Viele Wege beginnen mit Rom - Fachbuchquelle

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Viele Wege beginnen mit Rom Aus Kelten werden Gallo-Römer Am Anfang war Cäsar. Seit langem schon nennen Historiker gute Gründe dafür, den Gang des Saarlands durch die europäische Geschichte mit dem Vollender des Römischen Imperiums beginnen zu lassen. Nicht nur, weil nach der Eroberung Galliens – zu dessen nördlichen Stammesgebieten die Saarregion gehörte – die römische Zivilisation und mit ihr die moderne Schrift in einer weitgehend mündlichen Kultur Einzug hielt. Auch die nicht-schrift lichen Überlieferungen und Zeugnisse, die seit der Zeitenwende erhalten sind, sprechen eine deutliche Sprache. Sie belegen in vielen Einzelheiten und an zahlreichen Orten das Ausmaß des wirtschaft lichkulturellen Aufschwungs dieser Region im ersten nachchristlichen Jahrhundert und sie gewähren manche Einblicke in das alltägliche Leben der »Saarländer« in der Antike. Allerdings gibt es viel ältere Spuren menschlicher Zivilisation im Raum zwischen Mosel und Saar, zwischen Pfälzer Wald und Hunsrück. Und manche von ihnen sind so deutlich, dass sich ein weiter gespannter Rückblick in die saarländische Geschichte lohnt. Vom Faustkeil aus der älteren Steinzeit über Geräte und Waff en aus dem Mesolithikum bis hin zu jungsteinzeitlichen Siedlungs- und Ackerbauzeugnissen reichen die Funde, die menschliche Aktivitäten im Saarland in der noch immer »vorgeschichtlich« genannten Zeit belegen. Das Bild, das sich durch archäologische Grabungen aus dieser Periode ergibt, verdichtet sich in der Bronze-, und dann ganz besonders in der Eisenzeit. Reste von Behausungen und Befestigungsanlagen, Funde aus Gräbern und Vorratsgruben bezeugen einerseits die Tatsache und das Ausmaß der Siedlungsver-

<strong>Viele</strong> <strong>Wege</strong> <strong>beginnen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rom</strong><br />

Aus Kelten werden Gallo-Römer<br />

Am Anfang war Cäsar. Seit langem schon nennen Historiker gute<br />

Gründe dafür, den Gang des Saarlands durch die europäische Geschichte<br />

<strong>mit</strong> dem Vollender des Römischen Imperiums <strong>beginnen</strong><br />

zu lassen. Nicht nur, weil nach der Eroberung Galliens – zu dessen<br />

nördlichen Stammesgebieten die Saarregion gehörte – die römische<br />

Zivilisation und <strong>mit</strong> ihr die moderne Schrift in einer weitgehend<br />

