Baumwolle in China: Markt und Politik - Daniel Loew: Profile
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<strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a: <strong>Markt</strong> <strong>und</strong> <strong>Politik</strong><br />
Inhalt<br />
1 Aussenhandel mit <strong>Baumwolle</strong> <strong>und</strong> H<strong>in</strong>tergründe................................................... 2<br />
2 Agrarpolitik <strong>und</strong> <strong>Baumwolle</strong> ................................................................................... 5<br />
3 Dünger, Pestizide <strong>und</strong> <strong>Baumwolle</strong>......................................................................... 8<br />
Literaturverzeichnis.............................................................................................. 10<br />
<strong>Daniel</strong> Löw<br />
Institut Für Agrarwirtschaft<br />
Sonneggstrasse 33<br />
8092 Zürich<br />
Zürich, den 4. November 1999
2<br />
1 AUSSENHANDEL MIT BAUMWOLLE UND HINTERGRÜNDE<br />
Ch<strong>in</strong>a ist weltweit der grösste Produzent <strong>und</strong> Konsument von <strong>Baumwolle</strong>. Daher hat<br />
se<strong>in</strong> Aussenhandelsverhalten e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf den<br />
Weltbaumwollenmarkt. In der Vergangenheit wechselte das Land mehrere Male vom<br />
<strong>Baumwolle</strong>xporteur zum -importeur. Wie <strong>in</strong> Abbildung 1 ersichtlich ist sche<strong>in</strong>t Ch<strong>in</strong>as<br />
Import- <strong>und</strong> Exportverhalten erheblichen Druck auf den Weltmarktpreis auszuüben:<br />
Immer wenn Ch<strong>in</strong>a <strong>Baumwolle</strong> importierte, waren die Weltmarktpreise tendenziell<br />
hoch, <strong>und</strong> sie sanken dramatisch, sobald es se<strong>in</strong>e Importe reduzierte oder gar<br />
<strong>Baumwolle</strong> exportierte (Ch<strong>in</strong>a Daily 25. 12. 1998)<br />
Abbildung 1 Ch<strong>in</strong>as Nettoexporte 1 <strong>und</strong> der Weltmarktpreis für <strong>Baumwolle</strong> 2 1981-99<br />
1 Millionen Tonnen<br />
2 US Cents pro US Pf<strong>und</strong><br />
Quelle: Chaudhry 1999<br />
Bis Anfang der 90er Jahre wurde der Baumwollaussenhandel e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong>e<br />
durch die staatliche Baumwollaussenhandelsorganisation Ch<strong>in</strong>atex bewerkstelligt.<br />
Als 1993/94 nach e<strong>in</strong>er Missernte die Baumwollvorräte be<strong>in</strong>ahe vollständig<br />
aufgebraucht wurden, sah sich Ch<strong>in</strong>a mit e<strong>in</strong>em kurzfristigen Versorgungsengpass<br />
konfrontiert. Um den Textilexport zu fördern wurden der Import gelockert <strong>in</strong>dem<br />
e<strong>in</strong>heimische Sp<strong>in</strong>nereien dazu ermuntert wurden <strong>Baumwolle</strong> zu importieren, falls die<br />
Endprodukte wieder exportiert würden. Für Jo<strong>in</strong>t-Venture Sp<strong>in</strong>nereien wurden<br />
bisherige Importquoten abgeschafft. Zudem wurden Importsteuern für Exporteure<br />
abgeschafft (USDA 6/98).<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
Abbildung 2 Baumwollpreise 1 <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a <strong>und</strong> auf dem Weltmarkt<br />
1 US Cents pro US Pf<strong>und</strong><br />
Procurement Price: Inlandpreis ab Hof<br />
Market Price: Weltmarktpreis<strong>in</strong>dex<br />
Quelle: Shaw 1998<br />
