz dieses Rückschlags hielt Siemens an der geplanten Reise der<br />

Direktoren Keßler, Natalis und Kieffer nach Japan fest. Am 26. November<br />

1920 reiste die Delegation, ausgestattet mit allen Vollmachten beider<br />

Stammhausfirmen, nach Japan. Sie kamen am 22. Januar 1921 in Yokohama<br />

August 1920, und SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 3. September<br />

1920, S. 2.<br />

396 Vgl. SAA 21/Lc 374: Aktennotiz vom 26.Oktober 1920 zur Besprechung am 2. Oktober<br />

1920. Die leitenden Direktoren waren Heinrich, Fessel, Krell, Hüls und Keßler.<br />

397 Vgl. SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 8. Oktober 1920, S. 2.<br />

398 Die Zielerfassung und Koordination der verschiedenen Geschütze von Kriegsschiffen, bei<br />

deren Einsatz sich sowohl das feuernde Schiff als auch das Ziel in meist größerer<br />

Entfernung in verschiedene Richtungen bewegen, ist eine hochkomplexe Aufgabe. Bereits<br />

vor und während des Ersten Weltkriegs entwickelten die deutsche und die englische<br />

Marine zu diesem Zweck elektrotechnische Anlagen. Vgl. Mindell, Human, S.19–68.<br />

399 Zunächst war von 30 Millionen, dann 10 Millionen und später 5 Millionen Yen die Rede.<br />

Das Schriftstück, anscheinend eine Telegrammabschrift, trägt weder Absender- noch<br />

Empfängerangaben. Lediglich Tokio, 28. Oktober 1920, ist vermerkt. Vgl. SAA 21/Lc 374:<br />

Schriftstück über Absage der japanischen Marine.<br />

Seite | 138


an. 400 Nach ihrer Ankunft wurde die Delegation vom britischen Secret Service<br />

ständig überwacht. 401<br />

Die unmittelbar nach dem Eintreffen der Direktoren eingeleiteten<br />

Verhandlungen mit der Marine blieben erneut erfolglos. 402 Die Delegation trat<br />

anschließend zu einer Aussprache mit Baron Furukawa und seinen leitenden<br />

Direktoren zusammen. In diesem Gespräch wurde die Wiederaufnahme der<br />

Kooperationsverhandlungen erreicht. Furukawa forderte allerdings angesichts<br />

der wirtschaftlichen Probleme des eigenen Unternehmens ein geringeres<br />

Grundkapital für die neu zu gründende Gesellschaft. Des Weiteren verlangte<br />

das Zaibatsu die Überlassung sämtlicher Patente einschließlich der<br />

Kriegsschifftechnik.<br />

Nachdem die Delegation die Bedingungen Furukawas an Siemens in Berlin<br />

übermittelt hatte, antwortete das Stammhaus am 23. März 1921, dass „unter<br />

diesen Umständen“ das geplante Gemeinschaftsunternehmen nicht mehr<br />

interessant sei. 403 Die angebotenen Freiaktien reichten dem Stammhaus nicht<br />

aus und darüber hinaus wurde das für eine komplexe Fabrik viel zu niedrige<br />

Grundkapital kritisiert. Man wies die Delegation daher erneut an,<br />

400 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />

Bericht von 1952, S. 8.<br />

401 Dem Secret Service gelang es so, einen guten Überblick über die Verbindungen des<br />

deutschen Unternehmens in Japan zu erhalten. Um der Überwachung zu entgehen,<br />

verließ die Delegation das Hotel in Tokio und mietete sich in ein kleines Privathaus in<br />

Yokohama ein. Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki<br />

Kaisha 1921–1945, Bericht von 1952, S. 8.<br />

402 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />

S. 1.<br />

403 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />

S. 2. Genauere Angaben zu „diesen Umständen“, d. h. welche Höhe des Grundkapitals<br />

Furukawa anstrebte und wie die Antwort der Delegation auf das Telegramm vom<br />

12. März 1920 lautete, finden sich nicht in den Quellen. Anzunehmen ist wohl eine Spanne<br />

von 10 bis 15 Millionen Yen. 10 Millionen Yen akzeptierte Siemens später von Furukawa,<br />

15 Millionen Yen forderte Siemens kurz darauf von Mitsubishi.<br />

Seite | 139


Verhandlungen mit der Marine und Mitsubishi aufzunehmen. Doch erneut<br />

verlief die Kontaktaufnahme erfolglos. So übermittelte die Delegation am 1.<br />

April 1921 nach Berlin, dass die Marine auch nach erneuter Anfrage weder<br />

Patente kaufe noch finanzielle Unterstützung für eine Produktion anbiete. 404<br />

Weitere Gespräche mit Mitsubishi verliefen in ähnlicher Weise, weshalb –<br />

obwohl die Kooperationsgespräche mit Westinghouse abgebrochen waren –<br />

es Siemens nicht gelang, eine Einigung mit den Gesprächspartnern zu<br />

erzielen. 405 Nachdem die zunächst diskutierten Alternativen nicht realisiert<br />

werden konnten, einigten sich Furukawa und Siemens in weiteren<br />

Gesprächen auf ein Grundkapital von 10 Millionen Yen. Davon sollte<br />

Furukawa 6 Millionen Yen sofort einzahlen, während das deutsche<br />

Unternehmen im Gegenzug 20 Prozent Freiaktien erhielt. Die technische<br />

Leitung des Unternehmens würde dabei Siemens übernehmen. 406<br />

404 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />

S. 3.<br />

405 In den Verhandlungen forderte die Siemens-Delegation die Gründung einer Gesellschaft<br />

mit 15 Millionen Yen Grundkapital und die Überlassung von 25 Prozent der Anteile als<br />

Freiaktien. Siemens war also in seiner Forderung nach Freiaktien deutlich hinter den zu<br />

Beginn von Furukawa verlangten Anteil von 40 Prozent zurückgegangen. Natalis erklärte<br />

später, er hätte lieber mit Mitsubishi abgeschlossen, doch der Leiter von Mitsubishi<br />

Takeda und seine leitenden Ingenieure hätten sich den älteren Beziehungen gegenüber<br />

Westinghouse verpflichtet gefühlt. Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom<br />

22. August 1921. Protokoll vom 3. September 1921, S. 4.<br />

406 Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921,<br />

S. 3. In den überlassenen Patenten war ein Feuerleitsystem nicht mehr enthalten.<br />

Nachdem das Ergebnis der Verhandlungen Siemens in Berlin mitgeteilt worden war,<br />

antwortete das Mutterhaus am 13. April 1921, dass ein Grundkapital von 10 Millionen Yen<br />

und Freiaktien von 2 Millionen Yen akzeptabel seien. Für den Vertrieb solle Furukawa die<br />

Errichtung einer weiteren Gesellschaft mit 2 Millionen Yen Grundkapital, an der Siemens<br />

50 Prozent halten sollte, vorgeschlagen werden. Diesen Vorschlag konnte die Siemens-<br />

Delegation jedoch nicht durchsetzen. Vgl. hierzu SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr.<br />

Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921, S. 4. Am 2. Mai 1921 teilte die<br />

Delegation mit, dass eine Einigung mit Furukawa zu den genannten Konditionen<br />

verabschiedet worden sei. Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betreffend Abkommen mit<br />

Seite | 140


Nachdem eine grundsätzliche Einigung erzielt worden war, besuchte die<br />

deutsche Delegation die Kupfermine und die Raffinerie in Nikko sowie das<br />

Kabelwerk von Furukawa in Yokohama. Dabei wurden spezifische Fragen zur<br />

Rohstoff- und Arbeitskräfteversorgung und der Verkehrsanbindung der neu zu<br />

gründenden Gesellschaft geprüft. 407 Infolgedessen projektierte Kieffer<br />

verschiedene Varianten der neuen Fabrik. 408 Er plante ein Werk mit 1.000<br />

Arbeitern, in dem die wesentlichen Fertigungstechniken der Nürnberger und<br />

Berliner Werke durchgeführt werden konnten. Dafür sollten die Maschinen<br />

nicht spezifisch sondern möglichst vielseitig einsetzbar sein. 409<br />

Nach Klärung dieser Einzelfragen gründeten am 11. Juni 1921 die Furukawa<br />

Denki, die Siemens-Schuckert-Werke sowie Siemens & Halske gemeinsam<br />

ein Kooperationsunternehmen. Unternehmenszweck waren die Fabrikation<br />

und der Vertrieb elektrischer Maschinen und Apparate. Weiterhin sollte der<br />

Import und Vertrieb von in Deutschland hergestellten Siemens-Produkten<br />

betrieben werden. 410<br />

Furukawa vom 29. Dezember 1921, S. 5. Zusätzlich bat Direktor Natalis privat<br />

telegraphisch Direktor Henrich in Berlin, sich für diesen Vorschlag einzusetzen.<br />

407 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />

Bericht von 1952, S. 9.<br />

408 Kieffer hatte bereits in Deutschland mit der Fabrikprojektierung begonnen. Die<br />

ursprünglichen drei Varianten unterschieden sich in der Anordnung der Gebäude. In Japan<br />

wurden in Anpassung an örtliche Gegebenheiten zwei Varianten projektiert. In weiteren<br />

Verhandlungen, in denen unter anderem beschlossen wurde auch Raum für eine<br />

Scheinwerferproduktion zu schaffen, entstand die endgültige sechste Variante. Vgl. SAA<br />

12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht<br />

von 1952, S. 13.<br />

409 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />

Bericht von 1952, S. 12 f.<br />

410 Vgl. SAA 9376, Fusi Vertrag, S. 1. Produziert werden sollten im Einzelnen elektrische<br />

Maschinen, Motoren, Transformatoren, Schaltapparate, Installationsmaterialien, Zähler,<br />

Messinstrumente, Scheinwerfer, Telefonapparate, Blocksignalapparate, medizinische<br />

Apparate und Wassermesser<br />

Seite | 141


Das Gründungskapital der neuen Aktiengesellschaft betrug wie vereinbart<br />

10 Millionen Yen, zu 200.000 Aktien je 50 Yen. Siemens sollte bis zu 80.000<br />

Aktien (= 40 Prozent) halten, davon 40.000 Freiaktien (= 20 Prozent) als<br />

Gegenleistung für überlassene Patente, und hatte eine Option auf weitere<br />

40.000 Aktien (= 20 Prozent), deren Einlage Siemens in Form von Geld oder<br />

Sachwerten zu leisten hatte. 411 Furukawa brachte die Yokohama Denki als<br />

Einlage in die neue Gesellschaft ein. 412 Für Gebäude, Maschinen und<br />

Materialien der Yokohama Denki 413 erhielt Furukawa 40.000 Aktien (= 20<br />

Prozent) der gemeinsamen Unternehmung. Furukawa und Siemens<br />

verpflichteten sich, zusammen stets mindestens 50 Prozent des Kapitals zu<br />

halten. Siemens überließ dem neuen Unternehmen alle<br />

Forschungsergebnisse, Erfahrungen und Fabrikationsvorteile seiner<br />

deutschen Werke und seiner Verfahren und Patente. Dafür sollte das Berliner<br />

Elektrounternehmen, wie zuvor vereinbart, nach Rücklagen, Abschreibungen<br />

und Dividende eine jährliche Sondervergütung von 1 Prozent des Umsatzes<br />

erhalten, sofern ausreichend Gewinn erwirtschaftet wurde. 414 Auch zukünftige<br />

Patente sollte Siemens der neuen Gesellschaft überlassen. Furukawa erhielt<br />

das Recht, das Personal der gemeinsamen Unternehmung bei Siemens in<br />

Deutschland ausbilden zu lassen. Beide Unternehmen verpflichteten sich,<br />

411 Vgl. SAA 9376, Fusi Vertrag, S. 4 f.<br />

412 Der Wert der Gebäude, Maschinen und Materialien der Yokohama Denki wurde im Vertrag<br />

auf 500.000 Yen geschätzt. Dies entsprach dem zu einem Viertel eingezahlten<br />

Nominalwert der 40.000 Aktien von 2 Millionen Yen. Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 4 f.<br />

413 Nähere Informationen zur Yokohama Denki gehen aus den Quellen nicht hervor. Sicher ist<br />

nur, dass es dabei weder um das Yokohama-Gummiwerk noch um das Yokohama-<br />

Kabelwerk der Furukawa Denki handelt (deren Kapital wird mit jeweils 5 Millionen Yen<br />

deutlich höher angegeben). Auch die von Furukawa vor kurzem gegründete Telefonfabrik<br />

(Kapital 1 Million Yen) kann nicht mit Yokohama Denki gemeint gewesen sein. Diese<br />

Telefonfabrik ging erst in den 1930er Jahren an die Fusi über. Vgl. SAA 54/La 496: Keßler,<br />

Strategiepapier betr. Fabrikation in Japan, o. D., und Anlage zu SAA 54/La 496:<br />

Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920, S. 5.<br />

414 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 5 f. Das Kapital der neuen Unternehmung sollte zunächst<br />

zu einem Viertel eingezahlt werden.<br />

Seite | 142


keine ähnlichen Verträge mit anderen Unternehmen zu schließen und sich<br />

gegenseitig keine Konkurrenz zu machen. Siemens-Fabrikate sollten mit<br />

deutlichen Preisnachlässen an die neue Gesellschaft abgegeben werden. 415<br />

Der Vertrag hatte eine Gültigkeit von 20 Jahren.<br />

Nach der Rückkehr der Japan-Delegation fand am 22. August 1921 eine<br />

Besprechung bezüglich der Kooperation mit Furukawa unter Beteiligung Carl<br />

<strong>Friedrich</strong> von Siemens und vieler leitender Direktoren des Hauses in Berlin<br />

statt. 416 Natalis erklärte, die Verhandlungen in Japan seien lang und zäh<br />

gewesen, und in Anbetracht der Umstände, vor allem der wirtschaftlichen<br />

Depression, so günstig wie möglich ausgefallen. Im Zuge der Emission sollten<br />

75 Prozent der Aktien bei Furukawa und Siemens bleiben und 25 Prozent<br />

zum öffentlichen Verkauf ausgegeben werden. 417 Die öffentliche Zeichnung<br />

war gesichert, da sich „Furukawa mit seinen Bankfreunden verständig(t)e“. 418<br />

Natalis empfahl deshalb zusätzlich zu den 40.000 Freiaktien (20 Prozent)<br />

mindestens weitere 20.000 Aktien (10 Prozent) zu übernehmen. Das sollte<br />

durch Lieferung von Gebäudekonstruktionen und Fertigungsmaschinen, etwa<br />

für Scheinwerfer und weitere Anlagen, geschehen. 419 Ein Anrecht auf<br />

415 Fertige Fabrikate zu 15 bis 25 Prozent unter dem japanischen Marktpreis, aber nicht unter<br />

Selbstkosten. Halbfertige und Teilfabrikate ebenfalls 15 bis 25 Prozent unter dem<br />

japanischen Marktpreis, aber nicht unter Selbstkosten und nicht teurer als Selbstkosten<br />

plus 10 Prozent. Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 12.<br />

416 Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom<br />

3. September 1921.<br />

417 Nach diesen Bedingungen konnte Siemens zwar bis zu 40 Prozent der Aktien halten,<br />

während Furukawa nur verpflichtet gewesen wäre 35 Prozent zu halten. Der Siemens-<br />

Anteil war aber auf maximal 40 Prozent begeschränkt, während Furukawas Anteil keiner<br />

Beschränkung unterlag. Furukawa könnte also, falls er Siemens gegenüber in eine<br />

Minderheitsposition zu geraten drohte, nach Belieben Publikumsaktien kaufen.<br />

418 Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom<br />

3. September 1921, S. 5.<br />

419 Das gesamte Werk wurde „von der Eisenkonstruktion der Bauten bis zum letzen einfachen<br />

Werkzeug“ mit „deutschen Erzeugnissen“ erstellt. So wurde z. B. eine „Sondermaschine<br />

eigener Fertigung für die Herstellung der Parabolspiegel großer Scheinwerfer“ aus dem<br />

Seite | 143


5 Prozent Freiaktien bei eventuell folgenden Kapitalerhöhungen wurde zwar<br />

im Vertrag mit Furukawa vereinbart, mit Rücksicht auf die zu erstellenden<br />

Beteiligungsprospekte für die freie Zeichnung von Anteilen jedoch nicht darin<br />

vermerkt. Furukawa erwartete eine schnelle Antwort, ob und mit welchem<br />

Betrag sich Siemens über die Freiaktien hinaus beteiligen wolle. Ferner<br />

empfahl Natalis, die Forderung zu stellen, die technische Leitung an Kieffer zu<br />

übertragen, um diesem den notwendigen Einfluss auf die Qualität zu<br />

sichern. 420<br />

Die Vorlage des unterzeichneten Vertrags in den Stammhäusern sorgte nicht<br />

nur für Zustimmung. 421 Zum einen sah der Kontrakt vor, dass – entgegen der<br />

Zusagen Keßlers ans Stammhaus 422 – die neue Gesellschaft ihre Fabrikate<br />

vollkommen frei in jeden beliebigen Markt exportieren konnte. 423 Zum anderen<br />

hatte das Stammhaus während der Verhandlungen in Japan im Juni 1921<br />

einen Kartellvertrag mit der Western Electric geschlossen. 424<br />

Bestand des Nürnberger Werkes entnommen. Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das<br />

Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht von 1952, S. 15–19.<br />

420 Vgl. SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom<br />

3. September 1921, S. 6 f.<br />

421 „Als sie den Vertrag den Vorständen […] vorlegten, war die Bestürzung der leitenden<br />

Herren groß.“ Vgl. SAA 8155: Vertrauliches Schreiben zum Fusi Vertrag, 7. August 1951,<br />

S. 1.<br />

422 Vgl. die Angaben Keßlers während der Verhandlungen in Japan ans Stammhaus.<br />

423 Vgl. SAA 19567: Bericht von Reyss, Das Zustandekommen des Fusi Vertrages vom 29.<br />

Januar 1946, S. 2.<br />

424 Bereits 1913 war die „gegenseitige Gewährung von Patenten“ und eine „gewisse<br />

Geschäftsverteilung“ zwischen den beiden Firmen vereinbart worden. Dieser Kartellvertrag<br />

wurde „mit Rücksicht auf die amerikanische Antitrustgesetzgebung“ von den englischen<br />

Tochtergesellschaften der Stammhäuser geschlossen, für Siemens & Halske also durch<br />

Siemens Brothers in London. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Enteignung von<br />

Siemens Brothers fühlte sich die Western Electric gegenüber Siemens & Halske nicht<br />

mehr an diesen Vertrag gebunden. Nach erneuten Verhandlungen wurde im Juni 1921<br />

zwischen der Siemens & Halske und der Western Electric ein Vertrag geschlossen, der<br />

„die Verteilung des Fernsprechergeschäftes […] der Welt […] nach bestimmten<br />

Seite | 144


Aufgrund von Abstimmungs- und Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb<br />

des Konzerns wurde dieser Punkt bei den Verhandlungen in Japan jedoch<br />

nicht berücksichtigt, 425 weshalb Siemens einer gemeinsamen<br />

Telefonproduktion mit Furukawa vertraglich zugestimmt hatte. Versuche von<br />

Seiten Siemens angesichts des Kooperationsvertrags mit Furukawa<br />

Zugeständnisse bei Western Electric zu erreichen, lehnten diese jedoch im<br />

Januar 1922 ab. 426 Infolgedessen waren Nachverhandlungen mit Furukawa<br />

notwendig, in deren Vorfeld vor allem der nachträgliche Wunsch von<br />

Siemens, auf eine Telefonfertigung zu verzichten, auf japanischer Seite<br />

zunächst für Verstimmung sorgte. 427<br />

Anfang 1922 reisten Hideo Kajiyama und Manjiro Yoshimura zu erneuten<br />

Verhandlungen nach Deutschland. 428 Der Furukawa-Konzern zeigte sich bei<br />

den folgenden Nachverhandlungen überraschend entgegenkommend. 429 Am<br />

23. März 1922 wurde ein Zusatzvertrag unterzeichnet, der den bestehenden<br />

Kontrakt in den strittigen Punkten ergänzte. Dieser sah unter anderem vor,<br />

Quotensätzen“ regelte. Vgl. SAA 10793-1: Rechtsgutachten zu den Western-Verträgen, S.<br />

3–12, sowie Kudo, Japanese, S.170 ff.<br />

425 Während der Verhandlungen hatte Berlin per Telegramm vom 13. April 1921 das<br />

Produktionsgebiet der neuen Fabrik eingeschränkt, Telefone waren nicht zur Produktion<br />

vorgesehen. Per Telegramm vom 21. Mai war die Japan-Delegation erneut zur Einhaltung<br />

dieser Produktionsbeschränkung aufgefordert worden. Am 30. Mai wurde explizit auf den<br />

Vertrag mit Western Electric hingewiesen. Laut Aktennotiz Keßlers waren die<br />

Vertragsbedingungen zu diesem Zeitpunkt bereits fixiert und konnten nicht mehr geändert<br />

werden. Vgl. SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember<br />

1921, S. 1–7.<br />

426 Vgl. SAA 11/Lf 480: Schreiben der Western Electric an S&H vom 25. Januar 1922.<br />

427 Vgl. SAA 11/Lf 480: Schreiben von Yoshimura an C. F. von Siemens vom 21. Dezember<br />

1921. Dort wörtlich: „We have never been informed by you about this agreement, [...] we<br />

were much surprised. [...] That is a great loss for the new company.“<br />

428 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />

20. November 1922. S. 1. Yoshimura hatte ebenso wie Kajiyama vor dem Ersten<br />

Weltkrieg in Deutschland studiert und war aus dieser Zeit mit Hermann Keßler persönlich<br />

bekannt. Vgl. Watanabe, History, S. 47–74, hier S. 67.<br />

429 Vgl. SAA 8155: Vertrauliches Schreiben zum Fusi Vertrag, 7. August 1951, S. 1.<br />

Seite | 145


dass die neue Gesellschaft für den Export ihrer Fabrikate die Zustimmung von<br />

Siemens einholen musste. Für den Export nach China war eine Abstimmung<br />

mit der Siemens China Co. zwingend erforderlich – was bedeutete, dass<br />

Siemens den Export jederzeit unterbinden konnte. 430 Da Furukawa ihre im<br />

Jahr 1921 errichtete Telefonfabrik aufgrund der neuen Verträge nicht in die<br />

gemeinsame Gesellschaft einbringen konnte, wurde diese nun<br />

ausgeklammert. Das Zaibatsu war zudem bereit, bestehende Siemens-<br />

Vertragsbindungen und -Absprachen für Wassermesser und Signalanlagen zu<br />

akzeptieren und diese ebenfalls aus dem Vertrag auszuschließen.<br />

Des Weiteren wurde im Zusatzvertrag fixiert, dass Siemens die Option für<br />

20.000 weitere Aktien wahrnahm und als Gegenleistung Sachwerte in Form<br />

von Lagerbeständen und Geschäftsausstattung der SSDKK in die neue<br />

Gesellschaft einbrachte. Als Ausgleich wollte Furukawa die Patentverwaltung<br />

der drei Gesellschaften in einer gemeinsamen Einrichtung bündeln. Siemens<br />

lehnte dies jedoch ab. Deutsche Patente sollten auch zukünftig von der<br />

SSDKK in Japan angemeldet werden und danach – unter Übernahme der<br />

Kosten der Patentanmeldung – auf die neue Gesellschaft übertragen<br />

werden. 431 Yoshimura und Kajiyama kehrten im Mai 1922 nach der<br />

Unterzeichnung der Zusatzverträge nach Japan zurück. Das in Berlin<br />

verhandelte Vertragswerk wurde von der Furukawa Holding angenommen.<br />

Die Bauarbeiten für die Fabrik begannen noch im selben Jahr. Ende<br />

November 1922 war das Gelände für die Fabrik bautechnisch erschlossen:<br />

Das Seeufer war befestigt, ein Stichkanal gegraben und ein Anschlussgleis<br />

verlegt. Keßler reiste Ende 1922 nach Japan, um nun selbst die Leitung der<br />

430 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag, S. 11.<br />

431 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />

20. November 1922, S. 2. Die Produktion von Wassermessern sollte jedoch bei dem<br />

Gemeinschaftsunternehmen verbleiben.<br />

Seite | 146


Arbeiten zu übernehmen. Kieffer sollte ihm einige Monate später folgen. 432 In<br />

Deutschland wurden Aufträge für die Eisenkonstruktionen zum Bau der<br />

japanischen Fabrik vergeben, die im Februar 1923 in Japan eintrafen. 433<br />

Vereinbarungsgemäß wurden die ersten beiden Mitarbeiter Furukawas nach<br />

Deutschland zur Ausbildung entsendet. 434<br />

Zur selben Zeit versuchten die beiden Partner, die noch offenen Punkte für<br />

die Gründung der Fusi zügig zum Abschluss zu bringen. Die Beschaffung des<br />

Gründungskapitals ging dabei zunächst gut voran. Anfang Oktober 1922 war<br />

der Emissionsprospekt zur Gewinnung privater Zeichner für die 25 Prozent<br />

Publikumsaktien fertig gestellt und wurde an 200 Banken und Investoren<br />

verteilt. 435 Der am 14. Oktober 1922 in Japan abreisende SSDKK-Mitarbeiter<br />

Bunten erklärte bei seinem Eintreffen in Berlin am 13. November im Auftrag<br />

des Furukawa-Direktors Nakagawa, die Gründungsbekanntmachung und der<br />

Prospekt wären überall auf großen Zuspruch gestoßen. 436 Im gleichen Monat<br />

fand eine vorbereitende Versammlung zur Gründung der neuen<br />

432 Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945,<br />

Bericht von 1952, S. 17.<br />

433 „Es galt, mit dieser neuzeitlichen und zweckentsprechenden Fertigungsstätte ein<br />

eindrucksvolles Anschauungsobjekt deutschen Könnens und deutscher technischer<br />

Leistungen zu zeigen. Bei gutem Gelingen musste dieses, von der Eisenkonstruktion der<br />

Bauten bis zum letzten einfachen Werkzeug aus deutschen Erzeugnissen erstellten<br />

Werkes eine Werbewirkung ausgehen, die in ihrer Bedeutung für den weiteren Export<br />

deutscher Industrieerzeugnisse nicht zu unterschätzen war.“ Vgl. SAA 12/Lh 759: Le<br />

Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht von 1952,<br />

S. 15.<br />

434 Diese Mitarbeiter waren Asada und Koike, noch 1922 wurden drei weitere Personen<br />

erwartet. Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in<br />

Japan vom 20. November 1922, S. 5.<br />

435 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />

20. November 1922, S. 4. Als Name für die neue Unternehmung war nun im Prospekt<br />

Kabushiki Kaisha Tsurumi Denki Seisakucho (Aktiengesellschaft Tsurumi<br />

Elektrizitätswerke) vorgesehen<br />

436 Vgl. SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom<br />

20. November 1922, S. 4.<br />

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Unternehmung statt. Auf dieser Zusammenkunft war die Einzahlung des<br />

ersten Viertels des Aktienkapitals durch alle Aktionäre, nach zügiger<br />

Platzierung der Publikumsaktien, für Mitte Januar 1923 vorgesehen. 437<br />

Die tatsächliche Gründungsversammlung der Fusi Denki Seizo Kabushiki<br />

Kaisha (Fusi Elektromaschinen Fabrik, kurz Fusi) 438 fand schließlich am<br />

22. August 1923 statt. 439 Siemens hielt am Grundkapital insgesamt<br />

30 Prozent, davon 20 Prozent als Freiaktien für überlassene Patente und<br />

10 Prozent für gelieferte Fabrikationsanlagen. Von den insgesamt 60.000<br />

Aktien im Besitz des Siemens-Konzerns hielt die SSW 45.000 und die S&H<br />

15.000. Die Aktien wurden pro forma von Keßler und Franke erworben, 440 die<br />

diese sofort an die SSW und S&H übertrugen. 441 Da laut Satzung 442 jeder<br />

Direktor der Fusi 300 Aktien halten musste, verblieben je 300 Pflichtaktien bei<br />

den sechs Direktoren. Diese waren von japanischer Seite Natori als Präsident<br />

und kaufmännischer Leiter („Managing director“), sowie Yoshimura und<br />

Kajiyama.<br />

437 Eine nach und nach erfolgende Einzahlung des Aktienkapitals scheint in Japan nicht<br />

ungewöhnlich gewesen zu sein. Die Aktionäre hatten so zunächst geringere Zahlungen zu<br />

leisten, waren aber verpflichtet, das noch nicht eingezahlte Kapital bei Einforderung durch<br />

die Gesellschaft auch einzubringen.<br />

438 Laut einer weiteren Fassung des Zeichnungsprospekts, die nicht im Archiv verfügbar ist,<br />

wurde als Name noch Fuji Denki Seizo K. K. angegeben. Vgl. SAA 9376: Schreiben der<br />

CVU an SSDKK vom 14. August 1923, S. 3. Im Zeichnungsprospekt, der im Archiv<br />

verfügbar ist, findet sich der Name Fusi in Maschinenschrift, der handschriftlich in Fuji<br />

geändert wurde. Vgl. SAA 9376: Zeichnungsprospekt, S. 1. Als endgültiger Name wurde<br />

Fusi, ein Kürzel aus Furukawa und Siemens, gewählt. Im Folgenden wird Fusi als<br />

Abkürzung für Fusi Denki Seizo Kabushiki Kaisha verwandt.<br />

439 Vgl. SAA 9482: Internes Schreiben der CVU zur Fusi Gründung vom 23. November 1923.<br />

440 Franke übernahm für die deutsche Seite den Sitz im Aufsichtsrat der Fusi.<br />

441 Vgl. SAA 9376: Abschrift des Vertrages zur Übertragung der gezeichneten Aktien von<br />

Franke und Keßler an die SSW und S&H vom 15. Oktober 1923.<br />

442 „The directors and the auditors shall be selected from the shareholders holding more than<br />

300 shares.” Vgl. SAA 9376: Satzung der Fusi, S. 8.<br />

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Abbildung 14: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K.<br />

Von deutscher Seite waren es Kieffer als technischer Leiter und Fabrikdirektor<br />

sowie Mohr, der auch Direktor der SSDKK blieb, und Keßler. Der Aufsichtsrat<br />

bestand aus Nakagawa, Nagashima und Franke. 443 Keßler und Franke<br />

führten ihre Tätigkeit von Berlin aus und wurden durch Kieffer und Mohr vor<br />

Ort in Japan vertreten. 444 Das Geschäftsjahr der Fusi war auf<br />

2 Geschäftshalbjahre (Semester) aufgeteilt, die sich vom 1. Mai bis zum<br />

31. Oktober und vom 1. November bis zum 30. April erstreckten. Die<br />

Gesellschaft wurde am 29. August 1923 offiziell eingetragen und nahm am<br />

1. September 1923 den Geschäftsbetrieb auf. Die Fusi übernahm nach ihrer<br />

Gründung mangels eigener Gebäude zunächst die Büros der SSDKK in<br />

443 Hier wurde von der im Fusi-Vertrag festgelegten Anzahl von 8 Direktoren abgewichen. Für<br />

die Gründe dieser Abweichung finden sich in den Quellen keinerlei Hinweise.<br />

444 Vgl. SAA 9376: Abschriften der Vollmacht von Keßler an Kieffer und der Vollmacht von<br />

Franke an Mohr.<br />

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Osaka 445 und Tokio 446 einschließlich Personals. Zusätzlich unterhielt sie zur<br />

Betreuung japanischer Besucher ein Büro in der Berliner Siemensstadt, das<br />

an die CVU angeschlossen war. Die Vertretung der Fusi in Berlin bestand aus<br />

einem Leiter, einem Ingenieur und einer Hilfskraft. 447 Bis zur Fertigstellung der<br />

eigenen Fabrik importierte und verkaufte das Kooperationsunternehmen<br />

weiterhin Produkte aus Deutschland.<br />

Die neue Gesellschaft hatte jedoch von Anfang mit erheblichen Problemen zu<br />

kämpfen, die die schmale finanzielle Basis des Unternehmens stark<br />

belasteten und eine Vielzahl von Sanierungsmaßnahmen nach sich zogen.<br />

445 Die genaue Adresse des Osaka-Büros lautete Kita-Ku, Dojima Hamadori 2-Chome 49.<br />

Vgl. SAA 9482: Internes Rundschreiben der CVU vom 1. März 1925, S. 2. Im Mai 1926<br />

zog das Osaka-Verkaufsbüro um. Im Erdgeschoss des neuen Büros in Osaka wurde ein<br />

Ausstellungsraum für die Produkte eingerichtet. Die neue Adresse lautete: Osaka,<br />

No. 33, 1-Chome, Horikami-dori, Kyomachi-bori, Nishi-ku. Vgl. SAA 17/La 812:<br />

6. Geschäftsbericht der Fusi, S. 3.<br />

446 Die genaue Adresse des Tokio-Büros lautete Nr. 1, Yaesucho, 1-Chome, Kojimachi-Ku.<br />

447 So waren beispielsweise 1923 circa 1.200 japanische Besucher in Berlin zu betreuen. Vgl.<br />

SAA 9374: General Meeting for the Organisation of Fusi Seizo K. K., 22. August 1923,<br />

S. 6.<br />

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Abbildung 15: Ursachen und Sanierungsmaßnahmen für die finanziellen<br />

Schwierigkeiten der Fusi<br />

So verzögerte ein schweres Erdbeben die Fertigstellung der Fabrik im<br />

September 1923. Zwar wies die im Bau befindliche Fabrik – die nahe am<br />

Zentrum des Bebens war – überraschenderweise nur geringe Schäden auf,<br />

doch die für die neue Fabrik bereits vorhandenen Maschinen und<br />

Produktionsanlagen wurden schwer beschädigt oder zerstört. Diese waren<br />

zunächst in Hafenspeichern und Zollschuppen an den Kaianlagen gelagert<br />

worden und wurden durch im Zusammenhang mit dem Beben ausbrechenden<br />

Bränden vernichtet. Der finanzielle Schaden für Siemens und Furukawa war<br />

zunächst überschaubar, da die Unternehmen gegen dieses Risiko versichert<br />

waren. Da allerdings ein Großteil der Anlagen neu in Deutschland beschafft<br />

werden musste und in Japan infolge des großangelegten Wiederaufbaus nicht<br />

genügend Bauarbeiter vorhanden waren, kam es zu erheblichen<br />

Bauverzögerungen. So waren etwa die aus dem Nürnberger Werk<br />

kommenden Fertigungsmaschinen für Parabolspiegel großer Scheinwerfer<br />

zerstört worden. Im Handel waren diese Maschinen jedoch nicht erhältlich.<br />

Nachdem eine Neufertigung in Nürnberg zu zeitraubend gewesen wäre,<br />

Seite | 151


erklärte sich auf dringende Bitte das Wiener Werk zur Abgabe seiner eigenen<br />

Fertigungsmaschinen an das Japanwerk bereit. 448 Unmittelbar nach dem<br />

Erdbeben hofften die Verantwortlichen auf einen steigenden Umsatz im<br />

Lagergeschäft, da durch die Zerstörungen infolge des Bebens verschiedenste<br />

elektrotechnische Geräte dringend benötigt wurden. Um mit ihrem<br />

Lagergeschäft vom Wiederaufbau zu profitieren, kaufte die Fusi 1924 Pumpen<br />

und kleine Elektromotoren im Wert von 375.000 Yen bei Siemens in<br />

Deutschland. 449 Aufgrund der Tatsache, dass diese Waren jedoch teilweise<br />

von minderwertiger Qualität waren, stiegen die Umsätze nicht wie erwartet.<br />

Zusätzlich sanken sie nach Preissenkungen von Mitbewerbern auch im<br />

Wert. 450 Um die Lagerbestände zu veräußern, wurde schließlich im Tokioter<br />

Stadtteil Kyobashi ein Verkaufsladen eröffnet. 451 Doch auch hier verlief der<br />

Verkauf schleppend und die Waren konnten nur mit großen Abschlägen<br />

veräußert werden. 452<br />

Der zweite Faktor, der für die mangelhafte Liquidität der Fusi verantwortlich<br />

war, betraf die nur langsame Einzahlung des Aktienkapitals durch die<br />

Aktionäre. Laut Gründungsvertrag mussten die Anteilseigner zunächst<br />

448 Das Erdbeben zerstörte große Teile Tokios und Yokohamas und kostete mehrere<br />

hunderttausend Menschen das Leben. Auch die Telefonfabrik der Furukawa Denki war<br />

beim Erdbeben schwer beschädigt worden. Die Produktion ruhte seitdem. Im November<br />

1924 bot die Furukawa Denki der Fusi die Übernahme der Fabrik an. Angesichts der<br />

angespannten Liquiditätslage lehnten die deutschen Fusi-Direktoren dieses Angebot ab.<br />

Vgl. SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha<br />

1921–1945, Bericht von 1952, S. 18, und SAA 9376: Besprechung mit der Fusi vom<br />

19. bis 22. November 1924, S. 11.<br />

449 Vgl. SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />

1924, S. 11. Zusätzlich hatte die Fusi einen Lagerbestand von 110.000 Yen von der<br />

SSDKK übernommen.<br />

450 Vgl. SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />

1924, S. 11. Siemens übernahm von den 56.000 Yen Verlust an Lagerware 36.000 Yen.<br />

451 Vgl. SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />

452 Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 10. Juli 1926, S. 4.<br />

Seite | 152


lediglich 25 Prozent des Aktienkapitals einzahlen. 453 Danach wurden laut<br />

Zeichnungsprospekt in den ersten beiden Geschäftshalbjahren 50 Prozent<br />

des Aktienkapitals von allen Aktionären einschließlich Furukawa eingezahlt. 454<br />

Im Oktober 1925 waren jedoch nur 66 Prozent des Kapitals einbezahlt wie in<br />

der nachfolgenden Abbildung deutlich wird. 455 Da keine weiteren Zeitpunkte<br />

zur Einforderung des ausstehenden Eigenkapitals vereinbart waren, bildete<br />

die weitere Kapitalausstattung der Fusi in den folgenden Jahren einen<br />

fortwährenden Streitpunkt zwischen Siemens und Furukawa. 456<br />

Abbildung 16: Entwicklung des eingezahlten Kapitals der Fusi<br />

453 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag.<br />

454 Vgl. SAA 9376: Zeichnungsprospekt für Fusi Aktie.<br />

455 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag.<br />

456 Laut Gründungsvertrag sollten zunächst 25 Prozent des Aktienkapitals eingezahlt werden.<br />

Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag. Laut Zeichnungsprospekt für die Fremdaktionäre waren in<br />

den ersten beiden Geschäftshalbjahren 50 Prozent des Aktienkapitals einzuzahlen. Vgl.<br />

SAA 9376: Zeichnungsprospekt für Fusi Aktie. In den Quellen findet sich kein Hinweis auf<br />

weitere vereinbarte Zeitpunkte zur Einforderung des Eigenkapitals. Die weitere Einzahlung<br />

war in den folgenden Jahren Streitpunkt zwischen Siemens und Furukawa.<br />

Seite | 153


Die Fertigstellung der Fabrik in Kawasaki und die Aufnahme der Produktion<br />

im April 1925 führten zu neuen finanziellen Problemen. 457 Zwar konnte die<br />

Fabrik etwas günstiger als zunächst geplant errichtet werden, doch die Höhe<br />

des geplanten betriebsnotwendigen Kapitals für die laufenden Kosten von<br />

Personal und Produktionsmaschinen war bei den Vorkalkulationen deutlich zu<br />

niedrig angesetzt worden. 458 Ein großes Problem waren darüber hinaus die<br />

hohen Gehälter der deutschen Angestellten. 459 So forderte ein japanischer<br />

Direktor in einem Schreiben vom 11. Juni 1927 den Abbau des deutschen<br />

Personals, dessen hohe Kosten er als „Krebsgeschwür der Fusi von Anfang<br />

an“ bezeichnete, sowie günstigere Einkaufspreise für Siemens-Produkte. 460<br />

Infolgedessen waren bereits Ende 1924 kurzfristige Bankverbindlichkeiten in<br />

Höhe von 1,5 Millionen Yen für den Geschäftsbetrieb entstanden. 461<br />

457 Vgl. SAA 17/La 812: 5. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />

458 Vgl. SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, handschriftliche Ergänzungen auf<br />

S. 1 f.<br />

459 Es finden sich in den Quellen keine Angaben über die Höhe des Gehalts eines deutschen<br />

und eines japanischen Angestellten. Auf der Grundlage der von Kajiyama erstellten<br />

Kalkulationen sind einfache Berechnungen möglich: So erhielt ein durchschnittlicher<br />

deutscher Angestellter im Vertrieb 11.600 Yen und ein durchschnittlicher deutscher<br />

Arbeiter der Fabrik 10.400 Yen im Jahr als Lohn („German staff in Business circle 12<br />

[persons]. Salary per Year 140.000“ und „German staff in works 36. Salary per Year<br />

375.000 Yen.“ Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni<br />

1927). Dagegen erhielt ein japanischer Arbeiter lediglich 950 Yen, ein japanischer<br />

Angestellter 2160 Yen. Vgl. SAA 17/La 812: Tabellen zur Fusi Fabrik von Zederbohm,<br />

1929. Aufbauend auf einer Frage Kajiyamas kann angenommen werden, dass deutsche<br />

Mitarbeiter ungefähr das Vierfache eines ähnlich qualifizierten Japaners verdienten: „Can<br />

a German accomplish four times as much as a Japanese can?“ Vgl. SAA 20/La 942:<br />

Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni 1927.<br />

460 „The under-estimation of […] the enourmous expense for employment of German staff,<br />

both in Business Department and Factory were [...] the cancer of the new company from<br />

the beginning.” Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni<br />

1927.<br />

461 Vgl. SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />

1924, S. 2.<br />

Seite | 154


1.3.1.2 Restrukturierung und geschäftlicher Durchbruch<br />

Eine Restrukturierung und Sanierungsmaßnahmen erschienen den<br />

Verantwortlichen angesichts der drückenden finanziellen Belastung<br />

unumgänglich. Hinsichtlich der Sanierung des Unternehmens lassen sich<br />

verschiedene endogene und exogene Faktoren feststellen, die schließlich zu<br />

einer positiven Wende in der Geschäftsentwicklung der Fusi führten.<br />

Abbildung 17: Faktoren für den Geschäftserfolg der Fusi<br />

Zur Sanierung des Geschäftsbetriebs und zur Behebung der zunehmenden<br />

Liquiditätsengpässe beschloss die Fusi ein umfassendes Sanierungskonzept,<br />

dessen wichtigste Bestandteile sich in drei Bereiche gliederten. Somit sollten<br />

die Siemensanleihe, der Ausbau des Vertriebsnetzes sowie Absprachen mit<br />

der Konkurrenz die Kernbereiche des Sanierungskonzepts bilden.<br />

ENDOGENE FAKTOREN<br />

Seit ihrer Gründung litt die Fusi unter einer zu geringen Kapitalausstattung.<br />

Schon für die Finanzierung der benötigten Anlagen musste die Unternehmung<br />

von Beginn an auf 1,5 Millionen Yen Fremdkapital zurückgreifen. Die<br />

aufgelaufenen Verluste resultierten zu einem Großteil aus anfallenden<br />

Schuldzinsen. Die daraus entstehende Kapital- beziehungsweise<br />

Liquiditätskrise versuchte die japanische Unternehmung auf verschiedenen<br />

Wegen zu lösen. Zum einen konnten durch die Aufnahme eines Kredits<br />

(„loan“) in Höhe von 1,8 Millionen Yen bei der Mitsui im sechsten<br />

Seite | 155


Geschäftsjahr 462 die gravierendsten Liquiditätsengpässe 463 beseitigt werden.<br />

Die hieraus resultierenden Zinsverpflichtungen verursachten jedoch weitere<br />

Kosten in Höhe von circa 100.000 Yen pro Geschäftshalbjahr. Insofern konnte<br />

das eigentliche Problem nicht gelöst werden. Zum anderen deckte die Fusi<br />

einen Teil ihres Kapitalbedarfs durch den Aufbau von Lieferverbindlichkeiten<br />

bei Siemens in Berlin. Bereits am 28. September 1926 belief sich der aktuelle<br />

Stand der kurzfristigen Verbindlichkeiten auf 1,9 Millionen Yen. Die Fusi war<br />

zu diesem Zeitpunkt außer Stande die aufgelaufenen Verbindlichkeiten zu<br />

zahlen. 464 Der deutsche Direktor der Fusi, Mohr, schlug Siemens vor, der Fusi<br />

eine Anleihe über 1,5 Millionen Yen zu Verfügung zu stellen, die mit 8 Prozent<br />

verzinst werden sollte. Einen Teil der Anleihe – circa 350.000 Yen – würde die<br />

Fusi zur teilweisen Tilgung der Lieferverbindlichkeiten nutzen.<br />

Eine Erhöhung des einbezahlten Grundkapitals durch Einforderung des noch<br />

offenen Aktienkapitals Furukawas und der anderen Aktionäre war zunächst<br />

nicht möglich gewesen. Furukawa hatte den Fremdaktionären im<br />

Zeichnungsprospekt zugesichert, dass weitere Einzahlungen erst nach der<br />

erstmaligen Ausschüttung einer Dividende eingefordert würden. Um<br />

überhaupt eine Dividende ausschütten zu können war es jedoch notwendig,<br />

den aus den vergangenen Semestern aufgelaufenen Verlustvortrag von circa<br />

750.000 Yen zu beseitigen. Dazu sollte, nach Erreichen der Gewinnschwelle,<br />

462 Das sechste Geschäftsjahr umfasst den Zeitraum vom 1. November 1925 bis 30. April<br />

1926.<br />

463 „Während im letzten Semester ein Minus von 127.000 Yen vorhanden war, ist jetzt ein<br />

Plus von 222.000 Yen vorhanden. Dieser geringe Betrag ist natürlich als Betriebskapital<br />

viel zu gering, und daher wird auch im laufenden Geschäftsjahr die Finanzierung nicht<br />

leicht sein.“ Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 22. Dezember<br />

1926, S. 4.<br />

464 Mohr nennt 1,35 Millionen Yen und 328.000 US-Dollar Lieferverbindlichkeiten. Vgl. SAA<br />

17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 22. Dezember 1926, S. 2. In einer<br />

Aktennotiz dazu beträgt diese Verbindlichkeit umgerechnet 1,9 Millionen Yen. Vgl. SAA<br />

20/La 942: Aktennotiz zum Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 28. September 1926,<br />

und SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 30. Oktober 1926.<br />

Seite | 156


der Wert des Fabrikgeländes in den Büchern dem aktuellen Marktpreis<br />

angepasst werden. Durch diese bilanztechnische Anpassung würde das<br />

Betriebsvermögen um 1 Million Yen erhöht, die vorgetragenen Verluste<br />

kompensiert und es könnte eine Dividende ausgeschüttet werden. Auf diese<br />

Weise wäre das Primärziel, die ausstehenden Einzahlungen für das noch<br />

ausstehende Aktienkapital einzufordern, erreicht.<br />

Als problematisch erwies sich jedoch, dass die Lieferverbindlichkeiten nicht<br />

wie zuvor angenommen 1,9 Millionen Yen ausmachten, sondern mit 2,5<br />

Millionen Yen um 600.000 Yen drastisch höher lagen als zuvor kommuniziert.<br />

Da sich die beiden Unternehmungen neben den tatsächlichen<br />

Schuldbeträgen auch nicht auf die Zahlungsbedingungen zur Schuldentilgung<br />

einigen konnten, wurde ein Mitarbeiter von Rosen aus dem Hause Siemens<br />

nach Kawasaki entsandt, um vor Ort die noch offenen Fragen zu klären. 465<br />

Am 15. und 18. Januar wurde bei Konferenzen in Japan die Lage sondiert.<br />

Die Anleihe der Fusi bei der Mitsui-Bank war im aktuellen<br />

8. Geschäftshalbjahr (1. Mai bis 31. Oktober 1927) auf 3 Millionen Yen erhöht<br />

worden. Dafür musste die Fusi Gebäude und Maschinen mit Buchwert von 6,5<br />

Millionen Yen als Sicherheiten hypothekarisch belasten. Darüber hinaus<br />

465 Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz zum Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom<br />

28. September 1926, und SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 30. Oktober 1926. Eine<br />

Aktennotiz der AU 1 – der kaufmännischen Abteilung der CVU – vom 3. Januar 1927 setzt<br />

sich ebenfalls kritisch mit den Vorschlägen Mohrs zur Anleihe auseinander: Würde die<br />

geforderte Anleihe an die Fusi gegeben, würde diese von der Mitsui-Bank zur Tilgung<br />

ihres Kredits gefordert werden. Weiterhin sei die finanzielle Lage der Fusi noch prekärer<br />

als von Mohr geschildert, da die Fusi bislang kaum Abschreibungen vorgenommen habe.<br />

Hätte die Fusi nach Siemens-Prinzipien Abschreibungen durchgeführt, hätten<br />

Abschreibungen von zusätzlich 3,5 Millionen Yen verbucht werden müssen, was die<br />

Insolvenz der Fusi zur Folge gehabt hätte. Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 3. Januar<br />

1927. Über Abreise oder Eintreffen des Mitarbeiters von Rosen geben die Quellen keine<br />

Auskunft. Er ist wahrscheinlich derselbe Beauftragte, der laut Aktennotiz vom<br />

30. Oktober nach Japan entsandt werden sollte. Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz über die<br />

Besprechung mit der Fusi am 15. und 18. Januar 1927.<br />

Seite | 157


wollte das japanische Unternehmen Siemens um eine weitere Anleihe<br />

ersuchen. Diese sollte in einer Höhe von 2 Millionen Yen aufgelegt werden.<br />

Die erneute Anfrage überbrachte von Rosen dem Stammhaus in Berlin. Er<br />

selbst war außer Stande, eine verbindliche Entscheidung darüber zu treffen.<br />

Von Rosen wurde lediglich von Berlin dazu ermächtigt, die Unstimmigkeiten<br />

bezüglich der Zahlungsbedingungen zu klären. Die Fusi erbat die Einräumung<br />

längerer Zahlungsziele, die sich auch auf die Lieferungen von Lagerwaren<br />

erstrecken sollten. Dies wurde jedoch vom Stammhaus verweigert. 466<br />

In der darauffolgenden Besprechung vom 17. Januar 1927 wurde über das<br />

erneute Anleihengesuch der Fusi verhandelt. Zentral war hierbei die<br />

Diskussion über die Absicherung der Anleihe und ihre Rückzahlung. 467 In<br />

einem Bericht vom 16. Februar 1927 wurden Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens und<br />

Direktor Köttgen über die prekäre Lage und die drohende Zahlungsunfähigkeit<br />

der Fusi informiert. Die Ausführungen bezeichneten eine Sicherstellung der<br />

Siemens Forderungen aus Lieferungen an die Fusi von umgerechnet nun<br />

2,5 Millionen Yen als fraglich. Ein Nachfolgebericht der Zentralen<br />

Werksverwaltung vom 28. Februar 1927 zur gegenwärtigen Lage der Fusi<br />

bestätigte diese Aussagen. 468<br />

466 Hierbei ging es weniger um die Bezahlung der Lieferverbindlichkeiten als um die Dauer<br />

des zinsfreien Zahlungsaufschubs. Die Fusi forderte, wie für andere Bestellungen, auch<br />

für Lagerwaren sechs Monate Kredit ab Verschiffung. Siemens beließ es aber bei fünf<br />

Monaten Zahlungsziel, danach wurden der Fusi 8 Prozent Zins in Rechnung gestellt. Eine<br />

Entscheidung über die Höhe der ausstehenden Lieferverbindlichkeiten wurde in einer<br />

Besprechung vom 20. Dezember 1926 getroffen, deren Protokoll nicht in den Quellen<br />

erhalten ist. Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von von Rosen an die CVU vom<br />

18. Januar 1927.<br />

467 Vgl. SAA 20/La 942: Bericht über die Besprechung zum Stand der Fusi am 17. Januar<br />

1927. Bei der Besprechung waren u. a. Graupe, Stauch, Freitag und Autenrieth von der<br />

Zentralen Werksverwaltung sowie Schwartz, Friedländer und Köhncke von der Abteilung<br />

Übersee anwesend.<br />

468 Vgl. SAA 20/La 942: Bericht der ZW an AU vom 28. Februar 1927. Der Bericht befasste<br />

sich zudem mit der Frage einer Einforderung des ausstehenden Aktienkapitals. In der<br />

Seite | 158


Am 9. März 1927 erstattete der Gesandte des Stammhauses, von Rosen, in<br />

Berlin der CVU Bericht über seinen Aufenthalt in Japan. 469 Er sah zum<br />

gegenwärtigen Zeitpunkt die Ausgabe einer Anleihe an die Fusi als<br />

unausweichlich an, da sonst das japanische Unternehmen nicht in der Lage<br />

sei, die Lieferverbindlichkeiten gegenüber Siemens zu begleichen. Natori wies<br />

ausdrücklich darauf hin, dass keine Bank dazu bereit wäre, die entstandenen<br />

Lieferverbindlichkeiten zwischenzufinanzieren. Siemens entschied sich<br />

letztlich aufgrund der Gefahr, die kurzfristigen Forderungen abschreiben zu<br />

müssen, dafür, der Fusi die geforderte Anleihe zu geben. Am 23. März 1927<br />

wurden folgende Bedingungen für eine Anleihe festgehalten: Die Anleihe<br />

sollte zu einen Nennwert von 1 Million US-Dollar (circa 2,1 Millionen Yen)<br />

ausgegeben werden und die Zinsbelastung wurde mit 7,5 Prozent fixiert.<br />

Darüber hinaus vereinbarten die Verantwortlichen die sofortige Zahlung der<br />

aufgelaufenen Zinsen für Lieferverbindlichkeiten und setzten einen Termin<br />

fest, wann die gesamten Lieferverbindlichkeiten zurückgezahlt werden<br />

mussten. Als Sicherheiten pfändete Siemens das Lager der Fusi und forderte<br />

eine Forderungsabtretung des japanischen Unternehmens zu ihren<br />

Gunsten. 470<br />

Siemens vorliegenden englischen Fassung des Zeichnungsprospekts finde sich keinerlei<br />

Einschränkung nach der erst eine Dividende ausbezahlt werden müsse, bevor das<br />

ausstehende Kapital eingefordert werden könne. Vgl. SAA 9376: Zeichnungsprospekt für<br />

Fusi Aktie. Nach der Quellenlage bleibt es unklar, ob es eine solche Regelung – entweder<br />

schriftlich im japanischen Originalzeichnungsprospekt oder mündlich als Zusage seitens<br />

Furukawas an wichtige Aktionäre – tatsächlich gab. Im Siemens-Schriftverkehr wird auch<br />

nach dem 28. Februar 1927 davon ausgegangen, dass diese Regelung existierte.<br />