mündlichen Kultur Einzug hielt. Auch die nicht-schrift lichen<br />

Überlieferungen und Zeugnisse, die seit der Zeitenwende erhalten<br />

sind, sprechen eine deutliche Sprache. Sie belegen in vielen Einzelheiten<br />

und an zahlreichen Orten das Ausmaß des wirtschaft lichkulturellen<br />

Aufschwungs dieser Region im ersten nachchristlichen<br />

Jahrhundert und sie gewähren manche Einblicke in das alltägliche<br />

Leben der »Saarländer« in der Antike. Allerdings gibt es viel ältere<br />

Spuren menschlicher Zivilisation im Raum zwischen Mosel<br />

und Saar, zwischen Pfälzer Wald und Hunsrück. Und manche von<br />

ihnen sind so deutlich, dass sich ein weiter gespannter Rückblick<br />

in die saarländische Geschichte lohnt.<br />

Vom Faustkeil aus der älteren Steinzeit über Geräte und Waff en<br />

aus dem Mesolithikum bis hin zu jungsteinzeitlichen Siedlungs-<br />

und Ackerbauzeugnissen reichen die Funde, die menschliche Aktivitäten<br />

im Saarland in der noch immer »vorgeschichtlich« genannten<br />

Zeit belegen. Das Bild, das sich durch archäologische Grabungen<br />

aus dieser Periode ergibt, verdichtet sich in der Bronze-, und<br />

dann ganz besonders in der Eisenzeit. Reste von Behausungen und<br />

Befestigungsanlagen, Funde aus Gräbern und Vorratsgruben bezeugen<br />

einerseits die Tatsache und das Ausmaß der Siedlungsver-


Aus Kelten werden Gallo-Römer<br />

dichtung, im Einzugsgebiet von Hunsrück und Hochwald ebenso<br />

wie an der Saar und auf den fruchtbaren Böden im Bliesgau. Andererseits<br />

zeigen Waff en und Schmuck, Keramiken und Metallkannen,<br />

die vor allem als Beilagen in zahlreichen Gräbern gefunden<br />

wurden, dass Kunst und Technik an der Saar schon vor den<br />

Römern ein hohes Niveau erreicht hatten, dass ein weit reichender<br />

Handel begonnen hatte und die soziale Diff erenzierung der Gesellschaft<br />

weit fortgeschritten war.<br />

Besonders eindrucksvoll dokumentieren sich diese sozialen<br />

Hier archien in einer Vielzahl so genannter Fürstengräber, die an<br />

verschiedenen Orten des Saarlandes gefunden und untersucht wurden.<br />

Mit ihren Ausmaßen und ihrer exponierten Lage – oft auf bewaldeten<br />

Höhenzügen errichtet – sowie <strong>mit</strong> ihren zum Teil kostbaren<br />

Beilagen künden diese Grabstätten noch nach Jahrtausenden<br />

von der hervorgehobenen Stellung ihrer Besitzer. Worauf sich diese<br />

besondere Stellung im Einzelnen gründete, ist noch nicht abschließend<br />

zu klären. Ob es sich tatsächlich um lokale Machthaber handelte<br />

und die Existenz von Fürstengräbern <strong>mit</strong>hin immer auch das<br />

Vorhandensein eines keltischen Machtzentrums belegt, bleibt fraglich.<br />

Einiges spricht hingegen dafür, in den männlichen Bestatteten<br />

»Kriegsfürsten« zu sehen, Angehörige einer erfolgreichen Kriegerklasse,<br />

die posthum <strong>mit</strong> entsprechenden Beigaben – Schwerter,<br />

Lanzen, Streitwagen – und einem von Frankreich über die Schweiz<br />

bis Südwestdeutschland gleichen Totenritual geehrt wurden.<br />

Auch innerhalb dieser fürstlichen Kriegerklasse gab es soziale<br />

Diff erenzierungen, wie sie in den gefundenen Rangabzeichen, aber<br />

auch in den unterschiedlich wertvollen Materialien anderer Grabbeigaben<br />

bezeugt sind. In enger Nachbarschaft zueinander zeigen<br />

dies die Fürstengräber im Nordsaarland, wo ein Schwerpunkt solcher<br />

Nekropolen aus dem 6. bis 4. Jahrhundert vor Christus erhalten<br />

ist. Mit Th eley und Remmesweiler, Schwarzerden und Schwarzenbach,<br />

Marpingen und Freisen ist der Landkreis Sankt Wendel<br />

besonders stark vertreten, gefolgt vom Kreis Merzig-Wadern, der<br />

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<strong>Viele</strong> <strong>Wege</strong> <strong>beginnen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rom</strong><br />

in Besseringen, Gehweiler und Weiskirchen ebenfalls beachtliche<br />

Funde zu Tage befördert hat. Ein Jahrhundert lang galt das 1849<br />

entdeckte Brandgrab von Schwarzenbach als Krönung der saarländischen<br />

Fürstengräber. Waff en, Goldschmuck und Bronzegefäße –<br />

darunter eine Amphore für die Asche des Verstorbenen – gehören<br />

zu diesem außergewöhnlichen »Schatz«, von dem große Teile Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts ins Alte Museum nach Berlin gelangten, andere<br />

