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Leseprobe NN SoSe 2010 - Fachschaft Geschichte der LMU München

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Ausgabe 5 | Sommersemester <strong>2010</strong>


Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen!<br />

Lei<strong>der</strong> muss uns mit dieser Ausgabe auch wie<strong>der</strong> ein<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> ersten Stunde verlassen: Johannes<br />

Kunz, <strong>der</strong> lange in <strong>der</strong> Chefredaktion und beim Layout<br />

mitgewirkt hat, muss mit dieser Ausgabe studienbedingt<br />

sein Engagement bei <strong>NN</strong> einstellen. Wir<br />

wünschen ihm viel Erfolg auf seinem weiteren Weg<br />

im Studium.<br />

In dieser Ausgabe erwarten euch wie<strong>der</strong> viele interessante<br />

Artikel:<br />

Neben einer ausführlichen Beschreibung des von<br />

<strong>der</strong> <strong>Fachschaft</strong> <strong>Geschichte</strong> seit dem letzten Semester<br />

angebotenen Erstsemesterwochenendes gibt es<br />

einen hochinformativen Artikel über das zehnjährige<br />

Bestehen des Servers Frühe Neuzeit.<br />

Außerdem gibt es wie<strong>der</strong> einen Guide durch einen<br />

Die Redaktion<br />

Andreas C. Hofmann<br />

Carolin Zaniewicz<br />

Heinz Seutter<br />

Nicht abgebildet: Andreas Rentz<br />

Jubiläum! Die fünfte Ausgabe von <strong>NN</strong> ist fertig!<br />

Franziska Wiest<br />

Julia Treindl<br />

Aspekt des kulinarischen Angebots in <strong>München</strong>.<br />

Wir informieren euch über das Angebot <strong>der</strong> Currywurstbratereien<br />

in <strong>München</strong>!<br />

In unserer Rubrik <strong>Geschichte</strong> & Medien findet<br />

ihr einen spannenden Artikel über alternativgeschichtliche<br />

Literatur sowie einige Filmkritiken<br />

zu soeben auf DVD erschienenen Filmen mit interessantem<br />

historischen Hintergrund.<br />

Außerdem gibt es wie<strong>der</strong> ein Silbenrätsel sowie ein<br />

Horoskop und erstmals einen Comic in <strong>der</strong> Rubrik<br />

Beschäftigungstherapie!<br />

Wir wünschen euch viel Spaß mit dieser Ausgabe!<br />

Eure <strong>NN</strong>-Redaktion<br />

Benjamin Gildein<br />

Stefan Kreutzer<br />

Adrian Hambeck<br />

Johannes Kunz


Klick Klick<br />

Semestertagebuch<br />

Werwölfe in Garmisch<br />

Rück- und Ausblicke nach zehn<br />

Jahren sfn/historicum.net<br />

Krieg <strong>der</strong> Würste<br />

Was wäre, wenn...?<br />

Schwarze Sonne, weißer Admiral<br />

und ein Birkenwald<br />

Das Feld <strong>der</strong> Ehre – Passchendaele<br />

Dominik, Sven und Manfred o<strong>der</strong><br />

von Menschen und Monstern<br />

Leserbriefe<br />

Gefährliche Liebschaften<br />

Horoskop<br />

Denkaufgabe mit basalsprachlichem<br />

Aspekt<br />

Das studentische Arschloch<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

S. 06<br />

S. 10<br />

S. 14<br />

S. 22<br />

S. 25<br />

S. 30<br />

S. 34<br />

S. 37<br />

S. 38<br />

S. 40<br />

S. 44<br />

S. 46<br />

S. 50<br />

S. 52


6<br />

Ein gutes Gedächtnis<br />

ist für jeden Historiker<br />

unerlässlich. Daten,<br />

Zahlen, Fakten muss es fassen;<br />

Canossa, Waterloo und die<br />

Iden des März. Wir huldigen<br />

Mnemosyne, wo wir nur können.<br />

Hierzulande ganz beson<strong>der</strong>s.<br />

Klick Klick.<br />

Doch wehe jenen, welche die Göttin des Gedächtnisses<br />

erzürnen. Wehe jenen, die in ihren Reichen<br />

den einen, den unverzeihlichen Frevel begehen.<br />

Wehe jenen, die vergessen.<br />

Ihr kennt sie alle, die mnemonischen Versager. Vermutlich<br />

wart ihr selbst schon unter ihnen. Meistens<br />

müssen sie nur ein Weilchen büßen. Eben so lange,<br />

bis sie die Schmach über ihren Verrat an Mnemosyne<br />

dazu bringt, auf ewig den süßen Wassern <strong>der</strong><br />

Lethe den Rücken zu kehren.<br />

Klick Klick.<br />

Einige aber leisten Wi<strong>der</strong>stand, täuschen ihre Reue<br />

nur vor. In Wirklichkeit sind sie den Fluten des<br />

Vergessens längst verfallen.<br />

Doch Mnemosynes Geduld kennt Grenzen: Den<br />

hemmungslosen Jüngern <strong>der</strong> Lethe droht unwi<strong>der</strong>ruflich<br />