3<br />
Der ch<strong>in</strong>esische Baumwollpreis wurde bis 1999 adm<strong>in</strong>istrativ festgelegt. Wie <strong>in</strong><br />
Abbildung 2 ersichtlich ist, verlief der ch<strong>in</strong>esische Preis zwar mehr oder m<strong>in</strong>der<br />
parallel zum Weltmarktpreis, schleppte <strong>in</strong> der Anpassung jedoch immer e<strong>in</strong> Jahr<br />
h<strong>in</strong>ten nach. Historisch hatte die Abschottung des <strong>in</strong>ländischen Baumwollmarktes<br />
vom Weltmarkt die Aufgabe, die ch<strong>in</strong>esische Textil<strong>in</strong>dustrie mit billiger <strong>Baumwolle</strong> zu<br />
versorgen. 1995 jedoch sank der Weltmarktpreis für <strong>Baumwolle</strong> erstmals unter<br />
denjenigen von Ch<strong>in</strong>a <strong>und</strong> blieb seither darunter.<br />
Während die Bauern weiterh<strong>in</strong> den offiziellen Preis bezahlt erhielten, kaufte die<br />
Textil<strong>in</strong>dustrie ihren Bedarf mehr <strong>und</strong> mehr im Ausland e<strong>in</strong>, wo die <strong>Baumwolle</strong> nicht<br />
nur billiger sondern auch von verlässlichere Qualität erhältlich war. Die offiziellen<br />
Importquoten für nicht exportierende Firmen wurden umgangen, <strong>in</strong>dem "Sche<strong>in</strong> Jo<strong>in</strong>t-<br />
Ventures" gegründet wurden. Dies führte schliesslich zur Situation, dass die<br />
ch<strong>in</strong>esischen Bauern mehr <strong>Baumwolle</strong> produzierten als die gesamte e<strong>in</strong>heimische<br />
Nachfrage war. Während die e<strong>in</strong>heimische Textil<strong>in</strong>dustrie wacker billigere <strong>Baumwolle</strong><br />
weiterimportierte, füllte die ch<strong>in</strong>esische Regierung langsam aber sicher ihre Lager mit<br />
zu teurer aufgekaufter <strong>Baumwolle</strong> (USDA 6/98).<br />
Die staatlichen Textilbetriebe waren bereits seit Mitte der 80er Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Krise<br />
<strong>und</strong> belasteten die ch<strong>in</strong>esische Staatskasse empf<strong>in</strong>dlich. E<strong>in</strong> wichtiger Gr<strong>und</strong> für die<br />
Krise war, dass erhebliche Überkapazitäten bestanden, die jedoch weiterh<strong>in</strong> mit<br />
staatlichen Defizitdeckungen über Wasser gehalten wurden. Erst 1996 wurde der<br />
Textilsektor zum Gegenstand von Reformen: Überkapazitäten sollten abgebaut,<br />
rentable Firmen sollen privatisiert <strong>und</strong> unrentable geschlossen werden (CAN 5/98).<br />
Infolge der ostasiatischen F<strong>in</strong>anzkrise werteten e<strong>in</strong>ige der betroffenen Länder ihre<br />
Währung ab, wodurch die Konkurrenzfähigkeit ihrer Textil<strong>in</strong>dustrie erheblich<br />
verbessert wurde. Währenddessen hielt die ch<strong>in</strong>esische Regierung an e<strong>in</strong>em<br />
unveränderten Wechselkurs fest <strong>und</strong> gewährte den Textilexporteuren lediglich<br />
Steuererleichterungen; diese konnten jedoch die entstandene Benachteiligung nicht<br />
kompensieren (USDA 6/98). In der Folge sanken Ch<strong>in</strong>as Textilexporte dramatisch,<br />
während Thailand <strong>und</strong> Indonesien <strong>Markt</strong>anteile zurückeroberten (Shaw 1998).<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
Zusammen mit den schon zuvor vorhandenen Überkapazitäten brachte die<br />