später ins Rheinische Landesmuseum nach Trier gingen. Archäologische<br />

Berühmtheit hat Schwarzenbach vor allem wegen seiner<br />

prunkvollen »Goldschale« erlangt, die ebenfalls in Berlin zu sehen ist.<br />

Derselbe war <strong>mit</strong> einem Deckel verschlossen …<br />

Gefunden wurde das Fürstengrab von Schwarzenbach von<br />

dem Landwirt Adam Conrad am 22. Oktober 1849. Beim Pfl ügen<br />

stieß er auf einen aus dem Boden schauenden Bronzekrug,<br />

der Asche und zum Theil noch gut erhaltene Bruchstücke von<br />

Knochen, welche die Kinder nach Geld suchend zerstreuten,<br />

enthielt. Die Freilegung und Sicherung der Fundstätte übernahm<br />

der Unternehmer und Hüttenbesitzer Gustav Adolph<br />

Böcking, der <strong>mit</strong> dem archäologischen Sensationsfund freilich<br />

nicht ganz so verfuhr, wie man das heute gewohnt ist. Einen<br />

silbernen Armreif aus dem Schatz schenkte er nämlich seiner<br />

Frau, weitere Fundstücke überließ er seinem Vater in Berlin, von<br />

dem sie an die Königlichen Museen der preußischen Hauptstadt<br />

veräußert wurden.<br />

Der kunstvoll gearbeitete Goldblechbeschlag dieser »Schale«,<br />

die eigentlich ein Trinkhorn ist, bezeugt nicht nur den Wohlstand<br />

in einer hoch entwickelten keltischen Kultur im Saarland. Die reiche<br />

Ornamentik stellt sie auch in den Kontext der zeitgenössischen<br />

mediterranen Kultur, wo die Kelten der La-Tène-Periode in Etrurien<br />

oder Griechenland ihre künstlerischen Vorbilder fanden.


Aus Kelten werden Gallo-Römer<br />

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Da<strong>mit</strong> wird auch die Produktivität eines kulturellen Austauschs<br />

zwischen Norden und Süden deutlich, der durch den Import mediterraner<br />

Kunst- und Gebrauchsgegenstände an der Saar bereits<br />

für die Zeit der Hallstatt-Kultur, in der ersten Hälft e des letzten<br />

vorchristlichen Jahrtausends, bekannt ist. Umgekehrt konnten<br />

die saarländischen Kelten <strong>mit</strong> eigenen Produkten aufwarten, die<br />

für den Export geeignet waren und denen sie unter Umständen<br />

auch den in den Fürstengräbern sichtbaren Wohlstand zu verdanken<br />

hatten. An einigen Orten des Nordsaarlands, auch unweit des<br />

Schwarzenbacher Fürstengrabes, wurden über viele Jahrhunderte<br />

hinweg die dortigen Erzvorkommen abgebaut, das Spat- und Roteisen<br />

in Eisengruben geschmolzen. Einige Belege sprechen dafür,<br />

dass die keltischen Handwerker <strong>mit</strong> ihren ausgeklügelten Schmelz-<br />

und Schmiedeverfahren Geräte und Waff en herstellen konnten, die<br />

lange vor der Erfi ndung der Hochöfen stahlähnliche Qualität besaßen.<br />

Etwa 70 Kilometer von Schwarzenbach entfernt wurde am anderen,<br />

südlichen Ende des Saarlands im März 1954 ein Fürstengrab<br />

geöff net, das alle bis dahin (und heute) gemachten saarländischen<br />

Funde aus prähistorischer Zeit in den Schatten stellt. Weniger, dass<br />

das Fürstengrab bei Reinheim, un<strong>mit</strong>telbar an der deutsch-französischen<br />

Grenze gelegen, eine Fürstin beherbergte, machte seine<br />

Einzigartigkeit aus – entsprechende Frauengräber wurden auch<br />

in der südpfälzischen oder rheinhessischen Nachbarschaft gefunden.<br />

Aber die Qualität des Grabgutes, das der in einer Holzkammer<br />

bestatteten Toten beigegebenen worden war, die Opulenz von<br />

Schmuck und Geräten und auch die hier möglichen Erkenntnisse<br />

zur keltischen Kultur machten die Fürstin von Reinheim weit über<br />

die saarländischen und deutschen Grenzen hinaus bekannt. Goldene<br />

Hals-, Arm- und Fingerringe, bronzene Kannen und Schalen,<br />

Perlen aus Bernstein und Glas, Masken und Tierfi beln, ein <strong>mit</strong> Korallen<br />

verzierter Bronzespiegel oder ein ungewöhnliches Taschenmesser:<br />

Es war fast so etwas wie ein keltisches Kunstkabinett, das


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Teilansicht eines prachtvoll gearbeiteten<br />

