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J. P. J. Pinel: Biopsychologie - fab 4 book

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J. P. J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Anmerkung: Kapitel 16 und 17 fehlen. Das Skript kann das Lesen des Buches nicht ersetzen, ist aber eine gute<br />

Grundlage zum Auswendiglernen. Ist in 1 Woche zu schaffen;-)<br />

Kapitel 1: <strong>Biopsychologie</strong> als Neurowissenschaft<br />

1.1 Was ist <strong>Biopsychologie</strong>?<br />

- <strong>Biopsychologie</strong> ist der Zweig der Neurowissenschaften, der sich mit der Biologie des<br />

Verhaltens beschäftigt<br />

- Verhalten bezieht sich auf beobachtbare Aktivitäten des Organismus und auf ihnen<br />

zugrunde liegenden inneren Prozesse wie Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis,<br />

Motivation und Emotion<br />

- Beginn der <strong>Biopsychologie</strong>: etwa mit Hebb (1949): Organization of behaviour<br />

1.2 Die Beziehung zwischen der <strong>Biopsychologie</strong> und anderen neurowissenschaftlichen<br />

Disziplinen<br />

- Mit <strong>Biopsychologie</strong> verwandte Neurowissenschaften: Neuroanatomie, Neurochemie,<br />

Neuroendokrinologie, Neuropathologie, Neuropharmakologie, Neurophysiologie<br />

1.3 Typische Forschungsansätze der <strong>Biopsychologie</strong><br />

Probanden und Versuchstiere<br />

- Häufig verwendete Tiere: Ratten, Mäuse, Katzen, Hunde, Affen<br />

- Alle Gehirne sind in Struktur gleich, unterscheiden sich mehr in Quantität als in Qualität<br />

daher generalisieren von Tier auf Mensch möglich<br />

- Vorteil von Tieren:<br />

1. Gehirn und Verhalten ist einfacher strukturiert.<br />

2. Vergleichender Ansatz: Erkenntnisse ergeben sich aus dem Vergleich verschiedener<br />

Arten, z.B. mit hoch und niedrig entwickelter Großhirnrinde<br />

3. Versuche möglich, die Ethik beim Menschen verbietet<br />

Experimente und nichtexperimentelle Studien<br />

- Experiment: Intergruppenplan und Intragruppenplan<br />

- Coolidge-Effekt: Frage: zeigen Mäuseweibchen bei neuem Sexpartner gesteigerte<br />

Aktivität?<br />

- Quasiexperimentelle Untersuchung: Untersuchung an Versuchsgruppen, die<br />

verschiedenen Bedingungen außerhalb des Labors ausgesetzt sind. Keine Aufteilung<br />

nach Zufallsprinzip. Bsp.: Studie mit Alkoholikern<br />

- Fallstudie: Untersuchungen, die sich auf einen einzigen Fall beschränken und diesen<br />

detailliert beobachten. Problem: Generalisierbarkeit<br />

Grundlagenforschung und angewandte Forschung<br />

- Grundlagenforschung ist nur durch Neugier der Forscher motiviert. Nutzen vor allem für<br />

Außenstehende schwer ersichtlich (Finanzierungsproblem)<br />

- Angewandte Forschung ist auf direkten Nutzen ausgerichtet, wird von vielen Forschern<br />

für überflüssig gehalten<br />

1.4 Die Teilgebiete der <strong>Biopsychologie</strong><br />

1. Physiologische Psychologie<br />

Experimente, in denen chirurgische oder elektrische Eingriffe ins Nervensystem<br />

vorgenommen werden. Arbeitet mit Versuchstieren. Vor allem Grundlagenforschung<br />

1


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

2. Psychopharmakologie<br />

Experimente, in denen neuronale Aktivität mit psychoaktiven Substanzen (Drogen,<br />

Psychopharmaka) beeinflusst wird. Arbeitet mit Versuchstieren, manchmal auch mit<br />

Menschen. Vor allem angewandte Forschung.<br />

3. Neuropsychologie<br />

Untersucht Einfluss von Hirnschäden auf Verhalten. Beschäftigt sich meist mit dem<br />

Neokortex. Quasiexperimentelle Untersuchungen und Fallstudien. Sehr stark<br />

anwendungsorientiert.<br />

4. Psychophysiologie<br />

Untersucht Zusammenhänge von Verhalten und physiologischen Prozessen mit<br />

nichtinvasiven Ableitungsmethoden (EEG, Muskelspannung, Augenbewegung,<br />

Herzschlagfrequenz, Blutdruck, EDA…)<br />

5. Kognitive Neurowissenschaft<br />

Untersucht Kognition (Denken, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und komplexe<br />

Wahrnehmungsvorgänge). Hauptsächlich beim Menschen, mittels funktionalen<br />

bildgebenden Verfahren. Viel interdisziplinäre Zusammenarbeit.<br />

6. Vergleichende Psychologie<br />

Untersucht Verhalten allgemein, nicht nur neuronale Mechanismen. Vergleicht<br />

verschiedene Arten miteinander. Großer Teil: Verhaltensgenetik<br />

1.5 Konvergenz der Ansätze: Wie arbeiten Biopsychologen zusammen?<br />

- Probleme und Fragestellungen können besser gelöst werden, wenn sie mit verschiedenen<br />

Ansätzen untersucht werden.<br />

- Bsp.: Korsakow-Syndrom: schwerer Gedächtnisverlust, tritt häufig bei Alkoholikern auf.<br />

Ist aber nicht direkt auf Wirkung des Alkohols zurückzuführen, sonder auf Thiamin-<br />

Mangel (Vitamin B1-Mangel). Erkenntnis hier aufgrund von neuropsychologischen<br />

Fallstudien, Quasiexperimenten mit Menschen und Laborexperimenten mit Ratten.<br />

1.6 Wissenschaftliche Schlussfolgerung: Wie untersuchen Biopsychologen<br />

nichtbeobachtbare Gehirnfunktionen?<br />

- Viele Prozesse lassen sich nicht direkt beobachten, sondern nur deren Wirkung. In der<br />

Wissenschaft wird versucht, Experimente so zu planen, dass man aufgrund der<br />

Ergebnisse eines Experiments auf den zugrunde liegenden Prozess eines Phänomens<br />

schließen kann.<br />

- Bsp.: Bewegungswahrnehmungsexperiment (bewege selbst die Hand vor den Augen usw.<br />

Lösung: Reafferenzprinzip)<br />

1.7 Was ist schlechte Wissenschaft, und wie erkennt man sie?<br />

- Problem: bei Fragestellung lassen wir uns von unbewussten vorgefassten Konzepten und<br />

Ansichten leiten<br />

- Aus Fehlern werden Grundsätze und Methoden zur Experimentplanung entwickelt<br />

- Bsp. für skandalöse Fälle von schlechter Wissenschaft:<br />

1. José Delgado: Aggressivitätszentrum beim Stier<br />

2. präfrontale Lobotomie (Moniz): Präfrontaler Kortex wird vom Rest des Gehirns<br />

operativ getrennt zur Therapie bei mentaler Erkrankung. Ähnlich: transorbitale<br />

Lobotomie (Freeman). Nebenwirkungen: Amoralität, Mangel an Einsicht, Gefühlskälte<br />

Epilepsie und Harninkontinenz<br />

2


Kapitel 2: Evolutionäre und genetische Grundlagen des Verhaltens<br />

J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

2.1 Denkansätze in der Biologie des Verhaltens: von der einfachen Dichotomie zur<br />

komplexen Wechselwirkung<br />

Physiologisch oder psychologisch?<br />

- Hervorgegangen aus Renaissance: Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft.<br />

- Trennung von Phänomenen in physiologische (erklärbar durch Wissenschaft) und<br />

psychologische (erklärbar durch Kirche/Religion): cartesischer Dualismus<br />

- Diese Trennung ist nicht mehr aktuell, psychologische Phänomene können durch<br />

Physiologie erklärt werden<br />

Angeboren oder erworben?<br />

- Auch bekannt als Erbe-Umwelt-Problem<br />

- In Nordamerika Behaviorismus: alles kommt aus der Umwelt und ist erlernt. Bsp.:<br />

Watson glaubte, er könnte ein beliebiges Kind zu einem beliebigen Menschen erziehen,<br />

je nachdem, in welchem Umfeld er es aufzöge<br />

- In Europa Ethologie: Beschäftigt sich mit angeborenem Instinktverhalten. Bsp.:<br />

Tinbergen untersuchte Schlüsselreize bei Möwen<br />

Die Grenzen der traditionellen Dichotomien<br />

- Zwei Gegenbeweise:<br />

1. bei Menschen können höhere komplexe Prozesse (wie Gedächtnis, Gefühl) durch<br />

Schädigung oder Stimulation des Gehirns beeinflusst werden. Bsp.: Asomatognosie<br />

(Unfähigkeit, eigene Körperteile zu erkennen)<br />

2. Tiere besitzen Fähigkeiten, die vormals als psychologisch (also menschlich) galten.<br />

Bsp.: Schimpansen erkennen sich selbst im Spiegel<br />

- Anlage und Umwelt wirken interaktiv, man kann nicht erklären, zu welchem Anteil sie<br />

ein Phänomen erklären<br />

- Grundannahmen Biopsychologische Forschung: Verhaltensreaktionen ergeben sich aus<br />

1. der genetischen Ausstattung eines Organismus, die ein Produkt der Evolution ist<br />

2. seiner Erfahrung<br />

3. seiner Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation<br />

2.2 Die Evolution des Menschen<br />

- Beginn mit Charles Darwin: On the Origins of Species (1859). Erklärt Evolution durch<br />

natürliche Selektion: Organismen mit der höchsten Fitness haben bessere<br />

Überlebenschancen<br />

- Belege für Evolutionstheorie: systematische Veränderung bei Fossilfunden, natürliche<br />

Selektion auf Galapagos-Inseln, Zuchtwahl bei Tieren und Pflanzen, Ähnlichkeiten im<br />

Knochenbau verschiedener Arten (z.B. Menschenhand und Fledermausflügel)<br />

Evolution und Verhalten<br />

- Soziale Dominanz: Alpha-Männchen paaren sich häufiger als alle anderen<br />

rangniedrigeren Männchen einer sozialen Gruppe höhere Wahrscheinlichkeit für<br />

Weitergabe von Genen<br />

- Werbeverhalten: eine Art ist i. A. in Bezug auf die Fortpflanzung von anderen Arten<br />

isoliert, begünstigt durch spezielles Werbeverhalten<br />

Verlauf der Evolution des Menschen<br />

- Evolution der Vertebraten (Wirbeltiere) in Mio. Jahren: 600 Beginn des Lebens 500<br />

Chordaten 425 Wirbeltiere 400 Amphibien 300 Reptilien 180 Säuger 150<br />

Vögel 6 Hominiden<br />

- Es gibt 20 Säugerordnungen: wir sind die Primaten. Es gibt 5 Primatenfamilien:<br />

Halbaffen, Neuweltaffen, Altweltaffen, Menschenaffen, Hominiden<br />

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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Entstehung der Menschheit:<br />

Ordnung: Primaten<br />

Familie: Hominiden<br />

Gattung: 1. Australopithecus (vor 6 Mio. Jahren, ca. 1,30 groß, Schädelhöhe 500 cm 3 )<br />

2. Homo<br />

Art: 1. Homo habilis (vor 2 Mio. Jahren, Schädelhöhe 700 cm 3 )<br />

2.Homo erectus (vor 1,5 Mio. Jahren, Schädelhöhe 850 cm 3 )<br />

3. Homo sapiens (heutiger Mensch, Schädelhöhe 1350 cm 3 )<br />

- Zwischen Homo erectus (Werkzeuge, Feuer) und Homo sapiens: Neandertaler vor<br />

200000 Jahren, Cro-Magnon-Menschen vor 25 000 Jahren (Wandmalereien und<br />

Schnitzereien)<br />

Gedanken über die Evolution des Menschen<br />

- Evolution ist keine gerade Linie<br />

- Wir sind nur die letzen Überlebenden einer Art<br />

- Rasche Evolutionäre Veränderung durch Umweltveränderung oder genetische Mutation<br />

- Weniger als 1% der bekannten Arten leben noch<br />

- Evolutionäre Anpassungen sind weit entfernt davon, perfekt zu sein<br />

- Nicht alle Entwicklung ist adaptiv<br />

- Verlauf von Entwicklungen: entweder homolog (gleiche Herkunft, aber unterschiedliche<br />

Funktion, z.B. Menschenhand und Vogelflügel,) oder analog (verschiedene Herkunft<br />

aber gleiche Funktion, z.B. Fisch und Wal ) zurückzuführen auf konvergente<br />

Evolution (Veränderung zwecks Anpassung an jeweilige Ökologische Nische)<br />

Die Evolution des menschlichen Gehirns<br />

- Frühere Annahmen: Intelligenz beruht auf Größe des Gehirns, Intelligenz beruht auf<br />

relative Größe des Gehirngewichts zum Körpergewicht (Encephalisationsquotient) <br />

beides falsch<br />

- Entwicklung von Hirnstamm und Großhirn ist getrennt zu betrachten. Struktur der<br />

Gehirne verschiedener Arten ist gleich. Größe des Großhirns und der Windungen der<br />

Großhirnrinde (Cerebraler Cortex) bestimmt Intelligenz<br />

Zwischenbilanz<br />

- Funktionaler Ansatz untersucht Anpassungsvorteil und Selektionsdruck in Evolution<br />

- Vergleichender Ansatz untersucht Verhalten und neuronale Mechanismen verwandter<br />

Arten<br />

2.3 Genetische Grundlagen<br />

Die Mendelschen Gesetze der Vererbung<br />

- Kreuzung mit Erbsen:<br />

- Untersuchung von Dichotomen Merkmalen (Merkmale, die entweder in der einen oder<br />

der anderen Form auftreten, nicht aber kombiniert).<br />

- Kreuzung zweier Reinerbiger Zuchtlinien (bei Kreuzung innerhalb der Linie haben<br />

Nachkommen nur das eine Merkmal, sie sind homozygot)<br />

- Dominantes Merkmal bestimmt Phänotyp der 1. Filialgeneration, diese ist im Genotyp<br />

heterozygot<br />

- In 2. Filialgeneration sind 75% der Phänotypen gleich, davon 25 % der Genotypen<br />

homozygot, 50% der Genotypen heterozygot. 25% der Phänotypen ist verschieden<br />

(rezessiver Erbgang), deren Genotyp homozygot<br />

- Faktoren, die für ein Merkmal verantwortlich sind, heißen Gene, Ausprägung der Gene<br />

heißt Allel<br />

Chromosomen, Fortpflanzung und Genkopplung<br />

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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Chromosomen sind Fadenartige Strukturen im Zellkern. Menschen haben 23<br />

Chromosomenpaare (diploider Chromosomensatz). Allele liegen auf einem<br />

Chromosomenpaar jeweils am selben Platz<br />

- Aus Meiose gehen Gameten (Keimzellen) hervor. Diese haben nur einen haploiden<br />

Chromosomensatz<br />

- Nach Befruchtung hat Zelle, jetzt Zygote genannt, wieder eine diploiden<br />

Chromosomensatz: 1x von Mutter, 1x von Vater<br />

- Mitose wird sonstige Zellteilung im Körper genannt, bei der Chromosomen auch<br />

verdoppelt wird. So entsteht ein neuer Organismus<br />

- Genkopplung: Untersuchung von Drosophila melanogaster (Morgan). Bestimmte Gene<br />

sind auf einem Chromosom gekoppelt.<br />

- Durch Crossing over entsteht neue Genkopplung auf einem Chromosom: bei Meiose<br />

überkreuzen sich nebeneinander liegende Chromosomen und tauschen einen Abschnitt<br />

aus. So können neue Merkmalskombinationen weitergegeben werden<br />

- Genkarten: Bestimmung, auf welchem Abschnitt eines Chromosoms welche Gene liegen<br />

Geschlechtschromosomen und geschlechtsgebundene Merkmale<br />

- Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom.<br />

- Geschlechtsgebundene Merkmale liegen auf diesen Chromosomen, meist auf X-<br />

Chromosom. Dominante Merkmale häufiger bei Frauen, rezessive Merkmale häufiger bei<br />

Männern. Bsp.: Farbenblindheit<br />

Chromosomenbau und Selbstverdopplung<br />

- Ein Chromosom hat ein doppelsträngiges Desoxyribonucleinsäure- Molekül.<br />

- DNA besteht aus vier Nucleotidbasen (Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin), die an einer<br />

Kette aus Phosphatresten und Desoxyribose (Zucker) hängen<br />

- Selbstverdopplung (Replikation): Doppelhelix öffnet sich, neue Nucleotidbasen aus<br />

Cytoplasma binden auf jedem Strang, bis zwei neue Stränge entstanden sind<br />

- Mutationen: bei Replikation entstandene Fehler<br />

Genetischer Code und Genexpression<br />

- Strukturgene: enthalten Information für die Synthese eines bestimmten Proteins<br />

(Aminosäurekette)<br />

- Operatorgene kontrollieren die Genexpression (Synthese eines Proteins) eines<br />

Strukturgens<br />

- Regulatorgene aktivieren oder deaktivieren Operatorgene. Sie werden von Signalen<br />

gesteuert, die Zelle aus Umgebung erhält. So interagiert Umwelt mit Genen.<br />

- Genexpression:<br />

1. Transkription<br />

Doppelhelix öffnet sich, Ribonucleinsäure bildet komplementären Strang mit Uracil statt<br />

Thymin. Dies ist die messenger-RNA.<br />

2. Translation<br />

m-RNA bindet im Cytoplasma an ein Ribosom, welches die genetische Info abliest. Drei<br />

Basen bilden jeweils ein Codon, welches für eine Aminosäure steht. Transfer-RNA holt<br />

entsprechende Aminosäuren aus dem Cytoplasma und bildet eine Kette am Ribosom<br />

Das Human Genome Project<br />

- Internationales Forschungsprojekt, hat alle menschlichen Chromosome kartiert<br />

- Weiteres Ziel: Bestimmung der Basensequenzen eines Gens<br />

Mitochondriale DNA<br />

- Mutationen der DNA in den Mitochondrien sind wichtig bei Entwicklung von<br />

Krankheiten<br />

- Mutationen können nicht durch Rekombination verschwinden und sind daher<br />

Untersuchung zugänglich<br />

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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

2.4 Entwicklung und Verhalten: das Zusammenwirken von Vererbung und Umwelt<br />

- Ontogenese: Entwicklung eines Individuums im Laufe seines Lebens<br />

- Phylogenese: evolutionäre Entwicklung von Arten im Lauf der Erdgeschichte<br />

Selektive Züchtung von „Labyrinth-intelligenten“ und „Labyrinth-dummen“ Ratten<br />

- Tryon züchtete Labyrinth-intelligente und Labyrinth-dumme Ratten<br />

- Bei solchen Züchtungen wird meist nicht nur ein Merkmal, sondern mehrere gezüchtet <br />

dies muss in Tests geprüft werden<br />

- Umwelt und Erfahrung spielt eine Rolle für Entwicklung, kann Vor- bzw. Nachteil der<br />

Gene stärken/schwächen<br />

Phenylketonurie: eine auf einem einzigen Gen beruhende Stoffwechselstörung<br />

- PKU: verzögerte geistige Entwicklung, hervorgerufen durch hohe Konzentration von<br />

Phenylalanin im Blut. Wird rezessiv vererbt. Wird Neugeborenen mit dieser Störung in<br />

sensitiver Periode auf Phenylalanindiät gesetzt, kann Gehirnentwicklung nahezu<br />

normalisiert werden<br />

Die Entwicklung des Vogelgesangs<br />

- Arten unterscheiden sich in ihren Gesängen.<br />

- Sensorische Phase: Küken hören den art-typischen Gesang ihrer Eltern und anderer<br />

Erwachsener. Geschieht dies nicht, lernen sie ihn nicht<br />

- Sensomotorische Phase: Männchen beginnt mit Jugendgesang, lernt allmählich den<br />

Erwachsenengesang. Hierbei ist auditorische Rückmeldung nötig, taube Vögel lernen<br />

nicht oder falsch.<br />

- Kanarienvögel können ihr Repertoire immer erweitern: zwischen Paarungszeiten<br />

entwickeln sie neue Gesänge. Absteigende motorische Bahn (links wichtiger!) bestimmt<br />

Gesangsproduktion, anteriore Vorderhirnbahn vermittelt Gesangslernen.<br />

Gesangskontrollierende Struktur im Gehirn verdoppelt sich jedes Frühjahr!<br />

2.5 Zur genetischen Grundlage psychologischer Unterschiede bei Menschen<br />

Individualentwicklung versus Entwicklung von Unterschieden zwischen Individuen<br />

- Bei einem Individuum lässt sich Anlage-Umwelt-Frage nicht klären, bei Vergleich<br />

zwischen zwei Individuen schon<br />

- Vergleich von monozygoten und heterozygoten Zwillingen gibt Auskunft über Anteil des<br />

genetischen und umweltbedingten Einflusses auf die Entwicklung von Unterschieden<br />

Die Minnesota-Zwillinge-Studie<br />

- Bouchard et al. Untersuchten 59 getrennt aufgewachsene heterozygote und 47 getrennt<br />

aufgewachsene monozygote Zwillinge<br />

- Ergebnisse: eineiige Zwillinge sind sehr ähnlich hinsichtlich Intelligenz und<br />

Persönlichkeitsmerkmalen<br />

- Geschätzter Erblichkeitsgrad errechnet sich aus Anteil der genetischen Varianz an<br />

Gesamtvarianz. Liegt in der Studie bei 70%. Aber: nicht zu verallgemeinern, da sich die<br />

Gesamtvarianz nur auf diese konkrete Population bezieht. Zwillinge wuchsen alle in<br />

vergleichbaren Milieus (bedingt durch Adoptionskriterien) auf.<br />

Kapitel 3: Die Anatomie des Nervensystems<br />

3.1 Allgemeiner Aufbau des Nervensystems<br />

Die Gliederung des Nervensystems<br />

- Zentralnervensystem (ZNS): Gehirn und Rückenmark<br />

- peripheres Nervensystem (PNS):<br />

1. Somatisches Nervensystem: afferente Fasern schicken Info von Rezeptoren zum<br />

ZNS, efferente Fasern schicken Signale vom ZNS an Skelettmuskulatur<br />

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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

2. Vegetatives (autonomes) Nervensystem (VNS):<br />

- Reguliert inneres Milieu. Gliedert sich in Sympathikus (Aktivierung) und<br />

Parasympathikus.<br />

- Efferente Fasern des sympathischen Systems entspringen dem thorakalen Bereich<br />

(Brustmark) und lumbalen Bereich (Lendenmark)<br />

- die Ganglienzellen liegen organfern im Truncus sympathicus (Grenzstrang) und im<br />

Bauchraum (z.B. Plexus solaris).<br />

- Efferente Fasern des Parasympathikus entspringen im Hirnstamm und im sakralen<br />

Bereich des Rückenmarks<br />

- die Ganglienzellen liegen bei den entsprechenden Organen.<br />

- Meist wirken die beiden Systeme antagonistisch.<br />

- Neurone von ZNS zu Ganglien heißen präganglionär, von Ganglien zu Organen<br />

postganglionär.<br />

- die Nerven des PNS gehen vom Rückenmark aus, mit Ausnahme der 12 Hirnnerven:<br />

I Bulbus olfactorius, II Nervus opticus, III Nervus oculomotorius, IV Nervus<br />

trochlearis, V Nervus trigeminus, VI Nervus abducens, VII nervus facialis,<br />

VIII Nervus stato-acusticus, IX Nervus glossopharyngeus, X Nervus vagus, XI Nervus<br />

accessorius, XII Nervus hypoglossus<br />

Hirnhäute, Ventrikel und Cerebrospinalflüssigkeit<br />

- Drei Hirn- und Rückenmarkshäute (Meningen):<br />

1. Dura Mater<br />

2. Arachnoidea (bindegewebshaltige Membran) Subarachnoidalraum (enthält<br />

Blutgefäße und Cerebrospinalflüssigkeit<br />

3. Pia mater<br />

- Rückenmark wird durchzogen vom Zentralkanal, dieser weitet sich im Gehirn zu<br />

Ventrikeln (III. und IV. Ventrikel verbunden durch Aquaeductus cerebri) alles gefüllt<br />

mit Cerebrospinalflüssigkeit, Schutzfunktion für Gehirn. In den Plexus choroidei<br />

(Kapillare) wird sie gebildet. Bei Überschuss von Flüssigkeit wird diese in den Sinus<br />

sagittalis superior abgezogen.<br />

Die Blut-Hirn-Schranke<br />

- Im Gehirn sind die Zellwände der Blutgefäße sehr dicht, dies verhindert die Diffusion<br />

von toxischen Stoffen. Benötigte Moleküle werden aktiv transportiert. Natürlich gibt es<br />

auch Ausnahmen.<br />

3.2 Die Zellen des Nervensystems<br />

Der Aufbau von Neuronen<br />

- Der Zellkörper hat eine semipermeable Membran, die Lipiddoppelschicht, mit Kanal-<br />

und Signalproteinen.<br />

- An ihn schließen sich Axon (Fortleitung von elektrischen Impulsen) und Dendriten<br />

(Aufnahme von elektrischen Impulsen) an. Impulsübertragung findet an Synapsen statt.<br />

- Im Neuron befinden sich der Zellkern mit DNA und Strukturen für Zellstoffwechsel,<br />

Proteinsynthese und Bereitstellung von Neurotransmittern<br />

- Es gibt unipolare, bipolare, multipolare Neuronen und Interneuronen<br />

Zellen des Nervensystems mit unterstützender Funktion: Gliazellen und Satellitenzellen<br />

- Nervenzellen werden von andren Zellen umgeben und mechanisch und funktionell<br />

unterstützt. Diese nennt man Gliazellen oder Neuroglia im ZNS und Satellitenzellen im<br />

PNS<br />

- Astroglia oder Astrocyten sind die größten Gliazellen. Sie umhüllen die Blutgefäße im<br />

Gehirn<br />

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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Oligodendroglia oder Oligodendrocyten senden stark myelisierte Fortsätze aus, die sich<br />

um die Axone einiger Neurone im ZNS wickeln. Myelin erhöht die Geschwindigkeit und<br />

Effektivität der axonalen Fortleitung<br />

- Ähnlich im PNS: Schwann-Zellen<br />

3.3 Neuroanatomische Techniken und Richtungsbezeichnungen<br />

Neuroanatomische Techniken<br />

- Golgi-Färbung: macht die Form von Neuronen sichtbar<br />

- Nissl-Färbung: macht die Anzahl der Neuronen in einem Gehirnausschnitt sichtbar<br />

- Elektronenmikroskopie: erzielt viel höhere Vergrößerung als Lichtmikroskopie, macht<br />

dreidimensionale Aufnahmen<br />

- Myelinfärbung: färbt alle myelin-isolierten Axone<br />

- Neuroanatomische Tracingtechniken: Anterograde Tracingmethode (wo enden Axone)<br />

und Retrograde Tracingmethoden (wo entspringen Axone). Chemikalie wird in bekannte<br />

Gehirnstruktur injiziert, und wandert dann zum End- bzw. Ausgangspunkt.<br />

- Neuroanatomische Richtungsbezeichnung:<br />

- bei Tieren: Anterior/Rostral (vorne), Posterior/Caudal (hinten), Dorsal (oben), Ventral<br />

(unten), Medial (zur Mitte hin), Lateral (seitlich)<br />

- bei Menschen: 1. Kopf: Anterior (vorne), Posterior (hinten), Superior/Cranial (oben),<br />

Inferior/Basal (unten)<br />

2. im Körper: Ventral (vorne), Dorsal (hinten), Anterior (oben), Posterior<br />

(unten)<br />

- Gehirnschnitte: Horizontal (oben/unten), Frontal (vorne/hinten) oder Sagittal<br />

(rechts/links)<br />

3.4 Das Rückenmark<br />

- Besteht aus zwei Zonen: der grauen Substanz (Schmetterlingsförmig, Zellkörper,<br />

unmyelinisierte Interneurone) und der weißen Substanz (Außenbereich, auf- und<br />

absteigende myelinisierte Axone<br />

- Graue Substanz: Hinterhörner und Vorderhörner<br />

- 62 paarweise angeordnete Spinalnerven mit je zwei Ästen, von denen einer durch<br />

Hinterwurzel eintritt (afferent, sensorisch, unipolare Neurone, bilden Spinalganglien),<br />

der andere durch die Vorderwurzel austritt (efferent, motorisch, multipolare Neurone)<br />

3.5 Die fünf Hauptabschnitte des Gehirns<br />

- Myelencephalon (Medulla oblongata), Metencephalon, Mesencephalon (Mittelhirn),<br />

Diencephalon, Telencephalon<br />

- Myelencephalon + Metencephalon = Rautenhirn<br />

- Diencephalon + Telencephalon = Vorderhirn<br />

- Großhirn = Telencephalon, Hirnstamm = Rest<br />

3.6 Die wichtigsten Strukturen des Gehirns<br />

Myelencephalon<br />

- Auch Nachhirn, Medulla oblongata. Unterster Teil des Gehirns<br />

- Besteht aus Faserzügen, die Signale zwischen Gehirn und Körper leiten<br />

- Formatio reticularis: Geflecht aus 100 winzigen Kernen, zieht sich bis ins<br />