ostasiatische F<strong>in</strong>anzkrise das Fass zum überlaufen <strong>und</strong> zwang die Ch<strong>in</strong>esische<br />
Regierung zum Handeln. Die e<strong>in</strong>heimische Textil<strong>in</strong>dustrie kämpfte ums Überleben,<br />
<strong>und</strong> die staatlichen Lager waren übervoll <strong>und</strong> verursachten ihrerseits hohe Kosten<br />
(Shaw 1998).<br />
4<br />
In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurden Massnahmen getroffen, um die Nachfrage nach<br />
e<strong>in</strong>heimischer Baumwollpreise anzukurbeln:<br />
Bereits Ende 1996 wurden illegale Importe unterb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Anfang 1988 führte die<br />
ch<strong>in</strong>esische Regierung strengere Importregelungen e<strong>in</strong>: der Zugang zu Importquoten<br />
wurde limitiert <strong>und</strong> Importsteuererlerlasse reduziert. E<strong>in</strong>zig Jo<strong>in</strong>t-Venture Betriebe<br />
blieben unangetastet.<br />
Die e<strong>in</strong>heimischen Preise wurden gesenkt, Steuervergünstigungen gewährt <strong>und</strong> das<br />
staatliche Handelsmonopol etwas gelockert (USDA 9/97).<br />
Ab 1998 begann die ch<strong>in</strong>esische Regierung mit dem Verkauf ihrer Lager auf dem<br />
Weltmarkt.<br />
Alle Massnahmen zusammen bewirkten, dass Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong>nert e<strong>in</strong>em Jahr vom weltweit<br />
grössten Baumwollimporteur zum Exporteur wurde. Die Folge war e<strong>in</strong> weiterer<br />
Preissturz auf den Weltmärkten.<br />
Gegenwärtig ist die ch<strong>in</strong>esische Regierung daran, das Vermarktungssystemes<br />
vollkommen zu liberalisieren. Privater Handel soll erlaubt werden, <strong>und</strong> die Preise<br />
sollen sich von nun auf dem freien <strong>Markt</strong> bilden, wobei e<strong>in</strong>e Annäherung an den<br />
Weltmarktpreis angestrebt wird. Die Regierung wird sich aus der Lagerhaltung<br />
zurückziehen (Ch<strong>in</strong>a Daily 25. 12. 1998). Ist dies e<strong>in</strong>mal erreicht, liegt es auf der<br />
Hand, dass auch der Aussenhandel geöffnet wird.<br />
Ausblick<br />
Die unmittelbare Auswirkung des <strong>Politik</strong>wechsels <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a war e<strong>in</strong>e dramatische<br />
Abnahme der Importe von 800'000 Tonnen im 1997 auf erwartete 200'000 Tonnen im<br />
1999 (Indian Express 9.3.99). Solange die Rezession der ch<strong>in</strong>esischen<br />
Textil<strong>in</strong>dustrie anhält <strong>und</strong> die Regierung weiterh<strong>in</strong> ihre Lagerbestände abbaut wird<br />
Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong> Nettoexporteur von <strong>Baumwolle</strong> bleiben (USDA 7/98). Sobald sich jedoch<br />
Ch<strong>in</strong>as Textil<strong>in</strong>dustrie erholt hat wird der Trend wieder umkehren (USDA 6/98).<br />
Die Berücksichtigung komparativer Vorteile spricht ebenfalls dafür, dass Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong><br />
Zukunft <strong>in</strong> hohem Masse <strong>Baumwolle</strong> importieren wird: Verglichen mit anderen<br />
Ländern hat es e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Anbaufläche, e<strong>in</strong> tiefes Lohnniveau <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />
Kaptialausstattung (Wang Z. 1997). Ausgehend davon zeigte sich, dass Ch<strong>in</strong>a ke<strong>in</strong>e<br />
komparativen Vorteile <strong>in</strong> der Baumwollproduktion hat. Unter e<strong>in</strong>er freien<br />