die Verbannung aus ihren Reichen.<br />

Klick Klick.<br />

Ihr erkennt sie an den bleichen Gesichtern, aufgedunsen<br />

vom Rausch des Vergessens. Und die rastlosen<br />

Augen, die suchend über die Zahlenkolonnen<br />

irren, verraten: Der macht es nicht mehr lange.<br />

Klick<br />

klick.<br />

Bekenntnis einer<br />

Schwervergesserin.<br />

Ich bin eine von ihnen. Eine Schwervergesserin.<br />

Zu Beginn ging ich noch sorglos mit meiner Sucht<br />

um. Klick Klick. Geradezu befreiend war sie. Während<br />

an<strong>der</strong>e ihre armen Hirne plagten, konnte ich<br />

einfach vergessen. Ja, ich prahlte sogar damit, mein<br />

Gehirn mit solchen Lappalien wie einer Nummer<br />

gar nicht erst zu belasten. Irgendwann geriet es außer<br />

Kontrolle. Ich konnte mir nicht einmal mehr<br />

merken, ob oben o<strong>der</strong> unten. Doch da war ich bereits<br />

süchtig. Ein Vergessensjunkie. Ich versuchte,<br />

das Laster vor meinen Kommilitonen zu verbergen.<br />

Ertappte mich jemand an dem verräterischen<br />

Ort, dann gab ich mich als tumber Erstsemester.<br />

Tat so, als suchte ich etwas. Erklärte, ich würde nur<br />

auf jemanden warten.<br />

Inzwischen bin ich solcher Raffinessen nicht mehr<br />

fähig. Zwecklos sind sie obendrein: Man kennt<br />

mich.<br />

Klick Klick.<br />

Flackernd irrt mein Blick über die Zahlenreihen,<br />

wirr steht mein Haar in alle Richtungen. Mein blutverkrusteter<br />

rechter Zeigefinger zeugt von den unzähligen<br />

Malen, da sich die silbernen Zacken vergeblich<br />

in ihn bohrten.<br />

Kommilitonen richten besorgt das Wort an mich,<br />

ich aber höre sie nicht mehr. Ich höre nur noch eines:<br />

Klick Klick. Um mich herum öffnen sich graue<br />

Vierecke und geben an<strong>der</strong>en ihre Tiefen preis. Mir<br />

nicht. Sie schlagen leicht zu. Klick. Dann gehen sie<br />

wie<strong>der</strong> auf und bleiben halb offen stehen, mich<br />

verhöhnend. Mittlerweile kenne ich jedes einzelne<br />

blind. Hun<strong>der</strong>tneun wurde von einem Kaffeetropfen<br />

überquert. Der Aufkleber „Bissiger Fili-


gran Funk“? Auf <strong>der</strong> Hun<strong>der</strong>tachtzehn. Und das<br />