Mesencephalon. Funktion: Aktivierung, aber auch Schlaf, Aufmerksamkeit, Bewegung,<br />

Erhalt des Muskeltonus, Herz-, Kreislauf- und Atemreflexe<br />

Metencephalon<br />

- Hinterhirn<br />

- Ebenfalls Faserzüge, Formatio reticularis, Kerne von Hirnnerven<br />

8


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Unterteilt in Pons (Ausbeulung auf Ventralseite) und Cerebellum (Kleinhirn, große, stark<br />

gefaltete Struktur auf Dorsalseite, wichtige Rolle im sensomotorischen System)<br />

Mesencephalon<br />

- Mittelhirn<br />

- Unterteilt in Tectum und Tegmentum<br />

- Tectum: anterior/dorsal gelegen. Vierhügelplatte: Colliculi inferiores sind Teil des<br />

auditorischen Systems und Colliculi superiores sind Teil des optischen Systems<br />

- Tegmentum: posterior/ventral gelegen. Ebenfalls Faserzüge, Formation reticularis,<br />

Hirnkernnerven. Außerdem: periaquaeductales Grau umgibt den Aquaeductus cerebri,<br />

spielt Rolle bei der Übermittlung analgetischer Wirkung von Opiaten. Substantia nigra<br />

und Nucleus ruber sind wichtige Bestandteile des sensomotorischen Systems<br />

Diencephalon<br />

- Zwischenhirn<br />

- Unterteilt in Thalamus und Hypothalamus<br />

- Thalamus: zwei eiförmige Teile, liegen auf III. Ventrikel und sind durch Adhaesio<br />

interthalamica verbunden. Enthält verschiedene Kernpaare, afferente Signale erhalten<br />

und in Cortex projizieren. Darunter Corpus geniculatum laterale (seitlicher Kniehöcker,<br />

visuelles System), Corpus geniculatum mediale (mittlerer Kniehöcker, auditorisches<br />

System), Nucleus ventralis posterior (somatosensorisches System)<br />

- Hypothalamus: Rolle bei Steuerung motivationaler Zustände. Reguliert<br />

Hormonfreisetzung der Anhangdrüse Hypophyse (pituitary gland). Unterseite: Im<br />

Chiasma opticum treffen die Sehnerven (II. Hirnnerv) zusammen. Hinter der Hypophyse<br />

liegen die Mamillarkörper.<br />

Telencephalon<br />

- Endhirn, Großhirn<br />

- Größter Abschnitt, komplexeste Funktionen: Willkürbewegungen, analysiert<br />

sensorischen Input, komplexe kognitive Prozesse (Lernen, Sprechen, Problemlösen)<br />

- Cortex Cerebri (Hirnrinde): stark gefurchte Oberfläche. Tiefe Furchen heißen Fissuren,<br />

flache Furchen heißen Sulci, Windungen zwischen Furchen heißen Gyri.<br />

- Längsfurche (Fissura longitudinalis) trennt Hemisphären, verbunden sind diese durch<br />

Corpus callosum, ein Bündel von Nervenfasern (Kommissur)<br />

- Wichtige Orientierungsmerkmale: Zentralfurche (Sulcus zentralis) und Sylvische<br />

Furche (Fissura lateralis)<br />

- Jede Hemisphäre ist in vier Lappen (lobus) aufgeteilt: Frontallappen, Parietallappen<br />

(Scheitel), Temporallappen (Schläfe), Occipitallappen (Hinterhaupt)<br />

- Wichtige Gyri: Gyrus praecentralis (motorische Funktion), Gyrus postcentralis<br />

(somatosensorische Funktion), Gyrus temporalis superior (auditorische Funktion)<br />

- Neocortex nimmt etwa 90 % des Großhirns ein, besteht aus sechs Schichten (von oben<br />

nach unten). Enthält zwei Arten von Zellen: Pyramidenzellen und Sternzellen. Die<br />

Dichte der Zellen variiert je nach Schicht. Neocortex ist säulenartig organisiert:<br />

Dendriten und Axone ziehen sich vertikal hindurch.<br />

- Hippocampus liegt am unteren medialen Cortexrand, faltet sich in den medialen Bereich<br />

des Temporallappens<br />

- Limbisches System: Strukturen, die sich saumartig um den Thalamus gruppieren. Steuert<br />

Emotion, Motivation. Dazu gehören Mamillarkörper, Hippocampus, Amygdala<br />

(mandelförmige Kerne im anterioren Bereich des Temporallappens) Gyrus cinguli,<br />

Septum und Fornix (Bahn, die von Amygdala und Hippocampus zu Mamillarkörpern<br />

und Septum zieht).<br />

- Basalganglien: liegen seitlich vom Thalamus. Steuert Willkürbewegung. Dazu gehören<br />

Amygdala, Striatum (gebildet aus Nucleus caudatus und Putamen) und Globus<br />

9


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

pallidus. Interessant: Störung in Bahn von Substantia nigra zu Striatum verantwortlich<br />

für Parkinson-Krankheit<br />

Kapitel 4: Nervenleitung und synaptische Übertragung<br />

4.1 Das Ruhemembranpotential des Neurons<br />

Ableitung des Membranpotentials<br />

- Erfolgt mit 2 Mikroelektroden (hergestellt durch Mikroelektrodenziehgerät), eine im<br />

Neuron, andere in Extrazellulärflüssigkeit. Beide werden an ein Oszilloskop<br />

angeschlossen (horizontal laufender Punkt, der Abweichung im Potential sichtbar macht<br />

Die Größe des Ruhemembranpotentials<br />

- Ruhemembranpotential eines Neurons ist -70mV, d.h. das Innere der Zelle ist negativer<br />

geladen als die umgebende Extrazellulärflüssigkeit. Bei -70mV ist das Neuron polarisiert<br />

Die Grundlagen des Ruhemembranpotentials: Ionen<br />

- Potential bedingt durch ungleiche Verteilung von positiv und negativ geladenen Ionen.<br />

- Homogenisierende Einflüsse: 1. Tendenz der Ionen, sich entsprechend ihres<br />

Konzentrationsgradienten zu bewegen (auch Osmotischer Druck genannt); 2. Tendenz<br />

von gleichnamigen Ladungen, sich aufzulösen (Anziehung von gegenteilig geladenen<br />

Teilchen)<br />

- Aufrechterhaltende Einflüsse: 1. Permeabilität der Membran: hoch für Kalium und<br />

Chlorid, niedrig für Natrium (erfolgt alles durch Ionenkanäle), gar nicht für Proteinionen<br />

2. Natrium-Kalium-Pumpe: aktiver Transportmechanismus, der Natrium nach außen und<br />

Kalium nach innen pumpt (Verhältnis 3:2) und so die Potentialverschiebung durch<br />

Konzentrationsgradient bedingte diffundierende Ionen kompensiert<br />

- Verantwortlich für Ruhemembranpotential:<br />

- Natriumionen (Na + ): liegen außen, Konzentrationsgradient und<br />

elektrische Ladungsdifferenz ziehen sie nach innen, Permeabilität der Membran ist aber<br />

gering. Natrium-Kalium-Pumpe gleicht Diffusion wieder aus<br />

- Kaliumionen (K + ): liegen innen, Konzentrationsgradient zieht sie nach außen,<br />

Ladungsdifferenz hält sie innen, aber Permeabilität der Membran ist hoch. Natrium-<br />

Kalium-Pumpe gleicht Diffusion wieder aus.<br />

- Chloridionen (Cl - ): liegen außen, Konzentrationsgefälle zieht sie nach innen,<br />

Ladungsdifferenz zieht sie aber nach draußen. Diese Kräfte gleichen sich gegenseitig aus.<br />

- verschiedene negativ geladenen Proteinionen innen, können nicht durch die Membran<br />

4.2 Entstehung und Fortleitung postsynaptischer Potentiale<br />

- Wenn ein Neuron feuert, setzt es an synaptischen Endknöpfen Neurotransmitter frei.<br />

Diese diffundieren durch synaptischen Spalt und aktivieren an postsynaptischer Membran<br />

Rezeptoren. Sie wirken auf zwei Arten: Depolarisation Exzitatorisches<br />

postsynaptisches Potential und Hyperpolarisation Inhibitorisches postsynaptisches<br />

Potential<br />

- EPSPs und IPSPs sind abgestufte Antworten, sie breiten sich passiv aus<br />

- Eigenschaften: 1. Sehr schnelle Verbreitung, nahezu verzögerungsfrei 2. Abschwächung<br />

des Signals bei Ausbreitung<br />

4.3 Die Verarbeitung postsynaptischer Potentiale und die Entstehung von<br />

Aktionspotentialen<br />

- Ob Neuron feuert hängt nicht von einzelner Synapse, sondern von Gesamtbilanz aller am<br />

Axonhügel eintreffenden Potentiale ab (Summation)<br />

10


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Wird Erregungsschwelle durch Depolarisation erreicht, entsteht ein Aktionspotential<br />

(die Schwelle liegt für viele Neurone bei -65mV), d.h. Membranpotential kehrt sich um<br />

(auf etwa +50mV, für 1 ms)<br />

- AP ist eine Alles-oder-Nichts-Antwort<br />

- Räumliche Summation: Kombination von gleichzeitig an verschiedenen Synapsen<br />

eintreffenden EPSPs und IPSPs, diese können sich also jeweils verstärken, oder aber<br />

gegenseitig aufheben<br />

- Zeitliche Summation: Kombination von an der gleichen Synapse kurz aufeinander<br />

folgenden EPSPs und IPSPs. Dies ist möglich, da die ausgelösten Potentiale das<br />

Eingangssignal zeitlich überdauern.<br />

- Beide Typen von Summation finden dauernd statt.<br />

- Position der Synapse auf Neuron ist entscheidend dafür, wie stark sie Feuerung<br />

beeinflusst. (weite Entfernung vom Axonhügel = schwächeres Signal, bedingt durch<br />

Schwächung bei Weiterleitung)<br />

4.4 Die Weiterleitung von Aktionspotentialen<br />

Die Ionenbasis der Aktionspotentiale<br />

- Weiterleitung von APs erfolgt durch spannungsgesteuerte Ionenkanäle: Depolarisation<br />

am Axonhügel führt zu Öffnen der Natriumkanäle, Natrium strömt ein,<br />

Membranpotential wird umgepolt<br />

- Dadurch Öffnen sich Kaliumkanäle, Kalium strömt aus, Chlorid ein<br />

- Nach 1 ms hat AP sein Maximum erreicht, Natriumkanäle schließen sich wieder. Durch<br />

weiteren Ausstrom von K + wird Neuron repolarisiert<br />

- Kaliumkanäle schließen sich langsam, Membran kann kurzzeitig sogar hyperpolarisiert<br />

werden<br />

Refraktärzeiten<br />

- Absolute Refraktärzeit: 1-2 ms nach AP kann kein neues AP ausgelöst werden<br />

- Relative Refraktärzeit: bis Membranpotential wieder vollständig hergestellt ist, ist die<br />

Schwelle für ein erneutes AP höher<br />

- Folgen: APs wandern i. A. nur in eine Richtung; sie können nicht zurück, da<br />

Membranabschnitt noch refraktär ist. Außerdem ist Frequenz der Feuerung proportional<br />

zur Reizstärke; bei starker Reizung wird direkt nach absoluter Refraktärzeit wieder<br />

gefeuert, bei mittlerer/schwacher Reizung erst wieder nach Relativer Refraktärzeit<br />

Axonale Leitung von Aktionspotentialen<br />

- Leitung ist im Unterschied zum Zellkörper aktiv, d.h. erfolgt langsamer und nicht<br />

abgeschwächt als Erregungswelle, weil Natriumkanäle sehr dicht aneinander liegen<br />

- Leitung kann in beide Richtungen erfolgen: orthodrome Leitung erfolgt vom Zellkörper<br />

zu präsynaptischen Endigungen, antidrome Leitung wandert vom Endknopf zurück zur<br />

Zelle<br />

Fortleitung in myelinisierten Axonen<br />

- Die Membran kann nur in den unmyelinisierten Abschnitten, den Ranvierschen<br />

Schnürringen, depolarisiert werden. Zwischen den Schnürringen wird das Signal passiv<br />

weitergeleitet, was sehr schnell geht. Dabei schwächt es sich ab, löst aber jedes Mal<br />

erneut ein AP gleicher Stärke aus.<br />

- Diese nennt man saltatorische Erregungsleitung, weil sie sprunghaft erfolgt<br />

Die Geschwindigkeit der axonalen Leitung<br />

- Schnell in großen und in myelinisierten Axonen (z.B. Motoneurone, d.h. Synapsen auf<br />

Skelettmuskel). Bei Säugern bis zu 100 m/s möglich, bei Menschen bis zu 60m/s<br />

Leitung in Neuronen ohne Axon<br />

- Interneurone haben kein Axon, Leitung erfolgt hier mittels abgestufter, sich<br />

abschwächender Potentiale<br />

11


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

4.5 Synaptische Übertragung. Chemische Signalübertragung zwischen Neuronen<br />

Bau von Synapsen<br />

- Axodendritische Synapsen (enden oft auf dendritischen Dornen) und Axosomatische<br />

Synapsen sind die gängigsten Typen. Es gibt auch noch Dendrodendritische Synapsen<br />

(Weiterleitung in beide Richtungen) und axoaxonale Synapsen (präsynaptische<br />

Hemmung<br />

- 2 Arten von Hemmung: Präsynaptische Hemmung und Postsynaptische Hemmung<br />

- Gerichtete Synapsen: kleiner Synaptischer Spalt, gezielte Neurotransmitterfreisetzung<br />

(Normalfall)<br />

- Ungerichtete Synapsen: Zielort entfernt von Freisetzungsort, Neurotransmitter werden<br />

diffus durch Varikositäten auf Axon freigesetzt<br />

Synthese, Speicherung und Transport von Neurotransmittermolekülen<br />

- Zwei Typen von Neurotransmittermolekülen:<br />

1. Niedermolekulare: verschiedene Arten, werden im Cytoplasma der<br />

präsynaptischen Endigung synthetisiert, vom Golgi-Apparat in kleine synaptische<br />

Vesikel verpackt<br />

2. Höhermolekulare: Peptide (Proteine), werden von Ribosomen im Zellkörper<br />

gebildet, in große Vesikel verpackt und durch Mikrotubuli zur präsynaptischen<br />

Endigung transportiert<br />

- Viele Neurone enthalten zwei Transmitter, einen höher- und einen niedermolekularen<br />

(Koexistenz)<br />

Freisetzung von Neurotransmittermolekülen<br />

- AP öffnet Calciumkanäle, Ca ++ strömt ein und bewirkt Verschmelzung der Vesikel mit<br />

der Membran und Abgabe der Transmitter in den synaptischen Spalt (Exocytose)<br />

- Niedermolekulare Transmitter diffundieren bei plötzlicher, Höhermolekulare bei<br />

allgemeiner Zunahme der Calciumkonzentration<br />

Die Aktivierung von Rezeptoren durch Neurotransmittermoleküle<br />

- Ein Neurotransmitter ist ein Ligand (anbindendes Molekül) eines Rezeptors<br />

(Proteinmolekül an der postsynaptischen Membran)<br />

- Ein Ligand kann an mehrere Rezeptortypen binden, jeder Rezeptor bindet aber nur einen<br />

Liganden<br />

- Ionotrope Rezeptoren sind gebunden an ligandengesteuerte Ionenkanäle, sie bewirken<br />

also EPSPs oder IPSPs durch Öffnung von Natrium- oder Kaliumkanälen<br />

- Metabotrope Rezeptoren<br />

- sind auf Signalproteinen, die an ein G-Protein gekoppelt sind<br />

- sind häufiger, Wirkung ist langsamer, unspezifischer und variabler.<br />

- G-Protein löst Untereinheit ab, diese aktiviert Ionenkanal oder synthetisiert Second<br />

Messenger<br />

- Second Messenger bindet an Ionenkanäle, beeinflusst Stoffwechselaktivität der Zelle<br />

direkt, oder bindet an DNA und beeinflusst Genexpression<br />

- Niedermolekulare Transmitter werden an gerichteten Synapsen freigesetzt, aktivieren<br />

ionotrope Rezeptoren oder metabotrope Rezeptoren mit direkter Ionenkanal-Aktivierung<br />

rasche, kurzfristige Signale<br />

- Höhermolekulare Transmitter werden an ungerichteten Synapsen freigesetzt, aktivieren<br />

metabotrope Rezeptoren mit Second Messenger langsame, diffuse, lang anhaltende<br />

Signale<br />

- Autorezeptoren: sitzen an präsynaptischer Membran, binden Transmitter des eigenen<br />

Neurons reguliert Konzentration der Transmitterausschüttung<br />

Wiederaufnahme, enzymatischer Abbau und Recycling<br />

- Die meisten Neurotransmitter werden nach Ausschüttung wieder aufgenommen und<br />

erneut in Vesikel verpackt<br />

12


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Neuropeptide werden im synaptischen Spalt von Enzymen abgebaut (z.B. Acetylcholin<br />

durch Acetylcholinesterase)<br />

4.6 Die Neurotransmitter<br />

- Niedermolekulare Transmitter: Aminosäuren, Monoamine, lösliche Gase, Acetylcholin<br />

- Höhermolekulare Transmitter: Neuropeptide<br />

Aminosäuren als Neurotransmitter<br />

- Bei schnell wirkenden, zielgerichteten Synapsen<br />

- Glutamat, Aspartat, Glycin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA, wird aus Glutamat<br />

synthetisiert)<br />

Monoamine als Neurotransmitter<br />

- Werden meist diffus freigegeben<br />

- Synthetisiert aus einer einzigen Aminosäure<br />

- Insgesamt 4 Monoamine, einteilbar in zwei Gruppen:<br />

1. Katecholamine: entstehen alle aus Tyrosin L-DOPA Dopamin Noradrenalin<br />

Adrenalin. Neurone, die einen dieser Transmitter benutzen besitzen jeweils<br />

zusätzliches Enzym zur weiteren Synthese, heißen dopaminerg, noradrenerg und adrenerg<br />

2. Indolamine: entsteht aus Tryptophan, es gibt nur Serotonin<br />

Lösliche Gase als Neurotransmitter<br />

- Stickoxid und Kohlenmonoxid, diffundieren sofort durch Zellmembran, aktivieren<br />

Second Messenger. Schwierig zu untersuchen, da sehr kurzlebig<br />

Acetylcholin<br />

- Ankopplung von Acetylgruppe an ein Cholinmolekül, Anwendung in neuromuskulären<br />

Verbindungen, oft im ANS und überall im ZNS, Neurone heißen cholinerg<br />

Neuropeptide<br />

- Es gibt über 50 Stück<br />

- Am interessantesten sind Endorphine, diese aktivieren Systeme, die analgetische<br />

Substanzen produzieren und Systeme, die lustvolle Erfahrungen vermitteln<br />

- Neuropeptide sind Neuromodulatoren, d.h. sie geben keine Signale, sondern<br />

beeinflussen Empfindlichkeit für hemmende oder erregende Signale<br />

4.7 Pharmakologische Einflüsse auf die synaptische Übertragung<br />

- Psychoaktive Substanzen können die Aktivierung der Synapsen durch Neurotransmitter<br />

hemmen (Antagonisten) oder erleichtern (Agonisten)<br />

Wie pharmakologisch wirksame Substanzen die synaptische Übertragung beeinflussen<br />

- Synaptische Übertragung erfolgt in 7 Schritten. Bei jedem Schritt können psychoaktive<br />

Substanzen hemmende oder erleichternde Einflüsse ausüben<br />

- 1. Synthese des Neurotransmitters, 2. Speicherung in Vesikeln, 3. Abbau solcher<br />

Transmitter, die aus den Vesikeln ins Cytoplasma diffundieren, 4. Exocytose, 5.<br />

inhibitorisches Feedback der Autorezeptoren, 6. Aktivierung postsynaptischer<br />

Rezeptoren 7. Deaktivierung<br />

- Rezeptorblocker: antagonistische Pharmaka, besetzen den Rezeptor, ohne ihn zu<br />

aktivieren<br />

Psychoaktive Substanzen: vier Beispiele<br />

- Kokain: steigert Dopamin- und Noradrenalinaktivität, indem es ihre Wiederaufnahme in<br />

präsynaptische Endigung verhindert. Wirkung: Euphorie, Appetitverlust, Schlaflosigkeit,<br />

hat Suchterregendes Potential<br />

- Benzodiazepine: binden an Untertyp des GABA-Rezeptors, verstärken Bindung von<br />

GABA und bewirken so Hyperpolarisation durch Öffnung von Cl - -Kanälen. Wirkung:<br />

anxiolytisch, sedativ und antikonvulsiv<br />

13


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Atropin: Extrakt der Tollkirsche, Belladonna. Rezeptorblocker für muscarinartigen<br />

Acetylcholinrezeptor hohe Atropindosen wirken negativ auf Gedächtnis, was zeigt,<br />

dass cholinerge Mechanismen wichtig für Erinnern sind<br />

- Curare: Pflanzenextrakt aus Lianen. Rezeptorblocker für nicotinartigen<br />

Acetylcholinrezeptor. Bewirkt Lähmung des Organismus, Übertragung an<br />

neuromuskulären Verbindungen ist blockiert.<br />

Kapitel 5: Die Forschungsmethoden der <strong>Biopsychologie</strong><br />

Teil 1: Methoden zur Erforschung des Nervensystems<br />

5.1 Bildgebende Verfahren<br />

- Gibt es seit Anfang der 70er<br />

Röntgenkontrastdarstellung<br />

- Mit Röntgenkontrasttechniken kann man die Hirnventrikel und as Kreislaufsystem des<br />

Gehirns abbilden, wenn man vorher ein Kontrastmittel in das jeweilige System bringt<br />

- Pneumencephalographie: Cerebrospinalflüssigkeit wird durch Luft ersetzt, Ventrikel<br />

und Fissuren sind zu erkennen. Deformationen können Tumor bedeuten, Größenzunahme<br />

zeigt Degeneration des Hirns an.<br />

- Angiographie: Verfahren zur Visualisierung des cerebralen Gefäßsystems. Gefäßschäden<br />

können lokalisiert werden; diese können einen Tumor anzeigen<br />

Computertomographie<br />

- Computergestütztes Röntgenverfahren zur 3-D Darstellung des Gehirns. Röntgenröhre<br />

und Detektor drehen sich um Kopf des Patienten CT-Scan; CT-Scans von mehreren<br />

Ebenen werden zu 3-D Bild zusammengefügt<br />

Kernspintomographie<br />

- Beruht auf Strahlung angeregter Wasserstoffkerne (Protonen, H+) im Gewebe. Die<br />

Protonenkonzentration in verschiedenen neuronalen Strukturen unterscheidet sich stark.<br />

Liefert zweidimensionale Bilder, die auch zu 3-D zusammengesetzt werden können<br />

Positronen-Emissions-Tomographie<br />

- Geben Info über Aktivität statt über Struktur des Gehirns<br />

- Radioaktiv markierte 2-Desoxyglucose wird in Halsschlagader injiziert. Aktive Neurone<br />

verbrauchen Glucose. Vorteil von 2-DG: wird nicht direkt abgebaut<br />

- Andere Methode: aktive Neurone setzen Stickoxid frei, was gefäßerweiternd wirkt.<br />

Radioaktive markiertes Wasser im Kreislaufsystem zeigt, in welche Bereichen die<br />

Durchblutung zunimmt<br />

Funktionelle Kernspintomographie<br />

- fMRT genannt, bildet erhöhte Sauerstoffzufuhr aufgrund von Durchblutungszunahme ab.<br />

- Vorteil: macht sowohl Strukturen als auch Aktivität sichtbar<br />

5.2 Psychophysiologische Messungen<br />

- Werden an der Körperoberfläche erfasst<br />

Elektroencephalographie<br />

- Grobes Maß für die Erfassung der elektrischen Aktivität des Gehirns<br />

- Wert für Forschung: bestimmte Wellenmuster gehen mit Bewusstseinszuständen oder<br />

hirnpathologischen Zuständen einher (z.B. Alpha- Wellen, 8-10 Hz, große, Amplitude für<br />

entspannter Wachzustand)<br />

- Besonders interessant: Ereigniskorreliertes Potential (EKP). Sondertyp: evoziertes<br />

Potential (Antwort auf einen bestimmten sensorischen Stimulus)<br />

14


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Signalkomponente muss vom Hintergrundrauschen getrennt werden, z.B. durch<br />

Signalmittelung<br />

- Vorteil des EEG: hohe zeitliche Auflösung. Nachteil: niedrige räumliche Auflösung<br />

Muskelspannung<br />

- Muskeltonus ist Maß für allgemeinen psychologischen Erregungszustand<br />

- Elektromyographie misst Muskelspannung mit Elektroden über interessierendem Muskel<br />

Augenbewegung<br />

- Zwischen vorderem (positiv) und hinterem (negativ) Pol des Augapfels besteht eine<br />

Potentialdifferenz, die mittels Electrooculographie gemessen wird<br />

- Elektrodermale Aktivität<br />

- Gefühlsbetonte Gedanken und Erfahrungen führen zu erhöhter Hautleitfähigkeit<br />

- Das Hautleitwertniveau (skin conductance level, SCL) in einer bestimmten Situation<br />

wird mit der Hautleitfähigkeitsreaktion (skin conductance response, SCR) verglichen<br />

- Verantwortlich dafür sind Schweißdrüsen. Meist wird EDA an der Handinnenfläche<br />

gemessen<br />

Kardiovaskuläre Aktivität<br />

- Kardiovaskuläres System besteht aus Herz und Blutgefäßen<br />

- Man untersucht Herzschlagfrequenz (EKG, normal ist 70/min), Blutdruck (normal ist<br />

130 (systolisch)/70 (diastolisch) mmHg) und Blutvolumen (Plethysmographie)<br />

5.3 Invasive physiologische Untersuchungsmethoden<br />

Stereotaktische Chirurgie<br />

- Eine Messelektrode wird direkt ins Gehirn eingeführt. Mittels stereotaktischem Atlas<br />

wird Ort der Ableitung lokalisiert<br />

- Für Ratten ist oft das Bregma der Referenzpunkt (dort schneiden sich die<br />

Schädelknochen)<br />

- Ein stereotaktisches Instrument besteht aus Kopfhalter und Elektrodenhalter<br />

Die Läsionsmethode<br />

- Aspirationsläsionen: geht nur auf dem Cortex, Gewebe wird per Hand mit Glaspipette<br />

abgesaugt<br />

- Radiofrequenzläsionen: subcortikale Läsionen, Glaselektrode wird stereotaktisch<br />

eingesetzt, Wechselstrom verschmort Gewebe<br />

- Schnitttechniken: mit Skalpell werden Nerven oder Nervenbahnen gekappt<br />

- Kryogene Blockade: durch Kryosonde wird Kühlmittel gepumpt, dass Neuronenaktivität<br />

lahm legt. Vorteil: Reversibilität<br />

- Interpretation von Läsionseffekten ist problematisch, da nie gewünschtes Gewebe allein<br />

und komplett zerstört wird<br />

Bilaterale und Unilaterale Läsionen<br />

- Unilaterale Läsionen haben kaum Effekt, meist werden bilaterale Läsionen<br />

vorgenommen<br />

Elektrische Stimulation<br />

- Erfolgt durch bipolare Elektrode, unmittelbar Verhaltensrelevant. Meist gegenteiliger<br />

Effekt zu Läsion in gleichem Bereich<br />

Invasive Ableitungsmethoden<br />

- Intrazelluläre Ableitung (Tier darf sich dabei nicht bewegen)<br />

- Extrazelluläre Ableitung (keine Info über Membranpotential, Signale vieler Neurone<br />

erfassbar, Tier darf sich bewegen)<br />

- Summenableitung: größere Elektrode, die mehrere Neurone misst<br />

- Invasive EEG-Ableitung<br />

15


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

5.4 Psychopharmakologische Methoden im Tierversuch<br />

Arten der Applikation<br />

- Drei Arten der Applikation: 1. orale Aufnahme, 2. durch Sonde in den Magen:<br />

intragastrisch (IG), 3. durch Injektion: intraperitoneal (IP, Bauchhöhle), intramuskulär<br />

(IM), intravenös (IV)<br />

Selektive chemische Läsionen<br />

- Neurotoxine sind Nervengifte, welche bestimmte Neurone beschädigen. Bsp.: 6-<br />

Hydroxydopamin (6-OHDA) wird nur von Neuronen aufgenommen, die<br />

Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin ausschütten<br />

Messung der chemischen Aktivität des Gehirns<br />

- Mit 2-DG-Technik werden Rattengehirne präpariert: erst 2-DG schlucken, dann Aufgabe,<br />

dann getötet, Gehirn geschnitten und eingefärbt<br />

- Cerebrale Dialyse: dünnes Röhrchen wird ins Gehirn eingeführt und die Konzentration<br />

von neurochemischen Substanzen gemessen, während das Tier lebt<br />

- Elektrochemie: Substanzen auf Elektrode reagieren und produzieren so Strom, der<br />

gemessen werden kann<br />

Lokalisation von Neurotransmittern und Rezeptoren im Gehirn<br />

- Immunocytochemie: markierte Antigene gegen interessierenden Neurotransmitter<br />

werden injiziert. Später kann man dann gucken, in welchem Teil des Gehirns diese<br />

markierten Stoffe sich befinden.<br />

- In-situ-Hybridisierung<br />

5.5 Gentechnik<br />

Inaktivierung von Genen (Knockout)<br />

- Knockout-Mice: Gene werden aus embryonalen Zellen entfernt und diese in einen<br />