Aussenhandelsordnung würde sich Ch<strong>in</strong>a vielmehr auf den Anbau arbeits<strong>in</strong>tensiver<br />
Kulturen wie Cash Crops, Früchte <strong>und</strong> Gemüse konzentrieren <strong>und</strong> land<strong>in</strong>tensive<br />
Kulturen, wie <strong>Baumwolle</strong>, sowie Weizen, Reis <strong>und</strong> Futtergetreide importieren (Hayes<br />
<strong>und</strong> Fuller 1999).<br />
Bei e<strong>in</strong>em eventuellen Beitritt Ch<strong>in</strong>as zum WTO könnten die komparativen Vorteile<br />
stärker zum Tragen kommen, als dies heute der Fall ist. Insbesondere die<br />
Textil<strong>in</strong>dustrie mit ihrem hohen Bedarf <strong>und</strong> niedrig qualifizierter Arbeit könnte e<strong>in</strong>en<br />
regelrechten Boom erleben. Wegen zunehmender Nachfrage nach <strong>Baumwolle</strong> <strong>und</strong><br />
der Abwanderung von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft würde Ch<strong>in</strong>a zu e<strong>in</strong>em<br />
Dauerimporteur von <strong>Baumwolle</strong> (Wang Z. 1997).<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
2 AGRARPOLITIK UND BAUMWOLLE<br />
5<br />
Landwirtschaft allgeme<strong>in</strong><br />
Ähnlich dem sowjetischen Entwicklungsmodell wurde Ch<strong>in</strong>as Landwirtschaft im<br />
Laufe der 50er Jahre kollektiviert. Diese Organisationsform sollte e<strong>in</strong>e<br />
Modernisierung <strong>und</strong> Mechanisierung der Landwirtschaft erlauben. Gleich wie alle<br />
übrigen Wirtschaftssektoren unterlag sowohl der Anbau als auch der Handel<br />
staatlicher Kontrolle. Die so durchgesetzte totale Kontrolle über den Agrarsektor<br />
ermöglichte zudem e<strong>in</strong>faches transferieren des Mehrwertes der Landwirtschaft<br />
zugunsten der Entwicklung der Schwer<strong>in</strong>dustrie. Die Nahrungsmittelpreise wurden<br />
künstlich niedrig gehalten, wobei es der Landbevölkerung verwehrt war, <strong>in</strong> die Städte<br />
zu ziehen, wo Nahrungsmittel zu subventionierten Preisen angeboten wurden.<br />
Seit ihrer Gründung fehlte den Kommunen e<strong>in</strong> funktionsfähiges Anreizsystem für die<br />
dar<strong>in</strong> arbeitenden Bauern. Die tiefen Agrarproduktpreise verschlechterten diese<br />
Situation zusätzlich. Die Folge war e<strong>in</strong> nur stockendes Vorankommen der ländlichen<br />
Entwicklung; trotz erheblichem E<strong>in</strong>satz von Dünger <strong>und</strong> der E<strong>in</strong>führung neuer<br />
Hochertragssorten stieg die Nahrungsmittelproduktion nur langsam.<br />
Anfang der 80er Jahre wurde das Kommunalsystem fallengelassen. Das Land wurde<br />
hierbei an die e<strong>in</strong>zelnen Familien entsprechend ihrer Grösse verteilt. Die<br />
Bauernfamilien wurden jedoch nicht Besitzer des zugeteilten Landes sondern<br />
lediglich Pächter vom Staat, wobei die Bauern gewisse Anbauquoten zu erfüllen<br />
hatten. Parallel dazu wurden e<strong>in</strong> Produkt nach dem anderen für den privaten Handel<br />
freigegeben, anfangs auf lokaler Ebene, später auch über die Prov<strong>in</strong>zen h<strong>in</strong>aus.<br />
E<strong>in</strong>e Zulassung der Gründung neuer Firmen auf dem Lande sowie die sukzessive<br />
Öffnung von staatlich kontrollierten Märkten für den privaten Handel eröffnete Mitte<br />
der 80er Jahre der ländlichen Bevölkerung neue Möglichkeiten auch ausserhalb der<br />
