Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und ... - Familientext.de
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<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien:<br />
Eine Handreichung für die Praxis<br />
Peter S. Dietrich, Dr. Jörg Fichtner,<br />
Maya Halatcheva, Eva Sandner,<br />
unter Mitarbeit von Matthias Weber
Das Projekt » Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft « wur<strong>de</strong> geför<strong>de</strong>rt vom:<br />
Bezugsstelle:<br />
Publikationsversand <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung<br />
Postfach 48 10 09<br />
18132 Rostock<br />
Telefon: 0 18 05 / 778 090*<br />
Fax: 0 18 05 / 778 094*<br />
E-Mail: publikationen@b<strong>und</strong>esregierung.<strong>de</strong><br />
Internet: www.bmfsfj.<strong>de</strong><br />
Lektorat <strong>und</strong> fachjournalistische Überarbeitung: Inge Michels, Bonn<br />
www.familientext.<strong>de</strong><br />
Titel <strong>und</strong> Satz: Agentur Ostseh, Dipl.-Des. Thomas Franke-Opitz, Weimar<br />
Druck: graphik + druck GmbH, Peter Pöllinger, München<br />
© 2010 Deutsches Jugendinstitut e.V.<br />
Abteilung Familie <strong>und</strong> Familienpolitik<br />
Projekt » Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft «<br />
Nockherstraße 2<br />
81541 München<br />
Telefon: +49 (0)89 / 62 306-156<br />
Fax: +49 (0)89 / 62 306-162<br />
E-Mail: sandner@dji.<strong>de</strong><br />
Homepage: www.dji.<strong>de</strong>/hochkonflikt/<br />
ISBN 978-3-935701-60-0<br />
* je<strong>de</strong>r Anruf kostet 14 Cent/Min. aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Festnetz,<br />
max. 42 Cent/Min. aus <strong>de</strong>n Mobilfunknetzen
<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien:<br />
Eine Handreichung für die Praxis<br />
Vorgelegt von:<br />
B<strong>und</strong>eskonferenz für Erziehungsberatung e.V. (bke), Fürth<br />
Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), München<br />
Institut für angewandte Familien-, Jugend- <strong>und</strong> Kindheitsforschung e.V. (IFK) an <strong>de</strong>r Universität Potsdam<br />
Im Verb<strong>und</strong>projekt<br />
» Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft «<br />
Peter S. Dietrich, Dr. Jörg Fichtner,<br />
Maya Halatcheva, Eva Sandner,<br />
unter Mitarbeit von Matthias Weber
Inhalt<br />
Seite 6 1 Einleitung<br />
Seite 8 2 Hochkonflikthafte <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien –<br />
Definitionen <strong>und</strong> Merkmale<br />
Seite 8 2.1 Definitionen von <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien<br />
Seite 11 2.2 Merkmale hochkonflikthafter Eltern<br />
Seite 11 2.2.1 Individuelle Merkmale<br />
Seite 13 2.2.2 Merkmale <strong>de</strong>r Beziehungsdynamik<br />
Seite 15 2.2.3 Sozio<strong>de</strong>mographische Merkmale <strong>und</strong> hilfebezogene Kriterien<br />
Seite 16 2.3 Umgang <strong>mit</strong> Spiegelungseffekten in <strong>de</strong>r professionellen <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong><br />
<strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
Seite 17 3 Kin<strong>de</strong>r in <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien<br />
Seite 17 3.1 Konflikterleben <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
Seite 20 3.2 Eltern-Kind-Beziehung<br />
Seite 20 3.2.1 Eingeschränkte Qualität <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung<br />
Seite 20 3.2.2 Kindliche Lösungsversuche im Spannungsfeld »Umgang«<br />
Seite 22 3.3 Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen<br />
Seite 22 3.3.1 Missglückte Copingstrategien <strong>und</strong> Selbstwertprobleme<br />
Seite 23 3.3.2 Ressourcen <strong>und</strong> Minimalstandards <strong>de</strong>r Elternverantwortung<br />
Seite 24 3.4 Angebote von Beratungsstellen für Kin<strong>de</strong>r hochkonflikthafter Eltern<br />
Seite 24 3.4.1 Beratungsangebote aus Sicht <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
Seite 25 3.4.2 Beratungskontinuität für Kin<strong>de</strong>r<br />
Seite 27 3.5 Kin<strong>de</strong>r im Blick <strong>de</strong>r verfahrensbeteiligten Akteure<br />
Seite 30 3.6 Hochkonflikthaftes elterliches Verhalten <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung<br />
4 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Seite 31 4 Beratung von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern<br />
Seite 31 4.1 Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r Beratung<br />
Seite 32 4.2 Hochkonflikthaftigkeit erkennen <strong>und</strong> Rahmenbedingungen schaffen<br />
Seite 34 4.3 Wie Eltern in die Beratung kommen <strong>und</strong> wie sie diese erleben <strong>und</strong> bewerten<br />
Seite 37 4.4 Beratung <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern aus Sicht <strong>de</strong>r BeraterInnen<br />
Seite 39 4.5 Bausteine von erfolgversprechen<strong>de</strong>n Interventionen<br />
Seite 40 4.5.1 Ein Stufenplan für die Hochkonfliktberatung<br />
Seite 41 4.5.2 Orientierungslinien für die Hochkonfliktberatung<br />
Seite 44 4.5.3 Bausteine psychosozialer Interventionen<br />
Seite 45 5 Interprofessionelle Kooperation im Kontext hochkonflikthafter<br />
Familien in Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
Seite 45 5.1 Interprofessionelle Kooperationsbeziehungen<br />
Seite 47 5.1.1 Fallübergreifen<strong>de</strong> Kooperation<br />
Seite 51 5.1.2 Fallbezogene Kooperation <strong>und</strong> Koordination<br />
Seite 52 5.2 Juristische Professionen als Kooperationspartner<br />
Seite 52 5.2.1 Kooperation <strong>mit</strong> RechtsanwältInnen<br />
Seite 52 5.2.2 Kooperation <strong>mit</strong> RichterInnen<br />
Seite 53 5.3 BeraterInnen als Kooperationspartner<br />
Seite 53 5.3.1 BeraterInnen zwischen Kooperation <strong>und</strong> Vertrauensschutz<br />
Seite 56 5.3.2 Die Gestaltung <strong>de</strong>r Beratungsprozesse im Kontext <strong>de</strong>r Kooperation<br />
Seite 61 6 Schluss<br />
Seite 62 7 Literatur<br />
Seite 66 A Anhang<br />
5 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
6 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Vorwort<br />
Je<strong>de</strong>s Jahr sind ca. 170.000 Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendliche von <strong>de</strong>r Scheidung ihrer<br />
Eltern betroffen. Tausen<strong>de</strong> von Kin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Jugendlichen erleben die Trennung<br />
ihrer nicht <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r verheirateten Eltern. Etwa 30.000 <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r<br />
Scheidung o<strong>de</strong>r Trennung ihrer Eltern betroffenen Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
sind dauerhaft einem stark eskalierten elterlichen Konflikt ausgesetzt. We<strong>de</strong>r<br />
gerichtliche noch außergerichtliche Interventionen vermögen diesen Konflikt<br />
zu lösen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st in seinen Wirkungen zu mil<strong>de</strong>rn. Versuche <strong>de</strong>r Klärung<br />
sorge- <strong>und</strong> umgangsrechtlicher Fragen scheitern regelmäßig in diesen<br />
Fällen »hochstrittiger« o<strong>de</strong>r »hochkonflikthafter« Elternschaft. Es liegt auf <strong>de</strong>r<br />
Hand, dass ein solch’ anhaltend hohes Konfliktniveau zwischen <strong>de</strong>n Eltern <strong>mit</strong><br />
erheblichen Risiken für die Entwicklung <strong>de</strong>r betroffenen Kin<strong>de</strong>r verb<strong>und</strong>en ist,<br />
wie einschlägige Forschungsstudien belegen. Und es verw<strong>und</strong>ert auch nicht,<br />
dass diese Entwicklungsrisiken, die meist über Jahre hinweg bestehen, häufig<br />
in tatsächliche Gefährdungen <strong>und</strong> Schädigungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>swohls mün<strong>de</strong>n.<br />
Wenn es darum geht, diese hochproblematischen intrafamilialen Folgen<br />
eskalierter Elternkonflikte zu minimieren, kommt es zunächst einmal darauf<br />
an, dass die an Kindschaftsrechtsverfahren auf Seiten <strong>de</strong>r Familiengerichtsbarkeit<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Jugendhilfe beteiligten Akteure die Hochkonflikthaftigkeit <strong>de</strong>r<br />
elterlichen Beziehung möglichst frühzeitig erkennen <strong>und</strong> Zugang zu diesen<br />
Familien fin<strong>de</strong>n, da<strong>mit</strong> ihnen passgenaue, an ihrer spezifischen Situation ausgerichtete<br />
Hilfen zuteilwer<strong>de</strong>n können. Wichtig ist dabei insbeson<strong>de</strong>re auch,<br />
dass die unterschiedlichen beteiligten Institutionen <strong>und</strong> Berufsgruppen <strong>mit</strong><br />
ihren jeweils eigenen professionellen Hintergrün<strong>de</strong>n in die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Familien einbezogen wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> aufeinan<strong>de</strong>r abgestimmt<br />
zusammenwirken.<br />
Um diesen Anliegen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>und</strong> Evaluation zielgruppenspezifischer<br />
Diagnosetools <strong>und</strong> Unterstützungsprogramme Rechnung zu tragen,<br />
hat das B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend das Verb<strong>und</strong>projekt<br />
»Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« <strong>de</strong>s Deutschen Jugendinstituts<br />
(DJI) e.V., <strong>de</strong>s Instituts für angewandte Familien-, Jugend- <strong>und</strong><br />
Kindheitsforschung (IFK) e.V. an <strong>de</strong>r Universität Potsdam <strong>und</strong> <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>eskonferenz<br />
für Erziehungsberatung (bke) geför<strong>de</strong>rt. Die vorliegen<strong>de</strong> Handreichung<br />
greift die zentralen Ergebnisse aus diesem Forschungsprojekt auf <strong>und</strong><br />
gibt praktische Orienthilfen für fachliches Han<strong>de</strong>ln zur Sicherung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>swohls<br />
an <strong>de</strong>r Schnittstelle zwischen Familiengericht <strong>und</strong> Jugendhilfe in Fällen<br />
hochkonflikthafter Elternschaft.<br />
Dr. Heike Schmid-Obkirchner<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />
Berlin im Mai 2010<br />
7 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
1<br />
1 Einleitung<br />
In <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Handreichung wer<strong>de</strong>n die Ergebnisse aus <strong>de</strong>m Forschungsprojekt<br />
»Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« 1 vorgestellt <strong>und</strong><br />
Empfehlungen für die professionelle <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
abgeleitet. Initiiert wur<strong>de</strong> das Forschungsprojekt <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Ziel, Erkenntnisse<br />
über die Charakteristika hochkonflikthafter Eltern zu sammeln, die Folgen<br />
<strong>de</strong>r Konflikte für die Kin<strong>de</strong>r zu erfassen <strong>und</strong> Erfahrungen über wirksame Interventionen<br />
zur Reduktion <strong>de</strong>r Konflikte zu gewinnen. 2<br />
Die Forschung beruhte auf einer multiperspektivischen Rekonstruktion<br />
von <strong>hochkonflikthaften</strong> Fällen sowie einer quantitativen Erhebung einer Vergleichsstichprobe<br />
<strong>und</strong> verschie<strong>de</strong>nen Gruppendiskussionen <strong>mit</strong> Fachkräften.<br />
Die Befragten wur<strong>de</strong>n an insgesamt sieben Projektstandorten über eine Erziehungsberatungsstelle,<br />
Ehe-, Familien- <strong>und</strong> Lebensberatungsstelle o<strong>de</strong>r eine<br />
Stelle, die bei<strong>de</strong> Angebote bereithalten, rekrutiert.<br />
Die Fallrekonstruktion beinhaltete eine qualitative <strong>und</strong> quantitative Befragung<br />
hochkonflikthafter Elternpaare, von <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> <strong>de</strong>n zuständigen<br />
BeraterInnen <strong>und</strong> FamilienrichterInnen. Einbezogen wer<strong>de</strong>n konnte eine<br />
Stichprobe von 27 Fällen <strong>mit</strong> 44 Elternteilen <strong>und</strong> 29 Kin<strong>de</strong>rn. Durch diese<br />
multiperspektivische Vorgehensweise konnte die Hochkonflikthaftigkeit <strong>de</strong>r<br />
Familien<strong>mit</strong>glie<strong>de</strong>r aus verschie<strong>de</strong>nen Blickwinkeln rekonstruiert <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren<br />
Be<strong>de</strong>utung für die Familie selbst <strong>und</strong> die Fachkräfte erfasst wer<strong>de</strong>n. An <strong>de</strong>r<br />
quantitativen Befragung nahmen <strong>de</strong>s Weiteren 114 getrennte bzw. geschie<strong>de</strong>ne<br />
Elternteile teil. Dieses Vorgehen diente dazu, Hochkonflikthaftigkeit in Abgrenzung<br />
zu nicht-<strong>hochkonflikthaften</strong> Trennungen <strong>und</strong> Scheidungen zu präzisieren.<br />
Die genauen Angaben zur Stichprobe <strong>und</strong> zu <strong>de</strong>n Befragungen sind<br />
im Anhang nachzulesen. Durch diese Studie liegen neue Erkenntnisse vor, die<br />
das Phänomen Hochkonflikthaftigkeit konkretisieren <strong>und</strong> praktische Hinweise<br />
für die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien geben. Langfristig<br />
sollen dadurch die familiären Folgen eskalieren<strong>de</strong>r Konflikte, insbeson<strong>de</strong>re im<br />
Hinblick auf <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r betroffenen Kin<strong>de</strong>r minimiert, sowie die personellen<br />
<strong>und</strong> finanziellen Belastungen <strong>de</strong>r beteiligten Institutionen reduziert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Handreichung richtet sich in erster Linie an BeraterInnen, die <strong>mit</strong> Familien<br />
in Trennung <strong>und</strong> Scheidung arbeiten. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen,<br />
FamilienrichterInnen, RechtsanwältInnen, Sachver-<br />
1 Ein herzliches Dankschön gilt allen beteiligten Familien <strong>und</strong> Fachkräften, ProjektpartnerInnen <strong>und</strong> Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s Projektbeirats, die uns <strong>mit</strong> ihrem Engagement bei <strong>de</strong>r Realisierung <strong>de</strong>s Forschungsprojektes<br />
sehr unterstützt haben. Nicht zuletzt danken wir unseren Kolleginnen Dipl.-Psychologin Ute Hermann<br />
<strong>und</strong> Dipl.-Psychologin Stephanie Paul für die wertvolle Unterstützung bei <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> in Kapitel 3.<br />
2 Ausführliche Einzelergebnisse sind im wissenschaftlichen Abschlussbericht <strong>de</strong>s Projektes dargestellt<br />
(Fichtner u. a. 2010). Desweiteren wur<strong>de</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s Projektes vier Expertisen erstellt: Paul (2008):<br />
Aktueller Stand <strong>de</strong>r nationalen <strong>und</strong> internationalen Forschung zu Folgen bei Kin<strong>de</strong>rn durch hochkonflikthafte<br />
Trennungen; Roos & Gimber-Roos (2010): Ökonomische Folgen von Hochstrittigkeit; Weber (2009):<br />
Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft: Entwicklung eines Fortbildungskonzeptes für die Fachpraxis;<br />
Weber & Alberstötter (2010): Kriterien <strong>und</strong> Indikatoren für eine gute Praxis von Interventionen bei hochstrittigen<br />
Scheidungs<strong>und</strong> <strong>Trennungs</strong>familien. Der Bericht <strong>und</strong> die Expertisen wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Internetseite<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Jugendinstituts zum Download zur Verfügung gestellt.<br />
8 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
ständige, Verfahrensbeistän<strong>de</strong> <strong>und</strong> UmgangspflegerInnen angesprochen. Für<br />
all diese Berufsgruppen wird auf <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Seiten eine Orientierungshilfe<br />
geboten, die sich auf vier Themenschwerpunkte konzentriert:<br />
• Erkennen von <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien,<br />
• Hilfen für die Kin<strong>de</strong>r,<br />
• Aufbau <strong>de</strong>r Beratung sowie<br />
• Entwicklung interdisziplinärer Kooperationen.<br />
Der Bericht ist folgen<strong>de</strong>rmaßen aufgebaut:<br />
Im Kapitel »Hochkonflikthaften <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien – Definitionen<br />
<strong>und</strong> Merkmale« wer<strong>de</strong>n wissenschaftliche Definitionen <strong>und</strong> empirisch<br />
gewonnene Merkmale hochkonflikthafter Eltern für ein rasches Erkennen in<br />
<strong>de</strong>r Praxis zusammengetragen.<br />
Das Kapitel »Kin<strong>de</strong>r in einer <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien«<br />
analysiert die Situation <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> diskutiert Möglichkeiten<br />
für die kindliche Beteiligung am Hilfeprozess.<br />
»Beratung von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern« befasst sich <strong>mit</strong> Beson<strong>de</strong>rheiten<br />
psychosozialer Interventionen <strong>und</strong> gibt Anregungen für ihre zielgruppenspezifische<br />
<strong>und</strong> effektive Gestaltung.<br />
Schließlich widmet sich das Kapitel »Interprofessionelle Kooperation im<br />
Kontext hochkonflikthafter Familien in Trennung <strong>und</strong> Scheidung« <strong>de</strong>m Zusammenwirken<br />
unterschiedlicher Berufsgruppen <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung für die<br />
<strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien.<br />
Hochkonflikthafte Eltern stellen nicht nur für die betroffenen Kin<strong>de</strong>r eine<br />
erhebliche Belastung <strong>und</strong> Gefährdung ihrer Entwicklung dar, die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong><br />
ihnen be<strong>de</strong>utet auch für BeraterInnen eine beson<strong>de</strong>re Anstrengung. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> war es <strong>de</strong>n AutorInnen <strong>de</strong>r Handreichung außer<strong>de</strong>m ein Anliegen,<br />
Wege aufzuweisen, wie BeraterInnen diese Herausfor<strong>de</strong>rungen in einem<br />
professionellen Rahmen bewältigen können.<br />
In diesem Sinne wünschen wir eine anregen<strong>de</strong> <strong>und</strong> hilfreiche Lektüre.<br />
9 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
1
2<br />
2 Hochkonflikthafte <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien –<br />
Definitionen <strong>und</strong> Merkmale<br />
2.1 Definitionen von <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong><strong>und</strong><br />
Scheidungsfamilien<br />
Im fachlichen Diskurs um das Kin<strong>de</strong>swohl spielen hochkonflikthafte Familien<br />
seit <strong>de</strong>r Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 zunehmend eine Rolle. In <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r- <strong>und</strong> Jugendhilfe, insbeson<strong>de</strong>re im Bereich <strong>de</strong>r psychosozialen Beratung<br />
sowie im Familienrecht, versteht man darunter solche <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong><br />
Scheidungsfamilien, die über eine längere Zeit hinweg Streit um das Kind<br />
führen. Die Konflikte <strong>de</strong>r Eltern wachsen an <strong>und</strong> geraten schließlich außer<br />
Kontrolle, wobei die Kin<strong>de</strong>r nicht selten <strong>mit</strong> einbezogen <strong>und</strong> dadurch belastet<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die professionelle <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien bringt einen<br />
beson<strong>de</strong>rs hohen Zeitaufwand <strong>und</strong> starke psychische Belastung <strong>mit</strong> sich.<br />
Herkömmliches Wissen <strong>und</strong> bisher bewährte Metho<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong><br />
Scheidungs- <strong>und</strong> <strong>Trennungs</strong>familien reichen nicht aus, um solchen Eltern<br />
nachhaltig zu einvernehmlichen Regelungen zu verhelfen. Nach geeigneten<br />
Interventionen kann aber erst dann gesucht wer<strong>de</strong>n, wenn man die Zielgruppe<br />
genau kennt. Was sind also Hochkonfliktfamilien, woran sind sie zu erkennen,<br />
<strong>und</strong> wie häufig gibt es sie?<br />
Hintergr<strong>und</strong>:<br />
Belastbare Daten zum genauen Umfang hochkonflikthafter Trennungen <strong>und</strong><br />
Scheidungen in Deutschland fehlen. Das Statistische B<strong>und</strong>esamt gibt lediglich<br />
Auskunft über die Anzahl geschie<strong>de</strong>ner Ehen. Trennungen von nicht <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r<br />
verheirateten Eltern wer<strong>de</strong>n nicht erfasst. Im Jahr 2008 wur<strong>de</strong>n knapp<br />
200 000 Ehen geschie<strong>de</strong>n, die Zahl <strong>de</strong>r davon betroffenen min<strong>de</strong>rjährigen<br />
Kin<strong>de</strong>r beträgt r<strong>und</strong> 151 000 (Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2010). Schätzungen zufolge<br />
nehmen etwa 5% aller Scheidungen <strong>und</strong> Trennungen einen <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Verlauf (Paul/Dietrich 2006). Demzufolge sind im Jahr 2008 ca. 10.000<br />
Familien von Hochkonflikthaftigkeit betroffen gewesen.<br />
Hochkonflikthafte Scheidungsfamilien sind in ihrer Gesamtheit eine sehr heterogene<br />
Gruppe. Das Auftreten <strong>und</strong> die Intensität typischer Merkmale variieren<br />
stark. Ein einheitliches Verständnis von <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien gibt<br />
es <strong>de</strong>swegen nicht. Vielmehr wur<strong>de</strong>n in Forschung <strong>und</strong> Praxis verschie<strong>de</strong>ne<br />
Begriffsbestimmungen vorgenommen, die die fachliche Diskussion um hochkonflikthafte<br />
Familien bestimmen.<br />
10 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
In <strong>de</strong>n USA blickt man auf eine 20-jährige Forschungstradition im Bereich<br />
»high conflict divorce« zurück. 3 Im Fokus stehen geschie<strong>de</strong>ne <strong>und</strong> getrennte<br />
Eltern, die anhalten<strong>de</strong> Konflikte bezüglich Sorgerechts- <strong>und</strong> Umgangsvereinbarungen<br />
haben. Das Konfliktniveau bleibt über längere Zeit hinweg konstant<br />
hoch <strong>und</strong> lässt sich während<strong>de</strong>ssen we<strong>de</strong>r durch gerichtliche noch durch außergerichtliche<br />
Interventionen nachhaltig reduzieren (Kelly 2003).<br />
Neben dieser eher allgemein formulierten Definition gibt es zwei differenziertere<br />
Vorschläge zur Erfassung von Hochkonflikthaftigkeit nach Trennung<br />
<strong>und</strong> Scheidung. Der erste stammt von <strong>de</strong>r amerikanischen Scheidungsfor-<br />
scherin Janet R. Johnston (1999) <strong>und</strong> beinhaltet folgen<strong>de</strong> Charakteristika:<br />
• Die Eltern führen einen kindzentrierten Rechtsstreit über Sorgerecht <strong>und</strong><br />
Umgang. Die gerichtlichen Verfahren wer<strong>de</strong>n häufig wie<strong>de</strong>raufgenommen.<br />
Regelungen, die durch gerichtliche Anordnung o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Interventionen<br />
getroffen wur<strong>de</strong>n, halten die Eltern nicht ein.<br />
• Es bestehen andauern<strong>de</strong> Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen hinsichtlich <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
<strong>und</strong> Koordination <strong>de</strong>r Erziehung <strong>de</strong>r gemeinsamen Kin<strong>de</strong>r. Die<br />
Kommunikation zeichnet sich durch offene sowie ver<strong>de</strong>ckte Feindseligkeit<br />
aus, bedingt durch einen hohen Grad an Wut <strong>und</strong> Misstrauen zwischen <strong>de</strong>n<br />
Eltern. Auch emotionaler Missbrauch <strong>de</strong>s ehemaligen Partners durch Demütigungen<br />
<strong>und</strong> Verleumdungen gehört zum Verhaltensrepertoire hochkonflikthafter<br />
Eltern. Insbeson<strong>de</strong>re bei Kontakt wegen Übergabe <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
kommt es zur Anwendung verbaler <strong>und</strong> physischer Gewalt.<br />
• Die Beziehung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zum an<strong>de</strong>ren Elternteil wird nicht respektiert.<br />
Häufig wer<strong>de</strong>n schwere, nicht bewiesene Anschuldigungen über Verhalten<br />
<strong>und</strong> Erziehungspraktiken <strong>de</strong>s ehemaligen Partners gemacht: Vernachlässigung,<br />
Missbrauch <strong>und</strong> Belästigung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, Kin<strong>de</strong>sentführung, häusliche<br />
Gewalt, Suchtverhalten.<br />
• Die gemeinsamen Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Konflikt <strong>mit</strong> einbezogen, ihre<br />
Bedürfnisse geraten aus <strong>de</strong>m Blickfeld <strong>de</strong>r Eltern.<br />
Die Praxis kennt jedoch auch solche <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong><br />
Scheidungseltern, die nicht all diese Kriterien erfüllen. In dieser Hinsicht wäre<br />
eine Definition hilfreich, die zwar mehrere Kriterien berücksichtigt, <strong>de</strong>nnoch<br />
aber die Bandbreite hochkonflikthafter Familien empirisch erfasst. Das Team<br />
von Homrich/Muenzenmeyer-Glover/Blackwell-White (2004) schlägt folgen<strong>de</strong><br />
Anhaltspunkte vor. Hochkonflikthaftigkeit besteht dann, wenn bei wie<strong>de</strong>rholter<br />
Gerichtspräsenz <strong>de</strong>r Eltern:<br />
• <strong>de</strong>ren emotionale Probleme ursächlich erscheinen;<br />
• die ehemaligen Partner unfähig o<strong>de</strong>r nicht willens sind, solche Konflikte<br />
ohne Hilfe <strong>de</strong>s Gerichts zu lösen, die an<strong>de</strong>re Scheidungspaare autonom<br />
regeln;<br />
• die Eltern ihre Kin<strong>de</strong>r in die Paarkonflikte einbeziehen, die Beziehung<br />
zum an<strong>de</strong>ren Elternteil belasten <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>r potenziell emotionale <strong>und</strong> physische<br />
Schä<strong>de</strong>n davon tragen;<br />
• mehrere Versuche gescheitert sind, <strong>de</strong>n Konflikt <strong>mit</strong> herkömmlichen<br />
außergerichtlichen Interventionen (Mediation) zu been<strong>de</strong>n.<br />
3 In Anlehnung an die anglo-amerikanische Forschung ist in folgen<strong>de</strong>r Handreichung nicht, wie es <strong>de</strong>r<br />
Projekttitel »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« vermuten lässt von »Hochstrittigkeit«, son<strong>de</strong>rn<br />
von »Hochkonflikthaftigkeit« die Re<strong>de</strong>.<br />
11 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
2.1
2.1<br />
Im Unterschied zur angloamerikanischen Forschung sind empirische Erkenntnisse<br />
<strong>und</strong> Theoriebildung zu <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien in Deutschland wenig<br />
herausgearbeitet. Eine klare <strong>und</strong> verbindliche Definition, die ausschließlich<br />
auf diese Gruppe von Scheidungs- <strong>und</strong> <strong>Trennungs</strong>familien zutrifft, fehlt<br />
(Spindler 2008).<br />
Aufgabe <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
war Hochkonflikthaftigkeit zunächst theoretisch zu beschreiben <strong>und</strong> daraufhin<br />
empirisch zu überprüfen (Fichtner u.a. 2010). Als hochkonflikthaft wer<strong>de</strong>n<br />
in dieser Studie jene Scheidungs- <strong>und</strong> <strong>Trennungs</strong>familien bezeichnet, in <strong>de</strong>nen<br />
ein so hohes Konfliktniveau vorliegt, dass erhebliche<br />
• Beeinträchtigungen auf <strong>de</strong>n Ebenen <strong>de</strong>s Verhaltens <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />
min<strong>de</strong>stens eines Elternteils,<br />
• Beeinträchtigungen <strong>de</strong>r Beziehung zwischen <strong>de</strong>n Eltern untereinan<strong>de</strong>r<br />
<strong>und</strong> zwischen ihnen <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Kind sowie<br />
• Beeinträchtigungen <strong>de</strong>r Nutzung von institutioneller Hilfe zur Klärung<br />
<strong>de</strong>r Konfliktsituation<br />
vorhan<strong>de</strong>n sind. Eine Reduktion <strong>de</strong>r Konflikte <strong>und</strong> Klärung von Alltagsfragen<br />
erscheint auch <strong>mit</strong> rechtlichen <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r beraterischen Hilfen <strong>de</strong>utlich erschwert.<br />
Eine Belastung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r ist wahrscheinlich.<br />
Das elterliche Konfliktniveau 4 bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Kern dieser Definition. Belastungen<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r durch weitere Faktoren, wie Gewalt, psychische Erkrankungen<br />
o<strong>de</strong>r Substanzmissbrauch seitens <strong>de</strong>r Eltern können zusätzlich gegeben sein.<br />
Gemeinsam ist allen Definitionen die Unterscheidung zwischen vier verschie<strong>de</strong>nen<br />
Merkmalen <strong>de</strong>r Hochkonflikthaftigkeit: individuelle Merkmale, Merkmale<br />
<strong>de</strong>r Beziehungsdynamik sowie sozio<strong>de</strong>mographische <strong>und</strong> hilfebezogene<br />
Merkmale. Zu <strong>de</strong>n individuellen Merkmalen zählen Persönlichkeitseigenschaften<br />
<strong>und</strong> Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Eltern sowie <strong>de</strong>ren elterliche Kompetenz.<br />
Die Beziehungsdynamik ist charakterisiert durch <strong>de</strong>n Kommunikationsstil,<br />
die Konfliktthemen <strong>und</strong> die gegenseitigen Vorwürfe <strong>de</strong>r Eltern. Als hilfebezogene<br />
Merkmale gelten Inanspruchnahme, Dauer <strong>und</strong> Verlauf professioneller<br />
Interventionen sowie <strong>de</strong>ren Ergebnisse. Die konkreten Ausprägungen dieser<br />
Merkmale wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n beschrieben.<br />
4 Die Gesamtstichprobe von 158 Elternteilen konnte <strong>mit</strong>tels eines Sets von acht Items in drei Konfliktniveaus<br />
eingeteilt wer<strong>de</strong>n; davon sind 45 Elternteile als hochkonflikthaft einzustufen (vgl. Fichtner, u.a.<br />
2010)<br />
12 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
2.2 Merkmale hochkonflikthafter Eltern<br />
2.2.1 Individuelle Merkmale<br />
Persönlichkeitseigenschaften <strong>und</strong> Verhaltensweisen hochkonflikthafter Eltern<br />
In <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien wird immer wie<strong>de</strong>r die Frage<br />
nach spezifischen Persönlichkeitseigenschaften <strong>und</strong> Verhaltensweisen <strong>de</strong>r Eltern<br />
gestellt.<br />
Hinweis:<br />
Die Forschungsergebnisse <strong>de</strong>s Projekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