Mäuseembryo eingesetzt<br />

- Problem: Verhaltensmerkmale werden von vielen Genen beeinflusst, Elimination eines<br />

Gens beeinflusst auch Expression anderer Gene, Erfahrung eines Organismus kann<br />

Entfernung von Genen modifizieren<br />

Ersatz von Genen<br />

- Transgene Mäuse haben Gene von einer anderen Spezies eingebaut bekommen. Es ist<br />

auch möglich, das gleiche Gen mit nur einigen zusätzlichen Basen einzusetzen, so dass<br />

man es mit chemischen Substanzen ein und ausschalten kann<br />

- dies sind neuere Errungenschaften, man weis noch nicht, ob sie psychologischen<br />

Erkenntnisgewinn bringen<br />

Teil 2: Verhaltensstudien in der <strong>Biopsychologie</strong><br />

- Verhalten ist der sichtbare Ausdruck verborgener neuronaler Aktivität<br />

- Methoden zur Erforschung des Nervensystems wollen nicht Sichtbares beobachtbar<br />

machen, Verhaltensuntersuchungen wollen kontrollieren, vereinfachen und objektivieren<br />

- Im Verhaltensparadigma soll Verhaltensphänomen erzeugt und objektiv gemessen<br />

werden<br />

5.6 Die neuropsychologische Untersuchung<br />

- Neuropsychologen wollen nicht nur sensorische und motorische Funktionen, sondern<br />

auch subtile Veränderungen der Wahrnehmung und emotionalen, motivationalen und<br />

kognitiven Funktionen aufdecken<br />

16


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Tests dauern sehr lange; sie sollen eine Basis für eine Diagnose liefern, wenn<br />

neurologische Tests uneindeutig waren, Grundlage für Beratung und Betreuung eines<br />

Patienten schaffen und Effektivität einer Behandlung objektiv ermitteln<br />

Entwicklung neuropsychologischer Diagnostik<br />

- Entwickelte sich in drei Phasen:<br />

- mit Einzeltests sollte zwischen Patienten mit oder ohne Hirnschaden differenziert<br />

werden ging nicht<br />

- in den 60ern entwickelte man standardisierte Testbatterien mit verschiedenen<br />

Untertests, die zwar gesund von krank trennen, nicht aber die kranken differenzieren<br />

konnten<br />

- danach kam Patientenorientierte Testung (auch heute noch). Methode: erst<br />

Basistestung, dann ausgewählte Tests, um entdeckte Defizite zu spezifizieren. Moderne<br />

Tests sind theorie- und empiriegeleitet (z.B. über Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis)<br />

Außerdem wird nicht nur Leistung des Patienten, sondern auch Strategie berücksichtigt.<br />

Tests für die Basisdiagnostik<br />

- Intelligenz wird oft mit dem Wechsler-Intelligenztest (WAIS) gemessen. IQ sagt zwar<br />

nichts über Hirnschäden aus, kann aber helfen, andere Testergebnisse zu interpretieren.<br />

Muster der Leistungsschwächen in Subtests lässt Rückschlüsse auf Fehlfunktionen zu.<br />

- Gedächtnis muss mit vielen verschiedenen Tests gemessen werden, um 4 Fragen zu<br />

klären:<br />

1. Ist KZG oder LZG betroffen?<br />

2. sind LZG-Defizite anterograd oder retrograd?<br />

3. Betreffen LZG-Defizite semantisches oder episodisches Gedächtnis?<br />

4. gehören Defizite zu explizitem oder implizitem Gedächtnis?<br />

- Tests für Gedächtnis: Wechsler-Memory-Scale, Zahlengedächtnistest, Repetition<br />

Priming Tests<br />

- Tests zu Aufmerksamkeit und zur Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung (z.B.<br />

einfache Papier-Bleistift-Tests)<br />

Spezifischere Tests neuropsychologischer Funktionen<br />

- Störungen der Sprache äußern sich in Form von Aphasien. Es können Sprechen,<br />

Verstehen, Lesen und Schreiben betroffen sein.<br />

- Bsp.: für Tests: Aachener Aphasie Test, Token-Test (enthalten im AAT): Bildelemente<br />

mit Formen und Farben, Patient soll komplexer werdende Handlungen ausführen<br />

- Tests zur Sprachlateralität: eine Hemisphäre ist immer sprachdominant, bei den meisten<br />

Menschen die linke. Die Sprachlateralität muss geprüft werden, wenn am Gehirn operiert<br />

wird. Hauptsächlich zwei Tests: im Natriumamytaltest wird Natriumamytal in arteria<br />

carotis injiziert, Hemisphäre wird blockiert, falls dominante fällt Sprache aus für einige<br />

Minuten. Im dichotischen Hörtest hört man auf jedem Ohr über Kopfhörer andere<br />

Zahlenfolgen und soll diese wiederholen. Dies gelingt besser für Ohr kontralateral zur<br />

dominanten Hemisphäre.<br />

- Höhere exekutive Funktionen werden z.B. mit Wisconsin-Kartensortiertest überprüft<br />

(sortiere Karten nach Form, Farbe oder Anzahl, Regel wechselt zwischendurch)<br />

5.7 Verhaltensbiologische Methoden in den Kognitiven Neurowissenschaften<br />

- Zwei Prämissen: Jeder komplexe kognitive Prozess setzt sich aus kognitiven<br />

Basisprozessen zusammen. Jeder kognitive Basisprozess entspricht neuronaler Aktivität<br />

in einem bestimmten Hirnareal.<br />

- Stichwort Artificial Intelligence<br />

- Subtraktionstechnik: bei PET und fMRT werden Bilder eines Probanden bei<br />

verschiedenen kognitiven Aufgaben aufgenommen. Anschließend wird die Aktivität in<br />

diesen Bildern von derjenigen der Bilder der interessierenden Aufgabenstellung<br />

17


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

subtrahiert. Um Rauschen auszuschalten, werden diese Differenzbilder verschiedener<br />

Probanden gemittelt<br />

5.8 Biopsychologische Paradigmen des Verhaltens von Tieren<br />

Paradigmen für die Bewertung von artspezifischen Verhaltensweisen<br />

- Artspezifisches Verhalten kennzeichnet sich dadurch, dass es nahezu alle Individuen<br />

einer Art zeigen<br />

- Open-field-test: Verhalten des Tieres in einer leeren Box wird registriert, dies dient der<br />

Standardisierung. Als Maß für Ängstlichkeit dienen Bewegungsaktivität, Anzahl der<br />

Exkrementpartikel und Thigmotaxis (Aufenthalt in Nähe der Wände)<br />

- Tests zum Aggressions- und Defensivverhalten: Paradigma des Kolonieeindringlings,<br />

Labyrinth mit offenen Armen, Reaktion auf Experimentator. Zweck: oft für Test von<br />

anxiolytischen Psychopharmaka (z.B. Benzodiazepine)<br />

- Tests zum Sexualverhalten: Lordosehaltung und Lordosequotient beim Weibchen,<br />

Anzahl der Besteigungen und Anzahl des Eindringens bis zur Ejakulation beim<br />

Männchen<br />

Traditionelle Konditionierungsparadigmen<br />

- Klassische Konditionierung (US, CS, UR, CR; Bsp.: Pawlow)<br />

- operantes Konditionieren (Belohnung/Bestrafung; Bsp. für <strong>Biopsychologie</strong>:<br />

Selbstreizungsparadigma, Selbstapplikations-Paradigma)<br />

Seminatürliche Lernparadigmen bei Tierexperimenten<br />

- Besonderheiten der konditionierten Geschmacksaversion: Ratten entwickeln Aversion<br />

schon nach einem Durchgang, es ist egal, wie viel Zeit vergangen ist (gegen Prinzip der<br />

zeitlichen Kontiguität); Passung des Reizes ist wichtig (gegen Prinzip der<br />

Äquipotentialität)<br />

- Im radialen Labyrinth müssen Ratten sich orientieren, um Futter in identisch<br />

aussehenden Gängen zu finden<br />

- Morrissches Wasserlabyrinth: Ratten müssen in trübem Wasser zu verdeckter Plattform<br />

finden. Dies gelingt bald gut, obwohl keine Anhaltspunkte (außer Laborumgebung)<br />

gegeben sind<br />

- Konditioniertes defensives Vergraben: ein Objekt, von dem ein aversiver Stimulus<br />

ausgeht, wird schon nach einmaligem Erleben erkannt und vergraben. Diese Reaktion<br />

wird durch anxiolytische Pharmaka abgeschwächt.<br />

Kapitel 6: Hirnschäden des Menschen und Tiermodelle<br />

6.1 Ursachen von Hirnschäden<br />

Hirntumoren<br />

- Tumor ist enthemmtes Überschusswachstum körpereigenen Gewebes<br />

- 20% aller Tumore sind Meningeome, sie wachsen zwischen den drei Hirnhäuten des NS<br />

und sind abgekapselte Tumoren. Sie lösen Druck auf umliegendes Gewebe aus, sind<br />

meist benigne (gutartig) und können ohne Rezidivrisiko entfernt werden<br />

- Infiltrierend wachsende Tumore sind maligne (bösartig), können nur schwer ganz<br />

entfernt werden und wachsen daher weiter<br />

- Metastasierende Tumore entstehen aus Tumorfragmenten, die mit dem Blut ins Hirn<br />

transportiert werden und sich dort besonders gut ausbreiten können<br />

- Tumorwachstum resultiert aus Fehlfunktion von Mechanismen, die normales<br />

Zellwachstum und –teilung steuern darauf konzentriert sich Forschung<br />

Cerebrovaskuläre Störungen<br />

- Infarkt = Absterben von Gewebe in Folge eines Schlaganfalls<br />

18


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Zwei Arten von Schlaganfällen: Hämorrhagie und Ischämie<br />

- Cerebrale Hämorrhagie (Einblutung): ein Aneurysma, eine pathologische,<br />

ballonförmige Erweiterung eines Blutgefäßes, platzt, Blut schädigt umliegendes<br />

Nervengewebe. Aneurysmen sind congenital oder durch Infektionen oder Gefäßgifte<br />

entstanden.<br />

- Cerebrale Ischämie (Mangeldurchblutung): Blutzufuhr und somit Glucose- und<br />

Sauerstoffzufuhr wird unterbrochen.<br />

- Drei Hauptgründe: Thrombose (Pfropfen am Entstehungsort), Embolie (Pfropfen auf<br />

Wanderschaft), Arteriosklerose (Gefäßverhärtung/-verdickung).<br />

- Blockierung von Blutgefäß führt zu Hyperaktivität der betroffenen Neurone erhöhte<br />

Glutamatausschüttung aktiviert postsynaptische NMDA-Rezeptoren toxische<br />

Reaktion breitet sich kaskadenartig aus, Neurone sterben ab<br />

- mögliches Gegenmittel: Gabe von NMDA-Rezeptorblockern direkt nach Schlaganfall<br />

(muss noch entwickelt werden)<br />

Gedeckte Schädel-Hirn-Traumata<br />

- Bei Hirnquetschungen führen zu inneren Blutungen, die dann als Hämatome von außen<br />

sichtbar sind<br />

- Contre-Coup-Verletzung: Hirn prallt durch Schlag gegen die Schädelinnenwand der<br />

gegenüberliegenden Kopfhälfte<br />

- Gehirnerschütterungen sind i. A. zeitlich begrenzte Bewusstseinstrübungen ohne<br />

anatomische Schäden. Aber: Punch-drunk-syndrom äußert sich in starker Demenz, z.B.<br />

bei Boxern<br />

Gehirninfektionen<br />

- Ins Gehirn eindringende Mikroorganismen führen zu entzündlichen Veränderung<br />

(Encephalitis)<br />

- Bakterielle Infektionen: Meningitis (Gehirnhautentzündung) oder Hirnabszesse<br />

(Eiteransammlungen) Bsp.: Syphilis kann zu Meningitis führen Symptomkomplex:<br />

Irrsinn und Demenz = progressive Paralyse<br />

- Virusinfektionen: neurotrope Viren (Affinität zum Nervengewebe, z.B. Tollwut) und<br />

pantrope Viren (z.B. Mumps, Herpes)<br />

- Eiweißmoleküle (Hirnstoffwechsel störende Molekülstruktur, degeneriert Gehirn<br />

schwammartig, z.B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit<br />

Neurotoxine<br />

- Toxische Psychose: chronische Geistesgestörtheit, z.B. durch Quecksilber oder Blei<br />

hervorgerufen. Manche antipsychotische Medikamente haben solche Wirkung, führen zu<br />

Spätdyskinesie, werden heute nicht mehr angewandt. Auch Alkohol hat solche Wirkung.<br />

Außerdem: Autoimmunkrankheit wie z.B. Multiple Sklerose<br />

Genetische Faktoren<br />

- Down-Syndrom: Trisomie des Chromosoms 21, tritt bei 0,15% aller Geburten auf,<br />

hervorgerufen durch Fehler bei Zellteilung<br />

- Die meisten genetisch bedingten neurologischen Störungen kommen von abnormen<br />

rezessiven Genen, z.B. PKU<br />

- Abnormes dominanten Gen: Huntington-Erkrankung, tritt erst im Erwachsenenalter zum<br />

Vorschein<br />

Programmierter Zelltod<br />

- Zwei Arten von Zelltod: 1. Apoptose: Überflüssige und dysfunktional werdende Zellen<br />

begehen Selbstmord, werden von Makrophagen aufgefressen, Zellkern verschwindet<br />

zuerst, dauert Tage 2. Zellnekrose: Verletzung bringt Zelle zum Anschwellen und<br />

Platzen, dadurch entsteht Entzündung, Immunzellen fressen Zellreste, Zellkern<br />

verschwindet zuletzt, dauert Stunden<br />

19


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Bei cerebraler Ischämie kann man versuchen, Apoptose durch Medikamente zu<br />

verhindern<br />

6.2 Neurologische Erkrankungen mit neuropsychologischen Störungen<br />

- Problem der Differentialdiagnose: Entscheidung, ob und an welcher<br />

neuropsychologischen Störung ein Patient leidet.<br />

- Man versucht, Symptomkomplexe zu finden, die eine gemeinsame Ursache haben, und<br />

dadurch eine Krankheit zu definieren; Patienten unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer<br />

der Kombination einzelner Symptome.<br />

Epilepsie<br />

- Hauptsymptom ist ein epileptischer Anfall. Von Epilepsie spricht man, wenn dieser<br />

Anfall durch chronische Gehirnfehlfunktion ausgelöst wird<br />

- Anfall in Form von Krämpfen (Convulsionen), gekennzeichnet durch Muskelschütteln<br />

(Clonus) und Streckstarre (Tonus), Verlust des Gleichgewichts, Bewusstlosigkeit<br />

- Im EEG treten während eines Anfalls Spikesalve von großer Amplitude auf<br />

- Epileptische Aura kündigt Patienten oft einen neuen Anfall an<br />

- Zwei Arten von Epilepsie: Partielle Epilepsie oder Generalisierte Epilepsie<br />

- Partielle Anfälle: betreffen nur Teil des Gehirns. Zwei Hauptkategorien:<br />

- einfache partielle Anfälle: sind sensorisch und motorisch (in entsprechenden<br />

Hirnregionen, ansonsten im ganzen Körper).<br />

- Komplexe partielle Anfälle: beschränkt auf Temporallappen, Ankündigung durch Aura,<br />

psychomotorische Attacken<br />

- Generalisierte Anfälle: betreffen ganzes Gehirn. Zwei Hauptkategorien:<br />

- Grand-Mal-Anfall: Primäre Symptome: Bewusstlosigkeit, Verlust des Gleichgewichts,<br />

heftige tonisch-klonische Krämpfe. Außerdem: Zungenbiss, Harninkontinenz, Cyanose<br />

Hypoxie (Sauerstoffmangel im Blut weitere Hirnschäden)<br />

- Petit-mal-Anfall: nicht immer Krämpfe, Bewusstseinstrübung. EEG: bilateral-<br />

symmetrisches Spike-and-wave-Muster. Treten oft bei Kindern auf, verschwinden mit<br />

Pubertät, oft Epilepsie unerkannt<br />

Die Parkinson-Krankheit<br />

- Bewegungsstörung. Symptome: Ruhetremor, Muskelsteifigkeit, maskenartiges Gesicht,<br />

quälende Ruhelosigkeit, Bradykinese, schlurfender Gang, keine intellektuellen<br />

Störungen!<br />

- Ursachen können vielfältig sein, bleiben meist ungeklärt<br />

- Zusammenhang mit Degeneration der Substantia nigra, die über nigrostriatale Bahn ins<br />

Striatum projiziert.<br />

- Dopamin ist der Neurotransmitter für Substantia nigra und Striatum, fehlt bei Parkinson<br />

Patienten Gabe von L-DOPA oder Dopaminagonisten kann Krankheit zeitweilig<br />

verbessern<br />

Die Huntington-Krankheit<br />

- Bewegungsstörung, starke genetische Komponente, geht einher mit schwerer Demenz.<br />

Symptom: schnelle ruckartige Zuckungen (auch als Veitstanz bezeichnet)<br />

- Vererbt durch dominantes Gen, Erkrankung tritt erst im mittleren Alter auf, Hälfte der<br />

Nachkommen erkrankt ebenfalls<br />

- Unheilbar, Tod nach 15 Jahren<br />

- Abnormes Gen produziert Protein Huntingtin, das überall im Gehirn produziert wird,<br />

jedoch nur Striatum und cerebrale Hemisphäre zerstört<br />

- Es ist möglich zu testen, ob man Gen geerbt hat oder nicht<br />

Multiple Sklerose<br />

- Myelin im ZNS wird nach und nach zerstört, Axone verhärten, weiße Substanz wird<br />

degeneriert.<br />

20


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Diagnose ist schwierig, je nach Anzahl, Lage und Größe der Läsionen<br />

- Krankheit verläuft in Schüben<br />

- Symptome: Ataxie (Unfähigkeit der Bewegungskoordination), Sehstörungen,<br />

Muskelschwäche, Taubheit der Gliedmaßen, Intensionstremor und Harninkontinenz<br />

- Epidemiologie: Umweltfaktoren wie Geographie oder Ernährung, aber auch genetische<br />

Faktoren, z.B. die Rasse spielen eine Rolle<br />

- Versuche bei Labortieren: Myelin und Immunreaktion Stimulator injiziert, führt zu<br />

experimenteller autoimmuner Encephalomyelitis ähnlich zu MS, Vermutung: MS ist<br />

krankhafte Autoimmunreaktion<br />

Die Alzheimer-Krankheit<br />

- Häufigste Ursache für Demenz, tritt meist zunehmend ab 40 auf.<br />

- Progressiver Verlauf<br />

- Kennzeichen: Neurofibrillenknäuel und Amyloidplaques mit Kernregion aus<br />

Amyloidproteinen, substantieller Neuronenverlust. Ausgeprägt im medialen<br />

Temporallappen (entorhinaler Cortex, Amygdala, Hippocampus), im inferioren<br />

temporalen Cortes, posterioren parietalen Cortex und präfrontalem Cortex<br />

- Wichtige genetische Komponente, Zusammenhang möglich mit defekt auf Chromosom<br />

21, 14 oder 1<br />

- Keine wirksame Behandlungsmöglichkeit. Auf jeden Fall hilfreich: Aspirin oder<br />

Ibuprofen können Fortschreiten der Krankheit verzögern<br />

6.3 Tiermodelle neurologischer Erkrankungen mit neuropsychologischen Störungen beim<br />

Menschen<br />

- Drei Typen von Tiermodellen: homologe Tiermodelle, isomorphe Tiermodelle und<br />

prädiktive Tiermodelle<br />

- Tiermodelle sind sehr problematisch, es ist schwer nachzuweisen, dass sie tatsächlich<br />

wertvolle Hinweise zur Aufklärung von Krankheiten liefern.<br />

Das Kindling-Modell der Epilepsie<br />

- Ratten werden durch Elektrode in Amygdala einmal täglich gereizt, dies führt zu<br />

Krämpfen, die nach und nach stärker werden; klappt auch bei Reizung anderer Strukturen<br />

- Nachgewiesen bei verschiedenen Tieren<br />

- Neuronale Schäden sind irreversibel, Effekt wird durch zeitlich verteilte, nicht aber<br />

zeitlich konzentrierte Stimulation hervorgerufen<br />

- Krampfanfälle ähneln denen epileptischer Patienten; Art der Epileptogenese ebenfalls<br />

- Dilantin blockiert Krämpfe nach Stimulation von Neocortex, Valium blockiert Krämpfe<br />

nach Stimulation von Amygdala<br />

Das transgene-Maus-Modell der Alzheimer-Krankheit<br />

- Gene für die Bildung menschlicher Amyloidproteine werden in Mäuse verpflanzt, so dass<br />

deren Gehirn viele Amyloidplaques, ähnlich wie beim Alzheimerpatienten, enthält<br />

- Diese Mäuse haben Defizite von Gedächtnisleistungen, vor allem wenn sie auf<br />

Hippocampus beruhen<br />

- Überprüfung mit Y-Labyrinth und Morrisschem Wasserlabyrinth<br />

Das MPTP-Modelll der Parkinson-Krankheit<br />

- Drogenabhängige entwickelten Symptome von Parkinson, nachdem sie Wirkstoff MPTP<br />

gespritzt hatten<br />

- Versuche bei Primaten: MPTP führt zu Schädigung der Substantia nigra<br />

- Deprenyl ist ein Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer), erhöht Dopaminspiegel,<br />

indem Abbauenzym Monoaminoxidase gehemmt wird kann Progression im<br />

Frühstadium der Krankheit verhindern<br />

21


Kapitel 7: Das visuelle System: vom Auge zum Cortex<br />

J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

7.1 Licht und Netzhautbild<br />

- Licht kann man als diskrete Energiepartikel (Photonen) oder als elektromagnetische<br />

Wellen betrachten<br />

- Sichtbares Licht. Wellenlängen von 380-760 nm<br />

- Wellenlänge ist wichtig für Farbwahrnehmung, Intensität ist wichtig für<br />

Helligkeitswahrnehmung<br />

- Pupillengröße wird durch musculus constrictor pupillae (parasympathisch) und musculus<br />

dilatator pupillae (sympathisch) an Beleuchtung angepasst Kompromiss zwischen<br />

Sensitivität und Sehschärfe<br />

- Linse fokussiert das Licht auf die Retina, Brechkraft wird akkommodiert durch<br />

Ciliarmuskel (hohe Brechkraft = nahes Objekt = angespannter Ciliarmuskel)<br />

- Kurzsichtigkeit: Myopie, Augapfel zu lang, konkave Linse; Weitsichtigkeit:<br />

Hypermetropie, Augapfel zu kurz, konvexe Linse<br />

- Durch Konvergenz der Augen (Drehung je nach Fixationsebene) fallen bestimmte Punkte<br />

auf korrespondierende Netzhautpunkte<br />

- trotzdem sind Netzhautbilder leicht verschieden: Querdisparation ist bei nahen<br />

Objekten größer als bei entfernten, daraus entsteht dreidimensionale Wahrnehmung<br />

7.2 Die Retina und die Umwandlung von Licht in neuronale Signale<br />

- fünf Zellschichten: Rezeptoren, Horizontalzellen, Bipolarzellen, Amakrinzellen,<br />

Ganglienzellen<br />

- Horizontal- und Amakrinzellen sind für laterale Kommunikation (Info zwischen<br />

sensorischen Eingangskanälen) zuständig, geben inhibitorische Transmitter frei (GABA<br />

und Glycin)<br />

- Bipolar- und Ganglienzellen geben exzitatorischen Transmitter Glutamat frei<br />

- Retina ist invers aufgebaut<br />

- In Blindem Fleck verlassen die gebündelten Axone der Ganglienzellen, der Sehnerv, das<br />

Auge. Ergänzungseffekt sorgt dafür, dass wir keine Lücke im Netzhautbild haben<br />

- Zentral auf der Retina liegt die Fovea centralis (dünne Ganglienzellenschicht, höchste<br />

Rezeptordichte, scharfes Sehen)<br />

Stäbchen- und Zapfensehen<br />

- Duplizitätstheorie des Sehens: photopisches System (7 Mio. Zapfen, vorwiegend in<br />

Retina, Schärfe, Detailtreue und Farbe bei guter Beleuchtung) und skotopisches System<br />

(123 Mio. Stäbchen, nur in Peripherie, höhere Sensitivität, schwarz-weiß bei schwacher<br />

Beleuchtung)<br />

- Hell- bzw. Dunkeladaptation: Anpassung an Beleuchtungswechsel, Aktivierung<br />

photopischem bzw. skotopischem System<br />

- Unterschiedliche Konvergenz: bei Stäbchen konvergieren viele Rezeptoren auf eine<br />

Ganglienzelle, bei Zapfen nur wenige hohe Sensitivität und niedrige Schärfe des<br />

skotopischen Systems<br />

- In nasaler Retina liegen mehr Stäbchen als in temporaler Retina. Grund: Nase wirft<br />

Schatten, daher mehr Rezeptoren nötig<br />

- Nicht alle Wellenlänge der gleichen Intensität werden als gleich hell wahrgenommen <br />

wir haben photopische (Maximum 500nm) und skotopische (Maximum 560nm )<br />

Hellempfindlichkeitskurve<br />

- Purkinje-Effekt: bei Aktivität des photopischen Systems scheint rot und gelb heller als<br />

blau, bei Aktivität des skotopischen Systems umgekehrt<br />

22


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Augenbewegungen<br />

- Wir tasten Sehfeld ständig ab, es kommt etwa zu drei Fixationen pro Sekunde,<br />

dazwischen liegen Sakkaden (schnelle Augenbewegungen)<br />

- Auf Grund von Sakkaden sehen wir nicht nur kleinen Punkt der Fovea, sondern alles<br />

farbig und scharf<br />

- Stabilisiertes Netzhautbild: kann durch Lähmung des Augenmuskels oder Projektor auf<br />

Kontaktlinse herbeigeführt werden, setzt Sakkaden außer Kraft. Ergebnis: retinales Bild<br />

verschwindet nach ein paar Sekunden, man sieht nur noch grau<br />

- Rezeptoren scheinen also auf kontinuierliche Veränderung des Netzhautbildes zu<br />

reagieren<br />

Phototransduktion: die Umwandlung von Licht in neuronale Signale<br />

- Phototransduktion: Licht wird in neuronale Signale umgewandelt<br />

- Rhodopsin (Sehpurpur)<br />

- Pigment, also eine Substanz, die Licht absorbiert.<br />

- Das Absorptionsspektrum von Rhodopsin stimmt mit der skotopischen<br />

Hellempfindlichkeitskurve überein<br />

- metabotroper Rezeptor, reagiert auf Licht anstatt auf Transmittermoleküle, enthält<br />

cGMP, dass bei Dunkelheit Na + -Kanäle öffnet, so dass Glutamat abgegeben wird. Bei<br />

Helligkeit wird Rhodopsin gebleicht, cGMP nicht aktiviert, Na + -Kanäle geschlossen,<br />

kein Glutamat abgegeben Signal wird durch Inhibition übertragen<br />

7.3 Von der Retina zum primären visuellen Cortex<br />

- Zentrale Sehbahn (Retino-geniculo-striäre Bahn) führt von den Ganglienzellen der<br />

Retina als Nervus opticus, der sich im Chiasma opticum kreuzt und dann Tractus<br />

opticus heißt, über den Corpus geniculatum laterale (CGL, seitliche Kniehöcker) im<br />

Thalamus als Radiatio optica zum primären visuellen Cortex (Area striata)<br />

- Temporaler Bereich der Retina wird jeweils ipsilateral, nasaler Bereich dagegen<br />

kontralateral weitergeleitet linkes Gesichtsfeld wird zu rechtem visuellen Cortex<br />

geleitet, rechtes Gesichtsfeld zu linkem visuellen Cortex (links auf Netzhaut ist rechtes<br />

Gesichtsfeld)<br />

Retinotope Organisation<br />

- Benachbarte Punkte auf Netzhaut erregen benachbarte Neuronen im Cortex.<br />

- Fovea centralis ist überproportional groß im Cortex repräsentiert<br />

Die M- und P-Bahnen<br />

- Zentrale Sehbahn besteht aus zwei getrennten Kommunikationskanälen:<br />

1. Parvozelluläre Bahn verläuft durch oberen vier Schichten des CGL, Neurone reagieren<br />

besonders auf Farbe, feine Strukturdetails und feststehende oder sich langsam bewegende<br />

Objekte, Signale hauptsächlich von Zapfen<br />

2. Magnozelluläre Bahn verläuft durch Schicht 1. und 2. des CGL, Neurone reagieren<br />

besonders auf Bewegung, Signale hauptsächlich von Stäbchen<br />

7.4 Die Wahrnehmung von Kanten<br />

- Anhand von Kanten können wir Ausdehnung und Position von Objekten bestimmen. Für<br />

visuelles System ist eine Kante einen Kontrast zwischen benachbarten Flächen<br />