Landwirtschaft Geld zu verdienen. Dies war umso attraktiver als die Landwirtschaft<br />
bis zu dem Zeitpunkt noch zugunsten der Industrie besteuert worden war. Mit<br />
steigendem Wohlstandsniveau stieg e<strong>in</strong>erseits die Nachfrage nach Nahrungsmittel<br />
sowie auch die Lohnansprüche der Bauern. Mit zunehmenden wirtschaftlichen<br />
Freiheiten <strong>und</strong> Alternativen sank die Attraktivität der ch<strong>in</strong>esischen Landwirtschaft,<br />
<strong>in</strong>sbesondere der Anbau von Getreide <strong>und</strong> <strong>Baumwolle</strong>.<br />
Die Getreideversorgung ist seit jeher von besonderem Interesse für die ch<strong>in</strong>esische<br />
Regierung. Bis heute hält die Regierung an Ch<strong>in</strong>as Selbstversorgung mit Getreide<br />
fest. Der Versuch den Getreidemarkt zu liberalisieren endete abrupt als 1994 nach<br />
e<strong>in</strong>er Missernte <strong>und</strong> hoher Inflation die städtischen <strong>Markt</strong>preise zu steigen begannen.<br />
Als Reaktion wurde der Getreidehandel wiederum verstaatlicht, die Kontrolle über die<br />
Selbstversorgung wurde an die Prov<strong>in</strong>zregierungen delegiert. Während die<br />
ch<strong>in</strong>esische Regierung den Getreideanbau noch Mitte der 80er Jahre besteuerte<br />
<strong>in</strong>dem sie die Nahrungsmittelpreise deutlich unter dem Weltmarktniveau festsetzte,<br />
verwendet sie heute erhebliche Mittel um e<strong>in</strong>e angemessene Getreideproduktion<br />
beizubehalten <strong>und</strong> die Preise übertreffen unterdessen diejenigen des Weltmarktes.<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
6<br />
In dieser Situation steht Ch<strong>in</strong>a heute vor zwei Alternativen:<br />
– Ganz getreu dem Entwicklungspfad von Japan, Taiwan oder Südkorea se<strong>in</strong>e<br />
Landwirtschaft vor dem Aussenhandel zu schützen - auf Kosten von kostspieligen<br />
Subventionen <strong>und</strong> entsprechenden Effizienz- <strong>und</strong> Wohlstandsverlusten.<br />
– Den Agrarhandel zu öffnen <strong>und</strong> so der ch<strong>in</strong>esichen Landwirtschaft ermöglichen<br />
ensprechend ihren komparativen Vorteilen vom Aussenhandel zu profitieren<br />
sowie die ch<strong>in</strong>esichen Konsumenten mit kostengünstigen Nahrungsmittel zu<br />
versorgen (Huang 1998).<br />
Baumwollpolitik<br />
Im Verlaufe der 80er Jahre wurden die Anbauquoten für immer mehr Produkte<br />
abgeschafft, bis sich schliesslich der Staat nur noch beim Getreide <strong>und</strong> der<br />
<strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> grösserem Umfang e<strong>in</strong>mischte. Während bei allen anderen<br />
Landwirtschaftsprodukten privater Handel erlaubt war, blieb der Baumwollhandel<br />
vollkommen unter staatlicher Kontrolle (Carter et al. 1996).<br />
Die ch<strong>in</strong>esische Regierung betrachtet <strong>Baumwolle</strong> traditionellerweise als<br />
strategisches Produkt. Als Teil der ch<strong>in</strong>esischen Entwicklungsstrategie hatte der<br />
e<strong>in</strong>heimische Anbau die Aufgabe die Textil<strong>in</strong>dustrie mit billiger <strong>Baumwolle</strong> zu<br />
versorgen, um so die Industrialisierung zu beschleunigen. Folglich wurde der<br />
Baumwollpreis so tief wie möglich festgesetzt, während der Anbau mit Hilfe e<strong>in</strong>er<br />