469 Von Rosen kehrte wohl erst spät (ein Datum findet sich nicht in den Quellen) nach<br />

Deutschland zurück. Vgl. SAA 20/La 942: Bericht vom 9. März 1927 durch von Rosen.<br />

470 Vgl. SAA 20/La 942: Bedingungen für eine Anleihe an die Fusi vom 21. März 1927. Ein<br />

anderes Strategiepapier der AU 1 vom 1. April 1927 forderte unter den Punkten<br />

„Bilanzaufmachung“ und „Börsentechnik“ andere Maßnahmen zur Fusi-Sanierung: Nach<br />

Einsparungen in allen Bereichen sollte zum April 1928 die „Aufmachung“ der Bilanz<br />

umgestellt werden, um die Erzielung eines „scheinbaren Gewinns“ zu ermöglichen.<br />

Erstmalig solle dann 5 Prozent Dividende ausgeschüttet werden, allerdings nur an die<br />

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Dieser Vorschlag wurde am 2. April 1927 nach Japan telegrafiert. 471<br />

Zusätzlich forderte das deutsche Unternehmen die Erbringung einer<br />

Bankbürgschaft, 472 um damit zukünftige Lieferungen abzusichern. Sollte die<br />

Fusi auf die zusätzliche Forderung eingehen, dann wollte Siemens einen<br />

Bevollmächtigten zur Unterzeichnung des Anleihevertrags nach Japan zu<br />

entsenden. Die Fusi erklärte sich vorerst dazu bereit, die geforderte<br />

Bankbürgschaft zu erbringen, widerrief jedoch kurze Zeit später ihre<br />

Zusage. 473 Grund für dieses Verhalten war eine erneute Finanzkrise, die die<br />

Unternehmenssituation weiter verschärfte. 474 Die Mitsui-Bank hatte eine im<br />

freien Aktionäre. Siemens und Furukawa sollten insgeheim auf den ihnen zustehenden<br />

Teil der Dividende verzichten. Diese Maßnahme würde den Kurs der frei gehandelten Fusi<br />

Aktie an der Börse auf 30 bis 32 Yen steigen lassen. Zuvor sollten sich Siemens und<br />

Furukawa mit frei gehandelten Aktien eindecken. Deren späterer Verkauf würde zum<br />

einen die Dividendenausschüttung mehr als finanzieren. Zum anderen sei es danach<br />

möglich, das ausstehende Kapital einzufordern. Mit dem eingenommenen Geld solle die<br />

Mitsui-Anleihe abgelöst werden. Nachdem die Fusi durch Umstellung der „Aufmachung“<br />

der Bilanz und Einzahlung des Aktienkapitals scheinbar saniert sei, könne nun die Fusi die<br />

Bedingungen neuer notwendiger Anleihen „diktieren“ und sich günstiger finanzieren. Vgl.<br />

SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi der AU 1 vom 1. April<br />

1927.<br />

471 Die Bedingungen waren: Anleihe von 1 Million US-Dollar (circa 2,1 Millionen Yen),<br />

7,5 Prozent Zins, sofortige Zahlung der Zinsen für Lieferverbindlichkeiten und Festsetzung<br />

eines Termins für die Rückzahlung sämtlicher Lieferverbindlichkeiten sowie die<br />

Verpfändung des Lagers und der Kundschaftsforderungen der Fusi als Sicherheit. Vgl.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Fusi vom 2. April 1927.<br />

472 In den Akten wird das Wort Akkreditiv benutzt, eigentlich eine Art von Wechsel. Bei<br />

Siemens wurde darunter allerdings eine Bankbürgschaft verstanden.<br />

473 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm der Fusi an CVU vom 9. April 1927.<br />

474 Mohr erklärt die Finanzkrise folgendermaßen: Nach dem Erdbeben 1923 wurden von<br />

vielen Gesellschaften Wechsel auf ihre Schuldner gezogen und auf Druck der Regierung<br />

von den Banken ohne die sonst übliche Vorsicht diskontiert (d. h., die Wechsel wurden vor<br />

Fälligkeit gegen eine Gebühr von den Banken ausbezahlt. Das Risiko für das Ausfallen<br />

des Schuldners trug danach die diskontierende Bank). Ein großer Teil dieser Wechsel<br />

wurde von der Firma Suzuki gezogen und von der Formosa-Bank sehr leichtfertig<br />

diskontiert. Das Publikum war inzwischen nervös geworden, weshalb im März 1927<br />

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Vorfeld erteilte Zusage, über eine Bankbürgschaft wieder zurückgezogen.<br />

Infolge dessen war es der japanischen Unternehmung unmöglich, die von<br />

Siemens geforderte Bürgschaft in absehbarer Zukunft zu erbringen. 475 Die<br />

Fusi bat in der Folge um zeitlichen Aufschub für die Bezahlung der<br />

Lieferverbindlichkeiten, bis zumindest erste ausstehende Zahlungen von<br />

Kunden eingegangen waren. 476<br />

Am 19. April 1927 entschied Keßler, Hirschnitz von der<br />

Zentralfinanzverwaltung nach Japan zu entsenden, um den Anleihevertrag<br />

abzuschließen. 477 Die Lieferverbindlichkeiten der Fusi hatten inzwischen die<br />

3 Millionen Yen Grenze erreicht und Keßler mahnte an, die Sanierung<br />

unverzüglich voranzutreiben. Hirschnitz traf am 16. Mai 1927 in Tokio ein und<br />

war damit betraut, die Verhandlungen vor Ort zu führen. 478 Versuche, die<br />

Mitsui-Bank doch noch zu der zuvor zugesagten Bürgschaft zu bewegen,<br />

scheiterten in der Folgezeit. 479 Nachdem Hirschnitz in dieser Richtung auch<br />

keinerlei Verhandlungserfolg erwartet hatte, drängte er die<br />

Unternehmensleitung der Fusi zur Einforderung des ausstehenden<br />

Aktienkapitals. 480 Um seine Verhandlungsposition zu verbessern, wies er an,<br />

Bankruns in Tokio stattfanden. Anfang April musste die Suzuki die Zahlungen einstellen<br />

und damit wurde auch die Taiwan-Bank von der Panik ergriffen. Die Regierung wollte<br />

zunächst mit Staatsgarantien helfen, wurde aber nach Protesten zum Rücktritt<br />

gezwungen. Die Taiwan-Bank stellte die Zahlungen ein und weitere Großbanken mussten<br />

schließen. Es folgte ein wilder Run auf alle kleinen und mittleren Banken und am 21. April<br />

1927 wurden auf staatliche Anweisung hin alle Banken für drei Tage geschlossen. Die<br />

Regierung gab den Banken Vorschüsse von 1,5 Miliarden Yen, um die Lage zu<br />

entspannen, dennoch mussten viele Banken schließen. Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben<br />

von Mohr an CVU vom 26. April 1927.<br />

475 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Natori an CVU vom 25. April 1927, und SAA 20/La<br />

942: Schreiben von Mohr an CVU vom 26. April 1927.<br />

476 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. April 1927.<br />

477 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Keßler, CVU an Natori, Fusi vom 19. April 1927.<br />

478 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm der SSDKK an CVU vom 16. Mai 1927.<br />

479 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 24. Mai 1927.<br />

480 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 25. Mai 1927.<br />

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die künftige Verschiffung von Waren vorerst zu stoppen. 481 Dies brachte für<br />

Hirschnitz den entscheidenden Erfolg. 482 Bereits am 7. Juni 1927 erklärte sich<br />

die Furukawa Denki dazu bereit, als Gegenleistung für die Siemensanleihe 10<br />

Yen pro Aktie an ausstehendem Eigenkapital von den Aktionären<br />

einzufordern. 483 Darüber hinaus entschied sich die Furukawa dazu, Aktien von<br />

Fremdaktionären zu übernehmen, wenn sich diese auf ihr<br />

Einforderungsrecht 484 beriefen. Die Zusicherung der Aktienübernahme von<br />

Fremdaktionären stellte aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein zusätzliches<br />

Risiko für Furukawa dar, das trotzdem in Kauf genommen wurde. 485 Bereits<br />

Mitte Juni des Jahres 1927 konnte der Anleihevertrag abgeschlossen werden<br />

(„loan settled“). 486 Im Vertragswerk wurde fixiert, dass die bestehenden<br />

Lieferverbindlichkeiten durch die Einforderung des ausstehenden<br />

Aktienkapitals im Herbst des Jahres getilgt werden konnten. Ferner gelang es<br />

von Rosen, durchzusetzen, dass zukünftige Entscheidungen der Fusi der<br />

Zustimmung Mohrs oder Kieffers bedurften. Den deutschen Direktoren wurde<br />

somit laut Kontrakt ein Vetorecht eingeräumt. In dem am 10. Juni<br />

abgeschlossenen Anleihevertrag wurde festgelegt, dass Siemens der Fusi<br />

rückwirkend ab 1. April 1927 1 Million US-Dollar zu einem Zinssatz von 7,5<br />

481 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 27. Mai 1927. Unterdessen<br />

kam in Berlin von der Abteilung Übersee 1 der Vorschlag auf, die japanische Finanzkrise<br />

könne genutzt werden, um der Mitsui-Bank ihre 3 Millionen-Yen-Anleihe an die Fusi für<br />

2 Millionen Yen abzukaufen. Zusammen mit den Lieferverbindlichkeiten der Fusi von<br />

mittlerweile 3 Millionen Yen und den ohnehin vorhandenen Siemens-Anteilen hätte man<br />

die Fusi „zu 100 Prozent in seiner Hand“. Dadurch würde „der deutsche Einfluss<br />

maßgebend werden“. Vgl. SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi<br />

der AU 1 vom 30. Mai 1927.<br />

482 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Hirschnitz vom 4. Juni 1927.<br />

483 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Nakagawa, Furukawa Denki an Hirschnitz vom 7. Juni<br />

1927.<br />

484 Dieses Einforderungsrecht besagte, dass eine Einforderung des Grundkapitals erst nach<br />

Zahlung einer ersten Dividende erfolgen sollte.<br />

485 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 7. Juni 1927.<br />

486 Vgl. SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 10. Mai 1927.<br />

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Prozent zur Verfügung stellte. 487 Dieser Betrag entsprach umgerechnet 2,13<br />

Millionen Yen. Nach drei tilgungsfreien Jahren sollten ab Oktober 1930 in<br />

jedem Geschäftshalbjahr jeweils 125.000 US-Dollar zurückgezahlt werden.<br />

Die Anleihe sollte mit den ausstehenden Zinsschulden der Fusi verrechnet<br />

werden.<br />

Die Direktoren der Fusi, Yoshimura und Kajiyama, waren sich bewusst, dass<br />

die Einforderung des Aktienkapitals vor Dividendenzahlung zu Unruhe unter<br />

den Aktionären führen würde. Gegebenenfalls mussten sie sich sogar für den<br />

ausgegebenen Zeichnungsprospekt entschuldigen. Selbst ein eventueller<br />

Rücktritt aus ihren Ämtern war denkbar. 488 Diese Befürchtungen sollten sich<br />

jedoch nicht bewahrheiten. Sowohl Yoshimura als auch Kajiyama durften ihre<br />

Direktorenämter weiter ausüben.<br />

In der Folge wollte das Stammhaus den Anleihevertrag in einen notariell<br />

beglaubigten Vertrag überführen. Mohr beauftragte einen Anwalt mit der<br />

Ausarbeitung des Vertrags und sandte den Vertragsentwurf am 23. Juni 1927<br />

an das Stammhaus nach Berlin. 489 Der Vertragsentwurf bestätigte im<br />

Wesentlichen den abgeschlossenen Anleihevertrag und erklärte sämtliche<br />

Lagerzugänge als an Siemens verpfändet. Im Stammhaus wurde Dr. Springer<br />

von der Rechtsabteilung mit der Prüfung des Kontrakts beauftragt. 490 Die CVU<br />

zeigte sich mit den bisherigen Ausführungen weitestgehend zufrieden, wollte<br />

jedoch den Vertragsentwurf um eine Sicherungsübereignung der gelieferten<br />

Ware ergänzen. 491 Die Lagerwaren sollten nicht nur verpfändet werden,<br />

sondern ins Eigentum des Stammhauses übergehen. An sämtlichen<br />

Lagerwaren sollten Schilder angebracht werden, die sie als Eigentum von<br />

487 Vgl. SAA 20/La 942: Loan Agreement, o. D.<br />

488 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben von Yoshimura und Kajiyama, o. D.<br />

489 Vgl. SAA 20/La 942: Vertragsentwurf und Schreiben von Mohr an CVU vom 23. Juni 1927.<br />

490 Vgl. SAA 20/La 942: Aktennotiz zur Weiterleitung des Vertragsentwurfes an Dr. Springer,<br />

o. D.<br />

491 Vgl. SAA 20/La 942: Schreiben der CVU an Mohr vom 31. August 1927 und Schreiben der<br />

Zentralfinanzverwaltung vom 2. September 1927.<br />

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Siemens kennzeichneten. Darüber hinaus sah der Vertragsentwurf<br />

Vertragsstrafen für die Nichtzahlung des Anleihezinses vor. In diesem Fall<br />

wäre die Gesamtschuld sofort fällig und bis zur vollständigen Zahlung stiege<br />

der Zins auf 10 Prozent an. Da die Anbringung der Eigentumsschilder im<br />

japanischen Recht jedoch keinerlei Bedeutung hatte, verzichtete Siemens auf<br />

diesen Schritt.<br />

Anfang Januar 1928 wurde den Aktionären die geplante Einforderung des<br />

Aktienkapitals um 8,50 Yen pro Aktie mitgeteilt 492 und in der Bilanz des<br />

10. Geschäftshalbjahres berücksichtigt. 493 Abzüglich der 20 Prozent<br />

Freiaktien für Siemens flossen der Fusi somit liquide Mittel in Höhe von<br />

1.366.000 Yen zu, von denen 363.525 Yen zur Tilgung der<br />

Lieferverbindlichkeiten bei Siemens aufgewendet wurden. 494 Durch den<br />

Abschluss des Anleihevertrags am 10. Juni 1927 und die Einzahlung der<br />

Aktionäre waren die Kapital- und Liquiditätsprobleme der Fusi vorerst gelöst.<br />

Als weitere Sanierungsmaßnahme sollte die Übertragung verschiedener<br />

Geschäftsbereiche von der SSDKK auf die Fusi erfolgen. Hierdurch erhofften<br />

sich alle Beteiligten eine erhebliche Steigerung des Umsatzes. Infolgedessen<br />

erhielt die Fusi im Frühsommer 1925 auf Weisung des Berliner Stammhauses<br />

die Vertriebsrechte für das Osram-Lampengeschäft 495 und den lukrativen<br />

492 In den Quellen finden sich keine Angaben, weshalb die Einforderung des Aktienkapitals<br />

statt wie geplant im Herbst 1927 mit 10 Yen pro Aktie, nun erst Anfang 1928 mit nur 8,50<br />

Yen je Aktie durchgeführt wurde. Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an die<br />

Aktionäre, o. D., S. 4.<br />

493 Vgl. dazu die Bilanzen der Fusi im Anhang. Die geringfügigen Abweichungen in der Höhe<br />

des eingezahlten Kapitals von 22.000 Yen erklären sich durch nicht erfolgte Einzahlungen<br />

der Fremdaktionäre. Weigerten sich diese zunächst zu zahlen, musste das eingeforderte<br />

Eigenkapital mehrfach angemahnt werden, bevor die Fusi berechtigt war, diese Aktionäre<br />

auszuschließen.<br />

494 Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. Februar 1929, S. 3.<br />

495 Vgl. SAA 9376: Fusi Vertrag mit Ergänzungen geschrieben 1940, S. 2.<br />

Seite | 164


Vertrieb von Telefonanlagen, der zu diesem Zeitpunkt das größte noch<br />

verbliebene Geschäftsfeld der SSDKK darstellte. 496<br />

Um die Produkte künftig effizient vertreiben zu können, eröffnete die Fusi in<br />

den Folgenjahren Unterbüros in Mojii (1924), 497 Nagoya (1926), 498 sowie<br />

Sendai 499 . In Sapporo, Dairen (Mandschurei), Seoul (Korea) und Taihoku<br />

(Formosa) sollte die Vertretung durch Büros der Furukawa Denki erfolgen.<br />

496 Die Festschrift „100 Jahre Siemens in Japan“ gibt an, 1925 sei die Telefonfertigung von<br />

der erdbebenzerstörten Telefonfabrik der Furukawa Denki in das Fusi-Werk in Kawasaki<br />

verlagert worden. Dort sei 1925 die Fertigung von Fernsprechgeräten aufgenommen<br />

worden. Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 31. Für diese<br />

Aussage finden sich in den Quellen keinerlei Belege. In den Geschäftsberichten der Fusi<br />

wird zu jedem Semesterabschluss über die Art der hergestellten Güter berichtet. Dort<br />

finden sich keine Telefone. Vgl. SAA 17/La 812: Diverse Geschäftsberichte der Fusi von<br />

1923 bis 1930. Auch Schoen nennt nur den Vertrieb, nicht aber die Fertigung von<br />

Telefonen. Vgl. SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979, S. 12.<br />

497 Die genaue Adresse des Mojii-Büros lautete: Osaka Mainichi Building, Kiotaki machi. Vgl.<br />

SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />

498 Die genaue Adresse des Nagoya-Büros lautete: No. 2. 2-Chome, Shinyanagi-machi,<br />

Naka-ku. Vgl. SAA 17/La 812: 5. Geschäftsbericht der Fusi, S. 2.<br />

499 Da in dieser Aufstellung in Sendai die Kosten für Personal ebenso wie bei anderen<br />

Unterbüros der Fusi in Nagoya enthalten sind, während diese Kosten bei den Furukawa-<br />

Denki-Vertretungen fehlen, ist anzunehmen, dass es sich in Sendai um ein direkt zur Fusi<br />

gehörendes Unterbüro handelte. Vgl. SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an CVU vom 10.<br />

Juli 1926, S. 3. In einer anderen Aufstellung fehlt das Sendai-Büro, dafür sind zwei<br />

Mitarbeiter im Tokio-Büro für Sendai eingetragen. Vgl. SAA 17/La 812:<br />

13. Geschäftsbericht der Fusi, Number of Employees.<br />

Seite | 165


Abbildung 18: Fusi-Standorte 1930<br />

Zusätzlich versuchte die Fusi durch Verständigung mit der Konkurrenz und<br />

die Bildung von Kartellen ihre Wettbewerbsposition zu stärken. Die Situation<br />

im japanischen Elektromarkt war ab Mitte der zwanziger Jahre geprägt von<br />

kontinuierlich sinkenden Preisen. Diese ergaben sich vor allem durch die<br />

quantitativ große Zahl an Elektrofirmen. So sanken die erzielbaren<br />

Durchschnittspreise für alle Arten elektrischer Maschinen von 1926 bis Ende<br />

1930 um 45 Prozent. 500<br />

500 So sanken die erzielbaren Preise für Schalttafeln bis Ende 1930 auf 60 Prozent des<br />

Wertes von 1926. Im gleichen Zeitraum gingen die Preise für Transformatoren auf<br />

43 Prozent und die Preise für Motoren und Generatoren auf 59 Prozent des Preises von<br />

1926 zurück. Der Einkaufspreis für Material sank im gleichen Zeitraum nur auf 82 Prozent<br />

Seite | 166


Aufgrund dieser ungünstigen Marktsituation kam es zu umfangreichen<br />

Verhandlungen mit verschiedenen Konkurrenten. 501 Als Erstes konnte 1928<br />

eine Absprache mit den führenden japanischen Elektrounternehmen im<br />

Scheinwerfersegment getroffen werden. 502<br />

Nur ein Jahr später gelang es auch auf dem Gebiet der Spinnmotoren eine<br />

Übereinkunft mit den Konkurrenzunternehmen Yasukawa und Ito zu<br />

erzielen. 503 Alle neuen Aufträge wurden zukünftig gleichmäßig zu je einem<br />

Drittel unter den Firmen aufgeteilt. Bei der Preisfestlegung konnte sich die<br />

Fusi allerdings nicht durchsetzen. Sie hatte einen Mindestverkaufspreis von<br />

750 Yen je Motor gefordert, was von Yasukawa abgelehnt wurde. Der<br />

gemeinsame Mindestpreis betrug nun 650 Yen, was eine Erhöhung des zuvor<br />

üblichen Verkaufspreises um immerhin circa 100 Yen bedeutete. Dieser Preis<br />

bezog sich jedoch nur auf kleine Anfragen, alle größeren Anfragen waren dem<br />

Kartell zu melden.<br />

Wie an den beiden Beispielen deutlich wird, war die Fusi um entsprechende<br />

Arrangements mit verschiedenen Konkurrenten bemüht, doch das wichtigste<br />

Kartell zum damaligen Zeitpunkt stellte das Satsuki-Kai-Kartell dar.<br />

des Ausgangspreises von 1926 und war bis 1928 sogar auf 106 Prozent gestiegen. Vgl.<br />

SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Index of Prices.<br />

501 So gab es Überlegungen und Verhandlungen in der Weltwirtschaftskrise über eine Fusion<br />

mit Mitsubishi Electric sowie eines Zusammenschlusses der vier großen<br />

starkstromtechnischen Firmen Shibaura Engineering, Mitsubishi Electric, Hitachi und der<br />

Fusi. Beide Verhandlungen verliefen erfolglos. Vgl. Kudo, Japanese-German,<br />

S. 188–194.<br />

502 Vgl. SAA 17/La 812: Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom<br />

19. Februar 1929. Japan und seine Kolonien fielen nicht unter das INCA-Abkommen. Die<br />

japanischen Firmen hatten kein direktes Abkommen mit dem Kartell, waren aber als<br />

Lizenznehmer einiger INCA-Firmen in ihrem Export eingeschränkt. Zusätzlich waren die<br />

japanischen Produkte auf dem Weltmarkt noch nicht wettbewerbsfähig. Vgl. hierzu<br />

Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 178ff. und SAA 17/La 812: Auszug aus<br />

einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom 19. Februar 1929.<br />

503 Vgl. SAA 17/La 812: Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom<br />

19. Februar 1929.<br />

Seite | 167


Abbildung 19: Das Satsuki-Kai-Kartell im Mai 1931<br />

Nach mehrjährigen Verhandlungsrunden 504 wurde am 15. Mai 1931 in Tokio<br />

zwischen Mitsubishi, Hitachi, Shibaura und der Fusi ein Kartellvertrag<br />

abgeschlossen. 505 Dieser betonte die Freundschaft der Kartellmitglieder, ihre<br />

kooperative Zusammenarbeit und den Wunsch einer gesunden<br />

504 Über die ersten Kontakte der Kartellpartner schrieb der Fusi-Manager Wada: „Am Ende<br />

der Taisho Periode [1926] […] bei einer Besprechung von Spitzenpersönlichkeiten von<br />

Shibaura, Hitachi, Mitsubishi und Fuji Electric [gemeint ist die Fusi] schlug die Regierung<br />

vor, die Rationalisierung durch Vereinigung von Betreiben oder durch Standardisierung<br />

von Typen zu verbessern. Die vier Firmen […] diskutierten öfters darüber, was aber keinen<br />

Erfolg hatte. […] Der Vorschlag des Industrieministeriums brachte lediglich eine gute<br />

Gelegenheit, dass sich die Leute der Industrie gut kennenlernen konnten.“ Vgl. SAA 9925:<br />

Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 48.<br />

505 Vgl. SAA 54/Ld 192: Articles of Satsuki Kai, Mai 1931. Im März 1932 wurde noch<br />

zusätzlich die Yasukawa Denki Seisakusho (Yasukawa Electric Manufacturing Co.)<br />

Mitglied des Kartells.<br />

Seite | 168


Fortentwicklung des Geschäfts. Ziel des Kartells war die Verhinderung eines<br />

„unfairen“ Wettbewerbs und die Kontrolle der Preise.<br />

Das 1931 neu gegründete Kartell traf sich monatlich zu festgeschriebenen<br />

Terminen. Jede, der beteiligten Firmen musste ein Mitglied ihrer<br />

Geschäftsleitung als Direktor ins Kartell entsenden. Die vier Kartelldirektoren<br />

wählten aus ihrer Mitte für drei Monate einen Geschäftsführer („Managing<br />

director“), der das Kartell in dieser Zeit leitete. Für die Verabschiedung von<br />

Beschlüssen war eine Mehrheit von mehr als Dreiviertel der Direktoren<br />

notwendig. Innerhalb des Kartells wurde ein Großteil der elektrotechnischen<br />

Erzeugnisse des japanischen Markts reguliert. 506 Die Aufträge wurden nach<br />

einem speziell vorgegebenen Schlüssel verteilt: Shibaura erhielt 39 Anteile,<br />

Hitachi 35,5 Anteile, Mitsubishi 25,5 Anteile und die Fusi 12 Anteile. 507 Die<br />

Anteile der Fusi setzten sich aus fünf Anteilen aus dem Bereich Motoren und<br />

Generatoren („rotating machines“), 2,5 Anteilen aus dem Bereich<br />

Transformatoren und 4,5 Anteilen aus der Sparte Schaltanlagen zusammen.<br />

Von allen erhaltenen Aufträgen sollten die Firmen 5 Prozent des<br />

Auftragswerts als Reserve dem Kartell übertragen. Aus diesen Beträgen<br />

wurden unter anderem die Kartellunkosten finanziert. Ein Verstoß gegen die<br />

Kartellbestimmungen hatte den Ausschluss der betreffenden Firma zur Folge.<br />

Das Kartell war zunächst für die Laufzeit von einem Jahr gegründet worden.<br />

506 Wasserturbinen, Gleich- und Wechselstromgeneratoren (ausgenommen solche, die direkt<br />

mit Wasserturbinen gekoppelt waren), Frequenzwandler, Phasenverstärker, Einanker-<br />

umformer, Motorgeneratoren, Transformatoren (ausgenommen Stabtransformatoren mit<br />

weniger als 50 kVA), Quecksilberdampfgleichrichter, Induktionsregler, Wechselstrom-<br />

motoren (ausgenommen Standardmotoren mit weniger als 50 PS), Gleichstrommotoren<br />

(ausgenommen Hauptmotoren für U-Boote), Steuer- und Kontrolleinrichtungen und<br />

Widerstände, Motoren und Steuereinrichtungen für elektrische Autos, Schaltkästen und<br />

Schalttafeln, Stromkreisunterbrecher und Schutzvorrichtungen. Vgl. hierzu SAA 54/Ld 192:<br />

Articles of Satsuki Kai, Mai 1931, S. 3.<br />

507 Die Summe der Anteile ohne Fusi-Anteil beträgt 100, mit Fusi-Anteil 112. Die Anteile sind<br />

im Vertrag mit Prozentzeichen ausgewiesen. Dies lässt vermuten, dass die Quoten bereits<br />

unter den drei großen Firmen zur Basis 100 verteilt wurden und die Fusi erst später zum<br />

Kartell dazu stieß. Vgl. SAA 54/Ld 192: Articles of Satsuki Kai, Mai 1931, S. 3.<br />

Seite | 169


Äußerte keines der beteiligten Unternehmungen einen Monat vor Ende des<br />

laufenden Geschäftsjahrs den Wunsch, aus dem Kartell auszutreten,<br />

verlängerte sich der Vertrag um ein weiteres Jahr. Neben dem eigentlichen<br />

Kartellvertrag gab es zusätzlich detaillierte Business Regulations der Satsuki<br />

Kai. 508 Zum Geschäftsbetrieb des Kartells sollte jede der beteiligten Firmen<br />

ein Komitee einberufen und die Kartellorganisation selbst ebenfalls über<br />

eigene Mitarbeiter sowie über ein eigenes Büro in Tokio verfügen. Erhielt eine<br />

Firma Anfragen über die in der Kartellvereinbarung genannten Fabrikate,<br />

musste sofort Meldung an das Kartell gemacht werden. Die eingegangenen<br />

Anfragen wurden anschließend vom Geschäftsführer des Kartells unter den<br />

Firmen aufgeteilt. Sollte eine der Firmen, abweichend von der<br />

Auftragsverteilung des Geschäftsführers, weitere Aufträge auf sich vereinigen,<br />

sollte sie für diese Zusatzaufträge die doppelte Abgabe als Reserve an das<br />

Kartell leisten (also 10 Prozent des Auftragswerts). Mit der geleisteten<br />

Zahlung sollte die nicht berücksichtigte Firma des Kartells entschädigt<br />

werden. Über die Lage der Anfragen und die Auftragserteilung erstattete der<br />

Geschäftsführer den beteiligten Firmen wöchentlichen Bericht.<br />

Besprechungsnotizen zufolge, war die Atmosphäre innerhalb des Kartells<br />

freundlich und harmonisch. 509<br />

EXOGENE FAKTOREN<br />

Der Unternehmenserfolg durch die eingeleiteten Sanierungs- und<br />

Restrukturierungsmaßnahmen stellte sich bereits nach kurzer Zeit ein. Durch<br />

die verbesserten Rahmenbedingungen stiegen die Umsätze der Fusi nach<br />

1932 beständig an. Hierfür waren neben den endogenen drei exogene<br />

Gründe ausschlaggebend.<br />

508 Vgl. SAA 54/Ld 192: Business Regulation of Satsuki Kai, Mai 1931, S. 3.<br />

509 Vgl. SAA 54/Ld 192: Protokoll vom 31. Juni 1931, S. 7.<br />

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Ein Faktor war die starke Abwertung des Yen und die Lösung Japans vom<br />

Goldstandard im Jahr 1931. Entsprach ein Yen im September des Jahres<br />

1931 noch 2,10 Reichsmark, sank der Kurs auf 0,68 Reichsmark im Jahr<br />

1936. 510 Durch die starke Abwertung verteuerten sich die importierten Waren<br />

für die japanischen Kunden stark, wodurch lokal produzierte Waren<br />

wettbewerbsfähiger wurden. 511<br />

Darüber hinaus nahmen die Bestrebungen der japanischen Regierung zu,<br />

importierte Produkte zu „nationalisieren“, indem staatliche Stellen angewiesen<br />

wurden, ausschließlich einheimische Fabrikate („home products“ 512<br />

beziehungsweise „domestic products“) zu kaufen. 513 So veröffentlichte das<br />

japanische Eisenbahnministerium, bei dem es sich um einen der größten<br />

staatlichen Nachfrager handelte, eine Liste mit Artikeln, die es ausschließlich<br />

als „home products“ erwerben wollte. Betroffen waren unter anderem<br />

Stromzähler, Schalttafeln, Telefone sowie sämtliches Telefonzubehör. 514<br />

Ein weiterer exogener Grund war der andauernde Kriegszustand, in dem sich<br />

Japan nach der Unterwerfung der Mandschurei befand. Dieser führte in Japan<br />

zu einer steigenden Nachfrage nach Rüstungsgütern sowie nach Material für<br />

510 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 12.<br />

511 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 14.<br />

512 Vgl. SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Protokoll vom 30. Juni<br />

1931, S. 2. „Home products“ wurden definiert als Produkte, die ausschließlich oder zu<br />

mindestens 70 Prozent in Japan hergestellt wurden. Wurden mehr als 70 Prozent des<br />

Rohmaterials importiert, galt ein Produkt dennoch als japanisch, wenn dieses Rohmaterial<br />

ausschließlich in Japan raffiniert oder hergestellt worden war. Auch das Management und<br />

die Mehrheit des Aktienkapitals des Herstellers mussten sich in japanischer Hand<br />

befinden.<br />

513 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />

1939, S. 2.<br />

514 Vgl. SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, List of Articles, of which<br />

the Dept. of Railways purchases exclusively home makes, published on November 12 th<br />

1929.<br />

Seite | 171


verschiedene Infrastrukturprojekte in der Mandschurei. 515 Vom exogenen<br />

Nachfrageschock konnte die gesamte japanische Elektroindustrie profitieren.<br />

Der aggregierte Auftragseingang der gesamten japanischen Elektrobranche<br />

stieg deshalb bis 1934 auf das 4,7-Fache des Auftragseingangs von 1931. 516<br />

Im 18. Geschäftshalbjahr der Fusi, 517 konnten die Verluste von 86.000 Yen<br />

auf 39.000 Yen mehr als halbiert werden. Bereits im darauffolgenden<br />

Geschäftshalbjahr erreichte die Fusi den Break Even und realisierte dauerhaft<br />

Gewinne.<br />

Abbildung 20: Umsatz und Reinergebnis der Fusi vom ersten<br />

Geschäftshalbjahr 1932 bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />

515 Vgl. SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai<br />

1934, S. 1.<br />

516 Vgl. SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai<br />

1934, S. 2.<br />

517 Das 18. Geschäftshalbjahr entspricht der Zeit von 1. November bis 1931 bis 30. April<br />

1932.<br />

Seite | 172


Vor dem Hintergrund der günstigen Rahmenbedingungen Anfang der<br />

dreißiger Jahre wurde das Produktionssortiment sukzessive erweitert.<br />

Infolgedessen nahm die Fusi die Fertigung von Wasserturbinen und<br />

Expansionsschaltern auf. Mit der Produktion der Fernsprechämter und<br />

Pupinspulen 518 wurde ebenfalls bereits Mitte 1932 in Kawasaki begonnen.<br />

Dort entstand eine etwa 1.800 m² große, einstöckige Fabrikhalle auf einem<br />

etwa 27.000 m² großen Grundstück. 519<br />

518 Pupinspulen – benannt nach ihrem Erfinder Michael Pupin – wurden in Abständen von<br />

einigen Kilometern zwischen Fernsprechkabeln eingezogen. Sie ermöglichten die<br />

Verständigung über weite Distanzen mittels Fernsprechern ohne, wie vor deren Erfindung<br />

nötig, dafür den Kabelquerschnitt stark erhöhen zu müssen.<br />

519 Die Fabrikhalle war 600 Tsubo groß, das Grundstück 9.000 Tsubo. Ein Tsubo sind circa<br />

3,03 m². Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom<br />

22. September 1939, S. 3.<br />

Seite | 173


Abbildung 21: Standorte der Fusi 1938<br />

Die neue Fabrik wurde im April 1933 fertiggestellt. Am 30. Mai 1935 wurde<br />

per Beschluss der Gesellschafterversammlung die Fusi Tsushinki Seizo<br />

Kabushiki Kaisha (Fusi-Fabrik für nachrichtentechnische Apparate) von der<br />

Fusi Denki unabhängig. 520 Das Vertriebsnetz konnte in den dreißiger Jahren<br />

weiter ausgebaut werden.<br />

Ferner gründeten die Fusi und die Fusi Tsushinki im August 1937 die Fusi<br />

Denki Kosho Kofun Yugen Koshi, eine gemeinsame Montagewerkstatt in<br />

Mukden. 521 Beide Unternehmungen waren paritätisch an dem neuen<br />

Unternehmen beteiligt, das „zur Erleichterung der Betriebsführung“ in der<br />

520 Vgl. SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki.<br />

521 Vgl. SAA 10848-3: Schreiben der CVU an Fusi vom 10. Mai 1938.<br />

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Rechtsform einer mandschurischen Gesellschaft gegründet wurde. 522 Die<br />

Werkstatt sollte den Zusammenbau von Motoren, kleinen Transformatoren<br />

und automatischen Telefonen betreiben und Reparaturen durchführen.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Fusi nach schwierigen<br />

Anfangsjahren seit Beginn der 1930er Jahre sehr erfolgreich am Markt<br />

agierte. Die Entscheidung für den Aufbau einer eigenen Produktion in Japan<br />

hatte sich als richtig erwiesen.<br />

1.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939<br />

1.3.2.1 Die Fusi Tsushinki<br />

Im Anschluss an ein erfolgreich ausgeführtes Projekt zur Verbindung der<br />

Strecke Osaka-Kyoto mit pupinisierten Kabeln im Jahre 1923 wurde zwischen<br />

der Furukawa Denki und der S&H am 18. Mai 1923 ein Vertrag geschlossen,<br />

der Furukawa Denki die Erfahrungen und Patente für die Fernkabeltechnik<br />

zusicherte. 523 In den Folgejahren lieferte die Furukawa Denki Fernkabel an<br />

das Postministerium, die mit importierten Pupinspulen 524 der S&H versehen<br />

wurden. Größter Konkurrent in diesem Geschäft war die Nippon Electric<br />

Company (NEC), die über amerikanische Lizenzen verfügte, die sie zur<br />

522 Vgl. SAA 10848-3: Schreiben der CVU an Fusi vom 10. Mai 1938.<br />

523 Vgl. SAA 9376: Übersicht Japan Verträge vom 4. März 1938, S. 1.<br />

524 Pupinspulen – benannt nach ihrem Erfinder Michael Pupin – wurden in Abständen von<br />

einigen Kilometern zwischen Fernsprechkabeln eingezogen. Sie ermöglichten die<br />

Verständigung über weite Distanzen mittels Fernsprechern ohne, wie vor deren Erfindung<br />

nötig, dafür den Kabelquerschnitt stark erhöhen zu müssen. Vgl. Feldenkirchen,<br />

Feldenkirchen, Siemens, S. 446.<br />

Seite | 175


Fertigung von Pupinspulen und -kästen befähigte. Somit war sie die einzige<br />

Unternehmung, die diese Produkte direkt in Japan fertigte. 525<br />

Um für mehr Wettbewerb am Markt zu sorgen, war das japanische<br />

Postministerium bestrebt, neben der Nippon Denki einen weiteren in Japan<br />

fertigenden Hersteller für Fernkabeltechnik – zunächst von Pupinspulenkästen<br />

– zuzulassen. 526 Die Furukawa Denki konnte aufgrund ihres fehlenden<br />

technischen Know-how die Fertigung nicht in Eigenregie durchführen,<br />

weshalb sie mit der S&H übereinkam, die Pupinspulenkästen künftig von der<br />

Fusi produzieren zu lassen. Für die Aufnahme der Produktion übertrug die<br />

Furukawa Denki am 14. Februar 1929 ihre Vertriebsrechte für die<br />

Fernkabeltechnik auf die Fusi. 527 Zur ersten Produktionsaufnahme sollte ein<br />

Fachmann der S&H die Technik zur Herstellung von Pupinspulenkästen bei<br />

der Fusi einführen. Die dafür erforderlichen Pupinspulen wurden, wie auch bei<br />

Furukawa Denki zuvor, von der S&H aus Deutschland bezogen.<br />

525 Die NEC entstand 1899 aus einer Werkstatt der Western Electric. Western Electric hielt<br />

eine Beteiligung von 54 Prozent. NEC produzierte und importierte Fernmeldetechnik. Vgl.<br />

Hoshimi, Transfer, S. 233.<br />

526 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 1.<br />

527 Vgl. SAA 9376: Übersicht Japan Verträge vom 4. März 1938, S. 2.<br />

Seite | 176


Abbildung 22: Meilensteine der Entwicklung der Fusi Tsushinki<br />

Für den notwendigen Know-how-Transfer war der Ingenieur Leichsenring<br />

vorgesehen, der im Januar 1929 in Japan eintraf. 528 Um die<br />

Funktionsfähigkeit der zu produzierenden Kästen kontrollieren zu können,<br />

verlangte das Postministerium von der Fusi zunächst die Ausführung eines<br />

kleinen Testauftrags, der dann von der Behörde überprüft werden sollte.<br />

Nachdem die deutsche Konstruktion und die Fertigungsmethoden der<br />

Pupinspulenkästen an den japanischen Markt angepasst worden waren, 529<br />

erfolgte im Frühsommer 1929 die erste Lieferung an das Ministerium. Die<br />

Prüfung verlief durchweg positiv und die Fusi wurde als weiterer Lieferant für<br />

Pupinspulenkästen („approved maker“) zugelassen. Es folgten weitere<br />

Aufträge zur Fertigung der neuen Technik.<br />

528 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 2.<br />

529 So machte das feuchtwarme Klima in Japan eine andere Konstruktion des Kastens<br />

notwendig. Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in<br />

Japan von 1929 bis 1938, S. 5 ff.<br />

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Bei späteren Nachfragen des Postministeriums, ließ man diese „im Glauben,<br />

dass die Fusi die Pupinspulen bereits selbst fertigen würde. Die Fusi musste<br />

sich also bemühen, diesen Zustand nun auch zu verwirklichen.“ 530 Um die<br />

Fertigung in Japan letztlich vollständig durchführen zu können, wurden neue<br />

Verhandlungen mit der S&H aufgenommen. Die S&H war dazu bereit und<br />

wollte, noch vor Abschluss einer offiziellen Vereinbarung, einen Fachmann<br />

aus Deutschland zum Aufbau der Fertigung nach Japan schicken. Als weitere<br />

Alternative schlug die Fusi vor, ihren Ingenieur Leichsenring nach<br />

Deutschland zu entsenden, um ihn mit der dortigen Produktion der<br />

Pupinspulen vertraut zu machen. Im Anschluss daran sollte Leichsenring die<br />

Produktion in Japan aufbauen. Letztlich entschieden sich die beiden Häuser<br />

für die zweite Alternative, weshalb Leichsenring im Dezember 1931 nach<br />

Deutschland reiste. 531<br />

Nur fünf Monate später, am 30. Mai 1932, konnte zwischen der S&H und der<br />

Fusi ein Pupinspulenfabrikationsvertrag geschlossen werden, der der Fusi die<br />

Fabrikation von Pupinspulen nach S&H-Patenten gestattete. 532 Nach<br />

Abschluss des Kontrakts kehrte Leichsenring im Juni 1932 wieder nach Japan<br />

zurück. 533 Trotz der Klärung der rechtlichen Aspekte verzögerte sich das<br />

Anlaufverfahren der Fertigung von Pupinspulen in Japan aufgrund<br />

technischer Schwierigkeiten, sodass erneut Pupinspulen bei Siemens bestellt<br />

530 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 9, und SAA 54/Ld 192: Essential Points of Conversation with Mr. Shindo<br />

of the Dept. of communication on 8 th May 1930, S. 1 ff.<br />

531 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 10.<br />

532 Es ist anzunehmen, dass die Fusi der S&H dafür Lizenzgebühren entrichtete; Angaben<br />

dazu finden sich aber nicht in den Quellen. Mit gleichem Datum wurde auch ein weiterer<br />

Vertrag zwischen der S&H und der Furukawa Denki geschlossen, in welchem die<br />

Furukawa Denki dem Vertrag zwischen der S&H und der Fusi zustimmte. Vgl. SAA 9376:<br />

Übersicht Japan Verträge, S. 1.<br />

533 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 10.<br />

Seite | 178


werden mussten. 534 Obwohl die Fusi die Auflagen der „domestic products“<br />

nicht einhalten konnte, wurden die Staatsaufträge für Pupinspulenkästen vom<br />

Postministerium zwischen der Nippon Denki und Fusi verteilt. 535 Die Nippon<br />

Denki erhielt 55 bis 60 Prozent der Aufträge die Fusi zwischen 40 und 45<br />

Prozent. 536 „Erst im Verlauf des Jahres 1933 kam die Spulenwickelei [die<br />

Fertigung von Pupinspulen] auf die vorgesehene Leistung.“ 537 So gelang es<br />

der Fusi, die technischen Anfangsschwierigkeiten zu beseitigen, und das<br />

japanische Unternehmen war fortan nicht mehr darauf angewiesen die<br />

Pupinspulen von S&H zu beziehen.<br />

Parallel zu den Verhandlungen über die Pupinspulen und -kästen plante die<br />

Fusi, ihre Produktpalette sukzessive zu erweitern. So zeigte die Fusi starkes<br />

Interesse an der Fertigung automatischer Fernsprechämter. 538 Daraufhin<br />

534 Die Eigenfertigung verzögerte sich, da die bestellten Maschinen aus Deutschland erst<br />

hergestellt und verschifft werden mussten. Einige Fertigungsanlagen wollte die Fusi selbst<br />

erstellen, was weitere Zeit in Anspruch nahm. Auch das Anlernen der Arbeiter durch<br />

Leichsenring gestaltete sich schwierig, da er dazu Dolmetscher benötigte. Vgl. SAA 7894:<br />

Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von 1929 bis 1938, S.<br />

10 ff.<br />

535 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 12.<br />

536 Laut Leichsenring wurden die Aufträge vom Postministerium in diesem Verhältnis<br />

vergeben. Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in<br />

Japan von 1929 bis 1938, S. 12. Ein Schaubild der verschiedenen Firmen der japanischen<br />

Elektroindustrie von 1938 zeigt zwischen der Furukawa Denki und der Nippon Denki eine<br />

gestrichelte Linie mit der Aufschrift: Lose Vereinbarung zu Pupinspulen und einen Pfeil mit<br />

der Aufschrift 55Prozent in Richtung der Nippon Denki. Vgl. SAA 9376: Bindungen in der<br />

japanischen Elektroindustrie, Stand Januar 1938. Es ist also zu vermuten, dass die vom<br />

Postministerium vorgenommen Aufteilung der Pupinspulen Aufträge, auf einer<br />

Kartellvereinbarung beider Firmen beruht.<br />

537 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 13.<br />

538 Vgl. Kudo, Japanese, S. 170 ff. und S. 185 ff. Das Telefongeschäft war seit Beginn der<br />

Zusammenarbeit zwischen Siemens und Furukawa ein ständiges Streitthema. Da<br />

Siemens im Jahr 1921 eine Aufteilung des japanischen Marktes mit Western Electric<br />

Seite | 179


fanden im Mai 1930 zwischen dem japanischen Postministerium und der Fusi<br />

Gespräche über die Errichtung einer weiteren Fabrik zur Produktion<br />

automatischer Fernsprechämter statt. Am 7. Mai 1930 bat Shindo, Chef der<br />

Einkaufsabteilung des Postministeriums, die Fusi um eine Unterredung, die<br />

bereits am 8. Mai mit Wada und Nakamigawa von der Fusi abgehalten wurde.<br />

An dem Gespräch nahm auch Kitazawa, Chef des Telefoneinkaufs des<br />

Postministeriums, teil. Shindo forderte Auskünfte bezüglich der<br />

Eigentümerstruktur und Unternehmensführung der Fusi im Hinblick auf die<br />

Förderung einheimischer Produkte („domestic products“) durch das<br />

Postministerium. Wada erklärte, die Fusi sei zu 70 Prozent im Besitz von<br />

Japanern, 40 Prozent der Aktien gehörten dem Furukawa-Konzern und die<br />

Firma stehe unter japanischer Leitung. Allerdings seien auch Deutsche an der<br />

Geschäftsführung beteiligt. Alle Produktionsmaterialien seien japanischer<br />

Herkunft („of home origin“), bis auf wenige Ausnahmen, die unvermeidlich aus<br />

Deutschland importiert werden müssten.<br />

Wada erklärte, die Fusi wolle in der Zukunft auch Telefone und<br />

Fernsprechämter in Japan produzieren, und fragte nach der grundsätzlichen<br />

Position des Postministeriums dazu. Das Ministerium plante für die<br />

kommenden Jahre, eine Vielzahl automatischer und manueller<br />

Fernsprechämter zu errichten. Der Bedarf würde wahrscheinlich durch die in<br />

Japan produzierenden Firmen Nippon Denki und Oki gedeckt werden, die ihre<br />

vereinbart hatte, war das Telefongeschäft vom Joint Venture ausgeklammert worden und<br />

Furukawa hatte eine eigene kleine Telefonfabrik errichtet. Nachdem diese beim Kanto-<br />

Erdbeben zerstört wurde, wurde bei Gesprächen im November 1924 mit Hermann Reyss<br />

das Telefongeschäft erneut diskutiert. Zur Unterstützung der finanziell angeschlagenen<br />

Fusi wurden die Vertriebsrechte für das Telefongeschäft auf die Fusi zu übertragen. Eine<br />

eigene Produktion in Japan wurde aber von S&H abgelehnt. Infolge dessen kam es Ende<br />

der 1920er Jahre zu mehreren Konferenzen und Verhandlungen zwischen der S&H und<br />

der Fusi über den Aufbau einer Produktion für Telefonausrüstung in Japan. Die<br />

Verhandlungen verliefen allerdings ergebnislos.<br />

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Fernsprechämter basierend auf dem Strowger-System 539 etabliert hatten.<br />

Würde die Fusi versuchen, das Siemens-System zusätzlich auf dem<br />

japanischen Markt einzuführen, so dürften die Produktionskosten der Fusi<br />

nicht teurer sein als die der beiden Wettbewerber. Zudem müssten die<br />

Fernsprechämter zwingend in Japan hergestellt werden und den Regeln für<br />

„domestic products“ entsprechen. 540<br />

Unter dieser Prämisse wurde der Fusi der Auftrag für das automatische<br />

Fernsprechamt Minami, Osaka, vom Postministerium 1932 erteilt. 541 Laut<br />

Wada blieb der Fusi hier „nichts anderes übrig, als durch Herrn Yoshimura die<br />

Zusage zu geben, künftig in Japan hergestellte Erzeugnisse zu liefern, in der<br />

Hoffnung, von Siemens dafür die Genehmigung zu bekommen.“ 542 S&H war<br />

jedoch zunächst weiterhin nicht bereit, der Fusi die Produktion automatischer<br />

Fernsprechämter zu gestatten. Das japanische Unternehmen entsandte<br />

daraufhin Direktor Ogino Gentaro nach Berlin. 543 Ogino gelang es in weiteren<br />

Verhandlungen, S&H von der Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen<br />

Produktion zu überzeugen und die fehlenden Produktionsgenehmigungen zu<br />

erhalten. 544<br />

Nach Erhalt der Rechte hatte die Fusi im März 1932 mit der Produktion<br />

automatischer Fernsprechzentralanlagen begonnen. 545 Aufgrund der<br />

539 Der technische Autodidakt Almon B. Strowger hatte 1892 intuitiv den Hebdrehwähler als<br />

zentrales Bauelement selbsttätiger Fernsprechvermittlung erkannt. Vgl. Feldenkirchen,<br />

Siemens, S.446.<br />

540 Vgl. SAA 54/Ld 192: Essential Points of Conversation with Mr. Shindo of the Dept. of<br />

communication on 8 th May 1930, S. 1 ff.<br />

541 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />

1939, S. 2 f.<br />

542 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49.<br />

543 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49.<br />

544 Vgl. Kudo, Japanese-German, S. 201–204. Ogino überzeugte S&H, das ohne eine eigene<br />

Produktion keine Aufträge des Kommunikationsministeriums zu erhalten waren.<br />

545 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />

1939, S. 3.<br />

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mangelnden Erfahrung und Kenntnisse über die Produktionsprozesse<br />

verliefen diese jedoch nicht planmäßig. 546 Daraufhin entsandte die Fusi im<br />

Mai 1932 drei japanische Angestellte zu S&H nach Berlin, um sie dort<br />

ausbilden zu lassen und ihnen das nötige Know-how zu vermitteln. 547<br />

Die Produktion der Pupinspulen und Fernsprechämter in Japan begann ab<br />

Mitte des Jahres 1932. Geplant war, eigens dafür in Kawasaki, westlich der<br />

Hauptfabrik der Fusi, eine neue Fabrikhalle zu errichten. Dort entstand eine<br />

etwa 1.800 m² große, einstöckige Fabrikhalle auf einem 27.000 m² großen<br />

Grundstück. 548 Letztlich konnte die neue Fabrik bereits im April 1933<br />

fertiggestellt werden. Hier wurde die Fertigung von automatischen<br />

Fernsprechämtern und Pupinspulen aufgenommen, die sich nun nach<br />

Überwindung der Anlaufschwierigkeiten gut entwickelte. Die Fabrik<br />

beschäftigte anfänglich 245 Mitarbeiter. 549<br />

Durch Kursverluste des Yen und immer umfassendere Local-Content<br />

Forderungen entwickelte sich bei der Fusi zunehmend der Entschluss, weitere<br />

Produkte direkt in Kawasaki zu fertigen. 550 Die Furukawa Denki produzierte<br />

Fernsprechkabel aller Art, die Fusi fertigte bereits Pupinspulen und -kästen<br />

546 „Aber sie [die Fusi] war arm an Erfahrung um die ganzen Präzisionsteile herzustellen.“ Vgl.<br />

SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September 1939,<br />

S. 3.<br />

547 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />

1939, S. 3. Diese drei Angestellten waren Goro Tsuru, Shigo Shinoda und Jisuke<br />

Yamagishi. Sie kehrten im Februar 1933 wieder nach Japan zurück. Vgl. hierzu SAA 9925:<br />

Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49.<br />

548 Die Fabrikhalle war 600 Tsubo groß, das Grundstück 9000 Tsubo. Ein Tsubo sind circa<br />

3,03 m². Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22.<br />

September 1939, S. 3.<br />

549 Vgl. Kudo, Japanese, S. 205.<br />

550 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 14. Durch die Kursverluste waren importierte Güter auf dem japanischen<br />

Markt zunehmend schwierig abzusetzen.<br />

Seite | 182


sowie automatische Fernsprechämter. Für die Ausstattung eines kompletten<br />

Fernkabels mussten noch Fernkabelverstärker und Trägerfrequenzgeräte 551<br />

für Freileitungen und Kabel von der S&H aus Deutschland importiert<br />

werden. 552 Letztlich sollte diese noch fehlende Technik ebenfalls in Japan<br />

produziert werden können.<br />

Im März 1934 wurde daher Wada, ein Direktor der Fusi, nach Deutschland<br />

entsandt, um mit den ebenfalls in Berlin anwesenden Vorstandsvorsitzenden<br />

der NEC und der Tokio Electric über eine Aufteilung des japanischen<br />

Kommunikationsmarktes sowie eine Ausweitung der Produktionspalette zu<br />

verhandeln. 553 Nachdem ein Abkommen mit der Konkurrenz erzielt worden<br />

war, gelang es Wada in weiteren schwierigen Verhandlungen, 554 die Erlaubnis<br />

für eine Produktion weiterer Siemens-Produkte in Japan, zu erhalten. 555 In der<br />

551 Trägerfrequenzgeräte ermöglichen eine höhere Ausnutzung der Fernkabel. Es konnten so<br />

beispielsweise mehr Gespräche durch ein Kabel übertragen werden.<br />

552 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 14.<br />

553 Vgl. Kudo, Japanese, S. 207 ff.<br />

554 Wada zu den Verhandlungen: „Der hiesigen Herstellung [also der Produktion in Japan]<br />

gingen stets schwierige Verhandlungen voraus. Erst durch die Änderung der Lage nach<br />

dem zweiten Weltkrieg wurden die Verhandlungen mit Siemens viel einfacher.“ Vgl. SAA<br />

9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 46.<br />

555 Vgl. SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre, S. 49 sowie Kudo, Japanese, S.206. Bei<br />

der Marktaufteilung wurde zwischen der NEC und Siemens eine Ratio von 70:30<br />

festgelegt. Ferner wurde die gegenseitige Nutzung bestimmter Patente vereinbart. Mit der<br />