Laterale Inhibition und Kontrastverstärkung<br />

- Phänomen. Mach-Bänder: an der Kante wird der Kontrast verstärkt wahrgenommen.<br />

Wird erklärt durch laterale Inhibition<br />

- Bsp.: Limulus: hat viele Ommatiden (Einzelaugen, mit je einem Axon), die durch<br />

laterales neuronales Netzt (Lateralplexus) verschaltet sind. Jedes Ommatid feuert<br />

proportional zur Intensität des einfallenden Lichtes, jedes Ommatid hemmt seinen<br />

Nachbarrezeptor<br />

23


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Die rezeptiven Felder visueller Neurone<br />

- Hubel und Wiesel: jedes Neuron hat ein rezeptives Feld; es reagiert auf Lichtreize, die<br />

auf dieses Feld fallen, mit Aktivitätsänderung. Experimente mit Affen oder Katzen:<br />

Augenmuskel lähmen mit Curare, Mikroelektrode ins Gehirn auf ein Neuron, Reize auf<br />

kleine Teile der Retina signifikante Zu- oder Abnahme identifiziert rezeptives Feld <br />

innerhalb eines Feldes lässt sich Art des bevorzugten Reizes identifizieren<br />

Rezeptive Felder: Neurone der Retino-geniculo-striären Bahn<br />

- Die meisten rezeptiven Felder der Retina, des CGL und der IV. Schicht der Area striata<br />

sind rund. Dabei unterscheidet man zwischen On-Zentrum-Neuronen (feuern, wenn<br />

Lichtreiz auf Zentrum des rezeptiven Feldes fällt; verringern Feuerung, wenn Lichtreiz<br />

auf Peripherie des rezeptiven Feldes fällt) und Off-Zentrum-Neuronen (genau<br />

umgekehrt)<br />

- Um Impulsfrequenz eines solchen Neurons zu erhöhen, muss Kontrast zwischen Zentrum<br />

und Peripherie erhöht werden<br />

Rezeptive Felder: einfache Zellen des visuellen Cortex<br />

- Im visuellen Cortex bilden Neurone der IV. Schicht eine Ausnahme.<br />

- Einfache Zellen: monokular und „On/Off“ wie Neuronen in IV. Schicht, aber rezeptive<br />

Felder sind rechteckig, Grenzen zwischen „On“ und „Off“ verlaufen nicht kreisförmig<br />

- Sie reagieren nicht auf diffuses Licht, sondern auf Kantenreize in bestimmter Position<br />

Rezeptive Felder: komplexe Zellen des visuellen Cortex<br />

- Komplexe Zellen: davon gibt es mehr als einfache Zellen. Unterschied: größere rezeptive<br />

Felder, Position des Reizes ist egal, Orientierung und Richtung der Bewegung des Reizes<br />

sind entscheidend, sie sind binokular.<br />

- Binokulare Neuronen reagieren auf Stimulation beider Augen stärker als auf eins,<br />

zeigen aber okuläre Dominanz. Monokulare Neuronen reagieren dagegen nur auf<br />

Stimulation eines bestimmten Auges<br />

Die Organisation des primären visuellen Cortex in Säulen<br />

- Funktionale vertikale Säulen: Neuronen, die vertikal untereinander liegen, haben<br />

rezeptive Felder ungefähr im gleichen Gesichtsfeld (Gemeinsamkeit aller = aggregiertes<br />

Feld) und reagieren auf Reize gleicher Ausrichtung.<br />

- Säulen, die Input eines Gebiets der Retina verarbeiten, sind in Clustern<br />

zusammengeschlossen. Eine Hälfte eines Cluster kriegt Input vom rechten Auge, die<br />

andere vom linken Auge<br />

Die Ortsfrequenztheorie<br />

- Neurone reagieren stärker auf Streifenmuster mit Sinuswellengitter, die sich in<br />

Ortsfrequenz, Amplitude und Orientierungswinkel unterscheiden.<br />

- Jeder visuelle Stimulus lässt sich durch Schwankung der Lichtintensität entlang von<br />

Linien beschreiben, jede solcher Linien durch Kombination verschiedener<br />

Sinuswellengitter (Kombi bestimmbar durch Fourieranalyse)<br />

7.5 Farbwahrnehmung<br />

- Achromatische Farben: Schwarz, Weiß und Grau. Schwarz entsteht durch Abwesenheit<br />

von Licht; Weiß entsteht durch Mischung gleicher Anteile intensiven Lichts<br />

unterschiedlicher Wellenlängen; Grau entsteht durch dasselbe Mischlicht geringerer<br />

Intensität<br />

- Chromatische Farben: bunt, wie Blau, Grün, Gelb; i. A. als Farben bezeichnet<br />

- Farbe von Objekten hängt davon ab, welche Anteile verschiedener Wellenlängen<br />

reflektiert werden<br />

24


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Dreifarben- und Gegenfarbentheorie<br />

- Trichromatische Theorie des Farbensehens von Young und Helmholtz: es gibt drei<br />

Arten von Zapfen, für kurz-, mittel- und langwelliges Licht. Farbe wird bestimmt durch<br />

relative Aktivität dieser drei Zapfentypen. Jede Farbe kann also durch verschiedene<br />

Kombinationen dreier Wellenlängen entstehen<br />

- Komplementär- oder Gegenfarbentheorie von Hering geht davon aus, dass es zwei<br />

Klassen von Zellen für Codierung von Farbe (rot/grün und blau/gelb) und eine Klasse<br />

zur Codierung von Helligkeit gibt. Begründung: Nachbilder<br />

- Mikrospektrophotometrie bestätigte Dreifarbensehentheorie<br />

- Integration beider Theorien: drei Zapfentypen sind durch Bipolarzellen verschaltet, die<br />

durch Inhibition und Exzitation gegenläufige Antworten auf blau und gelb bzw. rot und<br />

grün geben<br />

Farbkonstanz und die Retinex-Theorie<br />

- Farbkonstanz: bei Beleuchtungsänderung sehen wir die Farben als konstant, obwohl<br />

physikalisch eine andere Wellenlänge zum Auge kommt.<br />

- Retinex-Theorie: Farbe eines Objekts wird von spektraler Reflektanz bestimmt, also<br />

Verhältnis der Lichtanteile verschiedener Wellenlängen, die Oberfläche reflektiert <br />

Farbe ist unabhängig von Beleuchtung (solange verschiedene Wellenlängen in<br />

Beleuchtung enthalten sind)<br />

- Duale Gegenzellen, die als Blobs (stiftartige Säulen) in den oberen Schichten des<br />

primären visuellen Cortex integriert sind, reagieren auf Kontrast zwischen von<br />

benachbarten Bereichen des Gesichtsfelds reflektieren Wellenlängen. Sie sind reich an<br />

Cytochromoxidase.<br />

Kapitel 8: Mechanismen der Wahrnehmung, des Bewusstseins und der<br />

Aufmerksamkeit<br />

8.1 Die Organisation sensorischer Systeme<br />

Die hierarchische Organisation sensorischer Systeme<br />

- Ein sensorisches System folgt einer hierarchischen Rangordnung: Rezeptoren <br />

Thalamus-Kerne primärer sensorischer Cortex sekundärer sensorischer Cortex<br />

Assoziationscortex<br />

- Signale laufen von unten nach oben, Neurone in höherer Schicht reagieren spezifischer<br />

und komplexer auf Signale, geben diese nach mehreren Verarbeitungsschritten weiter<br />

- Läsionen in unteren Schichten führen zu komplettem Verlust der Wahrnehmung,<br />

Läsionen in höheren Schichten sind spezifischer und komplexer, z.B. Mann, der seine<br />

Frau mit einem Hut verwechselte<br />

- Empfindung bezeichnet sensorisches Registrieren eines Reizes, Wahrnehmung<br />

bezeichnet höhere Prozesse der Integration, des Wiedererkennens und der Interpretation<br />

von Empfindungsmustern<br />

Unterteilung in funktionelle Einheiten<br />

- Die drei Cortexgebiete erfüllen in jedem sensorischen System einen anderen Teil der<br />

Wahrnehmungsanalyse, sie sind nicht funktionell homogen<br />

Parallele Verarbeitung<br />

- Die verschiedenen Ebenen der sensorischen Systeme sind parallel verschaltet, d.h. die<br />

Informationen fließen auf verschiedenen Wegen, überspringen dabei auch mal eine<br />

Ebene, und sind auch rückwärts gerichtet.<br />

- Bsp.: Parallelverarbeitung in Bahnen für bewusste und unbewusste Verhaltenssteuerung<br />

25


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Das derzeit gültige Modell der Organisation sensorischer Systeme<br />

- Das Bindungsproblem: Wie entsteht aus der parallelen Analyse in verschiedenen Ebenen<br />

und verschieden Gehirnbereichen eine vollständigen Wahrnehmung? es gibt kein<br />

einzelnes Cortexareal, dass alle Info empfängt und diese dann zusammenfügt, sondern<br />

Wahrnehmung entsteht auskombinierter Aktivität vieler Cortexareale eines sensorischen<br />

Systems<br />

8.2 Corticale Mechanismen des Sehens<br />

- Primärer visueller Cortex: liegt in posteriorer Region des Occipitallappens, bilateral in<br />

der Fissura longitudinalis<br />

- Sekundärer visueller Cortex: dazu gehört der prästriärer (peristriärer) Cortex, der den<br />

primären Cortex fast vollständig umgibt, und der Gyrus temporalis inferior im unteren<br />

Temporallappen<br />

- Assoziationscortex: liegt hauptsächlich auf dem posterioren parietalen Cortex, aber auch<br />

kleine Einzelgebiete in mehreren Teilen der Großhirnrinde<br />

Skotome und Ergänzungseffekt<br />

- Schädigung im primären visuellen Cortex führt zu einem Skotom, welches im<br />

kontralateralen Gesichtsfeld liegt<br />

- Um die Größe des Skotoms zu messen führt man eine perimetrische Bestimmung des<br />

Gesichtsfeldes durch (Punkte auf Bildschirm, von außen zur Mitte, wann verschwindet<br />

Punkt)<br />

- Im Bereich des Skotoms tritt der Ergänzungseffekt auf. Bsp.: Lashley sah Freund ohne<br />

Kopf während Migräneanfall)<br />

- Hemianopsie: Skotom, dass eine Hälfte des Gesichtsfeldes bedeckt<br />

Skotome und Blindsehen<br />

- Blindsehen bezeichnet das Phänomen, dass Menschen mit Skotomen auf visuelle Reize<br />

reagieren können, obwohl sie diese nicht bewusst wahrnehmen (z.B. greifen nach<br />

Gegenständen, Unterscheiden von Buchstaben oder der Orientierung einer Linie) es<br />

muss noch parallele Verarbeitungsbahnen geben, die nicht über den primären visuellen<br />

Cortex laufen.<br />

- Eine solche Bahn: vom Colliculus superior über Pulvinar thalami zum prästriären Cortex<br />

Die Wahrnehmung von Scheinkonturen<br />

- Wir sehen Scheinkonturen, weil Neurone im prästriären Cortex und einige in der<br />

primären Sehrinde reagieren, als ob wirkliche Konturen da wären<br />

Funktionelle Unterteilung der Gebiete des sekundären und des assoziativen visuellen Cortex<br />

- Funktionell spezialisierte Gebiete setzen sich mit Einzelaspekten der Wahrnehmung wie<br />

Farbe, Form, Bewegung etc. auseinander<br />

- Bei Makaken: 30 Areale in der primären Sehrinde, 24 im prästriären Cortex, 7 im<br />

Assoziationscortex, zwischen letzteren über 300 Verknüpfungen<br />

- Ergebnisse bei Menschen (PET und fMRT) sind übereinstimmend in Bezug auf Lage,<br />

anatomische Eigenschaften und Funktion, jedes Gebiet ist aber etwa 4mal so groß<br />

Dorsal- und Ventralbahn<br />

- Dorsalbahn führt von primärer Sehrinde über dorsalen prästriären Cortex zum<br />

posterioren parietalen Cortex, Ventralbahn führt von primärer Sehrinde über ventralen<br />

prästriären Cortex zum Gyrus temporalis inferior<br />

- Ungerleider und Mishkin: „wo“-versus-„was“-Theorie: Dorsalbahn = räumliche<br />

Lokalisation, Ventralbahn = Objekterkennung. unterschiedliche Art von Info. Beleg<br />

für Theorie: Schädigungen in entsprechenden Bereichen<br />

- Alternativerklärung von Goodale und Milner: „Verhaltenskontrolle“-versus-„bewusste<br />

Wahrnehmungs“-Theorie: Dorsalbahn = Steuerung von direkter Interaktion,<br />

Ventralbahn = bewusste visuelle Wahrnehmung unterschiedlicher Zweck von Info.<br />

26


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Bsp.: Patientin D.F.: kann Orientierung eines Schlitzes nicht angeben, aber eine Karte<br />

richtig reinstecken<br />

- Bsp.: Patientin A. T.: kann Größe von Objekten beschreiben und mit Fingern anzeigen,<br />

sie jedoch nicht greifen<br />

Prosopagnosie<br />

- Agnosie: Unfähigkeit, etwas zu erkennen. Visuelle Agnosie: Agnosie für visuelle Reize,<br />

Bsp.: Dr. P, der seine Frau mit einem Hut verwechselte<br />

- Prosopagnosie: Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen. Einzelne Bestandteile werden<br />

erkannt, aber Gesicht als ganzes ist nicht von anderen zu unterscheiden. Typische<br />

Schädigung: bilaterale Schädigung des inferioren prästriären Cortex und angrenzende<br />

Gebiete des Gyrus temporalis inferior (Ergebnisse von MRI und Autopsien) <br />

Beziehung zwischen Störung und Ventralbahn<br />

- Gibt es ein Areal, das auf Erkennen von Gesichtern spezialisiert ist?<br />

Dagegen: bei manchen Patienten bezieht sich Prosopagnosie auch auf Häusern, Autos,<br />

Kühe etc., also auf Erkennung von bestimmten Objekten allgemein<br />

Dafür: Patient C. K. hatte schwere visuelle Agnosie, aber keine Prosopagnosie<br />

Gesichter differenzieren, anderes aber nicht bei geschädigter Ventralbahn (Bsp.:<br />

Gemüsekopf), was auf spezifisches Gesichtsareal hindeutet<br />

Makaken haben Neurone im Gyrus temporalis inferior, die nur auf Gesichter<br />

bestimmter Ausrichtung feuern<br />

- Prosopagnosie-Patienten können Gesichter erkennen, auch wenn ihnen das nicht bewusst<br />

ist (Beleg: Änderung der Hautleitfähigkeit bei bekannten Gesichtern) Beleg für<br />

Existenz von intakter Dorsal-Bahn<br />

Zwischenbilanz<br />

- Themen: visuelle Ergänzung, Blindsehen, Scheinkonturen, funktionelle bereiche des<br />

visuellen Cortex, Dorsal- und Ventralbahn, die Fälle D. F. und A. T., Prosopagnosie<br />

- Drei Prinzipien der Informationsverarbeitung: hierarchische Organisation, funktionale<br />

Spezialisierung und parallele Verarbeitung<br />

8.3 Das Hören<br />

- Das Auditive System nimmt Schall bei Frequenzen zwischen 20 und 20000 Hz wahr.<br />

- Physikalische Beschreibungsparameter: Amplitude, Frequenz, spektrale<br />

Zusammensetzung<br />

- subjektive Beschreibungsparameter: Lautstärke, Tonhöhe, Klangfarbe<br />

- Töne der Realität lassen sich in Sinuswellen (reine Töne) unterschiedlicher Frequenz und<br />

Amplitude zerlegen: Fourieranalyse<br />

Das Ohr<br />

- Schallwellen durchlaufen Gehörgang, setzen Trommelfell in Schwingungen, diese<br />

werden auf Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel übertragen. Letzterer<br />

löst Schwingung des ovalen Fensters aus, diese überträgt sie auf Flüssigkeit der Cochlea<br />

(Schnecke). Durch deren Mitte läuft das Cortische Organ<br />

- Aufbau des Cortischen Organs: Rezeptoren des Hörsystems, die Haarzellen, sitzen in der<br />

Basilarmembran, die Tectorialmembran liegt auf ihnen<br />

- Durch Schwingungswellen werden die Membranen gegeneinander verschoben,<br />

Scherkräfte wirken auf Haarzellen und regen zu Transmitterfreisetzung an, welche APs<br />

am Hörnerven auslösen.<br />

- Über rundes Fenster werden die Schwingungen der Cochlea ins Ohr zurückgeleitet<br />

- Verschiedene Frequenzen stimulieren Haarzellen an verschiedenen Orten (hohe Frequenz<br />

Aktivierung nahe des ovalen Fensters tonotope Organisation der Cochlea, gilt<br />

auch für auditorischen Cortex<br />

27


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Problem: Wie sortiert das auditorische System komplexe Reize, die sich jeweils aus<br />

unterschiedlichen Frequenzen zusammensetzten, z.B. viele Stimmen und Musik bei einer<br />

Party?<br />

- Bodengangsorgane sind Teil des Gleichgewichtssystems (vestibuläres System): es<br />

nimmt Richtung und Intensität von Kopfbewegungen wahr<br />

Vom Ohr zum primären auditorischen Cortex<br />

- Kein einzelner Hörnerv, sondern Netz von Hörnerven<br />

- Pfad: Hörnerv, ipsilaterale Nuclei cochleares, Nuclei olivares superiores auf gleicher<br />

Ebene, über Tractus lemniscus lateralis auf Colliculi inferiores (Vierhügelplatte),<br />

Corpora geniculata mediales im Thalamus, primärer auditorischer Cortex<br />

- Jedes Ohr sendet Signale in ipsilateralen und kontralateralen auditorischen Cortex<br />

Der primäre auditorische Cortex<br />

- Liegt in Fissura lateralis, umgeben vom sekundären auditorischen Cortex<br />

- Zwei Organisationsprinzipien:<br />

1. funktionelle Säulen: vertikal untereinander liegende Neurone antworten auf denselben<br />

Frequenzbereich<br />

2. tonotope Organisation: anteriorer Bereich der Hörrinde reagiert auf hohe Frequenz,<br />

posteriorer Bereich auf niedrige Frequenz<br />

- Sekundärer auditorischer Cortex reagiert auf komplexe Reize, nicht auf reine Töne <br />

spricht für hierarchische Struktur<br />

Die Lokalisation von Geräuschen<br />

- Zuständig sind laterale und mediale obere Olivenkerne<br />

- Mediale obere Olivenkerne reagieren auf geringe Differenz der Ankunftszeiten von<br />

Signalen in beiden Ohren<br />

- Laterale obere Olivenkerne reagieren auf geringe Differenz der Amplituden von Signalen<br />

in beiden Ohren<br />

- Bsp. Schleiereule: Gesichtsschleier reflektiert hochfrequente Schallwellen, am rechten<br />

Ohr kommt Schall von oben besser an, am linken Ohr von unten. Differenz der<br />

Lautstärke zwischen links und rechts gibt Auskunft über horizontale Lage eines Objektes,<br />

aber auch (durch Vergleich mehrerer Frequenzen) Auskunft über vertikale Lage eines<br />

Objektes<br />

Die Auswirkungen von Schädigungen des auditorischen Cortex<br />

- Versuche mit Tieren: vollständigen Schädigung des auditorischen Cortex führt nicht zu<br />

komplettem Verlust der Hörfähigkeit.<br />

- bei bilateraler Schädigung können Affen innerhalb eines Halbfeldes nicht unterscheiden,<br />

aber zwischen beiden Halbfeldern<br />

- bei Menschen: bilaterale Läsion führt zu Worttaubheit. Alle Schallereignisse kurzer<br />

Dauer können nicht mehr identifiziert und in eine zeitliche Reihenfolge gebracht werden<br />

8.4 Somatosensorik: Tastsinn und Schmerz<br />

- drei Systeme: 1. exterozeptives System<br />

2. propriozeptives System<br />

3. enterozeptives System<br />

- exterozeptives System unterteilt in Tastsinn (mechanische Reize), Temperatursinn<br />

(thermische Reize) und Schmerzsinn (nocizeptive Reize)<br />

Hautrezeptoren<br />

- es gibt verschiedene Hautrezeptoren, darunter freie Nervenendigungen, reagieren auf<br />

Temperaturveränderung und Schmerzreize, Pacini-Körperchen, liegen am tiefsten,<br />

zwiebelförmig, adaptieren rasch registrieren plötzliche Mechanische Belastung der<br />

Haut, Merkel-Zellen adaptieren langsam, reagieren auf langsamen Druck, und Ruffini-<br />

Körperchen adaptieren langsam, reagieren auf langsame Hautdehnung<br />

28


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Andauernder Druck Haut, z.B. Kleidung, ist uns nicht mehr bewusst.<br />

- Stereognosie: um ein Objekt durch Tasten zu identifizieren, bewegen wir es in den<br />

Händen<br />

Dermatome<br />

- Ein Dermatom bezeichnet einen Bereich des Körpers, der von den Hinterwurzeln eines<br />

Rückenmarksegments innerviert wird. Benachbarte Dermatome überlappen sich stark.<br />

Die zwei wichtigsten aufsteigenden somatosensorischen Bahnen<br />

- Mediales Lemniscussystem, auch Hinterstrangsystem, überträgt Info von Tastsinn und<br />

Propriozeption<br />

- Vorderseitenstrangsystem, auch anterolaterales System, überträgt Info von Schmerz- und<br />

Temperatursinn<br />

- Aufbau des medialen Lemniscussystems: Axone ziehen über Hinterwurzel ins<br />

Rückenmark, steigen ipsilateral in Hintersträngen auf, projizieren auf Neurone der<br />

Hinterstrangkerne in Medulla oblongata, deren Axone kreuzen auf kontralaterale Seite,<br />

steigen im Tractus lemniscus medialis zum Ventrobasalkern im Thalamus auf.<br />

- Ventrobasalkerne erhalten auch Info über Nervus trigeminus (Info von kontralateraler<br />

Seite des Gesichts)<br />

- Aufbau des Vorderseitenstrangsystem: Neurone bilden direkt im Rückenmark Synapsen,<br />

projizieren auf Neurone 2ter Ordnung, deren Axone meist kontralateral im<br />

Vorderseitenstrang aufsteigen. umfasst drei Bahnen: Tractus spinothalamicus (projiziert<br />

auf Ventrobasalkerne), Tractus spinoreticularis (projiziert auf Formatio reticularis, dann<br />

zu Nuclei ventrales posterolateralis und intralaminares des Thalamus), Tractus<br />

spinotectalis (projiziert auf Tectum)<br />

- Läsionen von Ventrobasalkernen verringern Sensitivität der Haut für Berührungen,<br />

Temperaturveränderung und stechenden Schmerz<br />

- Läsionen der Nuclei ventrales posterolateralis und Nuclei intralaminares verringern<br />

chronischen Schmerz<br />

Corticale Gebiete der Somatosensorik<br />

- Somatosensorischer Homunculus: primärer somatosensorischer Cortex S-I ist<br />

somatotop organisiert, liegt im Gyrus postcentralis. Gleiches gilt für sekundären<br />

somatosensorischen Cortex S-II, der unterhalb von S-I liegt<br />

- S-I und S-II projizieren in Assoziationscortex des posterioren Parietallappens<br />

- S-I ist in Streifen organisiert: jeder Bereich für ein Körperteil hat 4 Streifen, die auf eine<br />

Art von Reiz reagieren. Außerdem in Säulen organisiert: Neuronen einer Säule reagieren<br />

auf dieselben Reize, haben rezeptives Feld im selben Körperteil. Rezeptive Felder auch<br />

hier unterteilt in antagonistische exzitatorische und inhibitorische Gebiete<br />

Auswirkungen von Schädigungen des primären somatosensorischen Cortex<br />

- Schädigung von S-I hat kaum Folgen<br />

Somatosensorische Agnosien<br />

- Asterognosie: Unfähigkeit, Objekte durch Tasten zu erkennen<br />

- Asomatognosie: Unfähigkeit, eigene Körperteile zu erkennen (Bsp.: Patient, der aus dem<br />

Bett fiel; Tante Betty)<br />

- Anosogosie: Leugnen der eigenen neurologischen Symptome<br />

- Kontralateraler Neglect: Ignorieren von Reizen, die kontralateral zur geschädigten<br />

Hemisphäre auftreten<br />

Die Paradoxien des Schmerzes<br />

- Anpassungswert: Schmerz ist wichtig, da er uns Signale darüber gibt, was man dem<br />

Körper zumuten kann. Bsp.: Miss C., die keinen Schmerz empfand, starb mit 29 Jahren<br />

- Fehlen corticaler Gebiete für Schmerzrepräsentation: es gibt kein bestimmtes Gebiet<br />

für Schmerzrepräsentation. Kurzer und chronischer Schmerz werden in anderen<br />

29


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Regionen repräsentiert. Am häufigsten aktiviertes Areal: anteriorer Gyrus cinguli, der<br />

aber vermutlich mehr die emotionale Reaktion auf Schmerz steuert<br />

- Absteigende Schmerzkontrolle: Schmerz kann durch kognitive und emotionale Faktoren<br />

gut unterdrückt werden (Bsp.: Fakire und so Freaks). Kontrollschrankentheorie: Signale<br />

in zentrifugalen Bahnen können Schmerzsignale im Rückenmark blockieren<br />

- Drei Hinweise für absteigende Bahnen: 1. Elektrische Stimulation des periaquäductalen<br />

Graus hat analgetische Wirkung, 2. PAG und andere Bereiche haben Rezeptoren für<br />

Morphium, also muss es ähnlichen, körpereigenen Stoff geben, 3. Nachweis von<br />

Endorphinen<br />

- Basbaum und Fields: absteigendes System zur Schmerzkontrolle: Signale aus PAG<br />

erregen Neurone im Nucleus raphé, deren Axone erregen Interneurone im Rückenmark,<br />

welche Schmerzsignale hemmen<br />

Phantomschmerz<br />

- Amputierte fühlen Schmerzen im amputierten Körperglied, die sehr real sind.<br />

- Behandlungsversuch: Zerstörung der Nervenbahnen, die zwischen Stumpf und<br />

Cortexgebiet, dass für amputiertes Glied zuständig war, verlaufen führt nur zu<br />

zeitweiliger Verbesserung, d.h. Schmerz entsteht im Cortex selbst<br />

8.5 Die chemischen Sinne: Geruch und Geschmack<br />

- Olfaktorisches System reagiert auf chemische Substanzen, die ans Riechepithel gelangen,<br />

gustatorisches System reagiert auf chemische Substanzen, die in den Speichel gelangen<br />

- Aroma von Nahrung entsteht durch beide System gleichermaßen<br />

- Pheromone sind chemische Stoffe, die Sozialverhalten vieler Tiere stark beeinflussen.<br />

Bsp.: Murphy und Schneider: sexuelles und aggressives Verhalten von Goldhamstern<br />

- Hinweise auf ebensolche Steuerung beim Menschen: große olfaktorische Sensitivität von<br />

Frauen in Ovulationsphase, Synchronisation von Menstruationszyklen, Bestimmung des<br />

Geschlechts an Achselhöhlen- oder Atemgeruch<br />

- Tiere entwickeln Geschmacksaversion und bevorzugen Aromen, die in der Muttermilch<br />

vorhanden waren<br />

Der Geruchssinn<br />

- Es gibt eine Vielzahl von Rezeptortypen, die für jeweils eine Substanz spezifisch sind.<br />

Bisher wurden mehr als 1000 Rezeptorproteine identifiziert, in jeder Rezeptorzelle gibt<br />

es nur ein Protein.<br />

- Olfaktorische Rezeptoren sind in Riechschleimhaut im oberen Teil der Nase eingebettet.<br />

Ihre Axone durchqueren die Siebbeinplatte und münden in den Bulbus olfactorius<br />

(Riechkolben, III. Hirnnerv), der über Tractus olfactorius in den medialen<br />

Temporallappen, vor allem auf Amygdala und Cortex piriformis projiziert.<br />

- Von dort zwei Bahnen: einmal diffus aufs limbische System (emotionale Reaktion auf<br />

Geruchsreize), andere über Nuclei medialis dorsalis des Thalamus zu orbitofrontalem<br />

Cortex, direkt unter Augenhöhlen (bewusste Geruchswahrnehmung)<br />

Der Geschmackssinn<br />

- Geschmacksknospen: Gruppe von 50 Geschmacksrezeptoren in Mundhöhle und Zunge,<br />

dort häufig in Nähe von Zungenpapillen; haben keine eigenen Axone, ein Neuron erhält<br />

Signale von vielen Rezeptoren<br />

- 4 Geschmacksrichtungen: süß, sauer, bitter, salzig Komponententheorie, einigermaßen<br />

bestätigt. Aber: auch gegenläufige Hinweise<br />

- Info läuft über Nervus facialis (VII.), Nervus glossopharyngeus (IX.) und Nervus vagus<br />

(X.) zu Nucleus solitarius in Medulla oblongata, die dann auf Nucleus ventralis<br />

posteriomedialis im Thalamus projiziert<br />

- Primärer gustatorischer Cortex liegt bei Gesichtsbereich des somatosensorischen<br />

