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CHINA LANDESKUNDE | REISEN Chinesische Heilkunst Paul U. Unschuld und Zheng Jinsheng, Chinese Traditional Healing. The Berlin Collections of Manuscript Volumes from the 16th through the Early 20th Century. 3 Bände. Leiden: Brill 2012. XII + 2828 Seiten. ISBN 978 90 04 22525 1. € 399,– Mit einem dreibändigen Werk erschließt der Berliner Sinologe und Medizinhistoriker Paul U. Unschuld auf nahezu dreitausend Seiten einen bedeutenden heilkundlichen Schatz. Die Sammlung von 881 handschriftlichen Büchern, die nun in der Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt werden, ist die größte ihrer Art und enthält das medizinische Wissen chinesischer Heilkundiger aus 400 Jahren. Mit dieser Erschließung der handschriftlichen Bücher zur chinesischen Heilkunde 56 1 I 2013 aus den vergangenen Jahrhunderten eröffnet uns Paul Unschuld einen bisher nicht nur in der westlichen Welt, sondern auch in China und Japan völlig vernachlässigten Quellenbestand. Diese handschriftlichen Aufzeichnungen sind deshalb so wichtig, weil sie außerhalb der gesellschaftlichen und weltanschaulichen Zwänge stehen, denen sich gedruckte Werke in der Regel zu beugen hatten. Hier finden wir z. B. verlässliche Aussagen über die Abtreibung, die in der gedruckten Literatur nicht angesprochen wird, sowie Heilverfahren, die in der gedruckten Literatur seit dem 10. Jahrhundert nicht mehr erwähnt werden, die aber in der Bevölkerung überlebt haben. Außerdem gibt es detaillierte Beschreibungen ärztlicher Tricks, die Patienten zu betrügen – und vieles mehr. Das Bemerkenswerte ist also, dass die Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer (hsg) ist seit 1993 Direktor der Herzog August Bib liothek in Wolfenbüttel und Professor für Sinologie an der Universität Göttingen. Er unterrichtete an den Universitäten Bonn, Hamburg, München und Hannover und ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Vereinigung für Chinastudien (DVCS) mit Sitz in Berlin und Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte und Kulturgeschichte Chinas. schmidt-gl@hab.de überwiegende Zahl der Aufzeichnungen niemals für eine Veröffentlichung gedacht war. Es handelt sich vielmehr um persönliche Aufzeichnungen mit den Erfahrungen und dem Wissen von Generationen. Darin liegt in besonderer Weise ihr Wert, weil es sich um ungeschminkte Mitteilungen über praktische Erfahrungen im Umgang mit Krankheiten bzw. mit Krankheitsbildern und deren Behandlung bzw. Heilung handelt. Darunter finden sich Aufzeichnungen von Laien ebenso wie von Fachleuten. So erhält der Leser einen ersten Einblick in die Praxis der Diagnose und des Heilens im traditionellen China. Es werden Krankheitsbilder geschildert und differenzierend bewertet sowie die Verwendung von heilenden Substanzen erörtert. Manche Aufzeichnungen werfen Licht in die Praxis des Erfahrungsaustausches zwischen Heilkundigen. Diese nun erschlossene Berliner Sammlung kann als Grundlage für eine intensivere Erforschung der Praxis des Heilens in Chinas Vergangenheit angesehen werden. Wegen der Betrachtungs- und Beschreibungsweise eröffnen die Handschriften immer wieder überraschende Sichten darauf, wie die Heilkundigen spezifische Krankheitssymptome behandelten und Krankheitsverläufe notierten. Die