Goldrings aus dem Fürstinnengrab<br />

bei Reinheim an der deutschfranzösischen<br />

Grenze<br />

<strong>Viele</strong> <strong>Wege</strong> <strong>beginnen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rom</strong><br />

die Archäologen im Frühjahr 1954<br />

betreten konnten.<br />

Bei näherer Untersuchung des<br />

»Katzenbuckels«, in dem die Fürstin<br />

aus dem vierten vorchristlichen<br />

Jahrhundert gefunden<br />

wurde, zeigte sich auch, dass sie<br />

nicht allein in südsaarländischer<br />

Erde bestattet worden war. Ihr<br />

Hügel war vielmehr Teil einer Nekropole<br />

<strong>mit</strong> mehreren aufgewölbten<br />

Grabstätten, die allerdings bereits<br />

zu römischer Zeit eingeebnet<br />

worden waren und aus denen<br />

keine Funde mehr zu Tage befördert<br />

werden konnten. Umso mehr<br />

stellte sich die Frage, welchem<br />

Umstand die Fürstin von Reinheim<br />

ihre exponierte Position im<br />

Jenseits zu verdanken hatte. Da<br />

nachzuweisen ist, dass die wohlhabende<br />

Dame ihren privilegierten<br />

Platz keinesfalls einfach »nur«<br />

als Frau eines Reinheimer Fürsten<br />

eingenommen hat, spricht einiges<br />

für die von der jüngeren Forschung vertretene Th eorie, die in ihr<br />

eine Funktionsträgerin der keltischen »Religion« sieht. Einer Religion,<br />

die sich in den Kultgegenständen des Reinheimer Grabes<br />

– Bernsteinstab und -collier, Gürtelkette <strong>mit</strong> Amulettanhängern –<br />

niederschlug und die die Züge des griechischen Artemis- wie des<br />

etruskischen Minerva-Kultes trägt. Auch in spirituellen Angelegenheiten<br />

orientierten sich die saarländischen Kelten also an den<br />

damals »modernen« mediterranen Kulturen.


Aus Kelten werden Gallo-Römer<br />

Der sogenannte »Hunnenring« bei Otzenhausen zeigt noch heute die<br />

eindrucksvollen Ausmaße der keltischen oppida, die von den Treverern<br />

im ersten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert besiedelt war.<br />

19<br />

In der Nähe fürstlicher Begräbnisstätten der La-Tène-Periode<br />

befanden sich in vielen Fällen große Befestigungsanlagen. Auch<br />

dafür liefert die saarländische Geschichte ein besonders eindrucksvolles<br />

Beispiel in der Nachbarschaft des Schwarzenbacher Fürstengrabs.<br />

Dort, auf dem Rücken des Dolbergs bei Otzenhausen,<br />

wurde in der Expansionsphase keltischer Kultur eine Höhenburg<br />

errichtet, deren imponierende Ausmaße noch heute zu erkennen<br />

sind. Insgesamt zweieinhalb Kilometer war die Mauer der seit dem<br />

19. Jahrhundert als »Hunnenring« romantisierten Wehranlage lang,<br />

die einen über 18 ha großen Innenbereich umschloss. Im Schutz<br />

des einstmals 20 Meter hohen und ebenso breiten Mauerwerks<br />

lebten im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. Handwerker und Händler,


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<strong>Viele</strong> <strong>Wege</strong> <strong>beginnen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rom</strong><br />

vielleicht die »Bürger« einer keltischen oppida, einer Höhenstadt,<br />

wie sie im gallischen Alesia und Gergovia oder aber auch auf dem<br />

luxemburgischen Titelberg existierte. Und möglicherweise waren<br />

es auch die Herren dieser civitas, die im benachbarten Schwarzenbach<br />

bestattet wurden.<br />

Als die Bewohner des Otzenhausener Hunnenrings ihre Burg<br />

Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts off enbar kampflos<br />

aufgaben, lebten in dieser Region die Treverer, ein keltischer<br />

Stamm, der seine Hauptstadt ursprünglich wohl auf dem erwähnten<br />

Titelberg hatte. Mit den Treverern, deren Stammesname in<br />

Augusta Treverorum eine römische Adelung erfuhr und die da<strong>mit</strong><br />