Homunculus, sekundärer gustatorischer Cortex liegt in der Fissura lateralis<br />

30


- Nervenbahnen verlaufen hauptsächlich ipsilateral<br />

J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Einflüsse von Hirnschäden auf die chemischen Sinne<br />

- Anosmie: Unfähigkeit, Gerüche wahrnehmen zu können, entsteht durch Erschütterung<br />

des Kopfes Verschiebung des Gehirns, wodurch olfaktorische Nerven an<br />

Siebbeinplatte durchtrennt werden<br />

- Ageusie: Unfähigkeit, Geschmack wahrnehmen zu können; kommt selten vor wegen<br />

Weiterleitung in drei Bahnen; Verletzung des Ohrs führt zu Ageusie in anterioren 2/3 der<br />

Zunge, weil Nervus facialis durchs Mittelohr verläuft<br />

8.6 Selektive Aufmerksamkeit<br />

- Zwei Arten:<br />

1. Top-down-Prozesse haben Ursprung in Entscheidungssystemen des Assoziationscortex<br />

des Frontallappens, führen durch zentrifugale Fasern zu sensorischen Arealen (z. B.<br />

Suche einer Person in Menschenmenge)<br />

2. Bottom-up-Prozesse sind reflexartige Reaktionen, z. B. ausgelöst durch Bewegung in<br />

Peripherie des Gesichtsfeldes<br />

- Change blindness: zwei Bilder mit geändertem Detail werden in kurzem Wechsel (0,1<br />

sek) gezeigt, Veränderung wird aber erst spät erkannt, weil Aufmerksamkeit auf anderen<br />

Teil der Szene gerichtet wird, nur dieser Teil wird im Gedächtnis gespeichert. Zwischen<br />

den Bildern muss kurzes Intervall (80ms) sein, damit Speicherung im Gedächtnis nötig<br />

wird.<br />

- Desimone und Moran: untersuchten Aktivität von Neuronen der Ventralbahn im<br />

prästriären Affencortex. Aufgabe: Affen sollten Aufmerksamkeit auf bestimmten<br />

farbigen Balken richten, dabei stieg Aktivität von für diese Farbe zuständigen Neuronen,<br />

und sank Aktivität von für andere Farbe zuständigen Neuronen.<br />

- Ähnliche Ergebnisse für Versuch mit Dorsalbahn und Bewegungsempfindlichen<br />

Neuronen<br />

- Selektive Aufmerksamkeit ist Resultat vom Konkurrieren sensorischer Signale um<br />

Zugang zu Schaltkreisen, die Bewusstsein steuern<br />

- Cocktail-Party-Phänomen: obwohl wir auf einer Party in ein Gespräch vertieft sind und<br />

die Inhalte anderer Gespräche nicht mitkriegen, hören wir, wenn woanders unser Name<br />

fällt<br />

Kapitel 9: Das sensomotorische System<br />

9.1 Die drei Prinzipien, nach denen das sensomotorische System funktioniert<br />

Das sensomotorische System ist hierarchisch organisiert<br />

- Kennzeichen: Parallele Verschaltung, funktionelle Untergliederung, hierarchische<br />

Organisation<br />

- Hauptrichtung des Infoflusses: abwärts gerichtet<br />

Motorische Aktivitäten werden durch sensorische Informationen gesteuert<br />

- Sensorisches Feedback: Kontrolle über Effektivität der Handlungen, wichtig für weitere<br />

Steuerung der Handlung (Bsp.: G. O., konnte keine Tasse mehr halten ohne visuelle<br />

Kontrolle)<br />

- Rückkopplung betrifft untere Ebenen, bleibt unbewusst<br />

Lernen verändert die sensomotorische Kontrolle<br />

- motorisches Lernen: erst jeder Verhaltensanteil unter bewusster Kontrolle, später als<br />

zusammenhängendes motorisches Programm organisiert, gesteuert von unteren Ebenen<br />

(Bsp.: schwimmen, Klavier spielen, Schreibmaschine schreiben)<br />

31


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Ein Funktionsmodell des sensomotorischen Systems<br />

- Assoziationscortex sekundärer motorischer Cortex primärer motorischer Cortex <br />

motorische Kerne im Hirnstamm motorische Schaltkreise im Rückenmark Muskel<br />

9.2 Der sensomotorische Assoziationscortex<br />

- Zwei Hauptgebiete: posteriorer parietaler Assoziationscortex und dorsolateraler<br />

präfrontaler Assoziationscortex mit jeweils sieben verschiedenen Arealen mit<br />

unterschiedlichen Funktionen<br />

Der posteriore parietale Assoziationscortex<br />

- Bestimmt Position der zu bewegenden Körperteile durch Input aus visuellem,<br />

auditorischem und somatosensorischem System<br />

- Projiziert zum dorsolateralen präfrontalen Assoziationscortex, zum sekundären<br />

motorischen Cortex und in das frontale Augenfeld<br />

- Läsion führt zu Apraxie (Unfähigkeit zu willentlichen Bewegungen, die unbewusst<br />

ausgeführt werden können; unilaterale Schädigung des linken posterioren<br />

Parietallappens, Symptome bilateral), zu konstruktiver Apraxie (Objekt kann nicht aus<br />

Bestandteilen zusammengesetzt werden; unilaterale Schädigung des rechten posterioren<br />

Parietallappens; Symptome bilateral) oder zu Kontralateralem Neglect (Ignorieren der<br />

kontralateralen Hälfte der Welt; Bsp.: Frau isst nur halben Teller; große Läsion des<br />

rechten posterioren Parietallappens)<br />

Der dorsolaterale präfrontale Assoziationscortex<br />

- Input vom posterioren Parietalcortex, projiziert auf sekundären und primären<br />

motorischen Cortex<br />

- Neurone im Affenhirn feuern hier besonders stark, kurz vor und während willentlicher<br />

Bewegung. Außerdem starke Reaktion räumliche Lage und Form von Reizen <br />

wahrscheinlich ist dieser Assoziationscortex verantwortlich für Einleitung willentlicher<br />

Bewegung, basierend auf Info vom posterioren parietalen Cortex<br />

9.3 Der sekundäre motorische Cortex<br />

- Besteht aus vier Teilen: supplementär-motorisches Areal und prämotorischer Cortex<br />

liegen zwischen primärem motorischen Cortex und dorsolateralem präfrontalem Cortex,<br />

zwei motorische Areale auf dem Gyrus cinguli, unterhalb des supplementär-motorischen<br />

Areals<br />

- Anatomische Ähnlichkeit: alle senden und empfangen Axone an/aus dem primären<br />

motorischen Cortex, alle stehen reziprok in Verbindung, alle senden Axone in motorische<br />

Netzwerke des Hirnstamms<br />

- Funktionale Ähnlichkeit: elektrische Reizung verursacht komplexe Bewegung in<br />

entsprechenden Körperteilen, Neurone zeigen Aktivität vor und während willentlicher<br />

Bewegung, Bewegung einer Körperseite = Aktivität in beiden Hemisphären<br />

- PET Studien: Aktivität in verschiedenen Arealen, wenn Probanden sich Bewegung<br />

vorstellten oder diese planten<br />

- Unterschied zwischen einfacher und komplexer Bewegung: gesteigerte Aktivität in<br />

gleichem Areal<br />

- Hypothetischer Unterschied: supplementär-motorisches Areal zuständig für selbst<br />

erzeugte Bewegung, prämotorischer Cortex für extern ausgelöste Bewegung Hinweise<br />

aus PET-Studie: Hand im Takt zu Metronom oder ohne Metronom bewegen<br />

9.4 Der primäre motorische Cortex<br />

- Liegt auf Gyrus praecentralis des Frontallappens, vor Sylvischer Furche<br />

- Kartiert von Penfield und Boldrey 1937: motorischer Homunculus ist somatotop<br />

organisiert<br />

32


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Areal für Hand +Finger und Mund ist besonders groß<br />

- jedes Areal erhält Feedback vom somatosensorischen Cortex von Rezeptoren in Muskeln<br />

und Gelenken; Ausnahme (beim Affen): Hand-Areal erhält Signal von Haut, nicht aber<br />

Muskeln und Gelenken vermutlich um Stereognosie zu erleichtern<br />

- Läsion führt zu Astereognosie, Verlust der Einzelbewegung von Fingern und<br />

Verminderung von Geschwindigkeit, Präzision und Kraft der Bewegung<br />

9.5 Kleinhirn und Basalganglien<br />

Das Kleinhirn<br />

- 10% der Gehirnmasse, aber mehr als 50% der Neurone<br />

- Info von primärem und sekundärem motorischen Cortex, Info über absteigende<br />

motorische Signale aus motorischen Kernen des Hirnstamms und Feedback von<br />

motorischer Aktivität über somatosensorische und vestibuläre Systeme<br />

- Aufgaben: erlernen motorischer Abläufe und Feinabstimmung von Bewegung,<br />

vermutlich gleiches auch für kognitive Reaktionen und Feinabstimmung<br />

- Läsionen: Verheerende Folgen für Bewegung in jeder Hinsicht<br />

Die Basalganglien<br />

- Ebenfalls modulatorische Funktion; neuronale Schleifen, Eingänge aus Cortex, senden<br />

über Thalamus zurück in motorischen Cortex; zusätzlich kognitive Funktion<br />

- Belege: Versuche mit Ratten: Basalganglien haben Effekt auf Assoziationslernen;<br />

Parkinsonpatienten mit entsprechender Läsion können kein Puzzle lösen, trotz eine Taste<br />

Lösung zeigen würde<br />

9.6 Absteigende motorische Bahnen<br />

Die dorsolateralen Bahnen: der laterale Corticospinaltrakt und der Corticorubrospinaltrakt<br />

- Tractus corticospinalis lateralis: Axone der Betzschen Zellen (Riesenpyramidenzellen)<br />

im primären motorischen Cortex wechseln in Pyramidenkreuzung der Medulla oblongata<br />

auf kontralaterale Seite, enden im dorsolateralen Bereich des Rückenmarks. Aktivieren<br />

Motoneurone auf Beinmuskeln oder Interneurone Motoneurone auf Handgelenke,<br />

Hände, Finger, Zehen<br />

- Tractus corticorubrospinalis: vom primären motorischen Cortex zu Synapsen im<br />

Nucleus ruber, dann Seitenwechsel nach kontralateral; einige Axone enden in<br />

motorischen Hirnnervenkernen, führen dort zu Gesichtsmuskeln; andere weiter zu<br />

dorsolateralem Bereich des Rückenmarks, Interneurone Motoneurone auf distalen<br />

Gliedmaßen<br />

Die ventromedialen Bahnen: der anteriore Corticospinaltrakt und der Corticobulbospinaltrakt<br />

- Tractus corticospinalis anterior: direkte Bahn, Axone ipsilateral zu ventromedialem<br />

Bereich des Rückenmarks, bilden unterwegs beidseitig Seitenäste zwecks Innervierung<br />

von Interneuronenschaltkreisen in Rückenmarkssegmenten, von dort Projektion auf<br />

Motoneurone von Rumpf und proximalen Gliedmaßen<br />

- Tractus corticobulbospinalis: indirekte Bahn, interagiert mit Strukturen des Hirnstamms:<br />

1. Tectum (auditorische + visuelle Info über räumliche Lage), 2. Nucleus vestibularis<br />

(Gleichgewichtsinfo von Vestibularkanälen des Innenohrs), 3. Formatio reticularis<br />

(Motorische Programme für komplexe arttypische Bewegung) 4. motorische Kerne der<br />

Hirnnerven zur Kontrolle von Gesichtsmuskeln)<br />

Vergleich der beiden dorsolateralen mit den beiden ventromedialen motorischen Bahnen<br />

- Gleich: jeweils eine Bahn steigt direkt ins Rückenmark, die andere ist mit Nervenzellen<br />

im Hirnstamm verschaltet, diese senden dann ins Rückenmark<br />

- Unterschiede: 1. Ventromediale Trakte sind diffus, dorsolaterale Trakte dagegen nur<br />

kontralateral, ein Segment, oft Ende direkt an Motoneuron 2. Ventromediale Trakte<br />

33


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

innervieren proximale Muskeln von Rumpf und Gliedmaßen, dorsolaterale Trakte enden<br />

auf Motoneuronen von distalen Muskeln<br />

- Lawrence und Kuypers (1968): 1. lateraler Corticospinaltrakt in Pyramidenkreuzung bei<br />

Affen getrennt. Ergebnis: normal laufen, stehen, klettern, keine unabhängige<br />

Fingerbewegung, konnten Essen nicht mehr los lassen 2. zusätzlich<br />

Corticorubrospinaltrakt durchtrennt: Arme hingen schlaff herunter, konnten nur aus<br />

Schulter bewegt werden; oder alternativ: ventromediale Trakte durchtrennt: konnten nicht<br />

mehr Laufen oder Sitzen, Schultern nicht mehr kontrollieren, wohl aber Hand und<br />

Ellenbogen<br />

9.7 Sensomotorische Schaltkreise im Rückenmark<br />

Muskeln<br />

- Motorische Einheit: ein Motoneuron und alle von ihm innervierten Skelettmuskelfasern<br />

- Aufbau eines Muskels: viele fadenförmige Muskelfasern, von fester Membran<br />

umschlossen, über Sehne mit Knochen verbunden. Motoneuronen geben Acetylcholin an<br />

neuromuskulären Endplatten frei, aktivieren Rezeptoren in motorischer Endplatte jeder<br />

Muskelfaser, Kontraktion<br />

- Motorischer Pool: alle Motoneurone eines Muskels<br />

- Schnelle Muskelfasern sind schlecht vaskuliert, daher blassrot; langsame Muskelfasern<br />

sind gut vaskuliert, daher dunkelrot<br />

- Zwei Kategorien von Muskeln: Beuger (Flexoren) und Strecker (Extensoren) Bsp.:<br />

Bizeps und Trizeps<br />

- Synergistische Muskeln rufen bei Kontraktion die gleiche Bewegung hervor,<br />

antagonistische Muskeln arbeiten gegeneinander<br />

- Isometrische Kontraktion erhöht Spannung zwischen zwei Knochen, Muskellänge<br />

bleibt dabei gleich, isotonische Kontraktion zieht Knochen zusammen, Muskel verkürzt<br />

sich, Muskeltonus = Zugkraft bleibt gleich<br />

Muskelrezeptororgane<br />

- Golgi-Sehnenorgane liegen in Sehnen, reagieren auf Anstieg der Muskelspannung, gebe<br />

diese Info an ZNS und haben Schutzfunktion<br />

- Muskelspindeln liegen im Muskelgewebe, reagieren auf Veränderung der Muskellänge;<br />

haben eigene intrafusale Muskelfaser, innerviert vom eigenen intrafusalen<br />

Motoneuron, damit Spannung der Spindel und damit Dehnungssensitivität<br />

aufrechterhalten wird, wenn sich der extrafusale Muskel verkürzt<br />

Der Dehnungsreflex<br />

- Patellarsehnenreflex: Streckung des Oberschenkelmuskels führt, angeregt von<br />

afferenten Spindelneuronen, zu kompensatorischer Muskelkontraktion<br />

- Funktion von Dehnungsreflexen: Körperposition gegen äußere Kräfte aufrechtzuerhalten<br />

Der Schutzreflex<br />

- Nicht monosynaptisch, reagiert auf Schmerzreize bereits nach 1,6 ms über Interneurone<br />

Reziproke Innervation<br />

- Antagonistische Muskeln sind Reziprok innerviert, was bedeutet, das der eine erschlafft,<br />

wenn der andere kontrahiert wird. Ein sensorischer Input (z.B. Schmerzreiz) stimuliert im<br />

Rückenmark exzitatorische und inhibitorische Interneurone. Bewegung entsteht durch<br />

Anpassung der relativen Cokontraktion antagonistischer Muskeln<br />

Rekurrente Hemmung<br />

- Inhibitorische Neurone hemmen genau die Motoneurone, von denen sie Input erhalten,<br />

um ihnen eine Pause zu gönnen. Renshaw-Zellen vermitteln die rekurrente Hemmung<br />

Gehen: ein komplexer sensomotorischer Reflex<br />

- Laufen wird durch neuronale Schaltkreise im Rückenmark kontrolliert. Sehr komplexe<br />

Angelegenheit, man kann nicht einmal Roboter bauen, der so gut läuft wie ein Mensch<br />

34


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

9.8 Zentrale sensomotorische Programme<br />

- Theorie: alle Stufen des sensomotorischen Systems haben Aktivitätsmuster<br />

einprogrammiert, durch Kombination solcher Programme entstehen komplexe<br />

Bewegungsmuster. Assoziationskortex trifft Entscheidung zu Handlung, aktiviert in jeder<br />

Stufe bestimmte Programme, die dann völlig eigenständig ablaufen, ohne Kontrolle von<br />

oben<br />

Zentrale motorische Programme können sich ohne Übung entwickeln<br />

- Bsp.: Mäuse ohne Vorderbeine, die Schulterbewegungen wie beim Putzen ausführen, und<br />

dabei die Augen schließen, wenn normalerweise Pfoten diese berührt hätten<br />

Zentrale motorische Programme können durch Übung entstehen<br />

- Response chunking: Übung vereinigt Kontrolle von einzelnen Verhaltenselementen in<br />

langen Sequenzen. (Bsp.: tippen. Erst jeder Buchstabe bewusst, dann aber Gewöhnung an<br />

Wörter, also bestimmte Abfolge von Buchstaben)<br />

- Verlagerung der Kontrolle auf untere Hierarchieebenen: Vorteile: höhere Ebenen<br />

können sich mit anderen Dingen beschäftigen (Bsp.: Pianist interpretiert ein Stück);<br />

Geschwindigkeitssteigerung mehrere untergeordnete Schaltkreise agieren gleichzeitig<br />

Funktionelle bildgebende Verfahren und motorisches Lernen<br />

- PET-Studie von Jenkins e al. 1994: Gehirnaktivität bei lernen von Tastendrücke in<br />

bestimmter Reihenfolge<br />

- Befunde:<br />

1. posteriorer parietaler Cortex aktiver bei neu gelerntem als bei Hochgeübtem<br />

(Integration von sensorischen Reizen, größere Aufmerksamkeitszuwendung)<br />

2. dorsolateraler präfrontaler Cortex aktiv bei neu gelerntem (bewusste Kontrolle)<br />

3. supplementär-motorisches Areal aktiver bei Hochgeübtem (Verhalten unabhängig von<br />

sensorischen Reizen), kontralateraler prämotorischer Cortex aktiver bei neu gelerntem<br />

(Verhaltenskontrolle durch sensorische Reize) ( Areale des sekundären motorischen<br />

Cortex reagieren unterschiedlich)<br />

4. primären motorischen und somatosensorischen Cortices immer gleich aktiviert<br />

(motorische Elemente vergleichbar in beiden Versuchsbedingungen)<br />

5. Basalganglien immer gleich aktiviert (Vermutung jedoch, dass unterschiedliche<br />

Neuronen innerhalb aktiviert waren)<br />

6. Kleinhirn immer bilateral aktiviert, aber stärker bei neu erlerntem (Cerebellum hat<br />

herausragende Rolle beim motorischen Lernen<br />

Kapitel 10: Die <strong>Biopsychologie</strong> des Essens und Trinkens<br />

Teil 1: Hunger, Essen und Regulation des Körpergewichts<br />

10.1 Verdauung und Energiestoffwechsel<br />

- Verdauung: Prozess, bei dem im gastrointestinalem Trakt der enzymatische Abbau von<br />

Nahrung und Getränken und die Resorption der Abbauprodukte in den Körper stattfindet<br />

- Drei Formen von Energiezufuhr: Lipide, Aminosäuren, Glucose<br />

- Körper speichert Energie in Form von Fetten (hauptsächlich), Glycogen und Proteinen<br />

- Energiestoffwechsel: cephalische Phase (Vorbereitung auf Essen), resorptive Phase (aus<br />

Nahrung resorbierte Energie deckt Bedarf), Fastenphase (ungespeicherte Energie aus<br />

Nahrung ist weg, Körper greift auf Reserven zurück)<br />

- Hormone der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) regulieren Energiefluss: Insulin und<br />

Glucagon<br />

35


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Insulin in 1. Phase senkt Nährstoffe im Blut (vor allem Glucagon) wegen erwarteter<br />

Nahrungszufuhr, Insulin in 2. Phase minimiert Anstieg von Nährstoffen im Blut durch<br />

Förderung von Verbrauch und Speicherung<br />

- Glucagon in 3. Phase: Glucose kann nur bei viel Insulin für Körperzellen verbraucht<br />

werden, steht jetzt nur Gehirn zur Verfügung; Förderung von Glucogenese; Förderung<br />

der Freisetzung freier Fettsäuren aus Fettgewebe als Hauptenergiequelle<br />

10.2 Theorien zum Essverhalten: Sollwert versus Anreiz<br />

Die Sollwert-Hypothese<br />

- Geht davon aus, dass der Körper einen Energiesollwert hat, der nach der Nahrungszufuhr<br />

erreicht ist.<br />

- Durch Energieverbrauch entfernt sich der Energieanteil vom Sollwert, worüber ein<br />

Fühlermechanismus in Form eines negativen Feedback-Systems Auskunft gibt.<br />

- Wir bekommen Hunger, und nehmen neue Nahrung auf, bis wir den Sollwert wieder<br />

erreicht haben, also gesättigt sind (Effektormechanismus)<br />

Glucostatische und lipostatische Sollwerttheorien von Hunger und Essen<br />

- glucostatische Theorie: Sollwert orientiert sich am Blutzuckerspiegel (Kurzzeitsystem,<br />

für Beginn und Ende von Mahlzeiten verantwortlich)<br />

- lipostatische Theorie: Sollwert orientiert sich am Körperfett (Langzeitsystem)<br />

Probleme mit den Sollwerttheorien von Hunger und Essen<br />

- Evolution der Säuger funktioniert nicht mit Sollwerttheorie, da nur unregelmäßig Essen<br />

verfügbar war<br />

- Vorraussagen über Essverhalten nicht bestätigt: trotz Übergewicht essen Menschen; in<br />

Fastenphase ist Blutzuckerspiegel konstant; Kalorienreiches Getränk vor Mahlzeit<br />

reduziert nicht den Umfang der Mahlzeit<br />

- Einfluss von Geschmack (Nachtisch, obwohl schon pappsatt), Lernen, sozialer Einfluss<br />

(mehr essen in Gesellschaft)<br />

Die Anreiztheorie<br />

- Alternativtheorie: durch erwartete angenehme Effekte der Nahrung werden Menschen<br />

zum essen verleitet<br />

- Vorhandensein oder Erwartung guter Nahrung lassen uns hungrig werden, Grad des<br />

Hungers wird bestimmt von Zusammenspiel aller Faktoren, die Anreizwert bestimmen<br />

10.3 Faktoren, die darüber entscheiden, was, wann und wie viel wir essen<br />

Faktoren, die darüber entscheiden, was wir essen<br />

- Alle Menschen essen gerne süß, fettig und salzig; bitter dagegen nicht (ist Hinweis auf<br />

giftige Inhaltsstoffe)<br />

- Erlernte Geschmackspräferenzen und Aversionen:<br />

- Ratten lernen Aversion gegen schädliche Nahrungsmittel, bevorzugen Stoff der in<br />

Muttermilch war, lernen in sozialem Umfeld eher, was gesund für sie ist<br />

- Kulturelle Bedingtheit von Geschmackspräferenzen<br />

- Lernen, Vitamine und Mineralstoffe zu sich zu nehmen:<br />

- bei Natriummangel sofort zwingend Vorliebe für Kochsalz<br />

- bei Mangel an anderen wichtigen Vitaminen: langsames Lernen durch Erleben positiver<br />

Effekte dieser Nahrung<br />

- durch Vielfalt der Nahrung und Nahrungsmittel ohne Nährstoffe aber mit<br />

Geschmacksverstärker können wir diese natürliche Fähigkeit nicht nutzen<br />

Faktoren, die beeinflussen, wann wir essen<br />

- Wir haben bestimmte Gewohnheiten, wie oft wir wie viel essen<br />

36


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Hunger vor einer Mahlzeit: Zufuhr von Nahrung bringt Homöostase durcheinander.<br />

Körper wirkt dem entgegen, indem er Insulin ausschüttet, Blutzuckerspiegel senkt, sobald<br />

sich Mahlzeit ankündigt (z.B. durch gewohnte Zeit)<br />

- Klassische Konditionierung des Hungers: Ratten mit Licht-Reiz auf Futter konditioniert,<br />

nach 11 Tagen Testphase: Sie fressen auf diesen Reiz hin, obwohl ohnehin ständig Futter<br />

verfügbar<br />

Faktoren, die beeinflussen, wie viel wir essen<br />

- Sättigungssignale: bestimmt von Menge und Energiedichte der Nahrung (Kalorien pro<br />

Volumeneinheit)<br />

- Scheinessen: Mäuse mit Sonde, durch die Nahrung sofort rausfällt; entweder bekannte<br />

oder unbekannte Kost, von unbekannter wird mehr gefressen Konsum ist nicht<br />

abhängig von Energiebedarf, sondern von Erfahrung mit Wirkung der Nahrung<br />

- Appetitanreger: kleine Häppchen vergrößern Hunger, typisch für cephalische Phase<br />

- Soziale Einflüsse: in Gesellschaft isst man mehr<br />

- Sensorisch-spezifische Sättigung: Cafeteriakost erhöht Nahrungsaufnahme und somit<br />

Körpergewicht. Anreiz gerade verzehrter Nahrung nimmt drastisch ab, Anreiz anderer<br />

Nahrungsmittel jedoch nicht ganz so viel. Hauptanreiz ist Geschmack. Konsequenzen:<br />

Förderung abwechslungsreichen Nahrungskonsums keine Mangelerscheinung;<br />

erhöhter Konsum bei vielfältigem Angebot<br />

10.4 Ansätze der Physiologie zur Erforschung von Hunger und Sättigung<br />

Bedeutung des Blutzuckerspiegels für Hunger und Sättigung<br />

- Bei Ratten nimmt Blutzuckerspiegel kurz vor erwarteter Nahrung (10min) um 8%ab,<br />

hervorgerufen durch Insulinausschüttung. Aber: bei unerwarteter Nahrung passiert das<br />

nicht, trotzdem wird gefressen; bei Ausbleiben der Nahrung steigt er wieder auf normales<br />

Niveau gegen Sollwerthypothese<br />

- Experimente zeigen: Blutzuckerspiegel hat Einfluss auf Nahrungsaufnahme, ist aber<br />

nicht primärer Auslöser dafür<br />

Der Mythos hypothalamischer Hunger- und Sättigungszentren<br />

- Läsion des VHM-Sättigungszentrums (ventromedialer Hypothalamus) bei Ratten löst<br />

Hyperphagie aus, die in einer dynamischen (Gewichtszunahme) und statischen Phase<br />

(Gewichtstabilisierung) abläuft<br />

- Läsion des LH-Fresszentrums (lateraler Hypothalamus) bei Ratten löst Aphagie aus, die<br />

mit Adipsie einhergeht<br />

- Neubewertung: Hypothalamus ist für Regulation von Energiestoffwechsel statt von<br />

Essverhalten zuständig.<br />

- Läsion es VHM löst Blutzuckerspiegelanstieg aus, Lipogenese wird gefördert und<br />

Lipolyse vermindert; Ratten müssen viel fressen, damit akuter Energiebedarf gedeckt<br />

werden kann<br />

- Effekte von VHM-Läsionen fallen zurück auf gleichzeitige Schädigung des<br />

paraventriculären Nucleus<br />

- LH-Läsionen führen zu allgemeinem Mangel an Reaktion auf sensorische Reize, nicht<br />

nur auf Essen und Trinken kein Grund für Annahme von Fresszentrum<br />

Bedeutung des Verdauungstrakts bei der Sättigung<br />

- Versuch von Cannon und Washburn (1912): letzterer schluckte Ballon, dadurch wurde<br />

Magenkontraktion registriert Magenkontraktion geht mit Hungergefühl einher.<br />

Folgerung: Gastrointestinaltrakt ist für Hunger/Sättigungsgefühl verantwortlich<br />

- Aber: Patienten mit fehlendem Magen und nur Zwölffingerdarm (Duodenum) haben<br />

auch Hunger<br />

- Andere Untersuchung: Signal kommt doch aus Magen, aber via Blutstrom, und nicht<br />

durch Nährstoffe, sondern andere Substanzen<br />

37


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Die Rolle von Peptiden bei Hunger und Sättigung<br />

- Peptide sind kurze Aminosäureketten, können Hormone oder Neurotransmitter sein.<br />

- Nahrung im Magen löst Freisetzung von Peptiden aus, diese binden an Rezeptoren im<br />

Gehirn und anderen Organe (Bsp.: Cholecystokinin (CKK))<br />

- Ebenso gibt es Peptide, die Nahrungsaufnahme fördern (z.B. Neuropeptid Y und<br />

Galanin)<br />

10.5 Regulation des Körpergewichts: Sollwert als fester Bezugspunkt oder dynamische<br />

„Regelungspunkte“<br />

Annahmen der Sollwerttheorien über Körpergewicht und Essverhalten<br />

- Variabilität des Körpergewichts: Nach Sollwerttheorie sollte man immer essen, wenn<br />

man Hunger hat, um konstante, optimales Gewicht zu halten. Stimmt allerdings nicht mit<br />