zeigen sechs Eigenschafts- <strong>und</strong> Verhaltensmerkmale, die als typisch für<br />
diese Gruppe von <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien gelten:<br />
• Reduzierte Offenheit für neue Erfahrung<br />
• Reduzierte Verträglichkeit<br />
• Als gering erlebte Selbstwirksamkeit in <strong>de</strong>r elterlichen Beziehung<br />
• Unflexible Denkstrukturen<br />
• Wahrnehmungsverzerrungen<br />
• Eingeschränkte Emotionsregulation<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n diese Merkmale beschrieben:<br />
Reduzierte Offenheit für neue Erfahrung<br />
Die Offenheit für Erfahrung ist eine psychodiagnostische Dimension, die zur<br />
Beschreibung von menschlicher Persönlichkeit dienen kann. Hochkonflikthafte<br />
Mütter <strong>und</strong> Väter zeichnen sich durch ein schwaches Interesse an neuen<br />
Erfahrungen, Erlebnissen <strong>und</strong> Eindrücken aus. Traditionalismus, feste Ansichten<br />
<strong>und</strong> eine konservative Haltung sind bei dieser Gruppe von Scheidungseltern<br />
stärker ausgeprägt.<br />
Reduzierte Verträglichkeit<br />
Verträglichkeit bil<strong>de</strong>t eine weitere Dimension zur Persönlichkeitsdiagnostik.<br />
Bei <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern ist sie eher gering ausgeprägt. Dies be<strong>de</strong>utet,<br />
dass die Mütter <strong>und</strong> Väter eher zu Misstrauen <strong>und</strong> kühlen, kritischen Haltungen<br />
neigen. Kooperation, Vertrauen <strong>und</strong> Nachgiebigkeit sind bei <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Müttern <strong>und</strong> Vätern seltener festzustellen.<br />
Als gering erlebte Selbstwirksamkeit in <strong>de</strong>r Elternbeziehung<br />
Die erlebte Selbstwirksamkeit hochkonflikthafter Mütter <strong>und</strong> Väter meint die<br />
persönliche Überzeugung, gera<strong>de</strong> in eskalieren<strong>de</strong>n Konflikten einen eigenen<br />
Handlungsspielraum zu bewahren. Je geringer ausgeprägt sie ist, <strong>de</strong>sto mehr<br />
fühlen sich die Eltern <strong>de</strong>r Konfliktdynamik sowie <strong>de</strong>m ehemaligen Partner<br />
ausgeliefert. In Familienkonstellationen <strong>mit</strong> hohem Konfliktniveau erleben Eltern<br />
sich selbst ten<strong>de</strong>nziell als hilflos <strong>und</strong> ihre Handlungsmöglichkeiten als<br />
eingeschränkt.<br />
Unflexible Denkstrukturen<br />
Unflexible Denkstrukturen stehen hier für rigi<strong>de</strong>s Denken <strong>und</strong> Han<strong>de</strong>ln in<br />
Konfliktsituationen. Dieses Persönlichkeitsmerkmal wur<strong>de</strong> überwiegend bei<br />
13 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
2.2
2.2<br />
Elterliche Kompetenzen<br />
Vätern aus <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien festgestellt. Sie sind fixiert auf die<br />
eigenen Ansichten <strong>und</strong> Feindbil<strong>de</strong>r <strong>und</strong> <strong>de</strong>swegen nicht in <strong>de</strong>r Lage, die Reaktionen<br />
ihrer ehemaligen Partnerin zu verstehen <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r die Bedürfnisse ihrer<br />
Kin<strong>de</strong>r wahrzunehmen.<br />
Wahrnehmungsverzerrungen<br />
Hochkonflikthafte Mütter <strong>und</strong> Väter erleben sich häufig als Opfer. Sie nehmen<br />
»die ganze Welt« als gegen sie selbst gerichtet wahr. Solche Eltern <strong>de</strong>uten das<br />
Verhalten <strong>de</strong>s ehemaligen Partners/<strong>de</strong>r ehemaligen Partnerin als permanenten<br />
Versuch, eigene Vorhaben zu sabotieren. Auffällig ist dabei ein stark ausgeprägtes<br />
»Schwarz-Weiß«-Wahrnehmungsmuster: Es besteht ein Selbstbild, <strong>de</strong>r<br />
bessere, fähigere Elternteil zu sein, während <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Elternteil nur als »böse«<br />
o<strong>de</strong>r »unfähig« bewertet wird.<br />
Eingeschränkte Emotionsregulation<br />
Die eingeschränkte Fähigkeit, trennungsbedingte Emotionen zu regulieren, ist<br />
ein weiteres typisches Merkmal hochkonflikthafter Mütter <strong>und</strong> Väter. Sie zeigt<br />
sich daran, dass negative Gefühle, wie Wut, Enttäuschung, Trauer <strong>und</strong> Hass<br />
weiter im Konflikt <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m ehemaligen Partner ausgetragen wer<strong>de</strong>n. Die eingeschränkte<br />
Emotionsregulation spricht für einen Mangel an Bewältigungsstrategien<br />
im Umgang <strong>mit</strong> negativen Gefühlen.<br />
Weitere individuelle Beson<strong>de</strong>rheiten: Depressionen <strong>und</strong> soziale Erwünschtheit<br />
Depressives Verhalten ist keine seltene Reaktion hochkonflikthafter Mütter<br />
<strong>und</strong> Väter auf die Trennung. Eine weitere individuelle Beson<strong>de</strong>rheit kann sich<br />
im Verlauf <strong>de</strong>s Beratungsgesprächs o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>ren professionellen Kontexten<br />
zeigen: Die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten bemühen sich um eine positive Selbstdarstellung.<br />
Oft treten all diese innerpersönlichen Merkmale in Verbindung <strong>mit</strong> einer<br />
starken Kränkung durch die Trennung auf. Vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> dieses Wissens<br />
lassen sich Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Beratung hochkonflikthafter<br />
Eltern erschließen. Insbeson<strong>de</strong>re die Verbesserung <strong>de</strong>r erlebten Selbstwirksamkeit<br />
in <strong>de</strong>r Nachtrennungsbeziehung wäre ein lohnenswerter Bestandteil<br />
<strong>de</strong>r professionellen <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> zerstrittenen Eltern (s. Kapitel 3 »Beratung von<br />
<strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern«).<br />
Zwischen Paar- <strong>und</strong> Elternebene zu unterschei<strong>de</strong>n, ist ein Leitprinzip in <strong>de</strong>r<br />
professionellen <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien. Für hochkonflikthafte<br />
Eltern erweist sich jedoch genau dies als beson<strong>de</strong>rs schwierig. Dies zeigt sich<br />
daran, dass die Mütter <strong>und</strong> Väter nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, die negativen Gefühle<br />
für <strong>de</strong>n ehemaligen Partner zurückzustellen, um zugunsten <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />
Kin<strong>de</strong>r zu kooperieren. Vielmehr führt eine negative <strong>und</strong> emotional aufgela<strong>de</strong>ne<br />
Wahrnehmung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren als Person dazu, seine elterlichen Kompetenzen<br />
in Zweifel zu ziehen. Dieses Unvermögen hochkonflikthafter Mütter<br />
<strong>und</strong> Väter erschwert enorm die Suche nach einvernehmlichen Regelungen.<br />
Darüber hinaus ist es <strong>mit</strong> einer Instrumentalisierung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s verb<strong>und</strong>en.<br />
14 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
2.2.2 Merkmale <strong>de</strong>r Beziehungsdynamik<br />
Kommunikationsstil<br />
Hinweis:<br />
Für <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Sprachraum sind bereits zahlreiche Verfahren zur Individualdiagnostik<br />
von Erwachsenen adaptiert wor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Familien können etwa PSSI 5 o<strong>de</strong>r MMPI-2 6 zur Persönlichkeitsdiagnostik<br />
<strong>und</strong> DEF 7 zur Diagnostik <strong>de</strong>s Erziehungsverhaltens eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Mithilfe dieser Testverfahren lassen sich persönliche Merkmale hochkonflikthafter<br />
Eltern abklären, die im Zusammenhang <strong>mit</strong> Offenheit für Erfahrung<br />
<strong>und</strong> Verträglichkeit stehen. Beispiele dafür wären Vertrauen, Bereitschaft zur<br />
Kooperation, Kompromissfähigkeit o<strong>de</strong>r Interesse an Neuem.<br />
Die Kommunikation zwischen <strong>hochkonflikthaften</strong> Müttern <strong>und</strong> Vätern zeichnet<br />
sich durch hohe emotionale Beteiligung <strong>und</strong> Feindseligkeit aus. Anstatt<br />
einer konstruktiven Diskussion auf sachlicher Ebene steht <strong>de</strong>r Beziehungsaspekt<br />
im Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>. Dieser kommunikative Stil kann von bei<strong>de</strong>n Eltern an<br />
<strong>de</strong>n Tag gelegt wer<strong>de</strong>n. Möglich ist aber auch, dass sich einer <strong>de</strong>r Elternteile<br />
bei Differenzen zurückzieht <strong>und</strong> Gespräche mei<strong>de</strong>t. Dies wird vom an<strong>de</strong>ren<br />
Elternteil als Ignoranz o<strong>de</strong>r Boykott wahrgenommen.<br />
Hinweis:<br />
Ein interessantes Ergebnis aus <strong>de</strong>m Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei<br />
hochstrittiger Elternschaft« ist, dass hochkonflikthafte Eltern durchaus ein<br />
Bewusstsein für die Be<strong>de</strong>utung einer streitfreien, sachlichen Kommunikation<br />
besitzen.<br />
Obwohl dies von <strong>de</strong>n Eltern erkannt wird, bleibt eine Verständigung oft aus.<br />
Desweiteren kommt es vor, dass die Dialogbereitschaft <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Elternteils<br />
strategisch genutzt wird, um die eigene Position im Konflikt durchzusetzen.<br />
Hochkonflikthafte Eltern sind ten<strong>de</strong>nziell nicht in <strong>de</strong>r Lage, eine Kommunikation<br />
aufrechtzuerhalten, die <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r dient. Statt<strong>de</strong>ssen<br />
versuchen sie, <strong>de</strong>m ehemaligen Partner/<strong>de</strong>r ehemaligen Partnerin aus<br />
<strong>de</strong>m Weg zu gehen <strong>und</strong> ihn bzw. sie aus ihrem Leben zu streichen. Die Eltern<br />
zeigen sich hier ambivalent: Einerseits soll <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Elternteil aus <strong>de</strong>m Leben<br />
verschwin<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>rerseits besteht eine Bindung durch <strong>de</strong>n Konflikt.<br />
5 Persönlichkeits-Stil <strong>und</strong> Störungs-Inventar (http://www.testzentrale.<strong>de</strong>/?mod=<strong>de</strong>tail&id=622)<br />
6 Minnesota Multiphasic Personality Inventory 2 (http://www.testzentrale.<strong>de</strong>/?mod=<strong>de</strong>tail&id=694)<br />
7 Diagnostischer Elternfragebogen (http://www.testzentrale.<strong>de</strong>/?mod=<strong>de</strong>tail&id=448)<br />
15 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
2.2.2
2.2.2<br />
Konfliktthemen<br />
Gegenseitige Vorwürfe<br />
Ein typisches Merkmal hochkonflikthafter Eltern in Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
ist die Häufung verschie<strong>de</strong>ner, gleichzeitig bzw. wechselweise ausgetragener<br />
Konfliktthemen. Im Spektrum dieser Themen lässt sich eine bestimmte Rangfolge<br />
feststellen:<br />
I. Die gemeinsamen Kin<strong>de</strong>r<br />
1. Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />
2. Umgang<br />
3. Finanzielle Fragen<br />
II. Die elterliche Beziehung<br />
1. Das Scheitern<br />
2. Wunsch nach Klärung<br />
Charakteristisch für die <strong>hochkonflikthaften</strong> Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen ist das<br />
Wie<strong>de</strong>rkehren <strong>de</strong>rselben Konfliktthemen. Direkte Konfrontationen fin<strong>de</strong>n<br />
ten<strong>de</strong>nziell seltener statt als bei Eltern in nicht hochkonflikthafter Trennung<br />
<strong>und</strong> Scheidung. Die Streitigkeiten fin<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Ebene von Vorwürfen statt,<br />
tiefer liegen<strong>de</strong> Konflikte wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mgegenüber kaum thematisiert.<br />
Das Verhältnis von <strong>hochkonflikthaften</strong> Müttern <strong>und</strong> Vätern zueinan<strong>de</strong>r ist<br />
stark von Vorwürfen geprägt. Als typisch für eskalierte Trennungen lassen sich<br />
folgen<strong>de</strong> Vorwürfe festhalten:<br />
• Der an<strong>de</strong>re Elternteil hetze das Kind gegen die ehemalige Partnerin/<br />
<strong>de</strong>n ehemaligen Partner auf<br />
• Der an<strong>de</strong>re Elternteil sei nicht erziehungsfähig<br />
• Der an<strong>de</strong>re Elternteil lei<strong>de</strong> an einer Suchterkrankung<br />
• Der an<strong>de</strong>re Elternteil vernachlässige das Kind<br />
• Das Interesse <strong>de</strong>r ehemaligen Partnerin/<strong>de</strong>s ehemaligen Partners am<br />
Kind sei lediglich finanziell bedingt<br />
Weitere gängige Vorwürfe, insbeson<strong>de</strong>re auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r elterlichen Beziehung,<br />
beziehen sich auf verbale Aggressionen, starkes Rückzugsverhalten,<br />
zu geringes Einlenken bei Streitigkeiten sowie reduzierte Kompromissbereitschaft.<br />
Gewaltbezogene Vorwürfe in Bezug auf physische o<strong>de</strong>r sexuelle Gewalt gegen<br />
das Kind o<strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n ehemaligen Partner wer<strong>de</strong>n nicht gehäuft geäußert.<br />
Auch das Bestehen eines Näherungsverbotes zeigt sich nicht als typisches<br />
Charakteristikum hochkonflikthafter Eltern. Ebenso ergibt sich aus <strong>de</strong>n Daten<br />
<strong>de</strong>s Forschungsprojekts keine geschlechterspezifische Zuordnung einzelner<br />
Vorwürfe.<br />
16 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
2.2.3 Sozio<strong>de</strong>mographische Merkmale <strong>und</strong> hilfebezogene Kriterien<br />
Gerichtsanhängigkeit<br />
Anwaltliche Vertretung<br />
Die Forschungsergebnisse <strong>de</strong>s Projekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
zeigen, dass sozio<strong>de</strong>mographische Merkmale keinen Einfluss auf<br />
die Hochkonflikthaftigkeit von Eltern in Trennung <strong>und</strong> Scheidung ausüben.<br />
We<strong>de</strong>r Alter noch Geschlecht, Herkunft, Bildungsgrad <strong>und</strong> kultureller Hintergr<strong>und</strong><br />
spielen eine Rolle. Dasselbe gilt für Faktoren, wie Erwerbstätigkeit,<br />
früheren <strong>und</strong> aktuellen Familienstatus sowie biographische Umbrüche wie Migration<br />
<strong>und</strong> Trennung/Scheidung in <strong>de</strong>r Herkunftsfamilie.<br />
Hochkonflikthafte Eltern lassen sich auch nicht dadurch typisieren, ob sie<br />
eine Ehe-, Familie- <strong>und</strong> Lebensberatung, eine Erziehungsberatung o<strong>de</strong>r eine<br />
integrierte Beratung in Anspruch nehmen. Als unbe<strong>de</strong>utsam erweisen sich<br />
weiterhin die Fragen, ob die Eltern aus eigener Initiative kommen o<strong>de</strong>r vom<br />
Gericht/Jugendamt geschickt wer<strong>de</strong>n, ob die Beratung aktuell stattfin<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r<br />
bereits abgeschlossen ist <strong>und</strong> ob jemals eine Paarberatung durchgeführt wur<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r nicht.<br />
Als durchaus be<strong>de</strong>utsam für das Erkennen hochkonflikthafter Eltern erweisen<br />
sich hingegen die Gerichtsanhängigkeit <strong>und</strong> die Zahl <strong>de</strong>r bisherigen<br />
anwaltlichen Vertretungen.<br />
Hinweis:<br />
Um hochkonflikthafte Eltern zu erkennen, sollte im Hinblick auf diese Forschungsergebnisse<br />
auf Folgen<strong>de</strong>s geachtet wer<strong>de</strong>n:<br />
• aktuelle o<strong>de</strong>r abgeschlossene familiengerichtliche Verfahren zu Umgangs<strong>und</strong><br />
Sorgefragen<br />
• Eigene/keine Rechtsvertretung <strong>und</strong> Häufigkeit ihres Wechsels<br />
Im Hinblick auf gerichtliche Verfahren zeigen hochkonflikthafte Eltern einen<br />
höheren Regelungsbedarf in Sorge- <strong>und</strong> Umgangsfragen als an<strong>de</strong>re Eltern in<br />
Trennung <strong>und</strong> Scheidung. Insbeson<strong>de</strong>re ist die Zahl <strong>de</strong>r außergerichtlichen<br />
Einigungen bei ihnen geringer, die Zahl <strong>de</strong>r offenen <strong>und</strong> abgeschlossenen gerichtlichen<br />
Verfahren höher. Auch eine Unzufrie<strong>de</strong>nheit <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r bisherigen Regelung<br />
kann als typisches Merkmal von Hochkonflikthaftigkeit festgehalten<br />
wer<strong>de</strong>n. Da<strong>mit</strong> scheinen Neuregelungen von Sorge- <strong>und</strong> Umgangsfragen für<br />
die <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern subjektiv notwendig zu sein. Gleichzeitig ist es<br />
<strong>de</strong>utlich schwieriger für sie, Neuregelungen autonom, ohne professionelle Hilfe,<br />
zu erzielen.<br />
Die Inanspruchnahme einer anwaltlichen Vertretung <strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />
Wechsel von Rechtsanwälten sind ebenfalls Anhaltspunkte für bestehen<strong>de</strong><br />
Hochkonflikthaftigkeit <strong>de</strong>r Eltern. Jedoch ist hier Vorsicht geboten: Die Richtung<br />
von Ursache <strong>und</strong> Wirkung lässt sich nicht ein<strong>de</strong>utig bestimmen. Mit<br />
steigen<strong>de</strong>r Konflikthaftigkeit <strong>de</strong>r Eltern nimmt auch <strong>de</strong>ren Bereitschaft zu,<br />
17 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
2.2.3
2.3<br />
mehrere Anwälte zu konsultieren. Möglich ist aber auch, dass hochkonflikthafte<br />
Eltern solche Rechtsanwälte engagieren, die geneigt sind, <strong>de</strong>n Konflikt<br />
eskalieren zu lassen.<br />
Hinweis:<br />
Im Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« wur<strong>de</strong><br />
eine Skala zur Diagnostik von Hochkonflikthaftigkeit <strong>de</strong>r Eltern entwickelt<br />
(s. Anhang). Die Skala integriert objektive <strong>und</strong> subjektive Kennzeichen <strong>de</strong>s<br />
Konfliktniveaus wie folgt:<br />
• Subjektive Einschätzung <strong>de</strong>r Konflikte durch die Betroffenen selbst<br />
• Darstellung <strong>de</strong>r Umgangsregelung(en) seit <strong>de</strong>r Elterntrennung<br />
• Anhängigkeit eines FGG-Verfahrens zum Umgang o<strong>de</strong>r zur Sorge<br />
• Pauschale Bewertung <strong>de</strong>r gerichtlichen Interventionen<br />
• Einschätzung <strong>de</strong>r ehemaligen Partnerin/<strong>de</strong>s ehemaligen Partners anhand<br />
von vier im Feld häufig vorkommen<strong>de</strong>n Vorwürfe<br />
Diese Faktoren wur<strong>de</strong>n in die Skala aufgenommen, weil sie sich als inhaltlich<br />
wichtig zur Bestimmung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus zeigten <strong>und</strong> empirisch erfassbar<br />
sind. Durch das einfache Auswertungsschema ermöglicht die Skala eine erste<br />
Einschätzung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus von Müttern <strong>und</strong> Vätern in Trennung <strong>und</strong><br />
Scheidung.<br />
2.3 Umgang <strong>mit</strong> Spiegelungseffekten in <strong>de</strong>r professionellen <strong>Arbeit</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
Die professionelle <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien stellt nicht nur inhaltlich-methodische<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen an die kooperieren<strong>de</strong>n Berufsgruppen.<br />
Auch die gedankliche <strong>und</strong> emotionale Ausgeglichenheit von Berater- Innen,<br />
Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen, RichterInnen <strong>und</strong> RechtsanwältInnen wird von<br />
streiten<strong>de</strong>n Eltern in Trennung <strong>und</strong> Scheidung regelmäßig auf die Probe gestellt.<br />
Die emotional aufgela<strong>de</strong>nen Fallgeschichten wirken auf die ZuhörerInnen<br />
ein <strong>und</strong> erzeugen so genannte Spiegelungseffekte: Obwohl die Professionellen<br />
an <strong>de</strong>n geschil<strong>de</strong>rten familieninternen Ereignissen ursprünglich nicht beteiligt<br />
waren, wer<strong>de</strong>n sie von <strong>de</strong>n Eltern <strong>mit</strong> eingeb<strong>und</strong>en. Dadurch überträgt sich die<br />
eskalieren<strong>de</strong> Dynamik nicht nur auf einzelne Professionelle, son<strong>de</strong>rn auch auf<br />
das gesamte Helfersystem. Eine beliebte Strategie hochkonflikthafter Eltern<br />
ist etwa das Schmie<strong>de</strong>n von Allianzen. Nach <strong>de</strong>m Motto »Das sage ich aber<br />
nur Ihnen …« versuchen sie, einzelne Professionelle für sich zu gewinnen. Sie<br />
erhoffen sich, dadurch gegen an<strong>de</strong>re Berufsgruppen auftreten zu können. Das<br />
Ergebnis solcher Verwicklungen ist eine Spaltung innerhalb einer Institution<br />
<strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r zwischen verschie<strong>de</strong>nen, <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r kooperieren<strong>de</strong>n Institutionen.<br />
Darunter lei<strong>de</strong>t die Handlungsfähigkeit <strong>de</strong>s gesamten professionellen<br />
Systems.<br />
18 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Hinweis:<br />
Woran sind Spiegelungsphänomene zu erkennen? – Die Stimmung während<br />
<strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> am Fall ist <strong>de</strong>r erste Indikator dafür. Aggressive Impulse <strong>und</strong> Gereiztheit,<br />
aber auch Erschöpfung <strong>und</strong> Resignation unter <strong>de</strong>n beteiligten Professionellen<br />
sind häufige Reaktionen, die auf Resonanzeffekte hinweisen.<br />
Als Umgang hier<strong>mit</strong> sollten BeraterInnen, Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen,<br />
RichterInnen <strong>und</strong> RechtsanwältInnen als erstes ein Bewusstsein für diese<br />
Problematik entwickeln. Nur dann können Spiegelungseffekte erkannt <strong>und</strong><br />
thematisiert wer<strong>de</strong>n. Durch Selbstreflexion <strong>de</strong>r einzelnen Professionellen <strong>und</strong><br />
im Team kann ein Raum eröffnet wer<strong>de</strong>n, um die Beziehung zwischen KlientInnen<br />
<strong>und</strong> Helfersystem zu klären, für Unterschie<strong>de</strong> in Selbst- <strong>und</strong> Fremdwahrnehmung<br />
zu sensibilisieren, <strong>mit</strong> Nähe <strong>und</strong> Distanz in <strong>de</strong>r Fallarbeit umzugehen<br />
<strong>und</strong> die eigenen blin<strong>de</strong>n Flecken kennenzulernen.<br />
3 Kin<strong>de</strong>r in <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong><br />
Scheidungsfamilien<br />
3.1 Konflikterleben <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
Eine Scheidung bzw. Trennung löst im Leben <strong>de</strong>r Betroffenen eine Reihe von<br />
individuellen, sozialen <strong>und</strong> materiellen Verän<strong>de</strong>rungen aus. Diese Verän<strong>de</strong>rungen<br />
zu bewältigen, erfor<strong>de</strong>rt einen intensiven <strong>und</strong> <strong>mit</strong>unter langwierigen<br />
Anpassungsprozess. Wie Längsschnittstudien gezeigt haben, unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich Familien darin, wie sie die Trennung bearbeiten <strong>und</strong> überwin<strong>de</strong>n<br />
(Schmidt-Denter 2000). In <strong>de</strong>n meisten Familien ist diese Anpassungsphase in<br />
<strong>de</strong>r Regel nach wenigen Jahren abgeschlossen. In <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
allerdings bleibt ein <strong>de</strong>rartiges Entwicklungsergebnis im Wesentlichen aus.<br />
Durch ein exzessiv geführtes anhalten<strong>de</strong>s Konfliktverhalten mutet diese beson<strong>de</strong>re<br />
Elterngruppe ihren Kin<strong>de</strong>rn einen äußerst stressreichen emotionalen<br />
Ausnahmezustand zu. Walper (2006) konnte zeigen, dass Elternkonflikte unabhängig<br />
von <strong>de</strong>r Familienstruktur zu <strong>de</strong>n Faktoren <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r höchsten Vorhersagekraft<br />
für kindliche Fehlentwicklungen zählen. So li<strong>mit</strong>ieren diese Eltern<br />
in nicht unerheblicher Weise akut <strong>und</strong> langfristig die Möglichkeiten einer<br />
erfolgreichen Entwicklung <strong>und</strong> Lebensgestaltung ihrer Kin<strong>de</strong>r (Doolittle &<br />
Deutsch 1999).<br />
Im Rahmen einer Analyse einschlägiger Studien i<strong>de</strong>ntifizierten Paul &<br />
Dietrich (2006) folgen<strong>de</strong> Effekte von anhalten<strong>de</strong>n Elternkonflikten auf die<br />
kindliche Entwicklung:<br />
19 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.1
3.1<br />
Effekte anhalten<strong>de</strong>r Elternkonflikte auf die kindliche Entwicklung<br />
• Internalisieren<strong>de</strong> Verhaltensprobleme<br />
(Depressivität, Ängstlichkeit, Rückzug)<br />
• Externalisieren<strong>de</strong> Verhaltensprobleme<br />
(Aggressivität, Delinquenz)<br />
Kindliche Symptomatik<br />
Hilflosigkeit <strong>und</strong> Dauerstress<br />
Qualität <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung<br />
• Vermehrt negative Interaktionen<br />
• Parentifizierung<br />
• Loyalitätskonflikte<br />
• Unsicheres Bindungsverhalten<br />
Individuell<br />
Familial Außerfamilial<br />
• Probleme bei <strong>de</strong>r Emotionsregulation<br />
• Inadäquates Coping-Verhalten<br />
• Geringeres Selbstwertgefühl/<br />
Selbstwirksamkeitserleben<br />
• Auffälliges Sozialverhalten/<br />
Schwierigkeiten in <strong>de</strong>r Beziehungsgestaltung<br />
<strong>mit</strong> Peers<br />
• Geringere aka<strong>de</strong>mische Leistungsfähigkeit/schulvermei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />
Verhalten<br />
Abbildung 1<br />
Elternkonflikte <strong>und</strong> kindliche Entwicklung<br />
Betrachtet man die Situation von Kin<strong>de</strong>rn in <strong>hochkonflikthaften</strong> Familiensystemen<br />
zusammenfassend, kann man formulieren: Die Eltern provozieren<br />
durch ihr wenig kindfokussiertes Verhalten im (Nach-)<strong>Trennungs</strong>prozess nicht<br />
nur eine verzögerte Anpassung ihrer Kin<strong>de</strong>r an die neue Familienwirklichkeit,<br />
son<strong>de</strong>rn auch gravieren<strong>de</strong> individuelle Entwicklungsstörungen bei ihren Kin<strong>de</strong>rn.<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>s Forschungsprojektes »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
ver<strong>de</strong>utlichen, wie insbeson<strong>de</strong>re die hoch belasteten <strong>de</strong>r untersuchten<br />
Kin<strong>de</strong>r 8 die <strong>de</strong>struktiv geführten Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen erleben: Die<br />
Eltern streiten nicht nur anhaltend <strong>und</strong> verletzend, sie bleiben auch nach einer<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung häufig »böse« <strong>und</strong> wütend aufeinan<strong>de</strong>r. Das elterliche<br />
Spannungsfeld wird von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn als permanent (»Streit ohne En<strong>de</strong>«) erlebt,<br />
es gibt für sie keine Entspannung. Das ständige Überwachen <strong>de</strong>r elterlichen<br />
Konflikte beutet ihre emotionalen Ressourcen aus <strong>und</strong> zieht in <strong>de</strong>r Regel einen<br />
Zustand andauern<strong>de</strong>r hoher physiologischer Erregung nach sich.<br />
8 Das Alter <strong>de</strong>r 29 qualitativ <strong>und</strong> quantitativ befragten Kin<strong>de</strong>r lag zwischen 7 <strong>und</strong> 14 <strong>und</strong> ihr Altersdurchschnitt<br />
bei 10 Jahren. In dieser Stichprobe fan<strong>de</strong>n sich insbeson<strong>de</strong>re Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m Teil <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r, die stark durch die Trennung belastet sind <strong>und</strong> <strong>de</strong>nen, bei <strong>de</strong>nen dies nicht <strong>de</strong>r Fall schien. 15<br />
Kin<strong>de</strong>r zeigten sich als hochbelastet.<br />
20 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Daraus resultiert, dass sich die Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m elterlichen Konfliktgeschehen oftmals<br />
hilflos ausgeliefert fühlen. Sie wissen nicht, was sie tun sollen <strong>und</strong> entwickeln<br />
nicht selten Befürchtungen, dass alles noch schlimmer wer<strong>de</strong>n könnte.<br />
So ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass die Kin<strong>de</strong>r ihre Möglichkeiten, das Konfliktgeschehen<br />
beeinflussen zu können, nach unseren Bef<strong>und</strong>en als eher gering<br />
einschätzen. Sie haben zu häufig erlebt, dass die Eltern in ihrem Konfliktverhalten<br />
kaum beeinflussbar sind. In <strong>de</strong>n Interviews <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Jungen <strong>und</strong> Mädchen<br />
tritt <strong>de</strong>utlich hervor, dass die Kin<strong>de</strong>r die Unversöhnlichkeit <strong>de</strong>r Eltern in<br />
<strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen als beson<strong>de</strong>rs belastend empfin<strong>de</strong>n.<br />
Gravierend <strong>und</strong> zunehmend belastend wird es für die Kin<strong>de</strong>r, wenn die Eltern<br />
ihre eigenen emotionalen Belastungen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn teilen wollen <strong>und</strong><br />
die Unterstützung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r erwarten o<strong>de</strong>r gar einfor<strong>de</strong>rn.<br />
Das Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« bestätigt<br />
auch Erkenntnisse aus <strong>de</strong>r Stressforschung, nach <strong>de</strong>nen vor allem die<br />
Bewertung einzelner kritischer Ereignisse darüber entschei<strong>de</strong>t, wie die Kin<strong>de</strong>r<br />
<strong>mit</strong> <strong>de</strong>n stresshaften Erfahrungen umgehen können. Als einflussreiche Größe<br />
erweist sich das individuelle Belastungserleben <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> weniger das<br />
von <strong>de</strong>n Eltern selbst o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Beratern beschriebene elterliche Konfliktniveau.<br />
Hinzu kommt, dass hochkonflikthafte Eltern oftmals einen Anspruch auf die<br />
Deutungshoheit bei <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>s Befin<strong>de</strong>ns ihrer Kin<strong>de</strong>r erheben, wie<br />
die im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts durchgeführten Elternbefragungen<br />
zeigten. Tatsächlich sind diese Eltern eher ungeeignete Quellen für diese Informationen,<br />
da sie über <strong>de</strong>n Konflikt die Bedürfnisse <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Blick<br />
verloren haben. Darüber hinaus ist ihre konfliktbezogene Wahrnehmung meist<br />
verzerrt <strong>und</strong> selektiv. Nicht zuletzt verbirgt sich hier oftmals auch ein gewisses<br />
Eigeninteresse, bestimmte Symptome <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r über- o<strong>de</strong>r unterzubewerten.<br />