Pflichtquote <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er strikten Kontrolle des <strong>Markt</strong>es erzwungen wurde. Den Bauern<br />
wurde e<strong>in</strong> amtlich festgesetzter Quoten- <strong>und</strong> Überquotenpreis bezahlt (Carter et al.<br />
1996).<br />
Nach massiven Produktionsüberschüssen im Jahr davor wurde 1985 die staatlich<br />
garantierte Abnahmemenge beschränkt. Die Ernte übertraf jedoch diese<br />
Abnahmemenge, sodass die Bauern auf e<strong>in</strong>em Teil ihrer Ernte sitzen blieben. In der<br />
Folge verm<strong>in</strong>derten die Bauern ihre Anbaufläche im Jahr darauf, worauf sie nicht<br />
e<strong>in</strong>mal mehr die Pflichtquote erfüllten <strong>und</strong> die Textil<strong>in</strong>dustrie mit<br />
Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte.<br />
Da die Textil<strong>in</strong>dustrie hohe Gew<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> Steurere<strong>in</strong>kommen abwarfen, solange die<br />
Baumwollpreise tief waren, entstanden oft politische Konflikte zwischen Bauern <strong>und</strong><br />
Regierung sowie zwischen den verschiedenen Regierungsebenen. Die<br />
Zentralregierung versuchte die geplante Vermarktung durchzusetzen während die<br />
Lokalregierungen <strong>in</strong> Baumwollanbauregionen so viel <strong>Baumwolle</strong> wie möglich für ihre<br />
eigene Textil<strong>in</strong>dustrie behalten wollten, <strong>und</strong> Verarbeiter aus anderen Gegenden<br />
waren bereit e<strong>in</strong>en höheren Preis für die <strong>Baumwolle</strong> zu bezahlen (Carter et al. 1996).<br />
Ende 80er Jahre nahm dieser sogenannte Baumwollkrieg ernstere Formen an, als<br />
die Differenz zwischen Abgabepreis <strong>und</strong> Weltmarktpreis anstieg. Während die<br />
Industrie um die Verarbeiter um die <strong>Baumwolle</strong> buhlten, reduzierten die Bauern ihren<br />
Anbau wegen des ger<strong>in</strong>gen Preises immer mehr. Zudem legten sie Lager an oder<br />
versuchten ihre <strong>Baumwolle</strong> direkt an Verarbeitungsbetriebe zu verkaufen. In der<br />
Folge wurde das Staatsmonopol noch strenger kontrolliert <strong>und</strong> die Abgabequoten um<br />
so konsequenter erzwungen (Carter et al. 1996).<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
7<br />
Mit zunehmenden Freiheiten im Anbau <strong>und</strong> den Möglichkeiten ausserhalb der<br />
Landwirtschaft Geld zu verdienen wurde es zunehmend schwierig für die Regierung<br />
die Anbauquoten zu erzw<strong>in</strong>gen. Zusätzlich wurde Mitte 90er Jahre die Verbesserung<br />
der bäuerlichen E<strong>in</strong>kommen zum Regierungsziel erklärt. Da gegenwärtig immer noch<br />
150 Millionen Leute vom Baumwollanbau abhängen hat gerade die Baumwollpolitik<br />
e<strong>in</strong>en wichtigen E<strong>in</strong>fluss auf die bäuerlichen E<strong>in</strong>kommen. In der Folge schwenkte im<br />
Verlaufe der 90er Jahre die <strong>Politik</strong> um, vom Erzw<strong>in</strong>gen der Produktion auf e<strong>in</strong>e<br />
angemessene Preispolitik (Carter et al. 1996).<br />
Dieses System stellte solange ke<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliches Problem dar als der ch<strong>in</strong>esische<br />
Baumwollpreis unter demjenigen des Weltmarktes lag <strong>und</strong> somit mögliche<br />
Überschüsse e<strong>in</strong>fach exportiert wurden. In jüngster Zeit g<strong>in</strong>g die Rechnung nicht<br />