Tokyo Denki wurde vereinbart, das diese das Geschäftsfeld der drahtlosen<br />

Kommunikation bearbeiten sollte, und die Fusi die drahtgebundene Kommunikation.<br />

Desweiteren wurde ein Aktientausch beschlossen. So wurde Anfang 1936 ein<br />

Aktientausch durchgeführt. Die Fusi übertrug der Tokio Denki ein Aktienpaket in Höhe von<br />

20 Prozent die sie an der Fusi Tsushinki hielt. Im Gegenzug erhielt die Fusi 20 Prozent der<br />

Aktien von der Tokio Denki Musen K. K., eine der Schwachstromtöchter der Tokio Denki.<br />

Die Wertdifferenz von 54.000 Yen glich die Fusi durch Barzahlung aus. Diese<br />

Überkreuzbeteiligung wurde bis 1938 auf jeweils 30 Prozent erhöht. Vgl. Kudo,<br />

Japanese,S. 209, und SAA 11/Lg 498: Aktennotiz vom 9. Semester 1936, sowie SAA<br />

9376: Übersicht Beteiligungen der Fusi.<br />

Seite | 183


Folge wurden verschiedene Fabrikationsverträge geschlossen. 556 Noch vor<br />

Ende des Jahres 1935 nahm die Fusi Tsushinki die Fabrikation der neuen<br />

Produkte auf. 557<br />

Am 30. Mai 1935 wurde per Beschluss der Gesellschafterversammlung die<br />

Fusi Tsushinki Seizo Kabushiki Kaisha (Fusi-Fabrik für nachrichtentechnische<br />

Apparate) aus der Fusi Denki ausgegründet 558 und erhielt ihre volle<br />

gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit. 559 Das Eigenkapital der neuen<br />

Unternehmung betrug 3 Millionen Yen und wurde von der Fusi Denki in voller<br />

Höhe eingezahlt. Dafür wurden die 1933 fertiggestellte Schwachstromfabrik,<br />

in der 1935 bereits circa 700 Mitarbeiter beschäftigt waren, und das gesamte<br />

zugehörige Schwachstromgeschäft, einschließlich Patenten, Lager und<br />

Kundschaftsforderungen von der Fusi auf die Fusi Tsushinki übertragen.<br />

Neuer Präsident wurde Yoshimura, der auch das Amt des Präsidenten bei der<br />

Fusi innehatte. Die Ämter der Direktoren übernahmen Ohyama, ein ranghoher<br />

556 Vgl. SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von<br />

1929 bis 1938, S. 14, und SAA 9736: Übersicht Japan Verträge, S. 1. Zunächst einigten<br />

sich die S&H und die Fusi am 15. September 1934 auf den Abschluss eines Verstärker-<br />

Fabrikationsvertrages. Ergänzt wurde dieser am 21. März 1935 durch den noch offen<br />

stehenden Trägerfrequenz-Fabrikationsvertrag. Die Fusi hielt nun im Frühjahr 1935 alle<br />

Genehmigungen von Siemens, um im kompletten Fernkabelsystem aktiv zu werden und<br />

letztlich die Produktion in Eigenregie zu führen.<br />

557 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />

1939, S. 5. Auch in anderen Schwachstrombereichen übernahm die Fusi Tsushinki<br />

weitere Siemens Technik zur Fabrikation in Japan. Am 1. Dezember 1934 wurde in Berlin<br />

ein Lizenzvertrag zur Mitbenutzung der Patente des Siemens Autopiloten Flugreglers zur<br />

Kurssteuerung von Militärflugzeugen zwischen der Fusi und der Siemens Apparate und<br />

Maschinen GmbH abgeschlossen. Um die Nutzung und Konstruktion dieser neuen<br />

Technik in Japan einzuführen, wurde der Ingenieur Hans Heilbronn für mehrere Jahre<br />

nach Tokio gesandt. Vgl. SAA 9736: Übersicht Japan Verträge, S. 2, und SAA 68/Li 151:<br />

Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 33.<br />

558 Vgl. Kudo, Japanese, S. 211. Der Grund der Ausgründung ist aus den Quellen nicht<br />

ersichtlich.<br />

559 Vgl. SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki.<br />

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Mitarbeiter des Postministeriums und Rokusho, der frühere Chef des Osaka-<br />

Büros und jetzige Chef des General-Büros der Fusi.<br />

Die Geschäftstätigkeit der Fusi Tsushinki entwickelte sich positiv, und bereits<br />

Ende des ersten Geschäftshalbjahres im 30. September 1935 konnte eine<br />

Dividende von 60.000 Yen ausbezahlt werden. Kurz zuvor war am<br />

28. September das Aktienkapital der Fusi Tsushinki um 3 Millionen Yen auf<br />

6 Millionen Yen erhöht worden, von denen die ersten 750.000 Yen am<br />

3. Dezember 1935 eingefordert wurden. 560 Das Geschäft der Fusi entwickelte<br />

sich weiter positiv. 561 Der Umfang der erzeugten Schwachstromartikel stieg<br />

von knapp 1 Million Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1935 auf 4,8 Millionen<br />

Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1940.<br />

Abbildung 23: Umsatz der Fusi Tsushinki vom ersten Geschäftshalbjahr 1935<br />

bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />

560 Vgl. SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki Aktienkapital und Kudo, Japanese-German,<br />

S.211.<br />

561 Vgl. SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September<br />

1939, S. 5. Die Fusi Tsushinki wurde im August 1937 als offizieller Lieferant des<br />

Postministeriums Telefon-Anlagen und Telefonzwischenverstärkeranlagen anerkannt.<br />

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Infolgedessen plante die Fusi, eine neue Schwachstromfabrik zu errichten.<br />

Dafür wurde bereits im Dezember 1936 ein etwa 100.000 m² großes<br />

Grundstück erworben. Dieses lag etwa 11 km nördlich des bestehenden<br />

Werks in Kawasaki am Nakhara-Bahnhof der Nabubahn. 562 Ein solcher<br />

Umzug war nötig geworden, da die Kawasaki-Fabrik unweit der Seeküste lag<br />

und besonders in der Regenzeit die Fabrikate und Rohstoffe unter der starken<br />

Nässe litten. Zudem befürchtete das Fusi-Management, dass Arbeitskämpfe<br />

in der direkt benachbarten Starkstromfabrik der Fusi jederzeit auf die Fusi<br />

Tsushinki übergreifen könnten. 563 Um die Baukosten von etwa 1,5 Millionen<br />

Yen zu decken, führte die Fusi weitere Einforderungen auf ihr ausstehendes<br />

Aktienkapital durch. 564 Zusätzlich wurde am 30. Oktober 1937 das<br />

Grundkapital der Fusi um 5 Millionen Yen erhöht, um dadurch die<br />

entstehenden Baukosten der Tochtergesellschaft zu finanzieren. Bei dieser<br />

Erhöhung wurden Siemens, wie im Mai 1921 zugesichert, 5 Prozent als<br />

Freiaktien zur Verfügung gestellt. 565 Siemens beteiligte sich über die<br />

5 Prozent Freiaktien hinaus mit weiteren 25 Prozent an der Kapitalerhöhung<br />

und hielt somit wie zuvor einen Anteil von 30 Prozent an der Fusi. 566<br />

1.3.2.2 Die Goto Fuundo<br />

Der Vertrieb der Medizintechnik der S&H wurde im Jahr 1923 zunächst von<br />

der Fusi übernommen.<br />

562 Das Grundstück lag an der Haltestelle Nakahara der Nabu-Bahn. Vgl. SAA 11/Lg 498:<br />

Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25. Januar 1937, S. 3.<br />

563 Vgl. SAA 11/Lg 498: Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25.<br />

Januar 1937, S. 3.<br />

564 Die Einforderungen erfolgten auf Vorstandsbeschluss vom 22. Januar und vom 21. April<br />

1937. Eingefordert wurden jeweils 750.000 Yen, sodass der Fusi Tsushinki die für den<br />

Bau der Nakahara Fabrik benötigten 1,5 Millionen Yen zuflossen.<br />

565 Vgl. SAA 11/Lg 498: Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25.<br />

Januar 1937, S. 10, und SAA 9376: Fusi Übersichten, Siemens Anteile am Aktienkapital<br />

der Fusi.<br />

566 Vgl. SAA 9376: Übersichten Fusi, Aktienkapital.<br />

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Im Jahr 1924 übernahm S&H das Unternehmen Reiniger, Gebbert und Schall<br />

(RGS), die in Japan seit 1908 durch die Firma Goto Fuundo 567 vertreten<br />

wurde, und gründete die Medizintechnikvertriebsfirma Siemens-Reiniger-Veifa<br />

GmbH (SRV). 568 Infolgedessen wurde der gesamte Vertrieb der Siemens-<br />

Medizintechnik auf die Goto Fuundo übertragen. 569<br />

1932 vereinbarten die Goto Fuundo und die mittlerweile fusionierten Siemens-<br />

Reiniger-Werke (SRW), angesichts einer immer stärkeren Förderung<br />

japanischer Produkte durch die Regierung und einer damit einhergehend<br />

aufstrebenden japanischen Konkurrenz, in Japan eine<br />

Fabrikationsgesellschaft zur Herstellung von Röntgenapparaten zu errichten.<br />

Die Gesellschaft sollte über ein Grundkapital von 400.000 Yen verfügen. Die<br />

Patente und Erfahrungen, die Siemens einbrachte, wurden dabei mit 200.000<br />

Yen bewertet, während die Goto Fuundo 200.000 Yen als Betriebskapital<br />

einbrachte. 570 Als Standort der neuen Fabrik wählten die Verantwortlichen den<br />

Tokioter Stadtteil Urawa. Dort wurden ab 1935 Röntgenapparate zur<br />

Diagnose und Therapie hergestellt. 571 Das Geschäft verlief erfolgreich. 572<br />

567 Vgl. SAA 16091: History of Siemens Medical activities in Japan, S. 10.<br />

568 Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 369 ff.<br />

569 Vgl. SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Veifa und Goto Fuundo, 1. Januar 1925, und<br />

SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Phönix AG und Goto Fuundo, 20. Februar 1924,<br />

sowie SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen RGS und Goto Fuundo, 1. Januar 1924. Auch<br />

die Fusi übertrug ihre Gründungsvertrag von 1923 erworbenen Vertriebsrechte für<br />

Medizintechnik an die Goto Fuundo. Dafür verzichtete die Goto vorerst auf eine eigene<br />

Fabrik und die Fusi erhielt im Gegenzug Fabrikationsrechte und Lizenzen der SRV. Der<br />

Vertrag lief bis 1931. Vgl. hierzu SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Fusi und Goto<br />

Fuundo, 1. Mai 1926, und SMA 7610 3-3-06,:Vertrag Fusi mit SRV, 1. Mai 1927.<br />

570 Vgl. SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Goto Fuundo und Siemens-Reiniger-Veifer<br />

Gesellschaft, 30. Juni 1932.<br />

571 Vgl. SAA 16091: History of Siemens Medical activities in Japan, S. 16.<br />

572 Vgl. SMA 7610 3-3-06: Aktennotiz Gegenwärtiger Stand des SRW-Geschäfts in Japan,<br />

Berlin 4. Januar 1939.<br />

Seite | 187


in Yen<br />

500.000<br />

450.000<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

Abbildung 24: Umsatz der Goto Fuundo<br />

1.3.2.3 Bedeutende Aufträge bis 1939<br />

Die nachfolgenden Abbildungen in Tabellenform gibt Aufschluss über einige<br />

ausgewählte Projekte in der Zwischenkriegszeit. Bei der Betrachtung dieser<br />

müssen einige Aufträge hervorgehoben werden. So wurden 1924/25 zwei<br />

Turbinensätze von je 25 MW gekoppelt mit Escher-Wyss-Turbinen für die<br />

Nippon Denryoko K. K. in Amagasaki bestellt und in Betrieb gesetzt. Damit<br />

war diese Anlage mit den damals größten Dampfturbo-Aggregaten in Japan<br />

ausgestattet. 573<br />

Importe<br />

Lokale Produktion<br />

1933 1934 1935 1936 1937 1938<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach SMA 7610 3-3-06.<br />

573 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1925. Die Festschrift führt dazu an, diese Generatoren seien die ersten<br />

gewesen, die 1924 von der Fusi im Kawasaki Werk hergestellt wurden. Vgl. SAA 68/Li<br />

151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 32 f. Diese Angabe ist wahrscheinlich<br />

falsch. Das Kawasaki Werk nahm zum einen erst 1925 die Produktion auf. Es ist zum<br />

anderen wenig glaubhaft, dass dort - selbst wenn 1924 bereits produziert worden sein<br />

Seite | 188


Abbildung 25: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 1<br />

Für die Aidzu Denryoko K. K. wurde das Wasserkraftwerk Higashiyama 1926<br />

fertiggestellt. Dieses Kraftwerk war das erste bedienungslose<br />

Wasserkraftwerk, das die SSW nach Übersee lieferte. Die Anlage wurde von<br />

der Fusi allein, ohne Hilfe aus Deutschland, in Betrieb gesetzt. 1927 wurden<br />

sollte – unmittelbar mit der Produktion des größten Generators Japans begonnen worden<br />

wäre.<br />

Seite | 189


vier Drehstrom-Generatoren mit je 36.000 kVA für das Shoko-<br />

Wasserkraftwerk von der Chosen Suiden K. K. bestellt. 574 Da die Generatoren<br />

in unerschlossener Umgebung aufgestellt werden sollten, ein Transport also<br />

nicht möglich war, mussten die Generatoren vor Ort gewickelt werden. Die<br />

Siemens-Schuckert-Werke entsandten dafür vier extra geschulte Mitarbeiter<br />

aus Deutschland. Die Anlage wurde 1930 in Betrieb genommen. Insgesamt<br />

wurden zwischen 1921 und 1930 43 Turbogeneratoren nach Japan<br />

geliefert. 575<br />

Abbildung 26: Bedeutende Aufträge in Japan bis 1939 Teil 2<br />

574 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1928.<br />

575 „Nachdem zahlreiche Wasserkraftwerke ausgebaut worden waren, verlangte die<br />

Regierung den Ausbau von Dampfkraftreserven, damit im Kriegsfalle die Rüstung nicht<br />

durch einen trockenen Sommer gefährdet werden [könnte]. So kam es zum Bau vieler<br />

großer Dampfkraftwerke. Trotz starker Konkurrenz konnten die SSW sich einen guten<br />

Anteil an diesen Bestellungen sichern.“ Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum<br />

Japangeschäft der Firma Siemens von 1943, Chronik der Jahre 1921–37.<br />

Seite | 190


Die Fertigung der Generatoren für das Yalu Wasserkraftwerk der Oryokuko<br />

Suiryoku Hatsuden K. K. Dairen war der wohl prestigeträchtigste Auftrag des<br />

Japangeschäftes. 1937 wurden vier Generatoren zu je 100.000 kVA bestellt.<br />

Die Generatoren waren zu groß, um im Kawasaki Werk der Fusi gebaut zu<br />

werden, sondern mussten in Deutschland gefertigt werden. Es waren die<br />

größten bis dahin in Europa gebauten Generatoren. 576 Während der Fertigung<br />

der Generatoren brach der Zweite Weltkrieg aus, weshalb nur ein Generator<br />

1941 mit einem Blockadebrecher unbeschadet nach Korea gebracht und dort<br />

auch montiert werden konnte. 577<br />

Innerhalb des Industriebereichs machten kleinere Kraftanlagen einschließlich<br />

Transformatoren und Gleichrichtern für Industriebetriebe den größten Teil am<br />

Umsatz aus. Die 1926 für die von der Kyoto Dento hergestellte Fukai-Station<br />

gelieferte Freiluft-Transformatoren-Station und Freiluftschaltanlage mit 33 kV<br />

war die erste Freiluftschaltanlage, die Siemens überhaupt fertigte. 578 Die<br />

Entwicklung war von der SSDKK angestoßen worden. Da in Japan bereits<br />

Freiluftschaltanlagen aus den USA in Betrieb waren, forderte die SSDKK die<br />

Ausführung der vorhandenen SSW-Schaltanlagen für die Aufstellung im<br />

Freien. Der Auftrag wurde von der Abteilung Übersee hoch subventioniert,<br />

„weil die Werke sämtliche Entwicklungskosten auf diesen einen Auftrag<br />

aufschlugen.“ 579<br />

1938 wurde von der Nippon Light Metal Co. aus Kambara eine vollständige<br />

Großgleichrichteranlage, bestehend aus 26 Gleichrichtern für je 6.000<br />

Ampere und 700 Volt sowie 13 Transformatoren mit 11 kV<br />

Anschlussspannung, gefertigt. Die Anlage wurde 1939 geliefert und 1940 in<br />

576 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1943.<br />

577 Vgl. SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan, S. 34.<br />

578 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1926.<br />

579 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1926.<br />

Seite | 191


Betrieb genommen. Die Verschiffung erfolgte bereits während des Kriegs mit<br />

Blockadebrechern. 2 Gleichrichter und 3 Trafos, die nicht mehr mitgenommen<br />

werden konnten, wurden per Eisenbahn über Sibirien nachgesandt. 580<br />

Da die Textilindustrie auch in der japanischen Wirtschaftskrise gute<br />

Einnahmen erzielte, war sie ein weiterer Hauptabnehmer des<br />

Industriebereichs. 581 So konnten für die Textilindustrie zwischen 1926 und<br />

1931 13.800 Spinntopfmotoren geliefert werden. Eine Neukonstruktion der<br />

SSW setzte sich in der Kunstseidenspinnerei durch und „führte dort zu einem<br />

großen Geschäft.“ 582<br />

1.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und der<br />

Geschäftsergebnisse<br />

Nachdem die SSDKK während des Ersten Weltkriegs keine Geschäfte<br />

abgewickelt hatte erzielte sie im ersten Geschäftsjahr nach dem Krieg<br />

1920/21 einen Umsatz von 95.000 Yen. Der Umsatz stieg schnell wieder auf<br />

das Vorkriegsniveau von circa 3,8 Millionen Yen. Der außergewöhnlich starke<br />

Umsatzanstieg auf 6 Millionen Yen erklärt sich durch eine große<br />

Anlagenlieferung für das Ujigawa-Wasserkraftwerk. 583<br />

580 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1939.<br />

581 Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK 1920/21, S. 7 ff.<br />

582 Vgl. SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik der Jahre 1926–31.<br />

583 Vgl. SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1923/24, S. 3.<br />

Dieses Geschäftsgebiet war zwar grundsätzlich schon an die Fusi übertragen, da der<br />

Auftragseingang jedoch vor der Übertragung an die Fusi erfolgte, wurde dieser noch über<br />

die SSDKK fakturiert.<br />

Seite | 192


Abbildung 27: Umsatz und Reingewinn der SSDKK vom Geschäftsjahr 1918/19<br />

bis zum Geschäftsjahr 1937/38<br />

Infolge der Übertragung des Telefongeschäfts an die Fusi sank der Umsatz<br />

der SSDKK dann allerdings auf 2,3 Millionen Yen im Geschäftsjahr 1926/27.<br />

Im Geschäftsjahr 1927/28 fiel der Umsatz erneut stark auf 246.000 Yen,<br />

nachdem die im Rahmen der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union (SRSU)<br />

gegründete Stahlabteilung ausgegliedert worden war. Der Umsatz stieg bis<br />

1929/30 wieder auf knappe 988.000 Yen an, um 1930/31 wegen der<br />

Übertragung des Geschäfts mit Pupinspulen auf die Fusi und den Folgen der<br />

Weltwirtschaftskrise wieder auf 252.000 Yen zu fallen. Der Anstieg auf<br />

414.000 Yen im folgenden Geschäftsjahr 1931/32 erklärt sich durch die<br />

Übernahme des Klangfilm-Vertriebs, der bereits im ersten Jahr 240.000 Yen<br />

zum Umsatz beitrug.<br />

Der Anstieg des Umsatzes seit 1933/34 resultiert aus einer Zunahme der<br />

Auftragseingänge infolgeder guten Binnenkonjunktur in Japan sowie<br />

Mandschuko.<br />

Seite | 193


Das Geschäft der SSDKK war nicht profitabel. In den Geschäftsjahren von<br />

1918/19 bis 1922/23 wurde jedes Jahr ein Verlust deutlich über 100.000 Yen<br />

ausgewiesen, da trotz des ruhenden beziehungsweise erst wieder<br />

beginnenden Geschäftsbetriebs Gehälter und Mieten Kosten verursachten.<br />

Ab dem Geschäftsjahr 1926/27 gelang es der SSDKK wieder, kostendeckend<br />

zu arbeiten. Meistens wies die SSDKK kleinere Reingewinne zwischen<br />

100 Yen und 35.000 Yen aus.<br />

Abbildung 28: Umsatzverteilung der SSDKK 1931 bis 1938<br />

Die Umsatzverteilung der SSDKK zeigt starke Schwankungen in den<br />

einzelnen Bereichen, die aus den häufig wechselnden Zuständigkeiten für die<br />

Geschäftsbereiche oder größeren Aufträgen resultieren.<br />

Abbildung 29 zeigt auch, dass die Produkte der Stammhäuser S&H und SSW<br />

auch nach der Übertragung weiterer Geschäftsbereiche an die Fusi mit stets<br />

über 70 Prozent den größten Teil der SSDKK-Umsätze ausmachten. Der<br />

Seite | 194


Klangfilmvertrieb trug zwischen 4 und 23 Prozent zum Umsatz bei, der<br />

Vertrieb der Telefunken bis zu 7 Prozent. Die anderen Geschäftsbereiche sind<br />

in Relation dazu fast bedeutungslos. 584<br />

Die Umsätze der Fusi stiegen zunächst kontinuierlich an. Der Umsatz wuchs<br />

bis auf 5,9 Millionen Yen im 2. Geschäftshalbjahr 1926 und der<br />

Bestelleingang auf fast 5,6 Millionen Yen im 1. Geschäftshalbjahr 1927. Der<br />

Umsatzeinbruch auf 4 Millionen Yen ab 1927 lässt sich auf die japanische<br />

Finanzkrise zurückführen. Bis 1928 hatte der Umsatz die 5 Millionen Yen<br />

Grenze wieder überschritten, doch durch die Weltwirtschaftskrise brachen<br />

Umsätze und Auftragseingänge ab 1929 erneut stark ein und erreichten ihren<br />

Tiefpunkt mit 2,4 Millionen Yen Umsatz im 2. Geschäftshalbjahr 1931.<br />

Abbildung 29: Umsatz der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis zum<br />

ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />

584 Vgl. SAA 17/Lc 320: SSDKK-Bilanzen 1920–1931, und SAA 6046: Bilanz der SSDKK<br />

1932, sowie SAA 8155: SSDKK-Bilanzen 1933–1941.<br />

Seite | 195


In den folgenden Jahren profitierte die Fusi von der steigenden Nachfrage<br />

aufgrund staatlicher Investitionsprogramme, den Vorteilen des Satsuki-Kai-<br />

Kartells sowie den Infrastrukturprojekten in Mandschuko und Korea. Diese<br />

Faktoren führten zu einem deutlichen Umsatzanstieg. Wurde im ersten<br />

Geschäftshalbjahr 1932 noch ein Umsatz von 2,6 Millionen Yen erzielt, so<br />

verzehnfachte sich dieser auf 20,9 Millionen Yen im Jahr 1939.<br />

Abbildung 30: Reinergebnis der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1923 bis<br />

zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />

Trotz der positiven Umsatzentwicklung erwirtschaftete die Fusi bis zum Jahr<br />

1932 nur Verluste. Der hohe Verlustzuwachs 1925 erklärt sich durch die<br />

anlaufende Produktion der Kawasaki-Fabrik. Infolgedessen stand die Fusi vor<br />

dem Bankrott und konnte nur durch die in Kapitel 2.3.2.2 beschriebene<br />

finanzielle Hilfe von Siemens gerettet werden. Erst mit den deutlich<br />

steigenden Umsätzen ab dem Jahr 1932 wurden Gewinne erzielt. Die<br />

Reinergebnisse stiegen von 13.000 Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1932 auf<br />

fast 2,9 Millionen Yen im zweiten Geschäftshalbjahr 1939.<br />

Seite | 196


Abbildung 31: Umsatzverteilung der Fusi vom ersten Geschäftshalbjahr 1932<br />

bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />

Die Abbildung zur Umsatzverteilung der Fusi zeigt deutlich den hohen Anteil,<br />

den das beständige absolute und relative Wachstum der Kawasaki-Fabrik am<br />

Gesamtumsatz der Fusi hatte. Wurden im ersten Geschäftshalbjahr 1932<br />

Waren im Wert von 1,7 Millionen Yen selbst hergestellt, so stieg dieser Wert<br />

auf 20,5 Millionen Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1940. In diesem<br />

Zusammenhang stieg der Anteil der lokal gefertigten Produkte von 66 Prozent<br />

im ersten Geschäftshalbjahr 1932 auf über 90 Prozent im Jahr 1939. Für die<br />

Fusi Tsushinki ergibt sich ein ähnliches Bild wie für die Fusi.<br />

Der Umsatz stieg von knapp unter 1 Million Yen nach der Gründung bis auf<br />

knapp 4,8 Millionen Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1940 deutlich an. Die<br />

Fusi Tsushinki erwirtschaftete von Beginn an gute Reinergebnisse zwischen<br />

Seite | 197


knapp 300.000 Yen im ersten Geschäftshalbjahr 1936 und 644.000 Yen im<br />

ersten Geschäftshalbjahr 1940. 585<br />

Abbildung 32: Umsatz und Reinergebnis der Fusi Tsushinki vom ersten<br />

Geschäftshalbjahr 1935 bis zum ersten Geschäftshalbjahr 1940<br />

585 Vgl. SAA 9376: Übersicht Ergebnisse Fusi.<br />

Seite | 198


2. Siemens in China<br />

2.1 Die Rahmenbedingungen<br />

2.1.1 Geographischer und historischer Hintergrund<br />

Mit einer Gesamtfläche von 9,6 Millionen km² ist China nach Russland und<br />

Kanada das drittgrößte Land der Erde. Es bedeckt 6,4 Prozent der gesamten<br />

festen Erdoberfläche. Am Ostrand des eurasischen Kontinents gelegen, stellt<br />

China den größten Teil Asiens dar und nimmt auch große Teile Zentralasiens<br />

ein. Über 5.000 zumeist kleinere und unbewohnte Inseln sind der über 18.000<br />

km langen Küstenlinie im Gelben, ost- und südchinesischen Meer vorgelagert.<br />

Die beiden größten und wichtigsten Inseln sind Taiwan und Hainan. Das<br />

riesige Territorium erstreckt sich über rund 5.500 km in der Länge und über<br />

4.500 km in der Breite. 586<br />

Mit dem Monsungebiet im Osten (45 Prozent der Staatsfläche), dem<br />

trockenen Nordwesten (30 Prozent) und dem kalt-alpinen Westen (25<br />

Prozent) umfasst China drei große Klimaräume. 587<br />

Aufgrund seiner riesigen Landflächen im Osten Eurasiens teilt China<br />

Landesgrenzen mit 22 Staaten. Angesichts seiner gewaltigen Fläche und<br />

seiner großräumigen Zuordnung ist es nicht verwunderlich, dass China ein<br />

Land vielfältiger und gegensätzlicher Oberflächenformen und Landschaften<br />

ist. Die vollständig in China liegenden Flüsse Huang He und Yangtse zählen<br />

zu den längsten der Erde. Ebenso gehören einige Achttausender als<br />

Grenzberge zu China. 588<br />

586 Vgl. Domrös, Naturraum, S. 536–538.<br />

587 Vgl. Bähr, Harenberg-Länderlexikon, S. 179.<br />

588 Vgl. Domrös, Naturraum, S. 536–538.<br />

Seite | 199


Abbildung 33: Übersichtskarte China<br />

Die größten Städte sind Shanghai, Peking, Hongkong und Tianjin. Von den<br />

heute 1,2 Milliarden Einwohnern gehören 91,9 Prozent zur Gruppe der Han-<br />

Chinesen und 8,1 Prozent zu 56 verschiedenen nationalen Minderheiten, die<br />

sich durch ihre Sprache und Religion von der Hauptbevölkerung<br />

unterscheiden. Die wichtigsten Gruppen sind die Zhuang, die Mandjuren, die<br />

muslimischen Hui, die turksprachigen Uiguren sowie die Tibeter.<br />

Die Sprache der Han-Chinesen zerfällt in zwei Dialektgebiete, zahlreiche<br />

Untervarianten und besitzt eines der kompliziertesten Schriftsysteme der<br />

Welt. Die dominierenden Religionen sind der Taoismus, der Buddhismus, das<br />

Christentum sowie der eher philosophische Konfuzianismus. 589<br />

589 Vgl. Bähr, Harenberg-Länderlexikon, S. 175 ff. Weitere wichtige Städte: Shenyang,<br />

Wuhan, Kanton, Harbin, Chengdu, Xian und Nanjing.<br />

Seite | 200


Mit der Ablösung der Ming-Dynastie im Jahr 1644 durch die aus der<br />

Mandschurei stammenden Kaiser, die das Land bis 1911 regierten, kam es zu<br />

einer Zäsur in der chinesischen Geschichte. Die Mandschus verfolgten eine<br />

Expansionspolitik, die sich bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

fortsetzte. Damit einher gingen ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung und<br />

ein stetiges Bevölkerungswachstum. So wuchs die Bevölkerung von 100<br />

Millionen im Jahre 1650 auf 420 Millionen im Jahr 1850 an. Das Reich der<br />

Mandschus war damit zu dieser Zeit das bevölkerungsreichste Land der<br />

Welt. 590<br />

Wachsende ökonomischen Schwierigkeiten, eine unfähigen Staatsverwaltung<br />

sowie der zunehmende Druck der westlichen Mächte, die den chinesischen<br />

Markt für ihre Produkte öffnen wollten, führten schließlich zu Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts zu einer Krise der Mandschu-Dynastie. Ihren Höhepunkt<br />

erreichte sie, nachdem die chinesischen Bemühungen zur Unterbindung des<br />

illegalen Opiumhandels mit der Niederlage im ersten Opiumkrieg (1839 bis<br />

1842) endeten. Mit dem daraus resultierenden Vertrag von Nanking begann<br />

das System der „Ungleichen Verträge“. 591<br />

Nach dem zweiten Opiumkrieg (1856 bis 1860), nach dessen Ende die<br />

Privilegien des Nanking-Vertrags noch erweitert wurden, trat die Schwäche<br />

Chinas im Vergleich zu Europa offen zu Tage. 592 Am 13. Oktober 1860<br />

besetzten britische Truppen Peking. Mit der erneuten Niederlage wurden zwei<br />

weitere Reihen von Verträgen, 1858 in Tiantsien und 1860 in Peking,<br />

verabschiedet. Diese bildeten die Basis für die Wandlung Chinas in eine<br />

Halbkolonie, bei der das Reich der Mitte stark an Souveränität verlor. Zu den<br />

Bestimmungen gehörte unter anderem die Einrichtung ausländischer<br />

Vertretungen in Peking. Elf Vertragshäfen, von denen einige sich am Lauf des<br />

590 Vgl. Barraclough, Atlas, S. 106.<br />

591 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 29–34, und Dabringhaus, Geschichte, S. 54–58.<br />

592 Vgl. Wong, Dreams, S. 487 ff.<br />

Seite | 201


weithin schiffbaren Yangtse befanden, mussten geöffnet werden. Zudem<br />

wurde die Reisefreiheit für alle Ausländer im gesamten Reich ermöglicht.<br />

Als besonders nachteilig waren für China die Gesetze zur Exterritorialität und<br />

zur Konsulargerichtsbarkeit. Infolgedessen unterstanden die westlichen<br />

Ausländer nur den Gesetzen ihres Heimatlandes, die durch die jeweiligen<br />

Konsulate ausgeübt wurden. Die westlichen Staaten sicherten sich zudem<br />

Meistbegünstigungsklauseln, nach denen China allen vertragschließenden<br />

Mächten alle Rechte einräumen musste, die China zukünftig auch einer<br />

anderen Macht gewährte. Da diese Verträge China einseitig benachteiligten,<br />

wurden diese Kontrakte als „Ungleiche Verträge“ tituliert. 593<br />

Neben den außenpolitischen Schwierigkeiten Chinas kam es zu einer inneren<br />

Autoritätskrise des Staates. Zahlreiche Rebellionen brachen aus. Dabei ist die<br />

Taiping-Rebellion (1851–64) hervorzuheben. Der charismatische, christlich<br />

beeinflusste Anführer Hong Xiquan übernahm die Leitung einer<br />

Rebellionsgruppe. Unterstützung fand er vor allem bei den nicht-han-<br />

chinesischen Bevölkerungsgruppen. Ausgehend von Guanxi marschierten<br />

seine Truppen nordwärts und stellten für die Mandschu-Dynastie eine große<br />

Bedrohung dar. 1853 eroberten die Rebellen Nanjing und machten es zur<br />

Hauptstadt. Darüber hinaus kontrollierten sie große Gebiete in Mittel- und<br />

Ostchina. 594 Eine Konsolidierung der Macht gelang den Rebellen jedoch nicht.<br />

Dies lag auch an der Unterstützung der Quing-Regierung durch die westlichen<br />

Mächte, da die Taiping-Regierung in Nanjing ebenfalls eine Revision der<br />

„ungleichen Verträge“ forderte. Die westlichen Mächte zogen die<br />

Unterstützung des nach dem zweiten Opiumkrieg kompromissbereiten<br />

Kaiserhofs in Peking vor, da sie sich hierdurch eine bessere Durchsetzung<br />

ihrer Interessen erhofften.<br />

593 Vgl. Klein, Geschichte, S. 37 f.<br />

594 Vgl. Hsü, Rise, S. 230 ff.<br />

Seite | 202


Nach den Niederlagen in den ersten Jahren gelangen der Pekinger Regierung<br />

nach und nach Erfolge gegen die Rebellen. Mit der Eroberung der Taiping-<br />

Hauptstadt Nanjing im Jahr 1864 endete die Rebellion. Das Ergebnis dieses<br />

großen Bürgerkriegs waren die Verwüstung großer Teile Chinas und<br />

mindestens 20 Millionen Tote. 595 Eine weitere Folge war die Migration<br />

zahlreicher Chinesen nach Südostasien und Amerika, wo sie vor allem im<br />

Eisenbahnbau arbeiteten. 596<br />

Unter der Führung der Zentralregierung und einiger Provinzgouverneure<br />

sollten die Kriegsfolgen mit einem wirtschaftlich-unternehmerischen,<br />

bildungspolitischen und diplomatischen Reformprogramm beseitigt werden,<br />

um die Gesamtentwicklung des Landes langfristig zu fördern. Ziel dieser<br />

Reformen waren sowohl der Wiederaufbau des Reiches wie auch die<br />

Stärkung gegenüber den imperialistischen Mächten.<br />

Einhergehend mit den Reformen wurden moderne Unternehmen wie<br />

beispielsweise Dampfschiffgesellschaften, Bergbau- und Textilunternehmen<br />

gegründet. In den achtziger Jahren wurden zudem Waffenfabriken für die<br />

Produktion von Kugeln und Patronen, für im Ausland eingekaufte Remington-<br />

und Krupp-Gewehre, aufgebaut. Zusätzlich wurde ein Studienprogramm für<br />

chinesische Studenten in den USA geschaffen. 597<br />

Für die Regelung der außenpolitischen Beziehungen wurde eine Behörde mit<br />

dem Namen Tsungli Yamen eingerichtet. 598<br />

Dieser Regenerationsversuch wurde als Selbststärkungsbewegung oder nach<br />

dem von 1861 bis 1875 regierenden Kaiser als Tongzhi-Restauration bekannt.<br />

595 Vgl. Osterhammel, China, S. 150 ff., und Klein, China, S. 39 f., sowie Schoppa, Columbia,<br />

S. 25 f.<br />

596 Vgl. Spence, Chinas, S. 261 ff., und Pan, Sons, S. 128 f.<br />

597 Vgl. Spence, Chinas, S. 271 ff.<br />

598 Vgl. Hsü, Rise, S. 268 ff.<br />

Seite | 203


Die eigentliche Macht lag zwischen 1861 und 1908 bei der Kaiserinwitwe Cixi.<br />

Diese war im Jahr 1851 eine der Ehefrauen des Kaisers Xianfeng geworden.<br />

Nach der Geburt ihres Sohnes 1856 wurde sie eine enge Vertraute des<br />

Kaisers, der ihren Rat auch in politischen Angelegenheiten suchte. Nach<br />

dessen Tod sicherte sie sich durch einen Palaststreich die Position der<br />

Mitregentin neben ihrem Sohn Tongzhi von 1861 bis 1875. Dabei balancierte<br />

sie geschickt zwischen Reformern und Konservativen am Hof. Nach dem<br />

frühen Tod ihres Sohnes ernannte sie ihren dreijährigen Neffen Guangxu zum<br />

Kaiser und sicherte damit erneut ihre Machtposition. Durch die Niederlage im<br />

chinesisch-japanischen Krieg und die großen Gebietsverluste durch den<br />

Wettlauf der Großmächte um Stützpunkte, gewann im Reich der Mitte eine<br />

neue Reformbewegung die Oberhand. Angesichts der erfolgreichen<br />

Expansionspolitik Japans und der bisher unkoordinierten Neugestaltung in<br />

China wollte die Reformbewegung eine chinesische Reformpolitik für die<br />

Bereiche Verwaltung, Erziehung und Wirtschaft sowie Verteidigung unter der<br />

Führung des Kaiserhauses durchsetzen. 599 Zur Realisierung dieser Pläne<br />

erließ der 22-jährige Kaiser Guangxu, der sich aus der Macht seiner Tante<br />

Cixi befreien wollte, zwischen Juni und September (unter Führung von Kang<br />

Youwei) mehrere Reformedikte. Diese Politik wurde unter dem Begriff<br />

„Reform der 100 Tage“ bekannt und sah die Erweiterung des konfuzianischen<br />

Prüfungswesens um westliches Wissen vor. Des Weiteren wollten die<br />

Reformer aktiv gegen Korruption im Staatswesen vorgehen. Dies war für die<br />

konservativen Hofkreise um Cixi nicht hinnehmbar. Am 19. September<br />

erfolgte mit Unterstützung des Militärs Yuan Shikei ein Staatsstreich. Kaiser<br />

Guangxu wurde unter lebenslangen Hausarrest gestellt und mehrere seiner<br />

Berater hingerichtet. Kang Youwei konnte mit britischer Unterstützung ins<br />

Ausland flüchten. Damit beendete Cixi die Reformbewegung und regierte das<br />

Land bis zu ihrem Tod 1908. 600 Von 1898 bis 1908 war sie die höchste<br />

politische Autorität in China. 601<br />

599 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 81 f.<br />

600 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 70.<br />

Seite | 204


Der Einfluss Chinas in Ostasien schwand in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts immer mehr. Ursächlich war hierfür vor allem die aggressive<br />

Außenpolitik Japans, die China um den Einfluss in Taiwan und Korea brachte.<br />

So besetzte Japan im Jahr 1879 die Ryuku-Inseln und verleibte sie als<br />

Präfektur Okinawa dem japanischen Staatsgebiet ein. 602<br />

Nach Streitigkeiten über die Politik in Korea gelang Japan 1894/95 ein<br />

überlegener Sieg im chinesisch-japanischen Krieg. Jedoch sollten sich die<br />

weitgehenden territorialen Forderungen Japans nicht erfüllen. Frankreich,<br />

Russland und das Deutsche Reich sahen ihre Interessen in Ostasien durch<br />

ein zu starkes Japan gefährdet und nahmen massiv Einfluss auf die<br />

Friedensverhandlungen. 603 Letztendlich musste Japan seine Forderungen<br />

reduzieren, dennoch wurde im Vertrag von Shimonoseki, Korea und Taiwan<br />

zu japanischen Protektoraten ernannt. 604 Darüber hinaus musste China eine<br />

erhebliche Reparationenszahlungen an Japan leisten und der Bau<br />

japanischer Produktionsstätten und die Öffnung mehrerer Vertragshäfen für<br />

den Handel wurden durchgesetzt. 605<br />

Von der chinesischen Schwäche versuchten nun auch die europäischen<br />

Großmächte zu profitieren. Nach umfangreichen Planungen besetzte das<br />

Deutsche Reich im November 1897 die Jiazhou-Bucht. Im Frühjahr 1898<br />

pachtete es die Bucht und brachte in der umliegenden Region Shandong<br />

Bergbau und Eisenbahn unter deutsche Kontrolle. Die Stadt Quingdao baute<br />

es als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum aus. 606 Auch andere<br />

Großmächte beteiligten sich an der wirtschaftlichen und politischen<br />

601 Vgl. Spence, Chinas, S. 269 f.<br />

602 Vgl. Krieger, Geschichte, S. 209. Neben den Einbußen aufgrund der japanischen<br />

Bedrohung vor allem im Nordosten des Landes verlor China mit der Kriegsniederlage<br />

1884/85 gegen Frankreich auch in Vietnam seinen Einfluss.<br />

603 Vgl. Paine, War, S. 287 ff.<br />

604 Vgl. Rubinstein, Taiwan, S. 203 ff.<br />

605 Vgl. Gray, Rebellions, S. 119.<br />

606 Vgl. Mühlhahn, Herrschaft, S. 94, S. 110 und S. 207 ff.<br />

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Ausbeutung des Reichs der Mitte. Russland pachtete im Jahr 1898 die beiden<br />

eisfreien Häfen Port Arthur (Lüshun) und Dairen (Dalian), strategisch wertvolle<br />

Stützpunkte an der Südspitze der Liaondong-Halbinsel. Ferner sicherte sich<br />

das Zarenreich weitreichende Rechte für den Bau von Eisenbahnen in der<br />

Mandschurei. Auch Großbritannien profitierte von dieser Entwicklung. Für die<br />

Erweiterung Hongkongs sicherte es sich die New Territories von 1898 an für<br />

99 Jahre. Das Einzugsgebiet des Yangtse wurde unter britischen Einfluss<br />

gestellt und ein Marinestützpunkt in Weihaiwei in Nordshandong (gegenüber<br />

von Port Arthur) errichtet. Ein anglo-japanisches Bündnis sicherte letztlich den<br />

Erwerb ab 1902. 607<br />

Frankreich war mit seinen territorialen Forderungen zurückhaltender und<br />

sicherte sich die wenig vielversprechende Hafenstadt Guangzhouwan am Golf<br />

von Tongking. Darüber hinaus erlangte Frankreich Einfluss auf die<br />

südwestlichen Provinzen Yunnan, Guanxi und Guandong. 608 Das Interesse an<br />

den Einflusszonen ergab sich durch den Übergang des Chinahandels zu<br />

anderen Formen wirtschaftlicher Durchdringung wie beispielsweise dem<br />

Erwerb von Bergbaurechten, der Konzession für Eisenbahnen sowie der<br />

Bereitstellung von Krediten.<br />

Die Gefahr einer Aufteilung durch die imperialistischen Mächte wurde jedoch<br />

im Jahr 1899 durch den amerikanischen Außenminister John Hay gestoppt. In<br />

der Open-door-Note ließ sich der Amerikaner von den in China aktiven<br />

Staaten zusichern, dass Angehörige aller Nationen den Zugang zum<br />

chinesischen Markt erhalten sollten. 609<br />

607 Vgl. Osterhammel, China, S. 205 ff.<br />

608 Vgl. Brötel, Frankreich, S. 493. Bereits 1883 musste die chinesische Regierung die<br />

Herrschaft Frankreichs über den Norden Vietnams nach einer Kriegsniederlage<br />

anerkennen und seine Truppen abziehen. Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 58–63.<br />

609 Vgl. Klein, Geschichte, S. 40 f.<br />

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Der zunehmende aggressive Imperialismus und die Niederschlagung der<br />

Hundert-Tage-Reformer führten schließlich zum Boxeraufstand im Jahr<br />

1900. 610 Zunächst bekämpfte die chinesische Regierung die Boxer, die<br />

vermehrt auch in Peking aktiv wurden, doch dann beschloss Cixi im Juni sie<br />

als Instrument gegen die europäischen Kolonialmächte einzusetzen.<br />

Nachdem der Gesandte der Reichsregierung, Baron Clemens von Ketteler, in<br />

Peking auf offener Straße auf dem Weg zum Tsungli Yamen erschossen<br />

worden war, eskalierte der Konflikt zu einem offenen Krieg. In Peking<br />

verschanzte sich das britische, russische, deutsche, japanische und<br />

amerikanische Diplomatenkorps auf dem Gelände der ausländischen<br />

Botschaften, das von Aufständischen belagert wurde. Ein multinationales<br />

Expeditionskorps schlug den Aufstand jedoch im August 1900 nieder, befreite<br />

das Gesandtschaftsviertel und besetzte Peking. 611 Die für den Aufstand<br />

Hauptschuldige Cixi flüchtete im August 1900 verkleidet nach Xian und kehrte<br />

erst im Januar 1902 in die Hauptstadt zurück. 612<br />

Infolgedessen musste die chinesische Regierung das Boxerprotokoll<br />

unterzeichnen, das neben einer Entschädigung von 67 Millionen Pfund<br />

Sterling auch die Bestrafung von Beamten und die Aussetzung der staatlichen<br />

Beamtenprüfung in allen Städten anordnete, in denen Ausländer getötet oder<br />

misshandelt worden waren. Des Weiteren erlaubte das <strong>Dokument</strong> den<br />

ausländischen Alliierten, das Gesandtschaftsviertel in Peking und die an der<br />

Küste führenden Bahnlinien zu befestigen. Russland nahm dabei die<br />

Boxerbewegung als Vorwand, die Mandschurei zu besetzen, musste diese<br />

610 Die Boxerbewegung entwickelte sich in den späten 1890er Jahren in der nordchinesischen<br />

Provinz Shandong infolge von Naturkatastrophen in Nordchina und vor dem Hintergrund<br />

des staatlichen Zerfalls. In ländlichen Regionen entstanden Geheimgesellschaften, die<br />

sich in Kampftechniken übten und bewaffneten. Die Anhänger der Boxerbewegung<br />

identifizierten die Ausländer und vor allem die Missionare als Grund für die wirtschaftliche<br />

Notlage. Daher kam es zu Pogromen gegenüber Ausländern und chinesischen Christen.<br />

Vgl. Hutchings, China, S. 47, und Harrison, China, S. 77.<br />

611 Vgl. Spence, Chinas, S. 291 ff.<br />

612 Vgl. Osterhammel, China, S. 215.<br />

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aber nach seiner Niederlage im russisch-japanischen Krieg 1904/05 wieder an<br />

Japan abtreten. 613<br />

Nach der Niederlage setzte ein umfassender Reformprozess ausgerechnet<br />

unter der Kaiserinwitwe Cixi ein. Die bedeutendste Maßnahme dieser Politik<br />

war die Abschaffung der seit Jahrhunderten praktizierten Beamtenprüfung.<br />

Die traditionellen kaiserlichen Hofämter wurden in moderne Ministerien<br />

umgewandelt. Parallel stieg die Zahl der Studenten die im Ausland studierten,<br />

vor allem in Japan, was die Implementierung westlicher, politischer und<br />

gesellschaftlicher Ideen sowie naturwissenschaftlichen Wissens in China<br />

förderte. 614<br />

Besonders hervorzuheben ist, das Cixi verschiedene konstitutionelle<br />

Reformen plante. So arbeitete eine kaiserliche Kommission im Jahr 1908<br />

einen Verfassungsentwurf aus, der für die folgenden acht Jahre den<br />

Zusammentritt eines Parlaments und die Bildung einer Regierung vorsah. 615<br />

Diese Reformen wurden auch fortgesetzt, nachdem Cixi einen Tag nach dem<br />

Tod des Kaisers Guangxu verstorben war. Nachfolger in der Mandschu-<br />

Dynastie wurde der dreijährige Puyi. Die Amtsgeschäfte übernahm für ihn<br />

Prinz Chun, ein Halbbruder des Kaisers Guangxu. 616<br />

Parallel dazu entwickelten sich politische Kräfte, denen die Reformansätze<br />

des Kaiserhofs nicht weit genug gingen und die den Sturz der Quing-Dynastie<br />

anstrebten. So entstanden bereits in den 1890er Jahren in den Vertragshäfen<br />

sowie unter den Auslandschinesen die ersten gegen die Mandschu-Dynastie<br />

gerichteten politisch-revolutionären Geheimgesellschaften. Daraufhin<br />

gründete der in den USA und Hongkong ausgebildete christliche Arzt Sun<br />

613 Vgl. Klein, Geschichte, S. 42.<br />

614 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 70.<br />

615 Vgl. Spence, Chinas, S. 306 ff.<br />

616 Vgl. Hsü, Rise, S. 416.<br />

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Yatsen im Jahr 1894 auf Hawaii eine Widerstandsgruppe mit dem Ziel, den<br />

Sturz der Mandschu-Dynastie voranzutreiben und eine republikanische<br />

Regierungsform zu errichten. Dabei knüpfte er vermehrt Kontakte in<br />

Südchina, wo es traditionell viele anti-mandschurische Strömungen gab. Von<br />

besonderer Relevanz war der Einfluss seiner Bewegung in die Armeekreise,<br />

deren politische Bedeutung in der Revolution von 1911 deutlich wurde. 617<br />

Eine unbeabsichtigte Explosion bei einem geheimen Bombenbau gab<br />

schließlich im Oktober den Anstoß für den Sturz der Mandschu-Dynastie.<br />

Nachdem die Polizei während ihrer Untersuchungen auf antidynastische<br />

Aktivitäten innerhalb der Armee gestoßen war, trat die enttarnte Gruppe die<br />

Flucht nach vorne an. Es kam zu einer Kettenreaktion von Aufständen in den<br />

Provinzen. 618 Nachdem sich die Nachbarprovinz Sichuan zu diesem Zeitpunkt<br />

bereits in einem Aufstand gegen die Zentralregierung befand, bildeten die<br />

Erfolge der Revolutionäre im Städtedreieck von Wuchang, Hankou und<br />

Hanyang (später zu Wuhan vereinigt) den Ausgangspunkt für eine nationale<br />

Erhebung. Infolgedessen erklärten sich 14 Provinzen für unabhängig. Dort<br />

übernahmen Militärgouverneure neben den zivilen Gouverneuren die Macht.<br />

Sie spielten bis in die frühe Republikzeit eine bedeutende Rolle und förderten<br />

die Militarisierung des politischen Systems.<br />

Die Mandschu-Dynastie hatte den Befehl zur Bekämpfung der Revolution<br />

dem bisher loyalen Militär Yuan Shikai anvertraut. Nachdem sich die<br />

Nordprovinzen jedoch auch für eine republikanische Verfassung eingesetzt<br />

hatten, veranlasste Yuan Shikai die Absetzung des sechsjährigen Puyi. Mit<br />

einem Abfassungsedikt am 12. Februar 1912 endete offiziell das chinesische<br />

Kaisertum, das mehr als 2.000 Jahre Bestand gehabt hatte. 619<br />

617 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 100 ff.<br />

618 Vgl. Spence, Chinas, S. 325 ff.<br />

619 Vgl. Klein, Geschichte, S. 44. Das Quing-Imperium zerbrach auch, als im Jahr 1911 die<br />

nördlichen Teile der Mongolei und Tibet ihre Selbständigkeit erklärten. Zwar blieb die<br />

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Sun Yatsen hielt sich während des Aufstands im Ausland auf. Er wurde im<br />

Dezember in Nanjing von Vertretern von 17 Provinzen zum provisorischen<br />

Präsidenten der Republik China gewählt. Nach der Abdankung des Kaisers<br />

drohte dem Land allerdings erneut ein Bürgerkrieg. Auf der einen Seite<br />

standen die revolutionären Truppen in Südchina, auf der anderen Seite die<br />

ehemaligen kaiserlichen Truppen unter Yuan Shikai. Daher verzichtete Sun<br />

Yatsen nach der Abdankung des Kaisers im Februar 1912 zugunsten von<br />

Yuan Shikai auf das Präsidentenamt. Mit der Machtübergabe an den Führer<br />

der Nordprovinzen trat am 10. März 1912 eine provisorische Verfassung in<br />

Kraft. Sie garantierte allen Chinesen unter anderem Gleichheit und Schutz<br />

von Person und Eigentum. Ferner forderte sie die Wahl eines legitimierten<br />

Parlaments innerhalb von zehn Monaten. Nach den Wahlstatuten waren<br />

jedoch nur circa zehn Prozent der Bevölkerung wahlberechtigt. Für die Wahl<br />

ordnete Yuan Shikai die Umwandlung seiner revolutionären Allianz in die<br />

demokratische politische Partei Nationale Volkspartei (Guomindang) an.<br />

Diese erreichte bei der Wahl im Januar eine deutliche Mehrheit. Damit war die<br />

Guomindang gemäß der provisorischen Verfassung für die Ernennung von<br />

Premier und Kabinett zuständig. 620 Allerdings wollte Yuan Shikai seine Macht<br />

nicht verlieren und beendete deshalb vorerst die parlamentarische<br />

Entwicklung in China. Er ließ die engsten Vertrauten von Sun Yatsen in<br />

Shanghai ermorden und die Guomindang verbieten. Zu Beginn des Jahres<br />

1914 wurden das Parlament und alle Provinzversammlungen aufgelöst. 621<br />

Die außenpolitische Schwäche und der Versuch, sich zum Kaiser ausrufen zu<br />

lassen, führten schließlich zum Ende der Diktatur Yuan Shikais, der letztlich<br />

auch die Unterstützung der Militärs verlor. Er hinterließ bei seinem Tod im<br />

Juni 1916 einen politischen Trümmerhaufen. 622<br />

Unabhängigkeit Tibets nur bis in die 1950er Jahre bestehen, doch entstand aus der<br />

äußeren (nördlichen) Mongolei mit sowjetischer Hilfe ein unabhängiger Staat.<br />

620 Vgl. Spence, Chinas, S. 343 ff.<br />

621 Vgl. Gray, Rebellions, S. 145 ff., und Dabringhaus, Geschichte, S. 76 f.<br />

622 Vgl. Klein, Geschichte, S. 46 ff.<br />

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In der Folge kam es zu einer völligen Fragmentierung Chinas in verschiedene<br />

durch Warlords kontrollierte Herrschaftsbereiche. Dabei rivalisierten etwa ein<br />

Dutzend großer und mehrere Hundert kleinerer Kriegsherren miteinander und<br />

plünderten ihre Herrschaftsgebiete rücksichtslos aus. Es existierte zwar in<br />

Beijing eine Zentralregierung, die jedoch nur aus einem Kabinett der in der<br />