Hinweis:<br />
Ohne die direkte Erfassung <strong>de</strong>r Lebenswelt <strong>und</strong> Befindlichkeit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
gestaltet sich eine direkte Ableitung wirkungsorientierter Interventionen als<br />
schwierig.<br />
Auch Kin<strong>de</strong>r aus »normalen« <strong>Trennungs</strong>familien erleben sich als belastet, hilflos<br />
<strong>und</strong> zerrissen, als ungewollte Ver<strong>mit</strong>tler <strong>und</strong> Koalitionäre ihrer Eltern – jedoch<br />
nur für eine relativ kurze Zeit. Bei Kin<strong>de</strong>rn hochkonflikthafter Eltern<br />
gehört dieses Erleben jahrelang zum Aufwachsen dazu. Es ist oft Teil ihrer<br />
gesamten Kindheit <strong>und</strong> wirkt sich, wie das folgen<strong>de</strong> Kapitel zeigt, auf die Eltern-Kind-Beziehung<br />
aus.<br />
21 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.1
3.2.1<br />
3.2 Eltern-Kind-Beziehung<br />
3.2.1 Eingeschränkte Qualität <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung<br />
Als be<strong>de</strong>utsame Einflussfaktoren auf die kindliche Befindlichkeit stellen sich<br />
in <strong>de</strong>r psychologisch orientierten Familienforschung die Qualität <strong>de</strong>r Eltern-<br />
Kind-Beziehung <strong>und</strong> das elterliche Erziehungsverhalten heraus.<br />
Das von Doolittle & Deutsch (1999) metaanalytisch gewonnene Ergebnis,<br />
dass hochkonflikthafte Eltern das Zusammenleben <strong>mit</strong> ihren Kin<strong>de</strong>rn nur eingeschränkt<br />
an <strong>de</strong>ren Bedürfnissen orientiert gestalten, kann auch durch die<br />
im Forschungsprojekt gewonnenen Daten gestützt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m nehmen<br />
die befragten Kin<strong>de</strong>r ihre Eltern als inkonsistent in ihrem Erziehungsverhalten<br />
wahr. Während die Väter als wenig unterstützend erlebt wer<strong>de</strong>n, gelten die<br />
Mütter als wenig verlässlich <strong>und</strong> berechenbar in ihrem Erziehungsverhalten.<br />
Ten<strong>de</strong>nzen zur Parentifizierung, also zur Rollenumkehr zwischen Eltern<br />
<strong>und</strong> Kind (z.B. wenn das Kind häufig als Gesprächspartner zu emotionalen<br />
Problemen eines Elternteils herangezogen wird), zeigen sich bei <strong>de</strong>n durch uns<br />
befragten Kin<strong>de</strong>rn in nicht unerheblichem Maße. Dabei neigen aus <strong>de</strong>r Sicht<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r Mütter etwas stärker dazu, ihre Kin<strong>de</strong>r in eine Erwachsenenrolle<br />
zu drängen bzw. das Kind als Partnerersatz/Bindungsobjekt zu sehen als die<br />
Väter.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re aus <strong>de</strong>n qualitativen Interviews <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn geht hervor,<br />
dass diese in <strong>de</strong>r Regel ihre persönliche Beziehung zu bei<strong>de</strong>n Elternteilen (unabhängig<br />
von <strong>de</strong>r Elternbeziehung) <strong>de</strong>nnoch als durchaus positiv einschätzen.<br />
Dass hier auch Wunschvorstellungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r eine Rolle spielen, kann nicht<br />
<strong>mit</strong> Sicherheit ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Deutlich wird allerdings, dass diese positiven<br />
Beziehungen regelmäßig in Gefahr geraten, wenn die Kin<strong>de</strong>r das Gefühl<br />
haben, dass zumin<strong>de</strong>st ein (bindungsintoleranter) Elternteil nicht da<strong>mit</strong><br />
zurecht kommt, wenn das Kind an<strong>de</strong>utet, auch zum an<strong>de</strong>ren Elternteil eine<br />
gute Beziehung zu haben.<br />
3.2.2 Kindliche Lösungsversuche im Spannungsfeld »Umgang«<br />
Der Gestaltung <strong>de</strong>r Umgangskontakte kommt in <strong>hochkonflikthaften</strong> Elternsystemen<br />
eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu.<br />
Hinweis:<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
weisen darauf hin, dass die Kin<strong>de</strong>r, die sich durch die Konflikte<br />
<strong>de</strong>r Eltern hoch belastet fühlen, ausnahmslos auch durch die wenig entwicklungsgerechte<br />
Gestaltung <strong>de</strong>r Umgangskontakte belastet sind. Gera<strong>de</strong> diese<br />
Kin<strong>de</strong>r neigen dann dazu, <strong>de</strong>n Kontakt zu umgangsberechtigten Elternteil zu<br />
vermei<strong>de</strong>n bzw. zu verweigern.<br />
22 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Die konsequente Verweigerungshaltung eines Kin<strong>de</strong>s gegenüber Kontakten<br />
zum nicht betreuen<strong>de</strong>n Elternteil im Kontext hochkonflikthafter Trennungen<br />
kann einerseits die Konflikthaftigkeit <strong>de</strong>r Elternbeziehung erhöhen, wenn beispielsweise<br />
<strong>de</strong>r abgelehnte Elternteil <strong>de</strong>m betreuen<strong>de</strong>n Elternteil Manipulation<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s unterstellt. An<strong>de</strong>rerseits stellt die Verweigerungshaltung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
auch BeraterInnen, GutachterInnen, Verfahrensbeistän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Richter-<br />
Innen vor große Herausfor<strong>de</strong>rungen, wenn etwa Unsicherheiten im Hinblick<br />
auf die beste Lösung für das Kind o<strong>de</strong>r die Ursache für die Kontaktablehnung<br />
bestehen.<br />
Kin<strong>de</strong>r, die über längere Zeit unter <strong>de</strong>n oben beschriebenen Bedingungen leben<br />
müssen, erleben meist Einschränkungen ihrer emotionalen Sicherheit <strong>und</strong><br />
sind auf sogenannte bedingte Bindungsstrategien angewiesen. Nach Kindler<br />
(2009) beinhalten diese Strategien kindliche Anpassungsversuche, die unter<br />
<strong>de</strong>n gegebenen Hochkonflikt-Bedingungen ein noch erreichbares Maximum<br />
an emotionaler Sicherheit bewahren sollen.<br />
Hinweis:<br />
Unterschiedliche Strategien zeigen sich in <strong>de</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts<br />
»Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« gewonnenen Daten: Einige<br />
Kin<strong>de</strong>r versuchen über einen langen Zeitraum, ihre Eltern wie<strong>de</strong>r zu versöhnen,<br />
an<strong>de</strong>re passen sich <strong>de</strong>n Erwartungen <strong>de</strong>r Elternteile an. Entschei<strong>de</strong>nd ist<br />
aber, dass die Kin<strong>de</strong>r, je länger sie im Hochkonfliktfeld <strong>de</strong>r Eltern verbleiben,<br />
umso häufiger zur Strategie <strong>de</strong>r Distanzierung bis zum Kontaktabbruch wechseln.<br />
Beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit ist auch bei »auffällig unauffälligen Kin<strong>de</strong>rn« geboten.<br />
Diese Kin<strong>de</strong>r scheinen (über-)angepasst <strong>und</strong> psychisch unbeeindruckt<br />
von <strong>de</strong>n multiplen Strapazen in ihren Familien (s. missglückte Copingstrategie<br />
im folgen<strong>de</strong>n Kapitel). Auch viele Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Langzeitstudie von Wallerstein<br />
<strong>und</strong> Lewis (2001) waren ursprünglich unauffällige Kin<strong>de</strong>r. Trotz<strong>de</strong>m litten sie<br />
erheblich unter von Fachkräften empfohlenen <strong>und</strong> von Richtern festgelegten<br />
Umgangsregelungen, so dass sich ihre Störungen z. T. noch auf die Entwicklung<br />
ihrer eigenen Kin<strong>de</strong>r auswirkten.<br />
Hinweis:<br />
Diese Bef<strong>und</strong>e zur Qualität <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung zeigen <strong>de</strong>utlich, wie<br />
be<strong>de</strong>utsam die Einbeziehung <strong>de</strong>r kindlichen Perspektive für das Verständnis<br />
<strong>de</strong>r familialen Situation <strong>und</strong> die Ableitung von Interventionsangeboten ist.<br />
23 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.2.2
3.3.1<br />
3.3 Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen<br />
3.3.1 Missglückte Copingstrategien <strong>und</strong> Selbstwertprobleme<br />
Die am Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« beteiligten<br />
Kin<strong>de</strong>r, die sich infolge <strong>de</strong>r anhalten<strong>de</strong>n Konflikte sehr belastet fühlten,<br />
waren in umfassen<strong>de</strong>r Weise auch in verschie<strong>de</strong>nen Bereichen <strong>de</strong>r Persönlichkeitsentwicklung<br />
beeinträchtigt. Es konnten Belastungen bei Persönlichkeitsmerkmalen,<br />
im individuellen Befin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, im Stresserleben <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r<br />
Stressbewältigung nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Betrachtet man die Ergebnisse <strong>de</strong>r Forschungsstudie genauer, so wird <strong>de</strong>utlich,<br />
dass diese Kin<strong>de</strong>r zu einer erhöhten emotionalen Erregbarkeit neigen <strong>und</strong><br />
an<strong>de</strong>re Kin<strong>de</strong>r oftmals positiver wahrnehmen als sich selbst. Zu<strong>de</strong>m zeigen<br />
sie ein größeres Bedürfnis nach Ich-Durchsetzung, verhalten sich häufiger oppositionell<br />
bzw. aggressiv <strong>und</strong> fühlen sich ihren Eltern weniger verb<strong>und</strong>en.<br />
I<strong>de</strong>ntifiziert wur<strong>de</strong>n also sowohl internalisieren<strong>de</strong> wie externalisieren<strong>de</strong> Auffälligkeiten.<br />
Da verw<strong>und</strong>ert es nicht, dass sich die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Familie wenig wertgeschätzt<br />
fühlen <strong>und</strong> häufig zu Selbstwertproblemen sowie <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong><br />
Verlustangst neigen. Im Ergebnis lei<strong>de</strong>n die Kin<strong>de</strong>r vermehrt unter aktuellem<br />
Stress, auf <strong>de</strong>n sie in <strong>de</strong>r Regel <strong>mit</strong> physischen Stresssymptomen reagieren.<br />
Denn sie können diesen Stress <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n ihnen zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Mitteln<br />
nicht selbst reduzieren. Sie versuchen zwar, alle ihnen zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />
Möglichkeiten einer Stressbewältigung zu nutzen, sind aber zu einer<br />
angemessenen Auswahl nicht in <strong>de</strong>r Lage. So kommt es häufig zu inadäquaten<br />
emotionsbezogenen Versuchen, <strong>de</strong>n Stress zu bewältigen.<br />
Hinzu kommt: Kin<strong>de</strong>r aus <strong>hochkonflikthaften</strong> Familiensystemen konzentrieren<br />
sich – wie bereits angemerkt – vornehmlich auf die emotionalen Befindlichkeiten<br />
<strong>und</strong> Bedürfnisse ihrer Eltern. Eine <strong>de</strong>rartige Fokussierung auf<br />
die (irritieren<strong>de</strong>) elterliche Emotionalität führt dazu, dass sie das eigene Befin<strong>de</strong>n<br />
<strong>und</strong> die eigene Bedürfnislage aus <strong>de</strong>n Augen verlieren. Sie wer<strong>de</strong>n unsicher<br />
gegenüber an<strong>de</strong>ren <strong>und</strong> ebenso unsicher gegenüber <strong>de</strong>n eigenen Gefühlen.<br />
An dieser Stelle sei auf einen weiteren wichtigen Aspekt hingewiesen: Manche<br />
Kin<strong>de</strong>r können durch die anhalten<strong>de</strong> Uneinigkeit ihrer Eltern eine be<strong>de</strong>nkliche<br />
Rolle im Konflikt erlangen. Sie erhalten Macht zur Manipulation durch<br />
mangeln<strong>de</strong> Grenzsetzung <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Konflikt fokussierten Eltern <strong>und</strong> beginnen<br />
durch Parteiübernahme (Allianzen) im Konflikt zu agieren. Kurzfristig<br />
mag diese Strategie für die Kin<strong>de</strong>r scheinbar einen Gewinn bringen. Langfristig<br />
betrachtet ist allerdings festzuhalten, dass die Kin<strong>de</strong>r lernen, Beziehungen<br />
zu manipulieren. Sie wer<strong>de</strong>n letztlich in <strong>de</strong>r Entwicklung von Fähigkeiten zur<br />
konstruktiven Konfliktlösung <strong>und</strong> Beziehungsgestaltung behin<strong>de</strong>rt.<br />
24 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Hinweis:<br />
Kin<strong>de</strong>r in <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien können durch die negativen Auswirkungen<br />
<strong>de</strong>s Konfliktverhaltens ihrer Eltern, verb<strong>und</strong>en <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />
Belastungen, in wesentlichen Bereichen <strong>de</strong>r Persönlichkeitsentwicklung<br />
massiv beeinträchtigt <strong>und</strong> in ihrer individuellen Entfaltung gestört wer<strong>de</strong>n.<br />
3.3.2 Ressourcen <strong>und</strong> Minimalstandards <strong>de</strong>r Elternverantwortung<br />
Betrachtet man mögliche Quellen, aus <strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>r auch in <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Familiensystemen Kraft schöpfen können, interessieren zunächst diejenigen<br />
Kin<strong>de</strong>r, die trotz Hochkonflikthaftigkeit »unverletzlich« erscheinen, also<br />
ein hohes Maß an »Resilienz« zeigen. Sie trotzen <strong>de</strong>n Einflüssen <strong>de</strong>r hochstrittigen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen ihrer Eltern <strong>und</strong> durchlaufen eine Entwicklung,<br />
die weitgehend unproblematisch erscheint. Diese Kin<strong>de</strong>r sind u.a. dadurch gekennzeichnet,<br />
dass sie auf soziale Protektivfaktoren, also familiale Unterstützungssysteme<br />
wie Großeltern, neue Partner o<strong>de</strong>r Geschwister o<strong>de</strong>r auch externe<br />
Hilfen wie Nachbarn, Sportvereine o<strong>de</strong>r Fre<strong>und</strong>e zurückgreifen können.<br />
Zu<strong>de</strong>m sind individuelle Faktoren <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r von entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung.<br />
Sowohl intellektuelle Fähigkeiten als auch Temperamentsmerkmale spielen<br />
hier eine Rolle. Diese Kin<strong>de</strong>r sind trotz <strong>de</strong>r emotionalen Belastung eher<br />
in <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n konflikthaften <strong>Trennungs</strong>verlauf, die Rolle <strong>de</strong>r Eltern <strong>und</strong><br />
die eigene Position adäquat zu reflektieren. Zu<strong>de</strong>m nutzen sie insbeson<strong>de</strong>re in<br />
Zeiten hoher Belastung Stressbewältigungsstrategien, die auf die aktive Lösung<br />
<strong>de</strong>s Problems <strong>mit</strong> o<strong>de</strong>r ohne soziale Unterstützung fokussieren. So gelingt<br />
es ihnen, sich vom Konflikt <strong>de</strong>r Eltern zu distanzieren <strong>und</strong> gleichzeitig eigene<br />
Stärken (v.a. Selbstwirksamkeit) zu entwickeln.<br />
Positive Aspekte <strong>de</strong>r kindlichen Persönlichkeit können sich aber auch durch<br />
spezifische elterliche Kompetenzen bzw. elterliches Verhalten entwickeln.<br />
Gelingt es <strong>de</strong>n Eltern trotz <strong>de</strong>r intensiven Konflikte auf <strong>de</strong>r Paarebene, eine<br />
funktionale Kommunikation bezogen auf die Sicherung <strong>de</strong>r Kontinuität <strong>de</strong>r<br />
Umgangskontakte zu etablieren, so trägt das enorm zur Entlastung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
bei <strong>und</strong> sorgt für ein Min<strong>de</strong>stmaß an Sicherheit. Dies gilt, wenn eine Beeinflussung<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r unterbleibt <strong>und</strong> sie nicht als Ver<strong>mit</strong>tler benutzt wer<strong>de</strong>n.<br />
In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die am Forschungsprojekt<br />
beteiligten Kin<strong>de</strong>r, die als »Botschafter« in <strong>de</strong>n elterlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
agieren mussten, von ihren Eltern als <strong>de</strong>utlich ängstlicher <strong>und</strong> sozial<br />
auffällig beschrieben wur<strong>de</strong>n. Daraus lässt sich die Annahme ableiten: Gelingt<br />
es Eltern, eine Art Minimalstandard von elterlicher Verantwortung zu etablieren<br />
<strong>und</strong> beizubehalten, entlasten sie ihre Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> reduzieren <strong>de</strong>ren Stress.<br />
Hinweis:<br />
Nimmt man die vielfältigen Belastungen o<strong>de</strong>r auch die Ressourcen von Kin<strong>de</strong>rn<br />
aus <strong>hochkonflikthaften</strong> Familiensystemen in <strong>de</strong>n Blick, so wird ein weiteres<br />
Mal <strong>de</strong>utlich, wie wichtig es ist, das Hauptaugenmerk auf das individuelle<br />
Erleben <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zu legen. Deutlich wird dies insbeson<strong>de</strong>re auch bei <strong>de</strong>r<br />
Betrachtung von Geschwisterkonstellationen in <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien.<br />
25 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.3.2
3.4.1<br />
Die im Forschungsprojekt gewonnenen Daten zeigen, dass sich die individuelle<br />
Situation <strong>und</strong> die subjektiv erlebte Belastung zwischen Geschwistern<br />
stark unterschei<strong>de</strong>n kann, obwohl sie im gleichen Familiensystem leben <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>n elterlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen in ähnlicher Weise ausgesetzt sind (vgl.<br />
Dunn & Plomin 1990). Demzufolge ist es ratsam, das individuelle Erleben <strong>und</strong><br />
spezifische Belastung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sich so unabhängig vom<br />
elterlichen Konfliktverhalten ein Bild darüber zu verschaffen.<br />
3.4 Angebote von Beratungsstellen für Kin<strong>de</strong>r hochkonflikthafter Eltern<br />
3.4.1 Beratungsangebote aus Sicht <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, dass die am Forschungsprojekt<br />
»Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« beteiligten 29 Kin<strong>de</strong>r im Durchschnitt<br />
zehn Jahre alt waren. So<strong>mit</strong> lagen uns nur für diese Altersgruppe Daten<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>und</strong> Bewertung beraterischer Angebote vor.<br />
Kin<strong>de</strong>r bei elterlichen Hochkonflikttrennungen in <strong>de</strong>n Interventionsprozess<br />
einzubeziehen, ist in <strong>de</strong>n Beratungsstellen keine Selbstverständlichkeit.<br />
So wird in <strong>de</strong>r Praxis häufig <strong>und</strong> engagiert über die Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit<br />
<strong>de</strong>s Einbezugs betroffener Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>battiert (vgl. dazu Weber &<br />
Alberstötter, 2010).<br />
In Anbetracht <strong>de</strong>r geschil<strong>de</strong>rten Bef<strong>und</strong>e erscheint die Diskussion darüber,<br />
ob Kin<strong>de</strong>r ein eigenes Angebot erhalten sollten, weitgehend nicht nachvollziehbar.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen muss zunehmend eine breite fachliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
darüber geführt wer<strong>de</strong>n, wie Kin<strong>de</strong>r in Beratung o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Unterstützungsmaßnahmen<br />
einbezogen wer<strong>de</strong>n. Dies beinhaltet auch die Überwindung von<br />
Ressort- zugunsten Ressourcen<strong>de</strong>nkens (s. dazu nachfolgen<strong>de</strong>s Kapitel).<br />
Kin<strong>de</strong>r reagieren unterschiedlich auf das elterliche Konfliktgeschehen. Ausmaß<br />
<strong>und</strong> Art <strong>de</strong>r Belastung drücken sich auf verschie<strong>de</strong>ne Weise aus. Daraus<br />
resultiert eine große Bandbreite von Möglichkeiten, die Kin<strong>de</strong>r in ihrer individuellen<br />
Situation zu unterstützen.<br />
Hinweis:<br />
Die im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts durchgeführte Befragung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
ergab, dass sie in <strong>de</strong>r Regel Einzelangebote als angenehm <strong>und</strong> kaum belastend<br />
empfin<strong>de</strong>n. Von diesen Kontakten profitieren sie beson<strong>de</strong>rs dann, wenn nicht<br />
auf die <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Konfliktsituation <strong>de</strong>r Eltern fokussiert wird, son<strong>de</strong>rn<br />
auf die Stärkung ihrer Persönlichkeit.<br />
Als eher negativ erlebten die Kin<strong>de</strong>r jedoch Familiensitzungen. Im Rahmen<br />
gemeinsamer Sitzungen <strong>mit</strong> bei<strong>de</strong>n Eltern in <strong>de</strong>r Beratungsstelle wur<strong>de</strong>n die<br />
befragten Mädchen <strong>und</strong> Jungen wie<strong>de</strong>rholt Zeugen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>struktiven Konfliktverhaltens<br />
ihrer Eltern. Mehrfach wur<strong>de</strong> beschrieben, dass es <strong>de</strong>n BeraterInnen<br />
nicht gelang, die Eskalation zu stoppen <strong>und</strong> die Eltern zu einem gemäßigteren<br />
26 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
3.4.2 Beratungskontinuität für Kin<strong>de</strong>r<br />
Umgang <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zu bewegen. Bei <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Eltern ist die Gefahr solcher Eskalationen je<strong>de</strong>rzeit gegeben, selbst nach phasenweisen<br />
Verbesserungen.<br />
Kin<strong>de</strong>r profitieren also eher von auf sie persönlich ausgerichteten Angeboten.<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts gaben allerdings die am stärksten belasteten<br />
Kin<strong>de</strong>r an, die Interventionen hätten keinerlei Auswirkungen, we<strong>de</strong>r<br />
bezüglich <strong>de</strong>s Streitverhaltens <strong>de</strong>r Eltern noch hinsichtlich positiver Verän<strong>de</strong>rungen<br />
für sie selbst.<br />
Hinweis:<br />
Wirksame Interventionen bei Hochkonflikttrennungen müssen sowohl die Interessen<br />
<strong>de</strong>r Eltern als auch die <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r berücksichtigen: we<strong>de</strong>r die alleinige<br />
Konzentration auf die Eltern, noch auf die Kin<strong>de</strong>r erscheint ausreichend.<br />
Die Möglichkeiten, die Spannungssituation für die Kin<strong>de</strong>r allein über die Beratung<br />
(o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Interventionen) <strong>de</strong>r Eltern positiv zu verän<strong>de</strong>rn, sind beschränkt.<br />
Die im Forschungsprojekt durchgeführte Befragung <strong>de</strong>r Fachkräfte<br />
zur Wirksamkeit <strong>de</strong>r elternbezogenen Interventionen zeigt, dass hinsichtlich<br />
<strong>de</strong>s elterlichen Konfliktverhaltens meist nur geringe Erfolge erzielt wer<strong>de</strong>n, die<br />
zu<strong>de</strong>m häufig nicht von Dauer sind. Selbst während laufen<strong>de</strong>r Elterninterventionen<br />
gibt es lange Phasen, in <strong>de</strong>nen sich für die Kin<strong>de</strong>r die Situation nicht<br />
verän<strong>de</strong>rt. Je <strong>de</strong>struktiver das Agieren <strong>de</strong>r Eltern ist, umso mehr (Beratungs-)<br />
Zeit benötigen sie für kleine Schritte in Richtung eines angemesseneren Konfliktverhaltens,<br />
umso öfter wechseln Phasen von Kooperationsbereitschaft <strong>und</strong><br />
Wi<strong>de</strong>rstand <strong>und</strong> <strong>de</strong>sto höher ist die Gefahr eines Abbruchs o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitigen<br />
Scheiterns <strong>de</strong>r Elterngespräche.<br />
Umso mehr gilt: Bei Unterbrechung o<strong>de</strong>r Abbruch <strong>de</strong>r Elternintervention<br />
bleibt die Rolle <strong>de</strong>r BeraterInnen als AnsprechpartnerIn für die Kin<strong>de</strong>r weiterhin<br />
wichtig, zur Entlastung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, aber auch für das Aufgreifen kindlicher<br />
Lösungsversuche. Kin<strong>de</strong>r haben oft konkrete <strong>und</strong> umsetzbare I<strong>de</strong>en, die<br />
die Eltern aufgr<strong>und</strong> ihrer Zerstrittenheit nicht sehen (können). Diese Überlegungen,<br />
Kin<strong>de</strong>r ernst zu nehmen <strong>und</strong> ihnen eine Stimme zu verleihen, wirken<br />
gegen die von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn oft erlebte Hilflosigkeit – einem Hauptfaktor für<br />
die Entwicklung <strong>de</strong>r beschriebenen Belastungen.<br />
Wie beschrieben, scheinen Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>struktive Elternkonflikte selbst dann psychisch<br />
weitgehend unbelastet zu überstehen, wenn sie bestimmte persönliche<br />
Stärken <strong>und</strong> Wi<strong>de</strong>rstandsfähigkeiten gut entwickeln konnten <strong>und</strong> in einem<br />
stabilen sozialen Umfeld leben.<br />
Hinweis:<br />
Bei Hochkonflikten beinhaltet Intervention <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>rschutz <strong>de</strong>mnach vor<br />
allem die Unterstützung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r beim Aufbau o<strong>de</strong>r Erhalt von Selbstwirksamkeit.<br />
27 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.4.2
3.4.2<br />
Beratung sollte Kin<strong>de</strong>rn dabei helfen, eine innere Vorstellung zu entwickeln,<br />
wie sie <strong>mit</strong> ihrem Verhalten (wenn »Sturm an <strong>de</strong>r Elternfront« aufzieht) etwas<br />
bewirken können; selbst in einer Umgebung, wo scheinbar wenig zu bewirken<br />
ist. Darüber hinaus muss das Wahrnehmen, Verstehen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Umgang <strong>mit</strong><br />
<strong>de</strong>n eigenen Gefühlen (Emotionsregulation) unterstützt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn dazu<br />
sind hochkonflikthafte Eltern kaum in <strong>de</strong>r Lage.<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Interventionsmo<strong>de</strong>ll<br />
Bisher wur<strong>de</strong>n international wenige <strong>und</strong> nur vereinzelte zielgruppenspezifische<br />
Interventionsprogramme in Deutschland für Kin<strong>de</strong>r erarbeitet <strong>und</strong> erprobt.<br />
Verwiesen wird an dieser Stelle auf die projektvorbereiten<strong>de</strong>n bzw. -begleiten<strong>de</strong>n<br />
Expertisen von Paul & Dietrich (2006) <strong>und</strong> Paul (2008), die eine<br />
Sammlung <strong>und</strong> kritische Bewertung einschlägiger Programme (einschließlich<br />
psychodiagnostischer Verfahren zur Erfassung <strong>de</strong>r Folgen von elterlichen<br />
Hochkonflikten für Kin<strong>de</strong>r) vornehmen. In <strong>de</strong>m nachfolgen<strong>de</strong>n integrativen<br />
Interventionsmo<strong>de</strong>ll wird <strong>de</strong>n Eltern bei Beginn <strong>de</strong>r Einbezug <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r als<br />
selbstverständlich <strong>de</strong>klariert. Das Setting sieht Beratungssitzungen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n<br />
Eltern sowie Gruppen- <strong>und</strong> Einzelangebote (in die diagnostische Verfahren<br />
implementiert sind) für die Kin<strong>de</strong>r vor. Das Mo<strong>de</strong>ll basiert auf <strong>de</strong>n im Forschungsbericht<br />
(vgl. Fichtner u.a. 2010) beschriebenen Praxisansätzen <strong>und</strong> v.a.<br />
auf <strong>de</strong>r Erfahrung, dass <strong>de</strong>n Eltern überbrachte Botschaften <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r helfen,<br />
<strong>de</strong>n Fokus vom Kampf <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Elternteil zurück auf die Kin<strong>de</strong>r zu<br />
lenken.<br />
Vorgehen<br />
(1) In vorgeschalteten Einzelgesprächen teilen die Eltern Vorstellungen,<br />
I<strong>de</strong>en, For<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Positionsbezüge <strong>mit</strong>, die sie vor <strong>de</strong>r Gegenseite<br />
nicht offen aussprechen wollen o<strong>de</strong>r können. Daneben wer<strong>de</strong>n in diesen<br />
Sitzungen Konfliktbiografie <strong>und</strong> -dynamik sowie erziehungs- <strong>und</strong> konfliktbezogene<br />
Kompetenzen diagnostiziert. Außer<strong>de</strong>m wird <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern das<br />
Setting <strong>de</strong>r Maßnahme besprochen, <strong>und</strong> es wer<strong>de</strong>n genaue Hinweise gegeben,<br />
wie sie ihre Kin<strong>de</strong>r auf die Teilnahme vorbereiten können. Gleichzeitig<br />
wird ein Nachsorgetermin für die Kin<strong>de</strong>r nach Abschluss o<strong>de</strong>r Abbruch<br />
verbindlich festgelegt. Die Eltern müssen zu<strong>de</strong>m zusichern, dass sie die Vertraulichkeit<br />
<strong>de</strong>r Beratung ihres Kin<strong>de</strong>s respektieren <strong>und</strong> von <strong>de</strong>n Inhalten<br />
nur in <strong>de</strong>m Maße erfahren, wie dies vom Kind gewünscht wird.<br />
(2) Lehnen die Eltern gemeinsame Beratungssitzungen ab, wer<strong>de</strong>n mehrere<br />
Einzelgespräche vereinbart. In diesen Einzelgesprächen können die Eltern<br />
<strong>de</strong>m Berater Vorstellungen, I<strong>de</strong>en, For<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Positionsbezüge <strong>mit</strong>teilen,<br />
die sie vor <strong>de</strong>r Gegenseite nicht offen aussprechen wollen o<strong>de</strong>r können.<br />
Innerhalb dieses Settings entwickelt <strong>de</strong>r Berater <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Parteien einseitige,<br />
aber strukturierte Lösungsoptionen. Den Eltern bietet sich da<strong>mit</strong> ein erster<br />
Einstieg in die nachfolgen<strong>de</strong> gemeinsame Konfliktbearbeitung.<br />
(3) In diesem Interventionsmo<strong>de</strong>ll wird ein symbolischer Einbezug <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r in die Elternsitzungen dadurch erreicht, dass <strong>de</strong>ren Bil<strong>de</strong>r sichtbar<br />
für die Eltern auf <strong>de</strong>n Tisch gestellt wer<strong>de</strong>n. Die während <strong>de</strong>r Gruppentreffen<br />
gewonnenen Erkenntnisse über die Situation <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />
Eltern in <strong>de</strong>n Beratungssitzungen gespiegelt. Die größte »heilsame« also<br />
28 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
konfliktreduzieren<strong>de</strong> Wirkung wird dadurch erreicht, dass <strong>de</strong>n Eltern Vi<strong>de</strong>osequenzen<br />
von <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Gruppen gezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Eltern erleben durch Äußerungen <strong>und</strong> Verhalten ihrer Kin<strong>de</strong>r authentisch<br />
die Auswirkungen/Folgen ihres <strong>de</strong>struktiven Konfliktverhaltens. Um<br />