– im Trierer Stadtnamen – sprachlich verewigt wurden, betritt<br />

die saarländische Geschichte literarisch gesichertes Terrain. Cäsar<br />

Kriegerische Treverer<br />

… diese erschienen weder auf Landversammlungen noch gehorchten<br />

sie seinen Befehlen, sondern forderten, wie es hieß,<br />

die Germanen vom rechten Rheinufer zu Feindseligkeiten auf.<br />

Diese Völkerschaft der Treverer ist an Reiterei viel stärker als<br />

jeder andere gallische Stamm, hat auch bedeutendes Fußvolk<br />

und wohnt, wie oben bemerkt, bis an den Rhein. Um den Vorrang<br />

in ihrer Mitte strebten damals zwei Männer, Indutiomarus<br />

und Cingetorix. Der letztere begab sich bei der ersten<br />

Nachricht von Cäsars und seiner Legionen Heranrücken zu ihm<br />

und versicherte, er und sein gesamter Anhang werde in festem<br />

Gehorsam <strong>mit</strong> dem römischen Volk treu bewahren; zugleich<br />

gab er Aufschluss über das, was bei den Treverern vorging.<br />

Indutiomarus dagegen sammelte Reiterei und Fußvolk und ließ<br />

alle, denen ihr Alter nicht erlaubte, die Waffen zu führen, in<br />

den Schutz des Ardennenwaldes bringen …<br />

(De bello Gallico, 5,2–3)


Aus Kelten werden Gallo-Römer<br />

21<br />

höchstpersönlich stellt die Treverer in seinem Bericht über den gallischen<br />

Krieg bei seiner Beschreibung der Belger vor, als eine civitas,<br />

die kampferprobt und bekannt für ihre Pferdezucht zwischen<br />

Maas und Mittelrhein, zwischen Eifel und Saar beheimatet ist.<br />

Die Rolle der Treverer wechselte in den ersten 120 Jahren nach<br />

der Eroberung Galliens durch Cäsar mehrmals. Während sie im<br />

Gallischen Krieg sowohl als römische Verbündete wie auch in vorderster<br />

Front gegen das Imperium kämpft en, standen sie in der Folgezeit<br />

drei Male an der Spitze von Aufständen (29/30 v. Chr., 21 und<br />

70 n. Chr.) gegen die römische Besatzung. Dann unterstützten sie<br />

wieder die Machthaber in <strong>Rom</strong> <strong>mit</strong> eigenen Hilfstruppen.<br />

Weniger kriegerisch als die Treverer, deren Widerstand nach der<br />

Schlacht an der Moselbrücke im Jahr 70 endgültig gebrochen war,<br />

zeigten sich die Mediomatriker, der keltische Stamm, der zu Cäsars<br />

Zeiten die andere Hälft e des Saarlandes besiedelte. Allerdings sollen<br />

die Mediomatriker zur Entscheidungsschlacht im Gallischen<br />

Krieg 6000 Mann nach Alesia geschickt haben, um Vercingetorix<br />

im Kampf gegen Cäsar zu unterstützen. Die vermutlich nicht genau<br />

festgelegte Grenze zwischen Treverern und Mediomatrikern<br />

verlief im heutigen Bundesland etwa von Südwesten nach Nordosten,<br />

wobei unter Umständen ältere kulturelle oder »ethnische«<br />

Trennlinien fortlebten. Sowohl das Gebiet der Landeshauptstadt<br />

als auch der von alters her dichter besiedelte Südosten des Landes<br />

gehörten <strong>mit</strong>hin den Mediomatrikern, die ihr Machtzentrum allerdings<br />

außerhalb des Saarlandes besaßen. Divodurum hieß zu<br />

römischer Zeit die mediomatrische Hauptstadt, die als »Metz« den<br />

alten Stammesnamen weiter existieren lässt. Auch aus der Perspektive<br />

der keltisch-römischen civitates war das Saarland also bereits<br />

ein Grenzland.<br />

Der Grenzcharakter und das kulturelle Profi l der Region wurden<br />

durch die Integration ins römische Weltreich nur bedingt verändert.<br />

Zwar wurden das Saarland bzw. seine keltischen Stammesgebiete<br />

im Zuge der Verwaltungsreform des Augustus ab 16 v. Chr.