Berliner Sammlung ist dazu angetan, unser Wissen von der Praxis des Heilens im China der letzten Jahrhunderte auf eine gänzlich neue Stufe zu stellen. In einer Zeit des weltweiten rasanten Fortschritts der medizinischen Wissenschaften ist immer wieder der Blick auf die Geschichte des Heilens und der Heilsysteme von größter Wichtigkeit. Dabei ist bei allen technischen diagnostischen Möglichkeiten und bei allem Fortschritt in der Arzneimittelkunde der Blick des Arztes auf die Krankheit und die kundige Beschreibung der Symptome und der Heilungsverläufe unerlässlich. Diese Berliner Sammlung chinesischer heilkundlicher Aufzeichnungen wird in Zukunft eine wichtige Rolle in der weiteren Erforschung der traditionellen chinesischen Medizin spielen und weltweit Beachtung finden. Mit ihr wird zugleich ein großer Schatz kulturellen Wissens dauerhaft verfügbar. Je mehr man sich in China selbst der eigenen Traditionen wieder zu versichern sucht, desto größere Beachtung wird die Berliner Sammlung auch in Ostasien finden. Jeder, der sich mit der Heilpraxis im China der Kaiserzeit beschäftigen will, kommt an diesem die Sammlung erschließenden und beschreibenden Werk nicht vorbei. Der erste Band bietet einen lange Einführung sowie zahlreiche erschließende Register zu den beiden die einzelnen Manuskripte beschreibenden Folgebänden. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Sammlung darf dieses Übersichtswerk in naturwissenschaftlichen und heilkundlichen Bibliotheken nicht fehlen. (hsg) Leporello-Manuskript mit Merksätzen für Wanderärzte zur Entgegnung auf kritische Fragen aus dem Publikum. Frühes 20. Jh. © Ethnologisches Museum Berlin. Ms # 48041. LANDESKUNDE | REISEN Rezept für die Herstellung einer arzneilichmechanischen Vorrichtung für einen künstlichen Schwangerschaftsabbruch. Frühes 20. Jh. © Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. # 8334. Buddhistischer Text mit Linienführung, die den Leser zwingt, das Buch dauernd nach links oder rechts zu drehen, um der Schriftzeichensequenz zu folgen. Ms. datiert 1942. © Staatsbibliothek zu Berlin # 8389. Abbildung der mit einem brennenden Lampendocht zu kauterisierenden Hautpunkte zur Therapie bestimmter Krankheiten. 1940er/50er Jahre. © Staatsbibliothek zu Berlin. Ms. # 8036. 1 I 2013 57

Berliner Sammlung ist dazu angetan,<br />

unser Wissen von der Praxis des Heilens<br />

im China der letzten Jahrhunderte auf<br />

eine gänzlich neue Stufe zu stellen. In<br />

einer Zeit des weltweiten rasanten Fortschritts<br />

der medizinischen Wissenschaften<br />

ist immer wieder der Blick auf die<br />

Geschichte des Heilens und der Heilsysteme<br />

von größter Wichtigkeit. Dabei<br />

ist bei allen technischen diagnostischen<br />

Möglichkeiten und bei allem Fortschritt<br />

in der Arzneimittelkunde der Blick des<br />

Arztes auf die Krankheit und die kundige<br />

Beschreibung der Symptome und der<br />

Heilungsverläufe unerlässlich.<br />

Diese Berliner Sammlung chinesischer<br />

heilkundlicher Aufzeichnungen wird<br />

in Zukunft eine wichtige Rolle in der<br />

weiteren Erforschung der traditionellen<br />

chinesischen Medizin spielen und weltweit<br />

Beachtung finden. Mit ihr wird<br />

zugleich ein großer Schatz kulturellen<br />

Wissens dauerhaft verfügbar. Je mehr<br />

man sich in China selbst der eigenen<br />

Traditionen wieder zu versichern sucht,<br />

desto größere Beachtung wird die Berliner<br />

Sammlung auch in Ostasien finden.<br />

Jeder, der sich mit der Heilpraxis im<br />

China der Kaiserzeit beschäftigen will,<br />

kommt an diesem die Sammlung erschließenden<br />

und beschreibenden Werk<br />

nicht vorbei. Der erste Band bietet einen<br />

lange Einführung sowie zahlreiche<br />

erschließende Register zu den beiden<br />

die einzelnen Manuskripte beschreibenden<br />

Folgebänden. Angesichts der<br />

zentralen Bedeutung dieser Sammlung<br />

darf dieses Übersichtswerk in naturwissenschaftlichen<br />

und heilkundlichen Bibliotheken<br />

nicht fehlen. (hsg)<br />

Leporello-Manuskript mit Merksätzen für Wanderärzte<br />

zur Entgegnung auf kritische Fragen aus dem Publikum.<br />

Frühes 20. Jh. © Ethnologisches Museum Berlin. Ms # 48041.<br />

LANDESKUNDE | REISEN<br />

Rezept für die Herstellung<br />

einer arzneilichmechanischen<br />

Vorrichtung<br />

für einen künstlichen<br />

Schwangerschaftsabbruch.<br />

Frühes 20. Jh.<br />

© Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. # 8334.<br />

Buddhistischer<br />

Text mit Linienführung,<br />

die den<br />

Leser zwingt, das<br />

Buch dauernd nach<br />

links oder rechts<br />

zu drehen, um der<br />

Schriftzeichensequenz<br />

zu folgen.<br />

Ms. datiert 1942.<br />

© Staatsbibliothek zu Berlin<br />

# 8389.<br />

Abbildung der mit einem brennenden Lampendocht zu kauterisierenden Hautpunkte<br />

zur Therapie bestimmter Krankheiten. 1940er/50er Jahre.<br />

© Staatsbibliothek zu Berlin. Ms. # 8036.<br />

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