<strong>de</strong>n Vertrauensschutz gegenüber <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn zu gewährleisten, ist dieses<br />
Vorgehen <strong>mit</strong> ihnen abzusprechen <strong>und</strong> ihre Zustimmung einzuholen.<br />
(4) Parallel zu <strong>de</strong>n Elternberatungssitzungen wer<strong>de</strong>n die Kin<strong>de</strong>r zu Gesprächen<br />
empfangen. Inhaltlich beziehen sich Sitzungen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn vor allem auf<br />
die Erfassung <strong>de</strong>s kindlichen Stressbewältigungsverhaltens <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Emotionsregulationskompetenz.<br />
Es wird aber auch <strong>de</strong>r trennungsbezogene Alltag<br />
thematisiert (beispielsweise die Gestaltung <strong>de</strong>r Übergabesituation). Schließlich<br />
geht es um vorhan<strong>de</strong>ne positive Erfahrungsmöglichkeiten (Fre<strong>und</strong>e,<br />
wichtige Bezugspersonen, »Wo geht’s dir gut?«) <strong>und</strong> um trennungsbezogene<br />
Wünsche (»Was können wir tun?/Wie sollen/Was dürfen wir <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern<br />
besprechen, da<strong>mit</strong> es dir besser geht?«). Je nach Ergebnis <strong>de</strong>r Auswertung<br />
erfolgt die Planung <strong>de</strong>r weiteren <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn (flankierend zum<br />
Beratungsprozess <strong>de</strong>r Eltern). Hier wird <strong>de</strong>utlich, dass die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>rn diagnostische <strong>und</strong> beraterische Elemente <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Ansatz einer<br />
flexibel angelegten Elternintervention vereint. Beson<strong>de</strong>rs die emotionalen<br />
Belastungen wer<strong>de</strong>n exploriert <strong>und</strong> darauf aufbauend <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>n Eltern nach Entlastungsmöglichkeiten gesucht.<br />
3.5 Kin<strong>de</strong>r im Blick <strong>de</strong>r verfahrensbeteiligten Akteure<br />
Alle verfahrensbeteiligten Professionen (RichterInnen, Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiter-<br />
Innen, Verfahrensbeistän<strong>de</strong>, Sachverständige, ggf. BeraterInnen) sind <strong>de</strong>m<br />
Wohl eines Kin<strong>de</strong>s, welches Teil eines <strong>hochkonflikthaften</strong> Familiensystems<br />
ist, im beson<strong>de</strong>ren Maße verpflichtet. Viele örtliche <strong>Arbeit</strong>skreise haben (auch)<br />
als Antwort auf diese Anfor<strong>de</strong>rung gemeinsame Verfahrensmo<strong>de</strong>lle entwickelt,<br />
nach <strong>de</strong>nen nun innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang (in <strong>de</strong>r Regel<br />
wg. Aufenthalt <strong>und</strong> Umgang) ein erster Termin (s. Kap. 5) <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern vor<br />
<strong>de</strong>m Familiengericht stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Entlang <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n, vereinfachten Darstellung eines familiengerichtlichen<br />
Verfahrensablaufs (strittiges Umgangsrecht) soll auf einige Aspekte<br />
bei <strong>de</strong>r Wahrung kindlicher Interessen aufmerksam gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Rechtsgestaltung im Interesse <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
Zwischen <strong>de</strong>r gerichtlichen Eingangsverfügung <strong>und</strong> <strong>de</strong>m ersten Termin hat<br />
das Jugendamt bereits <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Familie Kontakt aufgenommen <strong>und</strong> erste Interventionsmöglichkeiten<br />
eruiert.<br />
Im ersten Termin <strong>de</strong>s Verfahrens wer<strong>de</strong>n die Konflikte <strong>und</strong> Lösungsmöglichkeiten<br />
ausführlich (bis zu zwei St<strong>und</strong>en) besprochen, dabei kommen vordringlich<br />
die Eltern persönlich zu Wort. Schriftliche Ausführungen <strong>de</strong>r Anwälte<br />
sind dazu nicht notwendig. Das Jugendamt erstattet mündlich seinen<br />
29 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.5
3.5<br />
Bericht <strong>und</strong> signalisiert <strong>de</strong>m Familiengericht, ob <strong>und</strong> ggf. welches Han<strong>de</strong>ln<br />
nötig ist. RichterInnen, die die Interessen eines Kin<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>r Entscheidungsfindung<br />
zu berücksichtigen haben, sollten im Verhandlungstermin <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n<br />
Eltern genau darauf achten, wie diese ihre Beziehung zum Kind <strong>de</strong>finieren <strong>und</strong><br />
welche Entwicklungsräume sie für ihr Kind zur Verfügung stellen (können).<br />
Wird im ersten Termin kein Einvernehmen erzielt, so hat das Familiengericht<br />
<strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Beteiligten <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Jugendamt <strong>de</strong>n Erlass einer einstweiligen<br />
Anordnung zu erörtern (§ 156 Abs. 3 FamFG). Wenn das Familiengericht<br />
eine Beratung o<strong>de</strong>r eine familienpsychologische Begutachtung anordnet,<br />
soll das Gericht im Verfahren, die das Umgangsrecht betreffen, <strong>de</strong>n Umgang<br />
durch eine einstweilige Anordnung regeln o<strong>de</strong>r ihn ausschließen (§ 156 Abs. 3<br />
FamFG).<br />
Vor <strong>de</strong>m Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung <strong>de</strong>s Umgangsrechts<br />
soll das betroffene Kind persönlich angehört wer<strong>de</strong>n. Hierbei ist zu beachten,<br />
dass die mögliche einmalige Belastung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s im Rahmen einer<br />
Anhörung weniger schwer wiegt als das Übersehen eines Gefährdungsrisikos.<br />
Carl & Eschweiler (2005) kamen in ihrer Abhandlung zu »Chancen <strong>und</strong> Risiken«<br />
einer Kin<strong>de</strong>sanhörung zu <strong>de</strong>m Schluss, dass die <strong>mit</strong> einer Anhörung<br />
einhergehen<strong>de</strong>n Chancen die Risiken <strong>de</strong>utlich übersteigen.<br />
Hinweis:<br />
Die im Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« zu ihren<br />
Erfahrungen <strong>mit</strong> richterlichen Anhörungen befragten Kin<strong>de</strong>r gaben zwar<br />
an, dass daraus für sie Stresssituationen resultierten. Die Jungen <strong>und</strong> Mädchen<br />
sahen jedoch auch Vorteile: Sie fühlten sich immer dann entlastet, wenn eine<br />
schnelle gerichtliche Entscheidung zur Reduktion von Intensität <strong>und</strong> Häufigkeit<br />
<strong>de</strong>s Elternkonfliktes beitrug.<br />
Nach § 156 Abs. 1 FamFG kann das Familiengericht anordnen, dass Eltern an<br />
einer Beratung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r- <strong>und</strong> Jugendhilfe teilnehmen. Eine solche Anordnung<br />
ist von <strong>de</strong>n Eltern rechtlich nicht anfechtbar; sie kann aber auch nicht<br />
<strong>mit</strong> Zwangs<strong>mit</strong>teln gegen die Eltern durchgesetzt wer<strong>de</strong>n. Wenn streiten<strong>de</strong>n<br />
Eltern im Resultat <strong>de</strong>s richterlichen Abwägens Beratungsgespräche »verordnet«<br />
wer<strong>de</strong>n, sollte in <strong>de</strong>r Regel auch <strong>de</strong>m Kind die Möglichkeit geboten wer<strong>de</strong>n,<br />
Unterstützung durch die Jugendhilfe zu erhalten.<br />
Ähnlich formulierte es ein Richter in einem Interview im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Eltern regelmäßig <strong>mit</strong> auf <strong>de</strong>n Weg gab: »Ich erwarte<br />
von Ihnen, dass Sie auch ihr Kind dort vorstellen«. Die handlungsleiten<strong>de</strong><br />
Wirkung einer solchen richterlichen Auffor<strong>de</strong>rung wäre aus Sicht <strong>de</strong>s befragten<br />
Beraters nicht zu unterschätzen.<br />
Nach <strong>de</strong>m Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Scheiterns einer Beratungslösung setzt das Gericht<br />
kurzfristig einen zweiten Anhörungstermin fest. Zur Vorbereitung auf<br />
diesen Termin könnten RichterInnen <strong>mit</strong> Blick auf die Aufklärung »entscheidungserheblicher<br />
Sachverhalte« einen Sachverständigen (gem. § 163 FamFG)<br />
hinzuziehen. Der psychologische Sachverständige erhält Akteneinsicht zur<br />
Vorbereitung auf die Anhörung <strong>und</strong> bringt sein Fachwissen (bereits) in <strong>de</strong>n<br />
zweiten Anhörungstermin ein.<br />
30 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Je nach Notwendigkeit <strong>und</strong> Verfahrensstand können RichterInnen folgen<strong>de</strong><br />
für die Entlastung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s relevante Verfahrensbeteiligte hinzuziehen: Verfahrensbeistän<strong>de</strong><br />
<strong>und</strong> UmgangspflegerInnen. § 158 I FamFG stellt klar, dass eine<br />
Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands besteht – eine Pflicht, die allerdings<br />
die richterliche Einschätzung voraussetzt, dass ein Verfahrensbeistand<br />
zur Wahrung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>sinteressen erfor<strong>de</strong>rlich ist. Im Falle eine <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Verstrickung <strong>de</strong>r Eltern dürfte die regelmäßige Missachtung von kindlichen<br />
Interessen sehr wahrscheinlich sein. Das Wirken <strong>de</strong>r bisherigen VerfahrenspflegerInnen<br />
wird auf <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage rechtstatsächlicher Untersuchungen<br />
sowohl von <strong>de</strong>n FamilienrichterInnen wie auch von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn selbst als sehr<br />
positiv eingeschätzt (vgl. Stötzel, 2004). Die wichtigste Erkenntnis aus dieser<br />
Untersuchung ist wohl die Tatsache, dass die Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendlichen sich<br />
überwiegend von ihrer Interessenvertretung auch wirklich einbezogen fühlten<br />
(s. Kapitel 3.5).<br />
Mit <strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s § 1684 Abs. 3 BGB soll eine Pflegschaft <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Aufgabenkreis<br />
<strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>s Umgangs (»Umgangspflegschaft«) gesetzlich<br />
geregelt wer<strong>de</strong>n. Der Umgangspfleger/die Umgangspflegerin kann die konkrete<br />
Ausgestaltung <strong>de</strong>s Umgangs bestimmen. Ergeben sich Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten<br />
<strong>de</strong>r Eltern über die Umgangsmodalitäten, dann hat <strong>de</strong>r Umgangspfleger<br />
die Möglichkeit, zwischen <strong>de</strong>n Eltern zu ver<strong>mit</strong>teln o<strong>de</strong>r von seinem Bestimmungsrecht<br />
Gebrauch zu machen.<br />
Für alle genannten Verfahrensbeteiligten gilt: Sie sind Lobbyisten für das<br />
Kind. Sie entlasten das Kind bestmöglich <strong>und</strong> versuchen, es schützend aus<br />
<strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>r elterlichen Konflikte zu nehmen. Dies geschieht dadurch, dass sie<br />
an Stelle <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>n Eltern die kindliche Perspektive auf <strong>de</strong>n Konflikt<br />
einfor<strong>de</strong>rn.<br />
Hinweis:<br />
Kindliche Lösungsversuche sollten als ein im Sinne <strong>de</strong>r Bindungstheorie »internes<br />
<strong>Arbeit</strong>smo<strong>de</strong>ll« verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Das heißt, Kin<strong>de</strong>r sollen bei <strong>de</strong>r<br />
Mo<strong>de</strong>llierung ihrer Lösungen zur Bewältigung ihrer Erfahrungen unterstützt<br />
wer<strong>de</strong>n, insbeson<strong>de</strong>re durch Beratungsangebote, die ihnen helfen, die unübersichtliche<br />
Situation einer <strong>hochkonflikthaften</strong> Trennung zu strukturieren <strong>und</strong><br />
die eigene Verunsicherung zu begrenzen. Ein gerichtliches Umgangsrechtsverfahren,<br />
das diese kindlichen Lösungsversuche übergeht, kann schnell zu einem<br />
zusätzlichen Belastungsfaktor für das Kind wer<strong>de</strong>n.<br />
31 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
3.5
3.6<br />
3.6 Hochkonflikthaftes elterliches Verhalten <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung<br />
Hocheskalierte Elternkonflikte können eine erhebliche Belastung für die<br />
betroffenen Kin<strong>de</strong>r darstellen: In <strong>de</strong>r Scheidungsfolgenforschung besteht<br />
<strong>mit</strong>tlerweile Konsens darüber, dass das Ausmaß elterlicher Scheidungs- <strong>und</strong><br />
<strong>Trennungs</strong>konflikte maßgeblich dafür <strong>mit</strong>verantwortlich ist, welches Belastungsniveau<br />
die Kin<strong>de</strong>r erreichen. Ergebnisse zeigen auch, dass Kontakte<br />
<strong>mit</strong> <strong>de</strong>m getrenntleben<strong>de</strong>n Elternteil sogar zur Belastung für das Kind wer<strong>de</strong>n<br />
können, wenn das elterliche Konfliktniveau hoch ist <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r ausgeprägte Loyalitätskonflikte<br />
beim Kind auftreten. Darüber hinaus liegen auch eine Reihe<br />
Forschungsergebnisse zu kin<strong>de</strong>swohlgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Folgen von Partnerschaftsgewalt<br />
vor (Kindler 2006).<br />
Es ist also sicher davon auszugehen, dass solche eskalierte Konflikte <strong>mit</strong> einer<br />
verringerten Fähigkeit <strong>de</strong>r Eltern einhergehen, insgesamt kin<strong>de</strong>swohldienliche<br />
Bedingungen zu schaffen. Ein Hilfebedarf ist in allen betroffenen Fällen<br />
gegeben. Die Jugendhilfeangebote sollten v.a. die Kin<strong>de</strong>r dabei unterstützen<br />
<strong>und</strong> sie ggf. in die Lage versetzen, möglichen Gefahren selbst aktiv zu begegnen<br />
<strong>und</strong> sich ihnen zu wi<strong>de</strong>rsetzen.<br />
Dieses beson<strong>de</strong>re elterliche Konfliktverhalten stellt fraglos einen Risikofaktor<br />
für die kindliche Entwicklung dar; die beschriebenen Entwicklungsrisiken<br />
für Kin<strong>de</strong>r liegen latent o<strong>de</strong>r manifest vor. Dies wirft die Frage auf, inwieweit<br />
da<strong>mit</strong> auch die Gefahr einer Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung besteht. Eine pauschale<br />
Antwort hierauf erscheint nicht möglich, ein schematisches Verhalten wenig<br />
sinnvoll. Vielmehr sollte im Einzelfall eine entsprechend abgestufte Prüfung<br />
stattfin<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Innerhalb <strong>de</strong>s Forschungsprojekts wur<strong>de</strong>n mögliche kin<strong>de</strong>swohlgefährdungsrelevante<br />
Kriterien unter Hochkonfliktbedingungen diskutiert. Der Projektbeirat,<br />
bestehend aus WissenschaflterInnen <strong>und</strong> VertreterInnen <strong>de</strong>r Praxis,<br />
formulierte folgen<strong>de</strong> Empfehlung: Die Gefährdungsschwelle <strong>de</strong>s § 1666 BGB<br />
ist erreicht bzw. wur<strong>de</strong> überschritten, wenn in <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
summarisch folgen<strong>de</strong> vier Gefährdungskriterien vorliegen:<br />
1. Einschränkung <strong>de</strong>r Erziehungsfähigkeit <strong>de</strong>s hauptsächlich betreuen<strong>de</strong>n<br />
Elternteils o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>r Elternteile aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r kognitiven Verengung<br />
auf <strong>de</strong>n Elternkonflikt,<br />
2. Behandlungsbedürftige Belastungssymptomatik <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s,<br />
3. Eingeschränkte Bewältigung altersentsprechen<strong>de</strong>r Entwicklungsaufgaben<br />
<strong>und</strong><br />
4. Fehlentwicklungen in <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung.<br />
Eine <strong>de</strong>utliche Mehrheit hochkonflikthafter Familien bewegt sich allerdings<br />
unterhalb dieser Schwelle, ab <strong>de</strong>r eine Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung abgeklärt wer<strong>de</strong>n<br />
muss.<br />
32 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Hinweis:<br />
Eine solche Abklärung ist bei folgen<strong>de</strong>n Beobachtungen relevant:<br />
• Hinweise auf ein fortbestehend hohes Konfliktniveau <strong>de</strong>r Eltern <strong>mit</strong> fortlaufen<strong>de</strong>r<br />
Einbindung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r,<br />
• o<strong>de</strong>r zusätzliche Hinweise auf Partnerschaftsgewalt,<br />
• o<strong>de</strong>r erhebliche Belastungen, etwa in Form von Verhaltensproblemen<br />
(z.B. starkes Rückzugsverhalten, Devianz) <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, wobei Eltern keine<br />
Hilfen für das Kind akzeptieren.<br />
Trifft dies zu, sollte eine erfahrene Fachkraft nach § 8a SGB VIII hinzugezogen<br />
wer<strong>de</strong>n, um eine Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung auszuschließen.<br />
4 Beratung von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern<br />
4.1 Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r Beratung<br />
Dem Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« <strong>und</strong><br />
an<strong>de</strong>ren Studien zu Folge, gibt es Eltern, die als hochkonflikthaft bezeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n können; <strong>und</strong> es gibt <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r, die unter <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Belastungen<br />
dieser Konflikte lei<strong>de</strong>n. Aber gibt es auch spezifische Beratungsansätze,<br />
Metho<strong>de</strong>n, Vorgehen, die als »Hochkonfliktberatung« bezeichnet wer<strong>de</strong>n<br />
können? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach.<br />
Viele MitarbeiterInnen von Erziehungs- o<strong>de</strong>r Ehe- <strong>und</strong> Familienberatungsstellen<br />
machen schon lange Beratung von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern. Es ist davon<br />
auszugehen, dass die Nachfrage danach im Rahmen <strong>de</strong>r neuen Familiengesetzgebung<br />
noch steigen wird. Denn das neue Familienrecht ist in Bezug auf<br />
Kindschaftssachen von <strong>de</strong>r Überzeugung geprägt, dass elterliche Einigungen<br />
durch entsprechen<strong>de</strong> Unterstützung hilfreicher für die Kin<strong>de</strong>r sind als juristische<br />
Entscheidungen über Umgangs- o<strong>de</strong>r Sorgerechtsfragen; für die Beratungsstellen<br />
insbeson<strong>de</strong>re in § 156 Familienverfahrensrecht (Meysen 2009).<br />
Auch an<strong>de</strong>re psychosoziale Berufsgruppen wie MitarbeiterInnen <strong>de</strong>s Jugendamtes<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), UmgangspflegerInnen,<br />
Verfahrensbeistän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r psychologische Sachverständige beraten solche Familien.<br />
Nicht zuletzt sind auch die juristischen Berufsgruppen <strong>de</strong>r Richter-<br />
Innen <strong>und</strong> AnwältInnen bemüht, die streiten<strong>de</strong>n Parteien <strong>mit</strong> mediativen<br />
Techniken zu einer einvernehmlichen Lösung zu bringen. Einige JuristInnen<br />
achten darauf, selbst solche Kompetenzen zu erwerben o<strong>de</strong>r durch Fachleute<br />
in das Verfahren zu integrieren. Die Beratung von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern<br />
fin<strong>de</strong>t also bereits häufig statt, <strong>und</strong> engagierte Beratungen für solche Familien<br />
wer<strong>de</strong>n praktiziert (vgl. Weber & Schilling 2006; Fichtner 2006). Das ist die<br />
gute Seite <strong>de</strong>r Medaille.<br />
Die schlechte ist: Es gibt keine <strong>de</strong>finierte Technik <strong>und</strong> kein feststehen<strong>de</strong>s<br />
Beratungsverfahren, wie hocheskalierte Konflikte sicher gelöst wer<strong>de</strong>n können.<br />
Aber es gibt viele Erfahrungen <strong>mit</strong> dieser <strong>Arbeit</strong>, seitens <strong>de</strong>r Beratungsstellen<br />
<strong>und</strong> seitens <strong>de</strong>r Eltern. Diese wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n zusammengestellt, um Orientierungshilfen<br />
für »Hochkonfliktberatung« zu geben.<br />
33 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.1
4.2<br />
4.2 Hochkonflikthaftigkeit erkennen <strong>und</strong> Rahmenbedingungen schaffen<br />
Wie im zweiten Kapitel dargestellt, weisen Hochkonfliktfamilien verschie<strong>de</strong>ne<br />
Merkmale auf, die unterschiedlich rasch <strong>und</strong> sicher zu erkennen sind. Dass sie<br />
vom Gericht o<strong>de</strong>r vom Jugendamt »geschickt« wur<strong>de</strong>n, ist ebenso wenig ein sicheres<br />
Indiz, wie dass sie als »Selbstmel<strong>de</strong>r« in die Beratung kommen. Mit viel<br />
Erfahrung kann man bereits aus <strong>de</strong>n Akten o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r telefonischen Anmeldung<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Eltern erkennen, ob diese bereits stark<br />
eskalierte Konflikte haben. Häufig wird es aber erst nach <strong>de</strong>m Erstgespräch<br />
möglich sein, das Konfliktniveau hinreichend zu beurteilen. Sowohl diese Erfahrungen,<br />
als auch die Ergebnisse <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei<br />
hochstrittiger Elternschaft« zeigen, dass es günstig ist, verschie<strong>de</strong>ne Kriterien<br />
heranzuziehen, um das Konfliktniveau zu bestimmen.<br />
Hinweis:<br />
Eine erste Hilfe für eine breite <strong>und</strong> trotz<strong>de</strong>m rasche Erfassung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus<br />
bietet <strong>de</strong>r Kurzfragebogen <strong>de</strong>s Praxisprojektes (s. Anhang), <strong>de</strong>r bereits<br />
mehrere Aspekte von Konflikten berücksichtigt. Am besten ist es, möglichst<br />
viele <strong>de</strong>r im ersten Kapitel genannten Aspekte zu erfassen, um zu einer Einschätzung<br />
zu gelangen. Gleichwohl wird eine Einschätzung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus<br />
nicht in je<strong>de</strong>m Fall zufrie<strong>de</strong>nstellend sicher möglich sein.<br />
Die meisten erfahrenen BeraterInnen sind sich einig, dass das Konflikt-<br />
niveau möglichst rasch eingeschätzt wer<strong>de</strong>n sollte. Um die Erfolgschancen einer<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Beratung zu erhöhen, sollte möglichst von Beginn an ein<br />
bestimmtes Setting <strong>und</strong> eine bestimmte Haltung <strong>de</strong>r Beratung bei Hochkonflikteltern<br />
gewährleistet wer<strong>de</strong>n.<br />
Leitlinien aus <strong>de</strong>m Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
• Erstens wird <strong>de</strong>r Terminierung von Beratungen <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Eltern eine hohe Be<strong>de</strong>utung eingeräumt. Das, was im neuen FamFG als<br />
»Vorrang- <strong>und</strong> Beschleunigungsgebot« (§ 155 FamFG, s. Kapitel 5) aufgenommen<br />
wur<strong>de</strong>, ist auch für eine erfolgversprechen<strong>de</strong> Beratung notwendig:<br />
Der Beginn <strong>de</strong>r Beratung sollte möglichst rasch erfolgen, da<strong>mit</strong> die Konflikte<br />
nicht weiter eskalieren <strong>und</strong> drängen<strong>de</strong> Fragen möglichst einer ersten<br />
Klärung zugeführt wer<strong>de</strong>n. Dazu ist eine Zusammenarbeit <strong>de</strong>s Gerichts <strong>mit</strong><br />
<strong>de</strong>r Beratungsstelle unerlässlich. Selten wird das »gerichtsnahe Beratung«<br />
<strong>mit</strong> Beratungsräumen im Amtsgericht sein, wie etwa in Regensburg. Einfacher<br />
zu realisieren ist die Vergabe fester Beratungszeiten an das Gericht,<br />
o<strong>de</strong>r die Anwesenheit von MitarbeiterInnen <strong>de</strong>r Beratungsstellen bereits<br />
beim ersten gerichtlichen Anhörungstermin, um dort Indikationen für die<br />
Beratung zu stellen <strong>und</strong> Termine zu vereinbaren (s. auch Kapitel 5). Häufig<br />
ist zumin<strong>de</strong>st ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt nur wenig motiviert, Beratung<br />
in Anspruch zu nehmen.<br />
34 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Hinweis:<br />
Erfahrene BeraterInnen berichten von zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen,<br />
wie sie <strong>mit</strong> einer solchen eher ablehnen<strong>de</strong>n Haltung umgehen: Manche<br />
kommen <strong>de</strong>n KlientInnen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Beratungsterminen entgegen <strong>und</strong> bieten<br />
diese auch abends o<strong>de</strong>r Freitagnach<strong>mit</strong>tags an; an<strong>de</strong>re machen dagegen<br />
enge Terminvorgaben zum Indikator für die Motivation <strong>de</strong>r KlientInnen.<br />
• Zweitens halten viele BeraterInnen bei Hochkonflikteltern eine Co-Beratung,<br />
am besten im gemischtgeschlechtlichen Team, für sinnvoll o<strong>de</strong>r gar notwendig.<br />
Einerseits, um auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten <strong>und</strong><br />
Belastungen <strong>de</strong>r Eltern angemessen einzugehen; <strong>und</strong> an<strong>de</strong>rerseits, um die<br />
erheblichen Belastungen für die BeraterInnen durch die kollegiale Unterstützung<br />
zu reduzieren. Dadurch erhöht sich allerdings <strong>de</strong>r Zeitaufwand, da<br />
im I<strong>de</strong>alfall die einzelnen Sitzungen sowohl gründlich vorbesprochen, wie<br />
auch gemeinsam aufbereitet wer<strong>de</strong>n sollten. Weiterhin ist für eine erfolgversprechen<strong>de</strong><br />
Co-Beratung darauf zu achten, dass die KollegInnen in ihrer<br />
<strong>Arbeit</strong>sweise so harmonieren, dass dadurch nicht zusätzliche Spannungen<br />
o<strong>de</strong>r gar Spaltungen entstehen.<br />
• Drittens erscheint eine ein<strong>de</strong>utige Klärung <strong>de</strong>r möglichen Ziele <strong>de</strong>r Beratung<br />
<strong>und</strong> auch <strong>de</strong>r Umgangsformen <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Beratung notwendig. Gera<strong>de</strong><br />
bei mandatierten KlientInnen muss zum einen ein ausdrücklicher<br />
Beratungsauftrag erarbeitet wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Eltern auch unterstützt<br />
wird. Hierbei wird es auch stark auf die richtige Formulierung durch die<br />
BeraterInnen ankommen. Zum an<strong>de</strong>ren müssen gleich zu Beginn Verhaltensregeln<br />
für einen nicht-<strong>de</strong>struktiven Umgang <strong>mit</strong> Konflikten <strong>und</strong> Verärgerungen<br />
in <strong>de</strong>r Beratung festgelegt wer<strong>de</strong>n. Auch die Konsequenzen einer<br />
Verletzung dieser Regeln müssen für bei<strong>de</strong> Eltern zu Beginn <strong>de</strong>r Beratung<br />
klar sein. Solche Verletzungen können zu Ermahnungen, kurzzeitige Unterbrechungen<br />
<strong>de</strong>r aktuellen Sitzung bis hin zur Aussetzung o<strong>de</strong>r zum Abbruch<br />
<strong>de</strong>r gemeinsamen Gespräche führen. Wichtig ist, dass für BeraterInnen <strong>und</strong><br />
Eltern diese Reaktionen im Vorhinein klar abschätzbar sind.<br />
• Viertens achten erfahrene BeraterInnen darauf, sich Entlastungen von <strong>de</strong>n<br />
Hochkonfliktberatungen zu suchen.<br />
Hinweis:<br />
Das geschieht zum einen, in<strong>de</strong>m sie solche Beratungen nicht zeitlich verdichtet,<br />
son<strong>de</strong>rn möglichst nur eine am Tag durchführen o<strong>de</strong>r sogar nur alle<br />
zwei Tage. Zum an<strong>de</strong>ren entlasten sich Berater/ innen in<strong>de</strong>m sie sich positive<br />
Beschäftigungen als Ausgleich zu <strong>de</strong>n Beratungen organisieren o<strong>de</strong>r in<strong>de</strong>m<br />
sie solche Beratungen nicht in ihren eigenen Beratungszimmern, son<strong>de</strong>rn in<br />
an<strong>de</strong>ren Räumlichkeiten <strong>de</strong>r Beratungsstelle durchführen<br />
Einigen BeraterInnen scheint es sogar zu gelingen, diese Hochkonfliktberatung<br />
positiv als beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung zu sehen. Nicht alle Formen <strong>de</strong>r<br />
Entlastung wer<strong>de</strong>n an allen Beratungsstellen möglich sein. Zentral scheint<br />
aber, dass alle BeraterInnen ihre Grenzen kennen <strong>und</strong> aktiv für Entlastung<br />
sorgen. Nur so kann <strong>de</strong>r hohe psychische Einsatz, <strong>de</strong>n solche Beratungen<br />
erfor<strong>de</strong>rn, auch gewährleistet wer<strong>de</strong>n.<br />
35 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.2
4.3<br />
4.3 Wie Eltern in die Beratung kommen<br />
<strong>und</strong> wie sie diese erleben <strong>und</strong> bewerten<br />
Befragt man hochkonflikthafte Eltern zu laufen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bereits abgeschlossenen<br />
Beratungen, lassen sich daraus weitere Anregungen für eine erfolgversprechen<strong>de</strong><br />
Beratungsarbeit ziehen. So zeigen sich z. B. einige beachtenswerte<br />
»Eingangsvorausetzungen« <strong>de</strong>r Eltern:<br />
• Es <strong>de</strong>uten sich leichte Motivationsunterschie<strong>de</strong> an, je nach<strong>de</strong>m, ob Eltern<br />
eine Erziehungsberatungsstelle (EB) o<strong>de</strong>r eine Ehe-, Familien- <strong>und</strong> Lebensberatungsstelle<br />
(EFL) aufsuchen: Die Klientel <strong>de</strong>r EB – die übrigens auch<br />
einen etwas niedrigeren Bildungsdurchschnitt aufweist – sieht die Problematik<br />
eher bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn. Sie will primär diese diagnostiziert <strong>und</strong> ggf.<br />
behan<strong>de</strong>lt haben. In einigen Fällen soll diese Diagnostik die eigenen Argumente<br />
im gerichtlichen Verfahren stärken. Die Klientel <strong>de</strong>r EFL betrachtet<br />
die Problematik stärker auf <strong>de</strong>r Elternebene <strong>und</strong> erscheint zunächst eher<br />
bereit, an <strong>de</strong>r Elternbeziehung zu arbeiten.<br />
• Wer<strong>de</strong>n Eltern nach <strong>de</strong>n Zielen <strong>de</strong>r gerichtlich angeordneten Beratung<br />
befragt, nennen sie häufig entwe<strong>de</strong>r eine generelle Verbesserung <strong>de</strong>r elterlichen<br />
Kommunikation o<strong>de</strong>r die Umsetzung einer gerichtlich beschlossenen<br />
Regelung, etwa hinsichtlich <strong>de</strong>r Kontakte <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zum an<strong>de</strong>ren Elternteil.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis sollten Beratungsstellen <strong>mit</strong> gemischten Anliegen aus bei<strong>de</strong>n<br />
Aspekten rechnen.<br />
• Die Erwartungen von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern an die Beratung sind oft<br />