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<strong>Viele</strong> <strong>Wege</strong> <strong>beginnen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rom</strong><br />

in die römische Provinzialordnung eingebracht (Provinz Belgica),<br />

wurden <strong>mit</strong> dem Zensus erhebliche, nicht widerstandslos hingenommene<br />

Steuerlasten auferlegt, erhielt das große Provinzialgebiet<br />

einen römischen Statthalter (in der Hauptstadt Reims) und<br />

römische Finanzverwalter (»Prokuratoren«), die wohl in Trier residierten.<br />

Doch obwohl schließlich auch die lateinische Sprache<br />

im gallischen Norden Einzug hielt und viele Errungenschaft en römisch-mediterraner<br />

Zivilisation übernommen wurden, wurde die<br />

alteingesessene gallische Gesellschaft nach der Okkupation durch<br />

die Römer nicht vom Kopf auf die Füße gestellt. Vielmehr lebten<br />

alte soziale und wirtschaft liche Hierarchien und – soweit sie das<br />

imperiale Selbstverständnis nicht störten – kulturelle Eigenheiten<br />

der keltischen Vergangenheit fort.<br />

Die Möglichkeiten und Grenzen des politisch motivierten Akkulturationsprozesses<br />

lassen sich am Beispiel der Treverer besonders<br />

gut aufzeigen. Die Führungsschicht des Stammes wurde nach<br />

der römischen Machtübernahme auch <strong>mit</strong> den Führungsaufgaben<br />

in diesem Teil des Imperiums betraut. Aus dem Kreis der treverischen<br />

Adligen rekrutierte sich der Dekurions-/Stadtrat in der<br />

neuen Hauptstadt Trier, der gleichzeitig die wichtigsten politischen<br />

Entscheidungen im gesamten Treverergebiet zu fällen hatte.<br />

Außer dem erhielten die Mitglieder des Gemeinderates das römische<br />

Bürgerrecht, wie den Treverern insgesamt der Status einer<br />

freien und verbündeten civitas zugestanden wurde. Eine Reihe<br />

der hiesigen Adeligen kämpft en 46 v. Chr. sogar an Cäsars Seite<br />

im römischen Bürgerkrieg und viele der neuen treverischen »Römer«<br />

nahmen nach und nach einen römischen Habitus an, wie er<br />

in Grabfunden der Region dokumentiert wird.<br />

Umgekehrt befand sich in dieser treverischen Oberschicht aus<br />

Kaufleuten und Großgrundbesitzern auch das Potential für den<br />

Widerstand gegen das römische Imperium. So kam es 70 n. Chr.<br />

zum Aufstand gegen Kaiser Vespasian unter Führung von Iulius<br />

Classicus, des Kommandanten der treverischen Reiterei, der zahl-


Aus Kelten werden Gallo-Römer<br />

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reiche Gallier aus der Belgica auf seine Seite ziehen konnte, um sich<br />

schließlich doch <strong>Rom</strong> und seinen Verbündeten geschlagen geben<br />

zu müssen. Wie Tacitus berichtet, markiert dieses Datum für die<br />

treverische Geschichte einen bedeutenden Einschnitt. Fast die gesamte,<br />

gegen <strong>Rom</strong> verschworene Führungsschicht musste aus Trier<br />

ins rechtsrheinische Germanien fl iehen und machte da<strong>mit</strong> einem<br />

neuen, off enbar langfristig loyalen Adel Platz.<br />

Nach dem gescheiterten Aufstand folgte eine fast 200-jährige<br />

Friedenszeit, die pax romana, in der auch das römische Saarland<br />

eine wirtschaft lich-kulturelle Blüte erlebte. Die <strong>Rom</strong>anisierung<br />