Realität überein: Übergewicht kann man nur vermeiden, wenn man Antrieb zu essen<br />

widersteht<br />

- Bezugspunkte und Gesundheit: verschiedene Belege für Nachteile von ad-libitum-essen:<br />

1. Okinawa-Studie: Japaner auf bestimmter Insel haben 20% weniger Kalorienzufuhr als<br />

Bevölkerungsdurchschnitt, sind aber gesünder. 2. Experimente mit Affen und Mäusen:<br />

Nahrungsrestriktion führt zu Verbesserung der Gesundheit und Langlebigkeit; Ergebnisse<br />

unabhängig von Gewichtsabnahme<br />

- Regulation des Körpergewichts durch Änderungen der Effizienz der<br />

Nahrungsverwertung: wenn das Gewicht sinkt, verwertet der Körper die ihm zugeführte<br />

Energie effizienter, daher sinkt Effekt einer Diät mit der Zeit. Gegenteil gilt für<br />

Gewichtszunahme. Dies heißt auch diätinduzierte Thermogenese. Außerdem gibt es<br />

große individuelle Unterschiede im Grundumsatz.<br />

Sollwerte und feste Bezugspunkte bei der Gewichtskontrolle<br />

- Bezugspunktmodell ist einfacher als Sollwertmodell und kann experimentelle Befunde<br />

erklären<br />

- Gewicht schwankt um einen Bezugspunkt, bei dem Faktoren, die Gewicht beeinflussen,<br />

im Gleichgewicht liegen. Wenn längerfristige Veränderungen eines Faktors eintreten,<br />

setzt sich ein neuer Bezugspunkt, auf dem das Gewicht dann konstant bleibt<br />

- Faktoren: verfügbare Nahrungsmenge, Anreiz der Nahrung, aufgenommene<br />

Energiemenge, Menge an Körperfett, verbrauchte Energiemenge, Stärke des<br />

Sättigungssignals<br />

- Befunde:<br />

1. Körpergewicht bleibt meist konstant kann genauso gut durch Bezugspunkttheorie<br />

erklärt werden<br />

2. Körpergewicht kann sich auch dauerhaft verändern kann nur durch<br />

Bezugspunkttheorie erklärt werden<br />

3. Veränderte Nahrungsaufnahme führt zu Stoffwechselveränderung wirkt lediglich<br />

gegen weiter Gewichtsveränderung, nicht aber Rückkehr zu Ursprungsgewicht <br />

besser erklärbar durch Bezugspunkttheorie<br />

4. starker Gewichtsverlust und anschließende Rückkehr zu Essgewohnheiten führt zu<br />

Rückkehr des Ursprungsgewichts kann genauso gut mit Bezugspunktheorie erklärt<br />

werden<br />

Teil 2: Durst, Trinken und Flüssigkeitshaushalt<br />

10.6 Regulierung der körpereigenen Flüssigkeitsreserven<br />

Intrazelluläres und extrazelluläres Flüssigkeitskompartiment<br />

- 2/3 der Körperflüssigkeit ist intrazellulär, 1/3 extrazellulär, verteilt auf interstitielle<br />

Flüssigkeit, Blut und Cerebrospinalflüssigkeit<br />

38


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- beides sind isotonische Lösungen, d.h. haben gleiche osmotische Konzentration. Ist<br />

diese unterschiedlich, entsteht osmotischer Druck, Wasser von hypotonischer Lösung<br />

diffundiert zwecks Ausgleich zu hypertonischer Lösung<br />

Die Nieren: Regulation des Wassergehalts und der Natriumkonzentration<br />

- Natriumchlorid ist wichtigstes osmotisches Teilchen<br />

- Nieren sondern Natrium und Wasser, das wir zu viel aufnehmen, aus: Blut kommt durch<br />

Nierenarterie in Nieren, Nephrone (Knäuel aus Kapillaren und Nierentubuli) sortieren<br />

Überschuss aus, Blut verlässt Niere durch Nierenarterie, Überschuss wird durch<br />

Harnleiter ins Harnblase geleitet und dort ausgeschieden<br />

- Andere Arten von Wasserverlust: Schwitzen, Respiration, Defäkation, Evaporation durch<br />

die Haut<br />

10.7 Deprivationsinduziertes Trinken: zelluläre Dehydrierung und Hypovolämie<br />

Zelluläre Dehydrierung und Durst<br />

- Salz im Essen macht Durst: Natrium sammelt sich in Extrazellulärflüssigkeit, macht<br />

diese hypertonisch, Wasser diffundiert aus Zellen intrazelluläre Dehydrierung<br />

- Osmorezeptoren: Zellen, die diese zelluläre Dehydrierung registrieren; sie liegen in der<br />

Lamina terminalis (Schichtartige Struktur im anterior gelegenen Boden des III.<br />

Ventrikels) und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus. (Tierversuch: Injektion von<br />

Kochsalzlösung in Aorta carotis<br />

- 2 Wirkungsmechanismen von Osmorezeptoren: 1. direkt: neuronale Schaltkreise<br />

vermitteln Durstgefühl; 2. indirekt: antidiuretisches Hormon (ADH/Vasopressin) wird<br />

aus Hypophysenhinterlappen freigesetzt<br />

Hypovolämie und Durst<br />

- Verringerung des Blutvolumens<br />

- Bei Versuchstieren: entweder Blutabnehmen oder Einsatz von Kolloiden (wirken wie<br />

Schwämme) beides ändert Osmolarität nicht<br />

- Herznahe Baro- und Pressorezeptoren registrieren Hypovolämie beeinflussen Nieren<br />

indirekt durch ADH-Freisetzung, Volumensensoren der Niere registrieren Hypovolämie<br />

beeinflussen Nieren direkt<br />

Wirkungen des antidiuretischen Hormons<br />

- ADH vermindert Urinproduktion in Nieren und erhöht Reninausschüttung aus Nieren<br />

- Renin im Blut fördert Bildung von Peptidhormon Angiotensin II, diese veranlasst durch<br />

Vasokonstriktion Blutdruckerhöhung und Freisetzung von Aldosteron uns<br />

Nebennierenrinde<br />

- Aldosteron holt Natrium zurück in die Niere, die sonst durch Urin verloren gingen<br />

Angiotensin II und Trinken<br />

- Nieren produzieren Substanz, die zum Trinken veranlasst: Dipsogen (Angiotensin II)<br />

- Wirkort von Angiotensin II: Subfornicalorgan (SFO) ist Struktur der Lamina terminalis<br />

Trinken aufgrund natürlich auftretender Wasserdefizite<br />

- Natürlicher Wassermangel verringert intra- und extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen<br />

- Tierversuche: normale Wasserzufuhr eliminiert intrazelluläres Flüssigkeitsvolumen,<br />

reduziert Trinken um 75%; Kochsalzlösung eliminiert extrazelluläre Flüssigkeitszufuhr,<br />

reduziert Trinken um 15%<br />

10.8 Spontanes Trinken: Trinken ohne Wassermangel<br />

- Normalerweise trinken wir ohne akutes Flüssigkeitsdefizit: spontanes Trinken. Trinken<br />

scheint also von Anreizeigenschaften, z.B. angenehmer Geschmack oder<br />

pharmakologische Wirkung, angeregt zu sein.<br />

Geschmack<br />

- Bsp.: gib Ratten Wasser mit Saccharin bzw. mit Chinin (Zu-/ Abnahme des Trinkens)<br />

39


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Feste Nahrung<br />

- Wasser ist wichtig für Verdauung und Metabolisierung der Nahrung, besonders bei<br />

proteinreicher Nahrung Ratten trinken viel beim Fressen<br />

Lernen<br />

- Menschen und Ratten lernen, bei erwartetem Wassermangel viel zu trinken<br />

10.9 Trinken und Durststillen<br />

- Sollwerttheorie kann Ende von Trinken nicht erklären: 1. Erreichen des Sollwerts keine<br />

Begründung für Ende, wenn keine Notwendigkeit für Beginn des Trinkvorgangs; 2.<br />

Trinkvorgang endet, bevor Wasser aus Magen-Darm-Trakt resorbiert wurde; 3. Tiere<br />

trinken mehr als nötig, wenn schmackhafte Flüssigkeit frei zugänglich ist<br />

Scheintrinken<br />

- Trinken nach Deprivationsphase ist proportional zur Zeit ohne Wasser, obwohl Wasser<br />

den Körper sofort wieder verlässt<br />

- Wasserinjektion in Magen oder Blut verringert Menge des getrunkenen Wassers nach<br />

Deprivation nur um 30%<br />

Trinken und sensorisch-spezifisches Durststillen<br />

- Saccharin elation effect: Ratten trinken mehr von Saccharin-haltigem Wasser, wenn<br />

dieses lange nicht zur Verfügung stand<br />

- Ratten trinken mehr, wenn größere Auswahl an leckeren Drinks vorhanden<br />

- Exzessives Trinken: gib Ratten uneingeschränkt Wasser sowie jede Minute ein<br />

Futterpellet: sie trinken 10 x soviel wie bei normaler Futtergabe mit gleicher Menge =<br />

schemainduzierte Poydipsie<br />

Teil 3: Störungen des Essverhaltens<br />

10.10 Fettleibigkeit<br />

- Fettleibigkeit ist ein um sich greifendes Problem vor allem in den Industriestaaten<br />

- Evolutionär bedingte Verhaltensweise (immer essen wenn was da ist) passt nicht mehr,<br />

da es keinen Nahrungsmangel mehr gibt<br />

- Diese wird noch verstärkt durch kulturelle Praktiken (bestimmte Essenszeiten,<br />

reichhaltiges Essen, mehrere Gänge)<br />

- Wie kommt es zu Adipositas? Übergewichtige Menschen haben stärkere cephalische<br />

Insulinreaktion, stärkeres absinken des Blutzuckerspiegels und hohe anschließende<br />

Nahrungsaufnahme)<br />

- Dauerhaftes Abnehmen geht nur durch dauerhafte Veränderung des Lebensstils<br />

- Körperliche Bewegung hilft nicht besonders beim Abnehmen, Ruheumsatz dagegen<br />

verbraucht 80% der aufgenommenen Energie<br />

Mutierte übergewichtige Mäuse<br />

- Spontane genetische Mutation: ob/ob-Mäuse fressen mehr, verwandeln Kalorien<br />

effektiver zu Fett, verwerten Fettkalorien effektiver<br />

Leptin: ein negatives Rückkopplungssignal aus dem Fett<br />

- Fehlendes Protein Leptin ist verantwortlich für dicke ob-Mäuse; Leptin wird in Fettzellen<br />

exprimiert, Leptingehalt im Blut korreliert positiv mit Fettdepots, Injektion von Leptin<br />

führt zu Reduktion von Fressen und Körperfett, Rezeptoren im Gehirn für Leptin<br />

Insulin: ein weiteres Feedback-Signal der Adipositas<br />

- Gleiches wie für Leptin gilt auch für Insulin<br />

Leptin bei der Behandlung des menschlichen Übergewichts<br />

- Befunde von ob-Mäusen gelten nicht für den Menschen, deren Produktion und<br />

Zirkulation von Leptin ist normal. Zusätzliche Injektion führt nicht zu Reduktion von<br />

Nahrungsaufnahme und Körperfett.<br />

40


- Aktuelle Forschung: vielleicht Problem mit Leptin-Rezeptoren?<br />

J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

10.11 Anorexia nervosa<br />

- Patienten esse so wenig, dass Gesundheit darunter leidet, finden sich trotzdem dick<br />

- 50% der Anorektiker haben Heißhungerattacken, danach folgt Kompensation<br />

- Bulimia nervosa: periodischer Zyklus von Fasten, Heißhungerattacken und<br />

Kompensation ohne Dünnsein<br />

- Beginn oft strikte Schlankheitsdiät, es gibt keine wirksame Behandlung<br />

- Einerseits zeigen Anorektiker stärkere Insulinreaktion als normal in cephalischer Phase,<br />

intensive Beschäftigung mit Essen, andererseits selten Hunger, Angst vor Zunahme,<br />

Krankheitsgefühl nach Mahlzeit<br />

- Kardinalfrage: Warum kann mit dem Beginn des Verhungerns eintretender Hungertrieb<br />

kein Essverhalten auslösen?<br />

Kapitel 11: Hormone und Sexualität<br />

„Ein Mann ist ein Mann, und eine Frau ist eine Frau“<br />

- Männlichkeit und Weiblichkeit sind keine sich ausschließenden Kategorien<br />

11.1 Das neuroendokrine System<br />

Drüsen<br />

- Exokrine Drüsen: chemische Substanzen werden durch Gänge zum Zielort geleitet, z. B.<br />

Schweißdrüsen<br />

- Endokrine Drüsen: Hormone werden ins Kreislaufsystem geschüttet, z.B. Thyreoidea<br />

(Schilddrüse), Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Nebennieren<br />

Hormone<br />

- Drei Kategorien: 1. Aminosäurenderivat-Hormone werden aus Aminosäurenmolekül<br />

synthetisiert (z.B. Adrenalin aus Tyrosin) 2. Peptid- und Proteinhormone sind<br />

Aminosäurenketten, kurze = Peptid, lange = Protein 3. Steroidhormone werden aus<br />

Cholesterin (Fettstoff) synthetisiert. Sie sind klein und fettlöslich, können daher durch die<br />

Membran und nicht nur an Rezeptoren wirken. Wichtig für Sexualentwicklung und -<br />

verhalten<br />

Die Gonaden (Keimdrüsen)<br />

- Gonaden: Hoden und Ovarien; Hauptfunktion: Produktion von Sperma bzw. Eizellen<br />

- Nach Kopulation verbinden sich Sperma und Eizelle zu Zygote<br />

- Geschlecht wird durch Geschlechtschromosom des Spermiums bestimmt<br />

Die Steroidhormone der Keimdrüsen<br />

- Androgene (Testosteron) und Östrogene (Östradiol) sowie Gestagene (Progesteron)<br />

- Hauptfunktion der Nebennierenrinde ist Regulierung des Salz- und Zuckerhaushalts des<br />

Blutes, aber sie schüttet auch Androgene, Östrogene und Gestagene aus<br />

Die Hormone der Hypophyse<br />

- Übergeordnete Drüse des neuroendokrinen Systems, schüttet glandotrope Hormone aus<br />

(z.B. Gonadotropine)<br />

- Besteht aus Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse, für Hormonausschüttung),<br />

Hypophysenstiel, Hypophysenhinterlappen (Adenohypophyse)<br />

Schwankungen des weiblichen und des männlichen Geschlechtshormonspiegels<br />

- Hormonausschüttung bei Frauen unterliegt Menstruationszyklus (28 Tage), bei Männern<br />

dagegen circadiane Schwankung, die allerdings wesentlich geringer ist<br />

- Transplantationsexperimente bei Ratten: unterschiedliches Muster nicht bedingt durch<br />

männliche/weibliche Hypophyse<br />

41


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Neuronale Steuerung der Hypophyse<br />

- Hypophyse wird durch den darüber liegenden Hypothalamus gesteuert<br />

Steuerung des Hypophysenvorder- und Hinterlappens durch den Hypothalamus<br />

- Steuerung des Hinterlappens: Vasopressin und Oxytocin werden in paraventriculären<br />

und supraoptischen Nuclei des Hypothalamus gebildet, von dort über Axone zum<br />

Hinterlappen gebracht und gespeichert<br />

- Steuerung des Vorderlappens: durch Pfortadersystem von Hypothalamus und<br />

Hypophyse werden Hormone vom Hypothalamus zum Vorderlappen transportiert<br />

Die Entdeckung der hypothalamischen Releasing-Hormone<br />

- Thyreotropin-Releasing-Hormon des Hypothalamus steuert Thyreotropin-<br />

Ausschüttung aus Hypophyse, was wiederum zu Hormonausschüttung aus Thyreoidea<br />

bewirkt<br />

- Identifiziert durch Schally und Guilleman, bei Schafen und Schweinen<br />

- Gonadotropin-Releasing-Hormon stimuliert Ausschüttung des Follikel-stimulierenden<br />

Hormons (FSH) und luteinisierenden Hormons (LH)<br />

Die Rückkopplung im neuroendokrinen System<br />

- Es gibt einerseits eine negative Rückkopplung, aber auch positive Rückkopplung z.B. bei<br />

Ovulation<br />

Pulsatile Hormonausschüttung<br />

- Hormone werden im Laufe des Tages in Schüben ausgeschüttet, daher unterscheidet sich<br />

die Hormonkonzentration im Kreislauf stark innerhalb eines Tages<br />

Zusammenfassendes Schema zur neuroendokrinen Regulation der Keimdrüsenhormone<br />

11.2 Hormone und Sexualentwicklung<br />

Fetale Hormone und die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane<br />

- Gonaden: 6 Wochen nach Befruchtung Primordialgonaden, bestehend aus Medulla und<br />

Cortex. Y-Chromosom synthetisiert H-Y-Antigen, welches die Medulla zu einem Hoden<br />

wachsen lässt. Ist H-Y-Antigen nicht vorhanden, entwickelt sich der Cortex zu einem<br />

Eierstock<br />

- Innere Geschlechtskanäle: alle Feten haben Wolffsche Gänge (männliche<br />

Geschlechtskanäle) und Müllersche Gänge (weibliche Geschlechtskanäle). Im 3. Monat<br />

schütten Hoden Testosteron aus (stimuliert Wolffsche Gänge) und Müllersche<br />

inhibierendes Hormon (Rückbildung der Müllerschen Gänge, Absenkung der Hoden in<br />

Scrotum). Wenn kein Hoden da ist, entwickeln sich Müllersche Gänge<br />

- Gonadektomie: Ovarektomie bzw. Orchidektomie<br />

- Äußere Geschlechtsorgane: Genitalien entwickeln sich ab 2. Monat aus dem selben<br />

Vorläuferorgan; ebenfalls gesteuert durch An-/Abwesenheit von Testosteron<br />

Die cerebrale Entwicklung der Geschlechtsunterschiede<br />

- Männer und Frauen haben Unterschiede im Aufbau und in der Funktion bestimmter<br />

Gehirnstrukturen, Bedeutung ist aber noch ungeklärt<br />

- Perinatale Androgene und die Differenzierung des Gehirns: Gonadektomie bei<br />

neugeborenen Ratten, anschließend Transplantation keine Gonaden = weiblicher<br />

Zyklus, Hoden = männlicher Zyklus, Ovarien = kein Einfluss<br />

- Aromatisierung und Gehirndifferenzierung: Aromatisierung ist Umwandlung von<br />

Testosteron in Östradiol. Maskulinisierung des Gehirns erfolgt durch aromatisiertes<br />

Östradiol. Beweis: Dihydrotestosteron lässt sich nicht in Östradiol umwandeln, hat<br />

keinen Einfluss auf Gehirn. Bei Ratten hindert Alphafetoprotein Eintritt von normalem<br />

Östradiol ins Gehirn, und somit Maskulinisierung; Testosteron ist jedoch immun, wandelt<br />

sich dann erst im Gehirn um. Bei Primaten hat plazentare Schranke gleichen Effekt<br />

42


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Perinatale Hormone und Verhaltensentwicklung<br />

- Rattenweibchen bekommen perinatal Testosteron maskulinisierender Einfluss.<br />

Zusätzlich noch Progesteron und Östradiol defeminisierender Einfluss<br />

- Rattenmännchen werden direkt kastriert (perinataler Testosteronentzug), bekommen<br />

später Testosteron demaskulinisierender Einfluss. Zusätzlich (später) Progesteron und<br />

Östradiol feminisierender Einfluss<br />

- Prozeptive Verhaltensweisen (Partnersuche und so) sind noch nicht so gut untersucht,<br />

aber Hinweise, dass Testosteron männliches Verhalten (z.B. Aggressivität) fördert und<br />

weibliches (z.B. Brutpflege) mindert<br />

Hormone und die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale in der Pubertät<br />

- Sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickeln sich erst in der Pubertät<br />

- Hypophysenvorderlappen schüttet Wachstumshormon aus, das auf Knochen- und<br />

Muskelgewebe wirkt<br />

- Gonadotrope und adrenocorticotrope Hormone (ACTH) bewirken Reifung der<br />

Genitalien<br />

- Unterschied beruht darauf, dass Männer höheren Androgenspiegel und Frauen höheren<br />

Östrogenspiegel haben<br />

- Androstendion ist jedoch Androgen der Nebennierenrinde, das für weibliches Schamhaar<br />

zuständig ist<br />

Drei außergewöhnliche Fälle menschlicher Sexualentwicklung<br />

- Fall 1: äußerlich Frau, genetisch aber Mann, mit inneren Hoden, keinen Eierstöcken,<br />

unterentwickelter Gebärmutter und Vagina. Grund: testikuläre Feminisierung durch<br />

Unempfindlichkeit des Körpergewebes für Androgene<br />

- Fall 2: androgenitales Syndrom: Mangel an Cortisol führt zu übermäßiger Produktion<br />

von Androgenen; kaum Wirkung auf Männer, bei Frauen aber abnorme Bildung der<br />

äußeren Geschlechtsorgane (innere meist normal); kurz nach Geburt kann man zu Frau<br />

umoperieren. Man behandelt weiter durch Gabe von Cortisol, kann aber nie sagen, ob<br />

Kind in Pubertät zu Mann oder zu Frau wird<br />

- Fall 3: bei männlichen eineiigen Zwillingen wurde bei einem Ablatio penis durchgeführt;<br />

daher zu Mädel umoperiert Entwicklung ging aber in natürliche Richtung, später<br />

wieder umoperiert lebt jetzt als Mann<br />

11.3 Auswirkungen der Keimdrüsenhormone auf Erwachsene<br />

Männliches Sexualverhalten und Testosteron<br />

- Bremer (1959) untersuchte 157 Fälle von Orchidektomie bei norwegischen<br />

Sexualstraftätern: etwa 50% völlig asexuell; andere nur Erektionsfähigkeitsverlust, aber<br />

sexuelles Interesse; andere weiterhin Geschlechtsverkehr, nur weniger. Weitere<br />

Auswirkungen: weniger Behaarung, Fett an Hüfte und Brust, weichere Haut, weniger<br />

Körperkraft<br />

- Symptome der Orchidektomie verschuldet durch Mangel an Testosteron <br />

therapeutische Wirkung von Ersatzinjektion<br />

- Aber: Testosteronspiegel korreliert nicht mit sexueller Aktivität<br />

- Bei Ratten wirkt Dihydrotestosteron nicht, bei Primaten schon<br />

Keimdrüsenhormone und weibliches Sexualverhalten<br />

- Bei Ratten: 4 Tage-Zyklus: 2 Tage hohe Östrogenausschüttung, Ovulation, hohe<br />

Progesteronausschüttung Östrus: 12-18 Stunden dauernde Periode, Weibchen ist<br />

fertil, rezeptive, prozeptiv und sexuell attraktiv weibliches Sexualverhalten steht unter<br />

hormoneller Kontrolle<br />

- Achtung: bei Frauen ist dies anders, Menstruationszyklus hat nichts mit Sexualverhalten<br />

zu tun<br />

43


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Hinweise, dass bei Frauen Sexualverhalten von Androgenen gesteuert wird (Rhesusaffen,<br />

Ersatzinjektion nach Ovarektomie; Messungen von Testosteron- und Östradiolspiegel bei<br />

sexueller Bereitschaft; Klinische Studie mit Ersatzinjektion nach OP)<br />

Anabolikamissbrauch<br />

- Anabole Steroide haben wachstumsfördernde Wirkung<br />

- Wissenschaftliche Untersuchungen, ob künstlich synthetisierte Anabolika tatsächlich<br />

Muskeln und Körperkraft vergrößern, haben widersprüchliche Ergebnisse<br />

- Problem: in Studien geringere Dosis und kein Training<br />

- Nebenwirkungen: Beim Mann: verminderte Ausschüttung von Gonadotropin <br />

Hodenschwund und Sterilität; Brustentwicklung. Bei Frau: Ausbleiben der<br />

Menstruationsblutung, Haarwuchs, Sterilität, Vergrößerung der Klitoris etc. Außerdem:<br />

Muskelschmerzen, blutiger Urin, Akne, Übelkeit, Depressionen etc.<br />

- Mäuseexperiment: höhere Sterblichkeit<br />

- 2 Erkenntnisse: Testosteronhaltige Medikamente führen zu Menschen mit normalem<br />

Testosteronspiegel nicht zu erhöhter sexueller Aktivität; Hormone wirken immer auf den<br />

Körper, nicht nur in kritischen Phasen<br />

11.4 Hypothalamus und Sexualverhalten<br />

Strukturelle Unterschiede des Hypothalamus von Männern und Frauen<br />

- bei Ratten: Unterschied in medialer präoptischer Region des Hypothalamus: der<br />

sexualdimorphe Nucleus ist bei Männchen größer als bei Weibchen. Unterschied<br />

entsteht durch aromatisiertes Östradiol in ersten Lebenstagen<br />

- Größe korreliert mit Testosteronspiegel und Sexualverhalten, Läsion hat aber keinen<br />

Einfluss auf beides<br />

- Bei Menschen: Kerne in präoptischer und anteriorer Region des Hypothalamus bei<br />

Männern sind größer als bei Frauen<br />

Hypothalamus und männliches Sexualverhalten<br />

- Bilaterale Läsionen der medialen präoptischen Region reduzieren männliches<br />

Sexualverhalten, männliche Ratten würden gern, können aber nicht mehr kopulieren<br />

- In diesem Bereich viele Rezeptoren für Galanin<br />

- Entscheidende Nervenbahn führt ins laterale Tegmentum des Mittelhirns, Durchtrennung<br />

löscht Sexualverhalten<br />

Hypothalamus und weibliches Sexualverhalten<br />

- Nucleus ventromedialis (NVM) des Hypothalamus: Reizung fördert Sexualverhalten,<br />

Läsion löscht Lordoseverhalten (bei Reizung)<br />

- Östradiolinjektion führt zu Anstieg der Progesteronrezeptoren im NVM, anschließende<br />

Progesteroninjektion führt zu Östrus<br />

- Entscheidende Nervenbahn führt zum periaquäductalen Grau des Mittelhirns<br />

11.5 Sexuelle Präferenz, Hormone und Gehirn<br />

Sexuelle Präferenz und Gene<br />

- Studien mit Zwillingen zeigen, dass Gene sexuelle Präferenz z. T. bestimmen: Eineiige<br />

Homos haben zu 52% (M)/48 % (W) Homo Zwilling, zweieiige Homos haben zu<br />

22%(M)/16%(W) Homo Zwilling<br />

Sexuelle Präferenz und Hormone<br />

- Hormonspiegel bei Homosexuellen sind genauso wie bei Heterosexuellen<br />

- Bei Tieren führt perinatale Testosteronbehandlung bei Weibchen und Kastration bei<br />

Männchen zu Präferenz des eigenen Geschlechts<br />

44


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Diäthylstilbestrol (synthetisches Östrogen) in Schwangerschaft führt bei Töchtern zu<br />

Hingezogenheit zu Frauen, nicht aber Homosexualität leichter Hinweis auf Einfluss<br />

von Hormonen, insgesamt aber Erfahrung für Menschen sehr wichtig<br />

Wodurch wird die Entwicklung der sexuellen Anziehung ausgelöst?<br />

- Erste sexuelle Anziehung mit 10 Jahren, also vor Geschlechtsreife. Eventuell ausgelöst,<br />

durch Nebennierenrindenhormone<br />

Haben Homosexuelle und Heterosexuelle unterschiedliche Gehirne?<br />

- Oft liegt Struktur des Gehirns männlicher Homosexueller zwischen der weiblicher und<br />

männlicher Heterosexueller<br />

- LeVay: dritter interstitieller Nucleus des anterioren Hypothalamus ist bei Hetero-<br />

Männern doppelt so groß wie bei Hetero-Frauen und Homo-Männern Vorsicht: bisher<br />

nicht repliziert, Ursache-Wirkung ungeklärt, außerdem Homo-Männer fast alle an Aids<br />

gestorben<br />

Kapitel 12: Schlaf, Traum und circadiane Rhythmen<br />

12.1 Physiologie und Verhalten während des Schlafs<br />

Drei psychophysiologische Standardmessungen für Veränderungen im Schlaf<br />

- Im Schlaflabor misst man EEG, EMG und EOG; die erste Nacht heißt Adaptionsnacht<br />

Die vier Stadien des Schlaf-EEGs<br />

- Übergang zum Schlaf: vereinzelte Alpha-Wellen (Frequenz von 8-12 Hz<br />

- Schlafstadium 1: hohe Frequenz, niedrige Amplitude (ähnlich aktiver Wachzustand, aber<br />

langsamer)<br />

- Schlafstadium 2: niedrigere Frequenz, höhere Amplitude (unterbrochen von K-Komplex<br />

und Schlafspindeln)<br />

- Schlafstadium 3: zunehmend Delta-Wellen (Frequenz von 1-2 Hz)<br />

- Schlafstadium 4: nur noch Delta-Wellen<br />

- Schlafstadien werden im Verlauf der Nacht mehrmals durchlaufen (ein Durchlauf etwa<br />

90 Min); Im Intitialstadium keine Veränderung von Muskeltonus und Augenbewegung,<br />

in weiter Schlafstadien 1 Verlust des Muskeltonus und REM (paradoxer Schlaf)<br />