niedrig: Sie schätzen ihre Problematik als zu spezifisch <strong>und</strong> außergewöhnlich<br />
ein, als dass Beratung helfen könnte, auch wenn diese sonst hilfreich<br />
sein mag. Es zeigte sich bei <strong>de</strong>r Befragung von Elternpaaren auch, dass diese<br />
häufig heterogene <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong> Erwartungen haben. Umso wichtiger<br />
ist es, zu Beginn <strong>de</strong>r Beratung Erwartungen zu klären <strong>und</strong> gemeinsam<br />
realistische Ziele zu erarbeiten.<br />
• Eltern <strong>mit</strong> hohem Konfliktniveau haben meist mehr Erfahrung <strong>mit</strong> unterschiedlichen<br />
Formen von beraterischen o<strong>de</strong>r juristischen Interventionen. Je<br />
mehr dieser Maßnahmen parallel laufen, <strong>de</strong>sto unzufrie<strong>de</strong>ner zeigten sich<br />
die Eltern <strong>mit</strong> ihnen.<br />
Hinweis:<br />
Allerdings <strong>de</strong>uten die Ergebnisse <strong>de</strong>s Forschungsprojektes »Kin<strong>de</strong>rschutz bei<br />
hochstrittiger Elternschaft« darauf hin, dass nicht die Anzahl von Maßnahmen<br />
für das hohe Konfliktniveau verantwortlich ist, son<strong>de</strong>rn umgekehrt: Hochkonflikthaften<br />
Eltern brauchen zunächst einfach mehr Interventionsversuche<br />
(s. Kapitel 5).<br />
36 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Was erleben Eltern als hilfreich o<strong>de</strong>r problematisch in <strong>de</strong>r Beratung<br />
sowie bei <strong>de</strong>n gerichtlichen Maßnahmen?<br />
Zunächst einmal weisen die Angaben <strong>de</strong>r Eltern im Forschungsprojekt auf folgen<strong>de</strong><br />
Stolpersteine hin. In <strong>de</strong>r rückblicken<strong>de</strong>n Befragung fällt zunächst keine<br />
spezifische Form von Beratung o<strong>de</strong>r sonstiger Hilfen auf. Die Eltern geben<br />
nicht systematisch häufiger bestimmte Interventionen wie Einzelberatung, gemeinsame<br />
Beratung, Mediation o.ä. an als die Eltern <strong>mit</strong> weniger Konflikten.<br />
Lediglich gemeinsame Familiensitzungen <strong>mit</strong> Eltern <strong>und</strong> Kin <strong>de</strong>rn scheinen<br />
bei <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern häufiger angewandt zu wer<strong>de</strong>n als bei an<strong>de</strong>ren.<br />
Ein wichtiges gemeinsames Merkmal dieser Eltern ist jedoch ihr geringes<br />
Selbstwirksamkeitserleben (s. Kapitel 2). Dies sollte also möglichst verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n. Eine Standardmetho<strong>de</strong> hierfür ergibt sich allerdings aus <strong>de</strong>n Forschungsergebnissen<br />
nicht. Es kann also nur Ziel sein, an <strong>de</strong>r Selbstwirksamkeit<br />
sowohl in <strong>de</strong>r Einzelberatung als auch – entsprechend umsichtig – in <strong>de</strong>r<br />
gemeinsamen Elternberatung zu arbeiten.<br />
Hinweis:<br />
Allerdings scheint ein Ereignis die Selbstwirksamkeit zu steigern: Das durch<br />
einvernehmliche Regelungen herbeigeführte En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r gerichtlichen Verfahren.<br />
Schafft es die Beratung, eine gerichtliche Entscheidung überflüssig zu machen,<br />
ist da<strong>mit</strong> viel für die elterliche Autonomie <strong>und</strong> das Selbstwirksamkeitserleben<br />
<strong>de</strong>r Eltern erreicht.<br />
Insgesamt scheint Beratung bei <strong>de</strong>n <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern häufig eine<br />
an<strong>de</strong>re, meist geringere Wirkung zu haben als bei an<strong>de</strong>ren Eltern. Kritisch<br />
bewerten Eltern Beratung insbeson<strong>de</strong>re, wenn sie ihre Beziehung zum Kind<br />
nicht angemessen gewürdigt erleben. Manche Eltern kommen explizit <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m<br />
Wunsch in die Beratung, Einschätzungen zu ihrem Kind zu erhalten. Die übrigen<br />
wehren sich hingegen eher gegen kritische Bewertungen <strong>de</strong>r Situation<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Sehr sensibel zeigen sich solche Eltern insbeson<strong>de</strong>re, wenn sie das<br />
Gefühl haben, dass die BeraterInnen die Partei <strong>de</strong>s Partners/ <strong>de</strong>r Partnerin<br />
ergreifen. Um nicht in diese Fall zu tappen, sollten sich BeraterInnen gera<strong>de</strong><br />
im elterlichen Streit nicht auf vermeintliche Objektivität o<strong>de</strong>r »Beweislagen«<br />
konzentrieren, son<strong>de</strong>rn die Konfliktbiographie <strong>de</strong>r Eltern erkennen <strong>und</strong> ihre<br />
konfliktbezogenen Kompetenzen stärken.<br />
Es zeigt sich, dass die Bewertung <strong>de</strong>r Beratungsstelle o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Gerichts stark<br />
durch die Einstellungen <strong>de</strong>r Eltern im Konflikt bestimmt ist: Oft haben die Eltern<br />
<strong>de</strong>utliche Vorannahmen von richtig <strong>und</strong> falsch, von Täter <strong>und</strong> Opfer <strong>und</strong><br />
erwarten, das BeraterInnen <strong>und</strong> RichterInnen diese teilen. Häufig steht für die<br />
Eltern <strong>de</strong>swegen weniger eine Konfliktlösung im Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong> als die Unterstützung<br />
in diesem Konflikt. Da<strong>mit</strong> ergibt sich das Problem, dass sich Eltern<br />
für Beratung nicht offen für diese erscheinen, son<strong>de</strong>rn argumentieren, als stün<strong>de</strong>n<br />
sie auch hier vor einem Richter.<br />
37 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.3
4.3<br />
Neben solchen problematischen Seiten einer Hochkonfliktberatung scheint es<br />
einige wichtige Erfolgsfaktoren von Beratung aus Sicht <strong>de</strong>r Eltern zu geben:<br />
• Auch zwischenzeitliche Entlastungen im Konflikt ohne dauerhafte Konfliktlösung<br />
wer<strong>de</strong>n als hilfreich erlebt.<br />
• Die persönliche Beziehung zu <strong>de</strong>n BeraterInnen ist ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />
Kriterium <strong>de</strong>r Beratungsbewertung: Diese sollten auch für die eigene Position<br />
Verständnis zeigen. In <strong>de</strong>r Summe heißt das, die BeraterInnen sollten<br />
min<strong>de</strong>stens als neutral, im besten Fall als allparteilich wahrgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
• Wichtiges »Erfolgserlebnis« in Beratungen ist, wenn Eltern wie<strong>de</strong>r das<br />
Gefühl eines gegenseitigen Verständnisses erwerben, wenn sie also das Empfin<strong>de</strong>n<br />
bekommen, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Elternteil kann sie besser verstehen, <strong>und</strong><br />
sie selbst können <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren besser verstehen. Vor allem reduziert dies<br />
die Angst, bei Verhandlungen über konkrete Regelungen übervorteilt zu<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
• Gr<strong>und</strong>sätzlich scheinen schnelle, selbst gef<strong>und</strong>ene Regelungen für offene Fragen<br />
die Zufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Eltern zu erhöhen. Lösungen sollten aber nicht<br />
direktiv vorgegeben wer<strong>de</strong>n: Mit gerichtlichen Regelungen zeigen sich die<br />
<strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern (Mütter wie Väter) meist unzufrie<strong>de</strong>ner als <strong>mit</strong><br />
selbst gef<strong>und</strong>enen. Allerdings gilt das nicht für alle: Manche Eltern wollen<br />
eine gerichtliche Regelung <strong>und</strong> brechen ggf. auch Beratungen ab, um zu<br />
einer richterlichen Entscheidung zu kommen.<br />
• Wichtig für die Eltern sind ihre Autonomie gegenüber <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Elternteil<br />
<strong>und</strong> Verlässlichkeit <strong>de</strong>r Abmachung: So wird regelmäßiger Umgang zwar<br />
am positivsten gesehen, gar kein Umgang aber besser als unregelmäßiger.<br />
Wechselmo<strong>de</strong>lle wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Summe genauso gut bewertet wie das alleinige<br />
Aufenthaltsbestimmungsrecht eines Elternteils.<br />
• Hochkonflikthafte Eltern bewerten fast alle beraterisch-therapeutischen<br />
o<strong>de</strong>r gerichtlichen Interventionen weniger hilfreich zur Reduzierung <strong>de</strong>r<br />
Elternkonflikte <strong>und</strong> zur Verbesserung <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s als an<strong>de</strong>re<br />
Eltern. Dies bezieht sich auf Interventionen, die sich – zumin<strong>de</strong>st zunächst<br />
– gründlich <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>s einzelnen Elternteils beschäftigen: Einzeltherapie,<br />
Einzelberatung o<strong>de</strong>r auch psychologische Begutachtung.<br />
Hintergr<strong>und</strong>:<br />
In <strong>de</strong>r Studie konnte beobachtet wer<strong>de</strong>n, dass gerichtliche Regelungen von Sorge<br />
<strong>und</strong> Umgangsfragen häufiger bei <strong>mit</strong>telhohen Konfliktniveaus stattfin<strong>de</strong>n als<br />
bei sehr hohen. Auch scheinen sich die Eltern, bei <strong>de</strong>nen gerichtliche Interventionsformen,<br />
wie Verfahrensbeistandschaften (§ 158 FamFG), Umgangspflegschaften<br />
(§ 1684 BGB) o<strong>de</strong>r familienpsychologische Gutachten (§ 163 FamFG),<br />
durchgeführt wer<strong>de</strong>n, etwas zu unterschei<strong>de</strong>n: Verfahrensbeistän<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n<br />
verstärkt bei solchen Eltern berufen, wo sowohl diese vielfältig belastet sind,<br />
als auch die Belastungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aus elterlicher Sicht sehr ausgeprägt scheinen.<br />
Eltern, <strong>de</strong>ren elterliches Recht auf Regelung <strong>und</strong> Ausgestaltung <strong>de</strong>s Umgangs<br />
auf einen Umgangspfleger übertragen wur<strong>de</strong>, scheinen ihre eigenen Bedürfnisse<br />
<strong>und</strong> ihr eigenes Befin<strong>de</strong>n <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Befin<strong>de</strong>n<br />
ihrer Kin<strong>de</strong>r durcheinan<strong>de</strong>r zu bringen <strong>und</strong> beziehen sie beson<strong>de</strong>rs stark in die<br />
38 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
elterlichen Konflikte ein. Und Eltern, bei <strong>de</strong>nen eine Begutachtung angeordnet<br />
wird, sind vor allem durch geringe Verträglichkeit <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> durch problematische<br />
Persönlichkeitszüge geprägt.<br />
Schließlich zeigen sich bei manchen Eltern auch Vorbehalte gegenüber untereinan<strong>de</strong>r<br />
zu stark kooperieren<strong>de</strong>n Fachkräften, wenn sie dadurch das Gefühl<br />
bekommen, dass ihr Anliegen durch nieman<strong>de</strong>n mehr vertreten wird (s.<br />
Kapitel 5).<br />
4.4 Beratung <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern aus Sicht <strong>de</strong>r BeraterInnen<br />
BeraterInnen, die häufig <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r arbeiten,<br />
erleben sich hierbei in einer an<strong>de</strong>ren Rolle als bei <strong>de</strong>r sonstigen Beratung.<br />
»Hochkonfliktberatung« erscheint als eigenständige Aufgabe, die aber gleichwohl<br />
in <strong>de</strong>n <strong>Arbeit</strong>sablauf <strong>und</strong> die Strukturen <strong>de</strong>r »normalen« Beratungsstelle<br />
eingeb<strong>und</strong>en wer<strong>de</strong>n muss. Die im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz<br />
bei hochstrittiger Elternschaft« befragten Beraterinnen beschrieben die<br />
Beratung für <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern wie folgt:<br />
• Gr<strong>und</strong>sätzlich erfor<strong>de</strong>rt diese <strong>Arbeit</strong> ein höheres Maß an Strukturierung:<br />
BeraterInnen müssen in je<strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r Beratung aktiv (<strong>mit</strong>-) gestalten <strong>und</strong><br />
können sich nicht auf die Mo<strong>de</strong>rationsrolle zurückziehen. Sie müssen gleich<br />
zu Beginn die Rahmenbedingungen festlegen <strong>und</strong> die Sammlung <strong>de</strong>r Themen<br />
so strukturieren, dass hierbei nicht neue Vorwürfe entstehen. Viele<br />
BeraterInnen haben <strong>de</strong>n Eindruck, dass sie Konflikte rasch unterbin<strong>de</strong>n<br />
müssen, da<strong>mit</strong> diese nicht eskalieren.<br />
• Wichtig scheint, <strong>de</strong>n Beratungsauftrag möglichst früh <strong>und</strong> so konkret wie<br />
möglich zu klären: Hilfreich ist es, hierzu Listen von Themen aufzustellen.<br />
Diese wer<strong>de</strong>n zwar von <strong>de</strong>n Eltern in <strong>de</strong>r Beratung häufig wie<strong>de</strong>r verworfen<br />
<strong>und</strong> durch neue Themen ergänzt. Sie bil<strong>de</strong>n aber gleichwohl eine wichtige<br />
Gr<strong>und</strong>lage für die Strukturierung <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong>. Auch die Ergebnisse <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Sitzungen sollten am besten schriftlich festgehalten <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Eltern<br />
in dieser Form übergeben wer<strong>de</strong>n.<br />
• Es gibt kein standardisiertes Beratungsvorgehen, son<strong>de</strong>rn es wird fallspezifisch<br />
ein möglichst breites methodisches Instrumentarium genutzt. Wichtig<br />
hierbei erscheint vor allem, die Eltern zur Mitarbeit zu motivieren; sowohl<br />
durch kleine Erfolge, als auch durch Einstellungsverän<strong>de</strong>rungen.<br />
Hinweis:<br />
Dabei erscheint vor allem wichtig, <strong>de</strong>n Eltern auch Wertschätzung über ihre<br />
Bemühungen <strong>und</strong> Empathie gegenüber ihrem enormen Druck zu zeigen.<br />
Tragfähige Lösungen können vor allem dann gef<strong>und</strong>en wer<strong>de</strong>n, wenn es gelingt,<br />
dass die Eltern die Beratung nicht mehr als sinnlose Pflicht, son<strong>de</strong>rn als<br />
hilfreiches Angebot sehen.<br />
• Die Dauer von Hochkonfliktberatungen ist häufiger an <strong>de</strong>n zeitlichen<br />
Extremen angesie<strong>de</strong>lt: So umfassen viele Hochkonfliktberatungen aufgr<strong>und</strong><br />
von Abbrüchen (seitens <strong>de</strong>r KlientInnen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r BeraterInnen) nur sehr<br />
39 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.4
4.4<br />
wenige St<strong>und</strong>en. Sind solche Beratungen dagegen erfolgreich, sind sie nicht<br />
selten über sehr lange Zeiträume von über zwei Jahren notwendig, um eine<br />
Stabilisierung <strong>de</strong>r Situation zu gewährleisten.<br />
Eine zentrale Herausfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Hochkonfliktberatung stellt die geringe Eigenmotivation<br />
solcher KlientInnen dar, die häufig durch Rechtsanwälte, das<br />
Jugendamt o<strong>de</strong>r zunehmend das Gericht zur Beratungsstelle zugewiesen bzw.<br />
geschickt wer<strong>de</strong>n. Viele BeraterInnen haben <strong>de</strong>n Eindruck, dass diese Mütter<br />
<strong>und</strong> noch mehr die Väter ihre Situation als so schwierig einstufen, dass sie <strong>de</strong>n<br />
BeraterInnen gar nicht zutrauen, über die notwendigen Kompetenzen verfügen,<br />
die nötig wären, die Konflikte zu lösen. Nicht selten treten diese Eltern<br />
dann sehr for<strong>de</strong>rnd auf, werfen <strong>de</strong>n BeraterInnen Parteilichkeit vor o<strong>de</strong>r brechen<br />
die Beratung ab. Wichtig scheint hierbei vor allem eine große Sensibilität<br />
<strong>de</strong>r BeraterInnen für »Trigger« o<strong>de</strong>r »Minenfel<strong>de</strong>r«, also Formulierungen o<strong>de</strong>r<br />
Themen, die zu raschen Konflikteskalationen führen.<br />
Hinweis:<br />
Als Maßnahme gegen solche Eskalationen <strong>und</strong> zum Aufbau von Motivation<br />
halten viele BeraterInnen zwischenzeitliche Einzelsitzungen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Elternteilen<br />
für sinnvoll. Im Sinne <strong>de</strong>r Ausgewogenheit sollten diese – wenn möglich<br />
– bei<strong>de</strong>n Eltern angeboten wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Rolle <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r (s. Kapitel 2) ist für manche Beratungsstellen noch zwiespältig:<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich dient die Beratung <strong>de</strong>m Ziel, die Situation <strong>de</strong>r betroffenen<br />
Kin<strong>de</strong>r zu verbessern. Bei vielen BeraterInnen besteht einerseits <strong>de</strong>r Eindruck,<br />
dass die Eltern über die Argumentation, die die Situation ihrer Kin<strong>de</strong>r<br />
betrifft, am besten zu erreichen sind. Deswegen wer<strong>de</strong>n die Kin<strong>de</strong>r symbolisch,<br />
z. B. durch Bil<strong>de</strong>r, in die Beratung integriert. An<strong>de</strong>rerseits scheuen sich<br />
viele BeraterInnen davor, <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn im Rahmen von Beratung selbst zu<br />
sprechen <strong>und</strong> systematisch ihre Situation <strong>und</strong> Belastungen zu analysieren. Sie<br />
befürchten dadurch eine zusätzliche Einbindung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Konflikt.<br />
Es gibt jedoch zunehmend Beratungsstellen, bei <strong>de</strong>nen die Kin<strong>de</strong>r systematisch<br />
einbezogen <strong>und</strong> zumin<strong>de</strong>st nach ihrer Sicht <strong>de</strong>r Situation <strong>und</strong> ihren Wünschen<br />
befragt wer<strong>de</strong>n. Teilweise gehören auch ausführliche Kin<strong>de</strong>rdiagnostik <strong>und</strong><br />
Hilfen für die Kin<strong>de</strong>r zum Angebot <strong>de</strong>r Beratungsstellen.<br />
Hinweis:<br />
Aus <strong>de</strong>r Studie kann <strong>de</strong>r vorsichtige Schluss gezogen wer<strong>de</strong>n, dass die Rückmeldung<br />
tatsächlicher kindlicher Wünsche <strong>und</strong> Bedürfnisse in <strong>de</strong>r Elternberatung<br />
ein noch wirkungsvolleres Mittel zu sein scheint, um die Eltern hierfür<br />
sensibler zu machen. Darüber hinaus sollten die Kin<strong>de</strong>r auch eigenständige<br />
Beratung erhalten (s. auch Kapitel 2).<br />
40 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Die Rolle <strong>de</strong>r BeraterInnern in <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
ist häufig durch hohe Ansprüche <strong>de</strong>r Eltern <strong>und</strong> Dritter, großen Druck <strong>und</strong><br />
ein hohes Maß an Unsicherheit gekennzeichnet. Eine so anspruchsvolle <strong>Arbeit</strong><br />
– das zeigen die Befragungen von BeraterInnen in <strong>de</strong>r Studie – bedarf auch<br />
entsprechen<strong>de</strong>r Ressourcen:<br />
• Die Sitzungen <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Elternpaaren wer<strong>de</strong>n häufig als<br />
belastend <strong>und</strong> sehr kräftezehrend empf<strong>und</strong>en. Solche Beratungen sollten nur<br />
von erfahrenen BeraterInnen angeboten <strong>und</strong> <strong>mit</strong> »leichteren« Beratungen<br />
abgewechselt wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> das <strong>Arbeit</strong>sfeld nicht zu stark bestimmen. Das<br />
Setting <strong>de</strong>r Co-Beratung, intensive Vor- <strong>und</strong> Nachbesprechungen <strong>und</strong> Supervision<br />
sind Möglichkeiten, <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Belastung besser fertig zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Viele BeraterInnen geben auch an, dass Sitzungen nicht länger als eine<br />
St<strong>und</strong>e dauern sollten.<br />
• BeraterInnen schätzen die Erfolgsquote sehr kritisch <strong>und</strong> oft unbefriedigend<br />
ein. Wichtig erscheint, selbst kleine o<strong>de</strong>r vorläufige Erfolge wertzuschätzen.<br />
Trotz <strong>de</strong>r aktiveren Rolle, die BeraterInnen in dieser <strong>Arbeit</strong> übernehmen<br />
müssen, sollten sie nicht die Verantwortung für das Ergebnis übernehmen.<br />
Hinweis:<br />
Hochkonfliktberatungen sollten im I<strong>de</strong>alfall als Co-Beratung angeboten wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie erfor<strong>de</strong>rn zu<strong>de</strong>m mehr Kapazitäten im Sekretariat, an Räumen, in<br />
Teambesprechungen <strong>und</strong> Supervisionen <strong>und</strong> auch an Fortbildungen. Vor allem<br />
aber sind aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s hohen Zeitaufwan<strong>de</strong>s für diese Beratungen zusätzliche<br />
Beratungskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Eine wirtschaftliche Expertise<br />
<strong>de</strong>s Forschungsprojektes zeigt, dass sich Investitionen in Hochkonfliktberatung<br />
rechnen: Für die öffentliche Hand zahlt sich die Einrichtung von Stellen<br />
in diesem Bereich im Vergleich zu <strong>de</strong>n Folgekosten schon dann aus, wenn<br />
Beratung nur in einem von zehn Fällen erfolgreich ist (Roos & Gimber-Roos<br />
2010).<br />
4.5 Bausteine von erfolgversprechen<strong>de</strong>n Interventionen<br />
Die Einschätzungen von Eltern <strong>und</strong> BeraterInnen in unserer Studie lassen sich<br />
<strong>mit</strong> an<strong>de</strong>ren Erfahrungen <strong>und</strong> Forschungsarbeiten zu Interventionen bei hochstrittigen<br />
Eltern verbin<strong>de</strong>n; vor allem <strong>mit</strong> Konzepten, wie sie in <strong>de</strong>n angloamerikanischen<br />
Län<strong>de</strong>rn existieren.<br />
Zunächst einmal sollten Interventionen in ihrer Reichweite <strong>de</strong>m Umfang<br />
<strong>de</strong>r elterlichen Konflikte angemessen sein. In <strong>de</strong>n USA wer<strong>de</strong>n z.B. in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Programmen für Scheidungseltern einmalige, mehrstündige Informationsveranstaltungen<br />
zu Scheidungsfolgen für Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> rechtlichen Aspekten<br />
angeboten, aber auch umfassen<strong>de</strong> <strong>und</strong> langfristig angelegte Therapieangebote.<br />
Durch die Anordnung einer Beratung (§ 156 Abs. 1 FamFG) in kindschaftsrechtlichen<br />
Sachen – o<strong>de</strong>r Informationsgesprächen über Mediation (§ 135 Fam-<br />
FG) in an<strong>de</strong>ren Scheidungsfolgesachen – sind unterschiedliche außergerichtliche<br />
Verfahren im neuen Verfahrensrecht in Familiensachen als Verpflichtung<br />
aufgenommen. Wie gut dies zukünftig zu einer differenzierten Zuweisung <strong>de</strong>r<br />
angemessenen Verfahren führt, dürfte zum einen maßgeblich vom Ausbau <strong>de</strong>r<br />
Kooperationen zwischen Gericht <strong>und</strong> psychosozialer Beratung abhängen (s.<br />
41 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.5
4.5.1<br />
Kapitel 5). Zum an<strong>de</strong>ren erscheint eine gr<strong>und</strong>sätzlich geeignete Intervention<br />
nicht zu je<strong>de</strong>m Zeitpunkt geeignet zu sein. Aus diesen Grün<strong>de</strong>n sollten Interventionen<br />
in Form aufeinan<strong>de</strong>r aufbauen<strong>de</strong>r Bausteine o<strong>de</strong>r in differenzierten<br />
Phasen angelegt wer<strong>de</strong>n. Manche dieser Interventionen schaffen erst die Voraussetzungen<br />
für weitere Hilfen, wie das anschließen<strong>de</strong> Kapitel zum Stufenplan<br />
zeigt.<br />
4.5.1 Ein Stufenplan für die Hochkonfliktberatung<br />
Viele Programme in anglo-amerikanischen Län<strong>de</strong>rn (vgl. Paul & Dietrich<br />
2006) wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n teilnehmen<strong>de</strong>n Eltern sehr positiv bewertet <strong>und</strong> führen<br />
zu einer Reduktion <strong>de</strong>s Konfliktniveaus, zu weniger Gerichtsverfahren <strong>und</strong><br />
zu mehr Kontakten zwischen <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> <strong>de</strong>n getrennt leben<strong>de</strong>n Elternteilen.<br />
Fasst man die Merkmale dieser Programme zusammen, lassen sich<br />
folgen<strong>de</strong> Stufen für das Vorgehen bei <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern formulieren.<br />
Hilfreich erscheint dabei, dass Phasen, die aus Einzelgesprächen bestehen, <strong>de</strong>r<br />
gemeinsamen Elternarbeit vorgeschaltet sind.<br />
• Als erstes sollte <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern getrennt eine Diagnostik <strong>de</strong>s Konfliktes, <strong>de</strong>r<br />
Persönlichkeit <strong>de</strong>r Eltern <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rbelastungen erfolgen. In dieser<br />
Phase können auch schon Informationen über <strong>de</strong>n rechtlichen Rahmen <strong>und</strong><br />
ggf. die Funktion <strong>de</strong>r Beratung gegeben wer<strong>de</strong>n. Gegebenenfalls sollten hier<br />
schon beraterische o<strong>de</strong>r therapeutische Maßnahmen für die Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />
auch die Eltern empfohlen wer<strong>de</strong>n.<br />
• Ein zweiter Schritt, <strong>de</strong>r ebenfalls noch Einzelarbeit umfasst, kann psychoedukative<br />
Elemente beinhalten: Die Folgen von Scheidung bzw. Trennung<br />
für Kin<strong>de</strong>r sollen ver<strong>mit</strong>telt <strong>und</strong> die Erziehungsfähigkeit gera<strong>de</strong> in dieser<br />
schwierigen Situation erhöht wer<strong>de</strong>n. Aber es sollten auch die Belastungen<br />
<strong>de</strong>r Eltern thematisiert <strong>und</strong> Möglichkeiten, diese zu reduzieren, erarbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n. Hier könnten auch Varianten von Umgangs- <strong>und</strong> Sorgerechtsregelungen<br />
angesprochen wer<strong>de</strong>n. Ein zweiter Bestandteil dieses Schrittes kann<br />
sein, an Wahrnehmungsverzerrungen <strong>und</strong> Fehlattributionen <strong>de</strong>r Eltern zu<br />
arbeiten <strong>und</strong> ein gemeinsames Verständnis für die aufrechterhalten<strong>de</strong>n Faktoren<br />
<strong>de</strong>s Konfliktes sowie Konfliktbewältigungsstrategien zu ver<strong>mit</strong>teln.<br />
• Erst in einem dritten Schritt sollte dann <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern gemeinsam <strong>de</strong>r<br />
Aushandlungsprozess über die strittigen Fragen beginnen. Wie stark hierbei<br />
auch emotionale Probleme <strong>de</strong>r Ex-Partner <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r bearbeitet wer<strong>de</strong>n,<br />
hängt stark von <strong>de</strong>r Ausrichtung <strong>de</strong>r BeraterInnen <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Erfahrungen<br />
ab.<br />
Hinweis:<br />
Zentral erscheint die Fähigkeit <strong>de</strong>r BeraterInnen, auftreten<strong>de</strong> Konflikteskalationen<br />
so weit steuern zu können, dass we<strong>de</strong>r ein Elternteil sich selbst<br />
stark angegriffen fühlt noch einer o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> die Konflikte als weiterhin<br />
überwältigend <strong>und</strong> nicht beeinflussbar erleben. Wenn die Eltern erfahren,<br />
dass sowohl Lösungen für praktische Fragen gef<strong>und</strong>en wer<strong>de</strong>n können, als<br />
auch emotionale Konflikte gemeinsam <strong>mit</strong> Hilfe von Fachleuten bearbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n können, trägt dies zu einer Stabilisierung bei<strong>de</strong>r Elternteile bei.<br />
42 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
• In einem vierten Schritt sollten schließlich die gef<strong>und</strong>enen Lösungen noch<br />
längerfristig begleitet <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Eltern ggf. einzeln weitere Unterstützungen<br />
angeboten wer<strong>de</strong>n; beson<strong>de</strong>rs dann, wenn individuelle Probleme vorliegen,<br />
die die Einigung zu unterlaufen drohen. Solche Einzelgespräche können<br />
durchaus auch zur kurz- <strong>und</strong> langfristigen Nachsorge von gemeinsamen<br />
Elterngesprächen bei beson<strong>de</strong>rs belasteten Paaren durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />
4.5.2 Orientierungslinien für die Hochkonfliktberatung<br />
Viele BeraterInnen vertreten die Position, dass sie in <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> Hochkonflikteltern<br />
nicht <strong>de</strong>ren Beziehungsgeschichte aufarbeiten wollen; zumal Ereignisse<br />
aus dieser Geschichte häufig Gegenstand <strong>de</strong>s Streits <strong>und</strong> nicht selten auch<br />
<strong>de</strong>r Argumentation vor Gericht ist. Allerdings wird gera<strong>de</strong> bei solchen Elternpaaren<br />
kaum rein sachlich an Regelungen gearbeitet wer<strong>de</strong>n können, ohne <strong>de</strong>n<br />
emotionalen Konflikt zu beachten, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Beziehungsgeschichte resultiert.<br />
Eine intensive Beratung <strong>de</strong>r Eltern wird nicht umhinkommen, Aspekte <strong>de</strong>r<br />
Beziehungsgeschichte soweit zu integrieren, dass die Eltern ihren emotionalen<br />
Konflikt zu bewältigen lernen. Erst dann sind dauerhafte Lösungen <strong>de</strong>r sachlichen<br />
Differenzen möglich.<br />
Beziehungsgeschichte<br />
<strong>Arbeit</strong> an<br />
sachlicher Differenz<br />
43 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.5.2<br />
Emotionaler<br />
Konflikt<br />
Das Team um <strong>de</strong>n US-amerikanischen Psychologen Mitchell Baris (2001), das<br />
sich viel <strong>mit</strong> solchen strittigen Familien beschäftigt, macht einige hilfreiche<br />
Vorschläge für Haltungen <strong>und</strong> Techniken einer solchen Beratungsarbeit. Danach<br />
sollen BeraterInnen<br />
• auf <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Verhandlungen zwischen <strong>de</strong>n Eltern <strong>und</strong> nicht auf das<br />
Ergebnis <strong>de</strong>r Verhandlungen fokussieren.<br />
• die Probleme, die von <strong>de</strong>n Eltern genannt wer<strong>de</strong>n, in einer Weise um<strong>de</strong>finieren,<br />
dass sie keine Beschuldigungen mehr beinhalten, son<strong>de</strong>rn Wünsche<br />
<strong>und</strong> Bedürfnisse.<br />
• hinter die Positionen <strong>de</strong>r Eltern auf <strong>de</strong>ren eigentliche Interessen schauen;<br />
diese sind häufig besser zu ver<strong>mit</strong>teln <strong>und</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Elternteils<br />
zu vereinbaren.<br />
• vor allem Empathie für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Elternteil aufbauen, aber auch für das<br />
Kind <strong>und</strong> <strong>de</strong>ssen Situation.<br />
• die Sichtweisen <strong>de</strong>r Eltern auf Probleme verän<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> dabei insbeson<strong>de</strong>re<br />
negative Emotionen abbauen; hierzu sind auch Einzelgespräche sinnvoll.