machte beachtliche Fortschritte, sie konnte aber – auch hier – meist<br />

auf bereits gelegten Fundamenten aufbauen. Im Fall von Infrastruktur<br />

und Straßenbau ist das wörtlich zu verstehen. <strong>Viele</strong> der<br />

Verbindungen, die noch heute als »Römerstraßen« fi rmieren, existierten<br />

bereits in vorrömischer Zeit, wurden nun aber verbessert<br />

und ausgebaut. Vor allem drei wichtige Verbindungen zwischen<br />

dem Mosel- und dem Rheintal waren es, die die Saarregion durchquerten<br />

und ihre weitere Entwicklung begünstigten: die Straßen<br />

Metz – Mainz und Metz – Worms sowie die teilweise durch das<br />

Saartal laufende Trasse von Straßburg nach Trier. An den Kreuzungen<br />

dieser Straßen, bisweilen aber auch am Rand des <strong>Wege</strong>netzes,<br />

entstanden nun die saarländischen Römersiedlungen, teilweise<br />

Neugründungen, teilweise aus älteren keltischen Siedlungen<br />

hervorgehend.<br />

Ein Beispiel für das letztere ist der vicus Schwarzenacker, ein<br />

sich im ersten Jahrhundert zur gallo-römischen Landstadt entwickelnder<br />

ursprünglich keltischer Flecken. Nicht nur in komfortablen<br />

Steinhäusern, die <strong>mit</strong> Bädern, Wandmalereien, Glasfenstern,<br />

beheizbaren Räumen und Anschlüssen an das öff entliche Abwassersystem<br />

ausgestattet waren, zeigte sich der Fortschritt gegenüber<br />

den einfachen Lehm- und Holzhütten älterer Zeiten. Auch die weit<br />

entwickelte Infrastruktur <strong>mit</strong> befestigten Straßen und Kanalisation,<br />

öff entlicher Kultstätte und Versammlungsort oder das Vor-


24<br />

Bei den Ausgrabungen im römischen<br />

Vicus Schwarzenacker bei Homburg,<br />

275/76 bei den ersten »Germaneneinfällen«<br />

zerstört, wurde unter<br />

anderem die Statuette der Victoria<br />

gefunden.<br />

<strong>Viele</strong> <strong>Wege</strong> <strong>beginnen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rom</strong><br />

handensein von »Dienstleistungsbetrieben«<br />

stehen für den Wohlstand<br />

in Schwarzenacker, wo auf<br />

einer Siedlungsfl äche von über<br />

25 ha mehr als 2000 Menschen<br />

lebten.<br />

Vici ähnlicher Größe und Struktur<br />

befanden sich auch an anderen<br />

saarländischen Orten: In Pachten<br />

an der <strong>mit</strong>tleren Saar der Marktfl<br />

ecken Contiomagus <strong>mit</strong> eigenem<br />

Kulttheater für mehrere tausend<br />

Zuschauer, im Th oleyer Wares-<br />

bzw. Varuswald <strong>mit</strong> einem erst<br />

kürzlich entdeckten Mars-Tempel,<br />

bei Bliesbruck auf der deutschfranzösischen<br />

Grenze – wo die<br />

öff entlichen Badeanlagen und ein<br />

»Arbeiterviertel« von einst museal<br />

wiedererstanden sind – oder aber<br />

am Saarbrücker Halberg. Dort erblickte<br />

zwischen dem Kreuzungspunkt<br />

zweier Fernwege und der<br />

ersten Saarbrücker Saar-Brücke die römerzeitliche ›Landeshauptstadt‹<br />

das Licht der Welt. Auch sie war eine Handwerker- und<br />

Händlerstadt, letzteres kultisch bezeugt durch ein Mithrasheiligtum,<br />

das auf halber Höhe des Halbergs in Blickrichtung des vicus<br />

errichtet worden war.<br />

Wie die Funde im Umfeld der saarländischen vici zeigen, waren<br />

Handwerk und Handel weit entwickelt. Eisenöfen sind, wie in<br />

den Ausgrabungen von Bliesbruck zu besichtigen, im nachmaligen<br />

Montanland vielfach dokumentiert. Aber auch Tuchmachergewerbe,<br />

Töpfereien oder Steingutmanufakturen sind bekannt. Na-

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