mehr auf, da der Weltmarktpreis seit 1995 weit unter den Inlandpreis gesunken ist.<br />
Da <strong>in</strong> der heutigen Landwirtschaftspolitik auch die E<strong>in</strong>kommenssicherung der Bauern<br />
e<strong>in</strong>e Rolle spielt wurde anfänglich gezögert die Baumwollpreise gleich zu senken mit<br />
den entsprechenden Effekten von enormen Angebotsüberschüssen, die sich nun nur<br />
noch mit Hilfe erheblichen Subventionen vermarkten lassen (Carter et al. 1996).<br />
Um e<strong>in</strong>e solche Situation <strong>in</strong> Zukunft zu verh<strong>in</strong>dern beschloss die Regierung auf<br />
September 1999 den Baumwollmarkt zu liberalisieren. Privater Handel soll erlaubt<br />
werden <strong>und</strong> der Preis soll sich <strong>in</strong> Zukunft aufgr<strong>und</strong> von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />
bilden. Die Regierung setzt lediglich e<strong>in</strong>en Richtpreis fest <strong>und</strong> behält sich vor, im<br />
Falle e<strong>in</strong>es unverhältnismässigen Preissturzes zu <strong>in</strong>tervenieren (USDA 9/99).<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
3 DÜNGER, PESTIZIDE UND BAUMWOLLE<br />
Produktionsmittelmarkt im Umbruch<br />
Bis Mitte der 80er Jahre unterstand die Vermarktung aller landwirtschaftlichen<br />
Produktionsfaktoren den Landwirtschaftlichen Versorgungs- <strong>und</strong><br />
Vermarktungsgenossenschaften. M<strong>in</strong>eralischer Dünger <strong>und</strong> Pestizide flossen über<br />
den "Zentrale - Prov<strong>in</strong>z - County Kanal" durch e<strong>in</strong> Quotensystem, welches sich an<br />
den Abgabequoten orientierten sowie an deren Verfügbarkeit <strong>und</strong> dem Ertrag.<br />
Ab Mitte der 80er Jahre erhielten alle staatlichen Industriebetriebe das Recht ihre<br />
den Plansoll übertreffende Produktion auf dem neu zugelassenen freien <strong>Markt</strong> zu<br />
verkaufen. Produkte, die unter dem Plan gekauft wurden, erhielten e<strong>in</strong>en tieferen<br />
Preis als die Produkte auf dem freien <strong>Markt</strong>. Die Bauern wiederum konnten e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Menge se<strong>in</strong>er Produktionsfaktoren zum tieferen Planpreis e<strong>in</strong>kaufen <strong>und</strong><br />
den Rest zum höheren <strong>Markt</strong>preis (Sicular 1993).<br />
Da die Planpreise oft zu Tief waren lebten viele Industriebetriebe defizitär. Die<br />
Regierung ihrerseits musste diese Defizite decken. Um das Budget zu entlasten<br />
wurden Anfang der 90er Jahre sämtliche Preissubventionen abgeschafft <strong>und</strong> durch<br />
e<strong>in</strong>e Direktsubvention an die Bauern ersetzt. Diese Subventionen konnten jedoch<br />
nicht den Preisanstieg der Produktionsfaktoren kompensieren (Carter et al. 1996).<br />
8<br />
Pflanzenschutzmittel<br />
Pflanzenschutzmittel werden <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a über zwei Kanäle angeboten: durch die<br />
landwirtschaftlichen Versorgungs- <strong>und</strong> Vermarktungsgenossenschaften, welche nach<br />
wie vor den Detailhandel dom<strong>in</strong>ieren, <strong>und</strong> die landwirtschaftlichen Berater. Der<br />
Mittele<strong>in</strong>satz orientiert sich an den von den lokalen Beratungsstationen<br />
herausgegebenen Empfehlungen.<br />
Der E<strong>in</strong>satz von Pestiziden verdoppelte sich zwischen 1985 <strong>und</strong> 91 <strong>und</strong> gilt heute als<br />