Schloss <strong>der</strong> Sechsundzwanzig fiel vermutlich dem<br />

Wahnsinn eines meiner Vorgänger zum Opfer.<br />

Klick Klick.<br />

Nur meines, an das erinnere ich mich nicht mehr.<br />

Ich habe es horizontal versucht, von links. Und<br />

rechts. Mehrmals. Vertikal, von oben und unten.<br />

Mehrmals. Diagonal, vorwärts und rückwärts. Gerade<br />

Zahlen horizontal von links. Ungerade mit gera<strong>der</strong><br />

Quersumme, diagonal von oben rechts. Nun<br />

bin ich bei den Primzahlen, vertikal von unten.<br />

Manchmal rastet er scheinbar ein. Sofort glimmt<br />

wie<strong>der</strong> Hoffnung auf. Doch dann, dann lässt er<br />

sich nicht drehen.<br />

Was war das? Klack Klack. Noch einmal. Klack Klack.<br />

Und wie<strong>der</strong>. Langsam schaue ich neben mich. Ein<br />

Blick in seine irrlichternden Augen genügt: noch<br />

einer von Lethes Jüngern. Nach einiger Zeit haben<br />

wir unseren Rhythmus gefunden.<br />

Klickklack Klickklack.<br />

Irgendwann sagt er, es sei bei ihm schon das vierte<br />

Mal diese Woche. Bei mir das dritte, erwi<strong>der</strong>e ich.<br />

Es ist Dienstag.<br />

Und es war doch was mit den Gracchen, knirsche<br />

ich verzweifelt.<br />

Zehn o<strong>der</strong> so, fragt er. Geringschätzig mustere ich<br />

ihn. Kein Wun<strong>der</strong>, dass Mnemosyne so einem nicht<br />

hilft.<br />

Sorry, Jurist, wehrt er ab. Auch das noch, denke ich.<br />

Ein Eindringling.<br />

Bei mir war‘s was aus dem Schuldrecht, fügt er hinzu.<br />

Ich hätte geschworen, es war bei den Klauselverboten.<br />

Aber im Umkreis von dreihun<strong>der</strong>tneun<br />

war nichts, gar nichts. Er seufzt mutlos.<br />

Wahrscheinlich öffnen sie sich hier historischen<br />

Eselsbrücken lieber als juristischen, bemerke ich.<br />

Ist ja auch aufregen<strong>der</strong>, bei drei drei drei an Alexan<strong>der</strong><br />

zu denken, als an...<br />

Zurückweisung des Rechts durch den Dritten, ergänzt<br />

er stirnrunzelnd. Und behauptet dann, das<br />

sei Diskriminierung, Gebäudemobbing. Und überhaupt<br />

sei ich ja trotz Gracchen immer noch hier.<br />

Möglicherweise bin ich ein Härtefall, räume ich ein.<br />

Wir schweigen.<br />

Klickklack Klickklack.<br />

Man könnte sich die Zahl eigentlich notieren, sagt<br />

er nach einer Weile.<br />

Niemals, erkläre ich kategorisch. Man hat ja doch<br />

so etwas wie Historikerehre.<br />

Wäre aber effizienter, meint er.<br />

Ich studiere gewiss nicht <strong>Geschichte</strong>, um mich in<br />

die Nie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Alltagseffizienz zu begeben,<br />

bedeute ich ihm schroff.<br />

Deshalb stehst du jetzt auch hier, feixt er.<br />

Klickklack Klickklack.<br />

Einmal wollte ich betrügen, bekenne ich flüsternd.<br />

Einmal ohne Angst dem Grauen den Rücken kehren.<br />

Nur einmal.<br />

Wie denn, fragt er.<br />

Ich habe einfach nicht abgesperrt, murmele ich.<br />

Und?<br />

Fehlschlag. Alles gestohlen.<br />

Wir schweigen bedrückt.<br />

Es ist erbärmlich, seufze ich irgendwann. Wir<br />

scheitern hier an einer einzigen Zahl. Dabei haben<br />

die großen Heerführer den Namen jedes einzelnen<br />

ihrer Soldaten gekannt.<br />

Die waren ja auch nicht alle grau und viereckig,<br />

meint er lakonisch.<br />

Klickklack Klickklack.<br />

Auf einmal ertönt neben mir unverständliches Gemurmel.<br />

Der Jurist hat begonnen, frenetisch gegen<br />

die zweihun<strong>der</strong>tzweiundvierzig zu tippen, Leistung<br />

nach Treu und Glauben. Dabei flüstert er etwas. Es<br />

hört sich an wie ‚Alohomora‘.<br />

Ich will ihm erklären, dass das hier nicht funktioniert,<br />

dass die einzige Gemeinsamkeit von Hogwarts<br />

und Historicum <strong>der</strong> Anfangsbuchstabe ist.<br />

Er hört mich nicht mehr.<br />

Das reicht. So will ich nicht enden. Mit äußerster<br />

Willensanstrengung bremse ich meine Hand, die<br />

schon mechanisch auf das nächste Schloss zuzuckt.<br />

Ich wende meine Augen ab von den grauen, den<br />

grauenvollen Schließfächern. Nun bleibt mir nur<br />

noch eines: Lethe für immer zu entsagen. Lernen,<br />

mich wie<strong>der</strong> zu erinnern. Diesmal meine ich es<br />

ernst.<br />

Mnemosyne sieht meine Reue und da, endlich antwortet<br />

sie. Der Tod des Gaius Gracchus. Ich stecke<br />

den Schlüssel ins Schloss <strong>der</strong> Hun<strong>der</strong>tzweiundzwanzig<br />

und drehe um. Mit einem leichten ‚Klick‘<br />

geht die Tür auf und ich bin erlöst.<br />

Mnemosyne sieht streng auf mich herab und ich<br />

leiste meinen Schwur. Nie, nie mehr will ich vergessen.<br />

Dann wende ich mich um und gehe. Ein einsames<br />

Geräusch bleibt hinter mir zurück, für immer<br />

zum Scheitern verurteilt auf <strong>der</strong> Suche nach dem<br />

einseitigen Rechtsgeschäft. Klack Klack. Justitia ist<br />

nämlich blind.<br />

Julia Treindl<br />

7

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