Hauptstadt ansässigen Warlords bestand und auch als außenpolitische<br />

Vertretung auftrat. Dabei waren zwei Lager zu unterscheiden. Während die<br />

Militärherrscher in Nord- und Zentralchina, in der Mehrzahl aus der<br />

ehemaligen kaiserlichen Beiyang-Armee von Yuan Shikai, um die Kontrolle<br />

der formal weiter bestehenden Pekinger Zentralregierung kämpften,<br />

stammten die meisten Kommandeure im Süden aus den revolutionären<br />

provinziellen Armeen, die bis 1916 gegen den ehemaligen Diktator gekämpft<br />

hatten. 623<br />

Die innenpolitischen Probleme schwächten das Land im Ersten Weltkrieg<br />

auch außenpolitisch. Dass die wichtigsten an China interessierten<br />

Großmächte an verschiedenen Kriegsschauplätzen gebunden waren,<br />

versuchte Japan für seine Ziele zu nutzen. Nachdem ein Ultimatum an die<br />

deutsche Regierung zur Übergabe des Pachtgebiets von Kiautschou nicht<br />

beantwortet worden war, eroberte das fernöstliche Kaiserreich im Herbst 1914<br />

die deutsche Niederlassung in Quingdao und erweiterte damit sein<br />

Einflussgebiet in China. 624 Zu Beginn des Jahres 1915 stellte Japan<br />

gegenüber China 21 Forderungen auf, deren Ziel eine weitestgehende<br />

Kontrolle des Landes war. Neben dem Transfer der deutschen Sonderrechte<br />

in Shandong forderte die japanische Regierung die Verlängerung der 1905<br />

von Russland übernommenen Gebiete in der Mandschurei. Zudem verlangten<br />

623 Vgl. Klein, Geschichte, S. 46.<br />

624 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 112 ff. Gleichzeitig eroberten japanische Truppen die<br />

Gebiete der deutschen Marianen-, Marshall- und Karolinen-Inseln. Damit verfügte Japan<br />

über Inselstützpunkte als strategisches Gleichgewicht zu den amerikanischen<br />

Stützpunkten auf Hawaii, den Philppinen und in Guam.<br />

Seite | 211


die Japaner eine Beteiligung und Kontrolle eines wichtigen nordchinesischen<br />

Industriekomplexes. Ferner sollte für den Aufbau einer Grundindustrie in der<br />

Provinz Fujian nur japanisches Kapital verwendet werden. Darüber hinaus<br />

sollte China seine Küste nicht an fremde Mächte veräußern dürfen sowie<br />

japanische Berater für die Verwaltung von Nordchina einstellen. Aufgrund des<br />

hohen politischen Drucks akzeptierte Yuan Shikai trotz öffentlicher Proteste<br />

eine abgeschwächte Form der Forderungen.<br />

Auf den Pariser Vorortkonferenzen erlitt China eine weitere außenpolitische<br />

Niederlage. Es berief sich auf die „Vierzehn Punkte“ und beanspruchte in der<br />

fälschlichen Annahme der Unterstützung Wilsons, dass die deutschen<br />

Sonderrechte in der Provinz Shandong an China zurückfallen würden. 625<br />

China hoffte damit auch Anerkennung dafür zu finden, dass es den Alliierten<br />

im Ersten Weltkrieg 100.000 Arbeiter in Westeuropa zur Verfügung gestellt<br />

hatte. 626 Japan hatte jedoch während des Ersten Weltkriegs mit mehreren<br />

Großmächten Geheimabkommen getroffen, die die Forderung Japans auf die<br />

ehemals deutschen Besitzungen versicherten. Daher musste Wilson den<br />

Forderungen Japans nachgeben, woraufhin sich die chinesische Delegation<br />

unter Protest von der Konferenz zurückzog. 627<br />

Am 4. Mai 1919 protestierten circa 5.000 Studenten der dreizehn<br />

<strong>Universität</strong>en Pekings vor dem Tor des Himmlischen Friedens gegen die<br />

Ergebnisse der Konferenz. Nachdem die Polizei mehrere Studenten verhaftet<br />

hatte, begann ein Generalstreik der Studenten, dem sich bald in den<br />

wichtigsten Städten Angestellte und Arbeiter anschlossen. Darüber hinaus<br />

kam es zu einem Boykott japanischer Produkte. 628 Die Politisierung der<br />

Jugend war die Basis für eine Neuausrichtung der chinesischen Politik in den<br />

Folgejahren. So gründete 1921 Sun Yatsen die Guomindang neu. 629<br />

625 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 114 f.<br />

626 Vgl. Spence, Chinas, S. 325.<br />

627 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 114 f.<br />

628 Vgl. Hsü, Rise, S. 501 ff.<br />

629 Vgl. Klein, Geschichte, S. 48.<br />

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Gleichzeitig kam es zu einer Polarisierung und der Akzeptanz einer linken<br />

Politik, die in der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas im selben<br />

Jahr mündete. 630 Beide politischen Bewegungen wurden durch das Ausland<br />

unterstützt. Vor allem die junge Sowjetunion war in der Angelegenheit sehr<br />

aktiv. Auf dem zweiten Weltkongress der Kommunistischen Internationale im<br />

Sommer 1920 beschlossen die Bolschewiki, nationalrevolutionäre Gruppen zu<br />

unterstützen. Infolgedessen sah die Komintern in der Guomindang neben der<br />

von ihr initiierten KPCh einen wichtigen Partner und nahm Gespräche mit<br />

verschiedenen Führungskräften auf. 631<br />

Schließlich wurde im Jahr 1923 ein Abkommen zwischen Sun und dem<br />

Komintern-Vertreter Adolf Joffe geschlossen und eine Einheitsfront zwischen<br />

der Guomindang und den Kommunisten gegründet. 632 Ferner baute Sun die<br />

Partei nach sowjetischem Vorbild um. 633 Hervorzuheben ist besonders, dass<br />

die Sowjetunion die Guomindang nicht nur politisch, sondern auch militärisch<br />

unterstützte. Dazu gründete sie auf der 16 km flussabwärts gelegenen Insel<br />

Whampoa eine Militärakademie, die der Freund Sun Yatsens, Chiang Kai<br />

Shek, leiten sollte. Die Kadetten wurden von sowjetischen Militärberatern gut<br />

ausgebildet und mit den Prinzipien des chinesischen Nationalismus vertraut<br />

gemacht. 634<br />

Nach dem Tod Sun Yatsens im März 1925 in Peking, übernahm nach einer<br />

kurzen Übergangszeit Chiang Kai Shek als sein Nachfolger die Führungsrolle<br />

630 Vgl. Pilz, Nationalstaat, S. 67–89, hier S. 74.<br />

631 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 121–125. In der Guomindang war Sun nicht unumstritten. Im<br />

Jahr 1922 kam es zu einem Putsch des Generals Chen Chiung-ming, den Sun nur knapp<br />

überlebte.<br />

632 Vgl. Van De Ven, War, S. 70 ff.<br />

633 Vgl. Hsü, Rise, S. 519.<br />

634 Vgl. Spence, Chinas, S. 413 ff. Chiang Kai Shek hatte als Mitglied einer Sonderdelegation<br />

einen mehrmonatigen Militärlehrgang in Moskau absolviert.<br />

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innerhalb der nationalrevolutionären Bewegung. 635 Er startete umgehend den<br />

Ausbau seines Herrschaftsgebiets von Guangzhou aus. Nachdem er zwei<br />

erfolgreiche Feldzüge gegen verschiedene Warlords im Osten von Guandong<br />

unternommen hatte, begann er einen weiteren Feldzug in den Norden Chinas.<br />

In den beiden folgenden Jahren wurden die Warlords besiegt oder zur<br />

Kooperation mit der Guomindang gezwungen und somit Nord- und Südchina<br />

wiedervereinigt. In der regierungsbildenden „Einheitsfront“ kam es jedoch<br />

schnell zu Spannungen zwischen den Kommunisten und den Nationalisten,<br />

die sich schon während des Nordfeldzugs angedeutet hatten. Chiang Kai<br />

Shek gelang es nicht, sich als neue Integrationsfigur nach Sun Yatsen zu<br />

etablieren und die konkurrierenden Strömungen zusammenzuhalten. Daher<br />

wandte er sich gegen die Kommunisten und zerschlug im Rahmen des<br />

Nordfeldzugs zusammen mit Gesellschaften des organisierten Verbrechens<br />

am 12. April 1927 die kommunistischen Gewerkschaften in Shanghai. Damit<br />

war die Einheitsfront endgültig in ein linkes und ein rechtes Lager<br />

gespalten. 636 Der neue Regierungssitz unter Chiang Kai Shek wurde am 10.<br />

Oktober 1928 Nanjing. 637<br />

In der Folgezeit kam es zu einer politischen Säuberungsaktion der<br />

Guomindang unter ihren Mitgliedern. Zwar wurden dadurch die Kommunisten<br />

in den Städten nahezu ausgelöscht, fanden jedoch zunehmend Unterstützung<br />

auf dem Land. Ursache hierfür war eine nicht durchgeführte Landreform. Die<br />

Kommunisten flüchteten in die unzugänglichen ländlichen Bergregionen in<br />

635 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 140. Er war dorthin gereist, um in einer Konferenz mit den<br />

Warlords des Nordens eine politische Einigung zu erreichen, und starb an einer<br />

Krebserkrankung.<br />

636 Vgl. Trampedach, Chiang Kaishek, S.125–139, hier S. 125–133.<br />

637 Vgl. Perkins, Encyclopedia, S. 90.<br />

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Südchina. Hier errichteten sie verschiedene Stützpunkte und beherrschten<br />

Gebiete mit mehreren Millionen Einwohnern. 638<br />

In der Nanjing-Periode von 1927 bis 1937 führte die Guomindang unter<br />

Chiang Kai Shek zahlreiche Reformen zum Aufbau des Staates in den von<br />

ihm kontrollierten Gebieten durch. Innenpolitisch gründete die<br />

Nationalregierung mehrere neue Partei- und Regierungsorganisationen.<br />

Wirtschaftlich kam es zu einem Ausbau der Infrastruktur und einer<br />

planorientierten Lenkung von Schlüsselindustrien. 639 Dabei konnte sich<br />

Chiang Kai Shek weder ganz auf die Unterstützung der Partei noch des<br />

Militärs verlassen. So führten bis Mitte der 1930er Jahre zahlreiche<br />

Meutereien innerparteilicher Gegner sowie regionaler Warlords immer wieder<br />

zu militärischen Auseinandersetzungen. Sogar in Guandong, der Keimzelle<br />

der Guomindang, gab es zwischen 1931 und 1936 eine<br />

Sezessionsbewegung. Dennoch gelang es Chiang Kai Shek, seine<br />

innerparteilichen Gegner zu kontrollieren. Die größten Gegner blieben jedoch<br />

die Kommunisten. In Südchina, ihrem Zentrum, gelang es trotz vier groß<br />

angelegter Feldzüge nicht, die kommunistischen Partisanen zu besiegen. Im<br />

fünften Feldzug vom Herbst 1933 bis zum Frühjahr 1934, der von deutschen<br />

Militärberatern geplant wurde, gelang es, die kommunistischen Partisanen<br />

zurückzudrängen. 640<br />

Der militärische Planungsstab des Jianxi-Sowjets beschloss daher, seine<br />

Gebiete zu evakuieren und sich nur mit einer Nachhut gegen die Guomindang<br />

638 Vgl. Terril, Mao, S. 129 ff., und Barraclough, Atlas, S. 106. Im Gegensatz zum russischen<br />

Modell, das sich zunehmend auf das städtische Proletariat stützte, waren die<br />

Kommunisten in China eine Art Bauernpartei.<br />

639 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 90 f. Der Einfluss Chiang Kai Sheks erstreckte sich<br />

vornehmlich auf die Yangtse-Region, weitere Teile Zentralchinas sowie einige<br />

Küstenstädte.<br />

640 Vgl. Klein, Geschichte, S. 51. So entwickelte sich im Herbst 1927 ein militärischer Konflikt<br />

zwischen der Nationalregierung und einer prokommunistisch eingestellten GMD-<br />

Gegenregierung in Wuhan.<br />

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zu verteidigen. So traten am 16. Oktober 1934 über 80.000 Menschen zum<br />

„Langen Marsch“ durch die Provinzen Südwestchinas in die nordwestliche<br />

Provinz Shaanxi an. Während des Marsches stieg Mao Zedong zur<br />

unumstrittenen Führungsperson auf. In der kleinen Stadt Yanan errichteten<br />

die Kommunisten nach hohen Verlusten 1936 ihr neues Hauptquartier. Es<br />

gelang ihnen schnell, sich zu etablieren und eine neue Streitmacht<br />

aufzubauen. 641<br />

Eine zunehmende Bedrohung für die Guomindang erwuchs auch durch den<br />

japanischen Imperialismus in Ostasien. Nachdem die Eroberung Liaodongs<br />

im chinesisch-japanischen Krieg am Widerstand des ostasiatischen Dreibunds<br />

gescheitert war, eroberte das fernöstliche Kaiserreich die Halbinsel nach dem<br />

Sieg über Russland im Jahr 1905. In diesem ressourcenreichen Gebiet<br />

gründeten die Japaner im November 1906 südlich von Changchun die<br />

südmandschurische Eisenbahngesellschaft. Entlang der Bahnzone wurde<br />

eine Schutztruppe stationiert, die seit April 1919 „Kwantung-Armee“ genannt<br />

wurde. 642<br />

Diese inszenierte eigenmächtig am 18. September 1931 einen<br />

Bombenanschlag auf die südmandschurische Eisenbahn in Mukden<br />

(Shenyang), an den sich Gefechte mit chinesischen Truppen anschlossen. 643<br />

Diesen Vorfall nahm die japanische Armeeführung als Vorwand zur<br />

Besetzung der Mandschurei. Hier gründeten die Japaner trotz scharfer<br />

internationaler Proteste im März 1932 den Staat Manzhougo (Mandschuko).<br />

An die Spitze wurde ab 1934 der letzte Kaiser von China Puyi gestellt. 644<br />

Dabei sah Japan die Mandschurei als Pufferzone gegenüber Russland und<br />

entwickelte in dem Gebiet eine Schwerindustrie, die den Ressourcenmangel<br />

des japanischen Inselreichs ausgleichen sollte. Parallel wurden japanische<br />

641 Vgl. Spence, Chinas, S. 485–495. Von den ursprünglich 80.000 Menschen, die Jianxi<br />

verlassen hatten, überlebten nur 8.000 bis 9.000 den Marsch.<br />

642 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 98.<br />

643 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 181 ff.<br />

644 Vgl. Hsü, Rise, S. 550 f.<br />

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Bauern angesiedelt. 645 In den folgenden Jahren stellte die japanische<br />

Regierung zahlreiche Forderungen an die Guomindang bezüglich einer<br />

faktischen Kontrolle über die Mongolei und Nordchina. Chiang Kai Shek<br />

akzeptierte diese ungeachtet großer Proteste der chinesischen Öffentlichkeit.<br />

Für ihn hatte der Kampf gegen die Kommunisten Vorrang. Im Dezember 1936<br />

sah sich Chiang Kai-Shek dann doch gezwungen, gegen die Japaner<br />

vorzugehen, und gründete gemeinsam mit den Kommunisten wieder eine<br />

Einheitsfront. 646<br />

Nach einem Schusswechsel an den Marco-Polo-Brücken in der Nähe von<br />

Peking brach am 7. Juli 1937 der Krieg zwischen Japan und China offen aus.<br />

Japan besetzte weite Gebiete der chinesischen Küste und installierte dort<br />

Kollaborationsregierungen. Bei der Eroberung der Guomindang-Hauptstadt<br />

Nanjing am 13. Dezember 1937 kam es zu einem großen Massaker. 647 Die<br />

Guomindang verlegte ihr Hauptquartier in das westchinesische Chongqing. 648<br />

Im Jahr 1938 war das Gebiet, das noch unter den Quing ein einheitliches<br />

Reich dargestellt hatte in mehrere große selbstständige Einheiten<br />

aufgesplittet. 649<br />

Ungeachtet ihrer brutalen und rücksichtslosen Kriegsführung gelang es den<br />

Japanern nicht, China zu unterwerfen. Mit ausländischer Unterstützung für die<br />

Guomindang und der bewährten kommunistischen Partisanenstrategie<br />

leistete China Widerstand. Doch auch die Chinesen konnten trotz der<br />

645 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 99. Der riesige Staat Mandschuko verzeichnete in der<br />

zweiten Hälfte der 30er Jahre sehr gute Wachstumsraten.<br />

646 Vgl. Klein, Geschichte, S. 52. Ausschlaggebend dafür war der Xian-Zwischenfall. Zwei<br />

Generäle der GMD stellten Chiang Kai-Shek unter Hausarrest, um ihn zu einem Bündnis<br />

mit den Kommunisten gegen Japan zu zwingen.<br />

647 Vgl. Spence, Chinas, S. 529 ff.<br />

648 Vgl. Kindermann, Aufstieg, S. 233.<br />

649 Vgl. Spence, Chinas, S. 537. 1. Gebiete in japanischer Einflusszone: Mandschuko, die<br />

Föderation der Inneren Mongolei, Nordostchina südlich der Großen Mauer, das östliche<br />

Zentralchina und Taiwan, Kanton 2. Guomindang-Regime in Chongquing 3.<br />

Kommunistische Basis in Shanxi 4. Xinjiang (vorwiegend muslimisch) 5. Tibet.<br />

Seite | 217


Unterstützung aus dem Ausland den Krieg nicht für sich entscheiden und<br />

nahmen dabei genauso wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. So ließ im<br />

Juni 1938 Chiang Kai Shek die Deiche des Huanghe ohne Vorwarnung der<br />

Zivilbevölkerung zerstören, sodass Hunderttausende Menschen ums Leben<br />

kamen. 650 Erst die amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und<br />

Nagasaki sowie die Kriegserklärung der Sowjetunion am 8. August 1945<br />

beendeten mit der Kapitulation Japans auch den Zweiten Weltkrieg in<br />

China. 651<br />

Es folgte ein weiterer chinesischer Bürgerkrieg, den die Kommunisten<br />

erfolgreich für sich entscheiden konnten. Am 1. Oktober 1949 proklamierte<br />

Mao Zedong auf dem Tianamen-Platz die Volksrepublik China. Die<br />

Guomindang-Truppen zogen sich im Dezember 1949 auf die von Japan<br />

zurückgegebene Insel Taiwan zurück. 652<br />

2.1.2 Allgemeinwirtschaftliche Entwicklung<br />

China war vom 10. Jahrhundert bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts eine<br />

der größten und reichsten Volkswirtschaften der Erde. 653 Dazu war das Land<br />

technologisch führend in verschiedensten Bereichen. Bedeutende<br />

Errungenschaften wie das Schwarzpulver, der magnetische Kompass sowie<br />

650 Vgl. Klein, Geschichte, S. 53. Die GMD wurde von der UDSSR mit Fliegerstaffeln und von<br />

Großbritannien zwischen 1938 bis 1942 durch die Burma-Straße und seit 1941 von den<br />

USA mit Kriegsmaterial versorgt. Da die Deiche nicht erneuert wurden, kam es 1943 zu<br />

einer weiteren Flutkatastrophe. Nach dem Kriegseintritt der USA nach dem japanischen<br />

Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 wurde der Konflikt in China zu einem Teil<br />

des Pazifikkriegs. Infolgedessen wurde die GMD zu einem wichtigen Verbündeten der<br />

USA und Chiang Kai Shek nahm 1943 an der großen Kriegskonferenz von Kairo teil.<br />

Dabei willigten die Amerikaner und die Briten in die formelle Aufhebung der „ungleichen<br />

Verträge“ ein, die jedoch schon seit Ende der 1920er Jahre nur noch Makulatur waren.<br />

651 Vgl. Hsü, Rise, S. 609 f.<br />

652 Vgl. Dabringhaus, Geschichte, S. 103 f.<br />

653 Vgl. Maddison, Performance, S. 13 f. und S. 40.<br />

Seite | 218


das Papier und der Buchdruck wurden in China erfunden. 654 Eine Reihe<br />

interner und externer Ereignisse sowie eine verfehlte Wirtschaftspolitik führten<br />

allerdings zu einem Niedergang der Wirtschaft. 655 Infolgedessen waren in<br />

China Mitte des 19. Jahrhunderts die Agrarwirtschaft und das Handwerk die<br />

wichtigsten Wirtschaftszweige. 656<br />

Der Außenhandel war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gesamtwirtschaftlich<br />

gesehen von eher nachrangiger Bedeutung und beschränkte sich auf den<br />

Hafen von Canton. 657 Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung jedoch<br />

sukzessive zu, da vor allem England nach den Opiumkriegen eine Öffnung<br />

mehrerer Häfen für den Handel forderte. Diese und weitere „geöffnete<br />

Städte“, auch im Landesinneren, standen seit Ende der 1860er Jahre allen<br />

ausländischen Nationen gleichermaßen offen. In der Folge nahm<br />

654 Eine in der Wissenschaft, unter dem Schlagwort „Needham Puzzle“, vieldiskutierte Frage<br />

ist, warum die Industrielle Revolution trotz hervorragender Ausgangsbedingungen nicht in<br />

China stattfand. Hierfür existieren zahlreiche Theorien. Vgl. Lin, Needham Puzzle,<br />

S. 200–247.<br />

655 Vgl. Maddison, Performance, S. 13 f. und S. 40, und Barraclough, Atlas, S. 108 f.<br />

656 Vgl. Feuerwerker, trends I, S. 2–70, hier S. 29. Der landwirtschaftliche Sektor war<br />

dominierend (75 Prozent aller Beschäftigten). Die übrige Bevölkerung war vorwiegend im<br />

Handwerk, Handel oder Kleingewerbe tätig.<br />

657 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 14 ff. Nach der Etablierung der Mandschu-<br />

Dynastie (1644–1911) verstärkte sich das Interesse, sich anderen Ländern zu öffnen. Der<br />

Kaiserhof gab einige Häfen für ausländische Schiffe frei, beschränkte jedoch den<br />

Außenhandel im Jahr 1757 auf den Hafen von Canton. Dabei unterlagen alle<br />

Handelsmächte besonderen Vorschriften. So war die Anzahl derer, die mit den Europäern<br />

Handel treiben durften, auf 13 chinesische Kaufleute, die sogenannten Hong Merchants,<br />

beschränkt. Ferner durften sich die Ausländer nur in den Wintermonaten September bis<br />

März in Canton aufhalten. Chinesische Lotsen, Bootsleute und anderes Personal, das für<br />

die Ausländer arbeitete, durften ihrer Tätigkeit nur mit besonderer Lizenz nachgehen.<br />

Seite | 219


Außenhandel zu und führte zur und der Etablierung von Shanghai als<br />

chinesischem Wirtschaftszentrum. 658<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

Wert in Tael<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach Feuerwerker, Economic Trends, Cambridge China 11, S. 46.<br />

Abbildung 34: Entwicklung des chinesischen Außenhandels (1870 bis 1895)<br />

Die ersten nennenswerten Industrialisierungstendenzen gehen auf das Jahr<br />

1895 zurück. Der „nationale Schock“ der militärischen Niederlagen der Jahre<br />

1895 und 1900 führte zu einer Intensivierung der Modernisierungs-<br />

bemühungen. So wurde ab 1895 die Infrastruktur ausgebaut. Das<br />

Eisenbahnnetz, das sich noch im Jahr 1895 auf 288 km erstreckte, konnte bis<br />

658 Vgl. Rawski, Excerpts, S. 546–582, hier S. 561 ff. Zwar war Handel zugelassen, die<br />

Gründung von Produktionsstätten jedoch verboten. Die Rolle Shanghais ist dabei mit der<br />

Rolle New Yorks in der amerikanischen Wirtschaft vergleichbar.<br />

Seite | 220


zum Jahr 1912 auf 9.244 km ausgebaut werden. 659 Auf Seiten der<br />

kaiserlichen Regierung zeigte sich dies in den Reformen des Bildungs- und<br />

Verwaltungswesens. Zudem versuchten die Quing-Herrscher 1903 durch ein<br />

„Company Law“ die Voraussetzungen für eine Industrialisierung des Landes<br />

zu schaffen. 660 So gründeten mehrheitlich Beamte oder Provinzfürsten mit<br />

staatlicher Unterstützung Unternehmen. 661 Im Zeitraum zwischen 1895 und<br />

1913 entstand so eine Vielzahl von chinesischer Industrieunternehmen, die<br />

sich vorwiegend auf die Bereiche Textil- und Nahrungsmittelindustrie sowie<br />

auf den Bergbau fokussierten. 662<br />

Zudem musste China nach der Niederlage im chinesisch-japanischen Krieg<br />

ausländischen Nationen das Recht zur Errichtung von Fabriken in China<br />

einräumen. Ab 1895 entstanden mindestens 136 unter ausländischer<br />

Kontrolle stehende Industrieunternehmen vorwiegend in den Bereichen<br />

Bergbau und Textilindustrie mit einem anfänglichen Gründungskapital von<br />

100.000 chinesischen Dollar. 663 Diese dominierten in der Folgezeit die<br />

659 Vgl. Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 53–65. Die Eisenbahnen wurden größtenteils<br />

durch ausländische Anleihen finanziert.<br />

660 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 26.<br />

661 Vgl Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 32 ff. Auch die Binnen- und Seeschifffahrt<br />

wurde ausgebaut.<br />

662 Vgl. Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 35.<br />

663 Alle Zahlungen erfolgten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Tael, in Form von<br />

ungeprägtem Silber, bewertet nach Gewicht und Feingehalt. Das ungeprägte Silber hatte<br />

eine besondere Form, die zur Bezeichnung Silberschuhe führte. Dabei gab es für die<br />

Kaufleute Schwierigkeiten, da bei Zahlungen der Wert je nach Marktverhältnissen<br />

schwankte. Daher wurde unter dem Einfluss der Amerikaner und Europäer kurz nach der<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts der mexikanische Silberdollar (chinesischer Dollar) als zweite<br />

Währungseinheit eingeführt und erlangte unter den Kaufleuten große Beliebtheit. Als<br />

Reaktion auf die Währungsschwankungen und als Versuch, das Geldsystem – zumindest<br />

in den Vertragshäfen – zu vereinheitlichen, führten die Chinesen 1873 bis 1875 die<br />

Silbermünze Haikwan-Taels ein. Bis 1933 wurden sowohl der mexikanische Silberdollar<br />

als auch der Tael verwendet. Ein mexikanischer Silberdollar entsprach ungefähr 0,72<br />

Taels. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 233, und Feuerwerker, Trends I, S. 2–70,<br />

hier S. 29.<br />

Seite | 221


chinesische Industrie. 664 Dabei hielten England, Japan und Russland zwei<br />

Drittel der Firmen. Die ausländisch kontrollierten Unternehmen konzentrierten<br />

sich mit Ausnahme des Kohlebergbaus, der hauptsächlich in Hebei und der<br />

Mandschurei 665 angesiedelt war, auf Shanghai und die nördlichen<br />

Vertragshäfen.<br />

Von 1913 bis 1920 erstarkte in Folge des Ersten Weltkriegs die chinesische<br />

Wirtschaft. Die westlichen Importe sanken kriegsbedingt stark und<br />

begünstigten die lokale Wirtschaft. Zudem sorgte die Nachfrage der<br />

kriegsführenden Mächte vor allem nach Textilien für einen erheblichen<br />

Aufschwung. 666<br />

In der Zwischenkriegszeit setzte sich trotz der politischen Zersplitterung der<br />

wirtschaftliche Aufschwung fort. Sowohl der Außenhandel als auch der<br />

industrielle Sektor nahmen in der Zwischenkriegszeit erheblich zu. 667 Bereits<br />

vorhandene Industriezweige wurden erweitert und zahlreiche neue Betriebe<br />

gegründet. 668 Wichtigste Industriezweige blieben weiterhin die<br />

664 Vgl. Feuerwerker, Trends I, S .2–70, hier S. 28 ff.<br />

665 Die Minengesellschaften in der Mandschurei waren hauptsächlich in japanischer Hand und<br />

waren vor allem nach dem japanischen Sieg gegen Russland gegründet worden. Vgl.<br />

Feuerwerker, Trends I, S. 2–70, hier S. 32.<br />

666 Vgl. Wu, Account, S. 582–597, hier S. 590 ff. Begünstigt wurde diese Entwicklung noch<br />

durch einen Verfall des Silberpreises, der Exporte förderte.<br />

667 Vgl. Rawski, Excerpts, S. 546–582, hier S. 555 ff. Die chinesische Industrialisierung war<br />

dabei auf wenige Zentren beschränkt. So waren die Jiangsu-Provinz und die Mandschurei<br />

im Jahr 1933 für zwei Drittel des chinesischen Outputs verantwortlich. Dadurch war ein<br />

Großteil des Landes weiterhin von der Agrarwirtschaft geprägt.<br />

668 Vgl. Spence, Chinas, S. 405 und S. 499 ff. Die Mehrheit der Chinesen war auch in der<br />

Zwischenkriegszeit in der traditionellen Landwirtschaft sowie im Handwerk tätig. Dabei<br />

unternahm mindestens eine halbe Million Landarbeiter alljährlich Saisonwanderungen in<br />

die Mandschurei, um dort in großem Maße leichtverkäufliche Agrarprodukte wie<br />

Sojabohnen für den Weltmarkt anzubauen. Die Ernten wurden auf dem neuen<br />

mandschurischen Bahnnetz an die Küste befördert. Wichtige neue Industriezweige nach<br />

dem Ersten Weltkrieg waren die Zigarettenindustrie und das Bankenwesen.<br />

Seite | 222


Textilindustrie 669 sowie der Bergbau. 670 Ferner wurde das Eisenbahnnetz mit<br />

Hilfe ausländischer Darlehen weiter ausgebaut. 671<br />

Auch in der Zwischenkriegszeit blieb der Anteil ausländischer Investitionen in<br />

den „modernen“ Sektoren beachtlich. Trotz des Ausbaus der chinesischen<br />

Industrie zwischen 1912 und 1923 lag die Auslandsbeteiligung an den<br />

Gesamtinvestitionen im Schiffstransport noch immer bei circa 77 Prozent, in<br />

der Baumwollspinnerei bei 45 Prozent und im Kohlebergbau bei 78 Prozent.<br />

Die ausländischen Firmen verfügten dabei über etwa 7.000 verschiedene<br />

Zweigniederlassungen und Filialen. 672<br />

In die Weltwirtschaftskrise wurde China erst mit Verzögerung eingezogen,<br />

geriet dann jedoch in ernsthafte ökonomische Schwierigkeiten. Die prekäre<br />

wirtschaftliche Lage wurde durch die die Besetzung der wirtschaftlich<br />

bedeutenden Mandschurei sowie mehrere Naturkatastrophen noch verschärft.<br />

Mitte der 1930er Jahre war der Tiefpunkt der Krise überwunden und die<br />

Infrastrukturprogramme der Nanking-Regierung brachten einen<br />

wirtschaftlichen Aufschwung. 673 Dieser sollte allerdings nur von kurzer Dauer<br />

669 Vgl. Spence, Chinas, S. 400 f. Weitere Textilzentren mit hoher chinesischer Beteiligung<br />

waren Wuhan, Kanton, Changsha und Tianjien.<br />

670 Vgl. Spence, Chinas, S. 400. Ein Hauptträger dieser Entwicklung war die Han-Ye-<br />

Gesellschaft in der Region Wuhan, die auch von Siemens beliefert wurde. Dieser unter<br />

dem Quing-Generalgouverneur Zhang Zhidong ins Leben gerufene Industriekomplex<br />

setzte sich aus einem bedeutenden Hüttenwerk in Hanyang, Eisenbergwerken in Daye<br />

und Kohlezechen an der Grenze zu Jianxi zusammen. Hier sammelten Mao Zedong und<br />

andere KPCh-Mitglieder ihre ersten Erfahrungen in der Arbeiterorganisation.<br />

671 Verfügte China im Jahr 1912 über 9618 Kilometer Eisenbahnstrecke, verdoppelte sich die<br />

Zahl bis 1938. Vgl. Feuerwerker, Trends II, S. 28–116, hier S. 93.<br />

672 Vgl. Spence, Chinas, S. 404. Bedeutende marktbeherrschende ausländische Firmen<br />

waren Jardine Matheson (Großbritannien) in Bankwesen, Schiffstransport und<br />

Textilindustrie (früher im Opiumgeschäft), der deutsche Krupp-Vertreter Carlowitz für<br />

schwere Maschinen und Waffen, der japanische Mitsui-Konzern auf dem<br />

Versicherungssektor und im Schiffstransport.<br />

673 Vgl. Wu, Account, S. 582–597, hier S. 590 ff. Ferner führte die Nanking-Regierung im Jahr<br />

1935 eine neue Währung ein.<br />

Seite | 223


sein. Ab 1937 kam es kriegsbedingt zu einem Niedergang der chinesischen<br />

Wirtschaft. 674<br />

2.1.3 Branchenentwicklung<br />

Bis zum Jahr 1895 spielte die Elektroindustrie, abgesehen von<br />

Telegraphenlinien und vereinzelten Importen – die weitestgehend in<br />

englischer Hand waren – keine Rolle. Die einsetzende Industrialisierung im<br />

Jahr 1895 führte zu einem bescheidenen Anstieg der Elektroindustrie. So<br />

wurden um die Jahrhundertwende innerhalb der ausländischen<br />

Konzessionsgebiete erste kleinere Licht-Kraftwerke errichtet. 675 In den<br />

folgenden Jahren nahm die Geschäftstätigkeit innerhalb der Elektroindustrie<br />

zu. Dabei erwarben vermehrt chinesische Geschäftsleute Konzessionen für<br />

kleinere elektrische Anlagen, die hauptsächlich zur Beleuchtung dienten.<br />

Infolgedessen entstanden in China bis zum Ende des Ersten Weltkriegs unter<br />

anderen 40 Elektrizitätswerke für elektrische Beleuchtung.<br />

Vor allem nach der chinesischen Revolution und dem folgenden<br />

wirtschaftlichen Aufschwung stiegen die Elektroimporte an und vervierfachten<br />

sich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. 676<br />

674 Vgl. Feuerwerker, Trends II, S. 28–116, hier S. 45. Im Gegensatz dazu kam es zu einem<br />

wirtschaftlichen Aufschwung in der japanisch besetzten Mandschurei mit einer<br />

Wachstumsrate von nahezu 10 Prozent.<br />

675 U.a. durch Siemens in Peking und Tsingtao. Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das erste<br />

Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin 1900, und SAA 13087:<br />

Vertrag zwischen dem Schutzgebiet Kiautschou und den Siemens-Schuckertwerken und<br />

der AEG für den Bau eines Kraftwerkes, 17. November 1903, S. 2 f.<br />

676 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 115 ff. und S. 125.<br />

Seite | 224


in Millionen Taels<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

1903 bis 1907<br />

1910<br />

1911<br />

1912<br />

Abbildung 35: Elektrotechnische Importe nach China 1903 bis 1920<br />

Nachdem bis zum Ersten Weltkrieg englische und deutsche Unternehmen<br />

führend waren, wurden in den Folgejahren vor allem japanische und<br />

amerikanische Unternehmen immer stärker. 677<br />

677 Der starke Anstieg japanischer Firmen im Ersten Weltkrieg erklärt sich vor allem durch<br />

Fortschritte im elektrischen Kleinbau sowie bei Lampen. Zudem konnte Japan durch die<br />

Gewährung von Anleihen an China seine Marktposition ausbauen. Der starke Anstieg<br />

amerikanischer Unternehmen folgte aus dem Markteintritt der großen amerikanischen<br />

Elektrogesellschaften General Electric, Western Electric sowie Westinghouse, die bisher<br />

nur vereinzelte Aufräge über Handelshäuser abwickelt hatten. So gründete General<br />

Electric im Jahr 1912 eine eigene Niederlassung in Shanghai und Western Electric plante<br />

eine eigene Telefonproduktion. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 122 ff., und SAA<br />

15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 14 f., und<br />

SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Jahresbericht China 1914/15, Shanghai 8. Juni 1916.<br />

1913<br />

1914<br />

1916<br />

1919<br />

Japan Großbritannien Deutschland USA<br />

1920<br />

Daten 1903 bis 1907 Durchschnittswerte. Für USA in den Jahren 1910 bis 1912 keine Angaben vorhanden.<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 71 und S. 125.<br />

Seite | 225


In der Zwischenkriegszeit kam es zu einem Anstieg der elektrischen<br />

Energieerzeugung. Neben kleineren lokalen Anlagen wurden nun auch immer<br />

mehr große Überlandkraftwerke errichtet. 678 Damit ging die Elektrifizierung der<br />

Industriebetriebe einher. Das Resultat dieser Entwicklung war eine beachtlich<br />

wachsende Elektroindustrie.<br />

Abbildung 36: Elektrische Energieerzeugung in China 1920 bis 1937<br />

Neben dem tradionellen Starkstromgeschäft erlebte das Geschäftsfeld<br />

„Telefonie“ einen starken Aufschwung. Zahlreiche Städte schufen eigene<br />

Telefonämter. 679 Jedoch wurde ein Großteil der elektrotechnischen<br />

Erzeugnisse weiterhin aus dem Ausland importiert. 680 Die steigende<br />

678 Vgl. SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />

10/1927, S. 662–668, hier S. 666. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es in China zwar eine<br />

Reihe kleinerer Zentralen für den örtlichen Einsatz, jedoch keine Überlandkraftwerke.<br />

Siemens nahm mit der Errichtung des Tseng-Hua-Kraftwerkes 1922 sowie des<br />

Überlandkraftwerks in Mukden eine Pionierrolle ein.<br />

679 Vgl. SAA 15/Lp 194: Anmerkung über China (Bericht von S&H), 6.8.1931.<br />

680 Es gab aber auch erste Versuche eines Aufbaus von Produktionsstätten. So errichtete GE<br />

gegen Ende des Kriegs eine Glühlampenfabrik. Der Siemens-Vorstand in Shanghai<br />

Seite | 226


Nachfrage nach elektrotechnischen Produkten spiegelt sich in der Zunahme<br />

der Elektroimporte bis zum bemerkenswerten Einbruch im Jahr 1932 wider.<br />

in Mill. RM<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1925 bis 1929<br />

1930<br />

1931<br />

1932<br />

Abbildung 37: Elektrotechnische Importe nach China 1925 bis 1937<br />

1933<br />

Der Einbruch Anfang der 1930er Jahre erklärt sich anhand mehrerer<br />

Faktoren. An erster Stelle ist hierbei die Annektierung der Mandschurei durch<br />

Japan zu nennen, die ein wichtiges Absatzgebiet der elektrotechnischen<br />

Industrie darstellte. Zweiter Faktor war die Weltwirtschaftskrise. Zwar erlebte<br />

China nach 1930 einen wirtschaftlichen Aufschwung, war jedoch von den<br />

negativen Auswirkungen der Krise ab 1931 massiv betroffen. Aufgrund der<br />

berichtete, dass dort von chinesischen Arbeitern unter Leitung eines Amerikaners täglich<br />

1.500 Lampen hergestellt wurden. Fäden und Metallteile der Lampen kamen aus Amerika,<br />

das Glas wurde in China hergestellt, was den Vorteil hatte, dass Glasbrüche während der<br />

Fracht ausgeschlossen werden konnten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China<br />

(Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 28.7.1919, S. 7. Dagegen scheiterte der<br />

Aufbau einer Telefonfertigung der Western Electric. Vgl. SAA 15/La 610: Geschäftsbericht<br />

der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 14 f.<br />

1934<br />

1935<br />

1936<br />

1937<br />

Deutschland USA Großbritannien Japan Sonstige<br />

Daten 1925 bis 1929 Durchschnittswerte<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach Mielmann, Handelsbeziehungen, S.181,240ff.<br />

Seite | 227


durch die krisenbedingten schlechten Finanzlage wurden zudem keine<br />

größeren Investitionen durchgeführt. Drittens traten Anfang der 1930er Jahre,<br />

begünstigt durch einen neuen Zolltarif, erstmals auch chinesische Firmen als<br />

ernsthafte Konkurrenten auf. Vor allem auf dem Starkstrom-Gebiet gewann<br />

die lokale Produktion immer mehr an Bedeutung. So wurden beispielsweise<br />

kleine Transformatoren, Schaltgeräte, Leitungszubehör und Glühlampen<br />

zunehmend im Land selbst hergestellt. Auch bot die neu gegründete<br />

Shanghaier Fabrik Asia Electric Motoren aus eigener Produktion auf dem<br />

Shanghaier Markt und im Landesinneren an. Ferner wurden in staatlichen und<br />

privaten Radiowerkstätten in Mukden, Shanghai und Canton drahtlose<br />

Stationen verschiedener Größe gefertigt. Die Chinesen konnten auf diese<br />

Weise sukzessive einen Teil der Elektroimporte durch die Produktion im<br />

eigenen Land ersetzen. 681<br />

in Prozent<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1934 1935 1936 1937<br />

Deutschland USA Großbritannien Japan<br />

Abbildung 38: Anteile am chinesischen Elektroimport 1934 bis 1937<br />

Auch wenn die Elektroimporte absolut gesehen sanken, lag Deutschland in<br />

den Jahren 1935 bis 1937 als Elektroexporteur nach China an erster Stelle.<br />

Während alle Hauptwettbewerbstaaten sinkende Elektroanteile verzeichneten,<br />

681 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 174 und S. 182 ff.<br />

Jahr<br />

Seite | 228


wuchs der deutsche Anteil bis zum Beginn der kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen. Dieser Anstieg erklärt sich aus der engen<br />

Zusammenarbeit Deutschlands mit der Guomindang während dieses<br />

Zeitraums, nachdem Deutschland und China im Jahr 1934 einen<br />

Kompensationsvertrag geschlossen hatten, der vorsah, dass Deutschland<br />

gegen Lieferung deutscher Industrie- und Rüstungsgüter chinesische<br />

Rohstoffe erhielt. Hiervon konnte auch die Elektroindustrie profitieren. 682<br />

2.2 Die Anfänge des Chinageschäfts (1862-1919)<br />

2.2.1 Markteintritt und erste Schritte<br />

Die ersten Überlegungen zur Erschließung des chinesischen Reiches sind für<br />

das Jahr 1862 nachweisbar. Durch die englische Gesandtschaft erfuhr<br />

Werner von Siemens von den Plänen für den Bau einer 1.400 km langen<br />

Telegrafenlinie. „Hätten wir ein paar unzweifelhaft tüchtige und geeignete<br />

Leute, so könnte China vielleicht ein ungeheures Gebiet für uns werden,<br />

welches unser zweites Russland würde!“ 683<br />

Angesichts der zunehmenden kolonialen Durchdringung Chinas und der<br />

verbesserten Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten wurde China für<br />

westliche Industrieunternehmen in den Folgejahren als Absatzmarkt immer<br />

interessanter. 684 Auch Siemens profitierte von dieser Entwicklung und konnte<br />

einzelne Aufträge ausführen. Schließlich begann im Jahre 1879 die<br />

systematische Erschließung des vielversprechenden chinesischen Markts. 685<br />

682 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 225 und S. 240 ff.<br />

683 Vgl. SAA 8188: Bericht Eitel, Historische Entwicklung des Überseegeschäftes, S. 9.<br />

684 Die Eröffnung des Suez-Kanals (1869), des Panamakanals (1914) sowie die Erweiterung<br />

der Weltschifffahrt und die Ersetzung der Segelschiffe durch große Ozeandampfer gaben<br />

dem Außenhandel enormen Auftrieb. Vgl. Barraclough, Atlas, S. 108 f.<br />

685 In einem Brief an seinen Bruder Carl im März 1879 schrieb Werner Siemens: „Mit China<br />

werden wir wohl bald in Gang kommen. Der hiesige Gesandte hat nach China berichtet<br />

Seite | 229


Im Zuge dessen schlossen das in Shanghai ansässige Handelshaus Carlowitz<br />

& Co. und Siemens Berlin einen Vertretungsvertrag. 686 Im Mittelpunkt der<br />

Agententätigkeit stand der Vertrieb von Telefonapparaten, Wassermessern<br />

und Telegrafenanlagen. 687 Dabei erwies sich die anfängliche<br />

Markterschließung angesichts amerikanischer Konkurrenz und fehlender<br />

Service-Technikern vor Ort als schwierig. 688 Jedoch wurden in den<br />

und in Folge dessen hat die chinesische Verwaltung einem deutschen Hause in Shanghai<br />

(früherem Konsul Deutschlands in China) den Wunsch ausgedrückt, Lichtmaschinen von<br />

uns zu beziehen. Die Leute fazilierten auch das Kruppsche Geschäft. Sie nehmen<br />

Bestellungen der Regierung (ausschließlich) entgegen und vermitteln die Ablieferung an<br />

dieselbe für 5 Prozent. Bezahlt wird bei Verschiffung hier. Die Sache kann man ja mal<br />

probieren. Braucht die Regierung Monteure usw., so werden die auf ihre Kosten geschickt.<br />

Die ungeheuren Profite der englischen Zwischenhändler sollen die chinesische Regierung<br />

zu dem Entschluss gebracht haben, künftig nur mit dem Fabrikanten zu verkehren! Kann<br />

uns nur angenehm sein.“ Vgl. SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 11. März<br />

1879, S. 3.<br />

686 Wie es zur Übertragung der Siemens-Vertretung an Carlowitz kam, wird aus einem Brief<br />

vom 3. Oktober 1879 von Werner Siemens an Carl Siemens deutlich: „Der Chef des<br />

Hauses, Carlowitz, kam mit dem chinesischen Gesandten zu uns, und wir haben<br />

denselben für einige Artikel (Telephone und Wassermesser für die Europäer) faktisch zu<br />

unserem Agenten gemacht und ihm weitere Agenturen in Aussicht gestellt, wenn er uns<br />

faktische Geschäftsofferten übermittelt. Sie wollen dann jemand herüberschicken, um sich<br />

in der Lichtmaschinentechnik zu instruieren, oder von hier jemand engagieren.“ Vgl. SAA<br />

68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879, S. 1 ff.<br />

687 Es waren vor allem die zukünftigen Geschäftschancen - das laufende Chinageschäft<br />

wurde eher pessimistisch gesehen - auf denen die Hoffnungen der Geschäftsleitung<br />

ruhten. Vgl. SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879, S. 1 ff.,<br />

und SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 11. März 1879, S. 1 ff.<br />

688 Daher empfahl Werner von Siemens am 29. Oktober 1879 in einem Brief an Carlowitz den<br />

Schwerpunkt des Vertriebs auf das Telefongeschäft zu legen, das er im Vergleich mit den<br />

englischen Produkten als besonders wettbewerbsfähig ansah. Er begründete dies mit der<br />

Bedienungsfreundlichkeit auch für Nichttechniker. Kritik an den nach Carlowitz zu hohen<br />

Preisen wies Werner Siemens zurück. Vgl. SAA 68/Li 190: S&H an Carlowitz, Berlin 29.<br />

Oktober 1879, S.1 ff., und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 42 ff.<br />

Seite | 230


Folgejahren nur im geringen Umfang elektrotechnische Erzeugnisse durch<br />

Carlowitz nach China exportiert. 689<br />

Daher wurde die Vereinbarung mit Carlowitz gelöst. Das Handelshaus Mandl,<br />

das auch Krupp im chinesischen Markt vertrat, wurde im Dezember 1895 zum<br />

Generalagenten für China einschließlich Hongkong für den Vertrieb aller<br />

Erzeugnisse von S&H ernannt. 690 Das mit den Eigenheiten des<br />

Chinageschäftes gut vertraute Handelshaus, das auch technische Erfahrung<br />

besaß, verfolgte für Siemens in den folgenden Jahren verschiedene Projekte<br />

und wurde mit Unterstützung in Japan stationierter Siemens-Ingenieure auch<br />

im Unternehmergeschäft aktiv. 691<br />

Aufgrund der voranschreitenden Industrialisierung und der kolonialartigen<br />

Erschließung durch das Deutsche Reich erweiterten Siemens 692 und Mandl<br />

ihre Kooperationsvereinbarung. Die beiden Unternehmen verhandelten im<br />

Oktober 1903 einen Vertrag, dessen Ziel die „Errichtung einer<br />

Interessensgemeinschaft für das elektrische Geschäft in China“ war. Die<br />

wichtigsten Inhalte dieser Vereinbarung waren Folgende: Siemens errichtete<br />

ein technisches Büro in Shanghai, das die Bezeichnung Siemens-<br />

Schuckertwerke, Technisches Büro Shanghai (T.B.S.) trug. Das<br />

Vertriebsgebiet umfasste China mit Ausnahme von Hongkong, Port Arthur<br />

689 Obwohl der Umfang des Chinageschäfts von Siemens Berlin überschaubar war, so sorgte<br />

es dennoch für weiteren Ärger im schwelenden Konflikt über die Aufteilung der Weltmärkte<br />

mit Siemens Brothers, das seinen Vertreter Bishop benachteiligt sah. Werner von Siemens<br />

war der Meinung, dass der chinesische Absatzmarkt groß genug sowohl für Carlowitz wie<br />

auch für Siemens Brothers sei, und er sehe einem Wettbewerb freudig entgegen. Vgl.<br />

SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879, S. 1 ff., und<br />

Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 42 ff.<br />

690 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 50 f.<br />

691 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 24.<br />

692 Nach der Fusion mit Schuckert wurde auch dessen Chinageschäft übernommen. Dieses<br />

wurde über das Handelshaus Schultz abgewickelt, war aber relativ klein. Vgl. SAA 6320:<br />

Diverse Briefwechsel zwischen EAG vormals Schuckert&Co. & Handelshaus Schultz,<br />

1899–1902.<br />

Seite | 231


und der Mandschurei. Dabei stellte Siemens das technische Personal<br />

einschließlich des technischen Leiters zur Verfügung. Mandl sorgte für das<br />

kaufmännische Personal und die Räumlichkeiten. Das T.B.S. erhielt eine<br />

Vollmacht zum Abschluss von Geschäften mit technischen Produkten bis zu<br />

50.000 Mark. Finanzierungsgeschäfte mussten mit den Stammhäusern<br />

abgesprochen werden. Mandl erhielt als Provision für die Vermittlung von<br />

Geschäften 5 Prozent des Auftragswerts. Des Weiteren erhielt das<br />

Handelshaus 10 Prozent des Gewinns des T.B.S. Die Zusammenarbeit wurde<br />

bis zum 31. Mai 1909 vereinbart und sollte sich um jeweils ein Jahr<br />

verlängern, sofern von keinem der Partner eine Kündigung erfolgte. 693<br />

Abbildung 39: Gründung des Technischen Büros Shanghai (T. B. S.)<br />

Als erster permanenter Siemens-Vertreter in China wurde der Siemens-<br />

Ingenieur Hermann Meyer nach Shanghai entsandt. 694 Die gute<br />

Zusammenarbeit zwischen Siemens und Mandl verschlechterte sich<br />

allerdings mit der Übernahme des Handelshauses Mandl durch Carlowitz im<br />

693 Vgl. SAA 21/Li 732: Vertrag zwischen SSW Berlin und Mandl, Berlin 1. Oktober 1903. Die<br />

bei Mielmann angegebene Signaturnummer SAA 25/Lg 136 ist nicht auffindbar.<br />

694 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 53. Er erreichte im November 1903 Shanghai. Am<br />

1. Januar 1904 nahm das T.B.S. seine Arbeit auf.<br />

Seite | 232


Jahr 1906. 695 Wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Geschäftspolitik<br />

beendete Siemens deshalb im September 1908 die Zusammenarbeit. 696<br />

Nach der Trennung von Carlowitz 1908 führte der Ingenieur Meyer das<br />

Unterbüro eigenständig weiter. Das Geschäft entwickelte sich allerdings ohne<br />

Partner schlecht, da ohne den Komprador 697 von Carlowitz der Kontaktmann<br />

zu den chinesischen Behörden fehlte. Daher war Siemens auch weiterhin auf<br />

die Zusammenarbeit mit Handelshäusern angewiesen. 698 Dennoch war das<br />

695 Vgl. SAA 68/Li 190: SSW-Berlin an Russische Gesellschaft Schuckert&Co, 26. Januar<br />

1906, S. 1 ff. Carlowitz strebte auch eine Erweiterung des Absatzgebietes um die<br />

Mandschurei an.<br />

696 Vgl. SAA 25/Lc 71: Siemens Berlin an TBS, Geschäfte mit Carlowitz, Berlin, Berlin 5.<br />

Februar 1909, S. 1 f., und SAA 68/Li 190: Schreiben über die Beendigung der Kooperation<br />

mit Carlowitz, Berlin 23. September 1908 S. 1 ff., sowie Mielmann, Handelsbeziehungen,<br />

S. 53 ff. So war die Herausgabe von Grenzpreisen an den neuen Kooperationspartner<br />

umstritten. Für weitere Verstimmung sorgte das T.B.S., das eigenmächtig einen Vertrag<br />

mit dem Handelshaus Schultz abgeschlossen hatte, Carlowitz aber eine Alleinvertretung<br />

beanspruchte. Im März 1908 schlug Carlowitz eine Neufassung des im Jahr 1909<br />

auslaufenden Vertrags vor. Die Handelsfirma wollte elektrisches Material auch von<br />

anderen Firmen beziehen. Dies war aber für das Berliner Elektrounternehmen nicht<br />

akzeptabel.<br />

697 Der Begriff Komprador geht auf das portugiesische Wort „comprar“ (einkaufen) zurück. Die<br />

Chinesen sprachen stattdessen von maiban (= Erlediger der Einkäufe) oder „ling-shi-di“ (=<br />

Führer der Geschäfte). Die Kompradore waren chinesische Geschäftsleute mit guten<br />

Kontakten zu Regierungskreisen und der Industrie. Zur Erfüllung waren neben ihren<br />

Verbindungen auch kaufmännische und organisatorische Begabung und ausreichende<br />

Englischkenntnisse erforderlich. Über technisches Wissen verfügten sie in der Regel nicht.<br />

Ihre Aufgabe bestand in erster Linie darin, ihre Beziehungen zur Vermittlung von<br />

Aufträgen einzusetzen. Um solche Beziehungen aufzubauen, beteiligten sie sich<br />

beispielsweise privat finanziell an chinesischen Unternehmungen. Den damit gewonnenen<br />

Einfluss nutzten sie später dazu, die Unternehmen zur Auftragsvergabe zu bewegen. Bei<br />

erfolgreichem Abschluss solcher Aufträge erhielten sie vom Umsatzvolumen abhängige<br />

Provisionen. Des Weiteren oblag ihnen die Leitung und Betreuung des chinesischen<br />

Personals. Vgl. Benecke, Komprador, S. 377–413, hier S. 400–413.<br />

698 Die CVU sah die Probleme jedoch vor allem als das Resultat hausgemachter<br />

schwerwiegender struktureller Mängel. Der bei der CVU für das Asiengeschäft<br />

Seite | 233


Stammhaus von den Zukunftsperspektiven des Markts überzeugt und<br />

beschloss, durch ein neues Maßnahmenbündel eine offensive<br />

Marktbearbeitung vorzunehmen.<br />

Abbildung 40: Maßnahmen zur offensiven Marktbearbeitung<br />

Infolgedessen wurde die Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH<br />