4.5.2<br />
• <strong>de</strong>n Eltern helfen, ihr eigenes Verhalten <strong>und</strong> ihre Kommunikation zu verän<strong>de</strong>rn<br />
<strong>und</strong> dabei insbeson<strong>de</strong>re Trigger (Auslösereize) für negative Emotionen<br />
<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Elternteils zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
• klare Grenzen bei elterlichen Vereinbarungen setzen, wenn diese kindliche<br />
Belastungen nicht hinreichend berücksichtigen.<br />
Auch aus <strong>de</strong>n Diskussionen <strong>mit</strong> Beratungsstellen, die im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts<br />
»Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« geführt wur<strong>de</strong>n,<br />
ergeben sich weitere Orientierungslinien für die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
Eltern:<br />
• Klare Regeln statt Diffusion: Die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> Hochkonfliktfamilien be<strong>de</strong>utet<br />
für die BeraterInnen nicht nur Konfrontation <strong>mit</strong> einer Vielzahl von belasten<strong>de</strong>n<br />
Emotionen, son<strong>de</strong>rn hält auch eine Reihe von Unvorhersehbarkeiten<br />
bereit. So muss auch zwischen <strong>de</strong>n Beratungsterminen immer da<strong>mit</strong><br />
gerechnet wer<strong>de</strong>n, dass Eltern Kontakt aufnehmen, Absprachen revidieren<br />
möchten o<strong>de</strong>r Unterstützung in einem aktuellen Konflikt suchen. Auch in<br />
<strong>de</strong>n Beratungssitzungen selbst können häufig vorher vereinbarte Themen<br />
nicht besprochen wer<strong>de</strong>n, weil an<strong>de</strong>re aktuell geklärt wer<strong>de</strong>n sollen. Es wer<strong>de</strong>n<br />
Sitzungen von einem Elternteil unter- o<strong>de</strong>r gar abgebrochen, teilweise<br />
muss dies auch <strong>de</strong>r Berater bzw. die Beraterin tun. All dies sind erhebliche<br />
Stressoren für die BeraterInnen (<strong>und</strong> auch die Eltern), <strong>de</strong>nen <strong>mit</strong> einer<br />
möglichst genauen Absprache über Regeln <strong>de</strong>r Beratung begegnet wer<strong>de</strong>n<br />
sollte.<br />
Hinweis:<br />
Zu <strong>de</strong>n Beratungsregeln gehören die Festlegung von zu bearbeiten<strong>de</strong>n Themen,<br />
Absprachen über Umgangsformen, Festsetzung von »Stop-Signalen«<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>zidierte Absprachen über Kontakte außerhalb <strong>de</strong>r Beratungssitzung.<br />
• Situationsdiagnostik statt Standardantworten: Viele eskalierte Elternkonflikte<br />
wer<strong>de</strong>n von erfahrenen BeraterInnen ähnlich <strong>und</strong> in ihren Strukturen<br />
vergleichbar wahrgenommen. Gleichwohl sollte in je<strong>de</strong>m Fall zunächst die<br />
spezifischen Problemlagen <strong>und</strong> die individuellen Belastungen <strong>de</strong>r Beteiligten<br />
einschließlich <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, gründlich angeschaut wer<strong>de</strong>n. Hierzu gehört<br />
auch, elterliche Befürchtungen hinsichtlich einer Gefährdung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
beim an<strong>de</strong>ren Elternteil – soweit möglich – zu untersuchen. Seitens <strong>de</strong>r<br />
Eltern erhöht dies die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Im Hinblick auf<br />
die Problemlösung bietet nur dieses Vorgehen Gewähr dafür, <strong>de</strong>n Familien<br />
die notwendigen Hilfen auch wirklich anzubieten <strong>und</strong> an <strong>de</strong>n zentralen<br />
Konflikten <strong>und</strong> Barrieren arbeiten zu können. Neben <strong>de</strong>r Erfassung <strong>de</strong>r<br />
Konfliktbiographie <strong>de</strong>r Eltern sollten auch die Kin<strong>de</strong>r eigenständige Termine<br />
erhalten <strong>und</strong> ihr Bewältigungsverhalten sowie ihre Emotionsregulationskompetenz<br />
erhoben wer<strong>de</strong>n (s. Kapitel 3).<br />
• Aktiver Einbezug <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s statt abstraktes Kin<strong>de</strong>swohl: Eine fallspezifische<br />
Beratung, die auf eine elterliche Lösung zum Wohle <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s setzt, wird<br />
nicht auf generelle <strong>und</strong> abstrakte Kin<strong>de</strong>swohlkriterien setzen können. Zwar<br />
wird es in vielen Fällen so sein, dass für die Kin<strong>de</strong>r ein möglichst unbeschwerter<br />
<strong>und</strong> umfangreicher Kontakt zu bei<strong>de</strong>n Elternteilen am besten ist.<br />
Gleichwohl muss in <strong>de</strong>r Regel auch <strong>de</strong>r spezifische Kin<strong>de</strong>swille Beachtung<br />
fin<strong>de</strong>n. Dazu müssen die Vorstellungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r erfragt wer<strong>de</strong>n. Nicht<br />
44 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
selten ist dazu eine gründliche Diagnostik von belasteten Kin<strong>de</strong>rn notwendig<br />
<strong>und</strong> in einigen Fällen auch das Angebot spezifischer Hilfen für Kin<strong>de</strong>r<br />
(s. Kapitel 3).<br />
• Bewältigungsfähigkeiten statt Beziehungsstreitigkeiten: Nicht selten kommen<br />
zerstrittene Eltern – aus eigenem Antrieb o<strong>de</strong>r auf Zuweisung von Gericht<br />
o<strong>de</strong>r Jugendamt – <strong>mit</strong> einem doppelten Auftrag: konkrete Regelungen zu<br />
fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ihre »Kommunikation zu verbessern«. Gleichzeitig kommen sie<br />
<strong>mit</strong> einer belasten<strong>de</strong>n Beziehungsgeschichte von Enttäuschungen, Verletzungen<br />
<strong>und</strong> Rachegefühlen. Hochkonfliktberatung wird versuchen müssen,<br />
Fähigkeiten bei <strong>de</strong>n Eltern zu verbessern, ohne Differenzen über die Vergangenheit<br />
klären zu können. Hierzu sollten konkrete Regelungen gesucht<br />
<strong>und</strong> ausprobiert wer<strong>de</strong>n, um die Eltern un<strong>mit</strong>telbar zu entlasten. Erzieherische<br />
Defizite in <strong>de</strong>r Belastungssituation müssen erkannt <strong>und</strong> bearbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n, was wie<strong>de</strong>rum Eltern <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>r entlastet.<br />
Hinweis:<br />
Der Beratung sollte es gelingen, bei <strong>de</strong>n Eltern die Fähigkeiten zum Aushalten<br />
<strong>und</strong> Bewältigen gegenseitiger negativer Emotionen zu stärken, um dadurch die<br />
Elternbeziehung belastbarer zu machen.<br />
• Iteration (Wie<strong>de</strong>rholung) statt Interpunktion: Alle fachlichen Beteiligten<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> Hochkonfliktfamilien da<strong>mit</strong> konfrontiert wer<strong>de</strong>n,<br />
dass eine dauerhafte Lösung in einigen Familien nicht zu fin<strong>de</strong>n ist. Einvernehmen<br />
ist kein dauerhafter Zustand, son<strong>de</strong>rn ein Prozess, <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />
erarbeitet wer<strong>de</strong>n muss. Häufig sind Lösungen nur für einen begrenzten<br />
Zeitraum tragfähig, <strong>und</strong> die Eltern sind nach ein o<strong>de</strong>r zwei Jahren wie<strong>de</strong>r<br />
in Konflikte verstrickt. Hilfe be<strong>de</strong>utet hier, immer wie<strong>de</strong>r beraterisch <strong>und</strong><br />
gerichtlich zu intervenieren <strong>und</strong> sowohl Eltern als auch <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r Unterstützung<br />
anzubieten (s. Kapitel 2)<br />
• Indikationen statt Illusionen: Zu einer angemessenen Sicht auf realistische<br />
Interventionsziele gehört auch die Entwicklung von nachvollziehbaren Indikationen<br />
für einzelne Interventionen. ScheidungsforscherInnen <strong>und</strong> MediatorInnen<br />
machen darauf aufmerksam, dass das Konfliktniveau dafür<br />
entschei<strong>de</strong>nd ist, ob einer Familie Mediation hilft o<strong>de</strong>r ob sie eine gerichtliche<br />
Entscheidung braucht. Beratung wird sich auf einem Feld dazwischen<br />
ansie<strong>de</strong>ln <strong>und</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n zuständigen Gerichten <strong>und</strong> Jugendämtern klären<br />
müssen, welche Fälle für Beratung geeignet sind <strong>und</strong> welche nicht.<br />
• Fachkräfte koordinieren statt fachliche Unterschie<strong>de</strong> planieren: Beratungsstellen<br />
sind an vielen Orten Mitglie<strong>de</strong>r interdisziplinärer <strong>Arbeit</strong>skreise. Sie<br />
arbeiten ohnehin <strong>mit</strong> zuweisen<strong>de</strong>n Jugendämtern zusammen <strong>und</strong> wer<strong>de</strong>n<br />
zunehmend auch fallspezifische Kooperationen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Gericht aufbauen<br />
(s. Kapitel 5). Diese Kooperation braucht Synchronisation von <strong>Arbeit</strong>sabläufen.<br />
Gleichzeitig ist es notwendig, fachspezifische Beson<strong>de</strong>rheiten zu<br />
bewahren.<br />
45 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
4.5.2
4.5.3<br />
4.5.3 Bausteine psychosozialer Interventionen<br />
Hinweis:<br />
Beratung hat eine an<strong>de</strong>re Aufgabe <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re Instrumente als das Gericht<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Hilfspersonen. Das gilt auch im Fall <strong>de</strong>r gerichtlich angeordneten<br />
Teilnahme an einer Beratung. So schwierig das im Einzelfall ist, sollte dieser<br />
Unterschied auch <strong>de</strong>n Eltern ver<strong>mit</strong>telt wer<strong>de</strong>n, da<strong>mit</strong> bei <strong>de</strong>n Eltern nicht <strong>de</strong>r<br />
Eindruck entsteht, alle Fachpersonen »kollaborierten« gegen sie.<br />
In <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien kann auf eine Reihe von Interventionen<br />
zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n, die zwar nicht un<strong>mit</strong>telbar für diese Gruppe<br />
entwickelt wur<strong>de</strong>n, die aber auch dort <strong>mit</strong> Einschränkungen sinnvoll sind:<br />
• Wie weit Mediation bei hocheskalierten Elternkonflikten wirkungsvoll ist,<br />
wird sowohl in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Beratungslandschaft als auch international<br />
heftig diskutiert. Es wur<strong>de</strong>n spezielle Ansätze entwickelt, die unter <strong>de</strong>m<br />
Namen »therapeutische Mediation« Elemente einbringen, die stärker an <strong>de</strong>n<br />
zugr<strong>und</strong>liegen<strong>de</strong>n Emotionen ansetzen. Häufig wird die Position vertreten,<br />
dass gera<strong>de</strong> hochkonflikthafte Eltern <strong>mit</strong> einer klassischen Mediation meist<br />
überfor<strong>de</strong>rt sind. Auch die Bef<strong>und</strong>e zur Wirksamkeit von Mediation bei<br />
dieser Zielgruppe sind relativ heterogen, zumal auch die genauen Vorgehensweisen<br />
solcher Mediationen in <strong>de</strong>n Studien oft unterschiedlich sind.<br />
Insgesamt erscheinen mediative Elemente in <strong>de</strong>r Hochkonfliktberatung<br />
einsetzbar, wenn gleichzeitig die BeraterInnen <strong>de</strong>n Prozess vorab hinreichend<br />
strukturieren, für Bewältigung <strong>de</strong>s emotionalen Konfliktes <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
zugr<strong>und</strong>eliegen<strong>de</strong>n Ängste sorgen <strong>und</strong> auch von sich aus die Bedürfnisse<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s im Auge haben (z.B. Dietz, Krabbe & Thomsen 2008).<br />
• Mit <strong>de</strong>r Kindschaftsrechtsreform von 1998 hat <strong>de</strong>r Begleitete Umgang (gem.<br />
§ 1684 BGB) erheblich an Be<strong>de</strong>utung gewonnen (z.B. Fthenakis 2008). Zu<br />
<strong>de</strong>n Indikationen einer solchen Maßnahme kann ein erhebliches Konfliktniveau<br />
<strong>de</strong>r Eltern gehören. Begleitete Umgänge dienen dann häufig <strong>de</strong>r<br />
Vermeidung von Konflikten bei <strong>de</strong>r Übergabe <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung<br />
neuer Konflikte über die Betreuungsfähigkeit. Allerdings führt <strong>de</strong>r<br />
begleitete Umgang nicht per se zur Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus <strong>und</strong><br />
sollte durch entsprechen<strong>de</strong> Beratungen von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern flankiert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Im Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« wur<strong>de</strong><br />
herausgearbeitet: Die Maßnahme Begleiteter Umgang wur<strong>de</strong> zwar von Eltern<br />
<strong>mit</strong> eher geringem <strong>und</strong> <strong>mit</strong> <strong>mit</strong>tlerem Konfliktniveau als konfliktmin<strong>de</strong>rnd<br />
<strong>und</strong> hilfreich für das Kind eingestuft, nicht aber von jenen <strong>mit</strong> ausgeprägten<br />
Konflikten.<br />
46 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
• Relativ gut untersucht sind psychoedukative Trainings für Eltern, bei <strong>de</strong>nen<br />
im Rahmen von Gruppenprogrammen zentrale Kenntnisse über die Bedürfnisse<br />
von Kin<strong>de</strong>rn bei einer Elterntrennung sowie Kommunikationsfertigkeiten<br />
ver<strong>mit</strong>telt wer<strong>de</strong>n. Mit »Kin<strong>de</strong>r im Blick« steht auch in Deutschland<br />
ein Gruppenprogramm zur Verfügung, das gut evaluiert ist (Bröning 2009).<br />
Elemente dieses Programms scheinen auch für die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern im<br />
Einzel- o<strong>de</strong>r Paarsetting geeignet. In solchen Trainings zeigen Eltern eine<br />
beson<strong>de</strong>rs große Offenheit für die Ver<strong>mit</strong>tlungen von Fähigkeiten, die dazu<br />
dienen, besser auf die Bedürfnisse ihrer Kin<strong>de</strong>r eingehen zu können.<br />
• Schließlich können auch un<strong>mit</strong>telbar vom Gericht <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Umgangspflegschaft<br />
(§ 1684 BGB), <strong>de</strong>r Verfahrensbeistandschaft (§ 158 FamFG) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
familienpsychologischen Gutachten (§ 163 FamFG) Fachkräfte ins Verfahren<br />
integriert wer<strong>de</strong>n, die ebenfalls über psychosoziale Interventionsmöglichkeiten<br />
verfügen sollten. Verfahrensbeistän<strong>de</strong>n kann nach neuem Recht sogar<br />
aufgegeben wer<strong>de</strong>n, am Einvernehmen <strong>de</strong>r Eltern <strong>mit</strong>zuwirken. Auch<br />
die Sachverständigen können im Rahmen einer lösungsorientierten Begutachtung<br />
explizit beauftragt wer<strong>de</strong>n, auf elterliches Einvernehmen aktiv<br />
hinzuwirken. Umfassen<strong>de</strong> Evaluationen solcher Interventionen liegen allerdings<br />
kaum vor.<br />
Hinweis:<br />
In <strong>de</strong>n Daten <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
<strong>de</strong>utet sich an, dass hochkonflikthafte Eltern <strong>de</strong>r psychologischen Begutachtung<br />
positive Effekte attestieren, dass sie Elternkonflikte reduziert <strong>und</strong><br />
die Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s verbessert. Dies könnte da<strong>mit</strong> zusammenhängen, dass<br />
in einer Begutachtung in <strong>de</strong>r Regel Einzelgespräche <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern eine große<br />
Be<strong>de</strong>utung haben.<br />
5 Interprofessionelle Kooperation im Kontext<br />
hochkonflikthafter Familien in Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
5.1 Interprofessionelle Kooperationsbeziehungen<br />
Es befassen sich in <strong>de</strong>r Regel sechs Berufsgruppen <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien. Dies sind: RechtsanwältInnen, Richter-<br />
Innen, Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen, BeraterInnen, Verfahrensbeistän<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />
psychologische Sachverständige. Sie gehören sowohl <strong>de</strong>m Jugendhilfe- als auch<br />
<strong>de</strong>m Rechtssystem an. Ein laufen<strong>de</strong>s Gerichtsverfahren ist jedoch kein zwingen<strong>de</strong>s<br />
Kriterium für Hochkonflikthaftigkeit (s. Kapitel 2), da es auch <strong>Trennungs</strong>-<br />
<strong>und</strong> Scheidungsfamilien gibt, die eine gerichtliche Regelung nicht in<br />
Betracht ziehen <strong>und</strong> ausschließlich von psychosozialen Fachkräften betreut<br />
wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r gar nicht in Kontakt <strong>mit</strong> professionellen HelferInnen stehen.<br />
Die folgen<strong>de</strong>n Ausführungen beziehen sich im Unterschied zu <strong>de</strong>n zuletzt<br />
aufgeführten Möglichkeiten explizit auf das Zusammenwirken <strong>de</strong>s Rechts- <strong>und</strong><br />
Jugendhilfesystems, da diese Art <strong>de</strong>r interprofessionellen Kooperation durch<br />
die Anwendung <strong>de</strong>s Familienverfahrensrechts (FamFG) in <strong>de</strong>r Praxis beson<strong>de</strong>rs<br />
47 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.1
5.1<br />
relevant ist. Die meisten <strong>Arbeit</strong>sbeziehungen in diesem Bereich sind durch gesetzliche<br />
Regelungen festgelegt. Vor allem betrifft dies die Zusammenarbeit<br />
zwischen:<br />
• RichterInnen <strong>und</strong> RechtsanwältInnen: §§ 10, 11, 114, 270 FamFG<br />
• RichterInnen <strong>und</strong> Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen: §§ 50, 79 SGB VIII, §§ 7,<br />
155 Abs. 2, 162 FamFG<br />
• Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen <strong>und</strong> BeraterInnen: §§ 17, 18, 27, 28, 65 SGB<br />
VIII, 203 StGB<br />
• RichterInnen <strong>und</strong> Verfahrensbeistän<strong>de</strong>: § 158 FamFG<br />
• RichterInnen <strong>und</strong> BeraterInnen: §§ 50, 65 SGB VIII, § 203 StGB<br />
• RichterInnen <strong>und</strong> psychologischen Sachverständigen: § 163 FamFG,<br />
§§ 402 ff ZPO<br />
Zusätzlich spielen psychosoziale Fachkräfte, die Umgangskontakte begleiten<br />
(§ 1684, Abs. 4, Satz 3 u. 4 BGB), UmgangspflegerInnen (§ 1684 BGB) <strong>und</strong><br />
ErgänzungspflegerInnen (§ 1909 BGB) im Kontext von <strong>hochkonflikthaften</strong><br />
<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien eine Rolle. ErgänzungspflegerInnen bil<strong>de</strong>n<br />
hier jedoch eher die Ausnahme. Nicht geregelt bzw. formal nicht vorgesehen<br />
ist eine Zusammenarbeit <strong>de</strong>r RechtsanwältInnen untereinan<strong>de</strong>r sowie<br />
zwischen RechtsanwältInnen <strong>und</strong> Fachkräften <strong>de</strong>r Jugendhilfe.<br />
Die oben aufgeführten Berufsgruppen unterhalten gesetzlich geregelte <strong>Arbeit</strong>sbeziehungen<br />
sowohl innerhalb ihrer Systemgrenzen als auch über <strong>de</strong>ren<br />
Grenzen hinweg. Die Gemeinsamkeit <strong>de</strong>s Rechts- <strong>und</strong> Jugendhilfesystems<br />
liegt hier in <strong>de</strong>m Ziel, bei <strong>de</strong>n Eltern Verän<strong>de</strong>rungsprozesse <strong>und</strong> konstruktive<br />
Konfliktlösung anzuregen sowie in <strong>de</strong>m Bemühen, die elterliche Verantwortung<br />
(Art. 6 GG) <strong>und</strong> das Wohl <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s ins Zentrum <strong>de</strong>r Konfliktlösung<br />
zu stellen. Von entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung bei <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern ist,<br />
dass sie von sich aus weitere Professionelle <strong>mit</strong> ins Spiel bringen.<br />
Das familiengerichtliche Verfahren (FamFG) 9 betont das Zusammenwirken <strong>de</strong>r<br />
unterschiedlichen Professionen. Für hochkonflikthafte Familien ist insbeson<strong>de</strong>re<br />
das Vorrangs- <strong>und</strong> Beschleunigungsgebot (§ 155 Abs. 1 FamFG) von Be<strong>de</strong>utung.<br />
Kindschaftssachen, die <strong>de</strong>n Aufenthalt <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, das Umgangsrecht<br />
o<strong>de</strong>r die Herausgabe <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>swohls sollen vorrangig <strong>und</strong> beschleunigt durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Das<br />
Vorrangs- <strong>und</strong> Beschleunigungsgebot wird durch <strong>de</strong>n so genannten frühen<br />
Termin (Erörterungstermin) umgesetzt. Das Gericht arrangiert diesen Termin<br />
spätestens vier Wochen nach Verfahrensbeginn. Dort sondieren die RichterInnen<br />
<strong>und</strong> Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen gemeinsam <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Beteiligten die<br />
familiäre Situation <strong>und</strong> besprechen Lösungsbzw. Unterstützungsangebote.<br />
Im Kontext von Trennung <strong>und</strong> Scheidung soll <strong>de</strong>r frühe Termin dazu beitragen,<br />
dass sich Konflikte nicht zuspitzen o<strong>de</strong>r hochkonflikthafte Fälle rasch<br />
erkannt wer<strong>de</strong>n. Gleichzeitig sollte verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, die Konflikte durch<br />
Schriftsätze o<strong>de</strong>r schriftliche Stellungnahmen zu verstärken. Da<strong>mit</strong> die Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen<br />
ihre Einschätzung <strong>mit</strong>teilen können, sollten sie bereits<br />
<strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Familie entsprechen<strong>de</strong> Gespräche geführt haben. Diese dienen<br />
dazu, Informationen über die Konflikte <strong>und</strong> die Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu erfahren.<br />
Auf Gr<strong>und</strong>lage dieser Informationen bringen die Jugendamts<strong>mit</strong>arbei-<br />
9 Vgl. zum familienrichterlichen Verfahren die Empfehlungen <strong>de</strong>s Deutschen Vereins für öffentliche <strong>und</strong><br />
private Fürsorge e.V. (2010 in Vorbereitung) <strong>und</strong> zum Beschleunigungsgebot Müller- Mag<strong>de</strong>burg (2009)<br />
48 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
5.1.1 Fallübergreifen<strong>de</strong> Kooperation<br />
terInnen ihre Einschätzung im frühen Termin ein <strong>und</strong> machen Vorschläge für<br />
das weitere Vorgehen o<strong>de</strong>r für Interventionen. Sie können zu<strong>de</strong>m anregen, dass<br />
auch BeraterInnen diesen Termin wahrnehmen, um gezielt an <strong>de</strong>r Klärung<br />
<strong>de</strong>s Beratungsbedarfs <strong>mit</strong>wirken zu können. BeraterInnen erhalten dadurch<br />
keinen Status als Beteiligte innerhalb <strong>de</strong>s gerichtlichen Verfahrens, son<strong>de</strong>rn<br />
bleiben LeistungserbringerInnen für die Jugendhilfe.<br />
Hinweis:<br />
Nach <strong>de</strong>n Erfahrungen, die die MitarbeiterInnen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz<br />
bei hochstrittiger Elternschaft« bei ihren Besuchen vor Ort machen<br />
konnten, ist es bei <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>s frühen Termins ausschlaggebend,<br />
dass ausreichen<strong>de</strong> Informationen vorliegen, um zu entschei<strong>de</strong>n, wie die Eltern<br />
zu einem Einvernehmen kommen können.<br />
Wenn Eltern eine Weiterver<strong>mit</strong>tlung an eine Beratungsstelle nicht annehmen,<br />
besteht die Möglichkeit <strong>de</strong>r Anordnung einer Teilnahme <strong>de</strong>r Eltern an Beratung.<br />
Die Anordnung verpflichtet jedoch nicht die BeraterInnen. Deren Aufgaben<br />
ergeben sich aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Sozialgesetzbuches (SGB VIII).<br />
Auch <strong>de</strong>r Verfahrensbeistand sollte so früh wie möglich bestellt wer<strong>de</strong>n (§ 158<br />
Abs. 3 Satz 1 FamFG). Der Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bestellung durch RichterInnen hängt<br />
davon ab, wann die Anzeichen für die Notwendigkeit erkennbar wer<strong>de</strong>n. Für<br />
Sachverständige gilt das Beschleunigungsgebot ebenfalls. RichterInnen können<br />
ihnen Fristen setzen, um eine rasche Einschätzung <strong>de</strong>s Sachstan<strong>de</strong>s zu<br />
erhalten (§ 163 Abs. 2 FamFG).<br />
Durch die Übergabe <strong>de</strong>r Fälle zwischen <strong>de</strong>n genannten Akteuren entstehen<br />
verschie<strong>de</strong>ne Schnittstellen <strong>und</strong> Schnittmengen, die es zu bestimmen <strong>und</strong> zu<br />
gestalten gilt. Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, bei <strong>de</strong>r Gestaltung dieser<br />
Übergaben zwischen fallübergreifen<strong>de</strong>r <strong>und</strong> fallbezogener Kooperation zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />
Darum geht es in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Unterkapiteln.<br />
Fallübergreifen<strong>de</strong> Kooperation wird <strong>de</strong>utschlandweit in zahlreichen Kommunen<br />
im Rahmen regionaler <strong>Arbeit</strong>skreise o<strong>de</strong>r R<strong>und</strong>er Tische durchgeführt.<br />
Diese berücksichtigen die jeweils lokalen Gegebenheiten <strong>und</strong> Erfahrungen 10 .<br />
Diese <strong>Arbeit</strong>skreise zeichnen sich dadurch aus, dass dort keine Einzelfälle besprochen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
49 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.1.1<br />
10 Beispiele unter: www.ak-cochem.<strong>de</strong>/; http://www.lwl.org/LWL/Jugend/Lan<strong>de</strong>sjugendamt/LJA/Service/<br />
jhaktuell/0209/www-berlin.<strong>de</strong>/sen/justiz/gerichte/ag/pw/beschleunigtes_familienverfahren.html;<br />
www.hannfampraxis.<strong>de</strong>; http://www.karlsruherweg.<strong>de</strong>/fileadmin/Entwurf/2008-07-23_Erklaerung_<br />
zum_Karlsruher_Weg__endgueltige_Fassung__.pdf;
5.1.1<br />
Hinweis:<br />
Die Forschungsergebnisse im Projekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
machen <strong>de</strong>utlich, dass die Klärung von <strong>Arbeit</strong>sbeziehungen <strong>und</strong> Abläufen<br />
innerhalb <strong>de</strong>s Jugendhilfe- <strong>und</strong> Rechtssystems eine wichtige Voraussetzung<br />
für eine gelingen<strong>de</strong> fallübergreifen<strong>de</strong> Kooperation zwischen bei<strong>de</strong>n Systemen<br />
ist.<br />
Zunächst gilt: Zu Beginn <strong>de</strong>r Kooperation sollten Erwartungen, Ziele <strong>und</strong><br />
Entscheidungsbefugnisse geklärt sowie eine Kooperationsverantwortliche o<strong>de</strong>r<br />
ein -verantwortlicher festgelegt wer<strong>de</strong>n. Ziel <strong>de</strong>r fallübergreifen<strong>de</strong>n Kooperation<br />
ist es, zu Kooperationsvereinbarungen zu kommen. Dabei sollte generell<br />
auch fallübergreifend <strong>de</strong>r allgemeine Umgang <strong>mit</strong> beson<strong>de</strong>rs konflikthaften<br />
Familien besprochen wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m stehen <strong>de</strong>r fachliche Austausch <strong>und</strong> das<br />
gegenseitige Kennenlernen im Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>.<br />
Hinweis:<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>r Kooperationstreffen sollten für die nicht anwesen<strong>de</strong>n KooperationspartnerInnen<br />
verfügbar gemacht wer<strong>de</strong>n, da nicht davon auszugehen<br />
ist, dass sich alle <strong>mit</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien befassten Professionellen<br />
an <strong>de</strong>r fallübergreifen<strong>de</strong>n Kooperation beteiligen können.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist es umso wichtiger, dass in <strong>de</strong>r Fachöffentlichkeit fachliche<br />
Standards verbreitet wer<strong>de</strong>n. Standards dienen <strong>de</strong>r genauen Beschreibung<br />
von konkreten Vorgehensschritten <strong>de</strong>r KooperationspartnerInnen untereinan<strong>de</strong>r.<br />
Diese können sich beispielsweise auf die Verabredung von Rechtsanwält-<br />
Innen bezüglich <strong>de</strong>r angemessenen Ausgestaltung von Schriftsätzen beziehen<br />
o<strong>de</strong>r auf eine Beschreibung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Zugangswege <strong>de</strong>r Eltern in die<br />
Beratungsstelle.<br />
Hinweis:<br />
Es empfiehlt sich, Kooperationen regelmäßig auszuwerten, die Vereinbarungen<br />
zu prüfen <strong>und</strong> sie gegebenenfalls an verän<strong>de</strong>rte Rahmenbedingungen o<strong>de</strong>r<br />
fachliche Entwicklungen anzupassen (vgl. Santen van/Seckinger 2003).<br />
Zentrale Themen fallübergreifen<strong>de</strong>r Kooperation sind<br />
• Bestimmung von Verfahrensweisen,<br />
• Vereinbarung <strong>de</strong>r Strukturen für Fallübergaben <strong>und</strong> Informationsaustausch,<br />
• Festlegung fachlicher Standards sowie<br />
• Austausch <strong>de</strong>s Fachwissens <strong>und</strong> Klärung <strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>ten Begriffe.<br />
Von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung sind außer<strong>de</strong>m effektive <strong>und</strong> transparente Übergaben<br />
von einer Institution an die an<strong>de</strong>re. Darüber hinaus dient die fallübergreifen<strong>de</strong><br />
Kooperation <strong>de</strong>r Klärung <strong>de</strong>r Frage, welche Informationen zwischen<br />
<strong>de</strong>n einzelnen KooperationspartnerInnen ausgetauscht wer<strong>de</strong>n (müssen) <strong>und</strong><br />
wie dies unter Einhaltung <strong>de</strong>r datenschutzrechtlichen Regelungen geschehen<br />
kann (s. Punkt 4.2).<br />
50 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Relevant für die <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern ist es zu analysieren, wie<br />
die Situation <strong>de</strong>r betroffenen Kin<strong>de</strong>r verbessert <strong>und</strong> durch welche fallübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Maßnahmen dies erreicht wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Welche Be<strong>de</strong>utung hat fallübergreifen<strong>de</strong> Kooperation im Kontext<br />
hochkonflikthafter Trennungen <strong>und</strong> Scheidungen?<br />
In <strong>de</strong>n Regionen <strong>de</strong>r Befragten <strong>de</strong>s Forschungsprojekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei<br />
hochstrittiger Elternschaft« wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel <strong>Arbeit</strong>skreise unterhalten, die<br />
nicht speziell für hochkonflikthafte Kontexte gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn sich<br />
zunächst auf alle <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien beziehen. Daneben gibt<br />
es auch Fachkräfte, die gute funktionieren<strong>de</strong> Kooperationsbeziehungen pflegen,<br />
welche jedoch nicht in <strong>Arbeit</strong>skreisen institutionalisiert sind. Zugleich<br />
erwägen weitere Befragte aufgr<strong>und</strong> zunehmen<strong>de</strong>r hochkonflikthafter Fälle,<br />
<strong>Arbeit</strong>skreise <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Ziel zu etablieren, gr<strong>und</strong>sätzliche Fragen zu Kindschaftssachen<br />
bei Trennung <strong>und</strong> Scheidung fallübergreifend zu klären. Dies<br />
erscheint aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Befragten im Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei<br />
hochstrittiger Elternschaft« sehr sinnvoll, da <strong>de</strong>n <strong>Arbeit</strong>skreisen im Kontext<br />
hochkonflikthafter <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien eine hohe Be<strong>de</strong>utung<br />
zukommt, <strong>und</strong> zwar aus folgen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n: Professionelle haben es in diesem<br />
Feld schwer, sich <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Konflikten <strong>und</strong> emotionalen Spannungen<br />
zu entziehen <strong>und</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n betroffenen Eltern in <strong>de</strong>-eskalieren<strong>de</strong>r Weise umzugehen<br />
sowie auf ihre kommunikative Strategie einzugehen. Für die Professionellen<br />
besteht ten<strong>de</strong>nziell das Risiko, sich von <strong>de</strong>n Eltern instrumentalisieren<br />
<strong>und</strong> gegeneinan<strong>de</strong>r ausspielen zu lassen. Dies kann eher verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn die unterschiedlichen Akteure die Handlungsaufträge <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sweisen<br />
gegenseitig kennen <strong>und</strong> einschätzen können.<br />
Gemeinsame Vorgehensweisen abzustimmen <strong>und</strong> fachliche Standards zu entwickeln,<br />
reduziert zugleich Handlungsunsicherheit <strong>und</strong> Aktionismus im Einzelfall.<br />
Denn gera<strong>de</strong> bei eskalierten Konflikten kann für die Professionellen<br />
ein hoher Handlungsdruck <strong>und</strong> Hilflosigkeit entstehen. Professionelle Akteure<br />
können sich durch diese Dynamik aufgefor<strong>de</strong>rt fühlen, über die Grenzen ihrer<br />
Zuständigkeiten hinweg Handlungsaufträge <strong>und</strong> Verantwortung an<strong>de</strong>rer<br />
zu übernehmen o<strong>de</strong>r eigene Aufgabenbereiche an an<strong>de</strong>re zu übertragen. Hier<br />
können klar umrissene Grenzen beruflicher Zuständigkeiten entlastend für die<br />
Akteure sein.<br />
Hinweis:<br />
Zu<strong>de</strong>m wirken fallübergreifen<strong>de</strong> verlässliche <strong>und</strong> transparente Rahmenbedingungen<br />
vertrauensbil<strong>de</strong>nd auf die betroffenen Eltern. Sie geben auch ihnen<br />
Sicherheit im ansonsten unübersichtlichen Netz verschie<strong>de</strong>ner AnsprechpartnerInnen.<br />
Gleichzeitig wirken klare Regeln <strong>und</strong> Grenzen indirekt strukturierend<br />
auf das Verhalten <strong>de</strong>r Eltern ein <strong>und</strong> können die Konfliktbewältigung<br />
begünstigen.<br />
Die Anwendung von fallübergreifen<strong>de</strong>n Kooperationsvereinbarungen kann<br />
in Fällen konflikthafter <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien zu nachhaltigen<br />
Lösungen beitragen. Es muss trotz<strong>de</strong>m da<strong>mit</strong> gerechnet wer<strong>de</strong>n, dass Konflikte<br />
ungelöst bleiben o<strong>de</strong>r sich zuspitzen. Nach <strong>de</strong>n im Forschungsprojekt<br />
51 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.1.1
5.1.1<br />
gewonnenen Erkenntnissen besteht zwar ein Gr<strong>und</strong>konsens <strong>de</strong>r verfahrensbeteiligten<br />