e<strong>in</strong>er der weltweit höchsten. Davon s<strong>in</strong>d 70-80 % Insektizide. Dieser hohe<br />
Pflanzenschutzmittele<strong>in</strong>satz ist unter anderem auf zunehmende Resistenzen<br />
zurückzuführen, wodurch mit immer höheren Dosen auf immer giftigere Mittel<br />
zurückgegriffen werden muss. Die Situation wird noch dadurch verstärkt, dass die<br />
Produktqualität unzuverlässig ist; um sicher zu gehen, dass e<strong>in</strong> Präparat wirklich<br />
wirkt wenden die Bauern deshalb präventiv e<strong>in</strong>e höhere Dosis an. Es ist unterdessen<br />
unbestritten, dass diese hohen Dosen nicht nur möglichen Nützl<strong>in</strong>gen schaden<br />
sondern auch die Ges<strong>und</strong>heit der Menschen gefährden (Widawsky et al. 1998).<br />
Der Baumwollanbau im unteren Yangtse- <strong>und</strong> Gelben Fluss Tal leidet seit Jahren an<br />
e<strong>in</strong>er immer stärker werdenden Baumwollwurm (Bollworm) Epidemie. Trotz<br />
exzessivem Insektizide<strong>in</strong>satz konnte der Befall nicht e<strong>in</strong>gedämmt werden, was dazu<br />
führte, dass <strong>in</strong> befallenen Gebieten Insektizide den grössten Anteil and den<br />
Produtionskosten verursachen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist im Verlaufe der 90er Jahre der<br />
Baumwollanbau <strong>in</strong> Nordch<strong>in</strong>a massiv zurückgegangen. Andererseits erlebt der<br />
Baumwollanbau e<strong>in</strong>en regelrechten Boom <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z X<strong>in</strong>jian, wo der<br />
Baumwollwurm ke<strong>in</strong>e Probleme macht. Die gegenwärtigen Bemühungen Monsantos<br />
<strong>und</strong> auch ch<strong>in</strong>esischer Forscher Bt-<strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zuführen könnte das Problem<br />
entschärfen.<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
9<br />
Dünger<br />
Seit den 70er Jahren versucht die ch<strong>in</strong>esische Regierung die landwirtschaftlichen<br />
Erträge mit Hilfe von zunehmendem Düngere<strong>in</strong>satz zu steigern. Parallel zum<br />
steigenden Angebot aus Importen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>heimischer Produktion nahm der<br />
Düngermittele<strong>in</strong>satz kont<strong>in</strong>uierlich zu <strong>und</strong> ist heute auf e<strong>in</strong>em ansehnlichen Niveau.<br />
Der E<strong>in</strong>satz ist jedoch massiv N-Dünger lastig <strong>und</strong> e<strong>in</strong> erheblicher Teil der<br />
verwendeten Produkte s<strong>in</strong>d von m<strong>in</strong>derer Qualität. Es wurde mehrfach berichet, dass<br />
durch Überdüngung Nitrat <strong>in</strong>s Gr<strong>und</strong>wasser gelangen konnte (Wang Q. et al 1996).<br />
Bis heute erhalten ch<strong>in</strong>esische Bauern Subventionen für den Kauf von Düngemitteln.<br />
So wurden z. B. 1998 die Düngersubventionen erhöht als Kompensation für s<strong>in</strong>kende<br />
Baumwollpreise (Shaw 1998). Zusätzlich ist die Düngervermarktung bis heute unter<br />
strenger Regierungskontrolle. Diese ist darum bemüht die Preise auf e<strong>in</strong>em tiefen<br />
Niveau zu halten um den Bauern die Anbaukosten zu verbilligen.<br />
D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a
LITERATURVERZEICHNIS<br />
10<br />
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D. Löw, <strong>Baumwolle</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a