(SCEEC) mit einem Startkapital von 500.000 Mark gegründet. 699 Um das<br />

Verantwortliche Keßler kam zum Schluss, dass es bei der Arbeit von Meyer an Klarheit,<br />

Sachlichkeit und Vollständigkeit fehle. Dies erkennend machte Berlin dem Leiter des<br />

T.B.S. Vorhaltungen: „Noch unter dem Vertragsverhältnis mit dieser Firma war es ihre<br />

Aufgabe persönlich mit den chin. Behörden und der übrigen chinesischen Kundschaft in<br />

Berührung zu kommen und zu bleiben, damit unser Name bekannt wird; dadurch aber<br />

dass C.&Co. bisher immer diesen Verkehr besorgt haben, ist das Gegenteil erreicht<br />

worden und darunter werden wir für die erste Zeit, auf vielleicht Jahre hinaus zu kämpfen<br />

haben!“ Vgl. SAA 13/Lc 332: Schreiben CVU (Keßler) an TBS (Meyer), Berlin 16. März<br />

1910, und SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 29.<br />

699 Vgl. SAA 68/Li 190: Vertrag der Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH, Berlin 6.<br />

Juli 1910. Anteilseigner der Gesellschaft waren neben SSW die zwei Prokuristen der CVU<br />

Keßler und Lietke, die jeweils 1.000 Mark übernahmen. Die Aufgabe der neuen Firma war<br />

der Vertrieb von Artikeln der Fabrikation von Siemens-Produkten sowie die Teilnahme an<br />

Seite | 234


Geschäft anzukurbeln, veranlasste das SCEEC eine ausführliche<br />

Werbekampagne und förderte großzügig soziale Projekte und das kulturelle<br />

Leben. 700 Des Weiteren kam es für eine bessere Produktidentifizierung zu<br />

einer phonetischen Übersetzung des Namen Siemens. Er wurde in Anzeigen<br />

häufig mit Hsi-Men-Tze übersetzt, was bedeutet: Westen-Tor-Sohn oder<br />

etwas freier übersetzt „der Sohn, der durch das Westtor hereinkam“. 701<br />

Das Führungspersonal wurde um den chinaerfahrenen Kaufmann Franz<br />

Erhardt und einen Komprador, der von Carlowitz abgeworben worden war,<br />

ergänzt. 702 Unter der neuen Führung kam es zu einem Ausbau des Personals,<br />

da die Führungsriege eine durchweg positive Zukunftsentwicklung erwartete.<br />

Dabei sah die neue Firmenstrategie eine aktivere Marktbearbeitung vor, durch<br />

die Kontakt zu den chinesischen Behörden hergestellt und das Landesinnere<br />

durch eine intensive Reisetätigkeit erschlossen werden sollte. Dafür wurden<br />

Unternehmungen aller Art auf dem Gebiet der angewandten Elektrizität und damit im<br />

Zusammenhang stehenden Operationen. Der Eintrag des englischen Namens in das<br />

Handelsregister von Shanghai führte allerdings zum Konflikt mit der kaiserlichen<br />

Verwaltung in Tsingtau. Der zuständige Beamte lehnte es ab, mit einer „internationalen<br />

Firma“ über den Ausbau der Kolonie zu verhandeln. Daraufhin reiste der neue Direktor<br />

Erhardt nach Tsingtau und stellte eine Lösung in Aussicht. Die Siemens China Electrical<br />

Engineering Co. GmbH erhöhte das Stammkapital um 10.000 Mark und änderte ihren<br />

Namen am 7. Mai 1914 in „Siemens China Co. GmbH, Hauptsitz Berlin”. Vgl. SAA 25/Lc<br />

71: Erhardt an CVU, Verhandlung mit Herrn Major Klehmet, Tsingtau, Shanghai<br />

21.4.1911, und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 90.<br />

700 Vgl. SAA 68/Li 190: Betrifft Behandlung des Tantal- und Kohlefadenlampen-Geschäfts<br />

(Fotografie), und SAA 68/Li 190: Diverse Zeitungsausschnitte (1908 die Werbeoffensive<br />

nach Trennung von Carlo um Geschäft anzukurbeln), sowie zur Förderung der Kultur: SAA<br />

LC 26: Diverse Berichte Kultursponsoring – Siemens förderte großzügig verschiedene<br />

soziale Projekte und das kulturelle Leben wie auch Fachzeitschriften über China.<br />

701 Vgl. SAA 13/Lc 332: Rabe: Notizen für die 100-Jahr-Feier, Schreibmaschinenskript, 22.<br />

Dezember 1943, S. 1.<br />

702 Dieser erwarb seine Kenntnisse während einer mehrjährigen Tätigkeit bei der Chinese<br />

Engineering & Mining Co., die in Tientsin war. Zu Beginn seiner Tätigkeit reiste Erhardt<br />

nach Deutschland um die strategische Neuorganisation der chinesischen Tochter mit der<br />

Muttergesellschaft abzustimmen. Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 29.<br />

Seite | 235


die bestehenden Standorte in Shanghai, Tsingtau 703 , Tientsien und Hankow<br />

ausgebaut und neue Büros in Peking (1910), Hongkong (1911, mit Agentur in<br />

Kanton), Harbin (1911), Chengdu (1914) und Changsha (1914) errichtet. 704<br />

703 Siemens beteiligte sich aus politischen Gründen an der Gründung von<br />

Studiengesellschaften in der Provinz Shandong durch deutsche Banken, die um die<br />

Jahrhundertwende Marktstudien für den Kohlebergbau und den Bau von<br />

Eisenbahnanlagen durchführten. Die Beteiligung hatte einzig und allein das Ziel, Interesse<br />

zu signalisieren, um im Rahmen des Ausbaus der Kolonie und der Kolonialgesellschaften<br />

Aufträge zu erhalten. Der Anteil von Siemens an den Kolonialgesellschaften lag allerdings<br />

unter einem Prozent. Zudem wurden 90 Prozent der Anteile als Unterbeteiligung an die<br />

Deutsche Bank weitergegeben. Vgl. SAA 5264: Protokoll über die Gründung eines<br />

Syndikats, Berlin 12. Februar 1898, SAA 5264: DB Berlin an S&H Berlin, Vertr. Bericht<br />

über Studienunternehmungen in Shandong, 16. Februar 1898, S. 1, SAA 5264: DB Berlin<br />

an S&H Berlin, Übersendung des Protokolls, 19. Februar 1898, S. 1, und SAA 5264: S&H<br />

Berlin an DB Berlin, Betr. Studienunternehmung in Schantung, 18. Februar 1898, S. 1,<br />

sowie SAA 5264: S&H Berlin an DB, Konstituierende Sitzung der Schantung-Eisenbahn-<br />

Gesellschaft, 10. Juni 1899, S. 1.<br />

704 Vgl. SAA 68/Lr 488: Übersee-Vertretungen, Stand per 31. Mai 1914 (Anlage 9), und SAA<br />

16486: Mutz, Internationalisierung, S. 30.<br />

Seite | 236


Abbildung 41: Niederlassungen der SCEEC 1914<br />

Der Erfolg der jungen Gesellschaft wuchs durch die eingeleiteten<br />

Maßnahmen. Trotz der Revolution von 1911 verbesserte sich die Auftragslage<br />

von Siemens stetig. 705 Es entwickelte sich ein gutgehendes direktes Verkaufs-<br />

705 In einem ausführlichen Bericht schildert Erhardt Details zur Revolution: „Die Seele der<br />

Revolution sind fast durchweg Chinesen mit europäischer, japanischer oder<br />

amerikanischer Erziehung, die teilweise solange im Ausland gelebt haben, daß sie ihr<br />

eigenes Volk kaum noch verstehen. Sie sind scheinbar reichlich mit Geldmitteln versehen,<br />

und daher der schnelle Erfolg, der durchweg auf Bestechung der Truppen und Beamten<br />

resp. auf große Versprechungen zurückzuführen sein dürfte. Die Revolution ist bei der<br />

großen Masse populär, da man sich sagt, daß die Mißwirtschaft unter einem neuen<br />

Regime keinesfalls schlimmer sein könnte, als sie unter dem alten war, und das Volk sieht<br />

der Entwicklung der Dinge mit neugieriger Freude zu.(…) Abgesehen von dem<br />

momentanen Rückgang des Geschäfts haben wir für unseren Concern wenig Verluste zu<br />

befürchten.“ Vgl. SAA 15/Lp 194: Siemens China an Siemens Berlin, Information über die<br />

China-Revolution, 15.11.1911.<br />

Seite | 237


und Kleinanlagengeschäft. Darüber hinaus konnten mehrere Anlagen zur<br />

Stromerzeugung geliefert werden. Auch das Schwachstromgeschäft erfuhr<br />

einen Aufschwung, sodass über die Stationierung eines weiteren S&H-<br />

Ingenieurs in China nachgedacht wurde. Nachdem im Jahr 1910 die<br />

Vertretung von Telefunken 706 übernommen worden war, gelang es hier<br />

ebenfalls, bedeutende Aufträge zu erzielen. Keßler, Leiter der CVU, kam<br />

während einer Inspektionsreise in Ostasien 1913 für das Chinageschäft<br />

insgesamt zu einem positiven Ergebnis. 707<br />

2.2.2 Das Unternehmen in der Krise<br />

Der Erste Weltkrieg bedeutete eine Zäsur für das Chinageschäft. Dabei war<br />

die Führung bei Siemens noch zu Kriegsbeginn optimistisch, das Geschäft<br />

weiter ausbauen zu können. Die chinesische Siemens-Niederlassung 1914<br />

rechnete mit einem schnellen Ende des Kriegs. Es wurde zwar eine<br />

kurzfristige Verschlechterung der Geschäfte mit einkalkuliert, jedoch<br />

überwogen die günstigen Aussichten, vor allem im Kraftwerksbau. 708<br />

706 Vgl. SAA 10619: Bericht über Telefunkenaktivität in China, o. O., 1944. Seit dem Jahr<br />

1904 war auch Telefunken auf dem chinesischen Markt vertreten. Es wurde mit Georg<br />

Korndoerfer ein Vertreter der Telefunken nach China geschickt. Das Geschäftsgebiet<br />

beschränkte sich anfangs auf fahrbare und tragbare Stationen für militärische Zwecke<br />

sowie Stationen zwischen festen Standorten, Küsten und Schiffsstationen zwischen 100<br />

und 350 Kilometer. Nachdem die Firma anfangs Aufträge von Handelshäusern entgegen<br />

genommen hatte, agierte sie ab 1906 selbständig als „Telefunken - East Asiatic Wireless<br />

Telegraph Co.“ mit Sitz in Shanghai.<br />

707 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 30. Im Frühjahr 1913 führte Keßler eine<br />

Inspektionsreise in China durch. Vgl. SAA 15/Le 503: Diverse Reiseberichte von Keßler,<br />

1913.<br />

708 Den Absatz dafür wollte Siemens China durch günstige Finanzierungskonditionen (nur 10<br />

bis 20 Prozent Anzahlung, 7 Prozent Zinsen) sicherstellen. Als Gegenleistung sollten die<br />

Kraftwerke bis zur endgültigen Bezahlung im Besitz von Siemens bleiben und ihnen ein<br />

Monopol auf Materiallieferung und Erweiterung für bis zu 20 Jahre gewährt werden. Mit<br />

Seite | 238


Doch schon im Geschäftsbericht des Jahres 1915 wurde die Lage nüchterner<br />

beurteilt. Die Kriegsauswirkungen waren dramatischer als angenommen und<br />

es kam zu einem Einbruch der Geschäftstätigkeit.<br />

Abbildung 42: Faktoren für den Niedergang<br />

Dabei war der Niedergang der Geschäftstätigkeit multikausal. So war<br />

Siemens direkt von der Mobilmachung durch den Krieg betroffen. Mehrere<br />

Mitarbeiter mussten Kriegsdienst leisten und waren für Siemens nach der<br />

Eroberung Tsingtaos aufgrund Gefangenschaft oder Verletzung nicht mehr im<br />

Einsatz. 709<br />

diesem Geschäftsmodell war Siemens China bereits in Macao erfolgreich gewesen. Vgl.<br />

SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Jahresbericht China 1914/15, Shanghai 8. Juni 1916, S. 4,<br />

und SAA 50/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn,<br />

4. Juni 1919, S. 1 ff., sowie SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai 1915, Allgemeiner<br />

geschäftlicher Jahresbericht für alle Büros der Siemens China Co., S. 15.<br />

709 So sandte das Stammhaus am 1. Dezember 1914 eine Liste nach Shanghai, die bereits<br />

am 17. August 1914 erstellt worden war, in der es über die in Japan internierten oder im<br />

Hospital in Tsingtao befindlichen Mitarbeiter informierte. Das verbliebene Personal konnte<br />

nur mühsam ergänzt werden. Vgl. SAA 13/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens<br />

Seite | 239


Erschwert wurde die Gesamtsituation für den Berliner Elektrokonzern noch<br />

durch das Fehlen dringend benötigten Materials zur Verarbeitung und durch<br />

Lieferzeiten. 710 Wo immer es möglich war, wurde improvisiert und mit<br />

Fremdmaterial gearbeitet. In einigen Fällen wurden alte Maschinen „recycelt“.<br />

Zudem wurden die Lager vollständig geräumt. So reduzierte sich in Shanghai<br />

der Lagerbestand zwischen 1915 und 1919 von einem Wert von 170.000<br />

Mark auf 25.000 Mark. 711<br />

Die Kommunikation mit dem Stammhaus wurde zudem immer<br />

problematischer. So gelangten einige Briefe über Stockholm und Sibirien,<br />

andere über Amerika in den Fernen Osten. Die Verlustrate war allerdings sehr<br />

hoch. 712 Großbritannien versuchte außerdem das Geschäft von Siemens in<br />

China zu behindern und vor Ort eine antideutsche Stimmung zu erzeugen. 713<br />

China Co. seit Kriegsbeginn, 4. Juni 1919, und SAA 13/Lc 332: T.B. Shanghai an Siemens<br />

Berlin, 1. Dezember 1914, S. 1 ff., sowie SAA 29/Lp 530: Personalbestand der<br />

Überseeischen Bureaus per 31. Mai 1916, S. 1 ff.<br />

710 Vgl. SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz 1915/1916, S. 1<br />

ff., und SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai 1915, Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht<br />

für alle Büros der Siemens China Co., S. 1–5. Es kam zu einem zunehmenden Verkauf<br />

von Lagerware; fehlende Bauteile für Installations- und Montagezwecke wurden teilweise<br />

bei der Konkurrenz eingekauft. Zudem wurde auf Produkte aus spanischer Produktion<br />

zurückgegriffen, die aber preislich nicht konkurrenzfähig waren. Mit zunehmender<br />

Kriegsdauer waren auch Lieferungen aus spanischen und englischen Siemens-<br />

Produktionsstätten sowie von Konkurrenten nahezu unmöglich. Einzig über die japanische<br />

Niederlassung gelang gelegentlich der Bezug von Material wie Maschinen und<br />

Transformatoren.<br />

711 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 38, und SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai<br />

1915, Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht für alle Büros der Siemens China Co., S.<br />

1–5. So wurde die Erweiterung der Shanghai City Tramway Co. vom Siemens-Ingenieur<br />

Kocher, der inzwischen Meyer als technischen Direktor abgelöst hatte, mit<br />

amerikanischem Material durchgeführt.<br />

712 Vgl. SAA 50/Lm 312: Keßler an Erhardt, Tauchbootbrief, 13. Januar 1917, S. 1 ff.<br />

713 Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 36, und SAA 50/Lm 312: Rabe:<br />

Vierteljahrhundert, S. 51. So wurde am Ufer eines Parks an der Uferpromenade in<br />

Shanghai ein Warnschild mit dem Hinweis „Dogs and Germans not allowed“ angebracht.<br />

Seite | 240


Es wurde Druck auf chinesische Behörden und Unternehmen ausgeübt, um<br />

die Geschäftsbeziehungen zu deutschen Unternehmen zu unterbinden. 714<br />

Neben der englischen war vor allem die aufstrebende japanische Konkurrenz<br />

für Siemens in China eine Gefahr. Die japanische Elektroindustrie hatte sich<br />

mit Firmen wie Shibaura, Tokyo Electric, Nippon Denki und Hitachi während<br />

des Ersten Weltkriegs zu einer der führenden Industrien des Landes<br />

entwickelt und war in China vor allem bei Kleinfabrikaten und Lampen<br />

aufgrund günstiger Preise und kurzer Lieferfristen eine ernstzunehmende<br />

Konkurrenz. 715 Zudem litt Siemens unter den sehr unsicheren politischen<br />

Rahmenbedingungen in China. Es wurden keine neuen Kraftwerksprojekte für<br />

Städte mehr ins Leben gerufen und auch bestehende Aufträge unterlagen<br />

einer hohen Unsicherheit, sodass ihre Verwirklichung permanent gefährdet<br />

war. 716<br />

Angesichts dieser Faktoren wurde das Geschäft immer schwieriger und kam<br />

nach der Kriegserklärung Chinas an Deutschland 1917 gänzlich zum<br />

714 Ein Beispiel gibt Rabe: „Bei Ausbruch des Kriegs hatten wir gerade eine große Sendung<br />

Wattstundenzähler für das Pekinger Elektrizitätswerk hereinbekommen. Der englische<br />

Ingenieur der Zentrale lehnte die Übernahme der Zähler ab. Da sie von den „Hunnen“<br />

kamen, waren sie „highly dangerous“. Er konnte sich damals noch mit englischen Waren<br />

eindecken. Wir nahmen die Zähler auf Lager und haben sie später, als auch von England<br />

keine Waren mehr hereinkamen, zum vielfachen Preis durch Zwischenhändler an<br />

dasselbe E.W. verkauft (…) Diese und ähnliche Geschäfte hielten uns über Wasser.“ Vgl.<br />

SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in China.<br />

Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten, Nanjing 1935. S. 81 ff.<br />

715 Vgl. Hasegawa, Competition, S. 165–189, hier S. 171, und Mielmann,<br />

Handelsbeziehungen, S. 123 ff. Japan konnte seine Marktposition durch die Gewährung<br />

von Anleihen weiter ausbauen.<br />

716 Vgl. SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz 1915/1916,<br />

S. 5 ff., und SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz<br />

1915/1916, S. 1 ff. Innenpolitische Krisen wie die Revolution in den Südprovinzen<br />

verstärkten diese Entwicklung. Aufgrund mangelnder Bonität des Kunden beschloss<br />

Siemens beispielsweise den Großauftrag über den Bau eines Kraftwerkes in Changsha zu<br />

verschieben.<br />

Seite | 241


Erliegen. 717 Die Führung der Geschäfte in China war nur noch inoffiziell<br />

möglich. Daher wurden in Shanghai die Büroräume der Siemens China Co.<br />

gekündigt und das Unternehmen zog in ein kleineres Büro um, wo die<br />

Arbeiten unter dem Namen des spanischen Mitarbeiters Ulia weitergeführt<br />

wurden. Geschäftsbücher und Akten wurden an verschiedenen Stellen in der<br />

Stadt versteckt. Der Komprador Pao sagte sich zum Schein von der Firma los.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Siemens durch diese<br />

Maßnahmen gelang, trotz hoher Unkosten eine Basis für den Wiederaufbau<br />

der Geschäftstätigkeit nach dem Krieg zu erhalten.<br />

717 Vgl. SAA 50/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn,<br />

4. Juni 1919, S. 3, und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 106–115. Ein besonderes<br />

Augenmerk verdient die Tätigkeit des T.B. Peking. Für die Telefunkenabteilung bot sich<br />

während des Kriegs ein Vertrag für eine moderne Großstation in Peking an. Dabei<br />

verhandelte die dänische Firma Larsen &Pau mit der chinesischen Regierung. Nach<br />

Vertragsabschluss am 16. November 1917 kam es zu heftigen diplomatischen Protesten<br />

Englands bei den Chinesen. Daraufhin verlangte die chinesische Regierung förmlich einen<br />

Beweis dafür, dass für das Großprojekt keine deutschen Gelder oder Erzeugnisse<br />

verwendet werden sollten.<br />

Seite | 242


2.2.3 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit<br />

2.2.3.1 Die Chinesische Elektrizitätsgesellschaft (CEG)<br />

Eine besondere Facette im Chinageschäft von Siemens vor dem Ersten<br />

Weltkrieg war der Auftrag zur Lieferung des ersten größeren<br />

Elektrizitätswerks. Im Frühjahr 1898 fanden in Peking Verhandlungen über die<br />

Lieferung und Errichtung des Kraftwerks statt, das das Gesandtschaftsviertel<br />

mit elektrischem Strom für die Beleuchtung 718 versorgen sollte. 719 Die<br />

Vermittlung hatte die Siemens-Vertretung Mandl&Co. übernommen, während<br />

der Angestellte Fischer des Siemens Büros in Tokio beratend an den<br />

Verhandlungen teilgenommen hatte. Infolgedessen wurde am 4. April 1899<br />

zur Durchführung des Auftrages sowie zum Betrieb des Elektrizitätswerkes<br />

die Chinesische Elektrizitäts-Gesellschaft m.b.H. Berlin (CEG) mit einem<br />

Stammkapital von 300.000 Mark gegründet. 720 Für den Bau des Kraftwerks<br />

kaufte die Firma H. Mandl & Co. nach längeren Verhandlungen ein<br />

geeignetes Grundstück in Peking, das auch noch Expansionsmöglichkeiten<br />

bot. 721 Die Grundlage für das neue Kraftwerk in Peking sollten zwei<br />

718 Das Kraftwerk war nicht wie Mielmann schreibt, für die Stromlieferung an die Straßenbahn<br />

zuständig. Dies ist durch die Photographien des straßenbahneigenen Kraftwerks in<br />

Majiapu widerlegt worden. Zudem wurde auch keine Freileitung zwischen Majiapu und<br />

dem Ausländerviertel in Peking erstellt, die für einen gegenseitigen Stromaustausch nötig<br />

gewesen wäre. Vgl. SAA 15686: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989, S. 10.<br />

719 In den Sommermonaten 1898 führten Siemens und Mandl eine ausführliche<br />

Korrespondenz über die Gründung der Gesellschaft. Vgl. SAA 5251-1: Mandl an S&H<br />

Berlin, Entgegennahme des Gesellschaftervertrages, 23. Juni 1898, S. 1 ff., und SAA<br />

5251: S&H Centralstelle an Mandl, Vertrag über die Centrale in Peking, 5. Juli 1898,<br />

S. 1 ff.<br />

720 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 59. Am 4. Mai 1899 wurde die Gesellschaft in das<br />

Handelsregister des königlichen Amtsgerichtes I in Berlin eingetragen. Das erste<br />

Geschäftsjahr dauerte nur gut acht Monate. Es umfasste den Zeitraum von der Gründung<br />

der Gesellschaft am 4. April 1899 bis zum 31. Dezember 1899.<br />

721 Eine Konzessionsurkunde wurde am 8. November durch das kaiserliche Konsulat in<br />

Tientsin angefertigt und an die neue Gesellschaft übertragen. SAA 5251-2: Bericht über<br />

Seite | 243


Maschinenaggregate werden, die Energie für die Beleuchtung von circa 1.800<br />

gleichzeitig brennenden Glühlampen zur Verfügung stellen sollten. Die Kosten<br />

für den Bau ohne das Grundstück wurden auf circa 204.000 Mark<br />

veranschlagt. Die Arbeiten gingen allerdings nur langsam voran. 722 Zudem<br />

gab es Schwierigkeiten mit den chinesischen Behörden. 723<br />

„Die von vornherein erwarteten Schwierigkeiten seitens der Behörde sind<br />

nicht ausgeblieben. Die Errichtung von Masten innerhalb der Straßen und die<br />

Verlegung von Freileitungen wurden polizeilich inhibiert. Dank dem<br />

energischen Eingreifen der Kaiserlichen Deutschen Gesandten wurde jedoch<br />

das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin 1900, S. 2. Das<br />

Grundstück war mit guterhaltenen Steinhäusern für Büros und einem Brunnen<br />

ausgestattet. Vgl. SAA 5251-1: Aktennotiz zwischen Lieder und Bauer in Tientsin, 29.<br />

Oktober 1898.<br />

722 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 61. Bis zum Anfang des Jahres 1900 konnte nur<br />

das kleine Maschinenaggregat mit 66 KW aufgestellt und der Betrieb des Kraftwerkes<br />

somit nur langsam vorangetrieben werden. Bis zum 31. Dezember lagen Siemens<br />

Aufträge über circa 1.200 Glühlampen vor. Zur weiteren Auslastung des Kraftwerkes<br />

schlug Siemens dem Tsungli-Yamen vor, eine Straßenbeleuchtung im<br />

Gesandtschaftsviertel und in den umliegenden Straßen des Regierungspalastes zu<br />

errichten. Die dafür erwarteten Kosten von circa 21.000 Mark sollten nach der Vorstellung<br />

von Siemens durch die chinesische Regierung übernommen werden. Ferner wurden<br />

Überlegungen angestellt, zusätzlich zum Kraftwerk eine Telefonzentrale einzurichten. Die<br />

auf 18.000 Mark geschätzten Anlagekosten würden sich schnell amortisieren. Da jedoch<br />

die chinesischen Behörden wiederholt Schwierigkeiten bei der Verlegung von<br />

Freileitungen gemacht hatten, wurde das Telefon-Projekt vorerst verschoben.<br />

723 Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-<br />

Gesellschaft, Berlin 1900, S. 2. Aufgrund von bürokratischen Hindernissen, die bei solchen<br />

Projekten in der Regel auftraten, wurde auf eine Konzession verzichtet. Zur Sicherung des<br />

Projektes versprachen die deutsche und österreichische Gesandtschaft ihren Schutz und<br />

im Notfall als Auftraggeber aufzutreten. „Ein Genehmigungsversuch für das Projekt wurde<br />

als nicht für opportun erachtet, da bei dem Misstrauen der Chinesen gegen alle<br />

Neuerungen eine Ablehnung durch das Tsung-li-yamen als bestimmt vorausgesetzt<br />

wurde. (…) Die formelle Nachsuchung einer Concession ist ins Auge gefaßt, sobald sich<br />

die chinesische Bevölkerung mit den Vorteilen des elektrischen Lichtes soweit vertraut<br />

gemacht haben wird, daß ein Widerstand der Behörden nicht mehr zu erwarten ist.“<br />

Seite | 244


nach längeren Verhandlungen mit dem Tsung-li-yamen das Verbot mit der<br />

Bedingung zurückgezogen, dass an den Übergängen der Hauptstraßen nur<br />

Kabel zur Verwendung kommen. Bis zur Beschaffung derselben wurde an<br />

den Straßenübergängen provisorische Freileitung an 30 Fuß hohen Masten<br />

gestattet, sofern wir uns verpflichteten, dieselben später durch Kabel zu<br />

ersetzen. Dies ist den Behörden einstweilen zugesagt worden, doch steht zu<br />

hoffen, dass wenn sich die Bevölkerung erst an die Freileitung gewöhnt hat,<br />

von dieser immerhin sehr lästigen Bestimmung ganz Abstand genommen<br />

wird.“ 724<br />

Das zweite Jahr brachte hinsichtlich des Geschäftsumfangs keine<br />

wesentlichen Neuerungen. Der Bau des Kraftwerks wurde fortgesetzt. Es gab<br />

jedoch Verzögerungen im Bauprojekt aufgrund von Lieferproblemen, da aus<br />

Deutschland eingetroffene Maschinen aufgrund mangelhafter<br />

Verkehrsinfrastruktur nur mit Verzögerung nach Peking gebracht werden<br />

konnten. Daraufhin wurde das Kraftwerk vorerst provisorisch in Betrieb<br />

genommen. 725 Der erfolgreiche Aufbau der Geschäftstätigkeit der CEG und<br />

der Betrieb des Kraftwerkes wurden durch den Boxeraufstand beendet. „Der<br />

Betrieb war, von wenigen Unterbrechungen abgesehen, zufriedenstellend,<br />

konnte aber infolge der sich entwickelnden Boxer-Unruhen leider nicht lange<br />

aufrecht erhalten werden. Am 20. Juni 1900 wurde anlässlich der Belagerung<br />

der europäischen Gesandtschaft in Peking die Centrale vollständig zerstört,<br />

ebenso gerieten die noch unterwegs befindlichen Maschinen etc. in<br />

Verlust.“ 726<br />

724 Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-<br />

Gesellschaft, Berlin 1900.<br />

725 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 62. Die ersten Kunden waren die Hongkong und<br />

Shanghai-Bank, die Russo-Chinese-Bank, die Lager von Imbeck und Kiernoff, das Peking<br />

Hotel sowie die österreichische Gesandtschaft. Des Weiteren wurden für die<br />

Gesandtschaftsstraße drei Bogenlampen zu Reklamezwecken aufgestellt.<br />

726 Vgl. SAA 5251-2: Bericht über das zweite Geschäftsjahr der CEG, Berlin 1901.<br />

Seite | 245


Nach der Zerstörung des Kraftwerks ließ Siemens ein Gutachten durch einen<br />

Sachverständigen verfassen, das als Grundlage für provisorische<br />

Schadensersatzforderungen an die chinesische Regierung 727 galt: „Da<br />

vorauszusehen war, dass eine genaue Feststellung des Schadens sehr<br />

zeitraubend sein würde, haben wir bereits im September 1900 unseren<br />

Anspruch auf Schadenersatz provisorisch in Höhe von M 400.000 bis M<br />

500.000 angemeldet und uns eine spätere genaue Spezifizierung unserer<br />

Forderung vorbehalten.“ 728<br />

Nachdem anfänglich noch ein Wiederaufbau diskutiert wurde, kam Siemens<br />

schließlich zu dem Entschluss, vom erneuten Aufbau des Kraftwerks<br />

abzusehen und die CEG abzuwickeln. Nach Zahlung einer Entschädigung in<br />

Höhe von 438.000 Mark und dem Verkauf des Grundstücks an das englische<br />

Finanzkonsortium „Yunnan Syndikat“ für 102.500 Mark wurde die CEG Mitte<br />

November 1902 mit gutem Erfolg aufgelöst. 729<br />

727 Im Rahmen seiner Sühnereise besuchte der chinesische Prinz Chuun im Jahr 1901 auch<br />

die Berliner Siemens Werke, wo er von der Firmenleitung herzlich begrüßt wurde. Vgl.<br />

SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 21.<br />

728 Vgl. SAA 5251-2: Zweiter und dritter Geschäftsbericht, Berlin 1901 und Berlin 1902.<br />

Siemens versuchte also von der Zerstörung zu profitieren. Erstens war der Schaden bei<br />

weitem nicht so hoch wie der geforderte Schadensersatz. Des Weiteren forderte Siemens<br />

beim deutschen Botschafter in Peking für den Wiederaufbau des Geschäfts der CEG eine<br />

alleinige Konzession für den Großraum Peking für Licht- und Kraftanlagen, Bahnbetrieb<br />

sowie für den Bau von Telefonzentralen.<br />

729 Für die Abwicklung waren drei Faktoren ausschlaggebend. Erstens wurde die<br />

Wahrscheinlichkeit ein Auftragsmonopol für den Großraum Peking zu erhalten, als gering<br />

eingeschätzt. Dafür war auch die große amerikanische und englische Konkurrenz<br />

verantwortlich, die eigene Beleuchtungsanlagen für Peking plante. Zweitens erwiesen sich<br />

die Kosten für ein geeignetes Grundstück einschließlich der Pacht als zu hoch. Drittens<br />

konnte Siemens durch die Veräußerung des Grundstücks und die Entschädigung die CEG<br />

äußerst lukrativ abwickeln. Erst Jahre später wurde von einer chinesischen Gesellschaft,<br />

der Chinese Chartered El. Light Co., Peking, ein in der Stadt gelegenes neues Kraftwerk<br />

gebaut. Dieses wurde vorerst mit kleineren Dampfmaschinensätzen englischer Firmen<br />

ausgerüstet. Im Jahr 1910 wurde aber eine Erweiterung notwendig, die Siemens einen<br />

Seite | 246


2.2.3.2 Bedeutende Aufträge bis 1919<br />

Abbildung 43: Bedeutende Aufträge in China bis 1919 Teil 1<br />

Siemens verkaufte im Jahr 1870 4.000 km Kabel an die dänische Great<br />

Northern Telegraph Company, die in Fernost ein Telegraphennetz<br />

errichtete. 730 Kleinere Aufträge aus China kamen vom englischen Handels-<br />

Auftrag für die Lieferung von zwei Dampfturbosätzen einbrachte. Vgl. Mielmann,<br />

Handelsbeziehungen, S. 63 f., und SAA 10738: Bericht „100 Jahre Siemens“, Betätigung<br />

in Übersee, 1943/44, S. 1 f., sowie SAA 5251-2: Auszug aus dem Protokoll der<br />

Direktoriumssitzung, 19.02.1902.<br />

730 Vgl. Kunert, Telegraphen-Seekabel, S. 431. Das Kabel wurde für den Bau eines<br />

Telegraphennetzes als Verbindung zwischen dem russischen Hafen Wladiwostok, dem<br />

japanischen Nagasaki, dem chinesischen Shanghai sowie dem britischen Handels- und<br />

Militärstützpunkt Hongkong verwendet.<br />

Seite | 247


haus Bishop, das in Shanghai als Agent für Siemens Brothers arbeitete. 731 In<br />

einem Brief an S&H von Siemens Brothers am 24. Januar 1872 heißt es:<br />

„Die elektrischen Uhren (Anm. des Verfassers: Zeigertelegrafen), betreffs<br />

derer wir bei ihnen anfragten, waren für China bestimmt.(…) Es scheint, dass<br />

jetzt (…) die Chinesen selber anfangen, sich mit den Erfindungen der<br />

Europäer vertraut zu machen und sie dann zu gebrauchen. Unsere Zeiger-<br />

Apparate und verschiedene andere Sachen, die wir probeweise unserem<br />

Agenten in China zugesandt haben, haben bereits allgemein Beifall gefunden;<br />

und sollten evtl. die Chinesen anfangen, selbst Telegraphenlinien anlegen zu<br />

wollen, ist es von ungeheurer Wichtigkeit von Anfang an das Terrain besetzt<br />

gehalten zu haben.(…). Wie große Aussichten das enorme Reich bietet, wenn<br />

einmal der Anfang gemacht wurde, liegt auf der Hand.“ 732<br />

Der erste nennenswerte Auftrag wurde im Jahr 1879 abgewickelt. Siemens<br />

Brothers lieferte durch Vermittlung seines Agenten eine 10 PS starke<br />

Dampfmaschine mit Generator an die Verwaltung der International<br />

Settlements von Shanghai, die zur Beleuchtung der Hafenanlagen diente.<br />

Nach chinesischen Angaben war dies die erste elektrische Anlage, die in<br />

China erstellt wurde. 733<br />

Ein weiterer wichtiger Auftrag war die erste Straßenbahn in China, die<br />

Siemens in Peking errichtete. 734 Die Vorgeschichte der Straßenbahn Beijing-<br />

731 Vgl. SAA 68/Li 190: Auszug aus dem Geschäftskopierbuch 98, S. 936.<br />

732 Vgl. SAA 68/Li 190: Schreiben Siemens Brothers Co. an S&H, London 24. Januar 1872,<br />

S. 1.<br />

733 Vgl. SAA 20872: China Erinnerungen Probst, August 1986, S. 1 f. Die Maschine wurde<br />

1882 von einer neuen englischen Elektrizitätsgesellschaft gekauft, mit einem 16 PS<br />

Dampfmaschinensatz erweitert und beleuchtete den Bund, den Shanghai Club und einige<br />

Bürohäuser. Aus dem weiteren Ausbau dieser Anlage enstand die englische Shanghai<br />

Power Co., bei der Siemens aber keine Folgeaufträge mehr gewinnen konnte.<br />

734 Neben dem Straßenbahnprojekt in Peking versuchte Siemens gleichzeitig einen Auftrag<br />

für ein Bahnprojekt in Shanghai zu gewinnen. Für die aufstrebende Industrie- und<br />

Handelsmetropole kam schon früh der Gedanke an eine Straßenbahn auf. Allerdings<br />

Seite | 248


Majiapu ist dabei eng mit der Entwicklung des chinesischen Eisenbahnnetzes<br />

verbunden. Die Ausländer, die den Bahnbau maßgeblich betrieben, hätten<br />

gerne einen Bahnhof innerhalb der Stadt errichtet, was jedoch der Kaiserhof<br />

strikt ablehnte. So einigten sich die Parteien auf einen Fernbahnhof drei<br />

Kilometer südlich von Beijing in der Nähe des Dorfes Majiapu. Die<br />

Notwendigkeit, den Bahnhof mit der Stadt durch ein besonderes<br />

Verkehrsmittel zu verbinden, sah die Verwaltung der kaiserlichen Eisen-<br />

bahnen früh ein. Daher beschlossen die Verantwortlichen den Bau einer<br />

elektrischen Bahn und erteilten Siemens hierzu den Auftrag. 735 Die im Juni<br />

scheiterten Anträge für den Bau einer Linie bei der städtischen Verwaltung immer wieder<br />

am Einfluss von Landeignern, die eigene Pferdebahnen betrieben. Anfang 1899 erhielt<br />

eine belgische Gesellschaft dennoch den Auftrag für den Betrieb einer elektrischen Bahn<br />

und forderte führende amerikanische und europäische Firmen auf, bis zum 15. März 1899<br />

Angebote abzugeben. Hierfür stellte Fischer ein detailliertes Angebot zusammen,<br />

nachdem für die Ermittlung der Betriebskosten aufwendige Verkehrszählungen<br />

vorgenommen wurden. Die Baukosten wurden mit circa 2,8 Millionen Mark beziffert, die<br />

Finanzierung durch ein Bankenkonsortium unter Führung der Deutsch-Asiatischen Bank<br />

finanziert werden sollten. Da vor allem die Engländer in Shanghai einen bedeutenden<br />

Einfluss hatten, wurde versucht Siemens Brothers in London für das Projekt zu gewinnen,<br />

um wegen der deutschen Herkunft keinen Nachteil zu haben. Eine Beteiligung lehnte die<br />

Londoner Tochter aber kurz vor Weihnachten 1898 ab. Infolgedessen wurde versucht,<br />

durch Vermittlung der Deutschen Bank Kontakt mit einem englischen Handelshaus<br />

aufzunehmen. Trotz der intensiven Bemühungen konnte der Auftrag nicht gewonnen<br />

werden. Den Zuschlag zum Bau erhielt die englische Firma Bruce Reebles&Co. Vgl. SAA<br />

Lp 171: Projekt einer elektrischen Bahn in Shanghai, 1.9.1898, und SAA 5264: S&H Berlin<br />

an S. Brothers London, Straßenbahn Shanghai, sowie SAA 5264: Auszug aus 35.<br />

Direktoriumssitzung, 13. Januar 1899, S. 1.<br />

735 Vgl. SAA 15686: Forschner, Dirk: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989, S. 7. Die<br />

Verhandlungen für das Straßenbahnprojekt wurden durch Mitarbeiter Fischer des<br />

Siemens-Büros in Tokio abgewickelt. Vorläufig sollte die Bahn nicht ins Stadtinnere<br />

hineinführen, da es sich um ein Verkehrsmittel handelte, das zum ersten Male in China<br />

eingesetzt wurde. Es war daher unklar, wie sich die Bevölkerung ihm gegenüber verhalten<br />

würde, zumal Aberglauben und religiöse Vorurteile noch tief im Volk wurzelten. Ein<br />

weiteres Hindernis war die Durchführung der Bahn durch die Stadtmauer, sei es nun durch<br />

ein besonderes oder eines der vorhandenen Tore, die auf erheblichen Widerstand<br />

Seite | 249


1899 in Betrieb genommene Straßenbahn war die erste in ganz China, wurde<br />

allerdings nur vier Monate nach Inbetriebnahme während des Boxeraufstands<br />

zerstört. 736<br />

Abbildung 44: Bedeutende Aufträge China bis 1919 Teil 2<br />

gestoßen wäre, da die Chinesen fürchteten, dass nach Einreißen der Stadtmauer böse<br />

Geister ungehindert in die Stadt eindringen könnten. Vgl. Petersen, Eisenbahn, S. 30 ff.<br />

736 Vgl. SAA 15686: Forschner, Dirk: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989, S.10 ff.<br />

Die weitgehend geradlinige Strecke überwand einige kleine Steigungen und zwei Brücken.<br />

In die eingleisige Bahnstrecke wurden sechs Weichen, zwei Endweichen und zwei<br />

Ausweichen eingebaut, sodass Züge mit drei Wagen einander ausweichen konnten. Die<br />

Straßenbahn wurde von Anfang an mit einem eigenen Kraftwerk ausgerüstet. Es lag rund<br />

400 Meter vom Staatsbahnhof entfernt im hinteren Teil des Wagenschuppens. Während<br />

im vorderen Teil Wagen und Büros untergebracht waren, befand sich im hinteren Teil ein<br />

Maschinenraum. Das Bahnprojekt wurde unter der Leitung eines Ingenieurs und eines<br />

europäischen Monteurs ausschließlich mit chinesischen Arbeitern abgewickelt. Im<br />

Betriebsdienst waren nur Chinesen beschäftigt. Die Fahrkarten wurden an beiden Enden<br />

der Strecke verkauft. Die Einwohnerschaft gewöhnte sich recht gut an das neue<br />

Verkehrsmittel, und die Bedenken, die anfänglich gehegt wurden, bewahrheiteten sich<br />

nicht. Allerdings kam es bei der Betriebseröffnung einen Sturm auf die Bahn. Der Grund:<br />

Das Sichern eines Sitzplatzes.<br />

Seite | 250


Auch im Landesinneren bekam Siemens einen interessanten Auftrag. Zur<br />

Stromversorgung der aufstrebenden Region Yunnan gründete eine Gruppe<br />

von Kaufleuten und Bankiers in Yünnanfu die Elektrizitätsgesellschaft Yao<br />

Loong und bestellte bei Siemens im Jahr 1910 ein großes Kraftwerk. 737 Ziel<br />

war es, den wasserreichen, gefällstarken Abfluss (Drachenfluss) des etwa<br />

2.200 m hoch gelegenen Jünnansees für die Elektrizitätsgewinnung zu<br />

nutzen. Die Bauarbeiten begannen 1910. 1913 wurden die ersten<br />

Anlagenteile in Betrieb genommen. Das Kraftwerk wurde durch eine 35 km<br />

lange Hochspannungsleitung mit der Stadt Kunming verbunden. 738<br />

Ein weiteres großes Projekt im Landesinneren war der Bau eines Kraftwerks<br />

in Wuchang. 739 In folge eines wirtschaftlichen Aufschwungs fasste die Stadt<br />

den Plan, ein Kraftwerk für die Licht- und Kraftversorgung zu errichten.<br />

Nachdem chinesische Konsortien trotz Konzessionserteilung auf den Bau<br />

eines Kraftwerks verzichtet hatten, regte der damalige Vize-König von Hubei,<br />

für den Siemens bereits eine kleine Blockzentrale zur Beleuchtung seines<br />

Palasts errichtet hatte, den Erwerb der Konzession durch Siemens an. Dabei<br />

737 Vgl. SAA 20872: Siemens-Kraftanlagen in China, S. 3. Dabei ging die Gesellschaft ein<br />

hohes Risiko ein, da fraglich war, ob jemals genügend Strom von den Einwohnern<br />

abgenommen würde und eine Wirtschaftlichkeit der Anlage erzielt werden könnte.<br />

738 Vgl. SAA 10738: Bericht Karl Mosig: Aus dem Elektro-Ausbau Chinas. S.Z. 1927 Heft 10,<br />

S. 662–668, hier S. 663 ff., und SAA 10738: Berichtsbogen über das Wasserkraftwerk<br />

Yünannfu, 1944, S. 1. Aufgrund der kontinuierlichen Nachfrage nach elektrischer Energie<br />

kam es in den Jahren 1922/23 und 1932–38 zur Erweiterung dieser Wasserkraftanlagen.<br />

Auch diese Aufträge erhielt Siemens.<br />

739 Vgl. SAA La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914, S. 1 ff. Die Stadt<br />

Wuchang, die am Zusammenfluss des Han&Yangtse Flusses lag, war die größte und<br />

wichtigste Stadt Zentral-Chinas. Sie war ein wichtiger Knotenpunkt der bedeutendsten<br />

Nord-Süd Bahn von Peking nach Kanton und der im Bau befindlichen Ost-West-Bahn<br />

zwischen Shanghai und Chonquing. Direkt am Ufer des jederzeit schiffbaren<br />

Han&Yangtse Flusses gelegen, bildete Wuchang mit dem gegenüberliegenden Hankow,<br />

den Umschlaghafen für die westlichen Provinzen Chinas. Wuchang war außerdem Sitz<br />

der Behörden und Provinzhauptstadt von Hubei.<br />

Seite | 251


musste indirekt vorgegangen werden, da Wuchang nicht zu den „offenen“<br />

Plätzen Chinas gehörte, das heißt, mit ausländischem Kapital konnten weder<br />

Konzessionen noch Eigentum erworben werden. Daher gründete Siemens die<br />

chinesische Gesellschaft Wuchang Electric Light Co. Ltd. An der Spitze<br />

standen als Vermittler die beiden Kompradoren der Büros Shanghai und<br />

Hankow, mit denen zur Sicherstellung der Siemensinteressen ein Vertrag<br />

abgeschlossen wurde, in dem festlegt wurde, dass Siemens das alleinige<br />

Recht auf den Bau und den Betrieb der Zentrale samt Leitungsnetz und<br />

Installationsanschlüssen erhielt. 740 Die Lieferung und die Inbetriebnahme der<br />

Anlage erfolgten trotz der umständlichen Transportmöglichkeiten noch vor<br />

Ausbruch des Ersten Weltkriegs. 741<br />

740 Vgl. SAA 27/La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914, S. 1 ff. Das<br />

Gründungskapital betrug zunächst 120.000 chinesische Dollar, von denen vor der<br />

Erteilung der Konzession 60.000 Dollar in einer europäischen Bank deponiert werden<br />

mussten. Das Aktienkapital wurde in 1.200 Aktien zu je 100 Dollar aufgeteilt. Die<br />

Dividende wurde auf 8 Prozent pro Jahr festgesetzt, konnte jedoch bei schlechter<br />

Geschäftslage gesenkt werden. Die Konzession war zeitlich unbegrenzt und sicherte<br />

Siemens ein Monopol für die Licht- und Kraftabgabe sowie für die etwaige Stromabgabe<br />

an elektrische Bahnen. Die Errichtung von Gasanstalten zur Lieferung von Gas für<br />

Beleuchtungszwecke wurde als Konkurrenzunternehmen angesehen und nicht gestattet.<br />

Die Anlage war zunächst für 6.000 Kohlefadenlampen bemessen. Die Baukosten sollten<br />

durch SSW bestritten werden. Erst nach Inbetriebnahme der Anlage sollten Aktien der<br />

Gesellschaft dem chinesischen Publikum angeboten werden. Die Regierung, die an dem<br />

Auftrag sehr interessiert war, erklärte sich bereit, sich durch die Vergabe eines<br />

Grundstücks im Werte von 12.000 Dollar zu beteiligen. Des Weiteren gewährten die<br />

Behörden einen Erlass der Konzessionsgebühren und eine Befreiung von allen Steuern.<br />

741 Vgl. SAA 27/La 792: Memorandum of Agreement zwischen Siemens China and Wuchang<br />

Electric Light Co., S. 1 ff. In der Wirtschaftlichkeitsrechnung wurde eine ungefähr 10-<br />

prozentige Verzinsung des Kapitals ermittelt.<br />

Seite | 252


2.2.4. Bewertung der Geschäftstätigkeit und der<br />

Geschäftsergebnisse<br />

Eine Bewertung der Geschäftstätigkeit ist mangels aussagekräftigen<br />

Zahlenmaterials nur bedingt möglich. Anhand der Abbildung wird deutlich,<br />

dass der jährliche Umsatz im Jahr 1914 bei ungefähr vier Millionen Mark lag.<br />

Wenn Gewinn anfiel, war dieser im Verhältnis zum Umsatz allerdings sehr<br />

niedrig. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verringerte sich der Umsatz<br />

beträchtlich. Durch die Aufrechterhaltung der stark verkleinerten Organisation<br />

gab es in den Kriegsjahren jährliche Verluste zwischen 100.000 und 200.000<br />

Mark.<br />

in Millionen Mark<br />

5<br />

4,5<br />

4<br />

3,5<br />

3<br />

2,5<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

-0,5<br />

1914<br />

1915<br />

Abbildung 45: Umsatz und Gewinn von Siemens China von 1914 bis 1919<br />

1916<br />

Umsatz Gewinn<br />

1917<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach SAA 16486 und Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 113.<br />

1918<br />

1919<br />

Seite | 253


2.3 Das Chinageschäft in der Zwischenkriegszeit (1919-<br />

1939)<br />

2.3.1 Die Entwicklung der S.Ch.Co. bis 1939<br />

Die Geschäftslage für Siemens war in den Jahren unmittelbar nach dem<br />

Ersten Weltkrieg sehr schwierig. Die Weiterführung der Geschäfte wurde in<br />

den Nachkriegsjahren im Wesentlichen durch fünf Faktoren erschwert.<br />

Abbildung 46: Einflussfaktoren auf Siemens China nach dem Ersten Weltkrieg<br />

Erstens hatten kurz nach dem Zusammenbruch der deutschen Fronten in<br />

Europa die Engländer die Repatriierung deutscher Staatsbürger aus China<br />

und die Beschlagnahmung (Sequestration) ihres Eigentums durchgesetzt. Mit<br />

wenigen Ausnahmen war das deutsche Personal daher aufgrund von<br />

Ausweisung oder Kriegsgefangenschaft 742 zwischen 1919 und 1921 nicht vor<br />

Ort. 743<br />

742 Bei der Verteidigung Tsingtaus wurden auch Siemens-Mitarbeiter der China-Organisation<br />

gefangengenommen und später in Japan interniert. Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen<br />

für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie<br />

Seite | 254


Zweitens erschwerten die Konsequenzen, die sich aus dem am 10. Januar<br />

1920 in Kraft getretenen Versailler Vertrag ergaben, die Geschäftstätigkeit. So<br />

verschlechterte sich die Zoll-Situation 744 und es kam zum Verlust von<br />

Standortvorteilen in ehemaligen deutschen Konzessionsgebieten und<br />

Kolonien. 745 Wurden die Auflagen des Versailler Vertrags nicht erfüllt, drohten<br />

Beschlagnahmung und Enteignung. 746 Dabei wurde die wirtschaftliche<br />

Betätigung von Siemens in China von den Alliierten sehr genau beobachtet 747<br />

über die Tätigkeit unserer Übersee-Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S.<br />

3 ff.<br />

743 Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die<br />

Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-<br />

Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S. 3 ff.<br />

744 Das Stammhaus beklagte §129 des Vertrags, der China zur freien Festlegung von<br />

Einfuhrzöllen auf deutsche Produkte berechtigte, während für die Waren aller anderen<br />

Mächte ein fester Wertzoll von 5 Prozent berechnet wurde. Da in chinesischen Zollämtern<br />

der englische Einfluss überwog, musste Siemens mit erhöhten Zöllen rechnen. Vgl. SAA<br />

50/Lm 312: Geschäftsaussichten in China nach dem Kriege (Keßler), Siemensstadt<br />

6.10.1919, S. 3 f.<br />

745 Die Siemens China Co. hatte den Verlust von Standortvorteilen in den Gebieten Hankow<br />

und Tientsin hinzunehmen, in denen sich durch die Aufhebung der deutschen<br />

Konzessionen und ihre Rückgabe an China (§132 des Vertrags) der internationale<br />

Wettbewerb verschärfte. Ähnliche Nachteile ergaben sich für die Siemens-Geschäfte in<br />

der Shantung-Provinz als ehemalige deutsche Kolonie: In den §156 bis 158 wurde die<br />

Annullierung aller dortigen deutschen Rechte, Titel und Privilegien und ihre Übertragung<br />

an Japan festgelegt. Vgl. SAA 50/Lm 312: Geschäftsaussichten in China nach dem Kriege<br />

(Keßler), Siemensstadt 6.10.1919, S. 3 f.<br />

746 Daher wurden noch im Herbst 1921 Schiffsladungen von Siemens, die für China bestimmt<br />

waren, an Deckadressen gesandt. Andere größere deutsche Firmen verwendeten zu<br />

diesem Zeitpunkt sogar noch für Briefsendungen derartige Deckadressen. Vgl. SAA 5968-<br />

2: Verwendung des Firmennamens (Schreiben von S.Ch.Co. an Unterbüro in Hankow mit<br />

Kopie an weitere Büros und CVU), 24.9.1921.<br />

747 Beispielsweise erschien im Jahre 1920 in den „China Daily“ ein Zeitungsartikel, der scharf<br />

kritisierte dass Siemens chinesische Unternehmen mit Anlagen für den Abbau von<br />

Kohleminen beliefert hatte. Hintergrund der Vorwürfe war, dass Deutschland im Versailler<br />

Vertrag verpflichtet worden war, derartige Anlagen als Reparationsleistung für im Krieg<br />

zerstörte Kohleminen an die Franzosen abzugeben. Diesen gegenüber hatte Deutschland<br />

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und häufig auch bewusst erschwert. 748 Angesichts dieser Umstände konnte<br />

Siemens während der ersten Nachkriegsjahre häufig nur verdeckt am Markt<br />

agieren. 749 Als dritter Faktor ist die sich weiter verschärfende<br />

Wettbewerbssituation anzuführen, vor allem die aufstrebende japanische<br />

Konkurrenz, die zunächst besonders im Verkaufsgeschäft zu beachten war.<br />

Viertens hatten die politisch instabilen Zustände in China und Deutschland<br />

negative Auswirkungen auf die Geschäftssituation. Rohstoffmangel, Inflation,<br />

eingeschränkte Produktionsmöglichkeiten sowie Streiks führten zu<br />

Lieferausfällen und -verzögerungen. 750 Nicht zuletzt wurde der Wiederaufbau<br />

des China-Geschäfts durch die kritische Finanzlage des Siemens-Konzerns<br />

respektive der S.Ch.Co. 751 erschwert. Die S.Ch.Co. konnte in der ersten<br />

Nachkriegszeit nicht auf ihre gesamten Bankguthaben zurückgreifen, da sich<br />

nach der Beschlagnahmung des deutschen Eigentums ein Teil der<br />

Geldbestände in Hongkong weiterhin im Besitz der Kriegsgegner befand.<br />

aber erklärt, lieferunfähig zu sein. Vgl. SAA 50/Lm 312: Übersetzung eines am 15.10.1920<br />

in den North China Daily News erschienenen Zeitungsartikels, S. 1–4.<br />

748 So versuchten die Alliierten den Ruf der Deutschen in China zu schädigen. Ziel war es,<br />

das Vertrauen der Chinesen in deutsche Produkte zu erschüttern. Tatsächlich ließ sich bei<br />

einigen chinesischen Kunden und Kompradoren eine gewisse Verunsicherung<br />

beobachten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus Hankow (Schreiben von S.Ch.Co.<br />

an CVU), Hankow 4.7.1920, S. 2.<br />

749 Vgl. SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in<br />

China. Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten, Nanjing 1935, S. 148 f., und SAA<br />