professionellen Akteure in diesem <strong>Arbeit</strong>sfeld, Konflikte nicht durch<br />
fachliches Han<strong>de</strong>ln zu verstärken, son<strong>de</strong>rn <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern produktiv an einer<br />
Lösung zu arbeiten. Es gibt jedoch unterschiedliche Einschätzungen dazu, wie<br />
das gelingen kann. Insbeson<strong>de</strong>re die folgen<strong>de</strong>n drei Vorgehensweisen wer<strong>de</strong>n<br />
diskutiert:<br />
• Gemeinsame Verfahren, die das elterliche Konfliktverhalten positiv beeinflussen<br />
können, wer<strong>de</strong>n vereinbart.<br />
• Sehr klar fixierte Verfahren <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Festlegung von Zielen wer<strong>de</strong>n vorgegeben;<br />
Umgangskontinuität ist dabei nur eine von mehreren Zielperspektiven.<br />
• Den Eltern wird gemeinsam die Haltung ver<strong>mit</strong>telt, dass alle Kin<strong>de</strong>r ohne<br />
Ausnahme <strong>mit</strong> bei<strong>de</strong>n Eltern Kontakt haben sollten; Ziel ist es, die Eltern<br />
zu überzeugen, sich auf Umgangskontakte zu einigen.<br />
Hinweis:<br />
Bei allen Vorteilen, die interdisziplinäre Kooperation verspricht, hat das Forschungsprojekt<br />
aber auch gezeigt, dass eine solche Verständigung <strong>mit</strong> von<br />
vornherein verabre<strong>de</strong>ten Interventionszielen dazu führen kann, dass Eltern die<br />
Kooperation als gegen sich gerichtet erleben <strong>und</strong> sich von <strong>de</strong>n Fachkräften<br />
distanzieren. Eine gemeinsame Haltung wird von <strong>de</strong>n Eltern vor allem dann<br />
kritisch bewertet, wenn sie annehmen, die Professionellen folgten ausschließlich<br />
gesetzlichen Normen <strong>und</strong> vernachlässigten individuelle Bedürfnisse <strong>und</strong><br />
Belastungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheiten im Kontext häuslicher Gewalt.<br />
Des Weiteren ist die letzte <strong>de</strong>r oben beschriebenen Vorgehensweisen – Umgang<br />
ohne Ausnahme – im Fachdiskurs umstritten. Wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
zeigen, dass es keinen ein<strong>de</strong>utigen Zusammenhang zwischen Umgang <strong>und</strong><br />
Kin<strong>de</strong>swohl gibt. Beispielsweise wird bei lang anhalten<strong>de</strong>n Konflikten <strong>de</strong>r<br />
Umgang für Kin<strong>de</strong>r ten<strong>de</strong>nziell zu einer Belastung (vgl. Kindler 2009).<br />
KooperationspartnerInnen haben also die Aufgabe, einerseits zu analysieren,<br />
wie Eltern in die Lage versetzt wer<strong>de</strong>n können, <strong>de</strong>n Rechtsanspruch <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
auf Umgang anzuerkennen <strong>und</strong> diesen Anspruch umzusetzen. An<strong>de</strong>rerseits<br />
kann nicht auf eine differenzierte Entscheidung im Einzelfall verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Es ist also empfehlenswert zu über<strong>de</strong>nken, wie weitgehend KooperationspartnerInnen<br />
bzw. <strong>Arbeit</strong>skreise eine gemeinsame Haltung öffentlich vertreten<br />
sollen <strong>und</strong> inwiefern dies Einzelfallentscheidungen einschränken darf.<br />
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass auch in Kooperationsbeziehungen<br />
Konflikte unvermeidbar sind <strong>und</strong> nicht in allen Fragen Konsens hergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Umso be<strong>de</strong>utsamer scheint es <strong>de</strong>mnach zu sein, eine Konfliktkultur<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Kooperation zu etablieren.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auf <strong>de</strong>r einen Seite gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
von einem hohen Nutzen <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> von <strong>de</strong>r Notwendigkeit fallübergreifen<strong>de</strong>r<br />
Kooperation auszugehen ist. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite bestehen die Risiken<br />
darin, dass intransparente Kooperationsbeziehungen das Misstrauen för<strong>de</strong>rn<br />
können. Deshalb erscheint es sinnvoll, <strong>de</strong>n betroffenen Eltern Kooperationsvereinbarungen<br />
zugänglich <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> transparent zu machen.<br />
52 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Hinweis:<br />
Ein weiteres Risiko muss ebenfalls abgewogen wer<strong>de</strong>n: Im Rahmen fallübergreifen<strong>de</strong>r<br />
Kooperation besteht die Gefahr, dass Informationen über die Familie<br />
auf informellem Weg weitergegeben wer<strong>de</strong>n. Rechtliche Voraussetzung<br />
einer Datenweitergabe ist jedoch die Einwilligung <strong>de</strong>s Betroffenen, wenn nicht<br />
aus Grün<strong>de</strong>n einer Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis<br />
vorliegt.<br />
5.1.2 Fallbezogene Kooperation <strong>und</strong> Koordination<br />
Fallübergreifen<strong>de</strong> Kooperation kann die fallbezogene Zusammenarbeit <strong>de</strong>r<br />
Professionellen nicht ersetzen. Die Kooperation im Einzelfall wird in fallübergreifen<strong>de</strong>n<br />
<strong>Arbeit</strong>skreisen lediglich präzisiert <strong>und</strong> allgemein verbindlich<br />
gemacht <strong>und</strong> verbessert. Bei einer fallbezogenen Kooperation steht insbeson<strong>de</strong>re<br />
die Kindperspektive im Zentrum. Dies geschieht <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Ziel, sich die<br />
unterschiedlichen Fachkenntnisse nutzbar zu machen <strong>und</strong> die Eltern zu einer<br />
Konfliktlösung bzw. Verhaltensän<strong>de</strong>rung anzuregen.<br />
Hinweis:<br />
Zu beachten ist, dass fallbezogene Kooperation datenschutzrechtlichen Bestimmungen<br />
unterliegt (s. Kapitel 5.3.1). Fallbezogene Kooperation fin<strong>de</strong>t in<br />
spezifischen Gesprächen zur Fallübergabe, Weiterverweisung <strong>und</strong> zur Rückmeldung<br />
an Jugendamt <strong>und</strong> Gericht statt.<br />
Wie bereits ange<strong>de</strong>utet bietet <strong>de</strong>r frühe Termin nach § 155, Abs. 2 FamFG bietet<br />
eine gute Möglichkeit, <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r fallbezogenen Kooperation zu beginnen.<br />
Hinweis:<br />
Eltern, die eine Vielzahl an Professionellen <strong>mit</strong> ihrem Konflikt befassen, sind<br />
häufig beson<strong>de</strong>rs unzufrie<strong>de</strong>n <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Situation, so die Forschungsergebnisse<br />
<strong>de</strong>s Projekts »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«. Auch wenn kein<br />
ursächlicher Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>r hohen Beteiligung von Professionellen<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>r hohen Unzufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Eltern erkennbar ist, sollte im<br />
Einzelfall entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wie die Anzahl von Professionellen weitgehend<br />
gering gehalten wer<strong>de</strong>n kann.<br />
53 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.1.2
5.2.2<br />
5.2 Juristische Professionen als Kooperationspartner<br />
5.2.1 Kooperation <strong>mit</strong> RechtsanwältInnen<br />
5.2.2 Kooperation <strong>mit</strong> RichterInnen<br />
Aus Sicht <strong>de</strong>r Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen <strong>und</strong> BeraterInnen ist die Einbindung<br />
<strong>de</strong>r RechtsanwältInnen in die Kooperation von hoher Be<strong>de</strong>utung. Die<br />
Zusammenarbeit <strong>de</strong>r elterlichen RechtsanwältInnen untereinan<strong>de</strong>r ist häufig<br />
die erste Kooperationsbeziehung, in <strong>de</strong>r Weichen für das weitere Vorgehen gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. RechtsanwältInnen regen Eltern entwe<strong>de</strong>r zu außergerichtlichen<br />
Lösungen an <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r dokumentieren die emotionale Empörung <strong>de</strong>r ehemaligen<br />
PartnerInnen in Schriftsätzen.<br />
Das Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« ergab,<br />
dass RechtsanwältInnen, die bislang noch nicht einigungsorientiert gearbeitet<br />
haben, durch die Kooperation ein neues Rollenverständnis entwickeln. Sie sehen<br />
sich nicht nur als InteressensvertreterInnen, son<strong>de</strong>rn auch als Ver<strong>mit</strong>tler-<br />
Innen im familiären Konflikt. Zugleich lernen sie durch die fallübergreifen<strong>de</strong><br />
Kooperation die Rückmeldungen ihrer MandantInnen über psychosoziale Angebote<br />
besser einschätzen. Des Weiteren erhoffen sich die RechtsanwältInnen,<br />
weniger hochkonflikthafte Verfahren führen zu müssen.<br />
Gera<strong>de</strong> von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern wer<strong>de</strong>n RechtsanwältInnen als<br />
wichtige Unterstützung bewertet. Schaffen es diese, sowohl die Interessen ihrer<br />
Mandantschaft zu vertreten als auch Wege zu einer Konfliktlösung aufzuzeigen,<br />
scheinen Eltern am ehesten bereit zu sein, <strong>mit</strong>zumachen. Gera<strong>de</strong> wenn<br />
erste Beratungsversuche gescheitert sind, trauen die Eltern ihren Rechtsvertretungen<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Rat zu.<br />
Im Forschungsbericht »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« berichten<br />
AnwältInnen davon, dass es für sie sehr nützlich war, die <strong>Arbeit</strong> <strong>de</strong>r<br />
Beratungsstellen kennen zu lernen. Das erleichtert ihnen, ihre MandantInnen<br />
dort auch gezielt hin zu verweisen bzw. entsprechen<strong>de</strong> Regelungen vor <strong>de</strong>m<br />
Familiengericht <strong>mit</strong> zu tragen.<br />
Die befragten RichterInnen thematisieren ein strukturelles Dilemma, das die<br />
interprofessionelle Kooperation für sie vor folgen<strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> notwendig<br />
macht: Die Kindschaftsrechtsreform geht von <strong>de</strong>r gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>n Regelvermutung<br />
aus, dass alle Kin<strong>de</strong>r Kontakt zur ihren getrennt leben<strong>de</strong>n Eltern<br />
haben sollten. Hierin wird nicht nur ein Entscheidungs-, son<strong>de</strong>rn vielmehr<br />
ein Herstellungsauftrag gesehen, <strong>de</strong>r sich auf private Beziehungen bezieht.<br />
Dieser Herstellungsauftrag wird durch Kontaktabbrüche zwischen Elternteil<br />
<strong>und</strong> Kind sowie Nichteinhaltungen von Umgangsvereinbarungen gera<strong>de</strong> bei<br />
Hochkonfliktfamilien ständig unterlaufen. Zu<strong>de</strong>m wirkt sich die <strong>de</strong>struktive<br />
Beziehungsdynamik zwischen <strong>de</strong>n getrennten Eltern un<strong>mit</strong>telbar auf <strong>de</strong>n <strong>Arbeit</strong>sumfang<br />
<strong>und</strong> die Erfolgsaussichten richterlichen Han<strong>de</strong>lns aus. FamilienrichterInnen<br />
geraten da<strong>mit</strong> in eine Helferposition, die vor allem psychosoziale<br />
Fertigkeiten voraussetzt. Der implizite <strong>Arbeit</strong>sauftrag von FamilienrichterInnen<br />
rückt da<strong>mit</strong> sehr nahe an psychosoziale Berufe heran. Kooperation kann <strong>de</strong>shalb<br />
von richterlicher Seite als Versuch gesehen wer<strong>de</strong>n, solche psychosozialen<br />
54 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Kompetenzen im Verfahren für das Gericht verfügbar zu machen <strong>und</strong> da<strong>mit</strong><br />
die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Familiengerichtsbarkeit gera<strong>de</strong> im Sinne <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />
Regelvermutung <strong>de</strong>s § 1684 Abs. 1 BGB wie<strong>de</strong>r herzustellen.<br />
Hinweis:<br />
Gerichtliche Regelungen wer<strong>de</strong>n von <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern noch viel kritischer<br />
bewertet als beraterische Interventionen. Nur ein geringer Teil <strong>de</strong>r Eltern<br />
sieht dadurch <strong>de</strong>n Konflikt reduziert o<strong>de</strong>r die Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s verbessert.<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>s Forschungsprojektes »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger<br />
Elternschaft« sprechen gegen die häufige These, dass das Konfliktniveau erst<br />
durch das Verfahren entsteht. Allerdings <strong>de</strong>utet sich an, dass das Selbstwirksamkeitserleben<br />
von Eltern unter einem laufen<strong>de</strong>n Verfahren lei<strong>de</strong>t.<br />
Ein Kritikpunkt an gerichtlichen Regelungen seitens <strong>de</strong>r Eltern ist <strong>de</strong>ren praktische<br />
Umsetzbarkeit. Die Eltern for<strong>de</strong>rn, dass RichterInnen darüber informiert<br />
sein sollten, ob z.B. eine Beratung o<strong>de</strong>r eine Umgangsbegleitung überhaupt zur<br />
Verfügung steht. Ein weiteres Problemfeld stellt <strong>de</strong>r Wunsch <strong>de</strong>r Eltern dar,<br />
dass das Familiengericht sich ausführlich <strong>mit</strong> ihrer Situation auseinan<strong>de</strong>rsetzt.<br />
Dies wird in einem frühen, ersten Termin angesichts <strong>de</strong>r richterlichen <strong>Arbeit</strong>sbelastung<br />
häufig schwer möglich sein <strong>und</strong> erfor<strong>de</strong>rt eine entsprechen<strong>de</strong> Organisation<br />
<strong>de</strong>r gerichtlichen Abläufe.<br />
Wie unter Punkt 5.1.1 bereits ange<strong>de</strong>utet, han<strong>de</strong>lt das Familiengericht auf<br />
<strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>s FamFG <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Logik <strong>de</strong>s gerichtlichen Verfahrens. Jugendämter<br />
<strong>und</strong> Beratungsstellen arbeiten dagegen auf <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>s SGB<br />
VIII. Sie folgen dabei <strong>de</strong>n fachlichen Standards sozialpädagogischer Verfahren<br />
<strong>und</strong> psychosozialer Beratung. Den Schnittstellen zwischen bei<strong>de</strong>n Systemen<br />
kommt eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Im folgen<strong>de</strong>n Unterkapitel liegt<br />
<strong>de</strong>r Schwerpunkt zum einen auf <strong>de</strong>m Übergang <strong>de</strong>r Eltern vom Gericht bzw.<br />
Jugendamt in die Beratung <strong>und</strong> zum an<strong>de</strong>ren auf <strong>de</strong>r Rückmeldung über das<br />
Ergebnis <strong>de</strong>r Beratung an Gericht <strong>und</strong> Jugendamt.<br />
5.3 BeraterInnen als Kooperationspartner<br />
5.3.1 BeraterInnen zwischen Kooperation <strong>und</strong> Vertrauensschutz 11<br />
Aus <strong>de</strong>r BeraterInnenperspektive wird die Zusammenarbeit im Einzelfall von<br />
einem Spannungsfeld zwischen transparenten <strong>und</strong> verlässlichen KooperationspartnerInnen<br />
einerseits <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Aufgabe, <strong>de</strong>n Eltern einen geschützten Raum<br />
für persönliche Themen anzubieten an<strong>de</strong>rerseits bestimmt (vgl. Weber 2009).<br />
Für Beratung gilt <strong>de</strong>r Vertrauensschutz nach § 65 SGB VIII <strong>und</strong> die gesetzliche<br />
Regelung in § 203 StGB. Personenbezogene Daten dürfen nur dann<br />
weitergegeben wer<strong>de</strong>n, wenn die Betroffenen einwilligen o<strong>de</strong>r eine gesetzliche<br />
Befugnis besteht. Eine gesetzliche Befugnis (Offenbarungsbefugnis), Daten<br />
an das Familiengericht weiterzugeben, besteht nach § 65, Abs. 1 Nr. 2 SGB<br />
11 Vgl. zur informationellen Selbstbestimmung Papenheim & Baltes (2009).<br />
55 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.3.1
5.3.1<br />
VIII nur im Fall einer Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung. In Fällen hochkonflikthafter<br />
<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien ist jedoch eine Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung<br />
eher eine Ausnahme (s. Kapitel 3). Wenn allerdings die Konflikte <strong>de</strong>r Eltern<br />
<strong>und</strong> entsprechen<strong>de</strong> Begleitumstän<strong>de</strong> zu einer hohen Belastung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s führen<br />
<strong>und</strong> es in seiner Entwicklung gefähr<strong>de</strong>t ist, sind BeraterInnen befugt, zur<br />
Abschätzung <strong>de</strong>s Gefährdungsrisikos Informationen an die dafür zuständigen<br />
Fachkräfte weiterzugeben (§ 65 Abs. 1 Nr. 4, § 8a SGB VIII). Bis auf diese<br />
bei<strong>de</strong>n Ausnahmen können BeraterInnen nicht ohne Einwilligung <strong>de</strong>r Eltern<br />
Informationen an das Jugendamt <strong>und</strong> das Familiengericht weitergeben. BeraterInnen<br />
sollten jedoch trotz <strong>de</strong>r oben genannten Befugnis betroffenen Eltern<br />
gegenüber einen solchen Schritt transparent machen, <strong>und</strong> sie in die Weitergabe<br />
von Informationen einbeziehen. Dies gilt, soweit dadurch das Kind nicht gefähr<strong>de</strong>t<br />
wird.<br />
Hinweis:<br />
In <strong>de</strong>r fallübergreifen<strong>de</strong>n Kooperation gilt es zu besprechen <strong>und</strong> transparent zu<br />
machen, welche Informationen über Einzelfälle weitergegeben wer<strong>de</strong>n. Dies<br />
ist wichtig, um ein Ineinan<strong>de</strong>rgreifen <strong>de</strong>r jeweiligen <strong>Arbeit</strong> zu gewährleisten.<br />
Ebenso sollte geklärt wer<strong>de</strong>n, auf welche Weise eine Einverständniserklärung<br />
<strong>de</strong>r Eltern schriftlich eingeholt wird. Abgestimmt wer<strong>de</strong>n sollte jedoch auch,<br />
welche Beratungsinhalte aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Vertrauensschutzes nicht weitergegeben<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Informationsaustausch zwischen RichterInnen bzw. Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> BeraterInnen sollte auf zwei Ebenen festgelegt wer<strong>de</strong>n: zum einen<br />
wie <strong>und</strong> welche Informationen die BeraterInnen vor Beginn <strong>de</strong>r Beratung<br />
von Gericht bzw. Jugendamt erhalten; zum an<strong>de</strong>ren wie <strong>und</strong> welche Rückmeldungen<br />
die BeraterInnen an die bei<strong>de</strong>n Institutionen geben.<br />
Zunächst soll es um die Informationen von Gericht bzw. Jugendamt an BeraterInnen<br />
gehen. Hier ist zu klären <strong>und</strong> allen Beteiligten transparent zu machen,<br />
welche Informationen – Anhörungsprotokolle, Aktennotizen etc. – die<br />
BeraterInnen vor Beginn <strong>de</strong>r Beratung erhalten. Dabei ist für BeraterInnen zu<br />
über<strong>de</strong>nken, inwieweit Informationen im Vorfeld <strong>de</strong>r Beratung ihre Haltung<br />
gegenüber <strong>de</strong>n betroffenen Eltern beeinflusst.<br />
Bei <strong>de</strong>n Rückmeldungen von BeraterInnen an Gericht bzw. Jugendamt gibt<br />
es zwei Varianten, wie die BeraterInnen Informationen weitergeben können.<br />
Diese wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n kurz vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert (vgl. Weber/Alberstötter<br />
2010):<br />
• BeraterInnen geben keine Informationen an das Jugendamt o<strong>de</strong>r Gericht:<br />
Der Nachteil einer solchen Vorgehensweise ist, dass <strong>de</strong>n RichterInnen <strong>und</strong><br />
Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen beispielsweise bei gescheiterter Beratung keine<br />
Anhaltspunkte vorliegen, um über die weitere Vorgehensweise zu entschei<strong>de</strong>n<br />
bzw. Unterstützung anzubieten.<br />
• BeraterInnern holen das Einverständnis bei <strong>de</strong>n Eltern ein, um ausgewählte<br />
Informationen weiterzugeben: Diese Art <strong>de</strong>r Informationsweitergabe scheint<br />
in <strong>hochkonflikthaften</strong> Fällen teilweise nötig zu sein, da die an<strong>de</strong>ren involvierten<br />
Fachkräfte bei einem Abbruch o<strong>de</strong>r einem ergebnislosen Abschluss<br />
<strong>de</strong>s Beratungsprozesses informiert sein sollten. Folgen<strong>de</strong> Themen können<br />
bei einem Informationsaustausch zwischen BeraterInnen <strong>und</strong> Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen<br />
bzw. RichterInnen eine Rolle spielen:<br />
56 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
. Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Erstgesprächs<br />
. Fortdauer <strong>de</strong>r Beratung<br />
. Unterbrechung o<strong>de</strong>r Abbruch <strong>de</strong>r Beratung durch die Eltern<br />
. Beendigung <strong>de</strong>r Beratung durch die Beratungsstelle<br />
. Ergebnis <strong>de</strong>r Beratung: Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>n Eltern<br />
. Grün<strong>de</strong> für das Scheitern <strong>de</strong>r Beratung<br />
. Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
. Gewichtige Anhaltspunkte für eine Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung<br />
Die BeraterInnen über<strong>mit</strong>teln bei diesem Vorgehen <strong>de</strong>m Jugendamt bzw. Gericht<br />
Rahmendaten über die Beratung. Wichtig ist, die Eltern vor Beginn <strong>de</strong>r<br />
Beratung über dieses Vorgehen zu informieren <strong>und</strong> dafür zu gewinnen sowie<br />
ihre Einwilligung zu erhalten. Trotz einer Einwilligung sollten BeraterInnen<br />
die betroffenen Eltern über <strong>de</strong>n konkreten Informationsaustausch in Kenntnis<br />
setzen <strong>und</strong> wichtige Inhalte aus Gesprächen <strong>mit</strong> an<strong>de</strong>ren Fachkräften an sie<br />
zurückmel<strong>de</strong>n.<br />
Hinweis:<br />
Zu beachten ist: Eine allgemeine Schweigepflichtentbindung, bei <strong>de</strong>r nicht<br />
festgelegt ist, <strong>mit</strong> wem genau <strong>und</strong> zu welchem Anlass Informationen ausgetauscht<br />
wer<strong>de</strong>n, ist rechtlich nicht zulässig.<br />
Informationsaustausch zwischen BeraterInnen <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren KooperationspartnerInnen<br />
Für BeraterInnen kann es aus fachlichen Grün<strong>de</strong>n wichtig sein, <strong>mit</strong> weiteren<br />
KooperationspartnerInnen, wie Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen, Verfahrensbeistän<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r Sachverständigen im Einzelfall Kontakt aufzunehmen <strong>und</strong> Informationen<br />
auszutauschen (s. Kapitel 4.2.2). Dies kann entwe<strong>de</strong>r im frühen<br />
Termin geklärt wer<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r es kann dafür im laufen<strong>de</strong>n Beratungsprozess<br />
eine Einwilligung von <strong>de</strong>n Eltern eingeholt wer<strong>de</strong>n. Gr<strong>und</strong>sätzlich kann davon<br />
ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass Eltern bereit sind, einem Informationsaustausch zuzustimmen.<br />
Unter <strong>de</strong>n <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern gibt es zwei Ten<strong>de</strong>nzen: Da<br />
sind zum einen die Eltern, die von sich aus (großzügig) Daten weitergeben, um<br />
da<strong>mit</strong> auf ihre Schwierigkeiten <strong>und</strong> Lösungsi<strong>de</strong>en aufmerksam machen o<strong>de</strong>r<br />
sich argumentativ besser gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Elternteil durchzusetzen. Zum an<strong>de</strong>ren<br />
gibt es eine Gruppe von Eltern, die sich sehr skeptisch gegenüber einem<br />
Informationsaustausch zeigt, da sie bereits schon einmal einen persönlichen<br />
Nachteil daraus erfahren haben o<strong>de</strong>r einen solchen befürchten. In bei<strong>de</strong>n Fällen<br />
ist es Aufgabe <strong>de</strong>r Berater- Innen, gemeinsam <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern darüber zu<br />
sprechen, was sie sich von einer Informationsweitergabe erhoffen bzw. was sie<br />
befürchten. Bei<strong>de</strong>s sollte in Beratungsgesprächen thematisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern sollte im Einzelfall überdacht wer<strong>de</strong>n, inwieweit<br />
Informationen mündlich o<strong>de</strong>r schriftlich weitergegeben wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
mündliche Stellungnahme signalisiert, dass es sich um einen gemeinsamen Dialog<br />
<strong>und</strong> einen Aushandlungsprozess han<strong>de</strong>lt <strong>und</strong> nicht um Problemzuschreibungen.<br />
Mündliche Äußerungen können allerdings zu Missverständnissen<br />
57 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.3.1
5.3.2<br />
führen. Sie erfor<strong>de</strong>rn eine hohe kommunikative Kompetenz aller Beteiligten.<br />
Bei einer schriftlichen Einlassung kann je<strong>de</strong> Formulierung in ihrer Wirkung<br />
auf die betroffenen Eltern entschei<strong>de</strong>nd <strong>und</strong> Auslöser für Rechtfertigungen<br />
o<strong>de</strong>r »Gegenangriffe« ihrerseits sein.<br />
5.3.2 Die Gestaltung <strong>de</strong>r Beratungsprozesse im Kontext <strong>de</strong>r Kooperation<br />
Indikation für Beratung<br />
Wie bereits in Kapitel 4 erörtert wur<strong>de</strong>, kann im Kontext hochkonflikthafter<br />
<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien kaum auf fachlich etablierte <strong>und</strong> sicher<br />
zu vertreten<strong>de</strong> Beratungsmetho<strong>de</strong>n zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. Umso wichtiger<br />
ist es für BeraterInnen, sich in die interprofessionelle Kooperation einzubringen<br />
<strong>und</strong> sich über erfolgreiche Beratungsmetho<strong>de</strong>n <strong>und</strong> -techniken auszutauschen.<br />
Die konkrete methodische Umsetzung <strong>de</strong>r Beratung bleibt jedoch das<br />
Kernstück <strong>de</strong>r Beratungsarbeit selbst <strong>und</strong> sollte nicht in <strong>de</strong>r fallübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Kooperation festgelegt wer<strong>de</strong>n. Dennoch kommt <strong>de</strong>n BeraterInnen bei Fragen<br />
<strong>de</strong>s Vorgehens in folgen<strong>de</strong>n Themenbereichen eine wichtige Rolle bei <strong>de</strong>r interprofessionellen<br />
Kooperation zu:<br />
Bereits in <strong>de</strong>r Vergangenheit <strong>de</strong>legierten Jugendämter Beratungen im Zusammenhang<br />
<strong>mit</strong> Trennung <strong>und</strong> Scheidung (nach §§ 17, 18 o<strong>de</strong>r 28 SGB VIII)<br />
an Beratungsstellen öffentlicher <strong>und</strong> freier Träger. Auch viele Rechtsanwält-<br />
Innen im Familienrecht ermunterten ihre MandantInnen bislang zu solch<br />
einem Schritt. Zunehmend wer<strong>de</strong>n nun auch Familiengerichte Eltern nach<br />
<strong>de</strong>m ersten frühen Termin an Beratungsstellen verweisen. Das zeigt einerseits<br />
die Wertschätzung für diese anspruchsvolle <strong>Arbeit</strong>. An<strong>de</strong>rerseits birgt es auch<br />
die Gefahr <strong>de</strong>r Überschätzung <strong>de</strong>r Möglichkeiten von Beratung.<br />
Hinweis:<br />
Die Angaben von Eltern <strong>und</strong> BeraterInnen verweisen darauf, dass Beratung bei<br />
<strong>hochkonflikthaften</strong> Familien das »Mittel <strong>de</strong>r Wahl« sein kann, aber nicht das<br />
»Mittel für alle Fälle«. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r »Beratungsoptimismus« <strong>de</strong>s FamFG macht<br />
es nötig, einerseits die Weiterentwicklung von Beratungsansätzen <strong>und</strong> die Ausbildung<br />
von BeraterInnen zu för<strong>de</strong>rn, an<strong>de</strong>rerseits aber auch die Indikationen<br />
für erfolgreiche Hochkonfliktberatung zu schärfen.<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>s Forschungsprojekts <strong>und</strong> Erfahrungen von PraktikerInnen sprechen<br />
dafür, dass das Konfliktniveau maßgeblich dafür ist, welche Interventionen<br />
<strong>de</strong>n größten Erfolg versprechen: Mediation o<strong>de</strong>r gewöhnliche Scheidungs-<br />
<strong>und</strong> <strong>Trennungs</strong>beratung scheinen am ehesten bei niedrigem Konfliktniveau<br />
angezeigt. Elternkurse <strong>und</strong> spezifische Formen von Beratung <strong>und</strong> Mediation<br />
sind besser geeignet für Fälle <strong>mit</strong> höherem Konfliktniveau. Umgangsbegleitung<br />
<strong>mit</strong> flankieren<strong>de</strong>r Konfliktberatung ist in vielen Fällen für noch höhere<br />
Konfliktniveaus angemessen. Einen stärkeren Eingriff bei höchstem Konfliktniveau<br />
stellen schließlich lösungsorientierte Begutachtung <strong>und</strong> Einrichtung<br />
58 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
einer Umgangspflegschaft dar. Schließlich gibt es auch Fälle, bei <strong>de</strong>nen nur in<br />
Kombination von gerichtlichen Entscheidungen, einstweiligen Anordnungen<br />
<strong>und</strong> psychosozialen Hilfen eine Konfliktreduzierung möglich ist.<br />
BeraterInnen sollten also bei fallübergreifen<strong>de</strong>r Kooperation ihr Erfahrungswissen<br />
<strong>und</strong> ihre Kenntnisse über wissenschaftliche Bef<strong>und</strong>e einbringen,<br />
um die Frage zu klären, wann <strong>und</strong> für welche Konfliktkonstellationen Beratung<br />
eine geeignete Hilfe sein kann (s. Kapitel 4).<br />
Hinweis:<br />
Im Einzelfall sollten vor <strong>de</strong>r Entscheidung über eine Beratung folgen<strong>de</strong><br />
Fragen geklärt sein:<br />
• Welche Hilfen gab es schon?<br />
• Welche Erfahrungen haben die Eltern <strong>mit</strong> bereits erfolgter Beratung<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Interventionen gemacht?<br />
• Was <strong>de</strong>nken die Eltern, wieso bisherige Hilfen nicht geeignet waren?<br />
• Was spricht für o<strong>de</strong>r gegen eine Beratung <strong>mit</strong> bei<strong>de</strong>n Elternteilen?<br />
• Welche Unterstützung braucht das Kind? Inwieweit sollte es selbst<br />
Beratung erhalten?<br />
• Was ist geeigneter: eine richterliche Entscheidung o<strong>de</strong>r ein Hinwirken<br />
auf Einvernehmen durch Beratung o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>s?<br />
Übergänge <strong>und</strong> Klärung von Aufträgen durch FamilienrichterInnen <strong>und</strong> Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen<br />
bei angeordneter Teilnahme <strong>de</strong>r Eltern an Beratung<br />
Übergänge <strong>und</strong> Klärung von Aufträgen durch FamilienrichterInnen <strong>und</strong> Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen<br />
bei angeordneter Teilnahme <strong>de</strong>r Eltern an Beratung<br />
Das Familiengericht kann die Teilnahme <strong>de</strong>r Eltern an Beratung anordnen,<br />
um zwischen <strong>de</strong>n Eltern ein Einvernehmen herbeizuführen (§ 156 Abs. 1 Satz 4<br />
FamFG). Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass RichterInnen die Beratungskonzepte<br />
<strong>de</strong>r BeraterInnen gut kennen, um nicht Lösungen zu versprechen, die<br />
nicht erreicht wer<strong>de</strong>n können. Es empfiehlt sich <strong>de</strong>shalb, in <strong>de</strong>r fallübergreifen<strong>de</strong>n<br />
Kooperation die Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen angeordneter Beratung bei<br />
<strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien zu klären.<br />
Hinweis:<br />
BeraterInnen sollten bei <strong>de</strong>r fallübergreifen<strong>de</strong>n Kooperation einbringen, welche<br />
Aufträge <strong>de</strong>r RichterInnen an die Eltern günstig, <strong>und</strong> welche eher hin<strong>de</strong>rlich<br />
sind bzw. von Beginn an nicht zum Gelingen <strong>de</strong>r Beratung beitragen. Zu<strong>de</strong>m<br />
ist im Einzelfall zu klären, inwieweit die Anordnung auch für das Kind gilt<br />
<strong>und</strong> in welcher Form das Kind an Beratung teilnimmt.<br />
Aufgabe <strong>de</strong>s Jugendamts ist es zu klären, welche Beratungsstellen bereit sind,<br />
eine gerichtlich initiierte Beratung durchzuführen. Es ist außer<strong>de</strong>m dafür zuständig,<br />
die entsprechen<strong>de</strong>n Ressourcen zur Verfügung zu stellen (§ 36a, 79<br />
SGB VIII). Es muss geklärt wer<strong>de</strong>n, ob ein direkter Kontakt zwischen FamilienrichterInnen<br />
<strong>und</strong> BeraterInnen bestehen soll.<br />
59 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.3.2
5.3.2<br />
Es gibt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, Aufträge an die betroffenen Eltern<br />
<strong>und</strong> BeraterInnen zu ver<strong>mit</strong>teln:<br />
• RichterInnen über<strong>mit</strong>telten <strong>de</strong>n Auftrag im frühen Termin an Eltern <strong>und</strong><br />
BeraterInnen (§ 155, Abs. 2 FamFG) o<strong>de</strong>r telefonisch bzw. schriftlich an die<br />
BeraterInnen.<br />
• Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen über<strong>mit</strong>teln <strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>s Gerichts an die<br />
BeraterInnen, <strong>und</strong> zwar in einem gemeinsamen Erst-/Übergabegespräch<br />
<strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern o<strong>de</strong>r telefonisch bzw. schriftlich.<br />
Unabhängig davon, welche dieser Möglichkeiten angewandt wird, sollte sie für<br />
alle KooperationspartnerInnen <strong>und</strong> betroffenen Eltern klar <strong>und</strong> transparent<br />
sein. Zu<strong>de</strong>m ist wichtig, dass die Fragestellung <strong>de</strong>r RichterInnen, die in <strong>de</strong>r Beratung<br />
geklärt bzw. bearbeitet wer<strong>de</strong>n soll, ein<strong>de</strong>utig formuliert ist <strong>und</strong> Eltern<br />
sowie BeraterInnen darum wissen (vgl. Weber & Alberstötter 2010).<br />
Hinweis:<br />
In <strong>de</strong>r <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern empfiehlt es sich, <strong>de</strong>n betroffenen<br />
Eltern <strong>de</strong>n Auftrag von Gericht <strong>und</strong> Jugendamt in Gegenwart <strong>de</strong>r BeraterInnen<br />
zu über<strong>mit</strong>teln.<br />
Dies ist sinnvoll, um <strong>de</strong>n Eltern zu zeigen, dass BeraterInnen vor <strong>de</strong>r Anmeldung<br />
o<strong>de</strong>r im Einzelgespräch <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Elternteil nicht beeinflusst wer<strong>de</strong>n<br />
konnten. Ein weiterer Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass das Gericht<br />
