PDF (12.3 MB) - Fachbuch-Journal
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völkerung verbreiten – eine Kunstform,<br />
die sich von Indien ausgehend weit nach<br />
Osten und Westen verbreitete und in<br />
den südostasiatischen Schattenspieltraditionen<br />
weiterlebt.<br />
Diese Form der künstlerisch-mündlichen<br />
Überlieferung hat – obwohl der Art nach<br />
bereits cineastisch – durch die Medien<br />
der Gegenwart ihre Funktion weitgehend<br />
verloren; damit büßten jedoch<br />
auch die Bildrollenkünstler ihr Publikum<br />
und ihr Einkommen ein. In Indien trotzen<br />
in Bengalen bis heute noch zwei<br />
Bildrollentraditionen den Umständen:<br />
die der patua und die der jadopatia.<br />
Während die patua – ein Sanskritwort,<br />
das auf den „Malgrund“ der Bildrollen<br />
Bezug nimmt – mit einer moderneren<br />
Themenvielfalt die Herausforderung<br />
meistern, drohen die jadopatia nach und<br />
nach zu verschwinden, da sie stärker an<br />
die Magie, die Mythen und Traditionen<br />
der Santalstämme im Nordosten Indiens<br />
gebunden sind.<br />
Der Begleittext des schön gemachten<br />
Bildbandes stellt die Bildrollentradition<br />
in einen weit gespannten kunsthistorischen<br />
und ethnologischen Rahmen<br />
vom Iran im Westen über Tibet und<br />
Südostasien/Indonesien bis nach China<br />
und Japan. Auch die religiöse, soziale<br />
und kastenhierarchische Einordnung der<br />
Bänkelsänger-Künstler wird beschrieben:<br />
es sind Muslime, die vor einem<br />
Hindupublikum die Mythen des Ramayana<br />
und Mahabharata vortragen und<br />
Hindus, die in den Santaldörfern ihre<br />
Schöpfungsgeschichte des Stammes und<br />
die Welt nach dem Tode, das Reich Yamas<br />
und die Allgegenwart der Dämonen<br />
illus trieren. Eindrucksvoll werden die<br />
prekäre und teilweise parasitäre Existenz<br />
dieser Künstler-Handwerker und ihr Alltagsleben<br />
in den Siedlungen geschildert,<br />
zahlreiche Fotos und Selbstaussagen<br />
veranschaulichen die Darstellung.<br />
Schade, dass der Hinweis auf den Schamanismus<br />
Zentral- und Ostasiens fehlt –<br />
die jatopatia als „Grenzgänger zwischen<br />
Leben und Tod“, als liminal figures, gehören<br />
sicher auch in diesen Zusammenhang.<br />
Da ihr Ansehen schwindet und sich<br />
in ihren Familien kaum noch Nachfolger<br />
finden, bilden die vorgestellten Rollen<br />
die Relikte einer Lebensweise, die bald<br />
der Vergangenheit angehören dürfte.<br />
Den patua dagegen steht mit der Aufnahme<br />
und Verarbeitung von aktuellen<br />
Themen in ihr Repertoire nicht nur<br />
der Kunstmarkt Bengalens und Indiens<br />
offen, hier ist auch das Entstehen von<br />
Künstlerindividualitäten zu beobachten<br />
– erstmals werden die Bildrollen auch<br />
von Frauen hergestellt – und im Gefolge<br />
davon die Entwicklung einer Kenner-<br />
und Sammlerszene, die sich bis nach<br />
Europa erstreckt. (tk)<br />
Sudhir Kakar: Die Seele der Anderen.<br />
Mein Leben zwischen Indien<br />
und dem Westen.<br />
München: C.H. BECK 2012. Geb., 312 S.<br />
mit 32 sw Abb.<br />
ISBN 978-3-406-64125-1<br />
€ 26,95<br />
Autobiographien sind eine riskante<br />
Literaturgattung: groß ist die Versuchung,<br />
nur Name an Name zu reihen<br />
oder – genauso schlimm – eine alles<br />
erschöpfende Lebensbeichte abzulegen.<br />
LANDESKUNDE | REISEN<br />
Gleich zu Beginn sei daher gesagt: Sudhir<br />
Kakar, Jahrgang 1938, der nicht nur<br />
in Deutschland bekannte indische Psychoanalytiker<br />
– seine Bücher wurden in<br />
zwanzig Sprachen übersetzt – umschifft<br />
diese Klippen mit Bravour.<br />
Das Leben im Lahore der späten 1940er<br />
Jahre, der strenge Großvater, die weitläufige<br />
Familie und mittendrin er, der<br />
verwöhnte Enkel (ältester Sohn des<br />
ältesten Sohnes …). Alltag und Selbstverständnis<br />
der Verwandtschaft sind<br />
mit feinem Federstrich skizziert, und<br />
nebenbei erfährt der Leser viel über die<br />
„panindische Faszination für Hierarchien“,<br />
über Subkasten und Meritokratien.<br />
Für den, der genau liest, tut sich eine<br />
wahre Fundgrube an Informationen<br />
über Personen, Einrichtungen und Geschehnisse<br />
auf.<br />
1 I 2013 63