50/Lm 312: Geschäftslage in China (Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Berlin 8.11.1919,<br />

S. 1 f. Die Gefahr, die ehemaligen Kriegsgegner zu provozieren und mit Sanktionen belegt<br />

zu werden, war bei offenem Auftreten zu hoch. In Peking wurden die Geschäfte<br />

beispielsweise unter dem Deckmantel der Yü Foong Co. abgeschlossen.<br />

750 Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die<br />

Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-<br />

Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S. 5.<br />

751 Vgl. SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co.<br />

(Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 12.<br />

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Angesichts der fünf geschilderten Faktoren ist es umso beachtlicher, dass die<br />

verbliebenen deutschen Siemens-Mitarbeiter Kocher (Shanghai), Müller,<br />

Amann (jeweils Peking) und Bolte (Hankow) sowie die Kompradoren Kwan<br />

(Shanghai) und Pao (Peking) in der Lage waren, einzelne Geschäfte in den<br />

Jahren von 1919 bis 1921 weiterzuführen, wichtige Kundenbeziehungen 752<br />

aufrechtzuerhalten und dem Stammhaus weiterhin über die Geschäftslage<br />

Bericht zu erstatten. 753<br />

752 Vgl. SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die<br />

Vorgänge in der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-<br />

Organisation während des Kriegs, Berlin 12.8.1919, S. 5 f. In mehreren <strong>Dokument</strong>en<br />

berichteten Siemens-Mitarbeiter, dass die chinesischen Kunden den Deutschen auch nach<br />

dem Krieg freundlich gegenüberstanden. Dies lässt sich u.a. damit erklären, dass<br />

Deutschland nach dem Krieg seine Vertragsgebiete und die Eigengerichtsbarkeit in China<br />

aufgeben musste. Nach dem Verlust dieser Vorrechte konnte sich zu den Deutschen ein<br />

partnerschaftlicheres Verhältnis entwickeln als beispielsweise zu den Engländern. Vgl.<br />

SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />

10/1927, S. 662–668, hier S. 662.<br />

753 Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />

28.7.1919, und SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Geschäftsbericht (Handschriftlicher Bericht<br />

von S.Ch.Co. an CVU), Peking 24.10.1919, sowie SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus<br />

Hankow (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Hankow 4.7.1920. Besonders hervorzuheben<br />

ist in diesem Zusammenhang die Arbeit von Kocher, Kwan und Pao. Unter der Leitung<br />

Kochers waren noch zu Kriegszeiten ein Hochofenwerk für die Wou Ching Co. gebaut und<br />

eine aus Amerika gelieferte Turboanlage für die Shanghaier Straßenbahn aufgestellt<br />

worden. Als Berater der Shanghaier Straßenbahn gelang es ihm unmittelbar nach<br />

Kriegsende, 1919, Siemens einen Erweiterungsauftrag für diese zu sichern. Der im<br />

gleichen Jahr erteilte Auftrag zum Bau eines Elektrizitätswerks in Tungchow war Resultat<br />

der Kontakte Kochers zum Großindustriellen Chang Chien, dem ehemaligen Minister für<br />

Ackerbau und Handel. Kwan konnte Siemens nach Kriegsende einen Auftrag für zwei<br />

Turboaggregate an Spinnereien in Chung und Wusieh vermitteln. Dabei machte er sich<br />

den Umstand zunutze, dass er mit Anteilseignern der Unternehmen befreundet war. Pao<br />

stellte die Weichen für die später durchgeführten Geschäfte bei den Ihsein-Gruben. Vgl.<br />

dazu: SAA 25/Lc 71: Zur Organisation in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />

Shanghai April 1922, S. 1.<br />

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Nachdem die unmittelbaren Nachkriegsschwierigkeiten überwunden waren,<br />

erfolgte Anfang der 1920er Jahre ein zügiger Wiederaufbau der<br />

Geschäftstätigkeit. Zur Lösung der finanziellen Probleme und um einen<br />

besseren Marktzugang zu erhalten wurde die S.Ch.Co. – bis dahin eine<br />

GmbH der SSW mit Sitz in Berlin – im Jahr 1921 in eine deutsch-chinesische<br />

Gesellschaft chinesischen Rechts (Limited Liability Company) mit Sitz in<br />

Shanghai umgewandelt.<br />

Dabei kam es allerdings zu<br />

Meinungsverschiedenheiten zwischen der S.Ch.Co. und dem Stammhaus in<br />

Berlin über die Höhe der chinesischen Kapitalbeteiligung. So wollte die<br />

Leitung der S.Ch.Co. im Gründungsvertrag eine möglichst hohe<br />

Kapitalbeteiligung der Chinesen festlegen, die ihren Anteil bar einzahlen<br />

sollten, um sofort über größtmögliche Liquiditätsreserven zu verfügen. Dafür<br />

musste eine relativ hohe Beteiligung des chinesischen Konsortiums von 45<br />

Prozent in Kauf genommen werden. 754 Die Leitung der CVU befürchtete<br />

allerdings einen zu großen Einfluss der chinesischen Anteilseigner und setzte<br />

schließlich eine Reduzierung durch. 755 Der Anteil chinesischer Kapitalgeber<br />

am Stammkapital von 0,5 Millionen mexikanischen Dollar 756 betrug schließlich<br />

30 Prozent. 757<br />

754 Vgl. SAA 25/Lc 71: Umwandlung der Siemens China Co. in eine deutsch-chinesische<br />

Gesellschaft (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 21.7.1921, S. 2 und S. 5 f.<br />

755 Vgl. SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co.<br />

(Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 13.<br />

756 In China gab es zur damaligen Zeit verschiedene Währungen. Seit Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts war der mexikanische Silber-Dollar das am häufigsten genutzte<br />

Zahlungsmittel bei Handels-geschäften. In den 20er und 30er Jahren wurde schließlich<br />

auch von China selbst eine Silberwährung herausgegeben. Neben dem mexikanischen<br />

Dollar hatte der Shanghai-Tael eine gewisse Bedeutung. Sein Wert basierte auf<br />

Silberreserven, welche von chinesischen Banken gehalten wurden. Vgl. Suleski,<br />

Government, S. 13 f.<br />

757 Das Stammkapital setzte sich folgendermaßen zusammen: 150.000 mexikanische Dollar<br />

wurden von den Chinesen eingezahlt. Der Wert der Aktiva (Grundstücke etc.), die von der<br />

alten an die neue Gesellschaft übergingen, wurde auf 50.000 mexikanische Dollar<br />

geschätzt. Weitere 225.000 mexikanische Dollar wurden für die immateriellen<br />

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Es erfolgte ein zügiger Wiederaufbau der Organisation. Im Zentrum der<br />

Bemühungen stand dabei das Hauptbüro in Shanghai, in dem nahezu 150<br />

Mitarbeiter beschäftigt waren. Die folgende Abbildung zeigt die<br />

Aufbauorganisation. 758<br />

Abbildung 47: Aufbau des Hauptbüros in Shanghai 1925<br />

Die Leitung des Büros lag in den Händen der Vorstände der S.Ch.Co., des<br />

Ingenieurs Kocher und des chinesischen Kompradors Kwan. Die<br />

Vermögenswerte wie Ansehen und Markenbekanntheit angesetzt. Dieser Wert war also<br />

deutlich höher als der der Aktiva. Das Stammhaus sah hierin den Lohn der „30-jährigen<br />

Pionierarbeit“ in China. Die verbleibenden 75.000 mexikanischen Dollar mussten<br />

zusätzlich in Form von Lagerbeständen der S.Ch.Co. eingebracht werden. Vgl. SAA 68/Li<br />

190: Protokoll einer Aufsichtsratssitzung der SSW im Februar 1922 (Auszug). Letztlich war<br />

das Joint Venture bzw. die Beteiligung der chinesischen Anleger nur von kurzer Dauer:<br />

Vier Jahre nach der Umwandlung, 1925, war die SSW wieder alleinige Gesellschafterin<br />

der erneut als deutsche GmbH geführten S.Ch.Co. Vgl. dazu: SAA 13082: Notarieller<br />

Vertrag über Änderungen bei der S.Ch.Co., 19.6.1925.<br />

758 Vgl. SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 9 ff.<br />

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Verkaufsabteilung organisierte den Vertrieb kleiner bis mittelgroßer Produkte,<br />

die zum Bereich der SSW gehörten. 759<br />

Bei diesen Produkten, die in Deutschland bestellt und in China auf Lager<br />

gehalten werden konnten, handelte es sich unter anderen um<br />

Werkzeugmaschinen, Pumpen, Motoren, Ventilatoren, Installationsmaterial<br />

(Stecker und Schalter), Transformatoren, Zähler, Leitungen und Kohlestäbe,<br />

Kleinteile für Glühlichtbeleuchtung, Lampen 760 und Protos-Haushaltsgeräte. 761<br />

Die Starkstromabteilung übernahm in diesem Zusammenhang die<br />

Projektierung und Durchführung großer Anlagenprojekte. 762 Ein bedeutender<br />

759 Innerhalb der SSW-Organisation übernahm die Abteilung Kleinfabrikate (AK) den Vertrieb<br />

dieser Produkte. Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 287 f.<br />

760 Im Lampengeschäft kam es bereits 1924 zu Preisabsprachen im Rahmen des Phoebus-<br />

Kartells, in dem Siemens eine Quote von 29 Prozent für den chinesischen Markt erhielt.<br />

Dennoch blieb der Markt schwierig, da ein starker Wettbewerb durch chinesische<br />

Fabrikanten entstand, der 1934 neben einer Erhöhung der Einfuhrzölle zu einem starken<br />

Geschäftsrückgang bei Lampen führte. Im Jahr 1934 gründete Osram daher zusammen<br />

mit der GE und Philips eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft, die China United Lamp<br />

Company (Culco) in Shanghai, die allerdings nur bescheidene Erfolge erzielen konnte.<br />

Vgl. SAA 16486 Mutz, Internationalisierung, S. 82, und Mielmann, Handelsbeziehungen,<br />

S. 194 f.<br />

761 Zu einzelnen Produkten und Fertigungsstätten in Deutschland vgl. Feldenkirchen,<br />

Siemens, S. 308 f.<br />

762 In den ersten Nachkriegsjahren war die Starkstromabteilung noch nicht ausreichend<br />

entwickelt, um die vorgesehenen Aufgaben (Projektierung, kompetente Kundenbetreuung<br />

etc.) zufriedenstellend ausführen zu können. Die größten Probleme stellten der<br />

Personalmangel und die Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Stammhaus dar, das<br />

Preislisten und technische Unterlagen nur unzureichend und teilweise fehlerhaft zur<br />

Verfügung stellte. Dies führte dazu, dass Kundennachfragen häufig mit dem Satz „Da<br />

müssen wir erst unser Stammhaus fragen.“ beantwortet werden mussten. Vgl. SAA 25/Lc<br />

71: Zur Organisation in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai April 1922,<br />

S. 1 ff.<br />

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Teil der Starkstromabteilung war die daran angeschlossene große Werkstatt,<br />

mit der in Shanghai ein guter Kundenservice geboten werden konnte. 763<br />

Zur Starkstromabteilung gehörte auch eine Bauabteilung, die in erster Linie<br />

beim Bau von Wasserkraftwerken zum Einsatz kam. 764 Durch die<br />

Zusammenarbeit von Bau- und Starkstromabteilung war es möglich, dem<br />

Auftraggeber große Teile des Auftrags „aus einer Hand“ anzubieten.<br />

Die Schwachstromabteilung war für Produkte zuständig, die direkt oder<br />

indirekt dem Bereich S&H zugeordnet werden konnten. Im Zentrum standen<br />

Fernsprechanlagen, hinzu kamen weitere Produkte wie etwa Wassermesser<br />

oder elektromedizinische Produkte.<br />

Bei S&H-Geschäften ergaben sich häufiger Unstimmigkeiten zwischen der<br />

Schwachstromabteilung beziehungsweise der S.Ch.Co. als Ganzes und der<br />

S&H-Leitung in Berlin. 765 Insbesondere bei Lieferpreisen und der Preispolitik<br />

traten Konflikte auf. 766 Wie aus der Abbildung ersichtlich, hatten zudem<br />

763 Die wichtigsten Konkurrenten, insbesondere diejenigen, welche sich von<br />

Handelsgesellschaften vertreten ließen, verfügten nicht über eine vergleichbare<br />

Einrichtung, sodass Siemens sich besonders profilieren konnte. Die Einrichtung von<br />

Werkstätten wurde generell im Übersee-Geschäft mit gutem Erfolg praktiziert. Vgl. SAA<br />

8188: Siemens in Übersee. Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944, S. 40.<br />

764 Die Bauabteilung der S.Ch.Co. war relativ klein und daher nicht in der Lage, Bauaufgaben<br />

größeren Ausmaßes durchzuführen. Im Jahr 1925 diskutierten Vertreter der CVU und der<br />

SBU in Berlin über die Möglichkeit, die Bauabteilung in China in eine größere SBU-<br />

Abteilung zu überführen und diese wiederum der S.Ch.Co. anzugliedern. Vgl. SAA 10845-<br />

1: Betätigung der Siemens-Bauunion in China (Protokoll einer Besprechung in Berlin),<br />

Berlin 23.10.1925, S. 1 f.<br />

765 Diese Probleme rührten möglicherweise auch daher, dass der Vertrieb bei S&H direkt bei<br />

den Werken lag und nicht wie bei SSW in den Vertriebsabteilungen zentralisiert war. Eine<br />

weitere Ursache könnte der Umstand gewesen sein, dass S&H mit der UA und die SSW<br />

mit der AU getrennte Exportorganisationen für das Überseegeschäft besaßen. Vgl.<br />

Feldenkirchen, Siemens, S. 183 und S. 533, und SAA 8188: Siemens in Übersee.<br />

Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944, S. 69 ff.<br />

766 In einigen Fällen lag der Verkaufspreis für Telefonanlagen in China deutlich höher (bis zu<br />

100 Prozent) als der Einkaufspreis des Stammhauses. Dies begründete die Führung in<br />

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Telefunken und die Rheinelbe-Union (REU) eigene, in das Hauptbüro<br />

Shanghai eingegliederte Abteilungen.<br />

Die verschiedenen kaufmännischen Aufgaben und Kommissionierungs-<br />

arbeiten wurden von den Abteilungen für Buchhaltung und Kasse, Versand<br />

und Verschiffung sowie der Registratur wahrgenommen.<br />

Bemerkenswert ist, dass eine große, von Kwan geleitete chinesische<br />

Abteilung mit einem Übersetzer, vier Kompradoren und einer Reihe weiterer<br />

Bürokräften vorhanden war. Hieran und an dem Umstand, dass mit Kwan ein<br />

Chinese Vorstandsmitglied war, zeigt sich die Bedeutung der Kompradoren<br />

für die Organisation. 767 Die Aufbauorganisation sollte sich bis 1937 nur<br />

geringfügig ändern. 768<br />

China mit hohen Ausgaben für „Squeeze“, Bankprovisionen und Finanzierungs-<br />

operationen. Vgl. SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom 27.10.1925 über das<br />

chinesische Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925, S. 7, und SAA 15/Lp<br />

168: Auszug aus einer Besprechung im Wernerwerk über die Reise von Direktor Reyss<br />

nach China, Berlin 20.9.1924, sowie SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom<br />

27.10.1925 über das chinesische Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925,<br />

S. 5 ff.<br />

767 Bei der S.Ch.Co. waren die beiden bedeutendsten Kompradore Kwan (zuständig für den<br />

Raum Shanghai) und Pao (zuständig für den Raum Peking).<br />

768 Beim Vergleich der Aufbauorganisation im Jahr 1937 mit dem Stand von 1925 zeigt sich,<br />

dass der grundsätzliche Aufbau unverändert geblieben war: Weiterhin bildeten die<br />

Technische Abteilung (Starkstromabteilung), die Schwachstrom- und die<br />

Verkaufsabteilung das Grundgerüst. Folgende wichtige Veränderungen sind zu erkennen:<br />

Wegfall der REU-Abteilung, Ausweisung des Bereiches Elektromedizin innerhalb der<br />

Schwachstromabteilung, Neugründung einer Installationsabteilung (angegliedert an die<br />

Technische Abteilung) und Anpassungen bei der chinesischen Abteilung. Eine<br />

Besonderheit stellt die Neuschaffung einer Werbeabteilung 1936 dar. Bereits vorher hatte<br />

Siemens auf allen nach China gelieferten Produkten ein Schild mit den drei Schriftzeichen<br />

„Dsie-Men-dse“ angebracht. Damit gelang es dem Unternehmen schon früh in China<br />

bekannt zu werden. Mitte der 1930er Jahre erhielten alle Siemens-Produkte das<br />

einheitliche „Warenzeichen 630“ (chinesisches Siemens-Zeichen im Ring mit Siemens-<br />

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Die Organisation umfasste im Jahr 1925 neben dem Hauptbüro in Shanghai<br />

zehn Unterbüros und elf Agenturen. Damit war Siemens zu diesem Zeitpunkt<br />

in China bereits an mehr Standorten aufgestellt als vor dem Ersten Weltkrieg<br />

und verfügte dort über sein größtes Niederlassungsnetz im überseeischen<br />

Ausland. 769<br />

Abbildung 48: Standorte der S.Ch.Co. 1925<br />

Die Standorte der S.Ch.Co. erstreckten sich vom Norden Chinas (Harbin,<br />

Mukden, Peking, Tientsin) über Zentralchina (Shanghai, Nanking, Hankow)<br />

Fünfeck). Vgl. SAA 68/Li 190: Organisationsplan der S.Ch.Co., Stand vom 1.6.1937, und<br />

SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 9 ff.<br />

769 Vgl. SAA 8185: „Für Siemens eine Reise um die Erde“ (Vortrag von Reyss, vermutlich<br />

1925), S. 19.<br />

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is in den Süden des Landes (Amoy, Kanton, Hongkong). In westlicher<br />

Richtung reichte das Gebiet bis in die Szechuan- beziehungsweise die<br />

Yunnan-Provinz. Bis Mitte der 1920er Jahre war auch die ostsibirische<br />

Siemens-Vertretung in Wladiwostok der S.Ch.Co. unterstellt. 770 Die Errichtung<br />

dieser zahlreichen Vertretungen war wegen der Größe des Landes, der<br />

eingeschränkten Mobilität und der im Vergleich zu heute noch stark<br />

eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten notwendig. Hinzu kam, dass<br />

bei den meisten von Siemens verkauften Produkten Kundennähe ein<br />

wichtiger Erfolgsfaktor war. Jede Vertretung bearbeitete ein ihr zugewiesenes<br />

Marktareal unterschiedlicher Größe. 771 Die Wahl des Standorts und die Art<br />

der Vertretung (Unterbüro oder Agentur) waren von aktuellen und zukünftigen<br />

Umsatzchancen abhängig. 772<br />

770 Da die politischen Verhältnisse in dieser Region als schwer überschaubar galten, hatte<br />

Wladiwostok, genau wie Harbin, zunächst nicht den Status einer Siemens-Vertretung,<br />

sondern den einer befreundeten Firma. Die Leitung der „Firmen“ oblag Angestellten der<br />

russischen SSW, welche die Geschäfte nach dem Krieg auf eigenes Risiko weiterführten.<br />

Im Jahr 1921 wurde entschieden, die Kontrolle über die Büros der S.Ch.Co. zu übergeben,<br />

zumal zu diesem Zeitpunkt die russischen SSW offiziell nicht mehr existierten. Vgl. SAA<br />

68/Li 190: Vertretung im Ausland. Ost-Sibirien und Mandschurei (6. Nachtrag zum ZV 6-<br />

Rundschreiben Nr. 6.), Siemensstadt 7.10.1921, und SAA 68/Li 190: Besprechung mit<br />

Herrn Mühlhardt über die Zukunft des Wladiwostok-Geschäfts (Aktennotiz), 14.9.1921.<br />

771 Vgl. SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und<br />

Mietverträgen), Shanghai 3.12.1923, S. 3 f. So war die Geschäftsstelle in Shanghai für<br />

Ost-, Mittel- und Südchina zuständig, das Büro in Tientsin dagegen nur für die Stadt<br />

Tientsin und deren Umgebung.<br />

772 Vgl. SAA 25/Lc 71: Geschäfte in Szechuan (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />

18.2.1925, S. 1 f., und SAA 25/Lc 71: Vertretung in Hongkong (Schreiben von S.Ch.Co. an<br />

CVU), Shanghai 19.2.1925, S. 2. Beispielsweise wurde 1925 die Szechuan-Provinz als<br />

aussichtsreiches Gebiet angesehen und daher beschlossen, in Chengtu ein Büro zu<br />

eröffnen. Dabei spielte auch die Überlegung eine Rolle, dass dort der englischen<br />

Konkurrenz (Arnold Brothers) der Markt nicht allein überlassen werden sollte. Das<br />

Unterbüro in Hongkong wurde unter anderem gegründet, um von den dortigen<br />

Zollerleichterungen auf eingeschiffte Waren zu profitieren.<br />

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In der Rangfolge der Vertretungen stand das Hauptbüro in Shanghai an erster<br />

Stelle vor den Unterbüros und Agenturen. Diese mussten vor der<br />

Unterzeichnung wichtiger Verträge die Zustimmung in Shanghai einholen. 773<br />

Das Unterbüro in Peking nahm eine Sonderstellung ein, da es die<br />

Buchhaltung der Nordbüros Mukden und Tientsin betreute. 774<br />

Üblicherweise bestand die Leitung der Büros aus mindestens einem Ingenieur<br />

und einem Kaufmann. In größeren Geschäftsstellen wie Shanghai, Peking<br />

oder Hankow war im Büro-Vorstand auch jeweils ein Komprador vertreten. 775<br />

Die nächste Führungsebene, die Leitung der einzelnen Abteilungen – wie<br />

etwa Starkstrom und Schwachstrom –, wurde zumeist von europäischen<br />

Mitarbeitern besetzt. Unter den zahlreichen Ingenieuren, Dolmetschern,<br />

Zeichnern, Buchhaltern etc. befanden sich sowohl Europäer als auch<br />

Chinesen. Einfachere Aufgaben wie Lager- und Werkstattarbeiten, Chauffeur-<br />

und Hausdienste, Transporte und Ähnliches lagen aus Kostengründen<br />

beinahe ausschließlich in chinesischer Hand.<br />

Auf der untersten Ebene der Hierarchie standen die Agenturen, das heißt,<br />

deutsche respektive chinesische Firmen sowie Privatpersonen, die als<br />

Agenten für Siemens fungierten und dem Unternehmen gegen Zahlung von<br />

Provisionen (und in einigen Fällen auch fixen monatlichen Gehältern zwischen<br />

773 Vgl. SAA 25/Lc 71: Hauptbuchhaltung in Peking (Schreiben von Reyss an das Unterbüro<br />

in Peking), 2.1.1925, S. 2.<br />

774 Die Hierarchie fand auch im Aufbau der Buchhaltung Ausdruck. Shanghai führte die<br />

Zentralbuchhaltung und Peking eine Hauptbuchhaltung, die wiederum die<br />

Nebenbuchhaltung der Nordbüros mit einschloss. Später wurde Peking von Tientsin als<br />

neues Hauptbüro für den Norden abgelöst. Dies lag daran, dass Peking infolge des<br />

Umzugs der Regierung nach Nanking - etwa 30.000 Beamte wanderten aus Peking ab -<br />

als Standort an Bedeutung verloren hatte und die Geschäftslage sich dort immer mehr<br />

verschlechterte. Vgl. SAA 25/Lc 71: Hauptbuchhaltung in Peking (Schreiben von Reyss an<br />

das Unterbüro in Peking), 2.1.1925, S. 2, und SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein<br />

Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in China. Plaudereien eines Siemens-<br />

Auslandsbeamten, Nanjing 1935, S. 159 f.<br />

775 Vgl. SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 9.<br />

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200 und 350 mexikanischen Dollar) Aufträge vermittelten oder den Vertrieb<br />

kleinerer Siemens-Artikel übernahmen. Die Zusammenarbeit mit diesen<br />

Vertretungen ließ sich flexibel steuern, da die Verträge kurze Laufzeiten<br />

hatten und jederzeit kündbar waren beziehungsweise nur eine kurze<br />

Kündigungsfrist vorsahen. 776 In einigen Fällen wurde auch mit befreundeten<br />

deutschen Firmen kooperiert. 777<br />

Bis zum Jahr 1927 wuchs die Belegschaft auf 380 Personen an. Da das<br />

Stammhaus im Jahr 1927 auf eine Verkleinerung drängte, gab es einen<br />

Personalabbau, vorwiegend beim europäischen Personal. Infolgedessen<br />

beschäftigte die Siemens China Co. bis zum Ausbruch des Kriegs in ihrem<br />

Vertriebsnetz ungefähr 250 Mitarbeiter.<br />

Abbildung 49: Belegschaft von Siemens in China von 1922 bis 1940<br />

776 Vgl. SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und<br />

Mietverträgen), Shanghai 3.12.1923, S. 6–9. Mit einigen Vertretern, wie im Fall von Herrn<br />

Amundsen in Yünnanfu, bestand nicht einmal ein Vertragsverhältnis.<br />

777 Vgl. SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und<br />

Mietverträgen), Shanghai 3.12.1923, S. 13. So führte die S.Ch.Co. zusammen mit Telge &<br />

Schroeter im Geschäftsjahr 1924/25 eine 300-PS-Zentrale für ein Kaufhaus aus. Ferner<br />

war gemeinsam mit der Goerlitzer Maschinenbau A.G. (GMA), die sich von Siemssen &<br />

Co. vertreten ließ, die Elektrifizierung der Kohlegruben bei Ihsien umgesetzt worden, für<br />

die die GMA die Turbinen geliefert hatte.<br />

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Von den Mitarbeitern waren ungefähr 80 Prozent chinesischer Herkunft und<br />

20 Prozent europäischer Abstammung. 778 Eine besondere Rolle nahmen wie<br />

vor dem Ersten Weltkrieg die Kompradoren ein. Allerdings wurde ihre Position<br />

in der Zwischenkriegszeit deutlich geschwächt. 779 Dafür waren zwei Faktoren<br />

verantwortlich. Erstens war das Nationalbewusstsein der Chinesen gestiegen.<br />

Dies führte dazu, dass der Druck von chinesischer Seite auf die Kompradoren<br />

wuchs, die dem Vorwurf ausgesetzt waren, mit den „Gegnern“ zu kooperieren.<br />

Das schlechte Ansehen der Kompradoren in der chinesischen Öffentlichkeit<br />

spiegelte sich weiterhin darin wider, dass sie mitunter als „running dogs for<br />

the foreigners“ bezeichnet wurden. 780 Zweitens zählten die Beziehungen der<br />

778 Zahlen nach SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926, S.<br />

8–25. Die S.Ch.Co. beschäftigte im Jahr 1925 372 Mitarbeiter. In Folge von<br />

Einsparmaßnahmen reduzierte sich die Zahl. Am 1.6.1937 beschäftigte die S.Ch.Co.<br />

insgesamt 275 Mitarbeiter, darunter 44 Deutsche (16 Prozent der Gesamtzahl), 209<br />

Chinesen (76 Prozent) und 22 Personen anderer Nationalität (8 Prozent).<br />

779 Trotz dieser Entwicklungen konnte die S.Ch.Co. nicht auf chinesische Kontaktleute zur<br />

Auftragsvermittlung verzichten. Anstatt der Bezeichnung Komprador wurde für sie nun<br />

allerdings der Begriff Adviser verwendet. Der ehemalige Komprador Pao wurde 1926<br />

seiner Direktoren-Stellung enthoben und zum Adviser ernannt. Ende der 20er Jahre<br />

mußte die S.Ch.Co. einen weiteren Adviser rekrutieren, da Kwan aus gesundheitlichen<br />

Gründen ausgeschieden war und Pao 1929 angekündigt hatte, das Unternehmen<br />

ebenfalls verlassen zu wollen. Im Jahr 1930 erfolgte die Einstellung von Yang-Yin als<br />

„Chief Adivser“. Yang-Yin erwies sich als äußerst wertvoll für das Unternehmen, da er in<br />

den Folgejahren maßgeblich verantwortlich für die Gewinnung einiger bedeutender<br />

Aufträge war. Vgl. dazu SAA 4/Lf 802: SSW-Organisation in China, Berlin 23.8.1929, S. 2,<br />

SAA 4/Lf 802: SSW-Organisation in China, Berlin 23.8.1929, S. 2, SAA 68/Li 190:<br />

Einstellung eines ersten Chinesen (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />

11.2.1930, und SAA 68/Li 190: Personalia Yang-Yin (vertrauliches Schreiben von<br />

S.Ch.Co. an CVU), Yunnanfu 3.12.1937, sowie SAA 68/Li 190: Formosa –<br />

Zusammenfassender Bericht über Yang-Yin (Notiz für Herrn W. Müller), <strong>Erlangen</strong><br />

29.11.1957.<br />

780 Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai<br />

31.8.1928, S. 18. Der zunehmende Druck äußerte sich beispielsweise darin, dass ihnen in<br />

einigen Fällen die Erlaubnis zur Mitgliedschaft in chinesischen Handelskammern entzogen<br />

wurde.<br />

Seite | 267


einzelnen Kompradoren zu bestimmten Regierungsstellen aufgrund häufiger<br />

Personalwechsel in den jeweiligen Regierungen weniger als früher. 781<br />

Beim Personal wurden chinesische Ingenieure besonders gefördert. So erhielt<br />

eine ganze Reihe junger Chinesen –in der Regel fertig ausgebildete<br />

Ingenieure, die in China studiert hatten – durch Vermittlung der S.Ch.Co. die<br />

Möglichkeit, als sogenannte Informanten eine praktische Weiterbildung in den<br />

Berliner Werken zu absolvieren. 782 Dort wurde ihnen ein intensiver Einblick in<br />

die Bereiche gegeben, auf die sie sich in ihrem Studium spezialisiert hatten. 783<br />

Siemens erhielt in der Zwischenkriegszeit in China immer stärkere<br />

internationale Konkurrenz. Die wichtigsten europäischen Konkurrenten waren<br />

General Electric Co., Westinghouse Co., Brown Boveri 784 sowie die China-<br />

781 Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai<br />

31.8.1928, S. 18.<br />

782 Vgl. SAA 37/La 529: Einstellung von Informanten (Schreiben von AU an S.Ch.Co.), Berlin<br />

8.1.1934, S. 1, und SAA 37/La 529: Telefunken-Informant S.S. Chow (Schreiben von<br />

Telefunken/China an Telefunken/Berlin), Shanghai 7.8.1934.<br />

783 Vgl. SAA 37/La 529: Chinesisches S&H-Personal (Schreiben von Übersee-Abteilung an<br />

S.Ch.Co.), Berlin 5.5.1933, S. 1 ff., und SAA 37/La 529: Einstellung von Informanten<br />

(Schreiben von AU an S.Ch.Co.), Berlin 8.1.1934, S. 1. Daneben gab es auch einige in<br />

Deutschland studierende Chinesen, die aufgrund von Empfehlungen der chinesischen<br />

Gesandtschaft oder deutscher Professoren als Hochschulpraktikanten in den Siemens-<br />

Werken ausgebildet wurden. Denjenigen, die dabei besonders positiv auffielen, wurde<br />

eine spätere Einstellung bei der S.Ch.Co. zu ermöglicht. Unterstützung von Siemens<br />

erhielten die Hochschulpraktikanten beispielsweise in Form von Stipendien oder speziell<br />

für sie eingerichteten Unterrichtskursen an der <strong>Universität</strong>.<br />

784 Die Organisation der BBC in China unterschied sich deutlich von der der S.Ch.Co.<br />

Während letztere einen großen Stab europäischer Kaufleute und Ingenieure in China<br />

beschäftigte, hatte die BBC höchstens einen eigenen Ingenieur, in der Regel aber nur<br />

einen Montageleiter vor Ort stationiert. Das Unternehmen konnte stattdessen auf in der<br />

Schweiz ausgebildete chinesische Ingenieure zurückgreifen. Die Vertriebsorganisation des<br />

Schweizer Unternehmens lag ansonsten vollständig in der Hand der rein chinesischen<br />

Sintoon-Handelsgesellschaft. Diese wurde aus nationalistischen Gründen von<br />

chinesischer Seite stark unterstützt, hatte hervorragende Verbindungen im Land und<br />

konnte durch enge Zusammenarbeit mit einer chinesischen Bank zudem finanzielle<br />

Seite | 268


Ausfuhr-Vereinigung Concordia 785 und die AEG 786 . 787 Die wichtigsten<br />

japanischen Konkurrenten waren Hitachi, Mitsubishi, Shibaura sowie Tokyo<br />

Electric. 788 Zu Beginn der 1930er Jahre traten auch erstmals chinesische<br />

Unternehmen als ernstzunehmende Konkurrenten auf. 789 So bot die<br />

Shanghaier Fabrik Asia Electric Motoren aus eigener Produktion an. Neben<br />

Sicherheiten bieten. Neben diesen Faktoren bestand ein weiterer wichtiger Vorteil in den<br />

geringen Kosten einer solchen Organisation. Dies schlug sich in den günstigen<br />

Preiskonditionen der BBC nieder, die das Unternehmen auch in China zu einem ernst zu<br />

nehmenden Konkurrenten von Siemens machten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der<br />

S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai 31.8.1928, S. 18 f.<br />

785 Die China-Ausfuhr-Vereinigung Concordia bestand aus D.E.W., Garbe, Lahmeyer & Co.,<br />

Aachen-Jülich für elektrische Fabrikate, Voigt & Haeffner AG, Frankfurt/Main für<br />

Schaltanlagen und Schaltapparate, Hartmann & Braun AG, Frankfurt/Main für<br />

Messinstrumente und Gottfried Hagen, Köln-Kalk, für Akkumulatoren. Vgl. SAA 15/La 610:<br />

Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 13.<br />

786 Die Vertriebsorganisation der AEG China Electric verfügte in der Zwischenkriegszeit über<br />

ein kleines Vertriebsnetz. So gab es Büros in Shanghai (Hauptsitz), Tientsin, Canton (seit<br />

Januar 1935) und Nanking sowie Ingenieurposten in Jinan und Hongkong. Die Mehrzahl<br />

der Aufträge wurde jedoch über verschiedene deutsche und chinesische Handelshäuser<br />

abgewickelt, mit denen die AEG China Electric Co. Vertreterverträge abgeschlossen hatte.<br />

Die Aufträge der AEG erstreckten sich dabei auf die gesamte Produktpalette des<br />

Konzerns. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 296.<br />

787 Weitere Konkurrenten waren u.a. die schwedische Firma ASEA (Allmanna Svenska<br />

Elektriska Aktiebolaget) bei Turbinen. Vgl. SAA 15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co.<br />

1921/22, Shanghai 10.11.1922, S. 11 f., und SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co.<br />

1924/25, Shanghai 25.2.1926, S. 17.<br />

788 Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus Hankow (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />

Hankow 4.7.1920, S. 3.<br />

789 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 208 ff. Unter diesen Gesichtspunkten erwog die<br />

Siemens China Co., eine Produktionskooperation mit der Asiatic Electric einzugehen. Das<br />

Stammhaus zeigte sich in Bezug auf dieses Thema allerdings unentschlossen und<br />

zurückhaltend, so dass der Plan nicht über den Zustand „unverbindlicher Besprechungen“<br />

hinauskam.<br />

Seite | 269


Glühlampen und Motoren wurde auch die Produktion von Leitungen<br />

aufgenommen. 790<br />

Nach Ausbruch des chinesisch-japanischen Kriegs 791 ging das Anlagen- und<br />

Verkaufsgeschäft stark zurück, wobei anfänglich mit kriegswichtigem Material<br />

noch ein gewisser Ausgleich erzielt werden konnte. 792 Nach dem Ausbruch<br />

790 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 182 f. Ferner wurden in von der Regierung<br />

eingerichteten Radiowerkstätten in Mukden, Shanghai und Canton drahtlose Stationen<br />

verschiedener Größe zusammengebaut.<br />

791 John H. D. Rabe (1882–1950) spielte eine besondere Rolle im Verlaufe des chinesisch-<br />

japanischen Kriegs. Rabe war seit 1911 in China tätig. Ab November 1931 war er als<br />

Repräsentant der Siemens China Co. in der damaligen Hauptstadt Nanking. Nach der<br />

Eroberung der Stadt am 12. Dezember 1937 richteten japanische Truppen ein Blutbad an.<br />

Mehr als acht Wochen kam es zu Massenexekutionen sowie systematischen<br />

Vergewaltigungen. Schätzungen gehen von etwa 300.000 Opfern aus. Die in der Stadt<br />

verbliebenen Ausländer versuchten den Einwohnern zu helfen, indem sie eine<br />

Sicherheitszone aufbauten. Infolgedessen wurde John Rabe zum Vorsitzenden des<br />

Internationalen Komittees der Sicherheitszone gewählt, da man hoffte, dass ein Deutscher<br />

am besten auf das japanische Militär Einfluss nehmen könnte. In der 6 Quadratkilomter<br />

großen Zone und dem Siemensgelände konnten 250.000 Menschen gerettet werden.<br />

John Rabes humanitäres Engagement lag nicht im Interesse der Siemens China Co., die<br />

Rabe nach Hankow, den neuen Sitz der KMT-Regierung nach Eroberung Nankings,<br />

beordern wollte. Nachdem er im Februar 1938 Nanking verlassen hatte, machte Rabe in<br />

Deutschland durch Vorträge und Filmvorführungen bei Siemens und in verschiedenen<br />

Ministerien auf die japanischen Kriegsverbrechen aufmerksam. Als Rabe im Sommer 1938<br />

eine Kopie seines Berichts an Hitler sandte, wurde er von der Gestapo verhaftet. Nach<br />

Intervention von Carl <strong>Friedrich</strong> von Siemens wurde Rabe freigelassen. Allerdings wurde<br />

ihm verboten, weiter über die Ereignisse zu berichten, und er wurde für einige Monate<br />

nach Afghanistan entsandt. Während des Kriegs war er in der Siemens-Überseeabteilung<br />

beschäftigt, verlor diese Stelle allerdings nach dem Krieg. Er starb verarmt in Berlin im<br />

Jahr 1950. Vgl. SAA 16486: Mutz, Internationalisierung, S. 52 f., und Chang,<br />

Vergewaltigung, S. 117–132, sowie Wickert, John Rabe.<br />

723 So veräußerten die Siemens China Co. und Telefunken über die HAPRO zunehmend<br />

Einrichtungen für Nachrichtenübertragung. In diesem Zusammenhang erfolgte im Jahr<br />

1937 die Errichtung einer Werkstatt in Hongkong, in der die Montage von Feldtelefonen für<br />

das chinesische Militär vorgenommen wurde. Im Juni 1937 schloss die S.Ch.Co. ein<br />

Abkommen mit der China Development Finance Corporation ab, das die Unterstützung<br />

Seite | 270


des Kriegs in Europa beschränkte sich das Geschäft dann fast ausschließlich<br />

auf Reparaturarbeiten. Die Mehrzahl der Unterbüros musste aus diesem<br />

Grund geschlossen werden. 793 Mit der offiziellen Kriegserklärung Chinas an<br />

Deutschland am 9. Dezember 1941 kam das Geschäft gänzlich zum Erliegen.<br />

Nach der Kapitulation Japans wurden im Herbst 1945 die in der japanischen<br />

Besatzungszone verbliebenen Büros, Lager sowie Geschäfte von der<br />

chinesischen Regierung geschlossen und die Guthaben und Immobilien<br />

beschlagnahmt.<br />

2.3.2 Ausgewählte Aspekte der Geschäftstätigkeit bis 1939<br />

2.3.2.1 Gründung der Tseng Hua Electrical Manufacturing Co.<br />

Im selben Zeitraum wurde von der S.Ch.Co. und einem chinesischen<br />

Finanzkonsortium, das sich aus angesehenen Persönlichkeiten aus der<br />

chinesischen Industrie und Eisenbahn-Gesellschaften zusammensetzte, die<br />

Tseng-Hua-Gesellschaft gegründet. 794<br />

von Siemens-Lieferungen für das chinesische Nachrichtenwesen auf langfristiger<br />

Finanzierungsbasis beinhaltete. Das Ziel der China Development Finance Corporation, der<br />

prominente Wirtschaftsvertreter aus China und Europa angehörten, war die Beschaffung<br />

von Finanzmitteln zur Durchführung von Wirtschaftsprojekten in China. Vgl. SAA 68/Li<br />

190: Captain Yang Yin (Schreiben von Probst aus Brasilien an SSW-AG Berlin), Rio de<br />

Janeiro 24.5.1954, S. 3, und SAA 68/Li 190: Siemens in China (Zusammenstellung von<br />

Wettlaufer), München 2.1.1980, S. 53, sowie Kuß, Völkerbund, S. 150 f.<br />

793 Vgl. Mielmann, S. 259 f. Die Schließung in den japanisch besetzten Gebieten war<br />

allerdings nicht freiwillig. Alle ausländischen Firmen, auch die deutschen mussten ihre<br />

Tätigkeit einstellen. Ende 1940 bestanden nur noch das Hauptbüro in Shanghai sowie die<br />

Unterbüros in Peking, Tientsin und Jinan.<br />

794 Das Direktorium der Tseng Hua bestand aus 9 Mitgliedern, die aufgrund des damaligen<br />

chinesischen Handelsrechts allesamt Chinesen sein mussten. Fünf der<br />

Direktoriumsmitglieder wurden von den chinesischen, die restlichen vier von den<br />

Seite | 271


Das Kapital dieses Joint Ventures betrug 1,5 Millionen mexikanische Dollar,<br />

die zu 51 Prozent von den Chinesen und zu 49 Prozent von der S.Ch.Co.<br />

aufgebracht werden mussten. 795 Langfristiges Ziel der Gesellschaft sollte die<br />

Aufnahme einer eigenen Produktion in China sein, wofür die SSW<br />

Erfahrungen und Patente zur Verfügung stellte. Auf unbestimmte Zeit war<br />

eine Produktion allerdings nicht vorgesehen. Stattdessen sollte lediglich der<br />

Schein erweckt werden, dass es sich um eine in China fabrizierende<br />

Gesellschaft handle. 796<br />

Die Hintergründe dieser Überlegungen und die weitere Entwicklung der<br />

Tseng- Hua-Gesellschaft werden im Folgenden näher erläutert.<br />

Ein großes Problem beim Wiederaufbau des Geschäfts der S.Ch.Co. in China<br />

stellten die hohen, oft nicht wettbewerbsfähigen Preise dar, die das<br />

Stammhaus in Berlin seiner chinesischen Tochtergesellschaft für die<br />

gelieferten Produkte vorschrieb. Die Geschäftsführer der S.Ch.Co., Ehrhardt<br />

und Kocher, zeigten sich darüber äußerst unzufrieden und waren aber<br />

deutschen Kapitalgebern gewählt. Zusätzlich wurde eine sechsköpfige<br />

Überwachungskommission eingesetzt, zu der auch der Fabrikleiter gehörte. Vgl. SAA<br />

11/Lf 499: Vertrag zwischen Tseng Hua und S.Ch.Co., Peking 14.5.1921, S. 4.<br />

795 Die S.Ch.Co. sicherte sich aber über ihren Komprador Kwan, der Anteile in Höhe von<br />

50.000 mexikanischen Dollar (3,33 Prozent der Anteile) erwarb, die Aktienmajorität. Das<br />

Stammhaus gab Anweisung, mit ihm zu vereinbaren, dass er seine Anteile entweder an<br />

die S.Ch.Co. weiterzuverkaufen oder sein Stimmrecht an sie abzugeben habe. Vgl. SAA<br />

25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von<br />

CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 6 f.<br />

796 Es war vorgesehen, dass sich die S.Ch.Co. in einigen Fällen der Tseng Hua bedienen<br />

sollte, um Aufträge einzuholen, da davon auszugehen war, dass ein (scheinbar) rein<br />

chinesisches Unternehmen bei Aufträgen der chinesischen Regierungsstellen und<br />

Behörden bevorzugt werden würde. Um die Tseng Hua als Auftragnehmer glaubhaft<br />

erscheinen zu lassen, sollte eine eigene Fabrikation vorgetäuscht werden. Vgl. SAA 25/Lc<br />

71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von CVU an<br />

S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 1, und SAA 25/Lc 71: Protokoll einer Konferenz<br />

vom 8.9.1921 über die in China am 14.5.1921 eingegangenen Verträge (Aktennotiz),<br />

Berlin 10.9.1921, S. 2.<br />

Seite | 272


vermutlich ernsthaft an einer Fabrikation in China interessiert. Dies hätte<br />

bedeutet, dass Produkte aufgrund der Einsparungen bei Transport- und<br />

Fertigungskosten zu deutlich niedrigeren Preisen hätten angeboten werden<br />

können. Höhere Umsätze und Gewinne wären die Folge gewesen. Ferner<br />

konnte die Geschäftsführung der S.Ch.Co. davon ausgehen, dass sie mit<br />

einer Fabrikation in China mehr Verantwortung, Macht und Autonomie – auch<br />

bei der Preisfestlegung – erhalten hätte. 797<br />

Ein zusätzlicher Ansporn für die Errichtung einer eigenen Produktionsstätte in<br />

China dürfte auch das Verhalten der Wettbewerber gewesen sein: Die<br />

amerikanische General Electric Co. hatte gegen Ende des Kriegs, 1917, in<br />

Shanghai eine Glühlampenfabrik unter dem Namen China General Edison<br />

Co. gebaut. 798 Das englische Unternehmen Marconi führte<br />

Vertragsverhandlungen mit dem chinesischen Board of Communications in<br />

Peking über die gemeinsame Errichtung einer Fabrikation funktechnischer<br />

Geräte. 799 Die Western Electric Co. wiederum verfügte über eine<br />

Fertigungsstätte für Telefone in Shanghai. 800<br />

Obwohl das Stammhaus es nicht für ausgeschlossen hielt, unter veränderten<br />

politischen Rahmenbedingungen in Zukunft eine eigene Fabrikation der<br />

Tseng Hua zuzulassen, lehnte es dies vorerst ab, da die zu dieser Zeit<br />

797 Vgl. SAA 25/Lc 71: Umwandlung der Siemens China Co. in eine deutsch-chinesische<br />

Gesellschaft (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 21.7.1921, S. 2 f.<br />

798 Vgl. Mangold, Industrie, S. 32. Im Jahr 1919 berichtete der Vorstand in Shanghai der CVU,<br />

dass dort von chinesischen Arbeitern unter Leitung eines Amerikaners täglich 1.500<br />

Lampen hergestellt wurden. Fäden und Metallteile der Lampen kamen aus Amerika. Das<br />

Glas wurde in China hergestellt, was den Vorteil hatte, dass Glasbrüche während der<br />

Fracht ausgeschlossen werden konnten. Vgl. SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China<br />

(Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 28.7.1919, S. 7.<br />

799 Vgl. SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Geschäftsbericht (Handschriftlicher Bericht von S.Ch.Co.<br />

an CVU), Peking 24.10.1919, S. 1–7.<br />

800 Die Fertigung dort war nur von kurzer Dauer und wurde 1922 bis auf Weiteres eingestellt.<br />

Vgl. SAA 15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922,<br />

S. 14 f.<br />

Seite | 273


herrschenden politischen Zustände in China als ein zu großes Risiko für einen<br />

solchen Schritt empfunden wurden. 801 Ferner mangelte es an Vertrauen in die<br />

chinesischen Partner bezüglich des Umgangs mit Patenten und<br />

Lizenzen. 802 Daher wurde entschieden, dass die Tseng Hua für die nächsten<br />

Jahre im Wesentlichen als größere Werkstatt fungieren sollte. 803<br />

Da jedoch nicht davon auszugehen war, dass eine reine Werkstatt genügend<br />

Gewinn abwerfen würde, um die chinesischen Aktionäre zufriedenzustellen,<br />

musste die S.Ch.Co. eine weitere Anlagemöglichkeit für das Kapital suchen.<br />

Zu diesem Zweck wurde beschlossen, zusammen mit der Tseng Hua die<br />

Finanzierung und den Betrieb eines Kraftwerks – des Tseng-Hua-Kraftwerks –<br />

zu übernehmen. 804<br />

Im Jahr 1922 begann die S.Ch.Co. mit der Errichtung der Tseng-Hua-<br />

Überlandzentrale, bei der es sich um das erste chinesische Überland-<br />

Dampfkraftwerk handelte. Es wurde in der Nähe des damals kleineren Ortes<br />

Tsi-Shu-Yen gebaut, der am Kaiser-Kanal an der Bahnlinie Shanghai-Nanking<br />

lag. Betreiber war die Tseng Hua Electric Manufacturing Co. Zum<br />

801 Vgl. SAA 25/Lc 71: Protokoll einer Konferenz vom 8.9.1921 über die in China am<br />

14.5.1921 eingegangenen Verträge (Aktennotiz), Berlin 10.9.1921, S. 2.<br />

802 Im Jahresbericht 1929/30 der S.Ch.Co. heißt es: „Eine gewisse Schwierigkeit wird<br />

vorläufig darin liegen, dass die Patentgesetzgebung Chinas rückständig ist. Die seinerzeit<br />

erlassene Verordnung, die geradezu eine Prämie auf Patentverletzung aussetzte, ist vor<br />

kurzem aufgehoben, ohne dass man jedoch bisher über die anderen Absichten des<br />

Gesetzgebers im Klaren ist.“ Vgl. SAA 15/Lp 168: Auszug aus dem Jahresbericht<br />

1929/1930 der Siemens China Co., 12.11.1930.<br />

803 Vgl. SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co.<br />

(Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921, S. 7.<br />

804 Vgl. SAA 10850: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben<br />

von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 3.1.1922, S. 1–14, und SAA 15/Lp 168: Tseng Hua<br />

Electrical Manufacturing Co. (Aktennotiz), Berlin 19.9.1924, S. 1–5, sowie SAA 12/Lm<br />

910a I: Mosig, Karl, Die erste Hochspannungs-Fernübertragungsanlage Chinas; in:<br />

Siemens-Zeitschrift, 4/1925, S. 149–153, hier S. 149.<br />

Seite | 274


Lieferumfang gehörten neben zwei Turbosätzen (jeweils 3.200 kW)<br />

Fernleitungen und Umspannwerke. 805<br />

Das Projekt war mit einem hohen unternehmerischen Risiko verbunden.<br />

Anders als in Deutschland üblich, gab es vor der Errichtung keine Verträge für<br />

den Strombezug mit späteren Abnehmern. So kam es, dass das Kraftwerk<br />

während der ersten Monate mit einer äußerst geringen Auslastung in Betrieb<br />

gehen musste. Erst nach intensiver Werbearbeit eigens dafür angestellter<br />

Beamter konnten Abnehmer gefunden und die Überlandzentrale auf Volllast<br />

hochgefahren werden. 806<br />

Schließlich wurde die erzeugte Energie zur Versorgung der 10 be-<br />

ziehungsweise 33 Kilometer entfernten Städte Changchow (im Jahr 1927<br />

circa 130.000 Einwohner) und Wusieh (im Jahr 1927 circa 200.000<br />

Einwohner) sowie zum Betrieb von Bewässerungsanlagen eingesetzt. 807<br />

Im Jahr 1929 wurde das Kraftwerk per Dekret von der Nanking-Regierung<br />

nationalisiert und Siemens von allen Verpflichtungen des Gründungsvertrages<br />

entbunden. 808<br />

805 Vgl. SAA 47/Lp 178: Ausführlicher Bericht auf Grund der Unterlagenblätter über China,<br />

Mandschukuo, Thailand (Teil der Unterlagenmappe „100 Jahre Siemens“), S. 6, und SAA<br />

47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift, 10/1927,<br />

S. 662–668, hier S. 663 f., sowie SAA 12/Lm 910a I: Mosig, Karl, Die erste<br />

Hochspannungs-Fernübertragungsanlage Chinas; in: Siemens-Zeitschrift, 4/1925, S. 149–<br />

153, hier S. 149 f.<br />

806 Vgl. SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />

10/1927, S. 662–668, hier S. 664.<br />

807 Vgl. SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />

10/1927, S. 662–668, hier S. 663.<br />

808 Vgl. SAA 10850: Auflösung des Vertrages mit Tseng Hua Electric Manufacturing Co. of<br />

China, Berlin 9.9.1930.<br />

Seite | 275


2.3.2.2 Bedeutende Aufträge bis 1939<br />

Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über einige ausgewählte Projekte in<br />

der Zwischenkriegszeit. Die beiden wichtigsten Geschäftsfelder waren dabei<br />

der Bau von Kraftwerken beziehungsweise die Lieferung von<br />

Kraftwerksausrüstung und die Kommunikationstechnik vor allem das<br />

Telefongeschäft. Im Geschäftsfeld Kraftwerke gelang es Siemens im<br />

Zeitverlauf, immer mehr Aufträge für den Bau von Überlandkraftwerken zur<br />

Versorgung von Städten zu gewinnen. Im Industriekundengeschäft erhielt das<br />

deutsche Unternehmen vor allem von Minengesellschaften, Textil- und<br />

Zementfirmen zahlreiche Aufträge für kleinere Kraftwerke, Förderanlagen und<br />

elektrische Maschinen. Auch im Bahngeschäft war Siemens weiterhin aktiv.<br />

Seite | 276


Abbildung 50: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 1<br />

Seite | 277


Die S.Ch.Co. war an Straßenbahnprojekten in Shanghai, Harbin und Peking<br />

beteiligt. 809 Ferner wurden mehrere Grubenbahnen und elektrische<br />

Lokomotiven für Minengesellschaften geliefert.<br />

Im Geschäftsfeld Kommunikationstechnik gab es einige Projekte größeren<br />

Ausmaßes. Dabei ist die Einrichtung von Telefonämtern hervorzuheben.<br />

Größere Anlagen wurden beispielsweise im Laufe der Jahre in Tsinanfu,<br />

Tientsin, Mukden und Hankow errichtet und mehrmals erweitert. 810 Die<br />

Erfolge in diesem Bereich wurden vor allem aufgrund von Verträgen und<br />

Abkommen mit Regierungsstellen beziehungsweise durch gute Beziehungen<br />

zu diesen erst möglich. 811 Im Geschäftsjahr 1937/38 wurde im Telefonsektor<br />

ein Umsatz von etwa 2,6 Millionen US-Dollar erzielt. 812<br />

809 Vgl. SAA 47/Lp 178: Ausführlicher Bericht auf Grund der Unterlagenblätter über China,<br />

Mandschukuo, Thailand (Teil der Unterlagenmappe „100 Jahre Siemens“), S. 12 f., und<br />

SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens-Zeitschrift,<br />

10/1927, S. 662–668, hier S. 667. Dabei standen Projekte im Bereich Straßenbahnen<br />

angesichts des Stromverbrauchs in enger Verbindung zum Kraftwerksgeschäft. Neben der<br />

Stromversorgung von Straßenbahnen übernahm Siemens auch die Lieferung der<br />

elektrischen Ausrüstung und mitunter ganzer Triebwagen.<br />

810 Vgl. SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom 27.10.1925 über das chinesische<br />

Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925, S. 5 ff., und Mielmann,<br />

Handelsbeziehungen, S. 278.<br />

811 Siemens hatte eine Art Monopolstellung für die Lieferung von Nachrichtentechnik beim<br />

chinesischen Kriegsministerium inne. Dort waren bis 1938 hochrangige deutsche<br />

Militärberater angestellt, die veranlassen konnten, dass Siemens bei Auftragsvergaben<br />

des Ministeriums besonders berücksichtigt wurde. Im Jahr 1937 wurde ein Vertrag<br />

zwischen der National Resources Comission (NRC) sowie S&H über die gemeinsame<br />

Errichtung einer Telefonfabrik abgeschlossen. Zu den Initiatoren dieses Projektes, mit dem<br />

die chinesische Regierung ihr Know-how im Bereich Telefontechnik zu verbessern hoffte,<br />

gehörte Chiang Kai-Shek. Nachdem S&H einige Auslieferungen durchgeführt hatte, wurde<br />

die Unternehmung in den Folgejahren, vermutlich aufgrund der Kriegswirren, nicht weiter<br />

vorangetrieben. Im Jahr 1948 teilte S&H der NRC schließlich die Kündigung des Vertrages<br />

zum 30.6.1949 mit. Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 280, SAA 12013:<br />

Vollmachtserteilung für Eicke und Schulz zur Unterzeichnung des Vertrags für die<br />

Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von S&H an die chinesische Botschaft in Berlin),<br />

Seite | 278


Auch in der Funktechnik konnte die S.Ch.Co. vermehrt Aufträge verbuchen.<br />

Dabei war die Geschäftslage für Telefunken in China in den ersten<br />

Nachkriegsjahren aufgrund der starken angelsächsischen und französischen<br />

Konkurrenz außerordentlich schwierig. Dennoch wurden mehrere Aufträge für<br />

Sendestationen bearbeitet. 813<br />

Ein Geschäftszweig von Telefunken, dessen Bedeutung in China Ende der<br />

1930er Jahre zunahm, war das Geschäft mit Kopfhörern, Rundfunkgeräten<br />

(Radios) und Tonabnehmern. 814 Besonders gut absetzen ließen sich<br />

Kopfhörer, die hauptsächlich von Behörden nachgefragt wurden.<br />

22.7.1937, und SAA 12013: Bemerkungen zum Vertrag für die Telefonfabrik in Changsha<br />

(Schreiben von S&H an die National Resources Commission), Nanking 1.8.1937, sowie<br />

SAA 12013: Kündigung des Vertrages der Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von S&H<br />

an die National Resources Commission), 5.11.1948.<br />

812 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 278.<br />

813 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18. Im Jahr 1921 wurde für das<br />

Verkehrsministerium ein Löschfunksender in Chefoo (5 Kilowatt) errichtet. Zwischen 1922<br />

und 1924 kamen Anlagen u.a. in Taku (1,5 Kilowatt), Paotingfu (1,5 Kilowatt), Amoy (1,5<br />

Kilowatt), Newchwang (1,5 Kilowatt), Haimen (0,5 Kilowatt), Hulutao (1,5 Kilowatt) und<br />

Yinkow (1,5 Kilowatt) hinzu. In der Folgezeit trat diese Technik allerdings hinter die neu<br />

aufkommenden Röhrensender zurück. Röhrensenderstationen wurden u.a. nach Tientsin,<br />

Wuchow, Hangchow, Nanning, Suchow, Mukden (jeweils 0,5 Kilowatt), Tsitsihar (1<br />

Kilowatt), Tayuanfu, Changchun, Pratas (jeweils 2 Kilowatt), Peking, Woosung, Wuchang<br />

und Harbin (jeweils 5 Kilowatt) und Mukden (10 Kilowatt) geliefert. Weitere wichtige<br />

Meilensteine für die Entwicklung des Rundfunkgeschäfts in China waren die Jahre 1933<br />

(große Kurzwellen-Rundfunksender, die bis nach China senden konnten, kamen in<br />

Zeesen in Betrieb) und 1935, als die Leistung der Sender in Deutschland nochmals<br />

deutlich verbessert werden konnte. 1940 wurde in Shanghai ein deutscher<br />

Rundfunksender errichtet, der das Interesse für den lokalen Empfang steigerte und das<br />

Geschäft weiter belebte.<br />

814 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 15 f. Das Rundfunkgeschäft<br />

beschränkt sich fast ausschließlich auf die großen Städte, da in der Regel nur dort Strom<br />

zur Verfügung stand. Der Verkauf der Geräte erfolgte entweder über die S.Ch.Co. und<br />

deren Unterbüros oder über Agenturen. Zu den Unterbüros und Agenturen wurde von Zeit<br />

zu Zeit Personal entsandt, das in der Rundfunkwerkstatt in Shanghai ausgebildet worden<br />

war, um beispielsweise Reparaturdienste durchführen zu können.<br />

Seite | 279


Problematisch war, dass die Geräte teilweise von geheimen Werkstätten bis<br />

hin zur Verpackung illegal kopiert wurden. 815<br />

Abbildung 51: Bedeutende Aufträge China bis 1939 Teil 2<br />

Auf dem Markt für Rundfunkgeräte und Tonträger 816 herrschte ein großer<br />

Wettbewerbsdruck. Telefunken sah sich mit internationaler Konkurrenz, vor<br />

allem amerikanischer Firmen, konfrontiert. 817 Bis 1934 war das Geschäft in<br />

815 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18.<br />

816 Im Jahr 1931 gingen die elektroakustischen Abteilungen von Siemens und der AEG an<br />

Telefunken über. Bei Produkten aus diesem Bereich handelte es sich insbesondere um<br />

Lautsprecher und Musikanlagen.<br />

817 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18. Auf dem chinesischen Markt<br />

wurde grundsätzlich das gesamte Qualitätsspektrum angeboten, wobei Produkte der<br />

Seite | 280


China auf diesem Geschäftsfeld daher relativ schwach. Nach 1934 kam es in<br />

dieser Sparte allerdings zu einem Aufschwung, den die S.Ch.Co. auf die gute<br />

Qualität und das ansprechende Design ihrer Fabrikate, verstärkte Werbung<br />

sowie eine intensivere Elektrifizierung zurückführte. 818<br />

Darüber hinaus konnte Siemens auch auf dem Gebiet der Elektromedizin<br />

seine Geschäftstätigkeit ausweiten. 819 Im Jahr 1936 betrug der Anteil der<br />

SRW am deutschen Gesamt-Export medizinisch-technischer Waren nach<br />

China 27 Prozent. Die Hauptabnehmer der Produkte (Röntgen-, Kurzwellen-,<br />

Ultratherm-, Diathermiegeräte und verschiedene Messinstrumente) waren<br />

Krankenhäuser und <strong>Universität</strong>en. 820 Ein wichtiger Wettbewerber war neben<br />

japanischen Unternehmen den Geschäftsberichten zufolge die deutsche<br />

Firma Sanitas. Eine ungewöhnliche Konkurrenz bildeten Ende der 1930er<br />

Jahre aus Deutschland geflohene jüdische Ärzte, die elektromedizinische<br />

untersten Klasse bereits von der chinesischen Industrie gefertigt wurden. Hierbei handelte<br />

es sich allerdings beinahe ausschließlich um Kopien amerikanischer Geräte.<br />

818 Vgl. SAA 10619: Telefunken in China, April 1944, S. 18. Zu mittleren und größeren<br />

Lieferungen gehörten u.a. Lautsprecher- bzw. Musikanlagen für Kunden in Nanking<br />

(Stadion, Central-Broadcasting-Station, Artillerieschule und ein Arsenal), Shanghai (Race<br />

Course, Deutscher Gartenclub, Französischer Club, Auditorium, Lyceum-Theater und das<br />

Canidrome), Tsiantau (katholische Kirche), Hongkong (Kathedrale) sowie für die Städte<br />

Hanko, Chingkiang und Canton.<br />

819 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 282.<br />

820 Bis 1939 wurden Krankenhäuser bzw. <strong>Universität</strong>en in folgenden Städten mit den<br />

genannten Produkten beliefert: Shanghai (Paulun-Hospital, General Hospital, Country<br />

Hospital, Municipal Hospital, Civic Centre Hospital) Shanghai-Nantao (Municipal Hospital),<br />

Shanghai-Kiangwan (Chung Shan Hospital, Tubercoulosis Clinic, Hungjao Sanatorium),<br />

Nanking (Central Hospital), Peking (German Hospital, Union Medical College), Tientsin<br />

(German-American Hospital, Mackenzie Hospital), Tsingtao (German Faber Hospital,<br />

Municipal Hospital), Hongkong (British Government Civic Hospital), Macao (Government<br />

Hospital), Canton (German Hospital, Municipal Hospital, Sun Yat Sen University), Swatow<br />

(Municipal Hospital), Changsha (Hunan Yale University) und Nanchang (Government<br />

Hospital). Vgl. SAA 68/Li 190: Siemens in China (Zusammenstellung von Wettlaufer),<br />

München 2.1.1980, S. 49 ff.<br />

Seite | 281


Geräte aus der Heimat mitgebracht hatten und zu sehr niedrigen Preisen in<br />

China verkauften. 821<br />

Auch im Geschäftsfeld „Fremdgeschäfte“ war Siemens sehr erfolgreich. Das<br />

wichtigste Projekt hierbei war die Modernisierung der Peking-Hankow-Bahn.<br />

Es handelte sich hierbei um ein Lieferabkommen für die Modernisierung der<br />

circa 1.400 km langen Bahnlinie Peking-Hankow (PEHAN-Bahnlinie) mit<br />

einem Wert von 45 Millionen mexikanischen Dollar. Im Lieferumfang waren<br />

Eisenbahnwerkstätten, Beleuchtungsanlagen für Bahnhöfe, Eisenbahn-<br />

signalanlagen von S&H, Eisenbahnschienen, Weichen, Stellwerke und<br />

Eisenkonstruktionen für Brücken enthalten. Siemens übertrug allerdings kurze<br />

Zeit nach dem Auftragserhalt gegen eine Abschlussprovision von 0,25<br />

Prozent des Gesamtwerts die Projektführung an die Stahlunion. Da im<br />

Rahmen des chinesisch-japanischen Kriegs die PEHAN-Bahnlinie zerstört<br />

wurde und keine weiteren Bestellungen oder Bezahlungen mehr erfolgten,<br />

erwies es sich für Siemens letztlich als vorteilhaft, die Verantwortung für das<br />

Projekt abgegeben zu haben. 822 Die Analyse dieses Auftrags führt zu vier<br />

Feststellungen: Erstens zeigt sich, dass Siemens auch nach dem Ende der<br />

REU noch engen Kontakt zur Stahlindustrie hatte, der auch in China genutzt<br />

wurde. 823 Zweitens wurde erneut die Bedeutung persönlicher Beziehungen für<br />

den Abschluss von Geschäften erkennbar, da Siemens diesen Auftrag vor<br />

allem aufgrund seiner Kontakte zu Eisenbahnminister Ku Meng-Yü und<br />

dessen Nachfolger Chang Kia-ngau erhielt. 824 Drittens unterstreicht die<br />

Tatsache, dass die chinesischen Auftraggeber die Verträge nicht direkt mit<br />

821 Vgl. Mielmann, Handelsbeziehungen, S. 282 f.<br />

822 Vgl. SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />

24.6.1984, S. 1 ff.<br />

823 Die auf die frühere Interessengemeinschaft Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union<br />

zurückgehende Stahlabteilung der S.Ch.Co. hatte bis in die 30er Jahre Bestand. Vgl. SAA<br />

9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984,<br />

S. 1 ff.<br />

824 Vgl. SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />

24.6.1984, S. 1 ff.<br />

Seite | 282


den Stahlfirmen abschlossen, sondern mit dem nur zu geringen Teilen an den<br />

Lieferungen beteiligten Siemens-Konzern, das Vertrauen, das die Chinesen<br />

dem Unternehmen als Vertragspartner entgegenbrachten. Viertens wird<br />

angesichts der Kriegsereignisse das enorme Risiko deutlich, mit dem große<br />

Aufträge in China zu dieser Zeit verbunden waren.<br />

Ein weiteres wichtiges Fremdgeschäft war die Lieferung von Baggerschiffen<br />

der Firma Schichau-Elbing. In den 1930er Jahren erhielt Siemens vom<br />

Whangpoo Conservancy Board, einer dem Verkehrsministerium in Shanghai<br />

unterstellten Behörde, den Auftrag für die Lieferung eines großen<br />

Baggerschiffs. 825<br />

Ähnlich wie beim PEHAN-Projekt bevorzugten es die Chinesen auch in<br />

diesem Fall die Verhandlungen, nicht mit dem eigentlichen Produzenten der<br />

Ware – der Firma Schichau-Elbing – sondern über Siemens zu führen. 826<br />

Hintergrund dieses Verhaltens war das Misstrauen der Chinesen gegenüber<br />

Firmen, die ihnen nicht genau bekannt waren, beziehungsweise das im<br />

Gegenteil weitgehende Vertrauen zu gut bekannten Geschäftspartnern: Als<br />

der Präsident des Conservancy Boards, T.L. Soong 827 , gefragt wurde, ob das<br />

825 Zweck dieses Schiffs war das Ausbaggern einer Schiffsrinne im Whangpoo-Fluss. Diese<br />

Wasserstraße, an der die Handelsmetropole Shanghai liegt, mündet in den Yangtse und<br />

wurde häufig von Schiffen genutzt, um Waren von Shanghai ins Innere Chinas zu<br />

transportieren. Da der Whangpoo große Mengen Lehm mit sich führte, die sich immer<br />

wieder absetzten und großen Schiffen die Durchfahrt unmöglich machten, war ein<br />

ständiges Ausbaggern der Schiffsrinne erforderlich. Vgl. SAA 9839: Siemens-<br />

Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 3.<br />

826 Dies war der S.Ch.Co. vom Stammhaus zunächst untersagt worden. Die Zusage wurde<br />

erst erteilt, nachdem sich Geheimrat Schichau persönlich an Dr. Carl <strong>Friedrich</strong> von<br />

Siemens gewandt hatte, der unter Vorbehalt einwilligte. Vgl. SAA 9839: Siemens-<br />

Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 4.<br />

827 Soong Tzu Liang, T.L. Soong genannt, war der Bruder des damaligen Finanzministers<br />

T.V. Soong. Siemens waren die Brüder u.a. durch Verhandlungen mit der von ihnen<br />

gegründeten China Development Finance Cooperation (CDFC) bekannt. Vgl. SAA 9839:<br />

Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 3.<br />

Seite | 283


Schichau-Angebot Aussicht auf Erfolg habe, bejahte er, ergänzte aber, dass<br />

„ uns stört, dass Schichau nicht in China anwesend ist oder eine bewährte<br />

uns bekannte Vertretung hat. Wenn Schwierigkeiten mit einer Schichau-<br />

Lieferung entstehen, kann die kleine Firma S. das Firmenschild von der<br />

Bürotür abnehmen und abreisen.“ Als T.L. Soong daraufhin gefragt wurde,<br />

welche Vertretungsfirma denn geeignet wäre, antwortete er: „Wir haben zwar<br />

keine Präferenzen, aber es sollte eine zuverlässige deutsche Großfirma in<br />

China sein, z.B. eine Firma wie Siemens. 828 “ Diese Aussagen lassen deutlich<br />

erkennen, welche Vorteile eine eigene Vertretung in China im Vergleich zur<br />

Vertretung durch Handelsfirmen mit sich brachte. Den Erfolg der Geschäfte<br />

beurteilte Probst, der damalige Vorstand der S.Ch.Co. später<br />

folgendermaßen: „Die Bagger-Geschäfte für Schichau waren<br />

gewinnbringende Fremdgeschäfte, welche uns außer den Verhandlungen und<br />

einigen Briefen keine Arbeit bereitet haben.“ 829<br />

Im Geschäftsfeld „Diverses“ waren das Rüstungsgeschäft, das<br />

Installationsgeschäft sowie das allgemeine Verkaufsgeschäft von besonderer<br />

Bedeutung. Waffengeschäfte zwischen China und Deutschland hatten zur<br />

damaligen Zeit eine lange Tradition: Bereits in den 60er Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts besaß Deutschland praktisch das Monopol für den Waffenexport<br />

nach China, der mit erheblichen Gewinnen verbunden war. 830 Ende der<br />

1920er Jahre intensivierte sich die Zusammenarbeit von Deutschland und<br />

China auf militärischem Gebiet erneut. Hierfür waren in erster Linie die in<br />

China stationierten deutschen Militärberater verantwortlich, die die<br />

chinesische Regierung unter Chiang Kai-Shek bis 1938 beim Aufbau einer<br />

828 Das hier direkt zitierte Gespräch fand zwischen dem deutschen Botschafter Dr. Trautmann<br />

und T.L. Soong während eines offiziellen Empfangs statt. Vgl. SAA 9839: Siemens-<br />

Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg 24.6.1984, S. 3 f.<br />

829 Vgl. SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />

24.6.1984, S. 5. Wenige Jahre später, 1936, gab es vom Conservancy Board eine<br />

Ausschreibung für ein zweites Baggerschiff, welches wiederum von Schichau-Elbing<br />

gebaut und von Siemens geliefert wurde.<br />

830 Vgl. Feldenkirchen, Kapital, S. 64–80, hier S. 65.<br />

Seite | 284


schlagkräftigen Armee unterstützten und Siemens mehrere Aufträge<br />

einbrachten. 831<br />

Eine besonders wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang die 1934<br />

gegründete Handelsgesellschaft für industrielle Produkte (HAPRO), die dem<br />

Konzern in dieser Phase verschiedene Aufträge vermittelte. 832 Im Jahr 1934<br />

erhielt Siemens über Vermittlung der HAPRO den Auftrag, die vollständige<br />

elektrische Ausrüstung einer Fabrikationsanlage für Geschosse, Zünder und<br />

Giftgas in Pah Kong Hau (nördlich von Kanton) bereitzustellen. Die Siemens-<br />

Lieferung hierfür umfasste unter anderem ein Dieselkraftwerk, Motoren und<br />

Beleuchtungsanlagen. 833<br />

Siemens war darüber hinaus 1936/37 an Lieferungen von Flak-Scheinwerfern<br />

beteiligt, für die in China eine hohe Nachfrage bestand. 834 Die HAPRO hatte<br />

für diese Geräte einen Auftrag vom chinesischen Militär erhalten und<br />

831 Der Aufbau der Beraterschaft fand unter Oberst Max Bauer statt. Zu den späteren Leitern<br />

der Mission, die auf ihrem Höhepunkt knapp 80 Personen umfasste, zählten Kriebel,<br />

Wetzell, Seeckt und von Falkenhausen - allesamt ranghohe Offiziere a.D. Vgl. Martin,<br />

Beraterschaft, S. 15–53, hier S. 15, 28 f. und S. 32 f.<br />

832 Die HAPRO war 1934 vom deutschen Militär von Klein als eine „Eigengeschäfte<br />

betreibende Gesellschaft“ gegründet und 1936 verstaatlicht worden. Sie wurde mit Hilfe<br />

der Wehrmacht geführt, die das Ziel verfolgte, ihre eigenen Verbindungen nach China<br />

über die HAPRO zu institutionalisieren. Aufgabe der HAPRO war in erster Linie die<br />

Organisation von Rüstungsgeschäften zwischen Deutschland und China. Grundlage der<br />

Geschäfte war ein Austauschabkommen (im Wert von 100 Millionen Reichsmark), nach<br />

dem von Deutschland gelieferte Industriegüter von chinesischer Seite mit<br />

Rohstofflieferungen bezahlt werden sollten. Vgl. Ratenhof, Chinapolitik, S. 433, S. 437, S.<br />

446, S. 465 und S. 544, und Martin, Beraterschaft, S. 15–53, hier S. 34.<br />

833 Vgl. SAA 10738: Unterlagenmappe SSW-Projekte in China (von Karl Mosig), April 1943,<br />

Blatt 25.<br />

834 Vgl. SAA 15/Lp 168: Dipl.-Ing. Weiss – Scheinwerfergeschäft (Schreiben der SSW an<br />

S.Ch.Co.), 14.12.1936.<br />

Seite | 285


vermittelte diesen an Siemens. 835 Neben der Lieferung von Scheinwerfern<br />

entsandte Siemens einen Ingenieur nach China, der chinesischen Technikern<br />

eine Kurz-Ausbildung an den Anlagen gab. Zusätzlich wurde ein Mitarbeiter<br />

der S.Ch.Co. zum „Waffen-Experten“ an Flak-Scheinwerfern und<br />

Horchgeräten ausgebildet. 836 Insgesamt belief sich der Wert der Aufträge<br />

(Bestelleingänge) der HAPRO für die SSW zwischen 1934 und 1937 auf etwa<br />

11,5 Millionen RM. 837 In dieser Summe waren neben den oben erwähnten<br />

Scheinwerfern auch Bestellungen für Minen enthalten. 838<br />

Neben dem Rüstungsgeschäft ist das Installationsgeschäft im Geschäftsfeld<br />

„Diverses“ hervorzuheben.<br />

Im Jahr 1936 beschloss die Leitung der S.Ch.Co. das Installationsgeschäft<br />

aufzugreifen. Hierfür wurde eine eigene Installationsabteilung eingerichtet, die<br />

an die Verkaufsabteilung angeschlossen war. 839 Hintergrund der<br />

Entscheidung, auf diesem Gebiet tätig zu werden, war das Ziel, den Umsatz<br />

der Werke mit den entsprechenden Materialien zu fördern. Ferner stellte<br />

dieser Geschäftsbereich Mitte der 1930er Jahre in China eine Art Marktlücke<br />

dar, da die vorhandenen einheimischen oder ausländischen Installateur-<br />

835 Vgl. SAA 15/Lp 168: Scheinwerferspezialist für China (Schreiben der SSW an HAPRO),<br />

4.12.1936, und SAA 15/Lp 168, Rückreise von Oberingenieur Weiss (Schreiben von<br />

S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 10.6.1937.<br />

836 Vgl. SAA 15/Lp 168: Flak-Scheinwerfer 150 cm für Nanking (Abschrift eines Schreibens<br />

von AU an S.Ch.Co.), 27.4.1937.<br />

837 Zu weiteren Details der Zusammenarbeit zwischen Siemens und der HAPRO vgl. SAA<br />

11/Lm 167: Kontoeröffnung für HAPRO-Geschäfte (Aktennotiz), Berlin 17.7.1935, und<br />

SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit Kraney (Aktennotiz der AU 2),<br />

Berlin 18.7.1935, sowie SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit von<br />

Seeckt über die Zukunft der HAPRO-Geschäfte (Geheime Aktennotiz), Berlin 20.1.1936.<br />

838 Vgl. SAA 47/Lp 178: AU 7-Bericht. Geschäftsrückblick und -ausblick auf das China-<br />

Geschäft, August 1940, S. 4.<br />

839 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst),<br />

20.3.1938,<br />

S. 1.<br />

Seite | 286


Firmen weder hochwertige Technik einsetzten noch über gut geschultes<br />

Personal verfügten. Zudem war es sinnvoll, die Markenbekanntheit und das<br />

Markenvertrauen, das sich Siemens bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitet hatte,<br />

für die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit zu nutzen. 840<br />

Tatsächlich gelang in diesem Bereich in China ein schneller und erfolgreicher<br />

Einstieg, sodass zwischen 1936 und 1938 eine Reihe von Aufträgen<br />

bearbeitet werden konnte, darunter auch einige nennenswerte<br />

Großinstallationen für Krankenhäuser, Nachtclubs und Banken. 841<br />

Das Installationsgeschäft war insgesamt ein gewinnträchtiger<br />

Geschäftszweig, der sich besonders während des Zweiten Weltkriegs als<br />

wichtig erwies. Die geschilderten Großinstallationen beweisen darüber hinaus,<br />

dass Siemens hier die Möglichkeit nutzte, bedeutende Prestigeaufträge<br />

abzuschließen, deren erfolgreiche Bearbeitung sich wiederum positiv auf das<br />

Image des Unternehmens auswirkte. 842<br />

840 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst),<br />

20.3.1938,<br />

S. 1.<br />

841 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst),<br />

20.3.1938. Für dieses Krankenhaus lieferte Siemens die gesamte elektrische Installation<br />

einschließlich einer neuzeitlichen Lichtruf- und einer kompletten Haustelefonanlage. Einen<br />

weiteren interessanten und anspruchsvollen Auftrag stellte die elektrische Ausstattung des<br />

„Ciro’s Night Club“ dar. Hierbei handelte es sich um ein modernes Nachtlokal, in dem<br />

Siemens u.a. eine Beleuchtungsanlage (die komplett vom Pult des Kapellmeisters<br />

gesteuert werden und verschiedene Lichteffekte erzeugen konnte) und ein versenkbares<br />

Geländer für die Tanzfläche installierte. Schließlich nahm Siemens die Lieferung und den<br />

Einbau der elektrischen Innenausrüstung verschiedener Banken in Shanghai vor, darunter<br />

die Mitsui- und die Chase-Bank. Ferner erwähnenswert ist der umfangreiche Auftrag, den<br />

Siemens von der Bank of China erhielt.<br />

842 Vgl. SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Handschriftliche Notiz von<br />

Probst, angeheftet an den Bericht).<br />

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Dritte Säule im Geschäftsfeld „Diverses“ war der Vertrieb kleiner bis<br />

mittelgroßer Produkte, die zum Bereich der SSW gehörten. 843 Bei den<br />

Produkten, die in Deutschland bestellt und in China auf Lager gehalten<br />

werden konnten, handelte es sich unter anderem um Werkzeugmaschinen,<br />

Pumpen, Motoren, Ventilatoren, Installationsmaterial (wie Stecker und<br />

Schalter), Transformatoren, Zähler, Leitungen und Kohlestäbe, Kleinteile für<br />

Glühlichtbeleuchtung, Lampen und Protos-Haushaltsgeräte. 844 Zu den<br />

Vorteilen dieses Geschäftsfelds gegenüber großen Projekten im<br />

Anlagenbereich zählte die Tatsache, dass es weniger von der politischen und<br />

wirtschaftlichen Instabilität im Land beeinflusst wurde. Hinzu kam, dass das<br />

Verlustrisiko verhältnismäßig gering war und sich besser einschätzen ließ.<br />

Schließlich konnte im Gegensatz zum Anlagengeschäft, das kostenintensives,<br />

hoch qualifiziertes Personal erforderte, zur Durchführung des<br />

Verkaufsgeschäfts größtenteils auf geringer bezahlte chinesische Mitarbeiter<br />

oder Agenturen zurückgegriffen werden. 845 Eine Verlagerung des<br />

Betätigungsschwerpunkts auf dieses Feld war daher besonders für<br />

Kosteneinsparungen geeignet. 846<br />

843 Innerhalb der SSW-Organisation übernahm die Abteilung Kleinfabrikate (AK) den Vertrieb<br />

dieser Produkte. Vgl. Feldenkirchen, Siemens, S. 287 f.<br />

844 Zu einzelnen Produkten und Fertigungsstätten in Deutschland vgl. Feldenkirchen,<br />

Siemens, S. 308 f.<br />

845 Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai<br />

31.8.1928, S. 21.<br />

846 Neben den typischen Artikeln des Verkaufsgeschäfts wurden auch die Absatzchancen<br />

weiterer Produkte aus der großen Palette des Konzerns geprüft. Dem Stammhaus<br />

unterbreitete die S.Ch.Co. in diesem Zusammenhang zahlreiche Vorschläge und<br />

Anregungen, die vom Verkauf kompletter Flugzeuge (Siemens hätte die Bereitstellung der<br />

Motoren übernommen) bis hin zu Eismaschinen reichten. Für die meisten dieser<br />

potentiellen Betätigungsfelder gab es allerdings Wettbewerber, die sich auf den jeweiligen<br />

Bereich spezialisiert hatten und schwer zu verdrängen gewesen wären. Ein Großteil der<br />

Vorschläge wurde daher nicht weiter verfolgt. Vgl. SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co.<br />

zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai 31.8.1928, S. 12 ff., S. 16 und S. 19.<br />

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Allerdings traten mehrere Probleme auf. Diese bestanden in erster Linie darin,<br />

dass Siemens für viele Produkte keine konkurrenzfähigen Preisen anbieten<br />

konnte. Der Grund hierfür war, dass es sich beim Verkaufsgeschäft im<br />

Wesentlichen um standardisierte Fabrikate mit relativ geringem Wert bzw.<br />

niedrigem Herstellungsaufwand handelte. Insofern gab es zahlreiche<br />

internationale Wettbewerber, darunter auch chinesische Produzenten, die die<br />

gleiche Ware preisgünstiger anbieten konnten. 847 Darüber hinaus konnte<br />

Siemens einige Produktgruppen nicht optimal an die chinesischen Kunden-<br />

bedürfnisse anpassen. Bei Tee- und Kaffeemaschinen wurden in China<br />

beispielsweise amerikanische Fabrikate bevorzugt, deren Design besser auf<br />

den chinesischen Geschmack zugeschnitten war. 848<br />

Das Umsatzpotenzial für die Produkte war ferner dadurch stark begrenzt,<br />

dass die Gruppe privater Haushalte in China, die als Käufer in Frage kam,<br />

relativ klein war: Zum einen hatte nur ein geringer Teil der Bevölkerung<br />

Zugang zu elektrischem Strom, die Stromerzeugung pro Kopf betrug Ende der<br />

1920er Jahre circa 1 Prozent des entsprechenden Wertes für Deutschland zu<br />

diesem Zeitpunkt. 849 Selbst wenn z.B. in großen Städten ein Zugang möglich<br />

gewesen wäre, hätten sich die meisten Einwohner die Inanspruchnahme einer<br />

Stromversorgung nicht leisten können. 850 Zudem unterlag das Stromnetz<br />

847 Ein Lösungsansatz für dieses Problem wäre die Produktion entsprechender Artikel in<br />

China gewesen. Die S.Ch.Co. wies das Stammhaus wiederholt auf die Vorzüge einer<br />

Produktion und die Aktivitäten der Konkurrenz hin. Vgl. SAA 15/Lp 168: Jahresbericht<br />

1932/33, Shanghai 2.9.1933, S. 7.<br />

848 Vgl. SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des<br />

Geschäftsberichtes der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai, S. 2 f.<br />

849 Vgl. SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China<br />

(vermutlich aus dem Jahr 1930), S. 2.<br />

850 Vgl. SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China<br />

(vermutlich aus dem Jahr 1930), S. 3.<br />

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mitunter Spannungsschwankungen, die für empfindlichere elektrische Geräte<br />

ein hohes Risiko darstellten. 851<br />

Schließlich gab es für bestimmte Haushaltsgeräte, wie z.B. die Protos-<br />

Staubsauger, nur eine äußerst geringe Nachfrage, da das Küchenpersonal<br />

der Haushalte so gering bezahlt wurde, dass kein Anreiz bestand, es durch<br />

entsprechende Maschinen zu ersetzen. 852<br />

Anfang der 1930er Jahre gab es starke Rückgänge im Geschäft, die<br />

insbesondere Fächer, Zähler und Leitungen betrafen und die Umsätze<br />

erheblich schmälerten. 853<br />

Im Jahr 1931 wurde daher beschlossen, sich stärker auf bestimmte Bereiche<br />

wie Motoren, die wichtigste Stütze des Geschäftes, Elmo-Pumpen und<br />

bestimmte Installationsmaterialien zu fokussieren. Die Lagerhaltung sollte<br />

zudem auf solche Artikel beschränkt werden, mit denen sich lohnende<br />

Umsätze erzielen ließen. Schließlich war auch der verstärkte Einsatz von<br />

Werbemaßnahmen geplant. 854<br />

851 Vgl. SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China<br />

(vermutlich aus dem Jahr 1930), S. 12 f.<br />

852 Vgl. SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des<br />

Geschäftsberichtes der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai, S. 2 f.<br />

853 Vgl. SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des<br />

Geschäftsberichtes der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai, S. 6.<br />

854 Vgl. SAA 15/Lp 168: VA-Geschäftsbericht 1930/31 (Teil des Geschäftsberichtes der<br />

S.Ch.Co. 1930/31), Shanghai, S. 9 f. Für das gesamte Überseegeschäft vor der<br />

Weltwirtschaftskrise bestand zwischen den Umsätzen im AK-Geschäft und denen im<br />

Anlagengeschäft etwa ein Verhältnis von 1:1. Nach der Weltwirtschaftskrise änderte sich<br />

dies zugunsten des Anlagengeschäfts in ein 1:2-Verhältnis, worin sich die verstärkte<br />

Konkurrenz nationaler Industrien und gleichzeitig der Aufholbedarf von Siemens im<br />

Bereich von Normierung und Typisierung widerspiegelte. Vgl. SAA 8188: Siemens in<br />

Übersee. Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944, S. 31 f. und S. 44.<br />

Seite | 290


2.3.3 Bewertung der Geschäftstätigkeit und<br />

Geschäftsergebnisse<br />

Zwischen 1921/22 und 1926/27 war ein deutlicher Anstieg der Umsätze von<br />

circa 5,7 auf circa 14,4 Millionen RM zu verzeichnen. Die zunächst noch sehr<br />

niedrigen Werte der ersten Nachkriegsjahre sind auf die besonderen<br />

Schwierigkeiten dieser Zeit zurückzuführen.<br />

Die beachtlichen Umsatzsteigerungen während der folgenden Geschäftsjahre<br />

sind teilweise auf die gestiegene Nachfrage in China nach Industriegütern<br />

zurückzuführen, welche von einem allmählichen Aufbau der nationalen<br />

Industrie begleitet wurde. Darüber hinaus gelang es Siemens, trotz der<br />

problematischen Ausgangsposition schnell wieder Fuß zu fassen, indem ein<br />

rascher Wiederaufbau der Organisation erfolgte und zahlreiche Aufträge auf<br />

den verschiedenen Arbeitsgebieten des Konzerns eingeholt wurden.<br />

Die hohen Kosten des Wiederaufbaus der großen und weitverzweigten<br />

Organisation führten dazu, dass die Gewinne, mit Ausnahme des<br />

Geschäftsjahrs 1922/23, negativ ausfielen. Im Geschäftsjahr 1924/25<br />

schlugen die Verluste mit über 1 Million RM besonders zu Buche.<br />

Seite | 291


in Mark/RM<br />

16.000.000<br />

14.000.000<br />

12.000.000<br />

10.000.000<br />

8.000.000<br />

6.000.000<br />

4.000.000<br />

2.000.000<br />

-2.000.000<br />

-4.000.000<br />

Abbildung 52: Umsatz und Gewinn von Siemens in China von 1921 bis 1940<br />

Im Jahr 1927 wurde die S.Ch.Co. von der CVU in Berlin angewiesen, auf<br />

risikoreiche Anlagengeschäfte aufgrund der unsicheren politischen Lage zu<br />

verzichten und Einsparungen bei der Organisation vorzunehmen. Diese<br />

beiden Maßnahmen sowie Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und der<br />

unsicheren politischen Lage führten zu einer Halbierung des Umsatzes auf<br />

knapp 7 Millionen RM im Jahr 1932. Dabei konnten jedoch auch die Verluste<br />

erheblich gesenkt und dadurch im Geschäftsjahr 1931/32 ein neutrales<br />

Vertriebsergebnis erzielt werden.<br />

0<br />

1921/22<br />

1922/23<br />

1923/24<br />

1924/25<br />

1925/26<br />

1926/27<br />

1927/28<br />

1928/29<br />

1929/30<br />

1930/31<br />

1931/32<br />

1932/33<br />

1933/34<br />

1934/35<br />

1935/36<br />

1936/37<br />

1937/38<br />

1938/39<br />

1939/40<br />

Umsatz Gewinn<br />

Quelle: Eigene Darstellung nach SAA 25/Lg 136<br />

Durch die mit der HAPRO im Zusammenhang stehenden Aufträge, durch die<br />

Unterstützung nationalsozialistischer Exportförderungsprogramme 855 sowie<br />

855 Die Subventionierung des deutschen Exports hatte aufgrund des Preisverfalls während der<br />

Weltwirtschaftskrise und der Notwendigkeit, Devisen zu beschaffen, bereits 1931<br />

begonnen und wurde unter den Nationalsozialisten fortgesetzt. Der Handel mit China war<br />

im Hinblick auf die nationalsozialistischen Aufrüstungspläne besonders interessant, da das<br />

Land über wichtige Rohstoffe wie Wolfram verfügte. Angesichts dieser Umstände wies<br />

Seite | 292


mehrere Großprojekte in der Mandschurei erhielt das Geschäft neue Impulse.<br />

Diese trugen dazu bei, dass der negative Trend bei den Umsätzen der<br />

S.Ch.Co. gestoppt werden konnte und zwischen 1934 und 1937 eine<br />

kurzzeitige Stabilisierung der Geschäftsergebnisse möglich war. Die Umsätze<br />

bewegten sich in diesem Zeitraum zwischen 7 und 10 Millionen RM. Dagegen<br />

lagen die Gewinne weiterhin bei „plus/minus Null“, was beweist, dass es auch<br />

in diesem Abschnitt gelang, die seit 1927 verordnete Kostendisziplin weiter<br />

einzuhalten.<br />

Die folgende Abbildung veranschaulicht, wie sich der Gesamtumsatz in China<br />

während der Geschäftsjahre 1932/33 bis 1937/38 auf die verschiedenen<br />

Konzernteile von Siemens respektive die in Vertretung für Fremdfirmen<br />

abgeschlossenen Kommissionsgeschäfte (Kategorie „Diverse“) verteilte.<br />

Abbildung 53: Umsatzanteile der Geschäftsbereiche am Gesamtumsatz der<br />

S.Ch.Co.<br />

Siemens Mitte der 30er Jahre das Wirtschaftsministerium eindringlich auf die<br />

Förderungswürdigkeit des China-Geschäftes hin. Vgl. SAA 25/Ls 675: Export nach China<br />

(Schreiben von SSW an das Reichswirtschaftsministerium), 6.8.1934, S. 1 ff.<br />

Seite | 293


Dabei wird deutlich, dass neben den SSW- und den S&H-Geschäften, auf die<br />

zusammen zwischen 30 und 60 Prozent des Gesamtumsatzes fielen, das<br />

Montangeschäft und diverse Kommissionsgeschäfte die entscheidenden<br />

Stützen des Umsatzes bildeten. Die Anteile von Osram, Telefunken und der<br />

Wassermesser-Vertriebsgesellschaft (W.V.G.) lagen dagegen überwiegend<br />

unter 5 Prozent.<br />

Im Geschäftsjahr 1938/39 setzte ein rapider Abwärtstrend bei den Umsätzen<br />

ein, der auf die Folgen des chinesisch-japanischen Kriegs beziehungsweise<br />

den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurückzuführen war.<br />

Seite | 294


IV. RESÜMEE<br />

Diese Arbeit verfolgte das Ziel, die Unternehmenstätigkeit von Siemens in<br />

Ostasien vor dem Hintergrund interner und externer Einflussfaktoren bis zum<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren und zu analysieren.<br />

Hierbei stellten sich folgende Forschungsfragen:<br />

Wie entwickelte sich die internationale Unternehmenstätigkeit von<br />

Siemens in Ostasien vom Markteintritt bis 1939?<br />

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gab es bei der<br />

Internationalisierung von Siemens in Japan und China?<br />

Für das Unternehmen Siemens, das bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mit<br />

dem erfolgreichen Auf- und Ausbau seines Auslandsgeschäfts begonnen<br />

hatte, war es eine logische Konsequenz, sich auch auf den zukunftsträchtigen<br />

und sich öffnenden Märkten in Ostasien zu engagieren. Dabei galt anfänglich<br />

vor allem der japanische Markt als aussichtsreich.<br />

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts trat Siemens mit Japan in Kontakt und<br />

wickelte vereinzelt Aufträge ab. Das erste von Siemens auf dem japanischen<br />

Markt eingeführte Produkt war ein Telegrafengerät, das die<br />

preußischeOstasien-Mission unter der Leitung von Graf Eulenburg als<br />

Gastgeschenk im Jahr 1861 mitführte. Anfang der 80er Jahre des 19. Jahr-<br />

hunderts verstärkte sich bei Siemens das Interesse am Ausbau seines<br />

Japangeschäfts. Infolgedessen schloss Siemens 1886 einen Vertrag mit dem<br />

Handelshaus Rohde und entsandte Hermann Keßler als<br />

Verbindungsingenieur nach Japan.<br />

Nachdem es mit dem Handelshaus zu Unstimmigkeiten gekommen war,<br />

errichtete Siemens zu Beginn des Jahres 1893 mit der „Siemens&Halske<br />

Berlin Japan-Agency“ ein eigenes Vertriebsbüro in Tokio unter der Leitung<br />

Hermann Keßlers. Der Beginn der Geschäftstätigkeiten entwickelte sich<br />

allerdings schleppend. Es konnten anfangs nur sehr geringe Umsätze erzielt<br />

Seite | 295


werden und der Aufbau von Geschäftsbeziehungen in Japan erwies sich als<br />

zeitintensiver als geplant. Dennoch gelang es der Japan-Agency ihr Geschäft<br />

vor allem nach dem chinesisch-japanischen Krieg auszuweiten. Eine<br />

Voraussetzung hierfür war, dass aus Rücksicht auf die zunehmenden<br />

protektionistischen Bestrebungen der Behörden die Japan-Agency im Jahr<br />

1905 in eine Tochtergesellschaft nach japanischem Recht umgewandelt<br />

wurde. Das Filialnetz wurde vor allem in Westjapan ausgebaut. Dabei<br />

entwickelte sich die Niederlassung in Osaka mit einer Werkstatt in Kobe, die<br />

auch kleine Fertigungsarbeiten ausführte, neben dem Büro in Tokio zum<br />

zweiten Knotenpunkt im japanischen Vertriebsnetz. Bedingt durch den<br />

Ausbau der Standorte und der Werkstatt wuchs der Personalbestand ständig<br />

und Siemens beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg 270 Mitarbeiter in Japan.<br />

Eine geplante Produktion in Kooperation mit dem Zaibatsu Sumitomo<br />

scheiterte an den Folgen des Marineskandals. Während des Ersten<br />

Weltkriegs war die Ausübung der Geschäftstätigkeit durch Einberufungen,<br />

Lieferprobleme sowie fehlende Aufträge praktisch unmöglich. Alle Büros und<br />

die Werkstatt in Kobe wurden geschlossen, ein Großteil des Personals<br />

entlassen und das Firmenkapital nach Deutschland transferiert.<br />

Nach Kriegsende nahm Siemens seine Tätigkeit in Japan erneut auf und die<br />

SSDKK eröffnete Anfang der 1920er Jahre wieder Büros in Osaka und Tokio.<br />

Allerdings hatten sich die Rahmenbedingungen während des Kriegs<br />

grundlegend geändert. Auch hatten sich die japanischen Elektrohersteller wie<br />

Hitachi, Mitsubishi und Shibaura in Folge der Unterbrechung der<br />

Maschinenimporte aus dem Westen zu ernsthaften Konkurrenten<br />

weiterentwickelt. Zudem erschwerten hohe Zölle und die Bevorzugung<br />

japanischer Unternehmen bei Staatsaufträgen das Siemensgeschäft. Daher<br />

war Siemens von der Notwendigkeit einer eigenen Produktion in Japan<br />

überzeugt und führte umfangreiche Kooperationsverhandlungen mit<br />

Furukawa, Mitsubishi und der japanischen Marine.<br />

Nach schwierigen Verhandlungen in Deutschland und Japan wurde<br />

schließlich zusammen mit Furukawa das Gemeinschaftsunternehmen „Fusi<br />

Denki Seizo Kabushiki Kaisha“ gegründet, an dem Siemens mit 30 Prozent<br />

Seite | 296


eteiligt war. Die neue Gesellschaft übernahm einen Großteil des Geschäfts<br />

der weiterhin bestehenden SSDKK.<br />

Abbildung 54: Vertragliche Ausgestaltung der Fusi Denki Seizo K. K.<br />

In Kawasaki entstand eine Fabrik, die nach einer Bauverzögerung infolge<br />

eines schweren Erdbebens im Jahr 1925 den Betrieb aufnahm. Hohe<br />

Anlaufkosten, eine unzureichende Finanzierung sowie ein scharfer<br />

Wettbewerb führten 1927 zu einer drohenden Insolvenz, die erst durch<br />

finanzielle Hilfe von Siemens verhindert werden konnte. Die prekäre Lage<br />

wurde durch die Weltwirtschaftskrise noch verschlimmert. Der Fusi gelang es<br />

jedoch die Krise durch Restrukturierungsmaßnahmen, die Erschließung neuer<br />

Geschäftsfelder, einer zunehmenden Kartellierung des japanischen<br />

Elektromarktes, sowie die Kriegskonjunktur zwischen 1932 und 1939 ihren<br />

Umsatz zu verzehnfachen. Parallel wurden die Fabrikation und das<br />

Vertriebsnetz ausgebaut. Insgesamt war die internationale Unternehmens-<br />

tätigkeit von Siemens in Japan nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich.<br />

Seite | 297


Neben Japan war China der zweite wichtige Ländermarkt. Mit einem<br />

Vertretungsvertrag mit dem Handelshaus Carlowitz begann die systematische<br />

Erschließung des chinesischen Markts im Jahr 1879. Nach kleinen<br />

anfänglichen Erfolgen wurden in den folgenden Jahren jedoch nur wenige<br />

elektrotechnische Erzeugnisse von Carlowitz nach China exportiert. Im Jahr<br />

1895 übernahm daher das Handelshaus Mandl auf Kommissionsbasis die<br />

Generalagentur von Siemens für China. Das mit den Eigenheiten des<br />

Chinageschäfts gut vertraute Handelshaus bearbeitete für Siemens in den<br />

folgenden Jahren verschiedene Projekte und wurde mit der Unterstützung in<br />

Japan stationierter Siemens-Ingenieure auch im Unternehmergeschäft aktiv.<br />

So wurde im Rahmen der Erstellung des ersten größeren Kraftwerks in China<br />

die Chinesische Elektrizitätsgesellschaft (CEG) mit einem Stammkapital von<br />

300.000 Mark gegründet. Nachdem das Kraftwerk allerdings während des<br />

Boxeraufstands zerstört worden war, wurde die CEG abgewickelt. Im Jahr<br />

1904 wurde eine neue Kooperationsvereinbarung mit dem Handelshaus<br />

Mandl vereinbart und eine „Interessensgemeinschaft für das elektrische<br />

Geschäft“ in China gegründet. Dabei stellte Siemens das technische<br />

Personal, während Mandl in Shanghai für Räume und kaufmännische<br />

Mitarbeiter sorgte. Infolge der Übernahme von Mandls durch Carlowitz<br />

wechselte im Jahr 1906 der kaufmännischen Partner. Aufgrund<br />

unterschiedlicher Auffassungen über die Geschäftspolitik beendete Siemens<br />

daher im September 1908 die Zusammenarbeit.<br />

Nach der Trennung von Carlowitz 1908 führte der Ingenieur Hermann Meyer<br />

die Geschäfte eigenständig weiter. Das Geschäft entwickelte sich allerdings<br />

schlecht, da ohne den Komprador von Carlowitz der Mittelsmann zu den<br />

chinesischen Behörden fehlte.<br />

Dennoch war das Stammhaus von den Zukunftsperspektiven des Markts<br />

überzeugt und verfolgte eine expansive Markterschließung. Daher wurde<br />

1910 die Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH mit einem<br />

Startkapital von 500.000 Mark gegründet, Führungspersonal eingestellt und<br />

Seite | 298


ein Komprador von Carlowitz abgeworben. Die bestehenden Standorte in<br />

Shanghai, Tsingtau, Tientsin und Hankow wurden ausgebaut und neue Büros<br />

gegründet. Der Erfolg der jungen Gesellschaft wuchs aufgrund der<br />

eingeleiteten Maßnahmen. Trotz der Revolution von 1911 im Land<br />

verbesserte sich die Auftragslage merklich. Keßler, Leiter der CVU, kam bei<br />

einer Inspektionsreise in Ostasien 1913 für China zu einem positiven<br />

Ergebnis. Der Erste Weltkrieg bedeutete eine Zäsur für das Chinageschäft.<br />

Das Geschäft wurde zunehmend schwieriger und kam nach der<br />

Kriegserklärung Chinas 1917 an Deutschland gänzlich zum Erliegen.<br />

Die Geschäftslage blieb für Siemens in den Jahren unmittelbar nach dem<br />

Ersten Weltkrieg sehr angespannt. Nachdem die unmittelbaren<br />

Nachkriegsschwierigkeiten überwunden waren, erfolgte Anfang der 1920er<br />

Jahre ein zügiger Wiederaufbau der Geschäftstätigkeit. Zur Lösung der<br />

finanziellen Probleme und um einen besseren Marktzugang zu erhalten,<br />

wurde die S.Ch.Co. – bis dato eine GmbH der SSW mit Sitz in Berlin – im<br />

Jahr 1921 in eine Gesellschaft chinesischen Rechts (Limited Liability<br />

Company) mit Sitz in Shanghai umgewandelt. Es erfolgte ein zügiger<br />

Wiederaufbau der Organisation. Im Zentrum stand dabei das Hauptbüro in<br />

Shanghai. Der Aufbau einer eigenen Produktion, für die mit der Tseng Hua<br />

Electrical Manufacturing Company im Jahr 1921 bereits eine eigene<br />

Gesellschaft gegründet worden war, wurde aufgrund der unsicheren<br />

politischen Verhältnisse nicht realisiert. Aus dem gleichen Grund wurde die<br />

S.Ch.Co. im Jahr 1927 von der CVU in Berlin angewiesen, auf risikoreiche<br />

Anlagengeschäfte zu verzichten und Einsparungen bei der Organisation<br />

vorzunehmen. Diese Maßnahmen, sowie die Auswirkungen der<br />

Weltwirtschaftskrise führten zu einem massiven Umsatzeinbruch.<br />

Durch Aufträge für die Handelsgesellschaft für industrielle Produkte sowie<br />

mehrere Großprojekte in der Mandschurei erhielt das Geschäft kurzfristig<br />

neue Impulse. In Folge des chinesisch-japanischen Kriegs und des folgenden<br />

Bürgerkriegs kam das Geschäft ab 1938/39 gänzlich zum Erliegen.<br />

Seite | 299


Der Vergleich des Markteintritts und der -bearbeitung in Japan und in China<br />

ergibt eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten und nur wenige Unterschiede.<br />

Abbildung 55: Gemeinsamkeiten der Unternehmenstätigkeit in China und<br />

Japan<br />

Im folgenden Teil werden die Parallelen in den beiden ostasiatischen Ländern<br />

betrachtet.<br />

Sowohl in Japan als auch in China begann Siemens seine strukturierte<br />

Markterschließung bereits in den 1880er Jahren. Ausschlaggebend hierfür<br />

waren die Überwindung der Löfflerkrise und die einsetzende politische und<br />

wirtschaftliche Öffnung der Märkte. Darüber hinaus wählten die<br />

Verantwortlichen sowohl in Japan als auch in China meist renommierte<br />

Handelshäuser, die kaufmännisch über Spezialerfahrung und Kontakte im<br />

Überseegeschäft verfügten und bereits andere technische Artikel exportierten.<br />

Im nächsten Schritt entsandte Siemens zur technischen Unterstützung einen<br />

Verbindungsingenieur, wobei das für China zuständige Handelshaus bis 1904<br />

Seite | 300


von in Japan stationierten Ingenieuren betreut wurde. In beiden Ländern<br />

traten in der Folgezeit Konflikte zwischen dem Verbindungsingenieur und den<br />

Handelshäusern auf, die häufig Konkurrenzprodukte vertreiben wollten.<br />

Abbildung 56: Standorte von Siemens in Ostasien 1937<br />

Angesichts dieser Probleme gründete Siemens sowohl in Japan (1892) als<br />

auch in China (1908) eigene Tochtergesellschaften. In beiden Ländern<br />

wurden diese durch SSW geschaffen und mit Vertretungsrechten von S&H<br />

ausgestattet. Die Büros vertraten darüber hinaus auch andere Siemens-<br />

Firmen wie Telefunken und Siemens Brothers.<br />

Im Zentrum des Vertriebsnetzes von Siemens in Ostasien standen die Büros,<br />

die vor allem im weiträumigen China durch Handelshäuser und Agenturen<br />

unterstützt wurden. Die Aufbauorganisation der Büros in Asien glich bis zum<br />

Zweiten Weltkrieg dem der Verkaufsstellen in Deutschland und war nach dem<br />

Divisionsprinzip gegliedert. So gab es innerhalb der asiatischen Büros<br />

Seite | 301


typischerweise die beiden Hauptgruppen SSW und S&H. Charakteristisch für<br />

die Hauptgruppe SSW war dabei eine Aufteilung in eine technische Abteilung<br />

– häufig mit einer kleinen Werkstatt oder Montage – und eine<br />

Verkaufsabteilung für Kleinfabrikate mit einer Installationsabteilung. Die<br />

Starkstromabteilung übernahm die Projektierung und Durchführung aller<br />

großen Anlagenprojekte. Zur Starkstromabteilung gehörte darüber hinaus<br />

häufig auch eine Bauabteilung. Die Verkaufsabteilungen organisierten den<br />

Vertrieb kleiner bis mittelgroßer Produkte, die zum Bereich der SSW<br />

gehörten. Bei diesen Produkten, die in Deutschland bestellt und in Ostasien<br />

auf Lager gehalten werden konnten, handelte es sich unter anderen um<br />

Pumpen, Motoren, Installationsmaterial (Stecker und Schalter), Lampen und<br />

Protos-Haushaltsgeräte.<br />

Die Schwachstromabteilung der asiatischen Niederlassungen/Fusi<br />

organisierte in China und Japan unter anderem den Absatz von Telefonen,<br />

Medizintechnik sowie von Wassermessern. Das Kerngeschäft bestand jedoch<br />

im Vertrieb von Telefonämtern respektive Fernsprechanlagen. Daneben<br />

existierten verschiedene andere Spezialabteilungen für Produktbereiche, wie<br />

etwa Telefunken oder das Fremdgeschäft. Diese waren häufig auch an die<br />

Schwachstromgruppe angeschlossen. Des Weiteren besaßen die Stützpunkte<br />

in Ostasien eine kaufmännische Abteilung, in der vorwiegend das<br />

Rechnungswesen und die Registratur, aber auch Verschiffung und Verzollung<br />

abgewickelt wurden.<br />

Üblicherweise setzte sich die Leitung der Büros aus mindestens einem<br />

Ingenieur und einem Kaufmann zusammen, in den größeren chinesischen<br />

Geschäftsstellen war auch meist ein Komprador im Bürovorstand. Dabei<br />

wurden an das Management des Ostasiengeschäfts hohe Ansprüche gestellt.<br />

Die CVU legte Wert darauf, dass es sich bei den „ersten Siemens-<br />

Repräsentanten“ um Persönlichkeiten handelte, die sich überall Achtung und<br />

Anerkennung verschaffen konnten. Außerdem sollten sie im Stande sein,<br />

Zutritt zu höchsten Staatsstellen zu erhalten und sich ihr Vertrauen zu<br />

erwerben. Neben dem fachlichen Know-how wurde vor allem darauf geachtet,<br />

dass sich der Betreffende in die fremde Kultur einfügen konnte. Dabei ist<br />

Seite | 302


Hermann Keßler hervorzuheben, der die prägendste Figur im<br />

Ostasiengeschäft war. Während seines über 20 Jahre dauernden Aufenthalts<br />

baute er das Siemens-Geschäft in der Region auf. Nach seiner Rückkehr war<br />

er in Berlin für die Koordinierung des Geschäfts zuständig. Bei maßgeblichen<br />

Verhandlungen, wie etwa bei der Kooperation mit Furukawa, war er auch<br />

nach seiner Rückkehr persönlich federführend. Für China sind als<br />

herausragende Persönlichkeiten vor allem die Kompradoren Pao und Kwan<br />

sowie John Rabe, der aufgrund seinen persönlichen Einsatzes in Nanking ein<br />

hohes Maß an Achtung in China genoss, zu nennen. Eine besondere Rolle<br />

bei der Anbahnung von Kontakten zu Auftraggebern spielten auch<br />

einflussreiche Persönlichkeiten wie Aoki oder Yoshimura in Japan. In China<br />

erfüllten diese Funktion hauptsächlich die Kompradoren, die Siemens den<br />

Zugang zu den chinesischen Behörden und den Geschäftskunden<br />

ermöglichten.<br />

Die nächste Führungsebene, die Leitung der einzelnen Abteilungen, wurde<br />

zumeist von europäischen Mitarbeitern besetzt. Unter den zahlreichen<br />

Ingenieuren, Dolmetschern, Zeichnern und Buchhaltern befanden sich sowohl<br />

Europäer als auch Asiaten. Insbesondere in der Zwischenkriegszeit nahm der<br />

Anteil der Asiaten an den höherqualifizierten Aufgaben zu. So erhielt eine<br />

ganze Reihe junger Ostasiaten – in der Regel um gut ausgebildete Ingenieure<br />

– die Möglichkeit, als sogenannte Informanten eine praktische Weiterbildung<br />

in den Berliner Werken zu absolvieren. Einfachere Aufgaben wie Lager- und<br />

Werkstattarbeiten, Chauffeur- und Hausdienste, Transporte und Ähnliches<br />

lagen aus Kostengründen beinahe ausschließlich in asiatischer Hand.<br />

Der Schlüssel für den reibungslosen Ablauf in den Niederlassungen in<br />

Ostasien war die Kommunikation zwischen den Hauptbüros und der Berliner<br />

Zentrale. Zur Überbrückung diente in beiden Ländern ein intensiver<br />

Schriftverkehr, der im Bedarfsfall durch verschlüsselte, telegrafische, häufig<br />

codierte Anweisungen beschleunigt werden konnte. Die ostasiatischen Büros<br />

und ihre einzelnen Abteilungen verfassten ausführliche Jahresberichte und<br />

Bilanzen, die neben der Unternehmenstätigkeit auch die politische und<br />

wirtschaftliche Lage analysierten. Hinzu kamen regelmäßige Berichte über die<br />

Seite | 303


Geschäftslage in den verschiedenen Büros und Regionen. Für eine enge,<br />

auch persönliche Verknüpfung zwischen dem Stammhaus und den<br />

Niederlassungen in Ostasien war eine intensive Reisetätigkeit notwendig.<br />

Neben den vor Ort stationierten Mitarbeitern, die in der Regel alle zwei bis<br />

drei Jahre nach Berlin reisten, besuchten auch mehrere Vorstandsmitglieder<br />

Ostasien. Neben der Inspektion unterstützten sie meist konkrete<br />

Kooperationsverhandlungen.<br />

Siemens arbeitete im gesamten ostasiatischen Raum eng mit der<br />

Reichsregierung zusammen. So unterstützte Siemens den Ausbau von<br />

Tsingtau und erwarb auch Anteile an verschiedenen Kolonialgesellschaften.<br />

Diese Geschäfte erwiesen sich in der Regel als Verlustgeschäfte, allerdings<br />

erhielten die Landesgesellschaften auch Unterstützung in verschiedenen<br />

Bereichen. Beispielsweise unterstützte die Reichsregierung Siemens bei den<br />

Verhandlungen über eine Entschädigung für das beim Boxeraufstand<br />

zerstörte Kraftwerk der Chinesischen Elektrizitätsgesellschaft. Auch bei der<br />

Marine-Affäre in Japan intervenierte die Reichsregierung zugunsten von<br />

Siemens. Ferner förderte sie den Abbau von Außenhandelsbeschränkungen.<br />

Hierzu zählt etwa die Revision des deutsch-japanischen Handelsvertrags. In<br />

Asien unterstützten die Vertretungen des Auswärtigen Amtes die<br />

Geschäftstätigkeit von Siemens vor Ort. Sie stellten im Rahmen der<br />

Auftragsgewinnung Verbindungen zu asiatischen Behörden her, insbesondere<br />

bei Aufträgen von Heer und Marine.<br />

Siemens war dabei sowohl in Japan als auch in China auf folgenden sechs<br />

Geschäftsfeldern tätig:<br />

Seite | 304


Abbildung 57: Geschäftsfelder von Siemens in Ostasien<br />

Die beiden wichtigsten Geschäftsfelder waren der Bau von Kraftwerken<br />

respektive die Lieferung von Kraftwerksausrüstung und die<br />

Kommunikationstechnik (hier vor allem das Telefongeschäft). Dabei lieferte<br />

Siemens hauptsächlich an vier Kundengruppen. Neben asiatischen Behörden<br />

und Privatkunden waren vor allem multinationale, in Ostasien tätige<br />

Unternehmen sowie ausländische Behörden und Vertretungen die<br />

Auftraggeber.<br />

Im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit war Siemens sowohl in Japan als auch<br />

in China fast im gesamten Untersuchungszeitraum auf finanzielle<br />

Unterstützung durch das Stammhaus angewiesen. So konnte beispielsweise<br />

die Fusi Ende der 1920er nur aufgrund großer finanzieller Hilfen von Siemens<br />

Berlin vor der Insolvenz gerettet werden. Im operativen Bereich arbeitete<br />

Siemens eng mit deutschen und ausländischen Bankhäusern zusammen, die<br />

die Finanzierung, das Währungsmanagement, die Anleiheemission und den<br />

Zahlungsverkehr abwickelten. Die wichtigsten waren die Yokohama Specie<br />

Bank, die Deutsch-Asiatische Bank sowie die Hongkong Shanghai Banking<br />

Corporation (HSBC). Dabei nahm vor allem die Deutsche Bank häufig sehr<br />

direkten und auch detaillierten Einfluss auf das Geschäft in Japan und China.<br />

Dies wurde vor allem während der Phase des Unternehmergeschäfts um die<br />

Jahrhundertwende deutlich, in der zahlreiche Investitions- und<br />

Seite | 305


Finanzierungspläne geprüft wurden. Dabei war das Bankhaus sehr vorsichtig,<br />

und stoppte in den meisten Fällen die Expansionspläne des Unternehmens.<br />

Insgesamt lässt sich darüber hinaus für beide Länder feststellen, dass<br />

Siemens bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Ostasien im Vergleich<br />

zur Gesamtunternehmensentwicklung keine großen Gewinne erzielt hat.<br />

Abbildung 58: Unterschiede der Unternehmenstätigkeit in China und Japan<br />

Neben der großen Zahl von Gemeinsamkeiten in der Marktbearbeitung von<br />

Siemens in Japan und China lassen sich aber auch einige Unterschiede<br />

feststellen.<br />

So wurde bei Siemens bereits vor dem Ersten Weltkrieg über den Aufbau<br />

einer eigenen Produktion in Ostasien nachgedacht. Allerdings kam es<br />

lediglich in Japan zum Bau verschiedener Fabriken, während in China nur<br />

größere Werkstätten entstanden. Im Jahr 1925 nahm die Fabrik in Kawasaki<br />

die Produktion starkstromtechnischer Komponenten auf. Anfang der 30er<br />

Jahre wurde diese um eine Schwachstromfabrik erweitert (Fusi Tsushinki).<br />

Seite | 306


Ferner wurde Mitte der 1930er in Kooperation mit der Goto Fuundo eine<br />

kleinere Fabrik zur Herstellung medizinischer Apparate gegründet.<br />

Während in Japan die Verhandlungen zum Unternehmergeschäft großen<br />

Raum einnahmen, jedoch ohne Ergebnis, führten die Verhandlungen in China<br />

zu konkreten Resultaten. Hierzu zählt etwa die Gründung der Chinesischen<br />

Elektrizitätsgesellschaft. Darüber hinaus verfügte Siemens in China – bedingt<br />

durch die räumlichen Verhältnisse des Landes – über ein wesentlich weiter<br />

ausgedehntes Agenturnetz als in Japan, während dem Aufbau eigener Büros<br />

eine geringere Bedeutung zukam. Schließlich gelang es Siemens, in der<br />

Zwischenkriegszeit ohne Partnerunternehmen eine Geschäftstätigkeit zu<br />

etablieren, während dies in Japan nur mit Hilfe lokaler Kooperationspartner<br />

möglich war.<br />

Heute ist Siemens mit 75.000 Mitarbeitern eines der größten und<br />

erfolgreichsten deutschen Unternehmen in der Region Ostasien und kann auf<br />

fast 150 Jahre Asienerfahrung zurückblicken. Der frühe Markteintritt in ein<br />

Kulturgebiet, das sich durch eine starke Langfristorientierung auszeichnet,<br />

erwies sich für Siemens dabei als großer Wettbewerbsvorteil. Trotz der<br />

Vielzahl von Rückschlägen in den ersten Jahrzehnten gelang es dadurch, den<br />

Grundstein zu legen, auf dem die sehr positive Geschäftsentwicklung des<br />

Unternehmens nach dem Zweiten Weltkrieg basierte.<br />

Seite | 307


QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS<br />

Seite | XII


Archivquellen<br />

Deutsche Bank Archiv, Frankfurt am Main<br />

HDtB S 490: Bericht von Keßler über das Tokio-Straßenbahnprojekt, 16. April 1901.<br />

HDtB S 490: Schreiben DtB an S&H, AbtB, 16. September 1899.<br />

HDtB S 490: Schreiben Fischer an S&H, Elektrische Straßenbahn in Tokio, 12. September<br />

1898.<br />

Siemens Med Archiv, <strong>Erlangen</strong><br />

SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen RGS und Goto Fuundo, 1. Januar 1924.<br />

SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Phönix AG und Goto Fuundo, 20. Februar 1924.<br />

SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Veifa und Goto Fuundo, 1. Januar 1925.<br />

SMA 7610 3-3-06,Vertrag zwischen Fusi und Goto Fuundo, 1. Mai 1926.<br />

SMA 7610 3-3-06: Vertrag Fusi mit SRV, 1. Mai 1927.<br />

SMA 7610 3-3-06: Vertrag zwischen Goto Fuundo und Siemens-Reiniger-Veifer<br />

Gesellschaft, 30. Juni 1932.<br />

SMA 7610 3-3-06: Aktennotiz Gegenwärtiger Stand des SRW-Geschäfts in Japan, Berlin<br />

4. Januar 1939.<br />

Siemens Corporate Archives, München<br />

SAA 1179: Bilanzen der SSDKK. Geschäftsbericht für die Geschäftsjahre 1920/21 bis<br />

1922/23.<br />

SAA 5251: S&H Centralstelle an Mandl, Vertrag über die Centrale in Peking, 5. Juli<br />

1898.<br />

SAA 5251-1: Mandl an S&H Berlin, Entgegennahme des Gesellschaftervertrages, 23.<br />

Juni 1898.<br />

SAA 5251-1: Aktennotiz zwischen Lieder und Bauer in Tientsin, 29. Oktober 1898.<br />

SAA 5251-2: Bericht über das erste Geschäftsjahr der Chinesischen Elektrizitäts-<br />

Gesellschaft, Berlin 1900.<br />

SAA 5251-2: Bericht über das zweite Geschäftsjahr der CEG, Berlin 1901.<br />

SAA 5251-2: zweiter und dritter Geschäftsbericht, Berlin 1901 und Berlin 1902.<br />

SAA 5251-2: Auszug aus dem Protokoll der Direktoriumssitzung , 19.02.1902.<br />

SAA 5264: Protokoll über die Gründung eines Syndikats, Berlin 12. Februar 1898.<br />

Seite | XIII


SAA 5264: DB Berlin an S&H Berlin, Vertr. Bericht über Studienunternehmungen in<br />

Shandong, 16. Februar 1898.<br />

SAA 5264: S&H Berlin an DB Berlin, Betr. Studienunternehmung in Schantung, 18.<br />

Februar 1898.<br />

SAA 5264: DB Berlin an S&H Berlin, Übersendung des Protokolls, 19. Februar 1898.<br />

SAA 5264: Auszug aus 35. Direktoriumssitzung , 13. Januar 1899.<br />

SAA 5264: S&H Berlin an DB, Konstituierende Sitzung der Schantung-Eisenbahn-<br />

Gesellschaft, 10. Juni 1899.<br />

SAA 5264: S&H Berlin an S.Brothers London, Straßenbahn Shanghai.<br />

SAA 5968-2: Verwendung des Firmennamens (Schreiben von S.Ch.Co. an Unterbüro in<br />

Hankow mit Kopie an weitere Büros und CVU), 24.9.1921.<br />

SAA 6046: Bilanz der SSDKK 1932.<br />

SAA 6320: Diverse Briefwechsel zwischen EAG vormals Schuckert&Co. & Handelshaus<br />

Schultz, 1899–1902.<br />

SAA 6640: Diverse Schriftwechsel von Schuckert.<br />

SAA 7894: Erinnerungen des Herrn Leichsenring an seine Berufszeit in Japan von 1929<br />

bis 1938.<br />

SAA 7912: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan.<br />

SAA 8088: Voigt, Karl, Der Fall Siemens und der Marineskandal in Japan, Tokio 1962.<br />

SAA 8088: Aktennotiz über die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan vom Mai 1966.<br />

SAA 8150: Länder-Statistiken (Unterlagen der AU).<br />

SAA 8155: SSDKK-Bilanzen 1933–1941.<br />

SAA 8155: Vertrauliches Schreiben zum Fusi Vertrag, 7. August 1951.<br />

SAA 8185: „Für Siemens eine Reise um die Erde“ (Vortrag von Reyss, vermutlich 1925).<br />

SAA 8188: Siemens in Übersee. Rückblick und Ausblick, Berlin Oktober 1944.<br />

SAA 8188: Bericht Eitel, Historische Entwicklung des Überseegeschäftes.<br />

SAA 9374: General Meeting for the Organisation of Fusi Seizo K.K., 22. August 1923.<br />

SAA 9376: Schreiben der CVU an SSDKK vom 14. August 1923.<br />

SAA 9376: Rundschreiben der CVU betr. Japan vom 3. November 1923.<br />

SAA 9376: Abschrift des Vertrages zur Übertragung der gezeichneten Aktien von Franke<br />

und Keßler an die SSW und S&H vom 15. Oktober 1923.<br />

SAA 9376: Besprechung mit der Fusi vom 19. bis 22. November 1924.<br />

SAA 9376: Protokoll über die Besprechungen mit der Fusi vom 19. bis 22. November<br />

1924.<br />

Seite | XIV


SAA 9376: Bindungen in der japanischen Elektroindustrie, Stand Januar 1938.<br />

SAA 9376: Übersicht Japan Verträge vom 4. März 1938.<br />

SAA 9376: Fusi Vertrag mit Ergänzungen geschrieben 1940.<br />

SAA 9376: Abschriften der Vollmacht von Keßler an Kieffer und der Vollmacht von<br />

Franke an Mohr.<br />

SAA 9376: Fusi Vertrag.<br />

SAA 9376: Satzung der Fusi.<br />

SAA 9376: Übersicht Beteiligungen der Fusi.<br />

SAA 9376: Übersicht Ergebnisse Fusi.<br />

SAA 9376: Übersicht Japan Verträge.<br />

SAA 9376: Übersichten Fusi, Aktienkapital.<br />

SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki Aktienkapital.<br />

SAA 9376: Übersichtsblatt Fusi Tsushinki.<br />

SAA 9376: Zeichnungsprospekt für Fusi Aktie.<br />

SAA 9376: Zeichnungsprospekt.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1921/37.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1925.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1926.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1926/31.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1928.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1939.<br />

SAA 9387: Zusammenstellung zum Japangeschäft der Firma Siemens von 1943,<br />

Chronik Jahr 1943.<br />

SAA 9411: The Japanese Adviser, 18. März 1914.<br />

SAA 9411: The Japan Daily Herald, 18. März 1914.<br />

SAA 9411: The Japanese Times, 17. April 1914.<br />

SAA 9411: The Japanese Times, 26. April 1914.<br />

SAA 9482: Aktennotiz zur Besprechung vom 22. August 1921. Protokoll vom 3.<br />

September 1921.<br />

Seite | XV


SAA 9482: Aktennotiz über eine Besprechung mit der Telefunken vom 28. Februar 1922.<br />

SAA 9482: Internes Schreiben der CVU zur Fusi Gründung vom 23. November 1923.<br />

SAA 9482: Internes Rundschreiben der CVU vom 1. März 1925.<br />

SAA 9736: Übersicht Japan Verträge.<br />

SAA 9839: Siemens-Fremdgeschäfte in China (Bericht von Probst), Starnberg<br />

24.6.1984.<br />

SAA 9925: Wada, Mein Weg durch 80 Jahre.<br />

SAA 10108: Geschäftsbericht der SSDKK für die Geschäftsjahre 1920/21 bis 1922/23.<br />

SAA 10108: Keßler, Bericht über die Gründung der neuen Gesellschaft in Japan vom 20.<br />

November 1922.<br />

SAA 10108: Tsuru, Rückblick auf die Gründung unserer Firma vom 22. September 1939.<br />

SAA 10619: Bericht über Telefunkenaktivität in China, o. O., 1944.<br />

SAA 10619: Telefunken in China, April 1944.<br />

SAA 10738: Bericht Karl Mosig: Aus dem Elektro-Ausbau Chinas. S.Z. 1927 Heft 10, S.<br />

662–668.<br />

SAA 10738: Unterlagenmappe SSW-Projekte in China (von Karl Mosig), April 1943, Blatt<br />

25.<br />

SAA 10738: Bericht „100 Jahre Siemens“, Betätigung in Übersee, 1943/44.<br />

SAA 10738: Berichtsbogen über das Wasserkraftwerk Yünannfu, 1944.<br />

SAA 10793-1: Gutachten zum Western Vertrag von 1926.<br />

SAA 10793-1: Rechtsgutachten zu den Western-Verträgen.<br />

SAA 10845-1: Betätigung der Siemens-Bauunion in China (Protokoll einer Besprechung<br />

in Berlin), Berlin 23.10.1925.<br />

SAA 10848-3: Schreiben der SSDKK an CVU vom 20. Februar 1937.<br />

SAA 10848-3: Monatliche Unkosten Dairen, Anlage zum Schreiben der SSDKK an CVU<br />

vom 20. Februar 1937.<br />

SAA 10848-3: Schreiben der CVU an Fusi vom 10. Mai 1938.<br />

SAA 10850: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von<br />

S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 3.1.1922.<br />

SAA 10850: Auflösung des Vertrages mit Tseng Hua Electric Manufacturing Co. of<br />

China, Berlin 9.9.1930.<br />

SAA 12013: Vollmachtserteilung für Eicke und Schulz zur Unterzeichnung des Vertrags<br />

für die Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von S&H an die chinesische Botschaft in<br />

Seite | XVI


Berlin), 22.7.1937.<br />

SAA 12013: Bemerkungen zum Vertrag für die Telefonfabrik in Changsha (Schreiben<br />

von S&H an die National Resources Commission), Nanking 1.8.1937.<br />

SAA 12013: Kündigung des Vertrages der Telefonfabrik in Changsha (Schreiben von<br />

S&H an die National Resources Commission), 5.11.1948.<br />

SAA 13082: Notarieller Vertrag über Änderungen bei der S.Ch.Co., 19.6.1925.<br />

SAA 13087: Vertrag zwischen dem Schutzgebiet Kiautschou und den Siemens<br />

Schuckertwerken und der AEG für den Bau eines Kraftwerkes, 17. November 1903.<br />

SAA 15686: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989.<br />

SAA 15686: Forschner, Dirk: Beijing und seine Straßenbahnen, Berlin 1989.<br />

SAA 16091: History of Siemens Medical Activities in Japan.<br />

SAA 16486: Mutz, Internationalisierung.<br />

SAA 19567: Bericht von Reyss, Das Zustandekommen des Fusi Vertrages vom 29.<br />

Januar 1946.<br />

SAA 20872: China Erinnerungen Probst, August 1986.<br />

SAA 20872: Siemens-Kraftanlagen in China.<br />

SAA 4/Lf 802: SSW-Organisation in China, Berlin 23.8.1929.<br />

SAA 11/Lf 287: Nachlass Köttgen.<br />

SAA 11/Lf 480: Aktennotiz über die Besprechung mit dem japanischen Marineattache vom 26.<br />

August 1920, Protokoll vom 28. August 1920.<br />

SAA 11/Lf 480: Schreiben von Yoshimura an C.F. von Siemens vom 21. Dezember 1921.<br />

SAA 11/Lf 480: Aktennotiz betr. Abkommen mit Furukawa vom 29. Dezember 1921.<br />

SAA 11/Lf 480: Schreiben der Western Electric an S&H vom 25. Januar 1922.<br />

SAA 11/Lf 499: Vertrag zwischen Tseng Hua und S.Ch.Co., Peking 14.5.1921.<br />

SAA 11/Lg 498: Aspects of the Japanese Market and the Standing of Fusi vom Mai 1934.<br />

SAA 11/Lg 498: Schreiben der Fusi an Direktionen der S&H und der SSW vom 25. Januar<br />

1937.<br />

SAA 11/Lm 167: Kontoeröffnung für HAPRO-Geschäfte (Aktennotiz), Berlin 17.7.1935.<br />

SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit Kraney (Aktennotiz der AU 2),<br />

Berlin 18.7.1935.<br />

SAA 11/Lm 167: Bemerkungen zu einer Besprechung mit von Seeckt über die Zukunft der<br />

HAPRO-Geschäfte (Geheime Aktennotiz), Berlin 20.1.1936.<br />

SAA 12/Lh 638: Rabe, John H. D., Ein Vierteljahrhundert beim Siemens-Konzern in China.<br />

Plaudereien eines Siemens-Auslandsbeamten, Nanjing 1935.<br />

Seite | XVII


SAA 12/Lh 759: Le Vrang, Das Japanwerk, Fusi Denki Kabushiki Kaisha 1921–1945, Bericht<br />

von 1952.<br />

SAA 12/Lm 910: Eitel, Wolfram, Die historische Entwicklung des Überseegeschäftes des<br />

Hauses Siemens und seine Organisation.<br />

SAA 12/Lm 910a I: Informationen für Übersee No. 1. Kurze Mitteilungen über die Vorgänge in<br />

der AU im Stammhaus sowie über die Tätigkeit unserer Übersee-Organisation während des<br />

Kriegs, Berlin 12.8.1919.<br />

SAA 12/Lm 910a I: Mosig, Karl, Die erste Hochspannungs-Fernübertragungsanlage Chinas;<br />

in: Siemens-Zeitschrift, 4/1925, S. 149–153.<br />

SAA 13/Lc 332: CVU an Meyer, 4. Januar 1901.<br />

SAA 13/Lc 332: Schreiben CVU (Keßler) an TBS (Meyer), Berlin 16. März 1910.<br />

SAA 13/Lc 332: T.B. Shanghai an Siemens Berlin, 1. Dezember 1914.<br />

SAA 13/Lc 332: Rabe: Notizen für die 100-Jahr-Feier, Schreibmaschinenskript, 22. Dezember<br />

1943.<br />

SAA 13/Lc 518: Erläuterung Keßler (von Keßler) zum jap. Marine Prozess, o. D.<br />

SAA 13/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn, 4. Juni<br />

1919.<br />

SAA 15/La 56: Reisebericht von Keßler, 30. Juni 1913.<br />

SAA 15/La 610: Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht zur Bilanz 1915/1916.<br />

SAA 15/La 610: Geschäftsbericht der S.Ch.Co. 1921/22, Shanghai 10.11.1922.<br />

SAA 15/La 610: Bilanzbericht der S.Ch.Co. 1924/25, Shanghai 25.2.1926.<br />

SAA 15/La 610: Bilanz per 31. Mai 1915, Allgemeiner geschäftlicher Jahresbericht für alle<br />

Büros der Siemens China Co.<br />

SAA 15/Le 503: Diverse Reiseberichte von Keßler, 1913.<br />

SAA 15/Lg 536: Bericht von Professor Dettmar über Studienreise nach China (vermutlich aus<br />

dem Jahr 1930).<br />

SAA 15/Ln 376: Referat von Keßler über das japanische Geschäft, 18. August 1913.<br />

SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Jahresbericht China 1914/15, Shanghai 8. Juni 1916.<br />

SAA 15/Lp 168: Geschäftslage in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />

28.7.1919.<br />

SAA 15/Lp 168: Allgemeiner Geschäftsbericht (Handschriftlicher Bericht von S.Ch.Co. an<br />

CVU), Peking 24.10.1919.<br />

SAA 15/Lp 168: Geschäftsbericht aus Hankow (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Hankow<br />

4.7.1920.<br />

SAA 15/Lp 168: Tseng Hua Electrical Manufacturing Co. (Aktennotiz), Berlin 19.9.1924.<br />

Seite | XVIII


SAA 15/Lp 168: Auszug aus einer Besprechung im Wernerwerk über die Reise von Direktor<br />

Reyss nach China, Berlin 20.9.1924.<br />

SAA 15/Lp 168: Bericht der S.Ch.Co. zum Geschäftsjahr 1927/28, Shanghai 31.8.1928.<br />

SAA 15/Lp 168: AK-Geschäft, Beitrag zum Bilanzbericht 1929/30 (Teil des Geschäftsberichtes<br />

der S.Ch.Co. 1929/30), Shanghai.<br />

SAA 15/Lp 168: Auszug aus dem Jahresbericht 1929/1930 der Siemens China Co.,<br />

12.11.1930.<br />

SAA 15/Lp 168: VA-Geschäftsbericht 1930/31 (Teil des Geschäftsberichtes der S.Ch.Co.<br />

1930/31), Shanghai.<br />

SAA 15/Lp 168: Jahresbericht 1932/33, Shanghai 2.9.1933.<br />

SAA 15/Lp 168: Scheinwerferspezialist für China (Schreiben der SSW an HAPRO),<br />

4.12.1936.<br />

SAA 15/Lp 168: Dipl. Ing. Weiss – Scheinwerfergeschäft (Schreiben der SSW an S.Ch.Co.),<br />

14.12.1936.<br />

SAA 15/Lp 168: Flak-Scheinwerfer 150 cm für Nanking (Abschrift eines Schreibens von AU an<br />

S.Ch.Co.), 27.4.1937.<br />

SAA 15/Lp 168: Rückreise von Oberingenieur Weiss (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />

Shanghai 10.6.1937.<br />

SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Bericht von Probst), 20.3.1938.<br />

SAA 15/Lp 168: Elektrische Großinstallationen in China (Handschriftliche Notiz von Probst,<br />

angeheftet an den Bericht).<br />

SAA 15/Lp 194: Siemens China an Siemens Berlin, Information über die China-Revolution,<br />

15.11.1911.<br />

SAA 15/Lp 194: Anmerkung über China (Bericht von S&H), 6.8.1931.<br />

SAA 17/La 812: 1. Geschäftsbericht der Fusi.<br />

SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi.<br />

SAA 17/La 812: 2. Geschäftsbericht der Fusi, handschriftliche Ergänzungen.<br />

SAA 17/La 812: 5. Geschäftsbericht der Fusi.<br />

SAA 17/La 812: 6. Geschäftsbericht der Fusi.<br />

SAA 17/La 812: 13. Geschäftsbericht der Fusi, Number of Employees.<br />

SAA 17/La 812: 14. Geschäftsbericht der Fusi. Die Siemens Festschrift nennt als Jahr des<br />

Beginns der Pupinspulenfertigung 1932.<br />

SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 10. Juli 1926.<br />

SAA 17/La 812: Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 22. Dezember 1926.<br />

SAA 17/La 812: Auszug aus einem Schreiben des Herrn Direktor Mohr vom 19.02.1929.<br />

Seite | XIX


SAA 17/La 812: Tabellen zur Fusi Fabrik von Zederbohm, 1929.<br />

SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. Februar 1929.<br />

SAA 17/La 812: Diverse Geschäftsberichte der Fusi von 1923 bis 1930.<br />

SAA 17/La 812: Schreiben der Fusi an die Aktionäre, o. D.<br />

SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1920/21.<br />

SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1921/22.<br />

SAA 17/Lc 320: Geschäftsbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1923/24.<br />

SAA 17/Lc 320: Jahresbericht der SSDKK für das Geschäftsjahr 1927/28.<br />

SAA 17/Lc 320: SSDKK-Bilanzen für die Geschäftsjahre 1920–1931.<br />

SAA 20/La 942: Aktennotiz zum Schreiben von Mohr, Fusi an CVU vom 28. September 1926.<br />

SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 30. Oktober 1926.<br />

SAA 20/La 942: Aktennotiz vom 3. Januar 1927.<br />

SAA 20/La 942: Bericht über die Besprechung zum Stand der Fusi am 17. Januar 1927.<br />

SAA 20/La 942: Aktennotiz über die Besprechung mit der Fusi am 15. und 18. Januar 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von von Rosen an die CVU vom 18. Januar 1927.<br />

SAA 20/La 942: Bericht der ZW an AU vom 28. Februar 1927.<br />

SAA 20/La 942: Bericht vom 9. März 1927 durch von Rosen.<br />

SAA 20/La 942: Bedingungen für eine Anleihe an die Fusi vom 21. März 1927.<br />

SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi der AU 1 vom 1. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Fusi vom 2. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm der Fusi an CVU vom 9. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben der Fusi an CVU vom 19. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von Keßler, CVU an Natori, Fusi vom 19. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von Natori an CVU vom 25. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von Mohr an CVU vom 26. April 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 10. Mai 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm der SSDKK an CVU vom 16. Mai 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 24. Mai 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 25. Mai 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm von CVU an Hirschnitz vom 27. Mai 1927.<br />

SAA 20/La 942: Anregungen für einen Sanierungsplan der Fusi der AU 1 vom 30. Mai 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm der CVU an Hirschnitz vom 4. Juni 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von Nakagawa, Furukawa Denki an Hirschnitz vom 7. Juni 1927.<br />

SAA 20/La 942: Telegramm von Hirschnitz an CVU vom 7. Juni 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von Kajiyama an Hirschnitz vom 11. Juni 1927.<br />

Seite | XX


SAA 20/La 942: Vertragsentwurf und Schreiben von Mohr an CVU vom 23. Juni 1927.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben der CVU an Mohr vom 31. August 1927 und Schreiben der<br />

Zentralfinanzverwaltung vom 2. September 1927.<br />

SAA 20/La 942: Aktennotiz zur Weiterleitung des Vertragsentwurfes an Dr. Springer, o. D.<br />

SAA 20/La 942: Loan Agreement, o. D.<br />

SAA 20/La 942: Schreiben von Yoshimura und Kajiyama, o. D.<br />

SAA 20/Lg 27: AEG an Yokohama Specie Bank, London, 12. Juli 1898.<br />

SAA 20/Lg 27: CVU an Koettgen, 25. September 1913.<br />

SAA 20/Lg 27: Schreiben S&H an Rohde, Elektrifizierung Ausländerviertel Yokohama, 19.<br />

Oktober 1889.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an Deutsche Bank, Secretariat, 12. Februar 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H, AbtB an S&H Centralstelle, 12. Februar 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an S&H Japan, Telegramm Beteiligung Banken, 15. Februar<br />

1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 1. April 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Siemens Tokio an S&H Centralstelle, Gemeinsames Vorgehen, 20. April<br />

1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Bödiker betr. Unterredung mit Schmidt-Leda, 16. Mai 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Siemens Japan, Information über die Japanexperten und<br />

Lönholm, 24. Mai 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: <strong>Dokument</strong>, 14. März 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Tokio, 28. Mai 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Protokoll der Direktoriumssitzung vom 8. Juni 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: S&H Berlin an Deutsche Bank, Finanzierungsgeschäft Tokyo Dento, 9. Juni<br />

1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Depesche von S&H, Centralstelle an S&H, JA, 10. Juni 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 17. Juni 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Siemens Japan an Siemens Berlin, Gutachten von Lönholm, 27. Juni 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben Siemens Japan an Siemens Berlin, Einsetzung eines<br />

Strohmannes, 7. Juli 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Aktennotiz von Salzmann betr. Besprechung mit Illies in Sachen Tokyo<br />

Electric Light Co., 8. Juli 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: AEG, Export Department an S&H, 18. Juli 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: S&H, JA, an S&H, Centralstelle, 24. Juli 1898.<br />

Seite | XXI


SAA 20/Lk 368: Fischer an S&H, AbtB, 28. Juli 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Berlin an S&H Japan, Neue Nachrichten über Strohmann, 24.<br />

August 1898.<br />

SAA 20/Lk 368: DtB an S&H, 6. Juli 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: S&H, Berliner Werk an S&H Directorium, Kabelfabrik, 21. Juli 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: S&H an Bödiker, 10. August 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 17. Aufsichtsrats-Sitzung, 18. August 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 60. Directorium-Sitzung, 18. August 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 67. Directoriumssitzung, 25. Oktober 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 68. Directoriumssitzung, 4. November 1899.<br />

SAA 20/Lk 368: Schreiben S&H Japan an S&H, Centralstelle, Gründung einer<br />

Finanzierungsgesellschaft, 9. Februar 1900.<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der 105. Directoriums-Sitzung, 21. Januar 1901.<br />

SAA 20/Lk 368: Auszug aus dem Protokoll der Directoriums-Sitzung, 8. Mai 1901.<br />

SAA 21/ Lc 374: Vertragsentwurf vom 1. Juli 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Schreiben CVU an SSDKK vom 7. August 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Schreiben von SSDKK (Mohr) an CVU (Keßler) vom 18. August 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Telegramm an SSDKK vom 20. August 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 3. September 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Aktennotiz vom 26.Oktober 1920 zur Besprechung am 2. Oktober 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Schreiben der CVU an SSDKK vom 8. Oktober 1920.<br />

SAA 21/Lc 374: Schriftstück über Absage der japanischen Marine.<br />

SAA 21/Lc 374: Strategiepapier zur Produktion in Japan, o. D.<br />

SAA 21/Li 732: Vertrag zwischen SSW Berlin und Mandl, Berlin 1. Oktober 1903.<br />

SAA 25/Lc 71: Siemens Berlin an TBS, Geschäfte mit Carlowitz, Berlin, Berlin 5. Februar<br />

1909.<br />

SAA 25/Lc 71: Erhardt an CVU, Verhandlung mit Herrn Major Klehmet, Tsingtau, Shanghai<br />

21.4.1911.<br />

SAA 25/Lc 71: Umwandlung der Siemens China Co. in eine deutsch-chinesische Gesellschaft<br />

(Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai 21.7.1921.<br />

SAA 25/Lc 71: Protokoll einer Konferenz vom 8.9.1921 über die in China am 14.5.1921<br />

eingegangenen Verträge (Aktennotiz), Berlin 10.9.1921.<br />

SAA 25/Lc 71: Gründung Tseng Hua und Umwandlung Siemens China Co. (Schreiben von<br />

CVU an S.Ch.Co.), Siemensstadt 3.10.1921.<br />

SAA 25/Lc 71: Zur Organisation in China (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai April<br />

Seite | XXII


1922.<br />

SAA 25/Lc 71: Organisation der Siemens China Co. (Anlage zu Büros und Mietverträgen),<br />

Shanghai 3.12.1923.<br />

SAA 25/Lc 71: Hauptbuchhaltung in Peking (Schreiben von Reyss an das Unterbüro in<br />

Peking), 2.1.1925.<br />

SAA 25/Lc 71: Geschäfte in Szechuan (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />

18.2.1925.<br />

SAA 25/Lc 71: Vertretung in Hongkong (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU), Shanghai<br />

19.2.1925.<br />

SAA 25/Lg 136: Vertragswerk „Interessengemeinschaft bezüglich der elektrischen Geschäfte<br />

in China, zwischen den SSW, Berlin und der Fa. H. Mandl &Co, 1. Oktober 1903.<br />

SAA 25/Lg 136: Ergebnis-Übersicht der Siemens China Co. 1922–1941.<br />

SAA 25/Lk 939: S&H an S&H, JA 12. November 1896.<br />

SAA 25/Ln 142: Projekt Tokio, 22. März 1898.<br />

SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H, AbtB an AEG, Geschäft Japan, 27. Oktober 1899.<br />

SAA 25/Ln 142: Aktennotiz von Schrimpff betr. Straßenbahn in Tokio, 6. Juli 1900.<br />

SAA 25/Ln 142: Schreiben S&H Japan an S&H Berlin.<br />

SAA 25/Lo 268: Schreiben Keßler an S&H, 27. Oktober 1893.<br />

SAA 25/Lo 268: Bericht über Straßenbahnbau in Kyoto, 4. Juni 1896.<br />

SAA 25/Lo 268: Schreiben Fischer an S&H Berlin, Abteilung Bahn, 14. März 1898.<br />

SAA 25/Lo 268: S&H Japan, Abteilung Bahn, Anfrage von Furukawa, 5. August 1898.<br />

SAA 25/Lo 268: Fischer an S&H, Berlin, 6. Februar 1900.<br />

SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 27. Januar 1888.<br />

SAA 25/Lo 379: Keßler an S&H, 26. September 1888.<br />

SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 8. Mai 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Juli 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: S&H an Henneberg, 24. August 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 30. August 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 9. September 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 28. September 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 7. Oktober 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, 16. Oktober 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, 19. Oktober 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, Bericht, 12. November 1886.<br />

SAA 25/Lo 384: Henneberg an S&H, 11. Dezember 1886.<br />

Seite | XXIII


SAA 25/Lo 384: Rohde an S&H, Anforderung eines Ingenieurs, 12. März 1887.<br />

SAA 25/Lo 384: S&H an Rohde, Ingenieur, 11. Mai 1887.<br />

SAA 25/Lo 385: Schreiben Keßler an S&H, 9. Februar 1888.<br />

SAA 25/Lo 385: Keßler an S&H, 8. Mai 1888.<br />

SAA 25/Ls 675: Export nach China (Schreiben von SSW an das<br />

Reichswirtschaftsministerium), 6.8.1934.<br />

SAA 27/La 401: CVU an Ebeling, 1. Mai 1912.<br />

SAA 27/La 401: CVU an Koettgen, 25. September 1913, Vogt, Helmut, Überseebeziehung,<br />

1979.<br />

SAA 27/La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914.<br />

SAA 27/La 792: Memorandum of Agreement zwischen Siemens China and Wuchang Electric<br />

Light Co.<br />

SAA 27/Lp 232: Protokoll einer Besprechung vom 27.10.1925 über das chinesische<br />

Telefongeschäft (Abschrift), Siemensstadt 30.10.1925.<br />

SAA 29/Lp 530: Personalbestand der Überseeischen Bureaus per 31. Mai 1916.<br />

SAA 37/La 529: Telefunken-Informant S.S. Chow (Schreiben von Telefunken/China an<br />

Telefunken/Berlin), Shanghai 7.8.1934.<br />

SAA 47/Lp 178: Mosig, Karl, Aus dem Elektro-Ausbau Chinas; in: Siemens Zeitschrift,<br />

10/1927, S. 662–668.<br />

SAA 47/Lp 178: AU 7-Bericht. Geschäftsrückblick und -ausblick auf das China-Geschäft,<br />

August 1940.<br />

SAA 47/Lp 178: Ausführlicher Bericht auf Grund der Unterlagenblätter über China,<br />

Mandschukuo, Thailand (Teil der Unterlagenmappe „100 Jahre Siemens“).<br />

SAA 50/La 788: Bericht über die Tätigkeit der SSDKK in Kriegsgefangenen-Angelegenheiten<br />

in Japan 1914–1920, 15. August 1919.<br />

SAA 50/La 788: Schreiben CVU an Zentralvorstand, Kriegsgefangenenunkosten der SSDKK<br />

Tokio, 3. Mai 1921.<br />

SAA 50/Ll 577: Schreiben Drenckhahn an CVU, Maßnahmen während des Kriegs, II. Bericht,<br />

Reduktion der Unkosten, 25. November 1914.<br />

SAA 50/Ll 577: Schreiben Georgi an CVU, Übersicht.<br />

SAA 50/Lm 312: Keßler an Erhardt, Tauchbootbrief, 13. Januar 1917.<br />

SAA 50/Lm 312: Bericht über die Tätigkeit der Siemens China Co. seit Kriegsbeginn, 4. Juni<br />

1919.<br />

SAA 50/Lm 312: Geschäftsaussichten in China nach dem Kriege (Keßler), Siemensstadt<br />

6.10.1919.<br />

Seite | XXIV


SAA 50/Lm 312: Übersetzung eines am 15.10.1920 in den North China Daily News<br />

erschienenen Zeitungsartikels, S. 1–4.<br />

SAA 50/Lm 312: Geschäftslage in China (Schreiben von CVU an S.Ch.Co.), Berlin 8.11.1919.<br />

SAA 50/Lm 312: Rabe: Vierteljahrhundert.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben von SSDKK an CVU vom 9. Januar 1920.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 6. Februar 1920.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben von Inagaki an Keßler vom 8. März 1920.<br />

SAA 54/La 496: Telegramm der SSDKK vom 20. März 1920.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 23 März 1920.<br />

SAA 54/La 496: Telegramm an SSDKK vom 31. März 1920.<br />

SAA 54/La 496: Ergebnis der Rücksprache über Japan, 6. April 1920.<br />

SAA 54/La 496: Telegramm SSDKK an CVU vom 16. April.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 29. April 1920.<br />

SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrikation in Japan vom 6. Mai 1920.<br />

SAA 54/La 496: Ergebnis der Besprechung über Japan am 10. Mai 1920, Protokoll vom 14.<br />

Mai 1920.<br />

SAA 54/La 496: Besprechung betr. Fabrikation in Japan am 22. Mai 1920. Protokoll vom 26.<br />

Mai 1920.<br />

SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 4. Juni 1920, Protokoll vom 5. Juni<br />

1920.<br />

SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Fabrik in Japan vom 9. Juni 1920, Protokoll vom 22. Juni<br />

1920.<br />

SAA 54/La 496: Aktennotiz zur Direktoriumssitzung vom 6. Juli 1920.<br />

SAA 54/La 496: Aktennotiz betr. Gründung einer Fabrik in Japan mit Furukawa vom 26. Juli<br />

1920.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben der SSDKK an CVU vom 31. Juli 1920.<br />

SAA 54/La 496: Telegramm von Inagaki an Keßler vom 3. Oktober 1919.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben des Vereins deutscher Maschinenbau-Anstalten an Siemens vom<br />

25. Oktober 1919.<br />

SAA 54/La 496: Brief von Inagaki an Keßler vom 20. November 1919.<br />

SAA 54/La 496: Schreiben SSDKK an CVU vom 5. Dezember 1919.<br />

SAA 54/La 496: Keßler, Aktennotiz zur Frage der Errichtung einer Fabrik in Japan vom 8.<br />

Dezember 1919.<br />

SAA 54/La 496: Aktennotiz No. 4 (Furukawa) der SSDKK, o. D.<br />

SAA 54/La 496: Keßler, Strategiepapier Betr. Fabrikation in Japan, o. D.<br />

Seite | XXV


SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, List of Articles, of which the<br />

Dept. of Railways purchases exclusively home makes, published on November 12 th 1929.<br />

SAA 54/Ld 192: Essential Points of Conversation with Mr. Shindo of the Dept. of<br />

communication on 8 th May 1930.<br />

SAA 54/Ld 192: Articles of Satsuki Kai, Mai 1931.<br />

SAA 54/Ld 192: Business Regulation of Satsuki Kai, Mai 1931.<br />

SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Index of Prices.<br />

SAA 54/Ld 192: Strategiepapier der Fusi vom 19. Juni 1931, Protokoll vom 30. Juni 1931.<br />

SAA 54/Ld 192: Protokoll vom 31. Juni 1931.<br />

SAA 60/Lh 303: Auszug: Matschoß, Conrad: Werner von Siemens, Ein kurzgefaßtes<br />

Lebensbild nebst einer Auswahl seiner Briefe, Bd. 1, Berlin 1916.<br />

SAA 68/Li 151: Werner Siemens an Karl Siemens, Vertrag mit Düsseldorfer Handelshaus, 23.<br />

März 1870.<br />

SAA 68/Li 151: Werner Siemens an von der Heyde (Bremen), Vertretung in Japan, 25.<br />

Oktober 1884.<br />

SAA 68/Li 151: Annonce der Firma Sasuga Shokai in jap. Tageszeitung, 13. Februar 1887.<br />

SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, Vertrag mit Rohde, 7. Dezember 1888.<br />

SAA 68/Li 151: S&H an Keßler, 19. Januar 1894.<br />

SAA 68/Li 151: S&H an S&H Electric Co. of America, 19. Januar 1894.<br />

SAA 68/Li 151: Keil an Keßler, 8. Mai 1895.<br />

SAA 68/Li 151: Keßler an S&H, 10. Mai 1895.<br />

SAA 68/Li 151: S&H Berlin an S&H Japan, 29. Oktober 1895.<br />

SAA 68/Li 151: Protokoll der Konferenz, 28. September 1897.<br />

SAA 68/Li 151: Abschrift eines Briefes von Fischer, 24. Februar 1898.<br />

SAA 68/Li 151: Aktennotiz von Schrimpff über Gespräch mit Illies und Takata, 28. April 1898.<br />

SAA 68/Li 151: Gutachten Lönholm, 27. Juni 1898.<br />

SAA 68/Li 151: Statuten der SSDKK, 6./11. Oktober 1905.<br />

SAA 68/Li 151: Das Osaka-Zweigbureau der SSDKK, 1. März 1906.<br />

SAA 68/Li 151: Seeberger (Siemens Japan) an Hermann Keßler, Kabelfabriken, 17. Juni<br />

1906.<br />

SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Exportbüro SSW Berlin, Kabelwerk, 21. Juni 1906.<br />

SAA 68/Li 151: Siemens Tokio an Siemens Berlin, Exportgesellschaft, 4. Juli 1906.<br />

SAA 68/Li 151: Büro Tokio an Siemens Berlin, Betrifft: Personalvermehrung, 21. Januar 1907.<br />

SAA 68/Li 151: Auszug aus einem Privatschreiben von Herr Wolff an Hermann Keßler, 8.<br />

September 1908.<br />

Seite | XXVI


SAA 68/Li 151: Erklärung von Hermann Keßler, 8. September 1908.<br />

SAA 68/Li 151: Abkommen mit der Firma Wolter, 16. Dezember 1908.<br />

SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Mitteilung No. 355, Berlin, 6. Dezember<br />

1909.<br />

SAA 68/Li 151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, SSDKK an CVU, Betr. Schwachstrom-<br />

Abteilung, 1. April 1910.<br />

SAA 68 Li/151: Japan Stoffsammlung 1870–1921, Aktennotiz über eine Besprechung<br />

zwischen den Herren Dr. Franke, Keßler und Crass wegen der von Herrn Keßler<br />

vorgeschlagenen Trennung der Tokio-Organisation, 1. November 1913.<br />

SAA 68/Li 151: Memorandum über Verhandlungen über eine Kabelfabrik, Januar/Februar<br />

1914.<br />

SAA 68/Li 151: Vertraulicher Bericht an Hermann Keßler Sumitomo Kabel Fabrik, 21. Mai<br />

1914.<br />

SAA 68/Li 151: Vortrag von Herrn Oberingenieur R. Georgi, 16. April 1920.<br />

SAA 68/Li 151: Momotami, Hermann Keßler, Dezember 1957.<br />

SAA 68/Li 151: L. Schoen, Siemens in Japan, 1979.<br />

SAA 68/Li 151: Takenaka, Die Tätigkeit von Siemens in Japan vor dem 1. Weltkrieg; in:<br />

Bulletin Faculty of Letters 44, o. O. 1985, S. 13–31.<br />

SAA 68/Li 151: Aktienbuch der SSDKK, o. D.<br />

SAA 68/Li 151: Festschrift 100 Jahre Siemens in Japan.<br />

SAA 68/Li 151: Momotami, Die Tätigkeit des Hauses Siemens in Japan.<br />

SAA 68/Li 151: S&H an Keßler (Überlingen), Vertrag über die Entsendung.<br />

SAA 68/Li 190: Schreiben Siemens Brothers Co. an S&H, London 24. Januar 1872.<br />

SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 11. März 1879.<br />

SAA 68/Li 190: Werner Siemens an Carl Siemens, 3. Oktober 1879.<br />

SAA 68/Li 190: S&H an Carlowitz, Berlin 29. Oktober 1879.<br />

SAA 68/Li 190: SSW-Berlin an Russische Gesellschaft Schuckert&Co, 26. Januar 1906.<br />

SAA 68/Li 190: Schreiben über die Beendigung der Kooperation mit Carlowitz, Berlin 23.<br />

September 1908.<br />

SAA 68/Li 190: Vertrag der Siemens China Electrical Engineering Co. GmbH, Berlin 6. Juli<br />

1910.<br />

SAA 68/Li 190: Besprechung mit Herrn Mühlhardt über die Zukunft des Wladiwostok-<br />

Geschäfts (Aktennotiz), 14.9.1921.<br />

SAA 68/Li 190: Vertretung im Ausland. Ost-Sibirien und Mandschurei (6. Nachtrag zum ZV 6-<br />

Rundschreiben Nr. 6.), Siemensstadt 7.10.1921.<br />

Seite | XXVII


SAA 68/Li 190: Protokoll einer Aufsichtsratssitzung der SSW im Februar 1922 (Auszug).<br />

SAA 68/Li 190: Einstellung eines ersten Chinesen (Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />

Shanghai 11.2.1930.<br />

SAA 68/Li 190: Organisationsplan der S.Ch.Co., Stand vom 1.6.1937.<br />

SAA 68/Li 190: Personalia Yang-Yin (vertrauliches Schreiben von S.Ch.Co. an CVU),<br />

Yunnanfu 3.12.1937.<br />

SAA 68/Li 190: Captain Yang Yin (Schreiben von Probst aus Brasilien an SSW-AG Berlin),<br />

Rio de Janeiro 24.5.1954.<br />

SAA 68/Li 190: Formosa - Zusammenfassender Bericht über Yang-Yin (Notiz für Herrn W.<br />

Müller), <strong>Erlangen</strong> 29.11.1957.<br />

SAA 68/Li 190: Siemens in China (Zusammenstellung von Wettlaufer), München 2.1.1980.<br />

SAA 68/Li 190: Auszug aus dem Geschäftskopierbuch 98.<br />

SAA 68/Li 190: Betrifft Behandlung des Tantal- und Kohlefadenlampen-Geschaefts<br />

(Fotografie).<br />

SAA 68/Li 190: Diverse Zeitungsausschnitte.<br />

SAA 68/Li 260/ III, Wegner, Jürgen: Siemens in Mexico.<br />

SAA 68/Lr 488: S&H an Rohde &Co., 11. Mai 1887.<br />

SAA 68/Lr 488: Vertrag von Hermann Keßler, Vertrag über die Entsendung des Ingenieurs<br />

Hermann Keßler nach Japan, 13. Mai 1887.<br />

SAA 68/Lr 488: Übersee-Vertretungen, Stand per 31. Mai 1914 (Anlage 9).<br />

SAA 68/Ls 913: Chronology of SSDKK.<br />

SAA La 792: Centrale Wuchang von Siemens, Berlin 8. Mai 1914.<br />

SAA Lc 26: Diverse Berichte Kultursponsoring.<br />

SAA Lp 171: Projekt einer elektrischen Bahn in Shanghai, 1.9.1898.<br />

Seite | XXVIII


Literatur<br />

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London 1981.<br />

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Aspiration in Siam und Malaya, Laos und China 1880–<br />

1904 (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte,<br />

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o. O. 1997.<br />

Dabringhaus, Sabine, Geschichte Chinas 1279–1949, München 2006.<br />

Domrös, Manfred, Naturraum; in: Staiger, Brunhild (Hrsg.): Das große China-<br />

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Dülfer, Eberhard, Internationales Management in unterschiedlichen<br />

Kulturbereichen, 4. Auflage, München 1996.<br />

Dunning, John, Multinational Enterprises and the Global Economy, 6.<br />

Auflage, Harlow 1998.<br />

Feldenkirchen, Wilfried, 100 Jahre erfolgreiches History-Marketing; in:<br />

Archiv und Wirtschaft, 40 Jg. 2007, Heft 4, S. 177–184.<br />

Feldenkirchen, Wilfried, Deutsches Kapital in China vor dem 1. Weltkrieg; in:<br />

Bankhistorisches Archiv, 9/2 1983, S. 64–80.<br />

Feldenkirchen, Wilfried, Fernostgeschäfte der Felten & Guilleume Carlswerk<br />

AG bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs; in:<br />

Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 22. Jg., 2/1977<br />

und 3/1977 (Fortsetzung), S. 91–108, 161–182.<br />

Feldenkirchen, Wilfried, Kontinuität und Wandel. Geschichte als Element<br />

der Marken- und Unternehmensidentität der Siemens<br />

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