seinen Auftrag allen Beteiligten transparent macht <strong>und</strong> die BeraterInnen<br />
wichtige Informationen für <strong>de</strong>n Beratungsbeginn erhalten. Zusätzlich können<br />
Vereinbarungen <strong>mit</strong>einan<strong>de</strong>r getroffen <strong>und</strong> Zuständigkeiten festgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
Klar ist, dass ein solches Vorgehen konkrete Absprachen braucht.<br />
Fazit: RichterInnen <strong>und</strong> BeraterInnen haben die Chance, <strong>mit</strong> angeordneter<br />
Beratung Eltern für Beratung zu gewinnen, die sie sonst nicht erreichen<br />
könnten. Vor allem hochkonflikthafte Eltern können dadurch für Verän<strong>de</strong>rungsprozesse<br />
gewonnen wer<strong>de</strong>n (vgl. Conen 2007).<br />
Wie kann <strong>de</strong>r Übergang von Gericht bzw. Jugendamt zur Beratung gestaltet wer<strong>de</strong>n?<br />
Wie kommt es zum ersten Beratungstermin?<br />
Als Antwort auf diese Frage gibt es drei Möglichkeiten:<br />
• BeraterInnen sind beim frühen Termin anwesend <strong>und</strong> vereinbaren <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n<br />
Eltern einen Termin.<br />
• RichterInnen o<strong>de</strong>r Jugendamts<strong>mit</strong>arbeiterInnen kennen freie Termine <strong>de</strong>r<br />
Beratungsstelle <strong>und</strong> vergeben sie an die betroffenen Eltern.<br />
• Eltern nehmen selbst <strong>de</strong>n Kontakt zur Beratungsstelle auf.<br />
Wenn die Eltern von sich aus Kontakt zur Beratungsstelle aufnehmen wollen,<br />
sollten sie verpflichtet wer<strong>de</strong>n, dies bis zu einem benannten Termin zu tun <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>m Jugendamt Rückmeldung darüber zu geben.<br />
60 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Einzelgespräche <strong>mit</strong> Eltern<br />
Beratung <strong>mit</strong> Kin<strong>de</strong>rn<br />
Wie das Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
zeigt, sind bei <strong>hochkonflikthaften</strong> Eltern zu Beginn <strong>de</strong>s Beratungsprozesses<br />
eher Einzel- als Paargespräche angezeigt. Die zuständigen BeraterInnen sollten<br />
gemeinsam ein Konzept entwickeln, wann <strong>und</strong> wie sie unter Einhaltung <strong>de</strong>s<br />
Vertrauensschutzes gemeinsame Elterngespräche initiieren können. Ausgesprochen<br />
wichtig ist dabei eine klare Vereinbarung <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Eltern sowie Klarheit<br />
<strong>de</strong>r BeraterInnen über ihren Handlungsauftrag, <strong>de</strong>nn hochkonflikthafte Eltern<br />
haben in <strong>de</strong>r Regel kein Interesse daran, dass <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Elternteil erfährt,<br />
was in <strong>de</strong>r Beratung gesprochen wur<strong>de</strong>. Gleichzeitig sollten die BeraterInnen<br />
darauf achten, dass die Verantwortung für eine Lösung bei <strong>de</strong>n Eltern bleibt.<br />
Gemeinsame Gespräche sind zwar ein Ziel <strong>de</strong>r Beratung. Sie sollten allerdings<br />
zu einem geeigneten Zeitpunkt stattfin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> setzen die Zustimmung bei<strong>de</strong>r<br />
Elternteile voraus.<br />
Da BeraterInnen in Einzelgesprächen in <strong>de</strong>r Regel empathisch <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m<br />
Betroffen sind, liegt eine beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rung darin, in <strong>de</strong>r Anbahnung<br />
o<strong>de</strong>r Durchführung von gemeinsamen Gesprächen Verständnis für<br />
bei<strong>de</strong> Elternteile zu haben <strong>und</strong> ihre jeweils unterschiedlichen Perspektiven<br />
anzuerkennen.<br />
Wie in Kapitel 3 beschrieben, sollte Kin<strong>de</strong>rn aus <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>-<br />
<strong>und</strong> Scheidungsfamilien unabhängig von ihren Eltern Hilfemaßnahmen<br />
angeboten wer<strong>de</strong>n. Falls im Vorfeld <strong>de</strong>r Beratung <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Kind bereits an<strong>de</strong>re<br />
Interventionen stattgef<strong>und</strong>en haben, kann eine fallbezogene Kooperation<br />
von beson<strong>de</strong>rer Relevanz sein.<br />
Hinweis:<br />
Um mehrmalige Tests <strong>und</strong> Befragungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu vermei<strong>de</strong>n, muss in<br />
einem systematischen Vorgehen festgelegt sein, wie BeraterInnen von an<strong>de</strong>ren<br />
Fachkräften über bereits erfolgte Befragungen <strong>und</strong> Hilfeangebote erfahren.<br />
Zu<strong>de</strong>m ist zu klären, wie BeraterInnen die Informationen über das Kind in<br />
ihre eigene <strong>Arbeit</strong> bzw. Beratung einbeziehen <strong>und</strong> wie sie eine Entscheidung<br />
über ein angemessenes Unterstützungsangebot treffen.<br />
Im weiteren Verlauf ist unter <strong>de</strong>n KooperationspartnerInnen abzusprechen, wie<br />
die unterschiedlichen Informationen über die Belastungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zusammengeführt<br />
<strong>und</strong> wie diese an die Eltern zurückgemel<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Die Rückmeldung<br />
an die Eltern kann hilfreich sein, um ihre Aufmerksamkeit auf ihr<br />
Kind zu richten <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> sie sich aktiv an <strong>de</strong>r Suche nach Unterstützungsmöglichkeiten<br />
für ihr Kind beteiligen.<br />
Nach <strong>de</strong>m Scheitern einer Beratung muss das Familiengericht über weitere<br />
Schritte in Bezug auf das Kind entschei<strong>de</strong>n. Es ist <strong>de</strong>shalb auf fachk<strong>und</strong>ige<br />
Informationen zur Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s angewiesen. BeraterInnen wird auch<br />
nach einer gescheiterten Beratung die Situation <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s oft besser bekannt<br />
sein als <strong>de</strong>m Gericht o<strong>de</strong>r Jugendamt. Wenn dies <strong>de</strong>r Fall ist, sollten sie das<br />
Familiengericht über die Entwicklungssituation <strong>und</strong> Belastungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />
61 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
5.3.2
5.3.2<br />
o<strong>de</strong>r Jugendlichen informieren, um Fehlindikationen <strong>de</strong>s Gerichts zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
Voraussetzung ist allerdings, dass die BeraterInnen dazu vor <strong>de</strong>r Beratung<br />
eine Einwilligung <strong>de</strong>r Eltern eingeholt haben. Je nach Alter sollte auch das<br />
Kind selbst über die Informationsweitergabe informiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Beratung in Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Schutzauftrag bei Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>ren Vertrauensschutz in persönlichen <strong>und</strong> erzieherischen Hilfen<br />
(§§ 8a Abs. 2, 65 Abs. 1, Satz 4 SGB VIII)<br />
Zusammenfassung<br />
BeraterInnen sind wie alle Fachkräfte <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r- <strong>und</strong> Jugendhilfe verpflichtet,<br />
im Rahmen ihrer Leistungserbringung auch <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>swohls<br />
im Blick zu behalten (§ 8a SGB VIII). Diese Pflicht gewinnt bei <strong>de</strong>r Beratung<br />
hochkonflikthafter Eltern eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung. Wie oben dargestellt,<br />
verlieren solche Eltern über ihren Streit das Wohl <strong>de</strong>s eigenen Kin<strong>de</strong>s oft aus<br />
<strong>de</strong>m Blick. Insbeson<strong>de</strong>re durch ihr Konfliktverhalten wer<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r sehr belastet.<br />
BeraterInnen sollten dann prüfen, ob sie Anzeichen für eine Gefährdung<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>swohls erkennen. Dies kann z.B. <strong>de</strong>r Fall sein, wenn große<br />
Belastungssymptome beim Kind vorliegen, es sich nicht altersgemäß entwickelt,<br />
eine Fehlentwicklung <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung vorliegt o<strong>de</strong>r die Erziehungsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>r Eltern in Frage steht.<br />
Die BeraterInnen sind dann gehalten, das Risiko einer Kin<strong>de</strong>swohlgefährdung<br />
abzuschätzen. Nach <strong>de</strong>n Gr<strong>und</strong>sätzen fachlichen Han<strong>de</strong>lns in <strong>de</strong>r institutionellen<br />
Beratung stellen sie diese Beratung im multidisziplinären Fachteam<br />
vor. Wenn ihm keine in Fragen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rschutzes erfahrene Fachkraft<br />
angehört, ist diese hinzuziehen. Wenn das Wohl <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s nicht mehr <strong>mit</strong><br />
<strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r Beratung gesichert wer<strong>de</strong>n kann, wer<strong>de</strong>n die BeraterInnen - in<br />
<strong>de</strong>r Regel <strong>mit</strong> Kenntnis <strong>de</strong>r Eltern - das Jugendamt informieren. Das Jugendamt<br />
bietet dann je nach Fallkonstellation weitergehen<strong>de</strong> Hilfen an o<strong>de</strong>r ruft<br />
das Familiengericht an.<br />
Das Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« zeigt,<br />
dass interprofessionelle Kooperation die <strong>Arbeit</strong>szufrie<strong>de</strong>nheit aller beteiligten<br />
Professionen erhöht. Zugleich erscheint ihnen die eigene <strong>Arbeit</strong> effizienter,<br />
da weniger Zeit da<strong>mit</strong> verloren geht, im Einzelfall Strukturen zu klären, Absprachen<br />
zu treffen <strong>und</strong> nicht zuletzt eine stärkere Kollegialität <strong>de</strong>r Professionen<br />
untereinan<strong>de</strong>r zu entwickeln. Dabei sollten jedoch die unterschiedlichen<br />
Rollen, Kompetenzen <strong>und</strong> Handlungsaufträge aufrechterhalten bleiben. Eine<br />
fachliche Begründung dafür liegt in <strong>de</strong>n Reichweiten <strong>de</strong>r unterschiedlichen<br />
professionellen Ansätze, gera<strong>de</strong> im Hinblick auf elterliche Einigungen <strong>und</strong><br />
Kin<strong>de</strong>swohl.<br />
62 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
6 Schluss<br />
Hochkonflikthafte Eltern in Scheidung <strong>und</strong> Trennung zeigen eine <strong>de</strong>utlich<br />
verringerte Offenheit gegenüber beraterischen Interventionen. Zugleich haben<br />
sie einen hohen Bedarf an Unterstützung, insbeson<strong>de</strong>re zur För<strong>de</strong>rung von<br />
erlebter Selbstwirksamkeit in <strong>de</strong>r Beziehung zum ehemaligen Partner. In ihrem<br />
konfliktreichen Alltag sind Mütter <strong>und</strong> Väter nur bedingt imstan<strong>de</strong>, die<br />
Bedürfnisse ihrer Kin<strong>de</strong>r wahrzunehmen. Das kindliche Erleben spiegelt die<br />
Hochkonflikthaftigkeit <strong>de</strong>r Eltern als zwei sehr unterschiedliche Reaktionen<br />
wie<strong>de</strong>r: Entwe<strong>de</strong>r als sehr hohe Belastung <strong>mit</strong> offensichtlichem Hilfebedarf<br />
o<strong>de</strong>r aber als scheinbar gute Anpassung, die vor allem durch Ausblen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Konflikte <strong>und</strong> <strong>de</strong>r eigenen Belastungen erreicht wird. Bei<strong>de</strong>s spricht für die<br />
Notwendigkeit, die Situation von Kin<strong>de</strong>rn in <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
gründlich abzuklären <strong>und</strong> sie durch Interventionen vor emotionalen <strong>und</strong> sozialen<br />
Risiken zu schützen. Auch wenn im Feld <strong>de</strong>r professionellen <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong><br />
dieser speziellen Gruppe von Scheidungs- <strong>und</strong> <strong>Trennungs</strong>familien noch Verunsicherung<br />
herrscht, scheinen gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r regionale fachliche Austausch unter<br />
<strong>de</strong>n beteiligten Akteuren sowie eine Anpassung <strong>de</strong>r Interventionen aneinan<strong>de</strong>r<br />
für viele Professionelle eine wichtige Perspektive für erfolgreiche Praxis zu<br />
sein.<br />
Vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> einer hohen Erwartung <strong>de</strong>s neuen FamFG an die<br />
Beratungsarbeit ist es erfor<strong>de</strong>rlich, spezialisierte Interventionen für hochkonflikthafte<br />
Eltern weiter zu entwickeln <strong>und</strong> auszubauen, um Kin<strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>n<br />
aufgezeigten Belastungen wirkungsvoll zu schützen. Insbeson<strong>de</strong>re ist dabei auf<br />
einen angemessenen Einbezug <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r in diese Hilfen zu achten sowie darauf,<br />
Fortbildungen <strong>und</strong> fachliche Kooperation zu för<strong>de</strong>rn.<br />
63 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
6
7<br />
7 Literatur<br />
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65 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
7
7<br />
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Spindler, Manfred (2008): Hochstrittige Trennung <strong>und</strong> Scheidung:<br />
Definition, Interpretation <strong>und</strong> Intervention. In Zeitschrift für Kindschaftsrecht<br />
<strong>und</strong> Jugendhilfe Heft 3/2008, S. 98-106.<br />
Stötzel, Manuela (2004): Wie erlebt das Kind die Verfahrenspflegschaft?<br />
Studie zum Qualitätsstand <strong>de</strong>r Institution Verfahrenspflegschaft (gemäß<br />
§ 50 FGG) unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Unveröffentlichtes<br />
Manuskript. Dissertation zur Erlangung <strong>de</strong>s Doktorgra<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r<br />
Humanbiologie <strong>de</strong>r Medizinischen Fakultät <strong>de</strong>r Universität Ulm.<br />
Stupka, Tanja (2002): FAGS: Fragebogen zur Analyse <strong>de</strong>r Situation von<br />
Eltern <strong>mit</strong> gemeinsamem Sorgerecht nach Trennung o<strong>de</strong>r Scheidung. Verfügbar<br />
unter: http://www.zpid.<strong>de</strong>.<br />
Wallerstein, Judith, S. & Lewis, Julie M. (2001): Langzeitwirkungen <strong>de</strong>r<br />
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25 Jahre. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, 2, 65 – 72.<br />
Walper, Sabine (2006): Umgangsrecht im Spiegel psychologischer Forschung.<br />
In D. F. e.V. (Ed.), Sechzehnter Deutscher Familiengerichtstag vom 14. bis<br />
17. September 2005 in Brühl (100-130). Bielefeld: Gieseking Verlag.<br />
Weber, Matthias & Schilling, Herbert (2006): Eskalierte Elternkonflikte:<br />
Beratungsarbeit im Interesse <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s bei hoch strittigen Trennungen,<br />
Weinheim, München: Juventa.<br />
Weber, Matthias (2009): Neue Herausfor<strong>de</strong>rung für die Beratung.<br />
In: Kindschaftsrecht <strong>und</strong> Jugendhilfe. Heft 8/9 2009, S. 324-329.<br />
Weber, Matthias & Alberstötter, Ulrich (2010): Kriterien <strong>und</strong> Indikatoren<br />
für eine gute Praxis von Interventionen bei hochstrittigen Scheidungs- <strong>und</strong><br />
<strong>Trennungs</strong>familien: Expertise aus <strong>de</strong>m Projekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger<br />
Elternschaft«<br />
Winkelmann, Susanne (2005): Elternkonflikte in <strong>de</strong>r <strong>Trennungs</strong>familie als<br />
Risikobedingung kindlicher Anpassung nach Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
(Dissertation Dortm<strong>und</strong>).<br />
66 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Internetquellen:<br />
www.<strong>de</strong>stasis.<strong>de</strong><br />
www.testzentrale.<strong>de</strong><br />
www.ak-cochem.<strong>de</strong><br />
www.lwl.org/LWL/Jugend/Lan<strong>de</strong>sjugendamt/LJA/Service/jhaktuell/0209/<br />
www.berlin.<strong>de</strong>/sen/justiz/gerichte/ag/pw/beschleunigtes_familienverfahren.html<br />
www.hannfampraxis.<strong>de</strong><br />
www.karlsruherweg.<strong>de</strong>/fileadmin/Entwurf/2008-07-23_Erklaerung_zum_<br />
Karlsruher_Weg_endgueltige_Fassung_.pdf<br />
67 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
7
A<br />
A Anhang<br />
I. Erhebungsschritte <strong>und</strong> Stichprobengröße<br />
Insgesamt erfolgten im Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger<br />
Elternschaft« folgen<strong>de</strong> Erhebungen durchgeführt:<br />
• Quantitative Befragung von 158 Elternteilen in Trennung <strong>und</strong> Scheidung,<br />
in insgesamt 31 Fällen konnten bei<strong>de</strong> Ex-PartnerInnen befragt wer<strong>de</strong>n.<br />
• Qualitative Einzelinterviews <strong>mit</strong> 44 Elternteilen; in 17 Fällen konnten<br />
bei<strong>de</strong> Ex-PartnerInnen befragt wer<strong>de</strong>n<br />
• Testdiagnostik <strong>und</strong> teilstandardisierte Einzelinterviews <strong>mit</strong> 29 Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
interviewten Elternteile<br />
• Quantitative Befragung von 19 Fachkräften <strong>de</strong>r psychosozialen Beratung<br />
zu 30 Fällen<br />
• Qualitative fallbezogene Interviews <strong>mit</strong> 17 Fachkräften <strong>de</strong>r psychosozialen<br />
Beratung zu 27 Fällen<br />
• 7 Gruppendiskussionen <strong>mit</strong> Beraterteams<br />
• 6 Gruppendiskussionen <strong>mit</strong> interdisziplinären <strong>Arbeit</strong>skreisen »Trennung<br />
<strong>und</strong> Scheidung«<br />
Alle weiteren Informationen <strong>und</strong> Ergebnisse über das Forschungsprojekt<br />
«Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft« sind im wissenschaftlichen Abschlussbericht<br />
nachzulesen (Fichtner u.a. 2010).<br />
II. Hinweise zur Diagnostik von <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien<br />
Diagnostik <strong>de</strong>s Konflikterlebens <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
Die Erfassung <strong>de</strong>s Erlebens <strong>de</strong>r elterlichen Trennung durch die Kin<strong>de</strong>r stellt<br />
<strong>de</strong>n diagnostischen Kernbereich dar. Denn die dauerhaft erlebte Belastung<br />
durch die elterlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Ausgangspunkt für<br />
mögliche weitreichen<strong>de</strong> Risiken in verschie<strong>de</strong>nen Bereichen <strong>de</strong>r Persönlichkeitsentwicklung<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r. Zur Erfassung <strong>de</strong>s kindlichen Erlebens <strong>de</strong>r elterlichen<br />
Trennung wur<strong>de</strong>n die <strong>de</strong>utsche Kurzversion <strong>de</strong>r Children´s Perception<br />
of Interparental Conflict Scale (CPIC), Skalen aus <strong>de</strong>r Negative Divorce Event<br />
Schedule (DESC) sowie aus <strong>de</strong>m Projekt »Familien in Entwicklung« (FIE;<br />
München, Jena) eingesetzt. Konkret erfolgte hierbei eine Befragung zu <strong>de</strong>n<br />
Dimensionen:<br />
• »Destruktiver Konfliktstil <strong>de</strong>r Eltern« <strong>und</strong> »Kind als Ver<strong>mit</strong>tler« (CPIC),<br />
• »Kind als Konfliktinhalt« <strong>und</strong> »Hilflosigkeit <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s« (CPIC),<br />
• »Belastung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r durch die Trennung <strong>de</strong>r Eltern« (DESC), »Koalitionsbildung<br />
<strong>de</strong>r Eltern <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Kind« <strong>und</strong> »Zerrissenheitsgefühle« (FIE).<br />
Quellen:<br />
• Göd<strong>de</strong>, Mechthild & Walper, Sabine, 2001: CPIC<br />
• Negative Divorce Event Schedule, 1986: DESC<br />
• Skalen »Elterliche Zusammenarbeit«, »Parentifizierung«,<br />
68 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
<strong>und</strong> »Loyalitätskonflikte«: FIE<br />
Diagnostik <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung<br />
Die Einschätzung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zur Eltern-Kind-Beziehung ist nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb<br />
von Be<strong>de</strong>utung, weil die Fokussierung <strong>de</strong>r Eltern auf <strong>de</strong>n (Paar-) Konflikt<br />
dazu führen kann, dass diese <strong>de</strong>n Blick auf ihre Kin<strong>de</strong>r verlieren, kaum auf die<br />
Bedürfnisse <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r reagieren <strong>und</strong> wenig Unterstützung leisten können.<br />
Anhalten<strong>de</strong> intensive elterliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen können so direkt auf die<br />
Qualität <strong>de</strong>r Eltern-Kind-Beziehung wirken.<br />
Zur Erfassung <strong>de</strong>s Erziehungsverhaltens <strong>de</strong>r Eltern aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
wer<strong>de</strong>n Skalen aus <strong>de</strong>m Erziehungsstilinventar (ESI) sowie Items aus <strong>de</strong>m methodischen<br />
Inventar <strong>de</strong>r Projekte »Familien in Entwicklung« (FIE; München,<br />
Jena) eingesetzt. Insbeson<strong>de</strong>re kann auf die Dimensionen »Unterstützung« <strong>und</strong><br />
»Inkonsistenz« (ESI) sowie »Parentifizierung« <strong>und</strong> »Elterliche Zusammenarbeit«<br />
(FIE) zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Quellen:<br />
• Skalen »Elterliche Zusammenarbeit«, »Parentifizierung«,<br />
<strong>und</strong> »Loyalitätskonflikte«: FIE<br />
• Krohne, Heinz W. & Pulsack, Andreas, 1995: ESI<br />
Persönlichkeitsdiagnostik <strong>mit</strong> Kin<strong>de</strong>rn<br />
Kin<strong>de</strong>r, die in <strong>hochkonflikthaften</strong> Familien leben, können daraus resultierend<br />
Belastungen in verschie<strong>de</strong>nen Bereichen <strong>de</strong>r Persönlichkeitsentwicklung zeigen.<br />
So können sich Probleme vor allem in spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen,<br />
im individuellen Befin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r auch im Stresserleben <strong>und</strong><br />
in <strong>de</strong>r Stressbewältigung manifestieren.<br />
Zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen können ausgewählte Skalen<br />
aus <strong>de</strong>m Persönlichkeitsfragebogen für Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendliche (PFK 9-14)<br />
verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong>de</strong>re die Teilbereiche<br />
• »Emotionale Erregbarkeit«,<br />
• »Zurückhaltung <strong>und</strong> Scheu im Sozialkontakt«,<br />
• »Bedürfnis nach Ich-Durchsetzung, Aggression <strong>und</strong> Opposition«,<br />
• »Schulischer Ehrgeiz«,<br />
• »Neigung zu Gehorsam <strong>und</strong> Abhängigkeit gegenüber Erwachsenen« sowie<br />
• »Selbsterleben von Unterlegenheit«<br />
Das individuelle Befin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r wird <strong>mit</strong> Skalen aus <strong>de</strong>r Aussagenliste<br />
(ALS), <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Version <strong>de</strong>r General Anxiety Scale for Children (GASC)<br />
sowie <strong>de</strong>m Depressionstest für Kin<strong>de</strong>r (DTK) erhoben. Konkret geht es dabei<br />
um die Skalen »Befin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Familie« (ALS), »<strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Verlustangst«<br />
(GASC) sowie »Dysphorie/ Selbstwertprobleme« (DTK).<br />
Zur Erfassung <strong>de</strong>s Stresserlebens <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Stressbewältigung kann eine adaptierte<br />
Fassung <strong>de</strong>s Fragebogens zur Erhebung von Stress <strong>und</strong> Stressbewältigung<br />
im Kin<strong>de</strong>s- <strong>und</strong> Jugendalter (SSKJ) eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Die Dimensionen<br />
»Ausmaß <strong>de</strong>s aktuellen Stresserlebens«, »Art <strong>und</strong> Umfang <strong>de</strong>r eingesetzten Bewältigungsstrategien«<br />
sowie »Ausmaß <strong>de</strong>r aktuellen physischen Stresssymptomatik«<br />
sind hier beson<strong>de</strong>rs relevant.<br />
Quellen:<br />
• General Anxiety Scale for Children (GASC): <strong>de</strong>utschsprachige Adaptation<br />
von Schick, Andreas (2000).<br />
69 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
A
A<br />
• Lohaus, Eschenbeck, Kohlmann & Klein-Heßling (2006): Fragebogen<br />
zur Erhebung von Stress <strong>und</strong> Stressbewältigung im Kin<strong>de</strong>s- <strong>und</strong> Jugendalter<br />
(SSKJ). Hogrefe-Testzentrale<br />
• Petermann & Jäger (1995): Aussagen-Liste zum Selbstwertgefühl von<br />
Kin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Jugendlichen (ALS). Hogrefe-Testzentrale.<br />
• Rossmann, Peter (2005): Depressionstest für Kin<strong>de</strong>r (DTK).<br />
Hogrefe-Testzentrale.<br />
III. Kurzfragebogen zur Situation nach Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
Der hier angefügte Kurzfragebogen basiert auf <strong>de</strong>n Bef<strong>und</strong>en <strong>de</strong>r Elternbefragung<br />
im Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
(vgl. Fichtner u.a. 2010, insb. Kapitel II) <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> in Anlehnung an bereits<br />
existieren<strong>de</strong>n Instrumente, wie etwa das »Michigan Abuse Risk Assessment«<br />
von Wagner/Hull/Luttrell 1996 konstruiert. Dieser Kurzfragebogen berücksichtigt<br />
objektive <strong>und</strong> subjektive Kriterien, die sich in <strong>de</strong>r Studie als relevant<br />
erwiesen haben. Im Vergleich <strong>mit</strong> an<strong>de</strong>ren Studien scheint eine Validität gegeben;<br />
die Kennwerte <strong>de</strong>r Skalen sind ausreichend bis gut. Mit diesem Instrument<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Versuch unternommen, das Konfliktniveau in einer ersten<br />
Annäherung bestimmbar zu machen <strong>und</strong> für die Beratungspraxis ein einfach<br />
einzusetzen<strong>de</strong>s Instrument zu entwickeln. Zur Bestimmung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus<br />
scheinen auf Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r Forschungsergebnisse fünf Aspekte wichtig,<br />
die sich im Kurzfragebogen wi<strong>de</strong>rspiegeln: die subjektive Einschätzung <strong>de</strong>r<br />
Konflikte durch die Betroffenen selbst; die Darstellung <strong>de</strong>r Umgangsregelung<br />
seit <strong>de</strong>r Elterntrennung; die Frage, ob ein Familiengerichtsverfahren anhängig<br />
war o<strong>de</strong>r noch ist; eine allgemeine Bewertung <strong>de</strong>r gerichtlichen Interventionen<br />
<strong>und</strong> schließlich die Einschätzung <strong>de</strong>s Ex-Partners/<strong>de</strong>r Ex-Partnerin anhand<br />
vier typischer Vorwürfe.<br />
Die erste Seite <strong>de</strong>s Kurzfragebogens kann als Vorlage für die Befragung<br />
<strong>de</strong>r Eltern dienen; die zweite Seite enthält Informationen zur Bewertung <strong>de</strong>r<br />
Ergebnisse durch die Fachkräfte. Diese Seite sollte nicht <strong>de</strong>n Eltern vorgelegt<br />
<strong>und</strong> auch nicht von ihnen selbst ausgewertet wer<strong>de</strong>n, da es sich um negativ<br />
konnotierte Auswertungskategorien han<strong>de</strong>lt. Die erzielten Werte wer<strong>de</strong>n zusammengezählt<br />
<strong>und</strong> geben Anhaltspunkte bezüglich <strong>de</strong>s Konfliktniveaus. Das<br />
heißt, Eltern <strong>mit</strong> Werten bis einschließlich »10« sind als »normal« konflikthaft<br />
einzustufen <strong>und</strong> Eltern <strong>mit</strong> Werten über »21« als hochkonflikthaft. Diese<br />
Einstufungen korrespondieren <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Konfliktniveaus bei <strong>de</strong>n 158 befragten<br />
Elternteilen aus <strong>de</strong>m Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />
(vgl. Fichtner u.a. 2010).<br />
Mit <strong>de</strong>m Instrument <strong>de</strong>s Kurzfragebogens ist allerdings nur eine allererste<br />
allgemeine Einschätzung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus möglich. Der Fragebogen könnte<br />
als Einstieg in <strong>de</strong>n Beratungsprozess etwa bei <strong>de</strong>r Anmeldung o<strong>de</strong>r im Erstgespräch<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n, um relevante Aspekte zur Einschätzung <strong>de</strong>s Konfliktniveaus<br />
zu erfragen bzw. anzusprechen. Die Anwendung dieses Kurzfragebogens<br />
ersetzt jedoch keine weitere tiefergehen<strong>de</strong> Diagnostik <strong>und</strong> qualitative<br />
Auswertung von Gesprächen <strong>mit</strong> Eltern <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>rn.<br />
Quelle:<br />
• Wagner Dennis, Hull Sue & Luttrell Julie: Structured Decision-Making<br />
in Michigan. In: Toshia, Tatara (Ed.), 9th National Ro<strong>und</strong>table on CPS<br />
Risk Assessment: Summary of Highlights, Washington, 1996, 165-191.<br />
70 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Kurzfragebogen zur Situation nach Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
1) Läuft o<strong>de</strong>r lief ein Verfahren zum Umgang o<strong>de</strong>r zur elterlichen Sorge?<br />
ja, aktuell.<br />
ja, abgeschlossen.<br />
nein, nie.<br />
2) Falls ein Verfahren o<strong>de</strong>r eine Beratung stattgef<strong>und</strong>en hat:<br />
Das Verfahren hat meine Situation:<br />
verschlechtert.<br />
nicht verän<strong>de</strong>rt.<br />
verbessert.<br />
3) Fin<strong>de</strong>t ein kontinuierlicher Umgang zwischen Ihrem Kind <strong>und</strong> <strong>de</strong>m<br />
Elternteil statt, bei <strong>de</strong>m es nicht seinen Lebens<strong>mit</strong>telpunkt hat?<br />
Ja, seit <strong>de</strong>r Trennung bis heute gab es stets regelmäßige<br />
Umgangskontakte.<br />
Ja, es gab Kontakte, aber unregelmäßig.<br />
Von <strong>de</strong>r Trennung bis heute gab es nur seltene Kontakte.<br />
Es hat früher einmal Kontakte gegeben, die aber abgebrochen wur<strong>de</strong>n.<br />
Nein, es gab niemals Umgangskontakte.<br />
Was <strong>de</strong>nken Sie zu folgen<strong>de</strong>n Fragen:<br />
4) Ich habe es nicht verdient, dass mein Ex-Partner /<br />
meine Ex-Partnerin so <strong>mit</strong> mir umgeht.<br />
5) Mein Ex-Partner / meine Ex-Partnerin will das Kind<br />
gegen mich aufhetzen.<br />
6) Mein Ex-Partner / meine Ex-Partnerin ist gar nicht<br />
in <strong>de</strong>r Lage, sich allein um das Kind zu kümmern.<br />
7) Mein Ex-Partner / meine Ex-Partnerin klammert<br />
sich krankhaft an das Kind.<br />
stimmt<br />
gar<br />
nicht<br />
stimmt<br />
etwas<br />
teils /<br />
teils<br />
71 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
stimmt<br />
ziemlich<br />
8) Wie schätzen Sie die Situationen zwischen Ihnen <strong>und</strong> Ihrem Ex-Partner<br />
ein? Zwischen uns bestehen ….<br />
sehr viele Konflikte<br />
viele Konflikte<br />
wenig Konflikte<br />
keine Konflikte<br />
stimmt<br />
genau
Bewertungsbogen für Fachkräfte<br />
Wenn Sie die erzielten Punkte zusammenzählen, ist ein Vergleich <strong>de</strong>s Konfliktniveaus<br />
<strong>mit</strong> <strong>de</strong>n 158 befragten Eltern aus <strong>de</strong>m Forschungsprojekt »Kin<strong>de</strong>rschutz<br />
bei hochstrittiger Elternschaft« möglich. Eltern <strong>mit</strong> Werten bis einschließlich<br />
»10« sind als normale Konflikte von Eltern in einer Beratungsstelle eingestuft<br />
wor<strong>de</strong>n, Werte über »21« als hochkonflikthaft (vgl. Fichtner u.a. 2010).<br />
1) Läuft o<strong>de</strong>r lief ein Verfahren zum Umgang o<strong>de</strong>r zur elterlichen Sorge?<br />
4 ja, aktuell.<br />
2 ja, abgeschlossen.<br />
0 nein, nie.<br />
2) Falls ein Verfahren o<strong>de</strong>r eine Beratung stattgef<strong>und</strong>en hat:<br />
Das Verfahren hat meine Situation:<br />
4 verschlechtert.<br />
2 nicht verän<strong>de</strong>rt.<br />
0 verbessert.<br />
3) Fin<strong>de</strong>t ein kontinuierlicher Umgang zwischen Ihrem Kind <strong>und</strong> <strong>de</strong>m<br />
Elternteil statt, bei <strong>de</strong>m es nicht seinen Lebens<strong>mit</strong>telpunkt hat?<br />
0 Ja, seit <strong>de</strong>r Trennung bis heute gab es stets regelmäßige<br />
Umgangskontakte.<br />
2 Ja, es gab Kontakte, aber unregelmäßig.<br />
3 Von <strong>de</strong>r Trennung bis heute gab es nur seltene Kontakte.<br />
3,5 Es hat früher einmal Kontakte gegeben, die aber abgebrochen wur<strong>de</strong>n.<br />
4 Nein, es gab niemals Umgangskontakte.<br />
Was <strong>de</strong>nken Sie zu folgen<strong>de</strong>n Fragen:<br />
4) Ich habe es nicht verdient, dass mein Ex-Partner /<br />
meine Ex-Partnerin so <strong>mit</strong> mir umgeht.<br />
5) Mein Ex-Partner / meine Ex-Partnerin will das Kind<br />
gegen mich aufhetzen.<br />
6) Mein Ex-Partner / meine Ex-Partnerin ist gar nicht<br />
in <strong>de</strong>r Lage, sich allein um das Kind zu kümmern.<br />
7) Mein Ex-Partner / meine Ex-Partnerin klammert<br />
sich krankhaft an das Kind.<br />
stimmt<br />
gar<br />
nicht<br />
stimmt<br />
etwas<br />
teils /<br />
teils<br />
72 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis<br />
stimmt<br />
ziemlich<br />
stimmt<br />
genau<br />
0 1 1,5 2 4<br />
0 1 2 3 4<br />
0 1 2 3 4<br />
0 1 2 3,5 4<br />
8) Wie schätzen Sie die Situationen zwischen Ihnen <strong>und</strong> Ihrem Ex-Partner<br />
ein? Zwischen uns bestehen ...<br />
4 sehr viele Konflikte<br />
2 viele Konflikte<br />
1 wenig Konflikte<br />
0 keine Konflikte
Notizen/Anmerkungen<br />
73 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Notizen/Anmerkungen<br />
74 <strong>Arbeit</strong> <strong>mit</strong> <strong>hochkonflikthaften</strong> <strong>Trennungs</strong>- <strong>und</strong> Scheidungsfamilien: Eine Handreichung für die Praxis
Vorgelegt von:<br />
B<strong>und</strong>eskonferenz für Erziehungsberatung e.V. (bke), Fürth<br />
Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), München<br />
Institut für angewandte Familien-, Jugend- <strong>und</strong> Kindheitsforschung e.V. (IFK)<br />
an <strong>de</strong>r Universität Potsdam<br />
Im Verb<strong>und</strong>projekt<br />
» Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft «<br />
Das Projekt » Kin<strong>de</strong>rschutz bei hochstrittiger Elternschaft « wur<strong>de</strong> geför<strong>de</strong>rt vom: