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Normal ist, wenn man auszieht... - Familien besonderer Kinder

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„<strong>Normal</strong> <strong>ist</strong>, <strong>wenn</strong> <strong>man</strong> <strong>auszieht</strong>...“ –<br />

Möglichkeiten der Begleitung des Ablöseprozesses aus<br />

dem Elternhaus<br />

Diplomarbeit im Fach Erziehungswissenschaft<br />

vorgelegt für die Diplomprüfung<br />

von<br />

Jörg Strigl<br />

aus<br />

Neuss<br />

Angefertigt bei Prof. Dr. Walter Dreher<br />

an der Universität zu Köln<br />

Heilpädagogische Fakultät<br />

Erziehungswissenschaftliche Fakultät<br />

Philosophische Fakultät<br />

Abgabetermin: 13.10.2003<br />

1


0 Problemaufriss 5<br />

0.1 Das Thema Ablösebegleitung in Wohneinrichtungen 5<br />

0.2 Aufbau der Arbeit 7<br />

1 Die systemisch-ökologische Perspektive in der Heilpädagogik 9<br />

1.1 Die Bedeutung systemischen Denkens für die Heilpädagogik 9<br />

1.2 Das ökosystemische Modell nach BRONFENBRENNER – eine<br />

Einführung 12<br />

1.2.1 Die Ebene der Mikrosysteme 13<br />

1.2.2 Die Ebene der Meso- und Exosysteme 15<br />

1.2.3 Makro- und Chronosystem 15<br />

1.3 Exkurs: Behinderung aus öko-systemischer Sicht 16<br />

2 Zentrale Aspekte zum Handlungsverständnis der professionellen<br />

Begleiter in Wohneinrichtung 19<br />

2.1 Leitbilder der Heilpädagogik 19<br />

2.1.1 <strong>Normal</strong>isierung 19<br />

2.1.2 Autonomie und Selbstbestimmung 21<br />

2.1.3 Empowerment 24<br />

2.2 Der Ass<strong>ist</strong>enzbegriff: Eine Folge der Leitbilder 25<br />

2.3 Jur<strong>ist</strong>ische Rahmenbedingungen 27<br />

2.3.1 Allgemeines 29<br />

2.3.2 Das Betreuungsrecht 31<br />

2


2.4 Beratung und Gesprächsführung als Aufgabe in<br />

Wohneinrichtungen 33<br />

2.5 Exkurs: Unterstützungsmöglichkeiten aus dem Bereich der<br />

Erwachsenenbildung 35<br />

3 Der lange Weg bis zum Auszug aus dem Elternhaus 37<br />

3.1 Zum Verständnis der Elternschaft eines behinderten Kindes 37<br />

3.2 Die Phase der Ablösung – Der Übergang vom Elternhaus in eine<br />

Einrichtung 41<br />

3.2.1 Reifung als natürlicher Prozess 41<br />

3.2.2 Der Prozess der Ablösung beginnt schon bei der Geburt 44<br />

3.2.3 Die Bedeutung einer „erfolgreichen“ Trauerarbeit 48<br />

3.2.4 Der Auszug als normative Krise 50<br />

3.3 Fachleute und Eltern – Kooperation statt Konkurrenz 53<br />

4 Möglichkeiten der Begleitung von Ablöseprozessen im Rahmen von<br />

Wohneinrichtungen 56<br />

4.1 Zur Bedeutung des Wohnens für den Menschen 56<br />

4.2 Bedingungsfeld „Brühler Wohnhaus für Menschen mit<br />

Körperbehinderung“ 58<br />

4.2.1 H<strong>ist</strong>orie und Konzeption 58<br />

4.2.2 Bewohner und Personal 60<br />

4.3 Vorüberlegungen zum Konzept einer Ablösebegleitung 61<br />

4.3.1 Methodische Aspekte eines Konzepts 61<br />

4.3.2 Inhaltliche Aspekte 62<br />

3


4.4 Konzeptvorschlag zum Bereich „Ablösebegleitung“ 63<br />

4.4.1 Vorbereitung der Mitarbeiter bzw. Angebote der Institution 64<br />

4.4.2 Begleitung vor / während der Auszugsphase 65<br />

4.4.3 Weitere Angebote an den Bewohner 66<br />

4.4.4 Die Begleitung der Eltern 66<br />

5 Ausblick: Ablösen heißt auch Ankommen... 67<br />

6 Literatur 70<br />

4


0 Problemaufriss<br />

0.1 Das Thema Ablösebegleitung in Wohneinrichtungen<br />

Das Interesse am Themenkomplex „Ablösebegleitung in Wohneinrichtungen“ entstand<br />

aus der Praxis, aus der eigenen Arbeit in einem Wohnhaus für Menschen mit Körperund<br />

Mehrfachbehinderungen. Im Rahmen einer Staatsexamensarbeit für das Lehramt<br />

der Sonderpädagogik begann ich mich mit „Ablöseprozessen“ von <strong>Familien</strong> mit einem<br />

Kind mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung auseinander zusetzen (Universität zu Köln 2001). Diese<br />

Diplomarbeit stellt sozusagen eine Fortsetzung dar. Der Fokus dieser Arbeit liegt dabei<br />

diesmal nicht auf den allgemeinen Abläufen und Zusammenhängen des Ablöseprozesses,<br />

sondern nimmt seinen Ausgangspunkt im Blickwinkel eines professionellen Mitarbeiters<br />

einer Wohneinrichtung. Sie <strong>ist</strong> als Unterstützung für Mitarbeiter in Wohneinrichtungen<br />

konzipiert, daher sind die Inhalte stark mitarbeiterzentriert. Denn:<br />

Damit die Ablösung gelingt, stellen sich aber auch für die Institutionen und die dort Beschäftigten<br />

Aufgaben. Sie müssen über die besonderen Erschwernisse der Ablösung<br />

informiert sein und wissen, dass es kein Zeichen für <strong>man</strong>gelnde Akzeptanz des behinderten<br />

Menschen durch die Eltern <strong>ist</strong>, <strong>wenn</strong> sie diesen nicht verlassen wollen, im Gegenteil.<br />

(KLAUSS 1999, 230)<br />

Ziel <strong>ist</strong> die Entwicklung eines Konzeptes zur Ablösebegleitung, da dies aus meinen<br />

Alltagserfahrungen, aber auch aus Gesprächen mit Eltern und Kollegen als sinnvoll<br />

erscheint. In dieser Arbeit wird dabei weitgehend die konkrete Phase des Auszugs aus<br />

dem Elternhaus betrachtet werden. Das zu entwickelnde Konzept bezieht sich also auf<br />

einen relativ eng begrenzten Zeitraum und betrachtet nur einen Ausschnitt des Ablöseprozesses,<br />

die sogenannte „äußere Ablösung“. Es kann davon ausgegangen werden,<br />

dass verschiedene Facetten der Ablösethematik bereits durch die Erziehung im Elternhaus,<br />

aber auch in der Schule oder Feldern der Behindertenhilfe, welche einer Wohneinrichtung<br />

vorangestellt sind, thematisiert wurden (<strong>wenn</strong> auch in unterschiedlichem<br />

Umfang). Die psychische Ablösung <strong>ist</strong> eine Phase, welche verstärkt in der Pubertät,<br />

also im Jugendalter, stattfindet. Daher wird zum Beispiel die Schule für Ge<strong>ist</strong>igbehinderte<br />

ihre Schüler bei der Entwicklung von entscheidenden Handlungskompetenzen<br />

und einer eigenen Identität qua ihres gesellschaftlichen Auftrags („Selbstverwirklichung<br />

in sozialer Integration“; MINISTERIUM FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG 1996,<br />

25) unterstützen. Besonders in der Werkstufe wird das Thema „Wohnen außerhalb der<br />

Familie“ eine Rolle spielen (vgl. FORNEFELD 2000, 107). Sie <strong>ist</strong> eine wichtige Schnittstelle<br />

beim Übergang in das Erwachsenenleben. KLAUSS stellt dabei fest, dass sich<br />

5


viele Schulen dessen bewusst sind und dementsprechend persönlichkeitsbildende<br />

Themen in den Unterricht aufnehmen (vgl. KLAUSS 1999, 182 ff).<br />

<strong>Normal</strong> <strong>ist</strong>, <strong>wenn</strong> <strong>man</strong> <strong>auszieht</strong>!? Gilt dies auch für Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung?<br />

Folgt <strong>man</strong> NIRJE (z.B.1994) und dem <strong>Normal</strong>isierungsprinzip, so <strong>ist</strong> diese Frage<br />

eindeutig mit „ja“ zu beantworten. Eng mit dem Thema „Auszug aus dem Elternhaus“<br />

<strong>ist</strong> die Ablösungsthematik verbunden. So unterscheiden GUSKI/ LANGLOTZ-<br />

BRUNNER zwischen einer inneren und einen äußeren Ablösung. Die innere Ablösung<br />

bezieht sich auf familieninterne, psychodynamische Prozesse. Sie gilt als emotionale<br />

Loslösung aus dem Schonraum Familie (ZAUNER 1976 zit. nach GUSKI/ LANGLOTZ-<br />

BRUNNER 1991, 38) und <strong>ist</strong> eine Bedingung, damit eine erfolgreiche äußere Ablösung<br />

(das Verlassen des Elternhauses) stattfinden kann. Theoretisch beginnt der Ablöseprozess<br />

schon ab der Geburt, vollzieht sich in vielen kleinen Einzelschritten, um dann<br />

verstärkt im Jugendalter (mit Beginn der Pubertät) bis zum jungen Erwachsenenalter<br />

vollzogen zu werden (vgl. ebd.). Schließlich stellt ein Auszug aus dem Elternhaus einen<br />

vorläufigen Endpunkt im Ablöseprozess dar, obwohl dieser mit dem Auszug in der<br />

Regel noch nicht beendet <strong>ist</strong> (vgl. PAPASTEFANOU 1997, 130). Ablösung vom Elternhaus<br />

bedeutet somit me<strong>ist</strong> nicht eine Auflösung der Eltern-Kind-Beziehung, sondern<br />

eine Umgestaltung (vgl. ebd., 32). Dies gilt für Menschen mit und ohne Behinderung<br />

gleichermaßen. Allerdings können verschiedene Einflussfaktoren den Ablauf dieses<br />

Prozesses bei Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung erschweren und belasten. Der<br />

Wechsel vom System „Elternhaus“ in das System „Wohneinrichtung“ <strong>ist</strong> für alle Beteiligten<br />

(Eltern, Kind und auch Mitarbeiter) verbunden Ängsten, Problemen, aber auch<br />

Chancen. Es erscheint also sinnvoll, dass Möglichkeiten angeboten werden, die Ablösung<br />

und den Auszug von professioneller Seite unterstützend zu begleiten. Immer wieder<br />

sind in der Praxis von Mitarbeitern Sätze zu hören wie „Die haben sich ja nur noch<br />

nicht richtig abgelöst“ oder Eltern äußern Befürchtungen, die Mitarbeiter wollten ihnen<br />

die <strong>Kinder</strong> „wegnehmen“ oder bisher Gele<strong>ist</strong>etes nicht anerkennen. Wie kommt es zu<br />

solchen Sichtweisen und gegenseitigen Missverständnissen? Der Blick in verschiedene<br />

Konzepte und Leitbilder unterschiedlicher Einrichtungen legt den Schluss nahe,<br />

dass das Thema Ablösung und Auszug bisher wenig Aufmerksamkeit seitens der Einrichtungen<br />

erfahren hat. Wenn überhaupt, so gibt es Ablaufschemata, was wann von<br />

wem zu erledigen <strong>ist</strong>. Doch gerade in Einrichtungen der Behindertenhilfe arbeitet ein<br />

„buntes Gemisch“ unterschiedlichster Berufsgruppen mit und ohne spezifischer Berufsausbildung<br />

(vgl. SCHILLER 1994, 8; u. auch KLAUSS 1999, 242). Es erscheint mir<br />

im Sinne von Qualitätsentwicklung daher sinnvoll, für die wichtige Phase der Ablösung<br />

und des Auszugs geeignete Konzepte bereit zu halten, um den Mitarbeitern einer Einrichtung<br />

Orientierungs- und Verständnishilfen zu bieten. Dies kann als notwendige Ba-<br />

6


sis einer guten Zusammenarbeit von Eltern, Bewohnern und Mitarbeitern gesehen<br />

werden.<br />

Zudem kommen mit dem neuen Instrument des „Individuellen Hilfeplanverfahrens“ veränderte<br />

Aufgaben auf Einrichtungen der Behindertenhilfe zu. Mit Wirkung zum<br />

01.08.2003 können Menschen mit einer Behinderung zu einer Einrichtung ihrer Wahl<br />

gehen und sich ihren Bedürfnissen entsprechend einen „Individuellen Hilfeplan“ erstellen<br />

lassen. Dieser wird als eine Grundlage für Le<strong>ist</strong>ungsentscheidungen zur Eingliederungshilfe<br />

(zunächst konzentriert auf Hilfen zum Wohnen) dienen (vgl.<br />

LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND 2003). Diese Hilfepläne können meiner Meinung<br />

nach gleichzeitig auch als Grundlage dienen, um individuelle Bedürfnisse von<br />

Unterstützungsmaßnahmen des Betroffenen und seiner Familie im Rahmen des Auszugs<br />

festzustellen.<br />

0.2 Aufbau der Arbeit<br />

Als zentraler Aspekt dieser Arbeit gilt die Frage, welches „Grundwissen“ über den Ablöseprozess<br />

brauchen Mitarbeiter in Wohneinrichtungen, um Schwierigkeiten in der<br />

Phase des Auszugs und der Eingewöhnung in ein neues Lebensumfeld seitens aller<br />

Beteiligten zu verstehen? Ziel <strong>ist</strong> es, auf der Basis dieses Wissens ein Konzept zur<br />

Ablösebegleitung zu entwickeln. Die Inhalte der einzelnen Kapitel sind als Bausteine zu<br />

verstehen, welche später in das Konzept einfließen<br />

Wie bereits erwähnt, arbeitet in Einrichtungen der Behindertenhilfe me<strong>ist</strong> eine sehr<br />

heterogene Belegschaft. Um dieser Realität gerecht zu werden und allen Mitarbeitern<br />

einen grundlegenden Wissenshintergrund zu ermöglichen, werden zunächst theoretische<br />

Grundlagen erarbeitet, welche als eine Basis der Arbeit mit Menschen mit Behinderung<br />

und ihren <strong>Familien</strong> gesehen werden können. Das ökologische Modell nach<br />

BRONFENBRENNER beschäftigt sich mit Systemen und ihren Wechselwirkungen mit<br />

der Umwelt. Dieses Modell kann helfen, (zwischen-) menschliche Entwicklungsprozesse<br />

in einem übergeordneten Rahmen zu sehen und sie mit diesem Hintergrund besser<br />

zu verstehen (Kapitel 1). Es dient als theoretischer Überbau der gesamten Arbeit und<br />

des Konzeptes. Ergebnis dieser Sichtweise wird ein „Perspektivenwechsel“ sein in dem<br />

Sinne, dass nicht nur der Bewohner im Zentrum einer Ablösebegleitung steht, sondern<br />

sein gesamtes Lebensumfeld mitbedacht werden muss.<br />

Kapitel 2 lenkt den Blick auf den Mitarbeiter selbst. Welche wissenschaftlichen Leitbilder<br />

der Heilpädagogik prägen die Arbeit mit Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung? Wie<br />

7


verändert sich dadurch das eigene Handlungsverständnis als professioneller Begleiter?<br />

Ablösebegleitung enthält einen großen Anteil an Kommunikation. Welche Bedeutung<br />

haben daher Beratung und Gesprächsführung als heilpädagogische Kompetenz? Des<br />

weiteren <strong>ist</strong> der Alltag in Einrichtungen geprägt von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.<br />

Aufgrund dessen werden kurz jur<strong>ist</strong>ische Rahmenbedingungen erläutert, sofern<br />

sie für die Thematik und das Konzept der Ablösebegleitung relevant sind.<br />

Im weiteren Verlauf betrachtet Kapitel 3 die Familie und ihren Weg bis zum Auszug aus<br />

dem Elternhaus. Im begrenzten Rahmen dieser Arbeit kann dabei nur ein Überblick<br />

über die wichtigsten Aspekte des Ablöseprozesses gegeben werden kann. Entscheidend<br />

<strong>ist</strong> auch, dass hier von einem Personenkreis ausgegangen wird, welcher das<br />

junge Erwachsenenalter bereits erreicht hat und im Rahmen eines vergleichbaren Alters<br />

zu Menschen ohne Behinderung aus dem Elternhaus <strong>auszieht</strong>. Auf die besondere<br />

Problematik eines Auszugs von <strong>Kinder</strong>n oder Jugendlichen mit einer Behinderung wird<br />

nicht eingegangen. Weiteren Überblick zur Ablösethematik in früheren Lebensphasen<br />

und damit zusammenhängenden Aspekten (z.B. Entwicklungsaufgaben des Jugendalters,<br />

Erwachsen werden) geben unter anderen FEHLHABER 1987, HEIMLICH/<br />

ROTHER 1995, HURRELMANN 1999, LEMPP 1987 & 1997, OERTER/ MONTADA<br />

1998, PAPASTEFANOU 1997 und WALTER 1985. Des weiteren erfolgt in dieser Arbeit<br />

die Darstellung von möglichen Konflikten und Lösungsansätzen in der Zusammenarbeit<br />

von Fachleuten und Eltern, da dieser Aspekt in einer Konzeption zur Ablösebegleitung<br />

zentral <strong>ist</strong>.<br />

Darauf aufbauend erfolgt in Kapitel 4 die Entwicklung eines Konzeptes zur Ablösebegleitung<br />

in Wohneinrichtungen. Dabei wird zunächst die Bedeutung des Wohnens für<br />

den Menschen erläutert. Anschließend stelle ich das Bedingungsfeld dar, aus dem die<br />

Arbeit entstand und auf welches es wesentlich bezogen <strong>ist</strong>. Eigene Beobachtungen<br />

und Erfahrungen aus der Praxis, sowie Konsequenzen aus den theoretischen Ausführungen<br />

werden ergänzt durch Erkenntnisse aus Gesprächen mit Eltern und Bewohnern.<br />

Abschließend findet in Kapitel 5 eine Bewertung der Ergebnisse und des Konzeptes<br />

statt und gibt einen Ausblick auf möglicherweise weiterführende Aspekte.<br />

Der besseren Lesbarkeit halber verwende ich in dieser Arbeit zume<strong>ist</strong> die männliche<br />

Schreibweise.<br />

Zudem wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff „Mensch, Kind etc. mit (ge<strong>ist</strong>iger)<br />

Behinderung“ verwendet. Damit wird eine allgemeine Kategoriebezeichnung (wie<br />

Mensch) der Kennzeichnung einer besonderen Lebenslagenproblematik vorangestellt.<br />

Unzulänglichkeiten des Begriffs werden dabei in Kauf genommen, da es sich trotz al-<br />

8


lem um einen gängigen Begriff in der Fachliteratur handelt (vgl. auch FORNEFELD<br />

2000, 50).<br />

Da der Ablöseprozess nicht nur beim Personenkreis „Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung“,<br />

sondern auch bei Menschen mit anderen „Behinderungsformen“ teilweise erschwert<br />

<strong>ist</strong> (wie ich es aus meiner Berufserfahrung und Gesprächen mit körper- und<br />

mehrfachbehinderten Menschen und deren Eltern feststellen konnte), werde ich auf<br />

eine besondere Hervorhebung des Aspekts „ge<strong>ist</strong>ige Behinderung“ nur bei Bedarf eingehen,<br />

ansonsten aber allgemein von „Menschen mit Behinderung“ sprechen.<br />

Der Begriff „Kind“ wird im Zusammenhang dieser Arbeit in Bezug auf die Stellung des<br />

Menschen mit Behinderung im <strong>Familien</strong>system verwendet.<br />

Zitate sind durch Schriftgröße 10 und kursive Schreibweise kenntlich gemacht, Hervorhebungen<br />

im Original werden fett geschrieben.<br />

1 Die systemisch-ökologische Perspektive in der Heilpäda-<br />

gogik<br />

1.1 Die Bedeutung systemischen Denkens für die Heilpädagogik<br />

Es gibt nicht die Wirklichkeit, und es gibt nicht die richtige Methode, sondern es gibt<br />

das Bemühen, die komplexe Realität aus verschiedenen Perspektiven zu erfassen.<br />

(PETZOLD 1993 zit. nach HÄHNER 1999, 132.)<br />

In der Heilpädagogik haben seit den 1980er Jahren verstärkt systemtheoretische Sichtweisen<br />

Einzug gehalten. Dazu gehören sowohl Konzepte wie die „Allgemeine dynamische<br />

Systemtheorie“ zu der auch MATURANAs und VARELAs Ansatz (1987) zählt, als<br />

auch der „sozialökologische Syste<strong>man</strong>satz“ von BRONFENBRENNER (1981). Eine<br />

gute Übersicht zur Systemtheorie in der Heilpädagogik bietet ECKERT (1998) 1 .<br />

Mit einer systemischen Betrachtung des Menschen und seiner Umwelt, werden monokausale,<br />

lineare und einseitige, sowie vermeintlich objektive Erklärungsansätze für die<br />

Heilpädagogik unbrauchbar. SPECK (1998) hat in seinem Standardwerk „System Heilpädagogik“<br />

die Bedeutung und Auswirkungen eines (öko-)systemtheoretischen Ansatzes<br />

für die Heilpädagogik herausgearbeitet:<br />

1 ECKERT, A.: Perspektivenerweiterung in der Heilpädagogik. Zur Praxisrelevanz systemtheoretischer<br />

Gedanken in heilpädagogischen Arbeitsfeldern. In: Vierteljahresschrift f. Heilpädagogik u. ihre Nachbargebiete<br />

67 (1998) 2, S. 165-177.<br />

9


Eine systemtheoretische Sicht der Heilpädagogik entspricht einem von der hochdifferenzierten<br />

und vernetzten Wirklichkeit her bedingten Erfordernis, das Aufeinandereinwirken<br />

der verschiedenen Teile in bedeutsamen Zusammenhängen zu sehen, und<br />

damit sinnvolle Kommunikation und Kooperation zu ermöglichen. (SPECK 1998, 100)<br />

Somit führt das Denken in Kontexten unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen<br />

mit anderen Ebenen und Beziehungen zu entscheidenden Auswirkungen auf pädagogisches<br />

und andragogisches 2 Handeln.<br />

So sehr auch beim Reden vom ‚behinderten’ Menschen dieser in den Vordergrund der<br />

Reflexion tritt, so wird die ‚Behinderung’ nicht einfach ‚bei ihm’ vorgefunden. Die entsprechenden<br />

Bedingungsfelder (i.S.v. Lebensbedingungen; Anm. d.Verf.) und die sozialen<br />

Bezüge sind nicht abtrennbar. Erziehung (Beratung, Unterstützung; Anm. d.<br />

Verf.) erstreckt sich daher nicht einfach auf die einzelnen zu Erziehenden (zu Beratenden,<br />

zu Unterstützenden; Anm. d. Verf.), sondern auch auf die sozialen Gruppen, denen<br />

sie angehören oder zu denen sie in Kontakt treten, insgesamt also auf ein Interaktionsfeld.<br />

(SPECK 1998, 325)<br />

Anhand der zentralen Begriffe „System“ und „Umwelt“ wird im Folgenden der systemtheoretische<br />

Grundgedanke erläutert, welcher dieser Arbeit zugrunde liegt. Dabei werde<br />

ich zunächst dem Ansatz MATURANAs und VARELAs nach ECKERT darstellen,<br />

um dann in Kapitel 1.2 näher auf den Ansatz BRONFENBRENNERs einzugehen.<br />

Jedes System (wobei es sich dabei sowohl um Individuen als auch um soziale Gruppen<br />

oder Institutionen handeln kann) stellt eine Einheit dar mit einer eigenen Organisationsform<br />

und eigenen Bedürfnissen. Dadurch lässt sich ein System von seiner Umwelt<br />

unterscheiden. Gleichzeitig steht jedes System mit seiner Umwelt (zu der wiederum<br />

andere Systeme gehören) im wechselseitigen Austausch. Dies wird beschrieben als<br />

operationale Geschlossenheit bei gleichzeitiger Offenheit mit eigener Struktur nach<br />

außen hin (vgl. SPECK 1998, 108). Systeme sind autonom, dass heißt, sie folgen ihren<br />

eigenen Gesetzmäßigkeiten (vgl. MATURANA/ VARELA 1987, 54ff). Gleichzeitig können<br />

durch Anstöße von außen („Perturbation“ genannt) Anregungen zur Veränderung<br />

gegeben werden. Das System versucht von außen kommende Informationen aus der<br />

Umwelt (i.S.v. Perturbationen) in einem Prozess des Zueinanderpassens mit der systemeigenen<br />

Struktur zu verbinden. Diesen Prozess bezeichnen MATURANA/ VARELA<br />

(1987) als „strukturelle Koppelung“ (vgl. ECKERT 1998, 168; MATURANA/ VARELA<br />

1987, 85ff).<br />

‚Ziel’ allen Handelns eines Systems (sei es nun ein Mensch oder eine Institution) <strong>ist</strong> es,<br />

das eigene Gleichgewicht und die Funktionsfähigkeit zu erhalten oder wieder herzustellen.<br />

Direkte Fremdeinwirkungen oder Fremdbestimmungen (mit dem Ziel vorhersagbarer<br />

Auswirkungen), zum Beispiel durch pädagogische Maßnahmen oder gutge-<br />

2 Andragogik bezieht sich im Gegensatz zur Pädagogik auf die Arbeit mit Erwachsenen. Da sich diese<br />

Arbeit ebenfalls auf eine Ablösebegleitung von erwachsenen Menschen mit Behinderung bezieht, werde<br />

ich diesen Begriff verwenden, <strong>wenn</strong> es um konkrete Angebote an den erwachsenen Personenkreis geht.<br />

10


meinte Ratschläge, sind nicht möglich (vgl. ECKERT 1998, 168). Der Mensch bleibt<br />

auch während erzieherischer Maßnahmen der Akteur seiner eigenen Entwicklung<br />

(SPECK 1989, 167 zit. nach SACK 1999, 197).<br />

In Bezug auf dieser Arbeit könnte dies bedeuten: Ein Wohnheim <strong>ist</strong> durch bestimmte<br />

Merkmale (wie z.B. anerkannte Einrichtung der Behindertenhilfe, Bewohner leben dort<br />

mit Hilfe von Personal etc.) als ‚Organisation’ gehörend zur Klasse der Wohnheime zu<br />

erkennen. Die ‚Struktur’ (d.h. z.B. die Art der Einrichtung, Konzeption, Art des Personals<br />

und der Bewohner) <strong>ist</strong> dabei von Wohnheim zu Wohnheim verschieden. Gleichzeitig<br />

steht das Wohnheim als eigenständiges System ständig mit seiner Umwelt und anderen<br />

Systemen in Kontakt und Austausch. Anregungen (Perturbationen), wie zum<br />

Beispiel neue Gesetze, Personal- oder Bewohnerwechsel, können beim System wiederum<br />

Strukturveränderungen auslösen, die von Wohnheim zu Wohnheim unterschiedlich<br />

sein können. Gleiches ließe sich auch auf jeden einzelnen Menschen übertragen.<br />

ECKERT (1998) fasst die Bedeutung systemischen Denkens für die eigene Arbeit wie<br />

folgt zusammen: Systemisches Denken<br />

• Entspricht dem Versuch, [der] komplexen Lebenswirklichkeit durch ein Denken<br />

in Zusammenhängen gerecht zu werden<br />

• Bedeutet, Vielfältigkeiten verstehen zu lernen und Wechselwirkungen unterschiedlichster<br />

Handlungen in Gedanken einzubeziehen<br />

• Meint mehrperspektivische Sichtweisen einem einseitigen, häufig durch ‚Fachwissen’<br />

eng begrenzten Denken gegenüberzustellen<br />

• Heißt, in der Begleitung eines behinderten Menschen seine individuellen Bedürfnisse<br />

und Möglichkeiten sowie den Kontext seines konkreten Lebensumfeldes,<br />

seiner aktuellen Lebenssituation zu berücksichtigen. (ECKERT 1998, 166f)<br />

Im Folgenden wird auf den Ansatz BRONFENBRENNERs genauer eingegangen, da<br />

dieser als praxisrelevant anzusehen <strong>ist</strong> (vgl. z.B. SEIFERT 1997a, SPECK 1998). In<br />

diesem Modell wird in übersichtlicher Form das Zusammenspiel unterschiedlicher Systemebenen<br />

dargestellt (vgl. auch ECKERT 1998, 167). Somit wird hier die Unterscheidung<br />

zwischen System und Umwelt nochmals differenziert, hinsichtlich verschiedener<br />

Subsysteme. Der ökologisch-heilpädagogische Ansatz als Folge daraus will ein Auseinanderklaffen<br />

von Fachlichkeit und Lebensweltlichkeit im heilpädagogischen Erkennen<br />

und Handeln (SPECK 2001, 43) überwinden. Dieser Ansatz wird somit als theoretische<br />

Grundlage der gesamten vorliegenden Arbeit dienen, um das tripolare Beziehungsgeflecht<br />

zwischen Eltern, Kind und professionellen Begleitern besser verstehen<br />

zu können und Handlungsmöglichkeiten daraus abzuleiten.<br />

11


1.2 Das ökosystemische Modell nach BRONFENBRENNER – eine Einführung<br />

Unter „Ökologie“ lässt sich nach SPECK (2001) in weitem Sinne die Lehre vom Zusammenwirken<br />

alles Lebendigen verstehen. (SPECK 2001, 43) Die ökologische Sichtweise<br />

<strong>ist</strong> dadurch geprägt, dass sie die Umwelt als einen Satz ineinander geschachtelter<br />

Strukturen und Systeme versteht. Jeder Mensch als individuelles System steht in<br />

Wechselwirkung mit seiner Umwelt und <strong>ist</strong> auch immer Teil größerer (Öko-) Systeme<br />

(vgl. ebd.). Zu unterscheiden <strong>ist</strong> hierbei zwischen der potentiellen (SEIFERT 1997,<br />

183) Umwelt, dass heißt derjenigen, in der sich das Individuum „objektiv“ befindet und<br />

der rezipierten (ebd.), das heißt diejenige, welche das Individuum wahrnimmt und die<br />

für sein Handeln bedeutsam <strong>ist</strong>. Es wird davon ausgegangen, dass die ständig bestehenden<br />

Wechselwirkungen zwischen diesen Systemebenen die Entwicklung einer Person<br />

entscheidend beeinflussen (vgl. hierzu BRONFENBRENNER 1981, 23f). Das Modell<br />

BRONFENBRENNERs findet auch in der Arbeit mit Menschen mit einer Behinderung<br />

und ihren <strong>Familien</strong> verstärkt Beachtung. Eine<br />

ganzheitliche Sicht auf den Lebenszusammenhang der Familie, mit dem Ziel Verhaltensweisen<br />

zu verstehen, Bedürfnisse zu erkennen und Ansätze zu wirksamer Unterstützung<br />

im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe zu finden (SEIFERT 2001, 249)<br />

kann als Qualitätsmerkmal nicht nur für die Kooperation mit den Eltern, sondern für die<br />

gesamte Arbeit im Bereich der Behindertenhilfe gesehen werden. Diese Sichtweise<br />

kann zum Verständnis von Teamauseinandersetzungen genauso angewendet werden,<br />

wie bei dem Versuch, ein bestimmtes Verhalten eines Bewohners aufgrund seines<br />

Lebenskontextes zu erklären. Interaktion und Kommunikation erhalten erhöhte Bedeutung<br />

(Speck 2001, 44). Angebote sollten sich an einer „ökosystemischen Landkarte“<br />

nach KÄSER (1993) orientieren, um Bedürfnisse und Einflüsse besser erkennen zu<br />

können. Auf einer solchen ‚Landkarte’ ließen sich sowohl unveränderliche Systemaspekte<br />

(wie „benötigt einen Rollstuhl“) und Knotenpunkte, als auch vielfältige Vernetzungen<br />

und Interdependenzen verdeutlichen (vgl. auch SPECK 2001). Damit ließen<br />

sich sowohl Bedürfnisse als auch vorhandene Ressourcen gemeinsam feststellen und<br />

der Prozess des Sicheinlebens in Wechselwirkung mit anderen Menschen und Faktoren<br />

gestalten. Alle Angebote können dabei nur als Anregungen mit dem Ziel der Hilfe<br />

zur Selbsthilfe sein. Das ökologische System, also der konkrete Lebensraum und seine<br />

Gestaltung rücken dabei in den Vordergrund der Betrachtung, nicht die vermeintliche<br />

Behinderung (vgl. auch SACK 1999, 197). Menschliche (Weiter-) Entwicklung kann<br />

nach BRONFENBRENNER als Ergebnis der Wechselwirkungen von System und Umwelt<br />

beschrieben werden. Mit den Worten von BRONFENBRENNER:<br />

12


Die Ökologie der menschlichen Entwicklung befaßt sich mit der fortschreitenden gegenseitigen<br />

Anpassung zwischen dem aktiven, sich entwickelnden Menschen und den<br />

wechselnden Eigenschaften seiner unmittelbaren Lebensbereiche. Dieser Prozeß wird<br />

fortlaufend von den Beziehungen dieser Lebensbereiche untereinander und von den<br />

größeren Kontexten beeinflußt, in die sie eingebettet sind. (BRONFENBRENNER<br />

1981, 37)<br />

BRONFENBRENNER beschrieb zunächst vier, sich gegenseitig beeinflussende Systemebenen<br />

als Struktur einer ökologisch verstandenen Umwelt (Mikro-, Meso-, Exound<br />

Makrosystem). Diese vier Ebenen erweiterte er später um eine fünfte, welche den<br />

Zeitaspekt berücksichtigt (Chronosystem). Nach SEIFERT (1997) bezeichnet<br />

BRONFENBRENNER sein Modell als<br />

theoretisches Schema zur systematischen Beschreibung und Analyse sozialer Kontexte,<br />

der Verbindungen zwischen ihnen und der Vorgänge, durch die diese Strukturen<br />

den Gang der Entwicklung direkt oder indirekt beeinflussen können. (SEIFERT 1997,<br />

197)<br />

Im Folgenden werden die Ebenen einzeln dargestellt und jeweils zur Verdeutlichung<br />

mit Beispielen erläutert 3 .<br />

1.2.1 Die Ebene der Mikrosysteme<br />

Der Begriff Mikrosystem stellt im BRONFENBRENNERschen Modell die niedrigste<br />

Systemebene der Umwelt dar und <strong>ist</strong> wie folgt definiert:<br />

Ein Mikrosystem <strong>ist</strong> ein Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen, das die in Entwicklung begriffene Person in einem gegebenen<br />

Lebensbereich mit seinen eigentümlichen physischen und materiellen Merkmalen<br />

erlebt.<br />

Ein Lebensbereich <strong>ist</strong> ein Ort, an dem Menschen leicht direkte Interaktion mit andern<br />

aufnehmen können. Tätigkeit (oder Aktivität), Rolle und zwischenmenschliche Beziehung<br />

sind die Elemente (oder Bausteine) des Mikrosystems. (BRONFENBRENNER<br />

1981, 38)<br />

Beziehungen in beide Richtungen, sog. „Dyaden“ (als kleinste Beziehungseinheit zwischen<br />

zwei Systemen; erweiterbar auf Triaden, Tetraden usw.) sind der Grundbaustein<br />

des Mikrosystems und bilden den Kontext für Entwicklung (vgl. ebd., 71). Außerdem<br />

betont die Verwendung des Wortes „erleben“, wie in Kapitel 1.2 erläutert, die Bedeutung<br />

der „rezipierten“ als subjektiv wahrgenommener Umwelt, neben der „objektiven“<br />

Umwelt (vgl. auch BRONFENBRENNER 1981, 38). „Familie“ und „Wohngruppe“ können<br />

als unmittelbares Umfeld, in der eine Person lebt, im Sinne eines Mikrosystems<br />

3 Dabei werde ich auf die an den an BRONFENBRENNER orientierten Übertragungen von PETZOLD<br />

(2001) und SEIFERT (1997) auf die Systeme „Familie bzw. „Wohnbereich“ zurück greifen. (genaue Lit.-<br />

Angabe s. Literaturverzeichnis)<br />

13


interpretiert werden. Die dazu gehörenden personellen, physischen und materiellen<br />

Bedingungen können sein: Belastbarkeit, Größe der Familie oder Wohngruppe, Wohnverhältnisse<br />

(vgl. auch PETZOLD 2001; SEIFERT 1997a, 185f). Die Feststellung von<br />

STEINGLASS, dass <strong>Familien</strong>systeme im Laufe des familialen Lebenszyklus nach zwei<br />

Prinzipien funktionieren, nämlich der Morphostase (Streben nach Aufrechterhaltung<br />

von Stabilität) und der Morphogenese (Veränderung bzw. Wachstum der Familie)<br />

(STEINGLASS 1987 zit. nach PAPASTEFANOU 1997, 91), kann auf alle anderen Systeme<br />

übertragen werden und stellt einen wichtigen Aspekt dar. Das Mikrosystem beinhaltet<br />

Subsysteme. Für Familie wären dies zum Beispiel die Subsysteme Elternbehindertes<br />

Kind, behindertes Kind- Geschw<strong>ist</strong>er; für eine Wohngruppe Bewohner-<br />

Betreuer, Bewohner-Mitbewohner, Betreuer-Betreuer usw. Die Subsysteme stehen in<br />

wechselseitiger Interaktion, welche nicht isoliert vom Gesamtsystem gesehen werden<br />

kann. Hier spielen die im voran gegangenen Kapitel erläuterten Systemeigenschaften<br />

eine Rolle:<br />

In der Interaktion zwischen Individuen (verstanden als System nach MATURANA/<br />

VARELA; Anm. d. Verf.) spielen anlage- und erfahrungsbedingte Persönlichkeitsmerkmale<br />

und die subjektive Wahrnehmung der Situation eine Rolle (SEIFERT 1997a, 186)<br />

Hierdurch werden Verlauf und Qualität der Interaktion wesentlich mitbestimmt. Sogenanntes<br />

„auffälliges Verhalten“ kann beispielsweise als Ergebnis sozialer Interaktion<br />

verstanden werden, welches durch Interaktion hervorgerufen wird und auch wieder<br />

veränderbar <strong>ist</strong> (vgl. a.a.O., 188). Konflikte beispielsweise im Subsystem Eltern-<br />

Betreuer können zur Belastung des Bewohners führen, der sozusagen „dazwischen“<br />

steht und mit entsprechendem Verhalten nach Lösungen sucht.<br />

Wechselt eine Person aus seinem bisherigen Lebensbereich in einen anderen (z.B.<br />

durch einen Auszug aus dem Elternhaus), findet ein sogenannter „ökologischer Übergang“<br />

statt:<br />

Ein ökologischer Übergang findet statt, <strong>wenn</strong> eine Person ihre Position in der ökologisch<br />

verstandenen Umwelt durch einen Wechsel ihrer Rolle, ihres Lebensbereiches<br />

oder beider verändert. (BRONFENBRENNER<br />

1981, 43)<br />

Solche Übergänge finden das ganze Leben lang auf allen Systemebenen statt und sind<br />

der Anstoß zu einem neuen Entwicklungsprozess (vgl. ebd.). Damit wird der ursprüngliche<br />

Lebensbereich um weitere Mikrosysteme erweitert. Neue Rollen, verstanden als<br />

ein Satz von Verhaltensweisen und Erwartungen, die mit einer Stellung in der Gesellschaft<br />

assoziiert werden (BRONFENBRENNER 1981, 41) kommen hinzu. So wird zum<br />

Beispiel aus dem „Kind der Familie“ zusätzlich „der Bewohner der Wohngruppe“. Es<br />

folgt ein Prozeß gegenseitiger Anpassung zwischen Organismus und Umgebung.<br />

(BRONFENBRENNER 1981, 43)<br />

14


1.2.2 Die Ebene der Meso- und Exosysteme<br />

Mit der Mesosystemebene steigt die Komplexität der Umwelt:<br />

Ein Mesosystem umfaßt die Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an<br />

denen die sich entwickelnde Person aktiv beteiligt <strong>ist</strong>.[...]Ein Mesosystem <strong>ist</strong> somit ein<br />

System von mehreren Mikrosystemen. (BRONFENBRENNER 1981, 41)<br />

Dies könnten bezogen auf diese Arbeit die Beziehungen zwischen dem Bewohner und<br />

seinem Elternhaus, seiner Wohngruppe und der Werkstatt sein. Gleichzeitig stellen die<br />

Wechselwirkungen zwischen Betreuern und den Eltern oder zwischen Wohnhaus und<br />

Werkstatt ebenfalls Mesosysteme dar (vgl. SEIFERT 1997a, 195) und beeinflussen die<br />

Entwicklung des Menschen mit Behinderung. Herrscht Kooperation zwischen Eltern<br />

und Mitarbeitern der Einrichtung, wird dies andere Auswirkungen auf den Bewohner<br />

haben, als <strong>wenn</strong> zwischen beiden Mikrosystemen Konkurrenzdenken besteht (vgl.<br />

auch Kap 3.3 dieser Arbeit).<br />

Während die jeweils fokussierte Person auf der Mesosystemebene direkten handelnden<br />

Einfluss nimmt, <strong>ist</strong> sie an der Exosystemebene nicht aktiv beteiligt. Dennoch bestehen<br />

relevante Einwirkungen:<br />

Unter Exosystem verstehen wir einen Lebensbereich oder mehrere Lebensbereiche,<br />

an denen die sich entwickelnde Person nicht selbst beteiligt <strong>ist</strong>, in denen aber Ereignisse<br />

stattfinden, die beeinflussen, was in ihrem Lebensbereich geschieht, oder die<br />

davon beeinflußt werden. (BRONFENBRENNER 1981, 42)<br />

Dies könnten beispielsweise für einen Bewohner die Teamebenen von Gruppenmitarbeitern<br />

und Hausleitung sein, in denen Absprachen getroffen werden, Vorschriften mitgeteilt<br />

werden oder Ähnliches, sofern hier keine Mitsprache von Bewohnern möglich<br />

<strong>ist</strong>.<br />

Mikro-, Meso- und Exosystem sind wiederum in zwei übergeordnete Systemebenen<br />

eingebettet.<br />

1.2.3 Makro- und Chronosystem<br />

Der Begriff des Makrosystems bezieht sich auf die grundsätzlich formale und inhaltliche<br />

Ähnlichkeit der Systeme niedrigerer Ordnung (Mikro-, Meso- und Exo-), die in der<br />

Subkultur oder der ganzen Kultur bestehen oder bestehen könnten, einschließlich der<br />

15


ihnen zugrunde liegenden Weltanschauungen und Ideologien. (BRONFENBRENNER<br />

1981, 42)<br />

SEIFERT (1997a) stellt fest, dass BRONFENBRENNERs Definition hier sehr allgemein<br />

gehalten <strong>ist</strong>. Seine Beschreibung zielt auf das gesamte Gesellschaftssystem, in welche<br />

die oben beschriebenen Teilsysteme eingebettet sind. Ökonomische, kulturelle, technologische,<br />

rechtliche und politische Bedingungen einer Gesellschaft spielen hier eine<br />

Rolle. Bezogen auf das Thema dieser Arbeit ließe sich konkretisieren: ethische Positionen<br />

einer Gesellschaft bezüglich „Behinderung“, gesellschaftliche Rollenmuster zu<br />

„Elternschaft eines behinderten Kindes“, sozialrechtliche Bestimmungen, welche zum<br />

Beispiel Auswirkungen auf die Wohnmöglichkeiten von (schwer-) behinderten Menschen<br />

haben, Ausbildungsstandards des Personals, Barrierefreiheit des Lebensraumes<br />

und vieles mehr (vgl. SEIFERT 1997a, 196f). Die Rahmenbedingungen für <strong>Normal</strong>isierung<br />

und Lebensqualität, Mitbestimmung und Teilhabe werden hier geschaffen.<br />

Hinzu kommt die Ebene des Chronosystems, mit der BRONFENBRENNER ergänzend<br />

die Zeitdimension einführte. Diese <strong>ist</strong> für das Verständnis von Entwicklungsprozessen<br />

(wie z.B. Ablösung aus dem Elternhaus oder Einzug und Eingewöhnung in eine Wohneinrichtung)<br />

unabdingbar. Nach PETZOLD wird mit dieser Ebene nun auch die Entwicklung<br />

familiärer Zusammenhänge in Abhängigkeit vom Alter beschreibbar (vgl.<br />

PETZOLD 2001).<br />

Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich der theoretische Bezugsrahmen<br />

für diese Arbeit. Ein Konzept zur Ablösebegleitung in Anlehnung an eine systemischökologische<br />

Perspektive sollte sowohl Mitarbeiter, als auch Eltern und den neuen Bewohner,<br />

sowie die bereits vorhandenen weiteren Strukturen berücksichtigen. Dabei<br />

geht es nicht um die einzelnen Personengruppen, sondern um die Mesosysteme, die<br />

sie bilden und ihre Einbettung in das Makrosystem unserer Gesellschaft. Mit einem<br />

Auszug aus dem Elternhaus in eine Wohneinrichtung ergibt sich die Notwendigkeit,<br />

zwei Mikrosysteme miteinander in ein Gleichgewicht zu bringen. In diesem Sinne gilt<br />

es, das Modell BRONFENBRENNERs in den weiteren Ausführungen im Hinterkopf zu<br />

behalten.<br />

1.3 Exkurs: Behinderung aus öko-systemischer Sicht<br />

Folgende Ausführungen sollen die Auswirkungen einer systemisch-ökologischen Perspektive<br />

auf das Phänomen „Behinderung“ aufzeigen. Das Verständnis von „Behinderung“<br />

<strong>ist</strong> kultur- und beziehungsabhängig und wirkt ebenso auf das Leben der als behindert<br />

wahrgenommenen Menschen, wie die soziale Umwelt mit ihren Norm- und<br />

16


Sanktionssystemen (vgl. SPECK 1997a, 62; sowie die Ausführungen aus Kap. 1.2).<br />

Mit der Veränderung dieser Sichtweisen wiederum können sich auch Rollen und Chancen<br />

der betroffenen Menschen verändern. Somit <strong>ist</strong> es Aufgabe der Ge<strong>ist</strong>igbehindertenpädagogik,<br />

die Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung zum Subjekt ihres Denkens<br />

und Handelns (FORNEFELD 2000, 162) zu machen. Dazu <strong>ist</strong> es nötig, ihre Lebensräume<br />

und -ansprüche zu „normalisieren“, ihnen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung<br />

zu geben und ihnen die Ass<strong>ist</strong>enz zu gewähren, welche sie zur Bewältigung ihres Lebens<br />

benötigen (vgl. FORNEFELD 2000, 162).<br />

Die Heil- und Sonderpädagogik verabschiedet sich von der einseitigen medizinischdefektologischen<br />

Sichtweise von „Ge<strong>ist</strong>iger Behinderung“, was nicht bedeutet, dass die<br />

medizinische Perspektive bedeutungslos wird. Vielmehr wird als Folge der systemischen<br />

Sichtweise versucht, Behinderung als ein Zusammenwirken verschiedener, den<br />

Menschen mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung umgebenden und beeinflussenden, Faktoren zu<br />

beschreiben. Damit nähert die Pädagogik sich der Komplexität des Phänomens „Behinderung“<br />

an. So erklärt beispielsweise SPECK, dass sich der Behinderungsbegriff<br />

aus verschiedenen Teilbegriffen zusammensetzt: einer organischen Schädigung (Zentralnervensystem),<br />

individuellen Persönlichkeitsfaktoren und aus sozialen Bedingungen<br />

und Einwirkungen. (SPECK 1997a, 40) Das Wechselspiel dieser Aspekte ergibt das,<br />

was als „Ge<strong>ist</strong>ige Behinderung“ bezeichnet wird (vgl. ebd.). Als beispielhaft kann hier<br />

das Verständnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dargelegt in der ICF 4 , gelten.<br />

Die WHO versucht hiermit eine gemeinsame standardisierte Sprache zur internationalen<br />

und interdisziplinären Kommunikation zur Verfügung zu stellen (vgl.<br />

FORNEFELD 2000, 47).<br />

Unter ‚Behinderung’ versteht die WHO die negative Wechselwirkung zwischen einer<br />

Person mit einem Gesundheitsproblem (ICD) und ihren Kontextfaktoren auf ihre Funktionsfähigkeit<br />

(insbesondere die Teilhabe an einem oder mehreren Lebensbereichen).<br />

(SCHUNTERMANN 2001, 23)<br />

Die ICF <strong>ist</strong> die Nachfolgerin der ICIDH 5 , wodurch das bisherige bio-psycho-soziale Modell<br />

deutlich erweitert wurde und die Lebenswirklichkeit der Betroffenen stärker berücksichtigt<br />

wird. Durch Berücksichtigung des Lebenshintergrundes und der Kontextfaktoren<br />

(wie physikalische Umweltfaktoren und soziale/ personenbezogene Faktoren) stehen<br />

nicht mehr ihre „Defizite“ im Vordergrund, sondern ihre individuellen Möglichkeiten,<br />

sowie ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Der Fokus richtet sich also stärker<br />

auf die sozialen Konsequenzen einer organischen Schädigung (vgl. SCHUNTERMANN<br />

2001, 23; FORNEFELD 2000, 47ff). Sozialpolitisch wirksam wurde diese Veränderung<br />

4 International Classification of Functioning, Disability and Health, verabschiedet im Mai 2001.<br />

5 International Classification of Impairment, Disability and Handicap von 1980.<br />

17


durch eine Veränderung der Maßnahmen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter<br />

Menschen (geregelt im neunten Sozialgesetzbuch [SGB IX]). Es gilt die Lebenswirklichkeit<br />

des Menschen mit Behinderung zu betrachten und vorhandene Hemmnisse<br />

abzubauen (gesellschaftlich, physikalisch und sozial), damit Teilhabe und Selbstbestimmung<br />

möglich wird. Konkret auf diese Arbeit bezogen hieße dies (z.B. mit dem<br />

Individuellen Hilfeplan) zu schauen, welche Faktoren beeinflussen den Ablöseprozess<br />

im Einzelnen und wo sind möglicherweise unterstützende Angebote nötig?<br />

18


2 Zentrale Aspekte zum Handlungsverständnis der profes-<br />

sionellen Begleiter in Wohneinrichtung<br />

2.1 Leitbilder der Heilpädagogik<br />

In der Heilpädagogik allgemein, hier in der Ge<strong>ist</strong>igbehindertenpädagogik wird seit geraumer<br />

Zeit von einem Perspektivenwechsel gesprochen (z.B. bei FORNEFELD 2000,<br />

47), welcher in den Leitgedanken <strong>Normal</strong>isierung, Selbstbestimmung, Empowerment<br />

und Integration zum Ausdruck kommt. Dies hat Auswirkungen auf das Handlungsverständnis<br />

von Mitarbeitern in Institutionen der Behindertenhilfe. In den folgenden Unterkapiteln<br />

werden diese Leitbilder kurz erläutert, um anschließend die Auswirkungen auf<br />

die professionelle Unterstützung von Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung darzustellen.<br />

2.1.1 <strong>Normal</strong>isierung<br />

Die Grundlage für den Perspektivenwechsel bildet seit den 1960er Jahren das sogenannte<br />

<strong>Normal</strong>isierungsprinzip. Dieses Prinzip (zurück gehend auf BANK-MIKKELSEN<br />

1959; NIRJE 1969; WOLFENSBERGER 1972) kann als umfassendes normatives Orientierungsprinzip<br />

für die soziale und pädagogische Gestaltung hu<strong>man</strong>er Lebensbedingungen<br />

für Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung bezeichnet werden (vgl. SPECK<br />

1997a, 162). Dabei geht es um die Gestaltung von Lebensbedingungen, wie sie in der<br />

jeweiligen Kultur, in welcher der Mensch mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung lebt, als „normal“ für<br />

die nichtbehinderten Mitglieder gelten.<br />

Das <strong>Normal</strong>isierungsprinzip bedeutet, dass <strong>man</strong> richtig handelt, <strong>wenn</strong> <strong>man</strong> für alle<br />

Menschen mit ge<strong>ist</strong>igen oder anderen Beeinträchtigungen oder Behinderungen Lebensmuster<br />

und alltägliche Lebensbedingungen schafft, welche den gewohnten Verhältnissen<br />

und Lebensumständen ihrer Gemeinschaft oder ihrer Kultur entsprechen<br />

oder ihnen so nah wie möglich kommen. (NIRJE zit. nach SPIEGEL 1999, 78)<br />

In Bezug auf den Zeitpunkt des Auszugs von Zuhause bedeutet dies zum Beispiel,<br />

dass junge Erwachsene mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung etwa im gleichen Alter ausziehen,<br />

wie dies bei Menschen ohne Behinderung (also ca. im Alter von 20-30 Jahren) der Fall<br />

<strong>ist</strong> (vgl. auch SEIFERT 1998, 164). Dazu findet sich bei PAPASTEFANOU (1997, 82f)<br />

allerdings der Hinweis, dass sich der Zeitpunkt des Auszugs junger Erwachsener ohne<br />

Behinderung nach hinten verschiebt, was teilweise auf sozio-ökonomische Faktoren<br />

zurückzuführen <strong>ist</strong> (s. auch schon bei WILLI 1987). Dennoch gehört das Verlassen des<br />

19


Elternhauses zur normalen Erfahrung im Ablauf des Lebenszyklus“ (NIRJE 1994 zit.<br />

nach SPIEGEL 1999, 79).<br />

Letztendlich <strong>ist</strong> das Ziel des <strong>Normal</strong>isierungsprinzips neben der Hu<strong>man</strong>isierung der<br />

Lebensbedingungen von Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung die Integration dieses<br />

Personenkreises in unsere Gesellschaft. Integration kann auf verschiedenen Ebenen<br />

stattfinden: räumlich, funktional, sozial, personal, gesellschaftlich und organisatorisch<br />

(vgl. SEIFERT 1997a, 27). So ließe sich beispielhaft die „personale Integration“ erläutern.<br />

Dazu schreibt SEIFERT:<br />

Das Privatleben wird, durch dem Lebensalter entsprechende persönliche Beziehungen<br />

zu nahestehenden Menschen, als emotional befriedigend erlebt. Im Erwachsenenalter<br />

beinhaltet dies ein möglichst selbstbestimmtes Leben außerhalb des Elternhauses.<br />

(SEIFERT 1997a, 28)<br />

Andere Aspekte der Integration beziehen sich auf die Rahmenbedingungen innerhalb<br />

einer Gesellschaft, wie zum Beispiel barrierefreie Stadtgestaltung, dass Wohneinrichtungen<br />

für Menschen mit Behinderung sich in „normalen“ Wohngebieten befinden oder<br />

rechtliche Maßgaben, die ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben von<br />

Menschen mit Behinderung ermöglichen sollen.<br />

WOLFENSBERGER erweiterte 1972 das <strong>Normal</strong>isierungsprinzip und definierte es als<br />

Aufwertung des sozialen Image (vgl. THIMM 1988 zit. nach SPIEGEL 1999, 80). Für<br />

ihn <strong>ist</strong> <strong>Normal</strong>isierung mit physischer und sozialer Integration gleich zu setzen, mit der<br />

Bedeutung einer schrittweisen Einführung in normale Lebenszusammenhänge und –<br />

bedingungen (vgl. SPECK 1997a, 163). In diesem Kontext ergänzt er das Prinzip um<br />

den Aspekt des „sozialen Ansehens“, was bedeutet, dass eine angesehene Rolle den<br />

Zugang in viele Lebensbereiche ermöglicht, was wiederum zu einer Kompetenzerweiterung<br />

führt. Dabei geht es aber nicht darum, Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung<br />

„normal“ zu machen 6 , sondern Menschen mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung ein „kulturell geachtetes<br />

Leben“ (d.h., einen anerkannten Platz in der Gesellschaft haben) zu ermöglichen<br />

und Hilfen so zu gestalten, dass sie Verselbstständigung anstatt Abhängigkeit<br />

fördern (vgl. SPIEGEL 1999, 76f; SPECK 1997a, 163f; SEIFERT 1997a, 38f;<br />

FORNEFELD 2000, 136f).<br />

KLAUSS (1995) und auch andere bemerken, dass zwar zur Zeit eine „<strong>Normal</strong>isierung<br />

des Lebenslaufes“ gefördert werde, allerdings größtenteils noch in einem geschlossenen<br />

System von Sondereinrichtungen. Das Ziel der Integration wird durch die Nutzung<br />

dieser Institutionen nur bedingt erreicht. Lebenswege von Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung<br />

ähneln zwar denen von Menschen ohne Behinderung, bleiben aber beson-<br />

6 Zum <strong>Normal</strong>isierungsprinzip und seinen Missverständnissen sei auf den gleichnamigen Artikel von<br />

NIRJE & PERRIN in HAHN u.a. (Hrsg.): WISTA Experten-Hearing 1993. Reutlingen 1994 verwiesen.<br />

20


ders. Mit der <strong>Normal</strong>isierung des Lebenslaufes eröffnet sich den <strong>Familien</strong> die Möglichkeit,<br />

eine Lebensplanung gemäß dem Leben von <strong>Familien</strong> ohne behindertes Mitglied<br />

zu gestalten: nach der Schule erfolgt der Eintritt in das Arbeitsleben und zugleich bietet<br />

sich die Gelegenheit, einen Auszug aus dem Elternhaus in dieser Lebensphase in Betracht<br />

zu ziehen. Dies entspricht auch meiner Feststellung aus Gesprächen mit Betroffenen,<br />

dass immer mehr Eltern eines behinderten Kindes auch eine „<strong>Normal</strong>isierung“<br />

ihrer eigenen Lebensplanung in Betracht ziehen und nicht lebenslang ihre Tochter/<br />

ihren Sohn mit einer Behinderung zuhause versorgen wollen.<br />

2.1.2 Autonomie und Selbstbestimmung<br />

Jedes Menschenkind wird in einem Zustand völliger Abhängigkeit geboren. Mit fortschreitender<br />

Erziehung und Bildung löst es sich allmählich von seinen sozialen Stützen<br />

und Trägern und wird zunehmend selbständig. (SPECK 1997a, 63)<br />

Das im vorangegangenen Abschnitt thematisierte <strong>Normal</strong>isierungsprinzip befasst sich<br />

im Prinzip mit den äußeren Lebensumständen, der Stellung einer Person innerhalb<br />

einer Gesellschaft, seinen Lebensbedingungen inklusive einem altersgemäßen Lebensablauf.<br />

Selbstbestimmung und Autonomie hingegen beleuchten den Aspekt der<br />

Beziehung und der Interaktion des einzelnen Menschen (ob mit oder ohne Behinderung)<br />

zu anderen Personen, Institutionen und der Gesellschaft (vgl. auch HÄHNER<br />

1999, 129).<br />

Der Mensch entwickelt sich von anfänglicher großer Fremdbestimmung hin zu größtmöglicher<br />

Selbstbestimmung. Die Entwicklung des Menschen verläuft dabei von der<br />

anfänglichen totalen Symbiose mit der Mutter hin zu immer mehr „D<strong>ist</strong>anz“ (vgl.<br />

HÄHNER 1999, 124) Anders ausgedrückt: Menschliche Entwicklung <strong>ist</strong> auf Zuwachs<br />

an Autonomie angelegt, auch die Entwicklung von Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung!<br />

(HAHN 1994, 81). KANT betrachtet das Streben nach Autonomie als von Anfang<br />

an vorhandenen Anspruch des Menschen und als Grundvoraussetzung der Persönlichkeitsbildung<br />

(vgl. SPECK 1997b, 88). Diesen Anspruch auf Autonomie scheint ein<br />

Teil der Gesellschaft jedoch nicht allen Menschen zuzusprechen. Besonders Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung sind hiervon betroffen. Dies reicht von der Aberkennung<br />

des „Person-Seins“, über Infantilisierung (Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung<br />

als „ewige <strong>Kinder</strong>“, die „nie erwachsen werden“), bis hin zu Einschätzungen als unmündig,<br />

unselbständig oder nicht-verantwortungsfähig (vgl. u.a. FORNEFELD 2000,<br />

150). SPECK zeigt auf, wohin es führen kann, <strong>wenn</strong> derartige Sichtweisen vorliegen,<br />

indem er erklärt:<br />

21


Der ge<strong>ist</strong>ig behinderte Mensch <strong>ist</strong> auch Person, d.h. Eigeninstanz für Werten und Handeln.<br />

Er <strong>ist</strong> Selbst und erfährt sich damit auch in Abgehobenheit von seiner Umwelt als<br />

„autonomes System“. Als Person erlebt er eigene Bedürfnisse, kann er seine Beeinträchtigung<br />

erkennen und bewerten, auf Einstellungen und Handlungen der anderen<br />

von seinem Selbstkonzept her antworten. Das Selbst konstituiert sich in der sozialen<br />

Interaktion. (...) Es wird gefährdet, (...), <strong>wenn</strong> die anderen sich nicht auf ihn, seine Bedürfnisse,<br />

seine Subjektivität und damit auf seine Autonomie (SPECK 1985, 1991) einstellen<br />

und einrichten. (SPECK 1997a, 62)<br />

Autonomie gehört also wesenhaft zum freien Menschen als „autopoietisches System“<br />

(d.h., sich selbst schaffend; nach MATURANA/ VARELA 1987, 55f; vgl. auch Kap. 1).<br />

Als autopoietische Einheit <strong>ist</strong> der Mensch auf Selbstorganisation angelegt. Daraus<br />

folgt, dass er Autonomie benötigt, um das je Eigene auszuprägen (SPECK 1997a, 74).<br />

Selbstbestimmung wird somit zum Mittel oder Prinzip, die eigene Autonomie zu leben.<br />

Selbstbestimmung (als Entscheidungsprozess) <strong>ist</strong> in diesem Zusammenhang nicht mit<br />

Selbstständigkeit (als Fähigkeit, Dinge physisch ausführen zu können) gleich zu setzen.<br />

Dies bedeutet, dass Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung zu Selbstbestimmung<br />

fähig sind, selbst dann, <strong>wenn</strong> sie Hilfen in Anspruch nehmen (müssen). Hierbei kommt<br />

zum Tragen, was HAHN als ein Mehr an sozialer Abhängigkeit bezeichnet (HAHN<br />

1981, 1994, 1997). Wie schon zu Anfang dieses Kapitels erwähnt, werden alle Menschen<br />

zunächst in einem Zustand der Abhängigkeit geboren. Zum Menschen gehört<br />

aber wesenhaft das Recht auf Selbstbestimmung, was ihn dazu veranlasst, von Anbeginn<br />

nach größtmöglicher Freiheit zu streben, da dies seinem Leben Sinnhaftigkeit<br />

verleiht und ihm Wohlbefinden vermittelt. Selbstbestimmung dient so im Wesentlichen<br />

der Bedürfnisbefriedigung (vgl. HAHN 1994, 81f). Da jeder Mensch aber in einem sozialen<br />

System lebt, kann er diese Bedürfnisse auch nur innerhalb dieses Systems befriedigen.<br />

Dazu muss er sich immer wieder in fremde Abhängigkeiten begeben (d.h.<br />

Fremdbestimmung zulassen). HAHN fasst diese Zusammenhänge zwischen Selbstbestimmung,<br />

Wohlbefinden und Abhängigkeit folgendermaßen zusammen:<br />

Zustände menschlichen Wohlbefindens gründen auf ein Ausgewogensein – im Sinne<br />

einer oszillierenden Balance – zwischen größtmöglicher verantwortbarer Unabhängigkeit<br />

und bedürfnisbezogener Abhängigkeit. Als realisierte Unabhängigkeit im oben genannten<br />

Sinne <strong>ist</strong> Selbstbestimmung eine unabdingbare Voraussetzung für menschliches<br />

Wohlbefinden. (HAHN 1994, 86)<br />

Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung können aufgrund ihrer in <strong>man</strong>chen Bereichen<br />

verzögerten Entwicklung einer größeren Abhängigkeit (an unterstützenden Hilfen) unterliegen,<br />

welche die Gefahr mit sich bringt, ungewollt mehr Fremdbestimmung zu erleben,<br />

als nötig. Sie sind in dem Maße zu Selbstbestimmung fähig, in dem ihnen die<br />

Kompetenzen dazu zugetraut und vermittelt werden. Ursache für <strong>man</strong>gelnde Selbstbestimmung<br />

<strong>ist</strong> also das „Mehr an sozialer Abhängigkeit“ und nicht die ge<strong>ist</strong>ige Behinderung<br />

an sich. Überbehütung und Infantilisierung können dazu führen, dass die Abhän-<br />

22


gigkeit erhalten und sogar verstärkt wird. Dies wiederum kann sich später negativ auf<br />

den Ablöseprozess auswirken. Hier wird deutlich, wie sehr Selbstbestimmung bei Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung von den gegebenen Rahmenbedingungen ihrer Umwelt<br />

(Erziehung, Sichtweisen, Art der Hilfen etc.) abhängig <strong>ist</strong> (vgl. HAHN 1994, 89;<br />

sowie Kapitel 1.2). SPECK betrachtet die Leitbegriffe Autonomie und Selbstbestimmung<br />

als wichtig für die Pädagogik im Zusammenhang mit dem Erwachsenwerden und<br />

Erwachsensein bei Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung: denn dieses <strong>ist</strong> schlechthin<br />

definiert als Anwendenkönnen persönlicher Kompetenz im Rahmen transpersonaler,<br />

sozial verbindender Normen und Werte (SPECK 1997a, 75).<br />

Die Dauer des Weges zu einem weitreichend selbstbestimmten Leben sieht KLAUSS<br />

mindestens bis zum Erwachsenwerden. Für ihn <strong>ist</strong> dieser Weg mit der Ablösung vom<br />

Elternhaus und der Gründung einer „eigenen Ex<strong>ist</strong>enz“ verbunden (vgl. KLAUSS 1997,<br />

37). Allerdings bemerkt er auch hierbei die Schwierigkeit für Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger<br />

Behinderung, welche sich aus der Abhängigkeit von zwei oft konkurrierenden Personengruppen<br />

ergibt: Eltern und professionelle Helfer (KLAUSS 1997, 37; s. auch Kap.<br />

3.3). Für ihn <strong>ist</strong> daher Autonomie eine Frage der individuellen Kompetenzen, der Interaktion<br />

(Unterstützung/ Zulassen) und struktureller Bedingungen (Zugänglichkeit von<br />

Ressourcen, gesellschaftliche Erlaubnisse etc.) (KLAUSS 1997, 38). Daraus ergibt<br />

sich, dass Selbstbestimmung bzw. der Umgang damit gelernt werden muss (eigentlich<br />

unabhängig von einer Behinderung), um später auch selbstbestimmt außerhalb des<br />

Elternhauses leben zu können. Nach SEIFERT erfordert der Leitgedanke der Selbstbestimmung<br />

in diesem Zusammenhang eine Veränderung der gegenwärtigen Versorgungsstrukturen,<br />

als auch eine Neugestaltung der Rolle der Betreuer (SEIFERT 1998,<br />

156; vgl. auch Kap. 2.2 dieser Arbeit).<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Selbstbestimmung eine Grundeigenschaft<br />

des Menschen <strong>ist</strong>, die jedem Menschen inne wohnt und zwar jeweils auf der Ebene,<br />

auf der er Handlungskompetenz besitzt oder entfalten kann. Dabei kommt es weniger<br />

auf den Grad der Behinderung als auf seine Lebensbedingungen an, die ihm Raum für<br />

eigene Entscheidungen bieten oder vorenthalten. ( SEIFERT 1998, 157) Dabei bedeutet<br />

Selbstbestimmung Entscheidungsfreiheit im Rahmen allgemeingültiger Regeln und<br />

unter Berücksichtigung der Freiheit der anderen.<br />

Unter diesem Aspekt <strong>ist</strong> auch das Empowerment-Konzept zu verstehen, welches im<br />

nächsten Kapitel näher betrachtet werden soll.<br />

23


2.1.3 Empowerment<br />

Das Konzept des „Empowerment“ (zu Deutsch: Selbstbemächtigung) stammt aus dem<br />

amerikanischen Sprachraum und wurde dort vornehmlich im Bereich der Sozialarbeit<br />

und Selbsthilfeinitiativen (z.B. Independent–Living-Bewegung) entwickelt.<br />

THEUNISSEN und PLAUTE beschreiben Empowerment als<br />

grundlegende Überlegung zur Persönlichkeitsentfaltung, Selbstbestimmung und Rechte<br />

– Perspektive ge<strong>ist</strong>ig behinderter Menschen, um Überlegungen zur pädagogischen<br />

Begegnung sowie um Prämissen zur Gestaltung von autonomie-fördernden und –<br />

sichernden Lebensräumen. (THEUNISSEN/ PLAUTE 1995, 8)<br />

Wie schon im Kapitel zuvor erwähnt, muss Selbstbestimmung vorbereitet und erlernt<br />

werden, was WILKEN auch als gesellschaftlichen Auftrag an die Pädagogik (erweiterbar<br />

auch auf den Bereich der Andragogik) versteht. In Bezug auf ROTH we<strong>ist</strong> sie darauf<br />

hin, dass Selbstbestimmung als globaler Befähigungsprozess im Laufe der persönlichen<br />

Entwicklung vom Individuum selbst gele<strong>ist</strong>et werden [muss] (WILKEN 1997, 44)<br />

und die Erziehung nur als Hilfe dienen kann und darf. Dies gelingt der Pädagogik umso<br />

besser, je mehr sie dafür Sorge trägt, dass<br />

Freiheit zur Selbstbestimmung am besten von klein auf vorbereitet wird, in dem jeder<br />

Bereich, den ein Kind selbst zu verantworten in der Lage <strong>ist</strong>, ... in seine Selbstverantwortung<br />

gegeben wird. Einübung in die Selbstbestimmung <strong>ist</strong> Voraussetzung für die<br />

Ermächtigung zur Selbstbestimmung. Jedes kleine Kind, das „etwas tun will“, jeder<br />

Jugendliche, der sich selbst wagt, setzen auf Produktivkräfte, die sie in sich selbst spüren.<br />

So <strong>ist</strong> Entwicklung (...) produktive Selbstgestaltung und die Erziehung muß darin<br />

ihr Ziel sehen, daß sie ihre Aufgabe in die Selbsterziehungs- und Selbstgestaltungskräfte<br />

des Individuums übergehen lässt. (ROTH 1971 zit. nach WILKEN 1997, 43)<br />

Das Neue am Empowermentgedanken <strong>ist</strong>, dass er den Menschen mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung<br />

als Experten in eigener Sache (THEUNISSEN/ PLAUTE 1995, 11) versteht,<br />

der seine Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt und sich dabei seiner eigenen<br />

Fähigkeiten bewusst wird, eigene Kräfte entwickelt und soziale Ressourcen nutzt. Damit<br />

wird die selbstbestimmte Bewältigung und Gestaltung des eigenen Lebens zur<br />

Leitperspektive dieses Ansatzes. Behinderte Menschen und ihre Angehörigen werden<br />

somit nicht mehr nur zu Empfängern von Fürsorge, Almosen, Ratschlägen und Hilfen,<br />

sondern gestalten diese wesentlich mit (vgl. THEUNISSEN/ PLAUTE 1995, 11f;<br />

THEUNISSEN 1997,.1). Professionelle Helfer werden hierbei nicht abgeschafft (wie es<br />

diesem Konzept oft unterstellt wird), aber ihnen kommt eine neue Rolle zu, in der sie<br />

den behinderten Menschen bei seiner Selbstbemächtigung unterstützen und ihn bei<br />

der Beschaffung von Ressourcen [...] unterstützen, die eine Lebensform in Selbstorganisation<br />

ermöglichen. (KEUPP 1990 zit. nach THEUNISSEN/ PLAUTE 1995, 13)<br />

24


Das Empowerment–Konzept betrachtet den Menschen mit seinen Bedürfnissen in seiner<br />

Lebenswelt und bezieht sich damit auf eine system-ökologische Sichtweise.<br />

THEUNISSEN und PLAUTE betonen, dass es für das Gelingen der „Selbstbemächtigung“<br />

wichtig <strong>ist</strong>, dass Vertrauen in die individuellen Ressourcen und Fähigkeiten des<br />

Menschen mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung besteht, eben dass er trotz seiner Behinderung<br />

auf der jeweiligen Stufe seiner Entwicklung kompetent <strong>ist</strong> (vgl. THEUNISSEN/ PLAUTE<br />

1995, 13). Hierin liegt auch eine Prüfung des Konzeptes hinsichtlich der Anwendbarkeit<br />

bei Menschen mit sog. schwerer ge<strong>ist</strong>iger Behinderung. Mehrere Autoren sehen eine<br />

Gefahr in der Überforderung, welche ebenso negative Auswirkungen wie eine Überbehütung<br />

hätte. THEUNISSEN und PLAUTE sehen die Notwendigkeit, dass dieses Konzept<br />

einer Modifikation für diesen Personenkreis bedarf und weisen darauf hin, dass<br />

eine Veränderung der Rahmenbedingungen und Hilfen zur Umsetzung wesentlich beitragen<br />

würde (vgl. THEUNISSEN/ PLAUTE 1995, 21). Zudem bemerken sie, dass<br />

Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung nicht von allein Selbstbemächtigung entwickeln,<br />

sondern dieses erst geweckt werden muss. Dies beinhaltet eine Identitätsarbeit, welche<br />

Interesse entdecken lässt, Bedürfnisse verdeutlicht und einen Sinn für die Realität<br />

in Bezug auf die Eigeneinschätzung vermittelt. Empowerment setzt also vielfältige<br />

Kernaspekte voraus (z.B. soziales Lernen, Kommunikation etc.), welche ebenso geschaffen<br />

und gefördert werden müssen (vgl. ebd.).<br />

Das Empowerment–Konzept hat auch hinsichtlich des Ablöseprozesses eine bedeutende<br />

Rolle. Die Befähigung, eigene Wünsche, Ressourcen und Kräfte zu entdecken<br />

<strong>ist</strong> eine Voraussetzung, um den Wunsch nach Ablösung entstehen lassen zu können.<br />

Gleichzeitig beinhaltet die systemische Sichtweise, die gesamte Familie mit einzubeziehen<br />

und auch sie bei der „Selbstbemächtigung“ zu unterstützen (vgl. hierzu auch die<br />

Ausführungen von SEIFERT 2001; ECKERT 2002, 107ff). Vorschläge dazu finden sich<br />

unter anderem auch bei THEUNISSEN und PLAUTE (vgl. THEUNISSEN/ PLAUTE<br />

1995, 38f).<br />

2.2 Der Ass<strong>ist</strong>enzbegriff: Eine Folge der Leitbilder<br />

Empowerment geht von dem Grundgedanken aus, daß professionelle Helfer nicht ‚<br />

für’ ihre Adressaten zu handeln oder zu sorgen hätten, sondern daß es ihre Aufgabe<br />

sei, Betroffene bei der Bewältigung eigener Angelegenheiten fachlich zu unterstützen<br />

sowie konsultativ zu begleiten. Notwendig <strong>ist</strong> hierzu eine veränderte professionelle<br />

Haltung (...). (THEUNISSEN 1997, 1)<br />

25


Diese veränderte Haltung drückt sich im Wandel des Verständnisses vom Betreuer<br />

zum Begleiter aus. Die Einführung eines Ass<strong>ist</strong>enzbegriffs, orientiert an den vorangegangenen<br />

Ausführungen, erfordert eine Neubewertung der eigenen Aufgaben und<br />

Kompetenzen, womit auch eine „<strong>Normal</strong>isierung“ der Kommunikationsstrukturen nötig<br />

wird (vgl. SACK 1999, 117; HÄHNER 1999, 128). Der betroffene Mensch selbst bestimmt<br />

im Ass<strong>ist</strong>enzmodell, welche Hilfen er benötigt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />

bildet dabei der dialogische (beziehungsweise trialogische) Austausch in der<br />

Arbeit mit den Betroffenen. Dabei lässt sich die Bedeutung des Dialogs mit HÄHNER<br />

wie folgt beschreiben: Dialog bedeutet offen zu sein, Positionen und Einstellungen zu<br />

verdeutlichen, sich gegeneinander abzugrenzen oder einen Konsens zu suchen.<br />

(HÄHNER 1999, 132). Ziel <strong>ist</strong> es, die Bedürfnisse herauszufinden, wobei alle Ausrucksmöglichkeiten<br />

auszuschöpfen sind (mit besonderem Blick auf den Personenkreis<br />

der Menschen mit schwerer Behinderung). Damit wird der „Ass<strong>ist</strong>ent“ vom „allwissenden“<br />

Betreuer zum Dolmetscher der Bedürfnisse mit entsprechend notwendigen Kompetenzen:<br />

Zuhören, Interpretieren, Entschlüsseln nonverbaler Willensäußerungen,<br />

sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zur Förderung eines individuellen Lebensstils des<br />

Menschen mit Behinderung. (NIEHOFF 1999, 53) Das bisherige Verständnis vom<br />

„Fach<strong>man</strong>n“ (oftmals unbewusst) ausgestattet mit großer Macht und alleiniger Kompetenz<br />

(sowohl gegenüber dem Menschen mit Behinderung als auch seinen Eltern) wird<br />

in Frage gestellt. Es gilt, sich als Teil der Interaktion wahrzunehmen und darin stattfindende<br />

Wechselwirkungen und deren Folgen zu verstehen. Ein Selbstverständnis als<br />

Begleiter erfordert von professionellen Helfern auch, Entscheidungsfreiheit zu gewähren<br />

und (Lebens-) Risiken zu zulassen, damit eigene Erfahrungen gemacht werden<br />

können. Dies führt in der Arbeit mit Menschen mit einer ge<strong>ist</strong>igen Behinderung zu einer<br />

verantwortungsvollen Gratwanderung zwischen soviel Selbstbestimmung wie möglich<br />

und soviel Unterstützung wie nötig, mit dem Ziel, sich immer weiter zurück zu nehmen.<br />

Die eigene Fachlichkeit und die Reflexion der angewendeten Methoden bleibt somit ein<br />

wichtiger Aspekt in der Begleitung.<br />

Dieser Umstellungsprozess löst dabei sicherlich auch Verunsicherung bei professionellen<br />

Helfern, aber auch Eltern aus. Dabei muss betont werden, dass es nicht um eine<br />

Laissez-faire-Haltung geht, sondern um verantwortungsvolles und reflektiertes „zur<br />

Seite stehen“. Ass<strong>ist</strong>enz setzt somit voraus, dass klare Rollenverteilungen und „Arbeitsaufträge“<br />

zwischen allen Beteiligten getroffen werden. Begleiten bedeutet als Folge<br />

daraus unter anderem Beraten und Anbieten von Wahlmöglichkeiten. Dabei muss<br />

klar sein, dass diese Veränderung des Handlungsselbstverständnisses innerhalb der<br />

eigenen Praxis Zeit braucht und eine intensive Auseinandersetzung mit den dahinterstehenden<br />

Einstellungen erfordert. Ebenso gilt es Überforderungen des Menschen mit<br />

26


Behinderung zu vermeiden beziehungsweise entsprechende Signale wahrzunehmen.<br />

Die hier vorgestellten Ausführungen können dabei nur einen „Anriss“ der Thematik in<br />

Hinblick auf das Hauptthema der Arbeit darstellen. Zur weiteren Vertiefung sei auf die<br />

Veröffentlichung von HÄHNER/ NIEHOFF/ SACK & WALTHER 1999 7 verwiesen.<br />

Wenn in den folgenden Ausführungen von „Betreuern“ die Rede <strong>ist</strong>, so gilt es, diesen<br />

Begriff im Sinne eines Synonyms für Ass<strong>ist</strong>ent oder Begleiter zu verstehen 8 .<br />

Die neue Sichtweise soll im Konzept der Ablösebegleitung berücksichtigt werden, um<br />

den individuellen Bedürfnissen des Menschen mit Behinderung und seiner Familie gerecht<br />

werden zu können. Psychosoziale Krisen im Ablöseprozess können in diesem<br />

Zusammenhang als individuelle Bewältigungsversuche im Spannungsfeld zwischen<br />

individuellen Bedürfnissen des Einzelnen und den „Erwartungen“ anderer Menschen<br />

(Eltern, Mitarbeiter) gesehen werden. Der systemische Gedanke, dass jeder Mensch<br />

seine Wahrnehmung der Umwelt hat, impliziert, dass er auch seinen persönlichen Lösungsweg<br />

innerhalb einer eigenen Zeitperspektive und aufgrund seiner Lebenserfahrung<br />

finden muss (vgl. auch THEUNISSEN 2000, 111ff). Ein Konzept kann nach diesem<br />

Handlungsverständnis nicht allgemeine „Lösungen“ anbieten, sondern seine Aufgabe<br />

besteht darin,<br />

einen Prozess anzuregen und zu unterstützen, indem Betroffene innerhalb sozialer<br />

Systeme bestimmte persönliche , organisatorische und gemeinschaftliche Ressourcen<br />

entdecken können, die sie befähigen, größere Kontrolle über ihr eigenes Leben (...)<br />

auszuüben und ihre Ziele zu erreichen. (STARK 1996 zit. nach THEUNISSEN 2000,<br />

109)<br />

Zu den heilpädagogischen Leitideen kommen sozialpolitische Rahmenbedingungen<br />

hinzu, die im Alltag einer Wohneinrichtung ebenso eine Rolle spielen und daher im<br />

Folgenden ausgeführt werden.<br />

2.3 Jur<strong>ist</strong>ische Rahmenbedingungen<br />

Einen wesentlichen Aspekt der Ablösung von Menschen mit Behinderung und einem<br />

Auszug in eine Wohneinrichtung stellt die Tatsache dar, dass damit der Wechsel von<br />

einem privaten in einen institutionellen Lebensraum vollzogen wird. Dieser Lebensraum<br />

„Institution“ <strong>ist</strong> durch eine Vielzahl von Gesetzen geregelt (Bundessozialhilfegesetz,<br />

Heimgesetz, Sozialgesetzbuch IX u.a.), welche Einfluss auf das Handeln innerhalb<br />

der Einrichtung nehmen. Die Vorschriften sichern und stärken die Rechte von<br />

7<br />

Vom Betreuer zum Begleiter. Eine Neuorientierung unter dem Paradigma der Selbstbestimmung. Marburg<br />

1999.<br />

8<br />

Er <strong>ist</strong> des weiteren abzugrenzen vom „gesetzlichen Betreuer“, auf welchen in Kapitel 2.3.2 näher eingegangen<br />

wird. Sollte dieser gemeint sein, so wird dies explizit erwähnt.<br />

27


Menschen mit Behinderung gegenüber einer Institution. Sie dienen auch der Darstellung<br />

des Handlungsauftrags von Wohneinrichtungen und der Qualitätssicherung. Dazu<br />

kommt der wichtige Komplex des Betreuungsrechts, sowie selbstverständlich das<br />

Grundgesetz. Der Alltag zeigt, dass hier immer wieder Erklärungs- und Diskussionsbedarf<br />

besteht, der im Interesse einer guten Zusammenarbeit zwischen Eltern und Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern ernst genommen werden sollte (SEIFERT 2001, 256).<br />

CRÄMER stellt fest, dass der Anspruch auf Selbstständigkeit sich unter anderem auch<br />

in der Wahrnehmung des Hausrechts, sowie aller mit dem Wohnen und Leben verbundener<br />

Rechte (CRÄMER 1990, 171) äußert.<br />

Deswegen <strong>ist</strong> es wichtig, dass alle Beteiligten diese Rechte kennen. Es <strong>ist</strong> meines Erachtens<br />

eine zentrale Aufgabe der Einrichtungen im Rahmen des Empowerment-<br />

Prozesses, ihre Bewohner auch über ihre Rechte aufzuklären 9 und sie gleichzeitig bei<br />

der Vertretung dieser Rechte gegenüber anderen zu bestärken und zu unterstützen,<br />

sofern dies gewünscht wird. Dies kann <strong>man</strong>chmal auch zu schwierigen Situationen im<br />

Alltag zwischen Betreuern und Eltern führen und diesen die Ablösung ihres Kindes<br />

sehr drastisch vor Augen führen. SEIFERT äußert den Eindruck, dass das Recht auf<br />

Selbstbestimmung für Menschen mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung überwiegend im Kreis der<br />

Fachleute erörtert wurde und Eltern das Gefühl vermittelt bekommen könnten, ihre<br />

<strong>Kinder</strong> falsch erzogen zu haben (vgl. SEIFERT 2001, 256). Auch aus der Selbstbestimmungsdiskussion<br />

folgende Gesetzesänderungen gelangen nicht immer bis zu den<br />

Eltern. Es erfordert daher sowohl fachliches Wissen über die Rechte des Bewohners,<br />

als auch Sensibilität und Verständnis bei der Vermittlung dieser Rechte gegenüber<br />

Eltern, damit es nicht zu Missverständnissen kommt und auch den Eltern Empowerment<br />

ermöglicht wird (vgl. auch SEIFERT 2001). Ein Beispiel aus meiner Praxiserfahrung<br />

soll das Dilemma des Interessenskonflikts von Mitarbeitern zwischen den Wünschen<br />

eines Bewohners und denen der Eltern exemplarisch verdeutlichen:<br />

Eine nach langer, schwerer Krankheit wieder genesene Bewohnerin möchte mit ihrem<br />

Lebensgefährten bei schönem Wetter und in Rücksprache mit den Mitarbeitern zusammen<br />

Ausflüge in die nähere Umgebung unternehmen oder mit ihrem E-Rollstuhl<br />

alleine von der Werkstatt Nachhause fahren. Sie hat mehrfach bewiesen, dass sie dazu<br />

in der Lage <strong>ist</strong> und hat immer ein Handy dabei. Aus Sorge, dies könnte für ihre<br />

Tochter eine zu große körperliche Belastung und Gefahr darstellen, verbietet die Mutter<br />

dies jedoch. Die Tochter widersetzt sich dem Willen ihrer Mutter, worauf es zum<br />

9 Zur Information von Menschen mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung über ihre Rechte und das Betreuungsrecht<br />

im Besonderen sei auf folgende zwei Quellen verwiesen: VON LOOZ, C: Selbstbestimmte Lebensführung<br />

und Betreuung – ein Widerspruch? In: Selbstbestimmung. Kongressbeiträge. Hrsg. von der Lebenshilfe<br />

f.M.m.g.B. e.V.. Marburg 1997 und BIFOS E.V. (Hrsg.): Wörterbuch für leichte Sprache. 3.überarb.<br />

Aufl. Kassel 2001.<br />

28


Streit kommt. In einem von der Bewohnerin angeregten Vermittlungsgespräch mit Unterstützung<br />

einer Mitarbeiterin <strong>ist</strong> die Mutter zu keinen Kompromissen bereit und beendet<br />

das Gespräch mit der Aussage „Ich bin die Betreuerin, deswegen darf ich das<br />

bestimmen. Das ich dazu kein Recht habe <strong>ist</strong> mir egal, schließlich habe ich mir schon<br />

genug Sorgen machen müssen!“ Hieraus wird die Ambivalenz solcher Situationen<br />

meines Erachtens sehr deutlich. Es zeigt sich, dass sowohl „Fachwissen“ als auch<br />

„diplomatisches Geschick“ zentrale Bedeutung in der alltäglichen Arbeit haben, um zu<br />

einer für alle befriedigenden Lösung zu kommen.<br />

Im Folgenden werden nun zunächst allgemeine sozialrechtliche Rahmenbedingungen<br />

dargestellt. Im Anschluss daran folgt eine kurze Einführung in die Problematik des<br />

Betreuungsrechts.<br />

2.3.1 Allgemeines<br />

Im Gesamtsystem der Eingliederungshilfen kann der Bereich Wohnen als Le<strong>ist</strong>ung zur<br />

sozialen Rehabilitation gesehen werden. Das Recht auf Maßnahmen zur Rehabilitation<br />

und Teilhabe ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) I und wird im SGB IX konkretisiert<br />

(vgl. § 10 SGB I; SGB IX; CLOERKES 2001, 37; ELLGER-RÜTTGARDT<br />

2001, 88ff; TRENK-HINTERBERGER 2002, 102).<br />

Dieser Anspruch auf Hilfe hat das Ziel, die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu<br />

bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, um dem Behinderten<br />

einen seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz in der Gemeinschaft,<br />

[...], zu sichern. (BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND<br />

SOZIALORDNUNG 1998, zit. nach ELLGER-RÜTTGARDT 2001, 88)<br />

Seit dem 01. August 2003 wird als Grundlage zur Le<strong>ist</strong>ungsentscheidung eingeschränkt<br />

auf den Bereich „Hilfen zum Wohnen“ ein neues Instrument verwendet, das<br />

sogenannte „Individuelle Hilfeplanverfahren des Landschaftsverbandes Rheinland“<br />

(IHP). Hiermit soll die inhaltliche Begründung der beantragten Le<strong>ist</strong>ungen geliefert<br />

werden, als Ergänzung zur medizinischen Diagnose und dem Sozialhilfegrundantrag.<br />

Gleichzeitig ersetzt dieses Manual die bisherigen „Entwicklungsberichte“ bei Bewohnern<br />

stationärer Einrichtungen. (vgl. Landschaftsverband 2003) Die wichtigsten Aspekte<br />

und die Bedeutung für den Alltag in Wohneinrichtungen können hier nur kurz skizziert<br />

werden. Eine umfassende Information findet sich auf der Internetseite des Landschaftsverbandes<br />

Rheinland (LVR).<br />

Das IHP findet in dieser Arbeit Erwähnung, weil der Aspekt der Beratung vor einem<br />

etwaigen Auszug stärker als bisher in Einrichtungen verlegt wird. Viele der gesammel-<br />

29


ten Informationen bieten Anknüpfungspunkte zur Unterstützung und Begleitung des<br />

Auszugs. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Fragebögen durch andere Methoden<br />

zur Beantwortung erweitert werden müssen, damit tatsächlich jeder Betroffene seine<br />

Wünsche herausfinden und formulieren kann (z.B. auch Menschen mit schwerer Behinderung).<br />

Dieser Aspekt wird im Handbuch nur am Rande erwähnt.<br />

In dem neuen Verfahren zeigt sich, dass sich auch in der Verwaltung ein „Perspektivenwechsel“<br />

vollzieht: Der Mensch mit Behinderung soll als Experte seiner Lebenssituation<br />

ganz wesentlich über die fachlichen Hilfen bestimmen, die ihm die Teilhabe am<br />

gesellschaftlichen Leben ermöglichen. (HANDBUCH ZUM IHP DES LVR 2003, 5) Dazu<br />

soll er von den Fachleuten Informationen über die Möglichkeiten bekommen, damit<br />

er tatsächlich eine Auswahl treffen kann. Diese sollen durch den Dialog über seine<br />

Wünsche, Ressourcen und Fähigkeiten die Beratung angemessen gestalten können.<br />

Es geht um „Verhandeln statt Behandeln“, ein gleichberechtigtes Planen des Unterstützungsbedarfs<br />

als Grundhaltung einer Zusammenarbeit zwischen professionellen<br />

Helfern und Betroffenen (vgl. HANDBUCH ZUM IHP DES LVR 2003, 9). Auch zeigt<br />

sich hier ein gewünschter Wandel des Selbstverständnisses von Mitarbeitern, wie er<br />

schon in Kapitel 2.2 angesprochen wurde: der Betreuer soll zum Begleiter werden.<br />

Darüber hinaus bleibt allerdings abzuwarten, ob das Individuelle Hilfeplanverfahren in<br />

der Praxis nur einer Kostenreduzierung dient oder tatsächlich zu einer Verbesserung<br />

der Unterstützung eines Lebens „so wie ich es will“ führen wird.<br />

Konkretisiert werden die Aufgaben von Einrichtungen zudem im Heimgesetz. 10 Es will<br />

sowohl die Bewohner schützen, als auch die Rechtsstellung und die Qualität der<br />

Betreuung und Pflege verbessern. Anforderungen an den Betrieb eines Heimes ergeben<br />

sich dabei aus Paragraph 11, wobei hier besonders auf die Sätze 1 und 2 aufmerksam<br />

gemacht werden soll. Träger und Leitung haben insbesondere die Aufgabe:<br />

1. Die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner<br />

vor Beeinträchtigung [zu]schützen,<br />

2. die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner [zu] wahren und fördern, insbesondere bei behinderten<br />

Menschen die sozialpädagogische Betreuung und heilpädagogische Förderung (...)<br />

[zu]gewährle<strong>ist</strong>en. ( Heimgesetz § 11, 2001)<br />

Dies kann unter anderem durch Beratungs- und (Erwachsenen-) Bildungsangebote<br />

geschehen, wobei Mitwirkungsmöglichkeiten der Bewohner eine wichtige Rolle spielen.<br />

Dazu <strong>ist</strong> es zudem nötig, den Mitarbeitern Möglichkeiten zu Weiterbildung zu geben.<br />

Beides stellt einen weiteren Hintergrund dieser Arbeit dar.<br />

10 In Bezug auf Bewohnerrechte im Heim allgemein sei auf die überarbeitete Broschüre des Bundesmin<strong>ist</strong>eriums<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2003): „Ihre Rechte als Heimbewohnerinnen und<br />

Heimbewohner“ hingewiesen.<br />

30


Im Folgenden wird nun das Betreuungsrecht explizit erläutert werden, da es sich hierbei<br />

um einen relevanten und zu thematisierenden Bereich während des Ablöseprozesses<br />

handelt.<br />

2.3.2 Das Betreuungsrecht<br />

Bis zur Volljährigkeit ihres Kindes übernehmen die Eltern im Rahmen ihres Sorgerechts<br />

die Unterstützung ihres behinderten Kindes bei rechtsverbindlichen Entscheidungen.<br />

Mit dem Erreichen der Volljährigkeit jedoch muss die rechtliche Vertretung<br />

durch die Einrichtung einer sogenannten „Betreuung“ abgesichert werden. Dies gilt<br />

unabhängig davon, ob diese Aufgabe durch die Eltern beziehungsweise andere Verwandte<br />

oder anderen Personen übernommen wird (vgl. HELLMANN 1995, 223). Im<br />

Rahmen eines Auszugs aus dem Elternhaus kann das Thema „Betreuung“ je nach<br />

Alter des einziehenden Bewohners (oder der Eltern) und weiteren Begleitumständen<br />

bedeutend werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei zunächst darauf hingewiesen,<br />

dass das Rechtsinstitut der „Betreuung“ nichts mit der Übernahme von pflegerischen<br />

und ähnlichen Dienstle<strong>ist</strong>ungen oder dem Ersetzen von sozialen Kontakten zu<br />

tun hat (vgl. RAACK/ THAR, 60). Vielmehr geht es darum, unter bestimmten Voraussetzungen<br />

einem volljährigen Menschen einen gesetzlichen Vertreter zu seiner Unterstützung<br />

zur Seite zu stellen. Die Voraussetzungen nach § 1896 BGB sind:<br />

1. Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, ge<strong>ist</strong>igen oder<br />

seelischen Behinderung<br />

2. sofern diese dazu führt, dass der Betroffene seine eigenen Angelegenheiten<br />

teilweise oder ganz nicht selbst erledigen kann<br />

3. und diese nicht durch einen Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter besorgt<br />

werden kann.<br />

Dabei werden die Wünsche des Betreuten bei der Auswahl seines Betreuers vorrangig<br />

berücksichtigt. Des weiteren sollen Eltern und sonstige Verwandte oder andere nahestehende<br />

Personen bei der Betreuerbestellung besonders berücksichtig werden (§<br />

1897 BGB). Mitarbeiter einer Einrichtung, in welcher der zu betreuende Mensch lebt,<br />

dürfen nicht zum Betreuer bestellt werden. Das Ziel der Betreuung lautet, dem betreuten<br />

Menschen ein selbstbestimmtes Leben unter Achtung seiner Grundrechte zu ermöglichen<br />

(RAACK/ THAR 2001, 25; vgl. auch § 1901 BGB, Satz 2). Dabei geht es<br />

darum, verbliebene Fähigkeiten des Betreuten zu berücksichtigen (Ressourcenorientierung)<br />

und stärker als früher auf seine individuellen Bedürfnisse einzugehen (vgl.<br />

TRENK-HINTERBERGER 2002, 258). Das Betreuungsrecht trat 1992 in Kraft und löste<br />

das alte Vormundschaftsrecht ab. Dieses schränkte die Persönlichkeitsrechte des<br />

31


Betreuten massiv ein, da der Wille des Vormunds über dem des sogenannten „Mündels“<br />

stand. Die Einrichtung einer Betreuung <strong>ist</strong> keine Entrechtung<br />

(JUSTIZMINISTERIUM NRW 2001, 8) und darf nur für die Aufgabenkreise erfolgen, in<br />

denen eine Betreuung erforderlich <strong>ist</strong> (TRENK-HINTERBERGER 2002, 259). Damit<br />

wird den Prinzipien der Selbstbestimmung und der Autonomie im Erwachsenenalter<br />

auch eine rechtliche Absicherung des Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung zur Seite<br />

gestellt. In der Praxis kann es vorkommen, dass Eltern ihrem Sohn/ ihrer Tochter eine<br />

solche Verantwortungsübernahme und weitreichende Selbstbestimmung nicht zutrauen,<br />

insbesondere, <strong>wenn</strong> eine schwerere Behinderung vorliegt (vgl. SEIFERT 2001,<br />

254). SEIFERT führt weiter aus, dass auch Eltern, welche die neuen Leitideen unterstützen<br />

und in ihr eigenes Handeln miteinbeziehen, die Realisierung eines Lebens<br />

nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen in Teilbereichen mit Ernst zu nehmenden<br />

Risiken verbunden sehen (vgl. SEIFERT 2001, 256). In diesem Sinne <strong>ist</strong> es wichtig,<br />

dass Eltern und Mitarbeiter einer Einrichtung zusammen arbeiten und auch Informationen<br />

und/oder Einschätzungen aus ihrer jeweiligen Perspektive austauschen (vgl.<br />

auch RAACK/ THAR 2001, 58; SEIFERT 2001, 256 ff). Oftmals erweitern sich gerade<br />

durch andere und neue Anforderungen innerhalb des Alltags einer Einrichtung die<br />

Kompetenzen des Betreuten (womit nicht ausgeschlossen werden soll, dass dies nicht<br />

auch im Elternhaus geschehen kann). Durch den Gruppenalltag werden Menschen mit<br />

einer ge<strong>ist</strong>igen Behinderung jedoch oftmals gefordert, selbstbewusster und selbstständiger<br />

zu werden, dies ergibt sich nicht zuletzt auch durch den gesetzlich gestellten Auftrag<br />

an Wohnheime (vgl. Kapitel 2.4.2). Letztlich hat der Betreuer ebenso wie jede<br />

heilpädagogische Unterstützung das Ziel, sich so weit als möglich „überflüssig“ zu machen,<br />

sofern dies möglich <strong>ist</strong> (vgl. hierzu § 1901, Satz 4 & 5,; sowie RAACK/ THAR<br />

2001, 61ff). Die Beschreibung der Unterstützung zum Wohl und gemäß dem Willen des<br />

betreuten Menschen (§1901 BGB) ermöglicht einen weiten Spielraum, da dies eine<br />

weit gefasste Formulierung darstellt. HELLMANN <strong>ist</strong> dabei der Meinung, dass dies<br />

auch bedeutet, die Wünsche des Betreuten im Rahmen der Zumutbarkeit bis zur erheblichen<br />

Selbstgefährdung auch zu befolgen (HELLMANN 1995, 226). Er führt weiter<br />

aus, dass Freiheit immer auch das Eingehen von (Lebens-) Risiken bedeutet, welche<br />

nichtbehinderte Menschen tagtäglich eingehen (a.a.O., 228). Menschen mit einer ge<strong>ist</strong>igen<br />

Behinderung können durch die (oft emotional begründete) Angst ihrer Eltern oder<br />

auch der Furcht vor Haftungsrisiken seitens der Mitarbeiter von „präventiver“ Einschränkung<br />

bedroht sein. Hier gilt es meiner Meinung nach, gemeinsam Mut zum „überlegten<br />

Risiko“ zu entwickeln und die Wahrnehmung der Selbstbestimmungsrechte<br />

als Teil des Empowerment und der Ablösung zu unterstützen. Im Rahmen dieses Prozesses<br />

(doch nicht nur dort) <strong>ist</strong> Diskussionsbereitschaft und Gesprächsführungskom-<br />

32


petenz ein wichtiger Aspekt der Arbeit in Einrichtungen, um sowohl Eltern als auch den<br />

Bewohner mit (ge<strong>ist</strong>iger) Behinderung beraten zu können.<br />

2.4 Beratung und Gesprächsführung als Aufgabe in Wohneinrichtungen<br />

Loslösung bedarf einer echten Entscheidung und einer Neuorientierung. Das erfordert<br />

Gespräche mit den Eltern darüber, daß sie sich das Loslassen ihres Kindes zugestehen<br />

können und – <strong>wenn</strong> möglich – Gespräche mit dem Behinderten, wie er sich seine<br />

Zukunft vorstellt, und wie sich sein Verhältnis zu den Eltern in Zukunft gestaltet.<br />

(KLAUSS 1988, 118)<br />

Hinzu kommt die Beobachtung von HENNICKE und BRADL, dass in <strong>Familien</strong> mit einem<br />

behinderten Kind Pubertät und Erwachsenwerden als einer der wichtigsten Auslöser<br />

von <strong>Familien</strong>krisen (im Sinne von psychischen Krisen) gesehen werden können<br />

(vgl. ALBRECHT und PRÜSER 1999, 371). Dabei sind Gespräche und Beratung Alltag<br />

in Einrichtungen. Es gibt Teamgespräche zur Planung und Reflexion des eigenen<br />

Handelns, problemzentrierte Gespräche mit Bewohnern, Eltern oder Kollegen, Moderationsgespräche<br />

zwischen Eltern und Betreuern oder Bewohner und Eltern. Die Komplexität<br />

der Anforderungen nimmt dabei zu, so dass KLAUSS (1998 11 ) feststellt, dass<br />

Gesprächsführung inzwischen eine notwendige sonderpädagogische Basiskompetenz<br />

<strong>ist</strong>, zu der entsprechendes Grundwissen gehört (vgl. KLAUSS 1998, 262ff) Dabei sind<br />

„normale“ Gespräche von einer Beratung zu unterscheiden. Beratung kann alltagssprachlich<br />

demnach verstanden werden als heterogene Handlungsformen,<br />

die sich als personenzentrierte Dienstle<strong>ist</strong>ungen oder als Weitergabe von problembezogenem<br />

Fachwissen an Institutionen oder Betriebseinheiten vollziehen. (KLEBER<br />

2001, 3)<br />

Im heilpädagogischen Alltag geht es dabei inzwischen oft nicht mehr um eine klientenzentrierte<br />

Beratung, sondern im Sinne der Ass<strong>ist</strong>enz um partnerschaftliche Planung<br />

von Unterstützungsangeboten oder das Verhandeln zwischen gegensätzlichen Positionen<br />

oder Interessen (vgl. KLAUSS 1998, 262). Professionelle Beratung versucht des<br />

weiteren<br />

beim Klienten einen aktiven Lernprozess in Gang zu bringen, der es ihm ermöglicht,<br />

eine neue Kompetenzeben für erfolgreichere und zufrieden stellendere Auseinandersetzung<br />

mit seinen Problemen und Schwierigkeiten zu gewinnen. (MUTZECK 2002,<br />

13)<br />

Dies entspricht wiederum dem Empowerment-Gedanken. Gesprächsführung sollte<br />

zudem unter Berücksichtigung einer systemischen Perspektive erfolgen, was bedeutet,<br />

11 Der Artikel bietet sich auch zur Vertiefung an: KLAUSS, T.: Gesprächsführung als sonderpädagogische<br />

Kompetenz. In: Ge<strong>ist</strong>ige Behinderung 37 (1998) 3, S. 262-286.<br />

33


dass der gesamte Systemhintergrund beachtet werden und die Interaktion in der Beratung<br />

horizontal verlaufen sollte:<br />

Horizontale Beratung meint Symmetrie, ‚Sich Beraten’, gemeinsames Handeln, partnerschaftliche<br />

Kooperation. Pädagogische Beratung <strong>ist</strong> aufgrund pädagogischer Leitideen<br />

einem horizontalen Beratungsmuster verpflichtet.<br />

(KLEBER 1983, zit. nach KLEBER 2001, 3)<br />

Als wesentliche Kommunikationskompetenzen können dabei die Beratervariablen nach<br />

ROGERS betrachtet werden:<br />

1. Akzeptanz des anderen, das bedeutet dem anderen bedingungslos Achtung<br />

und Respekt entgegen zu bringen<br />

2. Empathie, das bedeutet zu versuchen sich in den anderen mit seinen Gefühlen<br />

und Sichtweisen aufgrund seiner Erfahrung hinein zu versetzten<br />

3. und dabei „echt“ zu bleiben, das bedeutet Übereinstimmung zwischen verbalen<br />

Äußerungen und Äußerungen auf anderen Ebenen (wie z.B. Körpersprache) in<br />

Einklang zu bringen. (vgl. KLAUSS 1998, 262; MUTZECK 2002, 97)<br />

Darüber hinaus sollte versucht werden, „Allparteilichkeit“ herzustellen. Dies bedeutet:<br />

Im Gegensatz zu der nicht Stellung beziehenden ‚Überparteilichkeit’ beinhaltet dieses<br />

Prinzip, daß die echten Anliegen jedes <strong>Familien</strong>mitglieds zur Geltung kommen: Jeder<br />

hat gute Gründe für das, was er (nicht) tut.<br />

(KLAUSS 1993a, 312)<br />

Dies entspricht ebenfalls dem systemischen Ansatz, dass Handlungen eines jeden<br />

Systems aus seiner Sicht immer als sinnvoll anzusehen sind. Ich muss also zunächst<br />

den „Grund“, der hinter einer Handlung oder Aussage steht, verstehen, um lösungsorientiert<br />

beraten zu können. Dazu <strong>ist</strong> es sinnvoll emotionale Inhalte zu „spiegeln“, um sie<br />

so nochmals zu verdeutlichen beziehungsweise „wahrnehmbar“ zu machen. Hierbei<br />

kann eine „Analyse“ des Gesagten mit Hilfe des „Nachrichtenquadrats“ von SCHULZ<br />

VON THUN sinnvoll sein. Dieser geht davon aus, dass eine Aussage immer vier inhaltliche<br />

Aspekte enthält:<br />

1. Sachinhalt, das heißt, „objektiver“ Inhalt der Nachricht<br />

2. Selbstoffenbarung, das was ich von mir kundgebe (z.B. emotionale Inhalte)<br />

3. Beziehung, womit die Stellung der Kommunikationspartner zueinander gemeint<br />

<strong>ist</strong><br />

4. Appell, das wozu der Sprecher den anderen veranlassen möchte.<br />

Diese Aspekte sind immer feststellbar, <strong>wenn</strong> auch in unterschiedlicher Ausprägung.<br />

Hinzu kommt, dass Botschaften ausdrücklich formuliert oder indirekt enthalten sein<br />

können. Für eine Reflektion von Gesprächssituationen <strong>ist</strong> weiterhin die Einteilung in<br />

kongruente beziehungsweise inkongruente Nachrichten unter Einbezug nonverbaler<br />

Anteile zu beachten. Damit <strong>ist</strong> im Prinzip der ROGERsche Aspekt der Echtheit angesprochen.<br />

Eine Nachricht <strong>ist</strong> dann kongruent, <strong>wenn</strong> die vier Aspekte einer Äußerung<br />

34


dasselbe meinen. Dementsprechend wäre eine inkongruente Äußerung zum Beispiel<br />

der Satz „Sie sind tolle Eltern“ (Sachinhalt) mit einem ironischen Unterton (Selbstoffenbarung/<br />

Beziehung) (vgl. RETTER 2002, 272ff). Mit Hilfe der angesprochenen Grundaspekte<br />

der Gesprächsführung wird der Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />

aller Beteiligten und zur Vermeidung von Missverständnissen gelegt. Damit<br />

Gespräche effektiv verlaufen können, <strong>ist</strong> jedoch die Beachtung weiterer Faktoren wichtig.<br />

Dabei geht es vor allem um die Gestaltung von Rahmenbedingungen. Gespräche<br />

„zwischen Tür und Angel“ dienen der Kontaktpflege, für problembezogene Gespräche<br />

sind sie jedoch ungeeignet. Wichtig <strong>ist</strong> ebenfalls, eine Sprache zu verwenden, die der<br />

andere versteht. Dies bedeutet, mit einem Fach<strong>man</strong>n anders zu reden als mit Eltern<br />

oder einem Bewohner, nämlich jeweils auf „ihrer“ Sprachebene. Jeder Gesprächsanlass<br />

erfordert zudem einen eigenen (Zeit-) Rahmen mit entsprechenden methodischen<br />

Aspekten, um zum Beispiel den Bedürfnissen von Menschen mit (schwerer) Behinderung<br />

oder den jeweiligen Themen gerecht werden zu können. Hier <strong>ist</strong> als spezielle Methode<br />

besonders ein Ansatz hervor zu heben: Der Peer-Support/ das Peer-Counseling<br />

als Selbsthilfeansätze im Sinne von Betroffene beraten/unterstützen Betroffene. Diese<br />

Methode <strong>ist</strong> meines Erachtens besonders sinnvoll für die Arbeit des Heimbeirats. Es<br />

bedarf jedoch zur Ausübung einer derartigen Beratung gewisser Grundvoraussetzungen<br />

des Beraters und einer gezielten Ausbildung zum Peer-Counselor (z.B. VAN<br />

KANN/ DOOSE 1999). Nichtsdestotrotz enthält diese Methode viele Elemente, welche<br />

nach kurzer Einführung auch von nicht-ausgebildeten Menschen mit Behinderung angewendet<br />

werden können. Daher wird dieses Element im Konzept Eingang finden.<br />

Weitere Unterstützungsmöglichkeiten des Ablöse- und Entwicklungsprozesses bietet<br />

der Bereich der Erwachsenenbildung. Daher werden im folgenden Exkurs kurz grundlegende<br />

Aspekte zu diesem Thema dargestellt.<br />

2.5 Exkurs: Unterstützungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Erwachsenenbildung<br />

Diese Arbeit nennt als eine Zielgruppe den einziehenden erwachsenen Menschen mit<br />

Behinderung. Des Weiteren wurden die zentralen Gedanken ausgeführt, dass eine<br />

Begleitung in einer Wohneinrichtung unter den Aspekten der Ass<strong>ist</strong>enz und der Beratung<br />

stattfinden sollte. Ziel <strong>ist</strong> die Erlangung größtmöglicher Selbstbestimmung und<br />

Empowerment. Der Wohnraum eines Menschen <strong>ist</strong> zunächst ein Lebensraum, ein Ort<br />

der Entspannung, der Selbstverwirklichung und ähnliches. Dies bedeutet nicht, dass<br />

er nicht auch ein Lernort sein kann. So enthält zum Beispiel der Auszug aus dem El-<br />

35


ternhaus die Anforderung, sich einen neuen Lebensraum mit seinen eigenen Anforderungen<br />

anzueignen. Dazu kann das Erlernen neuer Kompetenzen und Fähigkeiten<br />

nötig sein. Eine Durchstrukturierung des Alltags aus rein erzieherischen Überlegungen<br />

<strong>ist</strong> meiner Meinung nach jedoch konträr zum Gedanken der <strong>Normal</strong>isierung (vgl. auch<br />

SACK 1999, 193). In der Praxis sollen Hilfeplanungen zusammen mit dem Bewohner<br />

erfolgen (vgl. Kap. 2.3.1). Unterstützungsangebote in einer Wohneinrichtung mit dem<br />

Ziel einer (Weiter-) Bildung sollten sich somit meines Erachtens nach an Prinzipien der<br />

Erwachsenenbildung orientieren. Diese <strong>ist</strong> egalitär, beruht auf Freiwilligkeit, vertraglicher<br />

Basis und inhaltlicher und zeitlicher Begrenzung (NIEHOFF 2000, 310). Für den<br />

Betreuer in einer Einrichtung bedeutet dies, den Menschen mit Behinderung Ernst zu<br />

nehmen und gut zu zuhören, um so dessen (Lern-)Bedürfnisse zu erfahren. Diese Orientierung<br />

entspricht auch dem systemischen Gedanken, dass jeder Mensch aktiver<br />

Gestalter seiner Entwicklung <strong>ist</strong>.<br />

Um Entscheidungen treffen zu können, muss der Mensch Wahlmöglichkeiten haben<br />

und Informationen zu diesen bekommen, damit er sie treffen kann. Bildung zu vermitteln<br />

<strong>ist</strong> zunächst primär Aufgabe der Schule. Allerdings hört Lernen nicht mit dem Verlassen<br />

der Schule auf. Die Erfordernis weiter zu lernen ergibt sich auch aus der Tatsache,<br />

dass sich unsere Gesellschaft und unsere Lebensbedingungen stetig im Wandel<br />

befinden. Ständig neue Anforderungen erfordern somit auch die Möglichkeit der Weiterbildung.<br />

Erwachsenenbildung hat in Bezug auf Menschen mit Behinderung die Aufgabe<br />

sie fortzubilden und Hilfestellung zur Selbstbestimmung und Lebensgestaltung zu<br />

geben (FORNEFELD 2000, 119) und beinhaltet ein<br />

umfassendes Angebot, das sich auf all die Lebensbereiche zu erstrecken hat, die für<br />

den Einzelnen in seiner sozialen Situation ex<strong>ist</strong>entiell bedeutsam sind (SPECK 1999,<br />

338) [...] Sie gibt Hilfen zur Identitätsentwicklung (Persönlichkeitsbildung), zur Ausbildung<br />

von Beziehungen zur Umwelt und zur Partizipation und Integration. (ebd.;<br />

Hervorhebungen im Original)<br />

Leider <strong>ist</strong> die Möglichkeit an Maßnahmen der Erwachsenenbildung teilzunehmen zur<br />

Zeit nicht für alle Menschen mit (schwerer) ge<strong>ist</strong>iger Behinderung selbstverständlich.<br />

Dies liegt auch an der Tatsache, dass es nicht genügend Erwachsenenbildungsstätten<br />

für diesen Personenkreis gibt. Somit muss dieser Bereich bis auf weiteres Teil möglicher<br />

Angebote einer Wohneinrichtung sein, auch <strong>wenn</strong> dies dem <strong>Normal</strong>isierungsprinzip<br />

widerspricht (vgl. auch THEUNISSEN 2001, 372). Ein praxisrelevanter Ansatz <strong>ist</strong><br />

zum Beispiel die „SIVUS-Methode“ zur Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung<br />

bei Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung (WALUJO/ MALMSTRÖM 1979)<br />

Des weiteren sei explizit auf die Methode der „Persönlichen Zukunftsplanung“ (s. z.B.<br />

bei VAN KAN/ DOOSE 2000) verwiesen:<br />

36


Persönliche Zukunftsplanung <strong>ist</strong> ein methodischer Ansatz, um mit Menschen mit und<br />

ohne Behinderung gemeinsam über ihre Zukunft nachzudenken, sich Ziele zu setzen<br />

und diese gemeinsam mit anderen konkret abzuarbeiten. (VAN KAN/ DOOSE 2000,<br />

74f)<br />

Auf diesem Ansatz basiert auch die Veröffentlichung „So möchte ich wohnen“ von<br />

GÖBEL (1998; leider vergriffen). Ebenso kann das „Individuelle Hilfeplanverfahren“ mit<br />

Hilfe dieser Methode durchgeführt werden. Aspekte dieser Ansätze 12 fließen daher in<br />

das zu entwickelnde Konzept zur Ablösebegleitung mit ein<br />

3 Der lange Weg bis zum Auszug aus dem Elternhaus<br />

In den vorangegangenen Kapiteln wurden Theorien der sogenannten Metaebene, sowie<br />

Handlungsleitgedanken und gesellschaftliche Rahmenbedingungen behandelt.<br />

Diese Erläuterungen dienen sozusagen als Hintergrund, um auf deren Basis Möglichkeiten<br />

der Begleitung der Ablösung vom Elternhaus in eine Wohneinrichtung zu entwickeln.<br />

In diesem Kapitel folgt nun eine Darstellung bedeutsamer, den Ablöseprozess<br />

und die Auszugsproblematik betreffender Aspekte. Es erscheint schon an dieser Stelle<br />

wichtig darauf hinzuweisen, dass diese Prozesse nicht zwangsläufig in jeder Familie<br />

gleich ablaufen, sondern, entsprechend dem systemischen Verständnis, jede diesen<br />

Prozess nach den eigenen Möglichkeiten be- und verarbeitet. Kooperation, Empowerment<br />

und <strong>Normal</strong>isierung sind hierbei Aspekte, welche sich nicht nur auf die Arbeit mit<br />

Menschen mit Behinderung beziehen, sondern auch in Bezug auf die Zusammenarbeit<br />

von Eltern und Fachleuten bedeutsam sind. Zunächst werde ich allgemeine Aspekte<br />

der Elternschaft eines behinderten Kindes darstellen, um dann speziell auf den Themenkreis<br />

Ablösung einzugehen. Abschließend wird das Spannungsfeld „Zusammenarbeit<br />

von Fachleuten und Eltern“ beleuchtet.<br />

3.1 Zum Verständnis der Elternschaft eines behinderten Kindes<br />

Die diesen Abschnitt begleitende Frage lautet, wie sich die Elternschaft bei einem Kind<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung möglicherweise von einer „normalen“ Elternschaft unterscheidet.<br />

Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den Auswirkungen für den Ablösepro-<br />

12 Die Seitenzahl dieser Arbeit <strong>ist</strong> begrenzt. Daher kann an dieser Stelle nur kurz auf die oben angeführten<br />

Methoden verwiesen werden. Zur weiteren Vertiefung sei auf die gut zusammenfassenden Veröffentlichungen<br />

der genannten Autoren verwiesen (s. Literaturverzeichnis).<br />

37


zess, auch hinsichtlich der Frage, wie sie (die Eltern) sich selbst verstehen und die<br />

Zukunft ihrer Familie sehen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Arbeit und die Begleitung<br />

des Loslösungsprozesses in Wohneinrichtungen. Durch den Einzug werden Mitarbeiter<br />

Teil des Ablöseprozesses. Je nachdem wie die Behinderung des Kindes verarbeitet<br />

wurde und im weiteren Entscheidungen für einen Auszug getroffen wurden<br />

wird die Zusammenarbeit beeinflusst.<br />

Grundsätzlich lässt sich die Geburt eines Kindes (hier im Besonderen: eines Kindes mit<br />

ge<strong>ist</strong>iger Behinderung) als „kritisches Lebensereignis“ im Leben der Eltern begreifen.<br />

Dabei soll kritisches Lebensereignis verstanden werden als Eingriff in das zu einem<br />

gegebenen Zeitpunkt aufgebaute Passungsgefüge zwischen Person und Umwelt.<br />

(FILIPP 1981, 9) Es beinhaltet die Veränderung in den üblichen Aktivitäten einer Person<br />

und eine Rollenveränderung (vgl. HULTSCH/ CORNELIUS 1981, 74). Mit der Geburt<br />

eines Kindes mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung werden die Eltern „gezwungen“ eine neue<br />

Rolle als sogenannte „Behinderteneltern“ (nach MEADOW/ MEADOW 1971, vgl. in<br />

CLOERKES 2001, 242) anzunehmen. Dabei werden sie in der Regel mit dieser Rolle<br />

konfrontiert, ohne sie frei gewählt zu haben (s. dazu auch BÖRNER 1997, 70). Die<br />

Eltern sind geprägt von der Gesellschaft in der sie leben, mit all den Vorurteilen und<br />

(vornehmlich negativen?) Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderung. Gefühlsmäßige<br />

Reaktionen der Eltern stehen in Wechselwirkung mit den Einstellungen in<br />

der Gesellschaft. (CLOERKES 2001, 238) Eine Neuorientierung wird erforderlich:<br />

Die Akzeptierung eines behinderten Kindes bedeutet eine grundlegende Veränderung<br />

des eigenen Lebensplanes der Eltern, des erhofften Lebensweges des Kindes und die<br />

Veränderung der Wertvorstellungen darüber, was ein Leben sinnvoll und lebenswert<br />

macht. (KLAUSS 1988, 116)<br />

In der Fachliteratur werden <strong>Familien</strong> mit behinderten <strong>Kinder</strong>n zum Beispiel als „Sonderfamilien“<br />

oder „behinderte <strong>Familien</strong>“ bezeichnet und die Elternschaft oft als „traditionslos“<br />

oder „lebenslang“ charakterisiert (vgl. CLOERKES 2001, 235; KLAUSS 1993a,<br />

49ff). Für den späteren Ablöseprozess <strong>ist</strong> unter anderem aber die Art und Weise, wie<br />

das Kind angenommen und dessen Behinderung verarbeitet wurde, von großer Bedeutung.<br />

Die Geburt eines behinderten Kindes bringt zunächst das System der Familie in<br />

ein Ungleichgewicht, welches ausbalanciert werden muss. Aus systemischer Sicht<br />

stellt dies eine „Störung“ des Systems dar. Das Mikrosystem ‚Familie’ wird um neue<br />

Subsysteme/ Beziehungen erweitert. Die Sichtweise, dass dies ausschließlich negative<br />

Folgen für das Selbstverständnis der Familie, ihr Leben und ihre Kompetenzen habe,<br />

greift jedoch zu kurz. Zwar kann es vorübergehend zu Desorganisationserscheinungen<br />

kommen, allerdings entstehen aus der Bewältigung und dem Umgang mit der Behinderung<br />

des Kindes me<strong>ist</strong> auch neue Kompetenzen (z.B. Organisationsfähigkeiten, neue<br />

38


Werteorientierungen etc.) BRADL beschreibt aus systemischer Sicht die Situation von<br />

<strong>Familien</strong> mit einem behinderten Kind in unserer Gesellschaft und stellt dabei fest, dass<br />

diese in erhöhtem Umfang psychosozialen Benachteiligungen und Belastungen unterliegen:<br />

a) Die Geburt eines Kindes stellt ein bedeutendes Streßsereignis für eine Familie dar;<br />

b) außerdem erbringen die üblichen Übergänge im Lebens- bzw. <strong>Familien</strong>zyklus (z.B.<br />

Schuleintritt) erneute Anforderungen; c) schließlich gibt es eine Reihe dauerhafter Anforderungen<br />

zeitlicher, finanzieller, psychischer oder zwischenmenschlicher Art<br />

[HENNICKE/BLEY]. (BRADL zit. nach ALBRECHT/ PRÜSER1999, 367)<br />

Ein behindertes Kind prägt somit das Leben der Familie auf entscheidende Weise.<br />

Auch heute sind es me<strong>ist</strong> noch die Mütter, welche sich die me<strong>ist</strong>e Zeit um die Betreuung<br />

und Versorgung des Kindes kümmern. SEIFERT spricht hier von einer doppelten<br />

Benachteiligung der Frauen: einerseits als Frau in der Mutterrolle allgemein, andererseits<br />

als „lebenslange“ Mutter eines behinderten Kindes. Dies führt in den me<strong>ist</strong>en Fällen<br />

zu Einschränkungen der persönlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten, wie Außenstehende<br />

dies oft als selbstverständlich voraussetzen (vgl. SEIFERT 1997b, 239;<br />

WOLF-STIEGEMEYER 2001). Gerade in Bezug auf die Ablöse- und Auszugsproblematik<br />

sehen sich viele Eltern immer noch mit der gesellschaftlichen Erwartung konfrontiert,<br />

lebenslang für ihr „Kind“ da sein zu müssen und in „ewiger“ Verantwortung der<br />

Versorgung zu stehen. BALZER und ROLLI kennzeichnen dies 1975 mit dem Begriff<br />

der „per<strong>man</strong>enten Elternschaft“ (vgl. KLAUSS 1997, 39). Allerdings kritisieren<br />

SELTZER und KRAUSS, dass dieser Begriff die Beziehung zwischen Eltern und Kind<br />

nicht beschreibt und dass die Beziehung weitaus flexibler sein dürfte, was Veränderungen<br />

dieser Beziehung im Laufe der Jahre betrifft (vgl. KLICPERA/ GASTEIGER-<br />

KLICPERA 1998, 109).<br />

Dabei lässt sich durchaus die Tendenz zu einer Forderung nach „<strong>Normal</strong>isierung“ der<br />

Elternschaft feststellen. Bei Eltern ohne behindertes Kind <strong>ist</strong> die Sichtweise, dass Eltern<br />

und auch hier im Besonderen die Mütter, in der Elternrolle keine lebenslange Aufgabe<br />

sehen, sondern den Wunsch auf ein „Leben nach der Elternschaft“ haben, schon<br />

länger zu beobachten (vgl. hierzu PAPSTEFANOU 1997; WILLI 1987). KLAUSS stellt<br />

in Bezug auf <strong>Familien</strong> mit einem Kind mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung fest, dass sich Eltern<br />

fragen: ‚Wann haben wir genug getan und ein Anrecht auf ein Leben als Ehepaar ohne<br />

<strong>Kinder</strong> wie andere auch, weil auch wir so normal leben wollen wie andere <strong>Familien</strong>?’<br />

und stellt klar: Sie haben ebenso wie ihre <strong>Kinder</strong> ein Recht auf ein eigenes Leben.<br />

(KLAUSS 1995, 445f). Er verwe<strong>ist</strong> auf das <strong>Normal</strong>isierungsprinzip und kommt zu dem<br />

Schluss: <strong>Normal</strong> <strong>ist</strong> aber, dass Menschen nicht lebenslang als <strong>Kinder</strong> leben, und dass<br />

Eltern nicht lebenslang <strong>Kinder</strong>betreuung als Aufgabe haben. (KLAUSS 1995, 445)<br />

SEIFERT stellt Tendenzen vieler jüngerer Eltern hinsichtlich einer Zukunftsplanung für<br />

39


ein „Leben so normal wie möglich“ fest. Wieder spielt ein verändertes Rollenverständnis<br />

der Mütter eine Rolle, die im Interesse ihrer eigenen Lebensplanung und Autonomie<br />

immer weniger zu einer lebenslangen Betreuung ihres Kindes bereit sind.<br />

(SEIFERT 1998, 165)<br />

Damit stellt sich automatisch die Frage, wo das erwachsen gewordene Kind später<br />

einmal leben kann beziehungsweise möchte. KLAUSS äußerte 1993 auf Basis einer<br />

Untersuchung der Lebenshilfe von 1987 die Vermutung, dass die Anzahl der Eltern, die<br />

sich an der Idee der <strong>Normal</strong>isierung orientieren und bewusst eine (räumliche) Ablösung<br />

von ihrem Kind im normalen (d.h. üblichen) Alter anstreben, zunehmen wird (vgl.<br />

KLAUSS 1993b, 244 und 1997, 39). Auch hierzu findet sich bei SEIFERT die Aussage<br />

einer jungen Mutter:<br />

[...] Wie wird mein Kind wohnen, wie wird mein Kind arbeiten, wo wird sein Platz sein,<br />

dass ich mich auch wieder rausziehen kann. Denn das <strong>ist</strong> mein Ziel, was ich auch ganz<br />

klar im Kopf hab: Ich werde nicht mein Leben lang mein Kind bei mir zu Hause behalten.<br />

(SEIFERT 1997b, 248)<br />

Die alles entscheidende Frage <strong>ist</strong>, ob und inwieweit sich die grundsätzlich Aufgabe der<br />

Eltern bei einem Kind mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung unterscheidet. Mit den Worten einer<br />

Mutter ausgedrückt:<br />

Wie auch immer Eltern den Erziehungsauftrag verstehen, sie erfüllen ihn mit der Absicht,<br />

ein Kind aus einer bestimmten ethischen, moralischen und religiösen Grundhaltung<br />

heraus lebenstüchtig zu machen. Wenn sie es eines Tages aus ihrer Obhut entlassen<br />

– oder es sich daraus entzieht – dann <strong>ist</strong> es in vielfältiger Hinsicht angelegt,<br />

ausgerichtet, in Teilbereichen fertig, <strong>ist</strong> nicht mehr unbeschriebenes Blatt. Dies gilt<br />

auch für unsere ge<strong>ist</strong>ig behinderten Söhne und Töchter. (TRAPPEN 1982, 18)<br />

Hinsichtlich der Folgen einer Ablösung mit folgendem Auszug meint sie:<br />

Auch Söhne und Töchter die das Elternhaus verlassen, bleiben uns zugehörig und wir<br />

bleiben für sie Vater und Mutter. Eltern sind nicht nur Erzeuger, Erzieher und Versorger,<br />

Eltern personifizieren auch Anfang, Herkunft, Geschichte. (TRAPPEN 1982, 19)<br />

Hier zeigt sich das Spannungsfeld in dem sich <strong>Familien</strong> mit einem behinderten Kind<br />

bewegen und welches nur allzu oft in der Diskussion um ihre Situation nicht genügend<br />

beachtet wird. Einerseits bleiben Eltern immer Eltern, egal wo ihr erwachsenes Kind<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung lebt. Andererseits haben sie, wie auch von KLAUSS postuliert,<br />

beide das Recht auf ein eigenes Leben entsprechend ihren Wünschen.<br />

40


3.2 Die Phase der Ablösung – Der Übergang vom Elternhaus in eine Einrichtung<br />

Ablösung <strong>ist</strong> mehr als ein Auszug aus dem Elternhaus. Sie verläuft auch nicht von heute<br />

auf morgen, sondern <strong>ist</strong> ein Prozess, welcher im Prinzip schon mit der Geburt beginnt<br />

und wahrscheinlich erst mit dem Tod der Eltern endet. Dies gilt meines Erachtens<br />

für Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen. Dennoch gibt es einige Besonderheiten<br />

in Bezug auf <strong>Familien</strong> mit einem behinderten Kind. Im Folgenden werden<br />

die wesentlichen Aspekte des Loslösungsprozesses in Bezug auf die Bedeutung für<br />

diese Arbeit dargestellt.<br />

3.2.1 Reifung als natürlicher Prozess<br />

Reifung <strong>ist</strong> ein natürlicher Prozess in der Entwicklung aller Lebewesen. Im Gegensatz<br />

zu den me<strong>ist</strong>en Lebewesen, bei denen dieser Prozess mit dem Erlangen der Fortpflanzungsreife<br />

abgeschlossen <strong>ist</strong>, gestaltet dieser sich beim Menschen ungleich komplexer.<br />

Das Kind muss in seiner Entwicklung zum Erwachsenen auf drei Ebenen „reifen“:<br />

1. Geschlechtsreife<br />

2. Psychische Reife<br />

3. Soziale Reife (vgl. WALTER 1985; LEMPP 1997).<br />

Eng mit dem Reifeprozess <strong>ist</strong> die Phase der Ablösung verbunden, sie gilt sozusagen<br />

als vorläufiger Abschluss dieses Prozesses. Mit der Ablösung überschreiten die Jugendlichen<br />

eine Entwicklungsgrenze hin zum erwachsenen Menschen. Diese Übergangsphase<br />

wird Adoleszenz genannt und beginnt mit der Pubertät (vgl. ZIMBARDO<br />

1995, 91). Sie <strong>ist</strong> gekennzeichnet durch verschiedene Umstrukturierungsprozesse,<br />

welche von den Jugendlichen als leidvoll erlebt, in der Entwicklungspsychologie allerdings<br />

als typische Krisenerscheinungen der Pubertät (und nicht als krankhaftes Phänomen<br />

wie in der Psychiatrie) betrachtet werden (vgl. FILIPP 1981, 131f; WALTER<br />

1985; PAPASTEFANOU 1999 u.a.). HURRELMANN unterscheidet diesen Prozess auf<br />

vier Ebenen, welche zeitlich aufeinander folgen:<br />

• Auf der psychologischen Ebene, indem sich die eigene Orientierung von Gefühlen<br />

nicht mehr vorrangig an den Eltern, sondern an anderen Bezugspersonen<br />

ausrichtet;<br />

• auf der kulturellen Ebene, indem ein persönlicher Lebensstil entwickelt wird, der<br />

sich von dem der Eltern unterscheiden kann;<br />

• auf der räumlichen Ebene, indem der Wohnstandort aus dem Elternhaus verlagert<br />

wird, und schließlich<br />

41


• auf der materiellen Ebene, indem die finanzielle und wirtschaftliche Selbstständigkeit<br />

erreicht und da-<br />

mit die finanzielle Abhängigkeit vom Elternhaus beendet wird. (HURRELMANN<br />

1999, 142)<br />

WALTER geht davon aus,<br />

dass ge<strong>ist</strong>ig behinderte <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in der Regel denselben schmerzhaften<br />

und stressvollen Umstrukturierungsprozess in Pubertät und Adoleszenz durchleben<br />

wie ihre nichtbehinderten Altersgenossen auch, allerdings me<strong>ist</strong> unter anderen Prämissen.<br />

In vielen Punkten sind sie den „normalen“ <strong>Kinder</strong>n gegenüber im Nachteil.<br />

(WALTER 1985, 26; vgl. auch WILKEN 1985; KLAUSS 1997, 40; LEMPP 1997, 31f)<br />

Dies bezieht sich sowohl einerseits auf die Einstellungen von Eltern, Erziehern und<br />

anderen, als auch konkret auf Aspekte, welche mit dem schon erwähnten „Mehr an<br />

sozialer Abhängigkeit“ zusammenhängen. Bei Menschen ohne Behinderung wird der<br />

Weg zu mehr Selbstständigkeit und Ablösung im Gegensatz zu Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger<br />

Behinderung praktisch „von selbst“ vorbereitet. Eine Tabelle von KLAUSS soll dies<br />

verdeutlichen.<br />

42


Bedeutung für Menschen ohne<br />

Behinderung<br />

<strong>Kinder</strong>garten <strong>Kinder</strong> werden zunächst gebracht,<br />

gehen dann eigenständig. Anbahnung<br />

von Freundschaften<br />

Schule/<br />

Ausbildung<br />

Selbständiger Schulbesuch, Kontakte<br />

zu Schulkameraden auch außerhalb<br />

der Schule, erstes eigenes Geld<br />

(Taschengeld, Verdienst)<br />

Peergroups Überwiegend Kontakte ohne<br />

Elternkontrolle im Jugendalter,<br />

Herausbildung eigener Standpunkte<br />

Freizeit/ Urlaub Möglichkeit, eigene Unabhängigkeit<br />

und eigene Interessen zu erproben<br />

und zu realisieren<br />

Arbeit „Freie“ Wahl des Arbeitsplatzes<br />

ohne Vorgaben. Verdienst<br />

ermöglicht selbstbestimmtes<br />

Leben, Wohnen etc.<br />

Wohnen Der Zeitpunkt des Auszuges aus<br />

dem Elternhaus wird selbst<br />

bestimmt und erfolgt auf der<br />

Grundlage des eigenen<br />

Einkommens. Wohnort und<br />

Wohnungseinrichtung werden<br />

individuell (nach Geschmack)<br />

Leben als<br />

Erwachsene<br />

entschieden.<br />

Nach der Berufswahl sind<br />

<strong>Familien</strong>gründungen, <strong>Kinder</strong><br />

etc. möglich. Interessen werden<br />

jetzt selbst wahr-genommen,<br />

politische Rechte genutzt<br />

Vergleich äußerlich gleicher Lebensabschnitte<br />

Aus: KLAUSS, 1995, S. 448<br />

Während bei Jugendlichen ohne Behinderung die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit<br />

ab dem <strong>Kinder</strong>garten stetig zunimmt, haben Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung<br />

das Problem, immer von elterlicher Hilfe, Transportmöglichkeiten und örtlichen Gege-<br />

43<br />

Bedeutung für Menschen mit<br />

ge<strong>ist</strong>iger Behinderung<br />

<strong>Kinder</strong> lernen andere <strong>Kinder</strong> und<br />

Betreuer kennen, aber in der<br />

Regel <strong>ist</strong> ein Transport über<br />

größere Strecken notwendig.<br />

Geringer Zuwachs an<br />

Eigenständigkeit<br />

Neuer Bekanntenkreis, aber<br />

weiterhin Transporte notwendig,<br />

kaum Kontakte außerhalb der<br />

Schule, enge Absprachen<br />

Elternhaus/Schule, eventuell<br />

Taschengeld<br />

Jugendkontakte fast<br />

ausschließlich organisiert, beaufsichtigt,<br />

nicht direkt im<br />

Wohngebiet<br />

Urlaub nur mit Eltern oder<br />

organisiert möglich, bei erheblicher<br />

Behinderung im Kurzzeitheim<br />

mit voller Betreuung<br />

Arbeitsmöglichkeit in der Regel<br />

nur in der regionalen Werkstatt<br />

für Behinderte oder in deren<br />

Fördergruppe, geringes Einkommen,<br />

das kein eigenständiges<br />

Leben ermöglicht<br />

Zeitpunkt des Auszuges <strong>ist</strong> me<strong>ist</strong><br />

fremdbestimmt (durch Eltern,<br />

Fachleute, unter Behördenmitwirkung),<br />

ebenso Ort und<br />

Grad der Eigenständigkeit des<br />

Wohnens nach der <strong>Familien</strong>phase.<br />

Nur teilweise Mitsprache<br />

bei Wohnungsgestaltung<br />

Nur einzelne Menschen mit<br />

ge<strong>ist</strong>iger Behinderung leben<br />

alleine oder in Partnerschaft,<br />

nur ganz wenige haben <strong>Kinder</strong>.<br />

In der Regel leben sie als<br />

„erwachsenes Kind“ in der<br />

Familie oder kollektiv in einem<br />

Heim. Ihre Interessen werden<br />

durch andere vertreten, Betreuer,<br />

Eltern, Verbände


enheiten (Infrastruktur der Angebote) abhängig zu sein. LEMPP (1997) und KLAUSS<br />

(1995) verweisen darauf, dass nichtbehinderte <strong>Kinder</strong> sich eher selbst um ihren psychosozialen<br />

Fortschritt und Zuwachs an Selbstbestimmung bemühen. <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung hingegen müssen in dieser Hinsicht mehr angeregt<br />

und gefördert werden. Ein Problem liegt darin, dass bei Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger<br />

Behinderung die körperliche Reife me<strong>ist</strong> „normal“ verläuft, wohingegen die psychische<br />

und soziale Reife verlangsamt entwickelt wird (vgl. LEMPP 1997; WALTER 1985). Es<br />

gilt jedoch zu beachten, dass auch bei Nichtbehinderten eine asynchrone Abfolge dieser<br />

verschiedenen Prozesse festzustellen <strong>ist</strong> (vgl. WALTER 1985, 27;<br />

PAPASTEFANOU 1999). Hier verweisen die beiden genannten Autoren auf eine Entwicklung<br />

in den heutigen Industriegesellschaften, in welchen durch verlängerte Ausbildungszeiten<br />

und einem großen Angebot von Werten und Lebensperspektiven, die Reifung,<br />

Identitätsentwicklung und Ablösung erheblich erschwert und verzögert werden.<br />

Dennoch bleibt unstrittig, dass auch Jugendliche mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung in die normale<br />

Phase der Ablösungskrise gelangen und ihre Eltern damit konfrontiert werden.<br />

Diese Phase wird umso schwieriger erlebt, je schwerer die Behinderung des Jugendlichen<br />

<strong>ist</strong> (vgl. FEHLHABER 1987; KLAUSS 1988; 1995, 448).<br />

3.2.2 Der Prozess der Ablösung beginnt schon bei der Geburt<br />

Die erste Trennung bzw. Ablösung im Leben des Kindes erfolgt lange vor einem Auszug:<br />

es <strong>ist</strong> die Geburt. In der menschlichen Entwicklung kommt es zu weiteren Ablöseprozessen,<br />

wie dem Abstillen, Laufen lernen, erste Schritte, der Identitätsbildung und<br />

Abgrenzung von den Eltern im Kleinkindalter, Trennungsproblemen beim <strong>Kinder</strong>gartenund<br />

Schuleintritt, weiteren Abgrenzungen im Jugendalter und sind me<strong>ist</strong> über den Auszug<br />

hinaus ein die Familie begleitendes Thema (vgl. FISCHER 1997, 281). Kürzer gefasst<br />

könnte Ablösung wie folgt definiert werden: Ablösung umfasst alle Entwicklungen<br />

im Eltern-Kind-Verhältnis zu mehr Unabhängigkeit und Eigenständigkeit (KLAUSS<br />

1997, 39) und vollzieht sich schrittweise über einen längeren Zeitraum.<br />

Die Ablösungsphase in der Jugend <strong>ist</strong> dabei nicht nur eine Entwicklungsphase für den<br />

erwachsenwerdenden jungen Menschen, sondern fällt zusammen mit einer komplementären<br />

Entwicklungsphase der Eltern. Für beide Seiten bedeutet die Loslösung eine<br />

Phase der Des- und Neuorientierung und bildet sowohl für das Kind, als auch für die<br />

Eltern eine Identitätskrise. WILLI beschreibt die Entwicklung von Eltern und Kind als<br />

aufeinander bezogene koevolutive Prozesse (WILLI 1987, 54). Ungelöste Ablösungsprozesse<br />

der Jugendlichen behindern die Neuorientierung der Eltern ebenso, wie die<br />

44


ungelöste Neuorientierung der Eltern die Ablösung der <strong>Kinder</strong> behindert (vgl. ebd.).<br />

Dies erleben Mitarbeiter dann im Alltag und definieren es als „Ablöseprobleme“. <strong>Familien</strong><br />

mit einem ge<strong>ist</strong>ig behinderten Kind sind in dieser Phase besonders darauf angewiesen,<br />

„Signale“ des Ablösewunsches aus dem Verhalten zu erkennen. FEHLHABER<br />

berichtet zum Beispiel über auftretende „Verhaltensstörungen“, die <strong>man</strong>gelnde sprachliche<br />

Ausdrucksmöglichkeiten kompensieren. Das Streben nach größerer Eigenständigkeit<br />

äußert sich dann oft in personen- und situationsbezogenen Verhaltensweisen<br />

(z.B. Rückzug, Verweigerung, Auflehnung und Aggression), welche in der Regel in<br />

Abhängigkeit zu den engsten Bezugspersonen stehen (vgl. FEHLHABER 1987, 158).<br />

In diesem Zusammenhang stellt KLAUSS die These auf, dass es bei Menschen mit<br />

ge<strong>ist</strong>iger Behinderung me<strong>ist</strong> nicht um ein „Loslassen“, sondern ein „Weggeben“ geht.<br />

Im Gegensatz zu nichtbehinderten <strong>Kinder</strong>n, die me<strong>ist</strong> selbst weg wollen, würden <strong>Kinder</strong><br />

mit einer ge<strong>ist</strong>igen Behinderung kaum selbst von Zuhause weg streben (umso weniger,<br />

je schwerer die Behinderung <strong>ist</strong>). In seiner Untersuchung mit Eltern stellte er auf die<br />

Frage nach der Zukunftsplanung fest, dass weniger als fünf Prozent der Eltern wissen<br />

oder das Gefühl haben, ob oder dass ihr Kind eine Trennung will (vgl. KLAUSS 1993b,<br />

1995). Zu kritisieren <strong>ist</strong> hierbei allerdings, dass er nur Eltern befragt hat und nicht die<br />

Jugendlichen selbst. Außerdem lässt sich wohl eher sagen, dass je schwerer die Behinderung<br />

<strong>ist</strong>, es umso schwerer <strong>ist</strong>, Vermutungen über einen Auszugswunsch anzustellen.<br />

Dies würde auch den Ausführungen von FEHLHABER 1987 entsprechen. Hinzu<br />

kommt, dass es immer noch nicht genügend angemessene Wohnplätze für Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung gibt, so dass die Mehrzahl immer noch zuhause lebt<br />

(vgl. SEIFERT 1997a., 57).<br />

Eine weitere interessante Untersuchung veröffentlichten KLICPERA und KLICPERA-<br />

GASTEIGER 1998. Sie befragten sowohl Eltern (aus einem ländlichen und einem städtischen<br />

Gebiet Österreichs) als auch Betreuer (nur aus dem gleichen ländlichen Gebiet),<br />

unter anderem zu verschiedenen Einstellungen zum Thema „Ablösung eines<br />

ge<strong>ist</strong>ig behinderten Erwachsenen von den Eltern und Wohnen im Wohnheim“.<br />

Ablösung von Eltern<br />

auch für behinderte<br />

Menschen notwendig<br />

Angehörige in Südtirol<br />

Angehörige in Wien<br />

Betreuer in Südtirol<br />

Trifft zu<br />

sicher etwas eher nicht nicht<br />

27% 15% 13% 45%<br />

17% 17% 19% 47%<br />

49% 36% 8% 7%<br />

45


Gefahr zu geringer<br />

Selbständigkeit<br />

Angehörige in Südtirol<br />

Angehörige in Wien<br />

Betreuer in Südtirol<br />

Wohnheim kann nie<br />

richtiges Zuhause<br />

sein<br />

Angehörige in Südtirol<br />

Angehörige in Wien<br />

Betreuer in Südtirol<br />

Eltern behinderter<br />

Menschen haben<br />

Recht<br />

auf ruhigen Lebensabend<br />

Angehörige in Südtirol<br />

Angehörige in Wien<br />

Betreuer in Südtirol<br />

Trifft zu<br />

Sicher etwas eher nicht nicht<br />

47% 24% 6% 23%<br />

42% 20% 19% 19%<br />

48% 23% 21% 8%<br />

46% 20% 19% 16%<br />

73% 9% 9% 9%<br />

25% 23% 32% 20%<br />

26% 22% 19% 33%<br />

21% 18% 26% 35%<br />

45% 35% 11% 9%<br />

Einstellungen zu Ablösung eines ge<strong>ist</strong>ig behinderten Erwachsenen von den<br />

Eltern und zum Wohnen in einem Wohnheim bei Angehörigen ge<strong>ist</strong>ig<br />

behinderter Menschen in Südtirol und Wien sowie bei Behindertenbetreuern<br />

Aus: KLICPERA/ KLICPERA-GASTEIGER 1998, S.112<br />

Interessant <strong>ist</strong> dabei, dass Eltern zwar die Gefahr einer geringeren Selbstständigkeit<br />

ihres Kindes erkennen, diese aber in Kauf nehmen, da in ihren Augen ein Wohnheim<br />

nie ein richtiges Zuhause sein kann. Außerdem betrachten sie, im Gegensatz zur Meinung<br />

der Betreuer, ihre elterliche Verantwortung dem Kind gegenüber für wichtiger, als<br />

das Recht auf einen ruhigen Lebensabend. Es wäre interessant zu untersuchen, ob die<br />

gleichen Tendenzen auch in Deutschland fest zu stellen sind und somit die formulierte<br />

These der „<strong>Normal</strong>isierung der Elternschaft“ eher ein Konstrukt von Fachleuten und<br />

weniger der Eltern darstellt. Im Gegensatz zu KLAUSS (1995), der eine „<strong>Normal</strong>isierung“<br />

der Ablösung sieht und sich dabei auf die wachsende Belastung der Eltern und<br />

das Recht des Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung auf Erwachsenwerden bezieht,<br />

fordern sie (allerdings auf Österreich bezogen) nicht für jeden Erwachsenen mit ge<strong>ist</strong>iger<br />

Behinderung einen öffentlich geförderten Wohnplatz vorzusehen, sondern solche<br />

Hilfen auszubauen, welche einen Verbleib in der Familie ermöglichen. Beide Positio-<br />

46


nen haben ihre Berechtigung, wichtig bleibt das Recht auf Bereitstellung und Wahrnehmen-Können<br />

beider Möglichkeiten (vgl. KLAUSS 1995; KLICPERA/ KLICPERA-<br />

GASTEIGER 1998). Wie schon GUSKI und LANGLOTZ-BRUNNER festgestellt haben,<br />

müssen äußere und innere Bedingungen der Ablösung in Einklang stehen. Erschwerende<br />

äußere Bedingungen (wie begrenzte Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten, finanzielle<br />

Probleme, Schweregrad der Behinderung, gesellschaftliche Normen) nehmen<br />

ebenso Einfluss auf die Ablöseprozesse wie psychodynamische Prozesse innerhalb<br />

der Familie.<br />

Die Ablösung kann nur dann als gelungen bezeichnet werden, <strong>wenn</strong> die „innere“, das<br />

heißt emotionale Loslösung aus dem Schonraum Familie statt gefunden hat, ansonsten<br />

sind auch die günstigsten äußeren Bedingungen nicht hinreichend (vgl. GUSKI/<br />

LANGLOTZ-BRUNNER 1991, 38).<br />

Übertriebene Fürsorglichkeit und über Gebühr erweiterte „Schutzzonen“ behindern das<br />

Selbstständigwerden und die Autonomie. KRIEGER, die als Mutter und Vorstandsmitglied<br />

der Lebenshilfe e.V. mit dem Aufgabengebiet „Wohnheime“ betraut <strong>ist</strong>, berichtet<br />

über ein „Auszugs-Vorbereitungsprogramm“ für ausziehende <strong>Kinder</strong>. Ihre Schilderungen<br />

(auch über Erfahrungen mit ihrer eigenen Tochter) lassen den Schluss zu, dass<br />

der Auszugswunsch bei genügend Vorbereitung von selbst bei den erwachsen gewordenen<br />

Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung entsteht (vgl. KRIEGER 1982, 32ff).<br />

TRAPPEN stellt fest, dass immer mehr Eltern den Fachleuten zustimmen, dass Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung das Elternhaus ebenso als junge Erwachsene verlassen<br />

sollten, wie ihre nichtbehinderten Altersgenossen. Der Eintritt in die Werkstatt für<br />

Behinderte biete sich daher als Zeitpunkt des Auszugs an, da sie in diesem Alter besonders<br />

lernfähig seien und Veränderungen ihres Lebensumfeldes gut verarbeiten<br />

könnten (vgl. KRIEGER 1982; TRAPPEN 1982; FEHLHABER 1987; KLAUSS 1995;<br />

SEIFERT 1997a). Andererseits könnte ein Zusammenfallen beider Ereignisse vom<br />

Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung auch als Doppelbelastung empfunden werden, da<br />

zeitgleich zwei schwerwiegende Veränderungen in seinem Lebensbereich stattfinden<br />

würden.<br />

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Ablöseproblematik keine rein behindertenspezifische<br />

Thematik darstellt, sondern auch für <strong>Familien</strong> mit einem nichtbehinderten<br />

Kind eine Krise darstellt (vgl. hierzu besonders PAPASTEFANOU 1999).<br />

47


3.2.3 Die Bedeutung einer „erfolgreichen“ Trauerarbeit<br />

In Veröffentlichungen zum Thema Ablöseprozesse wird immer wieder darauf verwiesen,<br />

dass es zur erfolgreichen (im Sinne von abgeschlossen) Bewältigung dieses Prozesses<br />

von Nöten sei, dass die Eltern die Behinderung ihres Kindes verarbeitet haben.<br />

Trauerarbeit um das „imaginäre Kind“, das erträumte Wunschkind, <strong>ist</strong> notwendig, damit<br />

das behinderte Kind „als handelndes Subjekt mit individuellen Ressourcen und eigener<br />

Verantwortlichkeit“ (HENNICKE &BRADL 1990, 8) wahrgenommen werden kann, d.h.<br />

damit ihm als einem Menschen, der bei seinen Behinderungen doch einen eigenen<br />

Handlungsspielraum hat, begegnet werden kann. (ALBRECHT/ PRÜSER 1999, 368)<br />

Dies wird in der Literatur oft mit verschiedenen Phasen beschrieben (vgl. hierzu z.B.<br />

KERKHOFF 1981; JONAS 1989; SCHUCHHARDT 1996). In diesem Kontext wird oft<br />

vom Begriff der „Trauerarbeit“ gesprochen (in Anlehnung an KAST 1984). Sie hat den<br />

Verarbeitungsprozess der verschiedenen Phasen auf dem Weg zur Annahme der Behinderung<br />

mit diesem Begriff gekennzeichnet. Hierbei gilt die Behinderung als Verlust<br />

(eines erhofften/ erwarteten gesunden Kindes) und wird mit dem Verlust eines geliebten<br />

Menschen durch Tod verglichen. Nach KAST müssen währenddessen vier Phasen<br />

durchlaufen werden:<br />

1. Nichtwahrnehmung und Suchen<br />

2. aufbrechende chaotische Emotionen<br />

3. Suchen, Finden und Sich – Trennen<br />

4. Autonomieentwicklung als neuer Selbst- und Weltbezug. (vgl. CLOERKES<br />

2001, 240)<br />

Die Bedeutung solcher Modelle für Mitarbeiter einer Einrichtung liegt darin, dass sie<br />

sich mit deren Hilfe an die Situation einer Familie annähern können. Dabei bleibt nach<br />

CANACAKIS zu beachten<br />

Strukturen und Modelle werden in der Wissenschaft, auch in der Psychologie, benötigt<br />

und können wichtige Anhaltspunkte und Anregungen für die Praxis liefern. Man muss<br />

sich nur vor der blinden Übertragung auf den Menschen hüten, denn Gefühle lassen<br />

sich nun einmal nicht in Schablonen und Muster pressen. (CANACAKIS zit. nach<br />

HEER 2002)<br />

Nur <strong>wenn</strong> Trauerarbeit in ausreichender Weise gele<strong>ist</strong>et wird, können sich die Eltern<br />

realitätsgerecht verhalten (vgl. CLOERKES 2001, 240). Hingegen kann es bei ungele<strong>ist</strong>eter<br />

Trauerarbeit und „falscher“ Annahme der Behinderung zu einem Teufelskreis<br />

kommen. Beispielsweise kann anfängliche Ablehnung in Überbehütung als Wiedergutmachung<br />

umschlagen, wodurch das Kind massiv daran gehindert wird, selbstständiger<br />

zu werden. In Folge dessen kommt es auch nur sehr schwer zu einer Ablösung<br />

zwischen Eltern und Kind, da die Unselbstständigkeit des Kindes zu einer stärkeren<br />

Bindung an seine Bezugspersonen führt (vgl. GUSKI 1980, 136). Gelingt den Eltern<br />

48


dieser Annahmeprozess nicht, so kann das dazu führen, dass diese Krise als unbewältigte<br />

psychische Dauerbelastung die Familie in ihrem Erziehungs- und Sozialisationsprozess<br />

begleitet und die Ablösung dadurch erschwert wird (vgl. THEUNISSEN/<br />

PLAUTE 1995, 125). SEIFERT erläutert, welche Faktoren sich als positiv innerhalb des<br />

<strong>Familien</strong>systems erweisen, um die Behinderung des Kindes und mit ihr einher gehende<br />

Probleme bzw. Aufgaben besser zu bewältigen.<br />

Günstig <strong>ist</strong> ein <strong>Familien</strong>gefüge, in dem die Partnerbeziehung von Vater und Mutter intakt<br />

<strong>ist</strong>, wo die <strong>Kinder</strong> offen über ihre Probleme sprechen können, wo die Verantwortung<br />

für das behinderte Kind gemeinsam getragen wird und alle Beteiligten genügend<br />

Freiräume haben, eigenen Bedürfnissen nachzugehen. (SEIFERT 1997b, 244)<br />

KLAUSS beschreibt die Loslösung vom Elternhaus als Phase, in der die Eltern nun<br />

zum zweiten Mal Trauerarbeit zu le<strong>ist</strong>en haben. Nachdem die Eltern Abschied vom<br />

ersehnten „vollkommenen“ (d.h. nicht-behinderten) Kind nehmen und sich statt dessen<br />

auf ein Kind mit einer ge<strong>ist</strong>igen Behinderung einlassen mussten, wird nun von ihnen<br />

gefordert, ihr Kind als erwachsenen Menschen mit neuen Bedürfnissen wahr zu nehmen.<br />

Dies erfordert eine Neudefinition der Eltern-Kind-Beziehung (vgl. KLAUSS 1988,<br />

112f.). Die Ablösung mit einem Auszug aus dem Elternhaus kann somit nur dann erfolgreich<br />

verlaufen, <strong>wenn</strong> sich die Eltern und der junge Erwachsene aktiv mit dieser<br />

Entscheidung beschäftigt haben, ansonsten führt eine Nicht-Bewältigung dieser Krise<br />

wieder zu neuen Problemen (z.B. im Verhältnis zwischen Eltern und Betreuern). Des<br />

Weiteren muss beachtet werden, dass der Auszug unter Umständen ohne Initiative des<br />

Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung vorbereitet wird (z.B. bei schwerer Behinderung).<br />

In diesem Fall kommen noch eventuell Schuldgefühle der Art, sie würden ihr Kind abschieben<br />

und die Verantwortung abgeben, hinzu. Des Weiteren können Eheprobleme<br />

in Folge des Auszugs auftreten, da mit dem Wegfall der ständigen Betreuung mehr<br />

Raum für eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben einhergehen kann. Hieraus<br />

wird deutlich, wie wichtig begleitende Maßnahmen während der Ablösephase und<br />

vor einem Auszug sein können. Beiden, Eltern und erwachsenem Kind, muss dabei<br />

unter anderem klar werden, dass sie sich nicht gegenseitig verlieren, sondern die Eltern<br />

einerseits immer verantwortlich und ansprechbar bleiben und andererseits das<br />

Kind beziehungsweise der junge erwachsene Mensch seine Eltern als Bezugspartner<br />

behält (schon allein, weil diese einen Teil seiner Identität bilden). Dabei kommt es auch<br />

darauf an, wie sich die neuen Betreuer in dieser Phase gegenüber der Familie verhalten<br />

und bereit sind, Gesprächsmöglichkeiten anzubieten und auf Probleme einzugehen,<br />

anstatt sie zu verurteilen oder zu verharmlosen.<br />

49


Jeder erinnere sich daran, wie schwer es den eigenen Eltern fiel, als ihr Kind auszog<br />

und wie viel Heimweh <strong>man</strong> eventuell selbst anfangs hatte, woraus wiederum deutlich<br />

wird, dass Trauerarbeit auch in „nicht-behinderten“ <strong>Familien</strong> gele<strong>ist</strong>et werden muss.<br />

3.2.4 Der Auszug als normative Krise<br />

Zum Abschluss dieses Kapitels folgt nun eine Zusammenfassung der wesentlichen<br />

Aspekte des Ablöseprozesses für den speziellen Rahmen dieser Arbeit. Nach<br />

BRONFENBRENNER <strong>ist</strong> der Auszug aus dem Elternhaus als „ökologischer Übergang“<br />

zu verstehen. Dieser bringt immer auch eine Rollenveränderung mit sich (vgl.<br />

BRONFENBRENNER 1981, 22) In der Literatur wird die Loslösung des Menschen mit<br />

ge<strong>ist</strong>iger Behinderung zudem auch als kritisches Lebensereignis nach FILIPP bezeichnet<br />

(so z.B. bei KLAUSS 1988, 111) und als „zweite Krise“ der Familie beschrieben<br />

(nach der Geburt eines behinderten Kindes nun die Ablösung von der Familie; vgl. Kap<br />

3.1 dieser Arbeit). Zur Erinnerung: Als kritische Lebensereignisse werden dabei solche<br />

verstanden,<br />

die durch Veränderungen der (sozialen) Lebenssituation der Person gekennzeichnet<br />

sind und die mit entsprechenden Anpassungsle<strong>ist</strong>ungen durch die Person beantwortet<br />

werden müssen. (FILIPP 1981, 23)<br />

Es gibt normative (d.h. übliche) und nicht-normative Ereignisse, wobei die Ablösung<br />

allgemein und der Auszug im Besonderen als normativ gelten kann, das heißt, sie sind<br />

ein normaler Schritt in der Entwicklung der Familie. FILIPP we<strong>ist</strong> des weiteren darauf<br />

hin, dass solche kritischen Ereignisse<br />

nicht nur eine Gefahr für die Betroffenen im Sinne einer erhöhten Anfälligkeit für psychische<br />

und physische Störungen an sich, sondern (...) immer zugleich auch Chancen<br />

für Persönlichkeitsentfaltung und individuelle Weiterentwicklung [sein können]. (FILIPP<br />

1981 zit. nach THEUNISSEN/ PLAUTE 1995, 118)<br />

Daraus ergibt sich, dass für die Bewältigung dieses Prozesses die Art und Weise, wie<br />

diese Situation wahrgenommen und erlebt wird, von großer Bedeutung <strong>ist</strong>. So wird es<br />

wichtig, ob Eltern und erwachsen gewordenes Kind mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung die Ablösung<br />

als Herausforderung oder als Bedrohung sehen (vgl. auch THEUNISSEN/<br />

PLAUTE 1995, 118f). Hier wird deutlich, welche Rolle die Kontextfaktoren spielen: gibt<br />

es Ressourcen, auf welche die Familie zurückgreifen kann, sind Bewältigungsstrategien<br />

vorhanden, wurde das Kind mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung zur Selbstbestimmung und<br />

Selbstständigkeit hin erzogen?, sowie letztendlich: kam dieser Schritt vorbereitet oder<br />

unerwartet für beide Seiten? Zusätzlich kommt auch dem Umfeld der Familie (den die<br />

50


Familie umgebenden Systemen) eine wichtige Bedeutung zu. Relevant scheint hier<br />

unter anderem die Frage, wie dieser Schritt von außen gesehen, bewertet und unterstützt<br />

wird (sowohl psychisch wie organisatorisch). Ablösung findet also ebenso in der<br />

Entwicklung von Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung statt, allerdings kann die Wahrnehmung<br />

dieses Prozesses erschwert sein. Zudem kann die Ablösungskrise bei Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung zeitlich verzögert auftreten, was mit deren insgesamt<br />

verzögerten Entwicklung zusammenhängt (vgl. WALTER 1985, 26; FEHLHABER<br />

1987, 158).<br />

GUSKI we<strong>ist</strong> darauf hin, dass die (innere) Ablösung zwischen Eltern und Kind ein interaktiver<br />

Prozess <strong>ist</strong> (vgl. GUSKI 1980, 1991). Der Ablöseprozess nimmt logischerweise<br />

Einfluss auf die Systembedingungen der Familie und <strong>ist</strong> von diesen abhängig.<br />

Wenn das erwachsen gewordene Kind (ob mit oder ohne Behinderung) die Familie<br />

verlässt, erfordert dies erneut eine Reorganisation und Neubalancierung der Familie.<br />

BRAUN und LEITNER stellten 1976 drei wesentliche Folgen des Ablöseprozesses für<br />

die Familie (allerdings ohne Berücksichtigung einer Behinderung) fest:<br />

1. eine quantitative Reduktion der Interaktionsbeziehungen, 2. Veränderungen im<br />

Machtgefüge, wobei primär der Vater einen Autoritätsverlust hinnehmen muss, sowie<br />

3. ein Neuschreiben der <strong>Familien</strong>geschichte. (BRAUN/ LEITNER 1976 zit.<br />

nach PAPASTEFANOU 1997, 93)<br />

Bei <strong>Familien</strong> mit einem ge<strong>ist</strong>ig behinderten Kind wird wahrscheinlich eher die Mutter<br />

vom zweiten Punkt betroffen sein, da es zume<strong>ist</strong> immer noch die Mütter sind, die sich<br />

um das behinderte Kind kümmern und in Folge dessen einen wichtigen Lebensmittelpunkt<br />

„verlieren“. Daraus wird klar, dass die Beziehungen innerhalb der Familie eine<br />

besondere Bedeutung haben, wie mit der Behinderung des Kindes umgegangen wird<br />

und natürlich auch darauf, wie später der Ablöseprozess verläuft. Inwieweit speziell<br />

Väter Probleme mit dem Ablöseprozess ihres behinderten Kindes haben, wird in der<br />

Literatur leider bisher nicht separat untersucht, es kann aber davon ausgegangen werden,<br />

dass auch sie nicht unberührt vom Ablöseprozess ihres Kindes bleiben. Auf den<br />

grundsätzlich wichtigen Einfluss der Qualität der <strong>Familien</strong>struktur in Hinsicht auf die<br />

Verarbeitung von Systemveränderungen innerhalb der Familie verweisen GUSKI/<br />

LANGLOTZ–BRUNNER. Entwicklungsbedingte Veränderungen, zu denen ja auch der<br />

Ablöseprozess zählt, werden um so schwieriger je weniger innerfamiliale Flexibilität,<br />

Toleranz gegenüber Veränderungen, Kommunikationsfähigkeit und emotionaler Austausch<br />

vorhanden sind. (GUSKI/ LANGLOTZ–BRUNNER 1991, 39)<br />

HEIMLICH und ROTHER haben typische Stationen in der Ablösephase von Eltern behinderter<br />

<strong>Kinder</strong> festgestellt:<br />

51


1. Erschöpfung und Ausweg (physische uns psychische Erschöpfung; Auswegsuche<br />

durch Kurzzeitunterbringung, <strong>Familien</strong>entlastende Dienste etc.)<br />

2. Probe (erster Aufenthalt auf Probe; erstes Erleben des Abschiedsschmerzes,<br />

Heim-Weh des Kindes und Kind-Weh der Eltern); diese Phase wird oft wiederholt,<br />

bis der nächste Schritt gegangen werden kann<br />

3. Entscheidung (der eigentliche, endgültige Auszug und die damit verbundene<br />

Loslösung wird ins Auge gefasst; den Eltern wird klar, dass eine Neuorientierung<br />

stattfinden muss)<br />

4. Das zweite Zuhause (Einrichtungen werden angeschaut, das Kind auf den Umzug<br />

vorbereitet; der Schritt wird vor anderen gerechtfertigt)<br />

5. Neubeginn (Eltern kehren ohne ihr Kind nach Hause; Neubeginn des Jugendlichen<br />

in seinem neuen Zuhause und Neuorientierung des Lebens der Eltern)<br />

(vgl. HEIMLICH/ ROTHER 1995, 16f).<br />

Dieses Modell bezieht sich zwar vornehmlich auf die Erfahrung mit Eltern eines<br />

schwerbehinderten Kindes, wo der Umzug teilweise auch schon früher stattfinden<br />

muss, allerdings dürften Eltern, die den Auszug aus <strong>Normal</strong>isierungsgründen im Adoleszenzalter<br />

anstreben, ähnliche Phasen durchlaufen (vgl. hierzu z.B. den Bericht von<br />

BÖRNER 1997, 73f).<br />

Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass der Ablöseprozess eine<br />

Störung des Systems Familie darstellt und innerhalb dieses Systems ein neues<br />

Gleichgewicht hergestellt werden muss. Der Ablöseprozess muss also innerhalb des<br />

Spannungsfeldes der ihn umgebenden Systeme betrachtet werden. Bei der Bewältigung<br />

dieses Prozesses brauchen Eltern Begleitung und Unterstützung, auch über die<br />

Phase des Auszugs hinaus, damit sie diesen auch als Chance sehen können. Nochmals<br />

soll betont werden, dass „Probleme“ bei der Loslösung „normal“ sind und keine<br />

„Pathologie“ darstellen. Dennoch erscheint auf Grund des Aspekts, dass es sich bei<br />

<strong>Familien</strong> mit einem (ge<strong>ist</strong>ig) behinderten Kind oft um ein „Weggeben“ statt eines „Loslassen“<br />

handelt, professionelle Unterstützung sinnvoll. Anstatt die Eltern ob ihrer „<strong>man</strong>gelhaften“<br />

Ablösung zu kritisieren, sollten Mitarbeiter daher Verständnis für die schwierige<br />

Situation zeigen und Hilfen anbieten.<br />

Abschließend soll nun die Zusammenarbeit zwischen Eltern und professionellen Begleitern<br />

näher betrachtet werden.<br />

52


3.3 Fachleute und Eltern – Kooperation statt Konkurrenz<br />

Menschen mit Behinderung geraten mit dem Einzug in eine Einrichtung in die soziale<br />

Abhängigkeit eines tripolaren Beziehungsgeflechts (Bewohner – Eltern – Mitarbeiter).<br />

Das Verhältnis von Eltern und Betreuern <strong>ist</strong> dabei nicht immer das beste. Oft bestehen<br />

unterschiedliche Einstellungen zum Thema „Wohnen“ und „Ablösung“ (vgl. auch die<br />

Tabelle von KLICPERA/ KLICPERA-GASTEIGER in Kap. 3.2.2) Das Thema „Eltern<br />

und Fachleute“ wird in zahlreichen Veröffentlichungen behandelt (z.B. BÖRNER 1999,<br />

CESCHI 1996, ECKERT 2002, KLAUSS 1997, PREKOP 1983). PREKOP stellt fest:<br />

von der Situation der Eltern wissen Fachleute me<strong>ist</strong> zuwenig, um sich in sie hineinfühlen<br />

und die Beziehung entsprechend mitgestalten zu können. (PREKOP 1983, 17)<br />

Dies mag sicher auch heute oft noch gelten. Es gibt Mitarbeiter, welche die Position<br />

vertreten, da sie erwachsene Bewohner (Mitarbeiter etc.) betreuen, wäre Elternarbeit<br />

zweitrangig, stünde gar der Selbstbestimmung und dem Prinzip der <strong>Normal</strong>isierung,<br />

sowie dem Ziel der Ablösung entgegen. Ich denke, das Gegenteil <strong>ist</strong> der Fall. Die Eltern<br />

sollten als „Experten“ für ihr Kind und dessen Bedürfnisse gesehen werden und<br />

ihre Kompetenzen mit denen der Mitarbeiter zusammen geführt werden. Ebenso müssen<br />

Mitarbeiter auch den Eltern gegenüber einerseits ihre Arbeit und andererseits ihre<br />

Positionen transparent machen. Kooperation statt Konkurrenz entspricht demnach der<br />

systemischen Sichtweise, dass es sich um ein Mesosystem handelt, welches in ein<br />

Gleichgewicht gebracht werden muss. KLAUSS (1997) we<strong>ist</strong> mit einem Aufsatztitel auf<br />

eine Gefahr hin, <strong>wenn</strong> Eltern und Professionelle nur miteinander konkurrieren: Wenn<br />

alle das Beste wollen, leidet die Selbstbestimmung (des Menschen mit Behinderung!).<br />

Eltern möchten, dass ihr Kind auch in der neuen Umgebung sein „gewohntes“ Leben<br />

fortsetzen kann und wollen ihr Kind versorgt wissen. Betreuer hingegen handeln aus<br />

einer gewissen D<strong>ist</strong>anz heraus. Ihre Perspektive <strong>ist</strong> die „fachliche“, es geht um „Ziele“<br />

wie Selbstbestimmungsmöglichkeiten, Anleitung zur Selbstständigkeit, Wahrnehmung<br />

der Rechte, Ablösung vom Elternhaus und so weiter (vgl. auch BÖRNER 1999, 29).<br />

Hinzu kommt eventuell noch der Altersunterschied zwischen Eltern und Betreuern,<br />

welcher Zweifel hervor rufen kann, „ob die jungen Leute ohne Elternerfahrung überhaupt<br />

wissen, was mein Kind braucht?“ Betreuer fordern von den Eltern, „endlich loszulassen“<br />

oder fühlen sich „unnötig kontrolliert“. Rechtfertigung und gegenseitige<br />

Schuldzuweisungen können die Folge sein, wodurch Lösungssuche und Kooperation<br />

blockiert werden (vgl. auch KLAUSS 1997, 43) Außerdem kann es vorkommen, dass<br />

Eltern aus Angst ihrem Kind zu „schaden“, offene Aussprachen vermeiden. Hieraus<br />

ergibt sich, dass ein subjektiv empfundenes Machtgefälle, bei dem Eltern sich als abhängig<br />

von den Fachleuten empfinden, „echte“ Kooperation verhindert. Zu erkennen,<br />

53


worum es in dem Konflikt effektiv geht, <strong>ist</strong> die Voraussetzung, um ein Problem zu lösen.<br />

(CESCHI 1996, 13) Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass nicht Ziel <strong>ist</strong>, die<br />

Eltern durch die Betreuer zu ersetzen oder umgekehrt. Überhöhte (Selbst-) Ansprüche<br />

führen zwangsläufig auf beiden Seiten zu einem Scheitern (vgl. KLAUSS 1997, 43 ff).<br />

Um die Ressourcen und Fähigkeiten sinnvoll nutzen zu können, bedarf es einer qualitativen<br />

Arbeitsteilung und dem Verzicht auf einen „Absolutheitsanspruch“. Wenn sowohl<br />

Eltern als auch Mitarbeiter verstehen, dass sie eine unterschiedliche Bedeutung<br />

für den Bewohner haben, muss sich der Bewohner auch nicht zwischen beiden Parteien<br />

„entscheiden“! Dazu gehört auch eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre. Daher<br />

muss als zentrale Aufgabe gelten, ein gegenseitiges Verständnis für die Lebensund<br />

Gedankenwelt des anderen aufzubauen. Ich stimme mit KLAUSS (1988) überein,<br />

<strong>wenn</strong> er feststellt:<br />

Eltern Behinderter sollten erleben, daß sich die Betreuer in ihre Situation hineinversetzen<br />

können. Eltern, die sich akzeptiert fühlen, können auch sachliche Kritik annehmen.<br />

(KLAUSS 1988, 118)<br />

Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll sich die unterschiedlichen „Voraussetzungen“<br />

zu vergegenwärtigen, welche Eltern und professionelle Begleiter mitbringen:<br />

Eltern Fachleute<br />

Stehen in elterlicher Beziehung zu ihrem<br />

Kind und wurden plötzlich damit<br />

konfrontiert, dass ihr Kind „behindert<br />

<strong>ist</strong>“<br />

Sind zunächst Laien, als Eltern immer<br />

verantwortlich für ihr Kind und oft auf<br />

sich allein gestellt<br />

54<br />

Stehen in fachlicher Beziehung zum<br />

Bewohner und haben sich ihren Beruf<br />

ausgesucht<br />

Haben eine Ausbildung, arbeiten me<strong>ist</strong><br />

im Team, welches die Verantwortung<br />

mitträgt<br />

Kennen ihr Kind seit der Geburt Haben zunächst nur das Fachwissen<br />

und müssen den neuen Bewohner<br />

Sind unentgeltlich und ausschließlich<br />

für ihr Kind zuständig<br />

Werden mit ihrem Kind identifiziert und<br />

sind Zuschreibungen der Umwelt (wie<br />

Vorurteile, Schuld, Ablehnung etc.)<br />

ausgesetzt<br />

Stehen oftmals unter ständiger „Kontrolle“/<br />

Beobachtung ihres Privatlebens<br />

durch Fachleute<br />

allmählich kennen lernen<br />

Bekommen Geld für ihre Arbeit, haben<br />

ein begrenztes Zeitbudget und müssen<br />

die „Gruppe“ im Blick halten<br />

Bekommen Achtung aufgrund ihres<br />

Jobs und werden nicht mit dem Menschen<br />

mit Behinderung identifiziert<br />

Müssen sich „nur“ fachlich rechtfertigen,<br />

keinen Einblick in ihre Privatsphäre<br />

geben<br />

Diese Aufzählung enthält keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt die aus<br />

meiner (und der anderer Autoren, vgl. z.B. CESCHI 1996; PREKOP 1983) Erfahrung


wesentlichsten Aspekte dar. Diese „Besonderheiten“ des Elterndaseins sollten sich<br />

Mitarbeiter immer wieder bewusst machen. Eine Auseinandersetzung damit kann dann<br />

zu<br />

einer Würdigung der Le<strong>ist</strong>ungen, die <strong>Familien</strong> mit einem behinderten Kind in zahlreichen,<br />

spezifischen Belastungen erbringen [führen]. Diese Le<strong>ist</strong>ungen sind um so höher<br />

zu bewerten, je mehr <strong>man</strong> sich verdeutlicht, dass viele dieser Belastungen nicht primär<br />

durch die Behinderung des Kindes, sondern erst durch die Reaktionen der Umwelt,<br />

teilweise wenig behindertenfreundlichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder<br />

einem geringschätzigen Umgang von Fachleuten mit Eltern behinderter <strong>Kinder</strong> entstehen.<br />

(ECKERT 2002, 32)<br />

An anderer Stelle fasst ECKERT (1998) Aspekte für eine „Partnerhafte Zusammenarbeit“<br />

(SPECK 1996) aus systemischer Sicht von Eltern und Fachleuten zusammen:<br />

• Die Akzeptanz der Autonomie des <strong>Familien</strong>systems: Jede Familie stellt genau<br />

wie mein eigener Arbeitskontext ein zunächst geschlossenes System mit eigenen<br />

Regeln und Wirklichkeiten dar, denen ich mich im Sinne der ‚strukturellen<br />

Koppelung’ langsam nähern kann.<br />

• Das Verstehenlernen der Lebenszusammenhänge einer Familie (...)<br />

• Das Erarbeiten der Kompetenzen/Ressourcen einer Familie (...)<br />

• Die Offenheit für verschiedenste Modelle und Themen in der Zusammenarbeit<br />

(...)<br />

• Die Aufwertung der Arbeit mit dem personellen Lebensumfeld: Das Wahrnehmen<br />

der Bedürfnisse oder Themen der Eltern (...) bewirkt häufig Veränderungen<br />

in der familiären Situation, die dem jeweiligen Kind wiederum zugute kommen.<br />

(...).<br />

(ECKERT 1998, 172)<br />

Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, dass Gespräche und Kontakt nicht erst dann statt<br />

finden, <strong>wenn</strong> „etwas vorgefallen <strong>ist</strong>“, sondern als Kontaktpflege und vertrauensbildende<br />

Maßnahme selbstverständlich in der Arbeit werden. Entscheidend <strong>ist</strong> auch, die individuellen<br />

Bedürfnisse der Eltern zu erkennen. Nicht jede Familie möchte beraten werden<br />

oder in der Einrichtung aktiv „mitarbeiten“. (Eingeplante) Zeit für Gespräche <strong>ist</strong> ein weiterer<br />

wichtiger Faktor. Aus kommunikativer Sicht <strong>ist</strong> zu beachten, dass eine „verständliche“<br />

Sprache verwendet wird, bei der eine gleichberechtigte Kommunikation möglich<br />

<strong>ist</strong> (vgl. auch Kap. 2.4) und der Rahmen entsprechend dem Anlass gestaltet <strong>ist</strong>.<br />

Außerdem „liegt“ Elternarbeit nicht jedem Mitarbeiter, daher gilt es aus Einrichtungsseite,<br />

auch im Sinne der Qualitätssicherung und –entwicklung, hierzu Fortbildungen und<br />

Möglichkeiten zur (Selbst-) Reflektion (Supervision) anzubieten.<br />

55


4 Möglichkeiten der Begleitung von Ablöseprozessen im<br />

Rahmen von Wohneinrichtungen<br />

In den vorherigen Kapiteln wurden theoretische „Hintergrundinformationen“ erarbeitet,<br />

welche den Mitarbeitern in Wohneinrichtungen verdeutlichen sollen, dass eine Vielzahl<br />

von Aspekten den Ablöseprozess begleiten. Im folgenden Kapitel wird es darum gehen,<br />

aus diesen Gedanken heraus eine Konzeption zur Begleitung des Ablöseprozesses<br />

beziehungsweise des Auszugs aus dem Elternhaus zu entwickeln. Nach einigen<br />

theoretischen Vorüberlegungen zu den Themen Wohnen und Konzeptentwicklung,<br />

sowie einer Darstellung des Umfeldes des Brühler Wohnhauses, stelle ich meinen<br />

Konzeptvorschlag dar, welcher versucht, den verschiedenen Bedürfnissen der am Prozess<br />

beteiligten Systeme gerecht zu werden.<br />

4.1 Zur Bedeutung des Wohnens für den Menschen<br />

Die Notwendigkeit einer „Ablösebegleitung“ aus dem Elternhaus wird umso deutlicher,<br />

je mehr <strong>man</strong> sich mit der Bedeutung des Wohnens für den Menschen beschäftigt. Neben<br />

der Arbeit <strong>ist</strong> das Wohnen ein wichtiger identitätsstiftender Aspekt im Leben eines<br />

jeden erwachsenen Menschen: der Wohnplatz <strong>ist</strong> ein Ort maximaler individueller Souveränität<br />

[und] neben dem Arbeitsplatz wohl wichtigster Ort der persönlichen Individuation.<br />

(CRÄMER 1990, S. 170) Das Wort „Wohnen“ lässt sich auf das altdeutsche Wort<br />

„wonen“ zurückführen, was soviel bedeutet wie sich aufhalten, bleiben, wohnen, gewohnt<br />

sein; aber auch zufrieden sein, gefallen finden [vgl. auch mit „Wonne“]“.<br />

(DUDEN 1989, S. 817) Wohnen bedeutet also schon im Wortursprung mehr, als nur<br />

sich irgendwo aufzuhalten. Es besteht ein enger Zusammenhang mit den Begriffen<br />

„Wohlfühlen“ und „Gewöhnung“. Somit wird klar, dass schon beim Einzug in eine<br />

Wohneinrichtung der „Grundstein zum Wohlfühlen“ gelegt werden kann und sollte, um<br />

eine Eingewöhnung in die neue Umgebung für alle zu erleichtern. Darüber hinaus wird<br />

die Bedeutung des Wohnens von verschiedenen Autoren unterschiedlich akzentuiert.<br />

Sie reicht von der Betonung des Wohnens als „Wesensbestimmung des Menschen“<br />

über Wohnen als „soziales Grundbedürfnis des Menschen“ bis hin zu einer zunächst<br />

rein räumlichen Komponente (vgl. WEINWURM-KRAUSE 1999, S. 14f). Wohnraum<br />

kann somit einerseits als Schutzraum, Rückzugsmöglichkeit gesehen werden, aber<br />

auch als Ausdruck von Individualität, als Verwirklichungsbereich des Individuums<br />

56


(THEUNISSEN 1995, S. 145). Als solcher <strong>ist</strong> er sogar im Grundgesetz als „unverletzlich“<br />

geschützt (vgl. Artikel 13 des Grundgesetzes).<br />

WILKEN erläutert:<br />

Ganz allgemein drückt sich die Selbständigkeit des erwachsenen Menschen u.a. darin<br />

aus, dass er einen eigenständigen Wohn- und Lebensbereich besitzt. Diese normale<br />

Gegebenheit auf ge<strong>ist</strong>ig Behinderte zu übertragen, fällt noch häufig schwer. (WILKEN<br />

1985, S.42)<br />

SPECK betont, dass die Wohnbedürfnisse von Menschen mit einer ge<strong>ist</strong>igen Behinderung<br />

sich nicht von denen nichtbehinderter Menschen unterscheiden und den gleichen<br />

Einflussfaktoren unterliegen. Jedoch erfordert ihre „reduzierte Selbsthilfefähigkeit“<br />

(SPECK 1982, S.12) Unterstützung in der Wahrnehmung dieser Bedürfnisse und unterliegt<br />

der Gefahr nicht wahrgenommen oder beachtet zu werden. Er erkennt im Wohnen<br />

ein elementares Bedürfnis des Menschen nach einem Raum [...], in dem er daheim<br />

sein darf, [...] wo er sein darf, was er <strong>ist</strong>. (SPECK 1982, S.10) Er we<strong>ist</strong> darauf hin,<br />

dass der Bereich des Wohnens zwei Funktionen beinhaltet: einerseits die biologische<br />

Schutz-, sowie andererseits die soziokulturelle Ausdrucksfunktion. Diese stehen in<br />

per<strong>man</strong>enter Spannung und Wechselwirkung zueinander (vgl. ebd., S. 10). Er fordert<br />

ein „normalisiertes Wohnen“, das heißt gemeindeintegriertes Wohnen für Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung. Ihnen soll ermöglicht werden, einen Lebensstil praktizieren<br />

[zu] können, der den in der Kultur geltenden Normen entspricht. (SPECK 1982, S. 12)<br />

Hu<strong>man</strong>e Wohnbedingungen für diesen Personenkreis stehen für SPECK im Spannungsfeld<br />

von personal-sozialen Bedürfnissen des Einzelnen und vorgegebenen/ -<br />

gefundenen Systembedingungen (vgl. ebd., S.14). SAEGERT beschreibt die Wechselwirkungen<br />

und den Austausch im Bereich Wohnen und dessen Bedeutung für die<br />

Identitätsfindung des Menschen. Das Gefühl von „Heimat“, was sich ihrer Meinung<br />

nach nur entwickeln kann, <strong>wenn</strong> der (Wohn-) Raum Aneignungs- und Identifikationsmöglichkeiten<br />

bietet, steht in direktem Zusammenhang mit der Bedeutung des Wohnens<br />

für den Menschen. Nur <strong>wenn</strong> der Mensch sich heimisch fühlt, kann er ein Gefühl<br />

von „Zuhause“ oder „Daheim“ entwickeln (vgl. WEINWURM-KRAUSE 1999, S. 14f).<br />

Auch KRÄLING stellt fest, dass Wohnen mehr bedeutet, als nur Versorgung, Unterkunft<br />

und Verpflegung, sondern [auch] Geborgenheit und Eigenständigkeit, Privatheit<br />

und Gemeinschaft, die Möglichkeit des Rückzugs und Offenheit nach außen.<br />

(KRÄLING 1995, S. 21) ANDRITZKY und SELLE sehen in diesem Zusammenhang<br />

das Zuhause als „persönlichen Verwirklichungsbereich des Individuums“ und formulieren<br />

„universale Wohnbedürfnisse“. Als solche nennen sie unter anderen<br />

[den] Wunsch nach Sicherheit, Wärme, Schutz oder Geborgenheit, das Bedürfnis nach<br />

Beständigkeit und Vertrautheit, die Sehnsucht nach Raum für Selbstverwirklichung, der<br />

57


Wunsch nach einem Ort der Intimität, sowie das Bedürfnis nach Kommunikation, Zuwendung,<br />

Wertschätzung und Anerkennung. (ANDRITZKY/SELLE<br />

1987 zit. nach THEUNISSEN/PLAUTE 1995, S.145; s. auch THESING 1990, S. 29 ff)<br />

Den Moment von Lebensqualität im Bereich Wohnen (mit besonderem Blick auf Menschen<br />

mit schwerer ge<strong>ist</strong>iger Behinderung) erläutert SEIFERT unter Berücksichtigung<br />

der Sichtweise von BRONFENBRENNER. Von der Interaktion im Wohnbereich <strong>ist</strong> abhängig,<br />

wie Persönlichkeitsentwicklung stattfindet und Lebensqualität erlebt wird. Die<br />

Art und Weise des Austausches zwischen den beteiligten Subsystemen und Systemebenen<br />

(so wie sie vom Individuum erlebt wird), beeinflusst das Erleben der Lebensqualität<br />

(vgl. SEIFERT 1997a, S. 183ff).<br />

Gemeinsam <strong>ist</strong> all diesen Sichtweisen die Betonung der Dualität, einem Innen und Außen<br />

von Wohnen. Wohnen hat somit immer eine individuelle/ private und eine gesellschaftliche/<br />

soziale Bedeutung für den Menschen. Der Wohnraum steht in direkter Verbindung<br />

mit dem Aspekt der Identitätsbildung und einem Heimatgefühl, welche Lebensqualität<br />

erst ermöglichen. Die Ermittlung der individuellen Bedürfnisse und eine<br />

dementsprechende Unterstützung muss somit ein Ziel der (Ablöse-) Begleitung in<br />

Wohneinrichtungen sein, damit sich eben genau dieses Heimatgefühl bei einem neuen<br />

Bewohner einstellen kann.<br />

4.2 Bedingungsfeld „Brühler Wohnhaus für Menschen mit Körperbehinderung“<br />

Da diese Arbeit aus meiner Berufspraxis heraus und den Erfahrungen darin entstanden<br />

<strong>ist</strong>, werde ich im folgenden dieses Praxisfeld hinsichtlich der relevanten Aspekte für<br />

diese Arbeit kurz beschreiben. Das nachfolgende Konzept zur Ablösebegleitung wird in<br />

Hinblick auf diese Einrichtung entwickelt werden. Zudem ergibt sich aus der Trägerschaft<br />

eines Elternvereins die Möglichkeit der Kooperation innerhalb des „Vereinslebens“.<br />

4.2.1 H<strong>ist</strong>orie und Konzeption<br />

Das Brühler Wohnhaus für Körperbehinderte wurde im März 1999 eröffnet. Träger des<br />

Hauses <strong>ist</strong> der Verein für Körperbehinderte in den Kreisen Euskirchen und Erftkreis<br />

e.V.. Jeder Bewohner verfügt über ein Einzelzimmer, ein Badezimmer liegt jeweils zwischen<br />

zwei Zimmern. Die Zimmer können individuell gestaltet werden und haben Tele-<br />

58


fon-, sowie Fernsehanschluss. Sollten sich im Haus Paare finden, gibt es Möglichkeiten<br />

des Zusammen-Wohnens.<br />

Die Konzeption des Hauses wird derzeit im Rahmen der Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />

des Hauses überarbeitet und konkretisiert. Als pädagogische „Leitlinien“ gelten<br />

derzeit fünf grundlegende Prinzipien:<br />

1. Die Selbstfindung, das bedeutet eine Unterstützung der Ablösung vom Elternhaus<br />

und der Weiterentwicklung der eigenen Identität.<br />

2. Die <strong>Normal</strong>isierung, entsprechend dem <strong>Normal</strong>isierungsprinzip soll den Bewohnern<br />

ein Leben so normal wie möglich gestattet werden.<br />

3. Die Selbstbestimmung, ausgehend von der Tatsache, dass jeder Mensch<br />

selbstbestimmt <strong>ist</strong> und sein will, soll jeder Bewohner so viele Entscheidungen<br />

wie möglich selber treffen und Eigenverantwortung übernehmen.<br />

4. Die Integration, auch verstanden als Möglichkeit zur sozialen Teilhabe <strong>ist</strong> ein<br />

wesentlicher Beitrag zur Lebensqualität. Wo immer es geht werden Aktivitäten<br />

nach außerhalb des Hauses verlegt und findet regelmäßig eine aktive Teilnahme<br />

am öffentlichen städtischen Leben statt.<br />

5. Die Gleichberechtigung, da jeder Mensch mit Behinderung als Experte in eigener<br />

Sache gesehen wird. (vgl. WOHNHAUS FÜR MENSCHEN MIT<br />

KÖRPERBEHINDERUNG 2002, S.6ff)<br />

Ziel dieser Prinzipien <strong>ist</strong> es, den Menschen mit Behinderung eine an ihren Bedürfnissen<br />

und Fähigkeiten orientierte Unterstützung zu bieten und ihnen so ein ihren Möglichkeiten<br />

entsprechend, selbstbestimmtes Leben (ebd.) zu ermöglichen. Im Sinne der<br />

Qualitätssicherung und Wahrung der Bewohnerrechte erfolgt darüber hinaus selbstverständlich<br />

eine Orientierung am aktuellen Heimgesetz, woraus sich drei weitere Aspekte<br />

ergeben:<br />

1. Schutz der Würde und der Bedürfnisse der Bewohner<br />

2. Wahrung der Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung<br />

der Bewohner<br />

3. Förderung einer hu<strong>man</strong>en und aktivierenden Pflege, <strong>wenn</strong> möglich gleichgeschlechtlich<br />

(vgl. WOHNHAUS FÜR MENSCHEN MIT<br />

KÖRPERBEHINDERUNG 2002 2002, S. 5).<br />

Die Mitbestimmung innerhalb des Hauses seitens der Bewohner und Mitarbeiter wird<br />

durch verschiedene Gremien gewährle<strong>ist</strong>et. Es gibt einen Heimbeirat, bestehend aus<br />

drei gewählten Bewohnern, einen Betriebsrat, sowie Bewohner-, Gruppenleiter- und<br />

Mitarbeiterteams sowohl auf Gruppen- als auch auf Gesamtebene. Schulungen und<br />

Fortbildungen sind sowohl auf Bewohner- als auch auf Mitarbeiterebene möglich.<br />

59


Ein eigenständiges Konzept zur Ablösebegleitung und Eingewöhnung nach einem Einzug<br />

besteht derzeit nicht. Lediglich vor der Neueröffnung gab es drei „Vorbereitungsund<br />

Kennenlern-Wochenenden“ für die damals feststehenden, ersten Bewohner. Erfahrungen<br />

aus diesen Maßnahmen werden in das folgende Konzept Miteinfließen, da<br />

der Autor an den damaligen Angeboten beteiligt war.<br />

4.2.2 Bewohner und Personal<br />

Im Brühler Wohnhaus für Körperbehinderte leben insgesamt 24 erwachsene Männer<br />

und Frauen mit einer Behinderung, in drei Gruppen zu je acht Bewohnern. Obwohl der<br />

Name der Einrichtung vermuten lässt, dass hier nur Menschen mit einer Körperbehinderung<br />

leben, besteht die Bewohnerschaft aus einer sehr heterogenen Zusammensetzung,<br />

zumal bei fast allen Bewohnern sogenannte Mehrfachbehinderungen vorliegen.<br />

Jede Gruppe besteht sowohl aus Männern als auch Frauen, Rollstuhlfahrern und<br />

„Fußgängern“. Bei Neu-Einzügen wird versucht darauf zu achten, dass das Gruppengleichgewicht<br />

erhalten bleibt, das heißt, ein Mann zieht für einen Mann ein oder eine<br />

Rollstuhlfahrerin für eine Rollstuhlfahrerin. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte haben<br />

die jeweilig betroffenen Gruppenbewohner ein Mitentscheidungsrecht bezüglich<br />

eines neuen Bewohners. Des weiteren versucht die Hausleitung Sorge dafür zu tragen,<br />

dass eine Gruppe mobil und flexibel bleibt, was bedeutet, den Pflegeaufwand einer<br />

Gruppe so zu gestalten, dass Aktivitäten auch mit wenig Personal möglich sind und<br />

alle Gruppen möglichst „gleich“ heterogen zu gestalten. Berufstätigkeit, ein gewisses<br />

Maß an Mobilität und Selbstständigkeit sind daher wichtige Aufnahmekriterien. Eine<br />

ständige medizinische Überwachung <strong>ist</strong> aufgrund des vorhandenen Personals und der<br />

Ausstattung des Hauses nicht möglich.<br />

Das Begleitungspersonal setzt sich aus verschiedenen Berufsgruppen zusammen, die<br />

sich in ihren jeweiligen Fachkompetenzen ergänzen. Beschäftigt sind: Heil- und Sonderpädagogen<br />

(3), Erzieherinnen (5), HeilerziehungspflegerInnen (5), examiniertes<br />

Alten- und Krankenpflegepersonal (9), je eine Schwesternhelferin und Sozialarbeiterin,<br />

sowie AnerkennungsjahrespraktikantInnen und Zivildienstle<strong>ist</strong>ende (5). Darüber hinaus<br />

gibt es eine Verwaltungsfachkraft, einen Hausme<strong>ist</strong>er, zwei Hauswirtschafterinnen,<br />

welche für die gesamte Wäsche zuständig sind, sowie Fremdpersonal einer Reinigungsfirma.<br />

Die Wohngruppen haben feste Mitarbeiter-Teams, welche zusammen mit<br />

den Bewohnern den Alltag weitgehend autonom gestalten.<br />

60


4.3 Vorüberlegungen zum Konzept einer Ablösebegleitung<br />

Die Erstellung eines Konzeptes sollte sich an einer gewissen Methodik orientieren.<br />

Dabei gilt es zunächst festzulegen, welche Art von Konzept erstellt werden soll: handelt<br />

es sich um ein kleines Alltagskonzept, um eine grundlegende Konzeption oder um einen<br />

Entwurf für bestimmte Maßnahmen. Des weiteren gilt es, inhaltliche Ziele zu beschreiben.<br />

Daher werden in den folgenden Abschnitten zunächst methodische Überlegungen<br />

dargestellt und anschließend inhaltliche Aspekte erläutert. Dabei orientiert sich<br />

das vorgeschlagene Konzept zur Ablösebegleitung an der bereits vorliegenden Grundkonzeption<br />

des Hauses und versucht, vorhandene Ressourcen zu nutzen. Es <strong>ist</strong> bewusst<br />

in einer anderen Schriftart gehalten, so dass es aus dieser Arbeit genommen<br />

und als eigenständige Broschüre weitergereicht werden könnte.<br />

4.3.1 Methodische Aspekte eines Konzepts<br />

Konzept, Konzeption, Leitbild oder auch Grundsätze werden oft synonym für den gleichen<br />

Begriff verwendet. Daher gilt es zunächst, den Unterschied zwischen Konzeption<br />

und Konzept zu klären. SPENGLER und GRAF stellen fest:<br />

‚Konzepte’ und ‚Konzeptionen’ sind folglich „Ent-würfe“ d.h. ge<strong>ist</strong>ige „Würfe“ in die Zukunft<br />

hinein, gedankliche Vorwegnahmen anzustrebender künftiger Zustände. Sie haben<br />

insofern Gemeinsamkeiten mit einer „Vision“ einerseits und einem „Plan“ andererseits.<br />

(...) nach unserem Sprachgefühl [meint] das „Konzept“ eher eine etwas vorläufige<br />

und skizzenhaftere oder inhaltlich begrenztere Formulierung von neuen Vorhaben,<br />

während die „Konzeption“ eher nach einer verbindlicheren und umfassenderen Selbstdarstellung<br />

und Programmaussage<br />

klingt. SPENGLER/ GRAF 2000, 15)<br />

In dieser Arbeit soll es um die Entwicklung eines Konzepts zur Ablösebegleitung gehen,<br />

also um einen fachlichen Vorschlag, wie auf Basis der Konzeption des Hauses ein<br />

Auszug aus dem Elternhaus und das Thema Ablösung begleitet werden können. Zwar<br />

<strong>ist</strong> im Leitfaden des Wohnhauses zu lesen, dass ein Einzug in unser Haus einen bedeutenden<br />

Schritt bei der Loslösung vom Elternhaus darstellt und durch Ablösung<br />

Selbstfindung und Selbstgestaltung des Lebens in allen Bereichen ermöglicht wird,<br />

aber wie dies geschehen soll, mit welcher Unterstützung und ähnliches, wird nicht weiter<br />

erläutert (vgl. s.o.). Auch die Le<strong>ist</strong>ungsbeschreibung des Hauses enthält dazu keine<br />

weiteren Ausführungen.<br />

Ein Ziel lautet daher, mit Hilfe eines Konzeptes zur Ablösebegleitung zur Personal- und<br />

Organisationsentwicklung im Rahmen von Qualitätssicherung beizutragen. Dies bedeutet<br />

normativ verbindliche Grundlagen innerhalb der Einrichtung festzulegen, um<br />

unterschiedliche Wertvorstellungen und Bedürfnisse in einem gemeinsamen Rahmen<br />

61


unterzubringen und in gewisser Weise für einheitliche Handlungsprinzipien in Bezug<br />

auf „Ablösebegleitung“ zu sorgen. Um dem systemischen Grundgedanken dieser Arbeit<br />

gerecht zu werden, <strong>ist</strong> der Einbezug aller am Prozess Beteiligten (Mitarbeiter, Bewohner,<br />

Eltern etc.) sowohl zur Konzeptentwicklung (z.B. durch Befragung; Feststellung<br />

vorhandener Ressourcen) als auch später in der Begleitung unablässlich. Dies <strong>ist</strong><br />

eine Voraussetzung, damit das Konzept von allen getragen werden kann und nicht als<br />

bloße Absichtserklärung in der Schublade verschwindet. Hinzu kommt die Berücksichtigung<br />

makrosystemischer Einflüsse (Trägerverein, theoretische Gedanken, gesetzliche<br />

Vorgaben, Finanzen, Infrastruktur etc.). Des Weiteren gilt es, das Konzept immer<br />

wieder zu überprüfen und gegebenenfalls an neue Anforderungen und Entwicklungen<br />

der Umwelt anzupassen (vgl. auch SPENGLER/ GRAF 2000, 30ff).<br />

4.3.2 Inhaltliche Aspekte<br />

Eltern berichteten mir, dass wenig Wissen über die Ablöseproblematik bei Mitarbeitern<br />

von Einrichtungen vorhanden <strong>ist</strong>. Eine durchdachte Unterstützung der ersten Zeit während<br />

der äußeren Ablösung und nach dem Einzug fand nach eigenen Angaben oftmals<br />

nicht statt und wird beziehungsweise wurde auch nicht angeboten, obwohl dies als<br />

hilfreich von Eltern angesehen wird. Hingegen wurden <strong>man</strong>che Eltern beispielsweise<br />

mit der Aufforderung konfrontiert, ihr (erwachsenes) Kind zunächst eine Weile nicht zu<br />

besuchen oder anzurufen, damit es sich besser einlebt und die Trennung besser verkrafte.<br />

Wie dies auf die Eltern wirken muss, wurde entweder nicht bedacht oder mit<br />

„Fachwissen“ gerechtfertigt. Andererseits fällt es Mitarbeitern oftmals schwer, sich in<br />

die Situation der Eltern und des neuen Bewohners hinein zu versetzen, da ihnen nötiges<br />

Hintergrundwissen zum Thema „Loslösung“ fehlt. Daher habe ich mit Betreuern,<br />

Eltern und Menschen mit Behinderung gesprochen, um Wege zu finden, wie dieser<br />

Prozess ihrer Meinung nach „besser“ vorbereitet und begleitet werden könnte. Die Vorschläge<br />

sollten dazu dienen, meine theoretischen Ausführungen zu diesem Themenkomplex,<br />

inklusive Handlungsleitideen, mit praktischen Anmerkungen Betroffener zu<br />

verknüpfen.<br />

Das Ziel des Konzeptes soll also sein, aufgrund der in den Kapiteln 1 und 2 dargestellten<br />

Leitideen den Prozess der Ablösung mit Hilfe geeigneter Maßnahmen zu begleiten.<br />

Dies bedeutet, dass sowohl Angebote an die Mitarbeiter, als auch an Bewohner und<br />

Eltern enthalten sind und der Zeitaspekt eine Berücksichtigung findet. Da der Verlauf<br />

des Ablöseprozesses bei jeder Familie trotz einer Vielzahl von Gemeinsamkeiten immer<br />

individuell verläuft, kann das Konzept zur Begleitung dieses Prozesses nur ein<br />

62


Rahmen sein, der individuell an die Bedürfnisse der Familie angepasst werden muss.<br />

Die Angebote basieren in den me<strong>ist</strong>en Fällen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Ein<br />

Zeitrahmen, in dem die Ablösung „abgeschlossen“ sein soll, <strong>ist</strong> aufgrund der Ausführungen<br />

zum Ablöseprozess und dem Systemgedanken bewusst nicht vorhanden. Eine<br />

„Erfolgskontrolle“ kann ebenfalls nur bedingt erfolgen, da sich soziale Prozesse schwer<br />

messen lassen. Da der soziale Bereich stark unter Geld<strong>man</strong>gel leidet, sollte das Auffinden<br />

und Nutzen vorhandener Ressourcen (z.B. Kooperationsmöglichkeiten) Vorrang<br />

haben, auch <strong>wenn</strong> mittelfr<strong>ist</strong>ig weitere „Investitionen“ angedacht werden. Einige Aspekte<br />

werden derzeit schon in der alltäglichen Arbeit in unterschiedlichem Ausmaß verwirklicht,<br />

sollen durch eine Betonung im Konzept allerdings eine mir wichtige Verbindlichkeit<br />

für alle Mitarbeiter und Gruppen erhalten.<br />

4.4 Konzeptvorschlag zum Bereich „Ablösebegleitung“<br />

Warum Ablösebegleitung?<br />

Der Schritt vom Elternhaus in eine Wohneinrichtung <strong>ist</strong> verbunden mit vielen Veränderungen,<br />

Umstellungen und neuen Anforderungen. Oftmals fällt er den Eltern ebenso<br />

schwer wie ihrem erwachsenen Kind. Ein Auszug aus dem Elternhaus vollzieht die<br />

innere (emotionale, nach Selbstbestimmung & Selbstständigkeit strebende) Ablösung<br />

auch nach außen hin. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Ablöseprozess<br />

mit einem Auszug noch nicht abgeschlossen <strong>ist</strong>. Daher gilt es, diesen Prozess von<br />

Seiten der Einrichtung entsprechend zu begleiten. Dazu bedarf es des Wissens um die<br />

Problematik des Loslösungsprozesses von <strong>Familien</strong> mit einem behinderten Kind, ebenso<br />

wie entsprechender Leitideen und methodischer Kompetenzen.<br />

Bei Menschen mit (schwerer) ge<strong>ist</strong>iger Behinderung wird die Wahrnehmung des Ablösewunsches<br />

bzw. ein Auszug eventuell erschwert. Dies kann dazu führen, dass er von<br />

den Eltern „initiiert“ werden muss. Hieraus können Schuldgefühle, Zweifel oder auch<br />

Rechtfertigungsdruck vor Kostenträgern bei ihnen entstehen. Der Umzug in eine<br />

Wohneinrichtung bedeutet nicht nur einen Umbruch in der <strong>Familien</strong>geschichte, sondern<br />

auch den Wechsel von einer privaten <strong>Familien</strong>gemeinschaft in eine institutionalisierte<br />

Wohngemeinschaft. Die <strong>Familien</strong>beziehungen werden mit diesem Schritt aber nicht<br />

aufgelöst, sondern bleiben ein wichtiger, aktiver Teil der Biografie des Bewohners, welche<br />

in das neue Umfeld integriert werden müssen. Aus dem „Zweier-Beziehung“ Eltern-Kind<br />

wird das „Dreieck“ Bewohner-Eltern-Betreuer. Dies führt zu Rollenveränderungen<br />

innerhalb der Familie, aber auch innerhalb der bestehenden Wohngruppe, was<br />

63


wiederum zu Rollen- und Selbstverständniskonflikten bei Eltern, aber auch Mitarbeitern<br />

führen kann. Somit stellt Elternarbeit neben der Begeleitung des Menschen mit Behinderung<br />

innerhalb einer Wohneinrichtung eine zentrale Aufgabe dar, um gegenseitiges<br />

Verständnis füreinander entwickeln zu können. Es gilt im Sinne einer Ganzheitlichkeit<br />

nicht bewohnerzentriert, sondern familienzentriert zu arbeiten, um dem Aspekt der sozialen<br />

Verflechtung von Bewohnern, Mitarbeitern Eltern und anderen besser gerecht zu<br />

werden.<br />

Daher wurde dieses Konzept zur Ablösbegleitung erarbeitet, um einen angemessenen<br />

Übergang und die Integration des Bewohners in sein neues Lebensumfeld zu unterstützen<br />

und sowohl ihm als auch seinen Eltern bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven<br />

beratend zur Seite stehen zu können. Dabei <strong>ist</strong> es wichtig, Wechselwirkungen<br />

in einem komplexen Prozess von Ablösen und Ankommen zu beachten, sowie<br />

unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse der beteiligten Personenkreise in Einklang<br />

zu bringen. Der Aufbau einer vertrauensvollen und gleichberechtigten Beziehung stellt<br />

hierbei den ersten Schritt auf dem Weg zu einer partnerschaftlichen Kooperation dar.<br />

Auf dieser Basis können „alte“ und „neue“ Lebenswelten miteinander in Einklang gebracht<br />

werden. Die Eltern als „Experten“ für ihren Sohn/ ihre Tochter, der einziehende<br />

Bewohner als „Experte“ für seine eigenen Bedürfnisse und der Mitarbeiter als „Experte“<br />

für Methoden und Konzepte benötigen im Prozess des Ablösens und Ankommens unterschiedliche<br />

Unterstützung da sie den Prozess aus unterschiedlichen Perspektiven<br />

erleben. Aufgrund der theoretischen Ausarbeitungen zur Thematik, sowie Erfahrungen<br />

und Gesprächen mit Eltern, Menschen mit Behinderung und Mitarbeitern in Wohneinrichtungen<br />

halte ich somit folgende Angebote für sinnvoll:<br />

4.4.1 Vorbereitung der Mitarbeiter bzw. Angebote der Institution<br />

1. Einplanen eines Zeitbudgets für Elternarbeit. Dazu gehören ebenso Aspekte<br />

der Kontaktpflege (wie Elterncafes, Tag der Offenen Tür), als auch Zeit für Einzelgespräche<br />

zu bestimmten Themen (Ängste; regelmäßig sog. „Entwicklungsgespräche“)<br />

oder um die eigene Arbeit den Eltern transparent zu machen. Hierzu<br />

bedarf es sowohl geeigneter Räumlichkeiten innerhalb des Hauses, als auch<br />

der Bereitschaft und Möglichkeit eines Hausbesuches (sofern gewünscht). Des<br />

weiteren wäre ein festes „Zeitfenster“, in welchem auf jeden Fall immer ein Mitarbeiter<br />

zu erreichen <strong>ist</strong> sinnvoll.<br />

2. Gestaltung eines „Infoblattes“ mit den wichtigsten für Eltern relevanten Informationen<br />

(Telefonnummern, aber auch Fotos mit Namen der für den Bewohner<br />

64


& die Familie relevanten Mitarbeiter und Bewohner) zur besseren Anfangsorientierung.<br />

3. (verpflichtende) Fortbildungen zu folgenden Themen:<br />

• Leitideen der Heilpädagogik (Was bedeutet systemisches Denken, Empowerment,<br />

<strong>Normal</strong>isierung, Ass<strong>ist</strong>enz etc.)<br />

• Ablösung,<br />

• Methoden der Gesprächsführung und Beratung, Kommunikationskompetenzen<br />

• Methoden der Ass<strong>ist</strong>enz und Erwachsenenbildung,<br />

• Rechtliche Aspekte der eigenen Arbeit.<br />

4. (systemische) Supervisions-Möglichkeiten einzeln oder im Team (je nach<br />

Budget), um eigene Arbeit, eigenes Selbstverständnis und Konflikte verschiedener<br />

Art mit Hilfe einer neutralen Person reflektieren zu können.<br />

5. Idealerweise Einstellung eines Diplomheilpädagogen mit Beraterausbildung<br />

oder die Fortbildung eines Mitarbeiters als/zum „<strong>Familien</strong>beauftragten“,<br />

der auch im Sinne eines Multiplikators Fortbildungen für Mitarbeiter<br />

und/oder Eltern anbieten könnte. Ebenso könnte dieser mit einem zu schaffenden<br />

Elternbeirat zusammen arbeiten und z.B. als Mediator zwischen Gruppenpersonal<br />

und Eltern fungieren.<br />

4.4.2 Begleitung vor / während der Auszugsphase<br />

1. Möglichkeiten zur Hospitation in einer Einrichtung, um den Alltag innerhalb<br />

der angestrebten Einrichtung oder mögliche Mitbewohner Kennenlernen zu<br />

können. Gleichzeitig würde dies der bereits bestehenden Gruppe eine Entscheidung<br />

für oder gegen den Bewerber erleichtern (möglich wäre auch die<br />

Teilnahme an einer Gruppenaktivität oder Freizeit). Dieses Angebot gilt sowohl<br />

für den möglichen Bewohner als auch seine Familie.<br />

2. Vorbereitung/ Durchführung der „Individuellen Hilfeplanung“ mit Hilfe der<br />

Methode einer Zukunftswerkstatt oder dem Buch von Susanne Göbel „So<br />

möchte ich Wohnen“.<br />

3. Einbezug der Eltern, Freunde o.ä. beim Renovieren des Zimmers (o.ä.) und<br />

der Einrichtung (sofern gewünscht und möglich), so wie es bei den me<strong>ist</strong>en<br />

Menschen bei einem Auszug geschieht.<br />

4. Kooperation sowohl mit Schulen, als auch der Werkstatt für Menschen mit<br />

Behinderung (WfbM), sowie der Volkshochschule (VHS) vor Ort, um so-<br />

65


wohl lebenspraktische Erfahrungen sammeln zu können, als auch z.B. Wohnangebote/-möglichkeiten<br />

der Umgebung kennen zulernen.<br />

5. Hierzu wäre u.a. die Einrichtung einer Möglichkeit zum „Probewohnen“ sinnvoll.<br />

4.4.3 Weitere Angebote an den Bewohner<br />

1. Jedem neuen Bewohner wird für die Anfangszeit ein „Pate“ aus dem Bereich<br />

der „alten“ Bewohner oder dem Heimbeirat zur Seite gestellt. Dieser unterstützt<br />

beim Einfinden in Alltagsabläufe, macht auf gruppeninterne Absprachen<br />

aufmerksam etc.<br />

2. Des weiteren wird ihm ein Mentor aus dem Mitarbeiterteam zur Seite gestellt.<br />

Dieser soll beim Auffinden eigener Bedürfnisse und Wünsche behilflich sein,<br />

auf Beschwerdemöglichkeiten hinweisen, bei besonderen Aktivitäten (wie Kleiderkauf,<br />

Arztbesuch etc.) als Begleiter fungieren <strong>wenn</strong> gewünscht und kann als<br />

Moderator für/ Vermittler in Gesprächen zwischen Bewohner und Eltern, Bewohner<br />

oder Mitarbeiter dienen.<br />

3. Vermittlung von Kursangeboten zu lebenspraktischen, politische und kulturellen<br />

etc. Themen (<strong>wenn</strong> möglich in Kooperation mit der VHS, ansonsten<br />

hausintern)<br />

4.4.4 Die Begleitung der Eltern<br />

1. Gesprächsangebote in unterschiedlicher Form und zu unterschiedlichen<br />

Themen, mit entsprechender Zeit und zwar nicht erst im Konfliktfall, sondern als<br />

grundsätzlich bestehendes Angebot. Die Bedeutung dieses Angebots kann<br />

nicht hoch genug eingeschätzt werden, sowohl zur Kontaktpflege als auch als<br />

Unterstützung und zur Vertrauensbildung.<br />

2. Ebenso wie dem Bewohner ein Pate zur Seite steht, sollte es für die Eltern einen<br />

festen Ansprechpartner geben. Dieser sollte meiner Meinung nach nicht<br />

derselbe sein wie der Bewohnermentor, um bei Vermittlungsgesprächen nicht<br />

in einen Gewissenskonflikt zu kommen. Der Elternmentor soll zudem der Aufnahme<br />

der Elternperspektive, der Lebensgeschichte des Bewohners etc. dienen.<br />

Zudem berichteten mehrere Eltern, dass so vermieden werden könne,<br />

66


dass sie immer wieder ihre Geschichte jedem neuen Mitarbeiter erzählen müssten.<br />

3. Einrichtung eines Elterngesprächskreises. Hier können „Betroffene“ Betroffene<br />

beraten und eventuell bei der Suche nach neuen Lebensperspektiven unterstützen<br />

oder auch praktische Informationen vermitteln, wie Finanzierungsmöglichkeiten,<br />

Ärzte o.ä.. Möglichkeiten hierzu ergeben sich auch aus der Tatsache,<br />

dass der Träger des Hauses ein Elternverein <strong>ist</strong>.<br />

4. Gründung eines Elternbeirats mit Beratungsfunktion, um die Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

der Eltern zu schaffen. Ebenso kann er als Vermittler bei Konflikten<br />

zu Rate gezogen werden.<br />

5. Fortbildungs- bzw. Informationsangebote an die Eltern (z.B. zu Themen wie<br />

konzeptionelle Entwicklungen, Erb- und Betreuungsrecht, Sexualität und Elternschaft<br />

bei Menschen mit Behinderung, Leitgedanken der Heilpädagogik,<br />

Ablösung etc.). Auch hier können die Strukturen des Trägervereins genutzt<br />

werden. Ziel <strong>ist</strong> es, Hilfen zur Selbsthilfe anzubieten.<br />

5 Ausblick: Ablösen heißt auch Ankommen...<br />

Aus den Ausführungen sollte klar geworden sein, dass das Thema „Ablösung“ innerhalb<br />

komplexer Zusammenhänge steht. Ein Auszug bedeutet nicht das Ende des Ablösungsprozesses.<br />

Ebenso beinhaltet Ablösung vom Elternhaus auch Ankommen im<br />

neuen sozialen Umfeld.<br />

Die Ablösethematik steht oftmals direkt oder indirekt hinter Kooperations- und Verständnisproblemen<br />

in der Zusammenarbeit von Bewohnern, Eltern und Mitarbeitern.<br />

Somit <strong>ist</strong> es unabdingbar für Einrichtungen, sich mit diesem Thema auseinander zu<br />

setzen. Jedoch <strong>man</strong>gelt es an entsprechender umfassender Fachliteratur beziehungsweise<br />

einem Bewusstsein für den Informationsbedarf zu den diesen Bereich betreffenden<br />

Aspekten innerhalb der Ausbildung. Daher wurde mit dieser Arbeit der Versuch<br />

unternommen, ein systemisches Verständnis des Ablöseprozesses zu erarbeiten und<br />

zudem Grundlagen für ein professionelles Handlungsverständnis vorzustellen, welche<br />

Basis für ein Konzept einer entsprechenden Begleitung sein können. Da der Rahmen<br />

dieser Arbeit begrenzt <strong>ist</strong>, konnten viele Bereiche nur einführend bearbeitet werden.<br />

Daher habe ich an entsprechenden Stellen mir sinnvoll erscheinende Literaturangaben<br />

zur Vertiefung in den Fußnoten angemerkt.<br />

67


Die Loslösung von der Familie braucht Zeit (Beachtung der Chronosystem-Ebene),<br />

auch zum Ankommen in einer neuen Lebensphase und –rolle (sowohl in Bezug auf<br />

den Menschen mit Behinderung als auch der „zurückbleibenden“ Familie). Ein Auszug<br />

bedeutet nicht, dass damit das Ende aller <strong>Familien</strong>beziehungen eingeläutet wird. Die<br />

Betonung auf Ablöseprozess deutet an, dass es sich um etwas fließendes, sich entwickelndes<br />

handelt. Elternhaus und Wohneinrichtung stellen zwei zunächst eigenständige<br />

Systeme dar, welche miteinander verwoben sind und die in ein Gleichgewicht gebracht<br />

werden müssen. Im positivsten Fall entwickelt sich die Einsicht, dass es sich<br />

nicht um zwei konkurrierende Systeme handelt, sondern jedes für sich seine Berechtigung<br />

mit positiven Aspekten hat. Die Familie bietet das Zuhause als eine Art „Nest“, in<br />

das <strong>man</strong> immer wieder gerne zurückkehrt und in dem <strong>man</strong> entspannen kann. Die<br />

Wohneinrichtung hingegen symbolisiert dann vielleicht eher das Zuhause, in dem <strong>man</strong><br />

als „Erwachsener“ gefordert wird, mit den entsprechenden alltäglichen Anforderungen.<br />

Dementsprechend muss sich der Bewohner dann auch nicht entscheiden, wo er zuhause<br />

sein möchte.<br />

Begleiter können und sollen die Eltern nicht ersetzen. Umgekehrt müssen Eltern nicht<br />

„erzogen“ werden, damit sie im Sinne der „Fachleute“ pädagogisch/ andragogisch<br />

„sinnvoll“ handeln. Zur Ablösung aus dem Elternhaus gehört auch, dass ich (immer<br />

wieder) Nachhause kommen kann und von meinen Eltern „verwöhnt“ werde! Somit gilt<br />

es, die jeweiligen Stärken zu vereinen und nicht gegeneinander auszuspielen. Gegenseitiges<br />

Verständnis durch gemeinsame Gespräche, für die „Zeit“ vorhanden sein<br />

muss, <strong>ist</strong> ein Schlüssel für eine positive Verarbeitung des Ablöseprozesses und einen<br />

respektvollen Umgang miteinander. Reflexion der Prozesse mit Hilfe einer systemischen<br />

Sichtweise <strong>ist</strong> ein weiterer Schlüssel. Ohne die Berücksichtigung der individuellen<br />

Lebensgeschichte der Familie (auch mit den emotionalen Anteilen) wird alles<br />

„Fachwissen“ und jede professionelle Unterstützung unvollständig sein. Somit gilt es<br />

auch hier einen „Perspektivenwechsel“ einzuleiten, in dem Sinne, dass die Arbeit in<br />

einer Wohneinrichtung die gesamte Familie (oder entsprechende Bezugspersonen) im<br />

Blick haben sollte. Nur <strong>wenn</strong> Eltern das Gefühl haben, willkommen zu sein, werden sie<br />

auch „loslassen“ können. Mitarbeiter können dann als Unterstützung gesehen werden<br />

und nicht als Konkurrenz oder gar Gegner. Ablösung kann nur mit den Eltern zusammen<br />

begleitet werden!<br />

Auf makrosystemischer Ebene gilt, dass solange die Lebensumstände von Menschen<br />

mit Behinderung nicht „normalisiert“ sind, auch das Leben und die Lebensplanung von<br />

Eltern eines behinderten Kindes nicht „normalisiert“ sein werden. Ablösung und Auszug<br />

bedeutet bei nichtbehinderten <strong>Kinder</strong>n der Schritt in ein eigenes, privates Leben. Für<br />

Menschen mit Behinderung bedeutet es me<strong>ist</strong> noch den Schritt in eine Institution. Für<br />

68


die Eltern stellt dieser Schritt oft noch eher ein „Weggeben“ statt einem „Loslassen“ dar<br />

und <strong>ist</strong> oft mit Schuldgefühlen oder Rechtfertigungsdruck verbunden. An dieser Stelle<br />

weise ich darauf hin, dass Mitarbeiter einer Einrichtung erkennen müssen, wann die<br />

Grenzen ihrer Kompetenz zur Unterstützung der Eltern erreicht sind. Therapeutische<br />

Arbeit bedarf einer professionellen Ausbildung. Wenn ein Mitarbeiter feststellt, dass<br />

aus der Ablösung psychische Krisen größeren Ausmaßes entstanden sind (z. B. Eheprobleme<br />

oder Depressionen), müssen sie die Verantwortung abgeben. Kooperation<br />

mit anderen Einrichtungen und Beratungsstellen <strong>ist</strong> hierzu meines Erachtens ebenso<br />

wichtig, wie eine vertrauensvolle Basis zwischen Mitarbeitern und Eltern. Nur <strong>wenn</strong><br />

Eltern sich verstanden fühlen, können sie überhaupt Hilfen annehmen und werden sich<br />

nicht „pathologisiert“ fühlen. Gesellschaftliche und sozialpolitische Tendenzen zur Verbesserung<br />

der Rahmenbedingungen sind vorhanden, aber bei weitem noch nicht genug.<br />

Fraglich <strong>ist</strong> zum Beispiel, ob eine „Individuelle Hilfeplanung“ wirklich zu einem<br />

selbstbestimmten Leben im Sinne des Betroffenen, unterstützt mit der nötigen Hilfe,<br />

führt oder ob damit das Ziel einer „Kostenreduzierung“ verfolgt wird. Sollte weiterhin<br />

erst das „Eingeständnis“ der Eltern erforderlich sein, dass „es zuhause nicht mehr<br />

geht“, so wäre dies kein „Perspektivenwechsel“ und kein Weg zu <strong>Normal</strong>isierung und<br />

Empowerment.<br />

Der von mir entwickelte Konzeptvorschlag wurde einigen Kollegen bereits vorgestellt<br />

und wohlwollend aufgenommen. Damit er aber tatsächlich in die alltägliche Arbeit aufgenommen<br />

werden kann, bedarf es noch der Auseinandersetzung sowohl mit der gesamten<br />

Belegschaft des Hauses, dem Trägerverein, Eltern und Bewohnern. Ich denke,<br />

dass noch viel Überzeugungsarbeit gele<strong>ist</strong>et werden muss, damit wirklich jeder die<br />

Notwendigkeit eines solchen Konzeptes einsieht und neue Sichtweisen annehmen<br />

kann. Sicherlich wird auch über den Aspekt der Finanzierung zu sprechen sein. Jedoch<br />

sind einige der Vorschläge sofort und ohne großen Kostenaufwand zu verwirklichen,<br />

andere eher mittelfr<strong>ist</strong>ig. Zudem wird ein Angleichen an die überarbeitete Konzeption<br />

nötig sein. Letztlich kann nur eine Erprobung des Konzepts in der Praxis zeigen, wie<br />

sinnvoll die vorgeschlagenen Maßnahmen sind und welche Veränderungen oder Ergänzungen<br />

zu beachten sind.<br />

69


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Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. Stuttgart, Berlin,<br />

Köln 2001. S. 43-44.<br />

SPIEGEL, A. : Die Umsetzung von „<strong>Normal</strong>isierungsprinzipien“ im Wohnheim.<br />

In: WEINWURM-KRAUSE, E.-M. (Hrsg.) :Autonomie im Heim. Heidelberg 1999,<br />

S. 76-124.<br />

THESING, T.: Betreute Wohngruppen und Wohngemeinschaften für Menschen<br />

mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung. Freiburg i.B. 1990.<br />

THEUNISSEN, G./ PLAUTE, W.: Empowerment und Heilpädagogik. Ein Lehrbuch.<br />

Freiburg i.B. 1995(a).<br />

THEUNISSEN, G.: Ausgliederung ge<strong>ist</strong>ig behinderter Menschen aus der Psychiatrie.<br />

Internationale Entwicklung, zur Lage in den neuen Bundesländern und<br />

zu Reformen in der alten Bundesrepublik. 1995(b).<br />

In: BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR GEISTIG BEHINDERTE<br />

(Hrsg.): Wohnen heißt zu Hause sein. Hu<strong>man</strong>es Wohnen – seine Bedeutung für<br />

das Leben ge<strong>ist</strong>ig behinderter Erwachsener. Marburg 1995, S. 91-106.<br />

THEUNISSEN, G.: Familie – Behinderung –Ablösung. In: Heilpädagogik (1997)<br />

2, S. 1-9.<br />

THEUNISSEN, G.: Wege aus der Hospitalisierung: Empowerment in der Arbeit<br />

mit schwerstbehinderten Menschen. 2. Aufl. Bonn 2000.<br />

THEUNISSEN, G.: Erwachsenenbildung. In: ANTOR, G./ BLEIDICK, U.: Handlexikon<br />

der Behindertenpädagogik. Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis.<br />

Stuttgart, Berlin, Köln 2001. S. 371-373.<br />

76


THIMM, W.: Das <strong>Normal</strong>isierungsprinzip: Eine Einführung.<br />

Aus der Reihe: BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR GEISTIG<br />

BEHINDERTE E.V. (Hrsg.): Kleine Schriftenreihe, Bd. 5. Marburg 1994.<br />

TRAPPEN, M - L.: Die Bedeutung des Wohnens für ge<strong>ist</strong>ig behinderte Menschen<br />

aus Sicht der Familie.<br />

In: BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR GEISTIG BEHINDERTE<br />

(Hrsg.): Hu<strong>man</strong>es Wohnen: seine Bedeutung für das Leben ge<strong>ist</strong>ig behinderter<br />

Erwachsener. Marburg 1982, S. 16-24.<br />

TRENK-HINTERBERGER, P.: Die Rechte behinderter Menschen und ihrer Angehörigen.<br />

Schriftenreihe der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte,<br />

Band 103. 30. Aufl., Düsseldorf 2001.<br />

VAN KAN, P./ DOOSE, S.: Zukunftsweisend. Peer Counseling & Persönliche<br />

Zukunftsplanung. BIFOS-Schriftenreihe zum selbstbestimmten Leben Behinderter.<br />

2. Aufl. Kassel 2000.<br />

WALTER, J. : Pubertätsprobleme bei Jugendlichen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung.<br />

In: Ge<strong>ist</strong>ige Behinderung 24 (1985) 1, S.23-36.<br />

WALUJO, S./ MALMSTRÖM, C.: Grundlagen der SIVUS-Methode: Förderung<br />

der individuellen und sozialen Entwicklung bei Menschen mit ge<strong>ist</strong>iger Behinderung.<br />

Aus der Reihe SPECK, O. (Hrsg.): Behindertenhilfe durch Erziehung, Unterricht<br />

und Therapie, 16. 2. Aufl. München, Basel 1996.<br />

WEINWURM – KRAUSE, E. (Hrsg.): Autonomie im Heim: Auswirkungen des<br />

Heimalltags auf die Selbstverwirklichung von Menschen mit Behinderung. Heidelberg<br />

1999.<br />

WILLI, J. : Was verändert sich in der Ablösephase in der Geschichte einer Familie?<br />

In: LEMPP, R. (Hrsg.): Reifung und Ablösung. Das Generationenproblem und<br />

seine psychopathologischen Randformen. Bern 1987, S.54-63.<br />

WILKEN, U.: Hu<strong>man</strong>es Leben, Wohnen und Arbeiten ge<strong>ist</strong>ig behinderter Menschen.<br />

In: GEISTIGE BEHINDERUNG 24 (1985) 1, S. 37-48.<br />

WILKEN, U.: Selbstbestimmung und soziale Verantwortung. Gesellschaftliche<br />

Bedingungen und pädagogische Voraussetzungen.<br />

In: BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR MENSCHEN MIT<br />

GEISTIGER BEHINDERUNG (Hrsg.): Selbstbestimmung: Kongressbeiträge, 2.<br />

durchgesehene Aufl. Marburg 1997, S. 41-47.<br />

WOHNHAUS FÜR MENSCHEN MIT KÖRPERBEHINDERUNG (Hrsg.): Herzlich<br />

Willkommen im Brühler Wohnhaus für Körperbehinderte. (Prospekt) Brühl<br />

2002.<br />

77


ZIMBARDO, PH.G.: Psychologie. 6. neu bearb. und erw. Aufl. Berlin, Heidelberg<br />

u.a. 1995.<br />

78


Erklärung<br />

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt und<br />

keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die<br />

dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen sind, habe ich<br />

in jedem einzelnen Falle unter genauer Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung<br />

kenntlich gemacht.<br />

Brühl, der 13.10.2003 _______________________<br />

(Jörg Strigl)<br />

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