- Slow-wave-sleep (SWS): Schlafstadien 2-4; auch NREM-Phasen genannt<br />

12.2 REM-Schlaf und Traum<br />

- Kleitman (1953): Entdeckung des Zusammenhangs von REM-Schlaf und Träumen<br />

- Dement (1978): Aufwecken in REM-Phase führt zu deutlicher Erinnerung an Traum<br />

Überprüfung einiger allgemeiner Vorstellungen über das Träumen<br />

- äußere Reize werden in den Traum miteinbezogen (Bsp.: schlafenden Probanden mit<br />

Wasser besprühen<br />

- Träume laufen in Echtzeit ab (Bsp.: Probanden aufwecken und fragen, wie lange Traum<br />

gedauert hat)<br />

- Wer nicht träumt, hat genauso viel REM-Schlaf wie andere auch, kann aber nicht über<br />

Träume berichten<br />

- Peniserektionen treten genauso bei nicht sexuellen Träumen auf wie bei sexuellen<br />

- Somnambulismus (Schlafwandeln) und Sprechen tritt nicht in REM-Phase, sondern in<br />

Schlafstadium 4 auf<br />

Traumdeutung<br />

- Freud wollte durch Deutung der manifesten Träumen zur Bedeutung der latenten<br />

Träumen kommen, um so die psychischen Probleme offen zu legen und lösen zu können<br />

45


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Zeitgemäße Alternative: Aktivationssynthese-Theorie von Hobson (1989): Information,<br />

die beim Träumen an den Cortex geliefert wird, ist zufällig, Trauminhalt ist Versuch des<br />

Cortex, einen Sinn darin zu finden<br />

Luzide Träume<br />

- In luziden Träumen ist sich der Schlafende bewusst, dass er sich im Traum befindet, er<br />

kann den Traumverlauf beeinflussen<br />

- Durch leichten elektrischen Schlag bei Eintritt in REM-Phase kann man Schlafendem<br />

bewusst machen, dass Traum stattfindet<br />

- Regelmäßige luzide Träumer können VL durch verabredetes Signal, z. B. bestimmte<br />

Augen- oder Armbewegung, mitteilen, dass sie gerade träumen und dies wissen<br />

12.3 Warum schlafen wir?<br />

Restaurative und circadiane Theorien<br />

- Restaurative Theorien gehen davon aus, dass der Wachzustand die Homöostase stört,<br />

und der Schlaf benötigt wird, um sie wieder herzustellen<br />

- Circadiane Theorien dagegen glauben, dass Schlaf in Evolution entstanden ist, um uns<br />

in Zeiten der Gefahr (Nachts) ruhig und inaktiv zu halten und uns so zu schützen<br />

- Letzter haben sich bewährt: z.B. ist Vorhersage der restaurativen Theorie, dass Tiere je<br />

nach Energieverbrauch mehr schlafen müssen, falsch; Vorhersage der circadianen<br />

theorie, dass Gefahr entscheidet, passt besser (z.B. Zebra, Löwen nach Jagd)<br />

12.4 Circadiane Schlafzyklen<br />

- Fast jeder physiologische und biochemische Prozess bei Tieren folgt einem circadianem<br />

Zyklus, was bedeutet, dass Zyklus etwa eine Tag dauert<br />

- Zeitgeber sind Hinweisreize aus der Umwelt, die helfen, einen solchen Rhythmus zu<br />

etablieren. Wichtigster Zeitgeber sind Hell- und Dunkelperioden.<br />

Freilaufende circadiane Schlaf-Wach-Zyklen<br />

- Circadiane Rhythmen werden beibehalten, wenn keine Zeitgeber vorhanden sind, z.B. im<br />

Labor ohne Beleuchtungsänderung. Dann nennt man sie freilaufende Rhythmen oder<br />

freilaufende Periode<br />

- Ratten: Schlaf-Wach-Rhythmus wird auch nach 24-stündigem Schlafentzug im<br />

Wesentlichen eingehalten spricht gegen restaurative Theorie<br />

- Mensch: Korrelation zwischen Dauer der Wachperiode und Dauer der anschließenden<br />

Schlafperiode ist negativ wir sind auf Rhythmus von 24 stunden eingestellt<br />

- Normalerweise läuft Schlaf-Wach-Zyklus synchron mit Temperaturzyklus, unter<br />

Laborbedingungen (freilaufender Schlaf-Wach-Zyklus) driften sie jedoch manchmal<br />

auseinander: Desynchronisation es muss mehr als ein circadianer Zeitgeber existieren<br />

Jetlag und Schichtarbeit<br />

- Störung der Rhythmik hat Störung in Schlafdauer, Schlafverlauf,<br />

Müdigkeitserscheinungen, allgemeines Unbehagen und Defizite in Tests von<br />

körperlichen und geistigen Funktionen zur Folge<br />

- Hilfe bei Jetlag: intensives Licht oder körperliche Anstrengung hilft bei Flug nach Ost<br />

(verkürzter Zyklus)<br />

- Hilfe bei Schichtarbeit: Schichten sollten immer später am Tag beginnen <br />

Verlängerung des Zyklus erleichtert die Anpassung<br />

12.5 Auswirkungen des Schlafentzugs<br />

- Vorhersagen der circadianen Theorie: keine Mangelerscheinung durch Schlafentzug<br />

außer Einschlaftendenz; Zunahme der Schläfrigkeit in Perioden am größten, in denen<br />

Proband normalerweise schläft; nach Schlafentzug keinen oder wenig<br />

Kompensationsschlaf<br />

46


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Zwei klassische Schlafentzugsexperimente<br />

- Kleitmans klassisches Schlafentzugsexperiment: Proband arbeitet im Labor, lernt, usw.<br />

Ergebnisse: Müdigkeit kommt immer in Phasen (besonders früh morgens), tagsüber<br />

geht’s ihm gut, außer Probleme, nicht einzuschlafen zwischendurch (besonders im<br />

Sitzen)<br />

- Der Fall Randy Gardner: wollte Weltrekord im Wachsein aufstellen von 260 Stunden.<br />

Schlaf nach dieser Zeit: 1. Nacht 14 Stunden, danach ganz normal 8 Stunden<br />

Schlafdeprivationsexperimente am Menschen<br />

- 3 Kategorien: Studien mit partieller Deprivation (weniger als 5 in 24 Stunden; Studien<br />

mit kurzfristiger völliger Deprivation (zwischen 24 und 48 Stunden); Studien mit<br />

Langzeitdeprivation (für mehr als 48 Stunden)<br />

- 4 Messinstrumente: physiologische Messungen, Stimmungsmaße, Messungen kognitiver<br />

Funktionen; motorische Leistungstests<br />

- es wurden kaum negative Auswirkungen gefunden<br />

- Defizite bei stimmungs- und einfachen kognitiven Leistungstests, nicht aber bei<br />

komplexen Leistungstests<br />

- Keine Eindeutigen Beziehungen zwischen Dauer der Schlafdeprivation und der Größe<br />

des Leistungsdefizits<br />

- Mikroschlafperioden können nach 2, 3 Deprivationstagen kaum vermieden werden<br />

Schlafdeprivationsexperimente an Labortieren<br />

- Karussellapparat: 2 Ratten auf drehbarer Plattform, wenn Versuchsratte schläft (EEG),<br />

dreht sich Plattform, so dass sie aufwacht und ins Wasser fällt. Nach wenigen Tage stirbt<br />

Versuchsratte, Jochkontrollratte geht es gut<br />

- Interpretation: Übertragung auf Mensch fragwürdig, da bei Menschenexperimenten nicht<br />

bestätigt. Eventuell Tod auf Belastung durch Drehung der Scheibe und kalte Bäder<br />

zurückzuführen, Verletzungen weisen darauf hin<br />

REM-Schlafentzug<br />

- Zwei Auswirkungen: Tendenz, in REM-Schlaf zu fallen, wird größer; in ersten drei<br />

Nächten nach Rem-Schafentzug größerer Anteil von REM-Schlaf als normalerweise<br />

- Drei Theorien zur Funktion des REM-Schlafs: Erhaltung der individuellen, geistigseelischen<br />

Gesundheit, Erhaltung des normalen Antriebsniveaus, Verarbeitung von<br />

Gedächtnisinhalten<br />

- Trizyklische Antidepressiva blockieren REM-Schlaf, haben aber keine negativen<br />

Begleiterscheinungen, warum weiß man nicht<br />

Interpretation der Auswirkungen von Schlafdeprivation: die besondere restaurative Funktion des<br />

slow-wave-sleeps<br />

- Stress bewirkt unregelmäßigen Schlaf, so dass circadiane Rhythmen durcheinander<br />

kommen. Vermeintliche negative Folgen von Schlafdeprivation können somit vielleicht<br />

eher auf Stress und Störungen der circadianen Periodik zurückgeführt werden.<br />

- Verschlechterte Leistungsfähigkeit nach Schlafdeprivation ist vielleicht bedingt durch<br />

Mikroschlafperioden, nicht durch generelle Einbußung der Leistungsfähigkeit<br />

Erhöhung der Effizienz des Schlafs<br />

- Wird die Schlafdauer langfristig verkürzt, erhöht sich die Effizienz des Schlafes:<br />

schnelleres Einschlafen, weniger Aufwachen zwischendurch, höherer Anteil an slowwave-sleep<br />

- Slow-wave-sleep scheint besonders restaurative Funktion zu haben; geht einher mit<br />

Erniedrigung der Körpertemperatur<br />

12.6 Integration von restaurativen und circadianen Schlaftheorien<br />

- Die Theorien schließen sich nicht notwendig aus, sondern überlagern sich<br />

möglicherweise<br />

47


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

12.7 Neuronale Grundlagen des Schlafs<br />

- Cerveau-isolé-Präparation: Hirnstamm wird zwischen Colliculi inferiores und Colliculi<br />

superiores durchtrennt, wodurch Vorderhirn keinen Input mehr von aufsteigenden<br />

sensorischen Bahnen bekommt<br />

- Bremer 1936: nach solcher Präparation zeigt EEG des Vorderhirns kontinuierliche slowwave-sleep,<br />

der nur durch starke visuelle oder olfaktorische Reize gestört werden kann,<br />

was auch nur sehr kurz andauernd<br />

- Passive Schlaftheorie: Schlaf ist passive Konsequenz einer Abnahme sensorischer<br />

Reizung<br />

Die Schlaftheorie des retikulären Aktivierungssystems<br />

- Encephalé-isolé-Präparation: Gehirn wird durch Schnitt durch caudalen Hirnstamm von<br />

sensorischen Bahnen getrennt; keine Störungen wie beim Cerveau-isolé Schnitt, obwohl<br />

gleiche Bahnen, nur tiefer, verletzt werden<br />

- Schlaf wird also durch Gebiet zwischen den beiden Schnittorten reguliert: durch das<br />

retikuläre Aktivierungssystem (RAS) der Formatio reticularis aktuelle Theorie<br />

Drei wichtige Entdeckungen zur neuronalen Grundlage des Schlafs<br />

- Schlaf ist kein Zustand neuronaler Ruhe<br />

- Im Gehirn gibt es Schlaf fördernde Schaltkreise, z.B. haben Stimulation oder Läsion im<br />

Bereich von Pons und Medulla oblongata Einfluss auf Schlaf<br />

- Die verschiedenen Indikatoren (z.B. Peniserektion, langsame EEG-Wellen) sind den<br />

Schlafstadien nicht immer klar zuzuordnen<br />

Gehirnstrukturen im Zusammenhang mit Schlaf und Traum<br />

- Raphé-Kerne : sind serotonerg, Zerstörung führt zu 3-4 tägiger Insomnie bei Katzen;<br />

Schlafauslösung durch Raphé-Kerne jedoch nicht generalisierbar<br />

- basales Vorderhirn : Läsion führt zu Abnahme der Schlafdauer bei Katzen<br />

- caudale Formatio reticularis :<br />

- Steuerung der Aspekte des REM-Schlafs in vielen Teilgebieten, Koordinierung durch<br />

cholinerge Mechanismen<br />

- zwei REM-Schlaf hemmende Systeme: Locus coeruleus (noradrenerge Neurone) und<br />

dorsale Raphé-Kerne (serotonerge Neurone)<br />

- REM-Schlaf beruht auf Wechselwirkung zwischen exzitatorischen cholinergen Systemen<br />

und inhibitorischen noradrenergen und serotonergen Systemen<br />

12.8 Neuronale und molekulare Mechanismen der circadianen Uhr<br />

Die circadiane Uhr im Nucleus suprachiasmaticus<br />

- Läsionen des Nucleus suprachiasmaticus heben verschiedene circadiane Rhythmen,<br />

darunter auch den Schlaf-Wach-Rhythmus, auf<br />

- Beleg: Ralph et al. 1990: beidseitige Kerne aus mutierten Hamstern mit 20-stündigem<br />

Rhythmus in normale Hamster implantiert, der Rhythmus sich dann auch auf 20-Stunden<br />

beschränkte<br />

- Wichtigster, jedoch nicht einziger innerer Zeitgeber<br />

Genetische Einflüsse auf circadiane Rhythmen<br />

- Erstes entdecktes Gen: „Tau“ bei Hamstern<br />

- Forschung im Moment: „clock“ bei Mäusen<br />

Triggerung der circadianen Uhr<br />

- Aktivierung von retinohypothalamischen Bahnen (Sehnerv projiziert im Chiasma<br />

opticum zum Nucleus suprachiasmaticus) beeinflusst Genexpression im Nucleus<br />

suprachiasmaticus<br />

48


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Die Rolle der Epiphyse<br />

- Epiphyse (Zwirbeldrüse) ist bei Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen interner<br />

Zeitgeber durch Ausschüttung von Melatonin, bei Menschen uns Säugern ist Roller der<br />

Epiphyse jedoch ungeklärt.<br />

Zusammenfassung der an der Schlafsteuerung beteiligen Strukturen<br />

- Nucleus suprachiasmaticus, Raphé-Kerne, pontiner Anteil der caudalen Formatio<br />

reticularis, Locus coeruleus; Einfluss von Epiphyse und basalem Vorderhirn beim<br />

Menschen ungeklärt<br />

12.9 Pharmakologische Einflüsse auf den Schlaf<br />

Hypnotika<br />

- Benzodiazepine (z.B. Valium) fördern Schläfrigkeit, verkürzen Einschlafzeit, selteneres<br />

Aufwachen in der Nacht, verlängern Gesamtschlafdauer Behandlung sporadischer<br />

Schlafstörungen<br />

- Problem bei chronischer Anwendung: Toleranzentwicklung, Absetzen der chronischen<br />

Therapie verursacht Insomnie, psychische Abhängigkeit, stören normale Schlafmuster<br />

(reduzieren Stadium 1 und 4 zugunsten von 2)<br />

- 5-Hydroxy-Tryptophan (5-HTP)ist serotonerge Substanz (Raphé-Kerne), wirkt aber nur<br />

bei Ratten, nicht bei Menschen<br />

Antihypnotika<br />

- Stimulantien (Kokain, Amphetamine) und trizyklische Antidepressiva steigern<br />

Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin durch erhöhte Ausschüttung oder Blockieren der<br />

Wiederaufnahme<br />

- Wichtigste Wirkung: Unterdrückung des REM-Schlafs<br />

- Problem mit Stimulantien: machen süchtig<br />

Melatonin<br />

- Wirkung ist nicht so eindeutig belegt.<br />

- Immerhin zwei Behandlungsmöglichkeiten: Gabe vor Zubettgehen fördert Einschlafen,<br />

wenn Insomnie mit Melatoninmangel vorliegt; Insomnie als Folge von fehlender<br />

Synchronisation von Hell-Dunkel-Wechsel (Blinde)<br />

12.10 Schlafstörungen<br />

Insomnie<br />

- Iatrogener Ursprung: durch den Arzt entstanden; d.h. einmal Schlaftabletten<br />

verschrieben, Entwicklung von Toleranz und Entzugserscheinungen<br />

- Schlafapnoe: kurzzeitiger Atemstillstand, der zu Aufwachen führt und Schlaf unterbricht<br />

- Nächtliche Schüttelkrämpfe und ruhelose Beine oft werden Benzodiazepine<br />

verschrieben, die meist nicht wirken<br />

Hypersomnie<br />

- Narkolepsie: wiederkehrende, 10-15 minütige Schlafattacken am Tag, die immer und<br />

überall vorkommen können. Behandlung. Einnahme von Stimulantien am Morgen<br />

REM-Schlafstörungen<br />

- Narkoleptiker fallen sofort in REM-Schlaf<br />

- Kataplexie: plötzlicher Muskeltonusverlust im Wachzustand, gesteuert vom Nucleus<br />

magnozellularis der Formatio reticularis<br />

Eindringen von REM-Schlaf in Wachzustand. Behandlung: Trizyklische Antidepressiva,<br />

die REM-Schlaf unterdrücken<br />

- Läsion des Nucleus magnozellularis kann zu Verlust der üblichen Muskelerschlaffung<br />

führen, die einen am Ausführen der Träume hindert<br />

- Schlaflähmung oder hypnagoge Halluzination: Lähmung beim Einschlafen oder<br />

Aufwachen oder lebhafter traumartiger Wachzustand<br />

49


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

12.11 Auswirkungen von Langzeit-Verkürzungen der Schlafdauer<br />

Langzeit-Verkürzung der Nachtschlafdauer<br />

- Zwei Untersuchungen:<br />

- 1. 16 Probanden 60 Tage nur 5,5 Stunden Schlaf. Einzige Störung bei Stimmungs-,<br />

Gesundheits- und Leistungstests: leichte Schwäche bei akustischer Daueraufmerksamkeit<br />

- 2. 8 Probanden langsame Reduktion in 2-, 3-, 4-wöchigen Abständen um je 30 min.<br />

kürzeste Schlafdauer: 2x 5,5 Stunden, 4x 5 stunden, 2: 4,5 Stunden; bei allen Steigerung<br />

der Schlafeffizienz. Nach Experiment schliefen Probanden weiterhin 7-18 Stunden pro<br />

Woche weniger als zuvor ohne Müdigkeitserscheinungen<br />

Langzeit-Verkürzung der Schlafdauer durch Nickerchen<br />

- Kleinkinder haben polyphasische Schlafzyklen (Schlaf mehrmals innerhalb 24 Stunden),<br />

Erwachsene monophasische Schlafzyklen, aber oft polyphasische Schläfrigkeit<br />

- Nickerchen sind im Verhältnis Schlafdauer/Restaurative Eigenschaften viel effizienter<br />

- Experimente belegen Möglichkeit, alle 4 Stunden 15 min zu schlafen; nach 2 Wochen<br />

Eingewöhnung keine negative Wirkung dieser kurzen Schlafdauer<br />

Kapitel 13: Drogenabhängigkeit und Verstärkersysteme im Gehirn<br />

13.1 Pharmakologische Grundlagen der Drogenwirkung<br />

- Psychoaktive Substanzen beeinflussen subjektives Erleben und Verhalten durch<br />

Wirkung auf ZNS<br />

Arten der Einnahme und Absorption<br />

- Orale Einnahme: Drogen lösen sich in Magensäften und werden im Verdauungstrakt ins<br />

Blut aufgenommen. Vorteile: Einfachheit, relative Sicherheit. Nachteile:<br />

Unvorhersagbarkeit<br />

- Injektion: medizinische Praxis, erfolgt subcutan, intramuskulär oder intravenös.<br />

Wirkung ist relativ schnell, stark und vorhersagbar, Substanz wird durch Blutkreislauf<br />

direkt ins Gehirn gebracht.<br />

- Inhalation: Droge wird durch Kapillarennetzwerk der Lunge resorbiert. Nachteile:<br />

Regulation der Dosis schwierig, Schädigung der Lunge<br />

- Absorption durch Schleimhäute: z.B. Kokain, schädigt Schleimhäute<br />

Wirkung im Zentralnervensystem<br />

- Blut-Hirn-Schranke erschwert Substanzen, ins ZNS des Gehirns zu kommen; Wirkung<br />

auf vielfältige Weise: auf neuronale Membranen, Bindung an bestimmte Rezeptoren,<br />

Beeinflussung von Synthese, Transport, Ausschüttung, Deaktivierung von<br />

Neurotransmittern, Beeinflussung der chemischen Reaktionskette der postsynaptischen<br />

Neuronen<br />

Metabolismus und Ausscheidung<br />

- Metabolismus: Enzyme in der Leber inaktivieren Drogen; diese verliefen meist<br />

Fähigkeit, Lipidmembranen zu durchdringen und so Blut-Hirn-Schranke zu passieren.<br />

Toleranz<br />

- Toleranz: gleiche Dosis der Substanz hat schwächere Wirkung bzw. höhere Dosis nötig<br />

für gleiche Wirkung<br />

- Kreuztoleranz: Toleranz gegenüber einer Droge bewirkt auch Toleranz gegenüber einer<br />

anderen Droge, die nach gleichem Mechanismus wirkt<br />

- Sensibilisierung: Empfindlichkeit bezüglich einer oder mehrer der Wirkungen einer<br />

Droge erhöht sich mit zunehmendem Konsum<br />

- Metabolische Toleranz entsteht, wenn adaptive Veränderungen dafür sorgen, dass nur<br />

noch ein Teil der Substanz am Wirkungsort ankommt, funktionelle Toleranz entsteht,<br />

wenn die von der Substanz betroffenen Wirkungsorte vermindert reaktionsfähig sind<br />

50


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Drogenentzug und physische Abhängigkeit<br />

- Entzugssymptome sind normalerweise der Drogenwirkung entgegengesetzt; treten sie<br />

auf, ist der Patient physisch abhängig<br />

- Theorie: funktionelle neuronale Veränderungen im Körper sind Grund für<br />

Entzugssymptome<br />

Was versteht man unter Sucht?<br />

- Süchtig ist jemand, der Drogen konsumiert, obwohl sie Gesundheit und soziale<br />

Integration schädigen, und mehrfach versucht hat aufzuhören.<br />

- Verantwortlich für Sucht ist nicht physische Abhängigkeit, sondern vielmehr psychische<br />

Abhängigkeit (wiederholter Konsum der Droge obwohl keine Entzugserscheinungen<br />

vorliegen)<br />

13.2 Die Rolle des Lernens bei der Toleranz und den Entzugserscheinungen<br />

Kontingente Toleranz<br />

- Kontingente Toleranz entwickelt sich gegenüber Drogen, die unmittelbar mit bestimmter<br />

Erfahrung verknüpft sind<br />

- Vorher-Nachher-Ansatz: Versuch mit Ratten, Injektion von Alkohol alle zwei Tage,<br />

entweder vor oder nach konvulsiven Reizung der Amygdala. Am Ende Test: beide<br />

Injektion vor Reizung. Ergebnis: bei erster Gruppe Entwicklung von Toleranz, bei<br />

zweiter Gruppe nicht<br />

- Grundlegendes Phänomen: konnte bei verschiedenen Tieren mit verschiedenen Drogen<br />

nachgewiesen werden, sogar bei Aplysia auf synaptischer Ebene<br />

Konditionierte Toleranz<br />

- Konditionierte Toleranz entwickelt sich gegenüber Drogen, die mit bestimmter Situation<br />

verknüpft sind<br />

- Versuch: je 20 Kochsalz- bzw. Alkoholinjektion in abwechselnder Reihenfolge, entweder<br />

Alkohohl oder Kochsalz immer im Testraum. Am Ende: hyperthermische Wirkung des<br />

Alkohols in beiden Räumen getestet. Ergebnis: Toleranz nur, wenn Testinjektion in<br />

Raum, der mit Alkoholinjektion verbunden war.<br />

- Erklärt Gefahr einer Überdosis, wenn Droge in neuer Umgebung genommen wird (Belegt<br />

durch Rattenexperiment)<br />

- Konditionierte Kompensationsreaktion: konditionierte Reize (der Umgebung) lösen,<br />

wenn keine Droge genommen wird, eine der Drogenwirkung entgegengesetzte Reaktion<br />

aus<br />

Konditionierte Entzugserscheinungen<br />

- Konditionierte Entzugserscheinungen werden nur durch die Reize der Umgebung, in der<br />

Drogenkonsum normalerweise erfolgt, ausgelöst.<br />

- Versuch: Ratten mit Morphium und/oder Kochsalzinjektion in zwei verschiedenen<br />

Käfigen, drei Gruppen<br />

Neuere Überlegungen zur Konditionierbarkeit von Drogenwirkungen<br />

- Problem: konditionierte Toleranz sagt Kompensationsreaktion vorher, manchmal wird<br />

aber durch Umgebung ähnliche Wirkung hervorgerufen. Erklärung: nicht Droge ist<br />

unkonditionierter Reiz, sondern Wirkung der Droge im Körper; unkonditionierte<br />

Reaktion wird oft willkürlich festgelegt; stattdessen ist sie die kompensatorische<br />

Veränderung im Körper<br />

- wenn man US und UR richtig identifiziert, kann man CR immer vorhersagen: CR<br />

sollte immer ähnlich UR sein<br />

51


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

13.3 Fünf häufig missbrauchte Drogen<br />

Tabak<br />

- Nikotin ist die psychoaktiv wirkende Substanz im Tabak, außerdem 4000 andere Stoffe =<br />

Teer<br />

- Entzugserscheinungen: Depressionen, Angst, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Verstopfung,<br />

Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten<br />

- 70% werden nach probieren abhängig, nur 20% derer, die es versuchen schaffen<br />

Absprung<br />

- Rauchersyndrom: Schmerzen in der Brust, Atemnot, Keuchen, Husten, Anfälligkeit für<br />

Erkrankungen der Atemwege, verschiedene Lungenkrankheiten, verschiedene<br />

Krebsarten, verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen<br />

- Buerger-Krankheit: chronisch-entzündliche Gefäßerkrankung,, Blutgefäße (vor allem<br />

Beine) ziehen sich zusammen, Amputation notwendig<br />

- Freie Radikale sind wahrscheinlich für Schädlichkeit des Tabaks verantwortlich<br />

(ungepaarte Elektronen, die biologische Moleküle durch Oxidation zerstören)<br />

Alkohol<br />

- 50% der tödlichen Verkehrsunfälle wegen Alkohol<br />

- Wirkung: Beeinträchtigung von Wahrnehmung, Kognition, Sprache, Motorik, Verlust der<br />

Selbstkontrolle, in hoher Dosis Bewusstlosigkeit oder Tod, führt zu Hypothermie, ist<br />

Diuretikum (erhöht Urinproduktion)<br />

- Erzeugt (funktionelle) Toleranz und physische Abhängigkeit<br />

- Schwerer Alkoholentzug: 3 Phasen: 1. nach 5-6 Std.: Tremorerscheinungen, Aufregung,<br />

Kopfweh, Übelkeit, Errechen, Darmkrämpfe, starkes Schwitzen….2. nach 15-30 Std.:<br />

Krämpfe; 3. nach 1-2 Tagen Delirium tremens: Halluzinationen, Wahnvorstellungen,<br />

Unruhe, Verwirrtheit, Herzrasen, Hyperthermie<br />

- Korsakow-Syndrom: Hirnschädigung, Erinnerungsverluste, sensorische und motorische<br />

Störungen, starke Demenz<br />

- Leberzirrhosen: narbige Schrumpfung, häufige Todesursache; außerdem: höheres<br />

Infarktrisiko, Mund- und Leberkrebs, Magengeschwüre, Pankreatitis, Gastritis<br />

- Fetales Alkoholsyndrom (FAS): geistige Retardierung, Koordinationsstörungen,<br />

schwacher Muskeltonus, geringes Geburtsgewicht, körperliche Deformationen<br />

- Wirkmechanismen: reduziert Kalziumeinstrom in Neurone, verstärkt inhibitorischen<br />

Neurotransmitter GABA, erhöht Anzahl der Bindungsstellen für Glutamat, stört secondmessenger<br />

System in Neuronen<br />

Marihuana<br />

- Getrocknete Blätter von Cannabis sativa, Wirkstoff ist Delta-9-THC<br />

- Wird seit Mittelalter vielfältig verwendet, seit 20. Jhd. Verteufelt und dann im<br />

Betäubungsmittelgesetz verboten<br />

- Wirkung ist schwer messbar; bei hohen Dosen psychologische Funktionsstörungen: KZG<br />

nimmt ab, Sprache verwaschen, sinnvolle Unterhaltung unmöglich, Heiterkeit,<br />

Intensivierung von Gefühlen keine erhöhte Gewaltbereitschaft keine verminderte<br />

Reaktionsfähigkeit, aber andere Einschätzung der Situation<br />

- Gefahr von Langzeitkonsum hauptsächlich Lungenschädigung, geringe Suchtgefahr<br />

- Möglichen, nicht belegte Auswirkungen: Senkung des Testosteronspiegels, geschwächtes<br />

Immunsystem, kardiovaskuläre Probleme, amotivationales Syndrom<br />

- Wirkmechanismus: THC bindet an Rezeptoren in Basalganglien, Hippocampus,<br />

Cerebellum und Neocortex<br />

Kokain und andere Stimulanzien<br />

- Stimulantien steigern die neuronale Aktivität und Betätigunsdrang allgemein<br />

- Kokain: aus Blättern des Cocastrauchs, wird Kokainhydrochlorid gemacht, wird<br />

geschnupft oder injiziert; in unreiner Form als Crack geraucht<br />

52


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Wirkung: Lokalanästhetikum, allgemeines Wohlbefinden: selbstsicher, wach, energisch,<br />

freundlich, extravertiert, gesprächig; geringes Bedürfnis nach Essen o. Schlaf<br />

- Kokssession: Koksorgie über mehrer Tage, Toleranz steigt laufend, es kann zu<br />

Kokainpsychose kommen (ähnlich wie Schizophrenie)<br />

- Gefahr: Bewusstseinsverlust, Tod durch Krampfanfall, Atemstillstand , Schlaganfall,<br />

Schädigung der Nasenschleimhäute<br />

- Hohes Suchtpotential, geringe Entzugserscheinungen; hemmt Wiederaufnahme der<br />

Katecholamine in präsynaptische Neurone, besonders Dopamin<br />

- Andere Stimulanzien: Amphetamine, z. B. Speed, Methamphetamin (Meth), Ecstasy<br />

- Gefahren noch unbekannt, außer Zerstörung von serotonergen Neuronen im ZNS<br />

Die Opiate Heroin und Morphium<br />

- Opium aus Samen des Schlafmohn hat mehrere Opiate: Morphium, Codein und Heroin<br />

- Unvergleichlich gute Analgetika (Schmerzmittel), aber hohes Suchtpotential<br />

- Bis ins 20. Jhd. Käuflich, seit 1929 im Betäubungsmittelgesetz eingeschränkt<br />

- Harrison Narcotics Act von 1914 verbot alles außer Heroin, das lange als Medikament<br />

benutzt wurde<br />

- Erst bei viel Konsum entwickelt sich Toleranz und physische Abhängigkeit, aber große<br />

Gefahr psychischer Abhängigkeit<br />

- Gesundheitsgefahr gering: Verstopfung, Pupillenverengung, unregelmäßige<br />

Menstruation, verringerte Libido<br />

- Entzugserscheinungen: Ruhelosigkeit, schwitzen, Kälteschauern, Gänsehaut,<br />

Beinkrämpfe, Schmerzen, Tremor, Muskelspasmen etc. nicht so schlimm wie bei<br />

Delirium Tremens oder Barbituraten<br />

- Größte Risiken entstehen durch Illegalität, hohe Kosten, soziale Ächtung, verunreinigte<br />

Ware<br />

- Wirkung: Bindung an Rezeptoren für Endorphine (endogene Substanzen)<br />

Vergleich der Gesundheitsgefährdung durch Tabak, Alkohol, Marihuana, Kokain und Heroin<br />

- Häufigkeit des Missbrauchs: viel höher für Tabak und Alkohol als für Rest<br />

- Gesundheitsrisiken: meiner Meinung nach viel höher für Tabak und Alkohol als für<br />

andere, auf jeden Fall aber höher als für Marihuana<br />

Das Drogendilemma: Wie das richtige Maß finden?<br />

- Drogenbekämpfung sollte sich ändern: Reduzierung der Nachfrage durch Erziehung,<br />

Forschung, Sozialprogramme; Behandlung statt Verfolgung der Abhängigen; Gesetz zur<br />

Regelung des spezifischen Drogengebrauchs; größere Freiheit für Richter bei Urteilen;<br />

keine Werbung für Zigaretten/Alkohol; eventuell Legalisierung von Marihuana;<br />

Versuchskliniken, die kleine Mengen von Drogen ausgeben; Bsp. an Holland nehmen<br />

13.4 Biopsychologische Theorien der Abhängigkeit<br />

Theorien der physischen Abhängigkeit<br />

- Theorie der physischen Abhängigkeit geht davon aus, dass Drogenabhängige durch<br />

Entzugserscheinungen dazu getrieben werden, Drogen weiter zu nehmen Teufelskreis<br />

- Aber: entgiftete Süchtige fallen erstaunlich oft in Sucht zurück, sobald sie aus Klinik<br />

entlassen werden.<br />

- Erklärung mit konditionierten Entzugssymptomen. Problem: viele situationsbedingte<br />

Effekte sind ähnlich Drogenwirkung, nicht entgegengesetzt; frühere Süchtige suchen<br />

Hinweisreize gerne und gezielt auf auch ohne dass Droge genommen wird<br />

- mit physischer Abhängigkeit können Rückfälle nicht erklärt werden<br />

Theorien der positiven Verstärkung<br />

- Theorie der positiven Verstärkung geht davon aus, dass nicht Vermeidung von<br />

unangenehmem Entzug, sondern vielmehr die erwartete positive Wirkung der Droge zu<br />

Rückfall führt<br />

53


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

- Annahme: hoher Drogenkonsum führt zu Sensibilisierung gegenüber der angenehmen<br />

Wirkung der Droge anschließend nicht mehr tatsächliches Wohlbefinden<br />

Verstärkungswert, sondern erwartetes Wohlbefinden, das mit Droge assoziiert wird<br />

13.5 Verstärkersysteme im Gehirn<br />

- Olds und Milner (1954): Entdeckung der intracraniellen Selbstreizung: Hebel drücken,<br />

um Stromstöße im eigenen Hirn zu erreichen (in Regionen, die vermutlich für allgemein<br />

angenehme Reize wie Futter, Wasser, Sex zuständig sind<br />

Grundlegende Eigenschaften der intracraniellen Selbstreizung<br />

- Unterschiede zu natürlichen Verstärkern: Selbstreizung wird beendet, sobald Strom<br />

abgestellt ist (schnelle Extinction normalerweise nur, wenn Reiz unangenehm war); nach<br />

Trennung vom Hebel muss erst Priming stattfinden, damit Selbstreizung wieder<br />

aufgenommen wird<br />

- Dennoch: Schaltkreise, der intracraniellen Selbstreizung stellen Verstärkersysteme dar<br />

- Belege: Selbstreizung und passendes Zielobjekt führt zu natürlich motiviertem Verhalten<br />

(Fressen, Brutpflege…); erhöhte natürliche Motivation (z. B. Deprivation) steigert<br />

Selbstreizung; bei manchen Hirnregionen gleicht Selbstreizung natürlichem<br />

Hebeldrücken (langsame Extinction, kein Priming nötig etc.); geringfügige Unterschiede<br />

zwischen Situation (natürlich, Selbstreizung) führten zu qualitativen Unterschieden<br />

Das mesotelencephale Dopaminsystem und die intracranielle Selbstreizung<br />

- Mesotelencephales Dopaminsystem geht von Mittelhirn (genauer: Substantia nigra,<br />

ventrales Tegmentum) in verschiedene Regionen des Telencephalons (u. a. präfrontaler<br />

Neocortex, limbischer Cortex, Amygdala, Striatum, Nucleus accumbens)<br />

- Mapping-Experimente: Kartierung der Selbstreizungspunkte im Mittelhirn: die meisten<br />

Stellen liegen in Substantia nigra und ventralem Tegmentum, Punkte mit höchsten<br />

Reaktionsraten haben größte Dichte von dopaminergen Fasern<br />

- Cerebrale Dialyse: Proben von extrazellulärer Flüssigkeit während Experiment<br />

entnommen und analysiert: enthielten hohe Dopaminkonzentration<br />

- Dopaminagonist/-antagonist-Experimente: Amphetamine (Agonisten) in Nucleus<br />

accumbens erhöhen Selbstreizungsrate des lateralen Hypothalamus , Spiroperidol<br />

(Antagonisten) verringern Selbstreizungsrate der ventralen Tegmentumregion<br />

- Hirnläsionen: Läsionen des mesotelencephalen Dopaminsystems der ipsilateralen Seite<br />

(zur Elektrode) stören Selbstreizung, Läsionen der ipsilateralen Seite nicht<br />

Das mesotelencephale Dopaminsystem und natürlich motivierte Verhaltensweisen<br />

- Versuch: Ratten dürfen nach 20 min leckere Flüssigkeit trinken, mehrere Tage;<br />

Mikroanalyse: Dopaminkonzentration im Nucleus accumbens steigt<br />

- Gleicher Versuch, nur Zugang zu paarungsbereitem Weibchen; Elektrochemie:<br />

Dopaminkonzentration in extrazellulärer Flüssigkeit steigt<br />

- Bei Affen: Reaktion von dopaminergen Neuronen entweder, wenn Belohnung<br />

unangekündigt, oder nur auf konditionierten Reiz, nicht auf Belohnung selbst<br />

- Konzentration auf Konsumatorische Verhaltensweisen und Präparatorische<br />

Verhaltensweisen (Appetenzverhalten, instrumentelles oder antizipatorisches Verhalten)<br />

Dopamin hat größere Rolle bei präparatorischem Verhalten<br />

13.6 Neuronale Mechanismen der Abhängigkeit<br />

- Selbstapplikationsparadigma: Ratten können sich per Hebeldruck Drogen verabreichen;<br />

ihr Sucht-Verhalten gleicht dem des Menschen<br />

- Konditioniertes Platzpräferenz-Paradigma: Ratten kriegen Drogen in Testhälfte des<br />

Käfigs, im drogenfreien Zustand bevorzugen sie diese Hälfte<br />

54


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Nachweis der Beteiligung des mesotelencephalen Dopaminsystems an der Drogenabhängigkeit<br />

- Tiere verabreichen sich Morphium in ventrale Tegmentumregion, Nucleus accumbens<br />

und Septum<br />

- Mikroinjektionen in verschiedene Strukturen führen zu konditionierter Platzpräferenz<br />

- Nur süchtig machende Drogen verstärken Belohnungseffekte durch elektrische Reizung<br />

- Störungen des mesotelencephalen Dopaminsystems (Läsion oder Antagonist) reduzieren<br />

Wirkung von systemisch injizierten Drogen und verhindern konditionierte Platzpräferenz<br />

es gibt noch mehr Experimente/Belege. Ziel der Forschung: selektive<br />

Dopaminantagonisten zu entwickeln, die positiv verstärkende Faktoren der Drogen<br />

reduzieren, ohne Antriebe für natürlich motiviertes Verhalten zu unterdrücken<br />

Kapitel 14: Gedächtnis und Amnesie<br />

14.1 Die amnestischen Auswirkungen von bilateralen mediotemporalen Lobektomien<br />

Frühe Theorien zur Gedächtnisspeicherung<br />

- Karl Lashley: Suche nach Engramm (für Speicherung von Erinnerung verantwortliche<br />

Veränderung im Gehirn) erwies sich als ergebnislos, daher Annahme von<br />

Massenaktionsprinzip und Prinzip der Äquipotenz<br />

- Zwei Mechanismen: Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis, dazwischen<br />

Konsolidierung<br />

Bilaterale mediale temporale Lobektomie<br />

- Patient H. M.: bei bilateraler medialer Lobektomie wurden mediale Teiler beider<br />

Temporallappen einschließlich Hippocampus und Amygdala entfernt als Heilung gegen<br />

Epilepsie dafür erfolgreich, jedoch andere Probleme<br />

H. M.s postoperative Gedächtnisstörung<br />

- H. M. litt unter leichter retrograder Amnesie (2 Jahre vor OP) und schwerer<br />

anterograder Amnesie: KZG ganz normal, aber keine Konsolidierung ins LZG möglich<br />

- Persönlichkeit, Intelligenz und Wahrnehmung völlig in Ordnung<br />

Neuropsychologische Untersuchung von H. M.s anterograder Amnesie<br />

- 7 standardisierte neuropsychologische Gedächtnistests: Digit-span + 1-Test, Corsi-<br />

Würfel-Test ( H. M. hatte globale Amnesie, d.h. alle Sinnesmodalitäten betreffend),<br />

Übereinstimmungstests (verbal geht einigermaßen/ nonverbal gar nicht gut),<br />

Spiegelzeichnen , Rotary pusuit-Test, Gollin-Test (Bilderfragmente) jeweils<br />

Verbesserung ohne Erinnerung an Tests), Tests zum Sprachverständnis, Pawlowsche<br />

Konditionierung (Spurenkonditionierung von Lidschlagreflex, funktionierte gut)<br />

H. M.s Beitrag zur Gedächtnisforschung<br />

- fünf Erkenntnisse: mediale Temporallappen sind wichtig für Gedächtnis; Forschung zu<br />

Rolle des Hippocampus und anderen Strukturen; Hinweise für Trennung von KZG und<br />

LZG; Hinweis für Konsolidierungs-Funktion des medialen Temporallappens (da sowohl<br />

KZG als auch LZG in Ordnung); Hinweis für Unterschied von deklarativem/explizitem<br />

Gedächtnis und prozeduralem/implizitem Gedächtnis<br />

Amnesie aufgrund von Schädigungen im medialen Temporallappen<br />

- Pawlowsche Konditionierung: verzögerte Konditionierung funktioniert problemlos,<br />

Spurenkonditionierung allerdings nicht. Lösung: verzögerte Konditionierung arbeitet mit<br />

implizitem Gedächtnis, Spurenkonditionierung mit explizitem Gedächtnis (welches bei<br />

einer solchen Schädigung nicht funktioniert)<br />

Semantisches und episodisches Gedächtnis bei Patienten mit medialer Temporallappen-Amnesie<br />

- Explizites Gedächtnis hat zwei Untertypen: semantisches Gedächtnis (allgemeine<br />

Fakten, Wissen) und episodisches Gedächtnis (Erfahrungen/Ereignisse des eigenen<br />

55


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Lebens) vor allem episodisches Gedächtnis ist gestört bei medialer Temporallappen-<br />

Amnesie<br />

Warum gibt es zwei Gedächtnissysteme, ein implizites und ein explizites?<br />

- Explizites Gedächtnis erlaubt Anwendung von gelerntem in anderen Situationen <br />

Flexibilität<br />

- Repetition-priming-Tests untersuchen implizites Gedächtnis: liste mit Wörtern lesen,<br />

später Wörter aus Liste vervollständigen können auch amnestische Patienten<br />

Der Fall R. B.: Auswirkungen einer selektiven Hippocampus-Läsion<br />

- Amnesie von R. B. wurde hervorgerufen durch Ischämie: zerstört wurde nur CA1-<br />

Region in der Pyramidenzellschicht des Hippocampus; Amnesie nicht so<br />

schwerwiegend, aber vergleichbar wie bei H. M.<br />

14.2 Die Amnesie des Korsakow-Syndroms<br />

- Geht auf Alkohol zurück, gekennzeichnet durch sensomotorische und motorische<br />

Störungen, starke Verwirrung, auffällige Persönlichkeitsveränderungen , Leber-,<br />

Magen/Darm- und Herzschäden<br />

- Läsion des medialen Diencephalons (medialer Thalamus und Hypothalamus), vereinzelte<br />

Schädigung von Neocortex und Cerebellum Anterograde Amnesie für explizites<br />

(besonders episodisches) Gedächtnis und schwere retrograde Amnesie<br />

Schädigung des medialen Diencephalons und Korsakow-Amnesie<br />

- Erste Annahme, dass Schädigung der Mamillarkörper verantwortlich sei, war falsch;<br />

stattdessen: Schädigung der mediodorsalen Nuclei des Thalamus auf jeden Fall<br />

verantwortlich für Amnesie; insgesamt aber Schädigung von mehreren Strukturen bei<br />

Korsakow-Amnesie<br />

Mediale diencephale Amnesie: der Fall N.A.<br />

- Läsion des medialen Diencephalons durch Unfall: leichte retrograde Amnesie für 2<br />

Wochen vor Unfall, starke anterograde Amnesie mit unbeabsichtigten, blitzlichtartigen<br />

Erinnerungen<br />

14.3 Gedächtnisstörungen bei Schädigungen des präfrontalen Cortex<br />

- Keine Ausfälle bei Gedächtnistests, aber Probleme mit zeitlicher Abfolge von<br />

Ereignissen und mit Serien von Handlungen, bei denen einzelne Schritte behalten werden<br />

müssen<br />

- Korsakow-Patienten haben dies Probleme, H. M. und N. A. nicht<br />

14.4 Die Amnesie bei der Alzheimer-Krankheit<br />

- Drei Arten von pathologischen Veränderungen im Gehirn: neuronale Degeneration,<br />

Neurofibrillen und Amyloidplaques, besonders häufig im temporalen, frontalen und<br />

parietalen Cortex und im basalen Vorderhirn<br />

- Anterograde und retrograde Amnesie im expliziten Gedächtnis sowie Störungen im KZG<br />

- Biochemie: Degeneration von Neuronen im basalen Vorderhirn (Nucleus basalis<br />

Meynert, diagonales Band von Broca, medialer Nucleus des Septums) führt zu Abnahme<br />

der cholinergen Aktivität im Gehirn (Acetylcholin-Mangel)<br />

- Versuch, mit Nootropika (Acetylcholinagonist) Gedächtnisleistung älterer Menschen zu<br />

verbessern<br />

- Acetylcholin-Mangel kann jedoch nicht einziger Grund für Amnesie sein, ebenso fehlen<br />

andere Neurotransmitter und medialer Temporallappen ist geschädigt<br />

56


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

14.5 Die Amnesie nach Gehirnerschütterungen<br />

- Posttraumatische Amnesie (PTA): Schläge auf den Kopf, die zu Gehirnerschütterung<br />

führen; häufigster Ursache von Amnesie<br />

- Ablauf: retrograde Amnesie für den Unfall, Koma, Verwirrung und anterograde Amnesie<br />

- Manchmal jedoch Gedächtnisinseln<br />

Elektroconvulsionsschock und verschiedene Ausprägungen von retrograder Amnesie<br />

- Elektrokonvulsionsschock (ECS) löst Krampfanfälle aus, Anwendung bei schweren<br />

Depressionen, Nebenwirkung: PTA<br />

- Versuch: Ratten, Tränke in Nische, danach ECS (10sek, 1min, 10 min 1 h, 3 h) Ergebnis:<br />

Konsolidierung des Lerninhalts dauert 10 min- 1h<br />

- Versuch: Menschen, Erinnerung an Fernsehshow flacher Gradient der retrograden<br />

Amnesie: Erinnerung gelöscht für Shows der letzten drei Jahre, nicht aber davor<br />

- Theorie der Konsolidierung: Speicherung expliziter episodischer Erinnerungen, solange<br />

sie bestehen, im Hippocampus; bei ähnlicher Info Festigung dieser Strukturen<br />

14.6 Neuroanatomie des Objekterkennungsgedächtnisses<br />

Affen als Tiermodell der Objekterkennungs-Amnesie: die Verzögerte Vergleichsaufgabe<br />

- Bei bilateralen medialen Temporallappenläsionen Störung der Verzögerten<br />

Vergleichsaufgabe (Affe soll Futter unter richtigem (neuem) Objekt entdecken); kann<br />

normal gelöst werden bei sehr kurzem Intervall (wenige Sekunden); gleiches Ergebnis<br />

bei Läsionen des medialen Diencephalons; gleiche Ergebnisse bei Menschen mit solchen<br />

Läsionen<br />

Frühe Versuche an Affen mit medialen Temporallappenschäden und Objekterkennungs-Amnesie<br />

- Gedächtnisrelevante Strukturen im Affenhirn: Hippocampus, Amygdala, Riechhirn<br />

- Problem: liegt Hauptursache für Amnesie bei Läsion von Hippocampus oder Amygdala?<br />

widersprüchliche Ergebnisse<br />

Ratten als Tiermodell der Objekterkennungs-Amnesie: noch einmal eine Verzögerte<br />

Vergleichsaufgabe<br />

- Vorteile von Ratten: Hippocampus leichter zugänglich, Riechhirn wird nicht geschädigt<br />

bei Läsion<br />

- Mumby-Box: 2 Türen, die nacheinander aufgehen für Verzögerte Vergleichsaufgabe<br />

- Effekt von Läsion von medialem Temporallappen und mediodorsalen Nucleus des<br />

Thalamus auf Leistungen der Verzögerten Vergleichsaufgabe ist bei Ratten, Affen und<br />

Menschen vergleichbar<br />

Neuroanatomische Grundlagen der Gedächtnisdefizite in der Objekterkennung nach medialer<br />

Temporallappenektomie<br />

- Ergebnis des Vergleichenden Ansatzes: Läsion von Hippocampus und Amygdala ohne<br />

Riechhirn hat kaum Auswirkungen auf Verzögerte Vergleichsaufgabe<br />

- Läsionen von Riechhirn allein haben großen Effekt auf Verzögerte Vergleichsaufgabe bei<br />

Ratten und Affen<br />

Hirnschädigungen durch Ischämie und Gedächtnisdefizite in der Objekterkennung<br />

- Problem: bei Ischämie wird kleiner Teil des Hippocampus geschädigt, schwere Defizite<br />

in Verzögerter Vergleichsaufgabe, bei vollständiger Hippocampus-Läsion jedoch kaum<br />

Defizite in Verzögerter Vergleichsaufgabe<br />

- Versuch von Mumby: Ischämie bei Ratten herbeigeführt, danach entweder sofort<br />

Ektomie, 1 Woche später Ektomie oder keine Ektomie nur letzten 2 Gruppen zeigen<br />

Defizite anscheinend Hippocampus keine Rolle bei Defiziten in Verzögerter<br />

Vergleichsaufgabe nach Ischämie<br />

57


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

14.7 Hippocampus und Gedächtnis für räumliche Beziehungen<br />

Tests für das Raumgedächtnis bei Ratten<br />

- Morrissches Wasserlabyrinth<br />

- Radiales Labyrinth (Fähigkeit, nur Futterbestückte Arme zu wählen =Maß für<br />

Referenzgedächtnis; Fähigkeit, jeden Arm nur einmal pro Tag zu wählen = Maß für<br />

Arbeitsgedächtnis)<br />

Ortszellen<br />

- Pyramidenzellen im Hippocampus der Ratte sind Ortszellen: sie feuern nur dann, wenn<br />

sich die Ratte an bestimmten Platz im Raum befindet<br />

- NMDA-Rezeptoren spielen Rolle bei Entwicklung von Ortsfeldern<br />

Vergleichende Studien zur Rolle des Hippocampus für das Raumgedächtnis<br />

- Vogelarten, die viele Futterverstecke haben, besitzen großen Hippocampus<br />

- Schwierigkeit, Studien zwischen Primaten und anderen Spezies zu vergleichen, da mit<br />

ersteren Studien zum Raumgedächtnis am PC stattfinden und nicht in kontrollierter<br />

Testumgebung<br />

Theorien zur Gedächtnisfunktion des Hippocampus<br />

- O´Keefe und Nadel: Theorie der kognitiven Landkarten (Hippocampus erstellt<br />

allozentrische Landkarte der äußeren Welt)<br />

- Rudy und Sutherland: Theorie der konfiguralen Assoziation Langzeitspeicherung von<br />

Beziehungen zwischen Hinweisreizen<br />

- Whishaw, McKenna und Maaswinkel: Weg-Integrations-Theorie: Integration von<br />

Bewegungen des Individuums im Raum, daraus Weg-Berechnung; Versuch: Ratte<br />

klettert durch Loch auf Plattform, holt Futter, klettert wieder zurück keine äußeren<br />

Hinweisreize vorhanden)<br />

14.8 Gedächtnisstrukturen des Gehirns: eine Zusammenfassung<br />

Riechhirn<br />

- Entscheidende Rolle bei Bildung des expliziten LZG, jedoch nicht eigentlicher Sitz des<br />

Objekterkennungsgedächtnisses<br />

Hippocampus<br />

- Konsolidierung des LZG für räumliche Beziehungen, nicht jedoch Speicherung.<br />

Fragwürdig, ob noch andere Funktion<br />

Amygdala<br />

- Verantwortlich für Erinnerung an emotionale Bedeutung von Erfahrungen<br />

Inferotemporaler Cortex<br />

- Konsolidierung des LZG, nicht für Speicherung; dafür sind wahrscheinlich sekundärer<br />

Cortex und Assoziationscortex zuständig<br />

Cerebellum und Striatum<br />

- Cerebellum speichert Erinnerung an gelernte sensomotorische Fertigkeiten<br />

- Striatum Speicherung für feste Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen<br />

Präfrontaler Cortex<br />

- Spezifische Gedächtnisprobleme bei Läsion: Erinnerung an zeitliche Abfolge von<br />

Ereignissen und mehrteiligen Aufgaben, bei denen erinnert werden muss, was schon<br />

ausgeführt wurde<br />

- Im fMRT bei Erinnern verstreut Aktivität im präfrontalen Cortex, Läsion hat aber<br />

paradoxerweise kaum Auswirkung<br />

Mediodorsaler Nucleus des Thalamus<br />

- Bei Korsakow-Patienten immer geschädigt<br />

- Ausfälle in Verzögerter Vergleichsaufgabe<br />

- Gleicher Gedächtnisschaltkreis (gleiche Störung bei Läsion) wie medialer<br />

Temporallappen<br />

58


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Basales Vorderhirn<br />

- Funktion für Gedächtnis noch nicht verstanden; nur einige Strukturen, z.B. mediales<br />

Septum, diagonales Band von Broca und Nucleus basalis Meynert haben mnestische<br />

Funktion<br />

Kap.15: Neuronale Plastizität: Entwicklung, Lernen und Wiederherstellung<br />

nach Hirnschädigungen<br />

- Simple-systems approach (Ansatz der einfachen Systeme):<br />

15.1 Phasen der Neuralentwicklung<br />

Induktion der Neuralplatte<br />

- 3 embryonale Zellschichten: Ektoderm, Mesoderm, Endoderm<br />

- Neuralplatte: kleiner Fleck ektodermalen Gewebes; 3. und 4. Woche Neuralrinne<br />

Neuralrohr (Zentralkanal und Hirnventrikel)<br />

- Vor Entwicklung der Neuralplatte: Zellen sind omnipotent<br />

- chemische Signale der Mesodermschicht verantwortlich für Entwicklung der<br />

Neuralplatte<br />

Neurale Proliferation<br />

- Sobald das Neuralrohr gebildet ist, beginnen die Zellen der verschiedenen Neuralrohrabschnitte<br />

in einer typischen Reihenfolge zu proliferieren artspezifisches Muster der<br />

Anschwellungen und Faltungen des Gehirns<br />

- Ventrikularzone: Schicht mit den meisten Zellteilungen im Neuralrohr<br />

- Stammzellen: haben die Fähigkeit, sich zu verschiedenen Arten von reifen Zellen zu<br />

entwickeln; Ausbildung unterschiedlicher Arten von Nerven- oder Gliazellen<br />

Migration und Aggregation<br />

- Migration: Wanderung der Nervenzellen entlang eines Netzwerks von radialen<br />

Gliazellen<br />

- Neurone wandern aus der Ventrikularzone in die Intermediärzone <br />

Subventrikularzone (Gliazellen oder Interneuronen) Marginalzone<br />

- Neuralleiste: Struktur unmittelbar dorsal des Neuralrohrs; Entwicklung zu Neuronen<br />

und Gliazellen des PNS<br />

- Weg der Zellen wird offenbar vom Substrat bestimmt, durch das sie wandern; Reihe<br />

chemischer Substanzen, die Neuronen entweder anziehen oder abstoßen<br />

- Aggregation: Neurone passen sich in den Verband anderer Zellen im gleichen Areal ein,<br />

um dort die Strukturen des Nervensystems aufzubauen<br />

- neuronalen Zelladhäsionsmolekülen vermitteln Migration und Aggregation<br />

Axonales Wachstum und Synapsenbildung<br />

- Wachstumskegel<br />

- Chemoaffinitäts-Hypothese: Experiment: Durchtrennen der Sehnerven von Fröschen<br />

und Drehen des Augapfels um 180° retinalen Ganglienzellen wachsen zum<br />

ursprünglichen Teil des Tectum opticum zurück<br />

- Hypothese: jede postsynaptische Oberfläche im Nervensystem trägt bestimmten<br />

chemischen Marker, der auswachsende Axone anzieht/abstößt<br />

- Wegweiserneuronen-Hypothese: Pionier-Wachstumszellen: Kontaktaufnahme mit<br />

neuronalen Zelladhäsionsmolekülen von Zellen entlang des Weges<br />

(„Wegweiserneurone“) Fasciculation: Tendenz auswachsender Neurone, der Route<br />

der Pionierzellen zu folgen<br />

- Hypothese vom Topographischen Gradienten<br />

59


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Neuronentod und Synapsenneuanordnung<br />

- Neuronentod: es werden etwa doppelt so viele Nervenzellen ausgebildet wie benötigt<br />

- Neurone sterben, weil es ihnen nicht gelingt, erfolgreich um Neurotrophine zu<br />

wetteifern<br />

- Nervenwachstumsfaktor<br />

- Apoptose: aktiv programmierter Zelltod<br />

- Nekrose: durch Schädigung von außen induzierter Zelltod<br />

- Synapsenneuanordnung: Zelltod führt zu einer massiven Neuanordnung von Synapsen;<br />

Selektivität der synaptischen Übertragung wird gesteigert, da sich der Output eines<br />

jeden Neurons auf eine kleinere Anzahl postsynaptischer Zellen konzentirert<br />

15.2 Auswirkungen von Erfahrung auf die neuronale Entwicklung<br />

Frühe Untersuchungen zu Auswirkung von Erfahrung auf die neuronale Entwicklung<br />

- Frühe visuelle Deprivation: Defizite beim räumlichen Sehen und Mustererkennung<br />

- Abwechselungsreiche Umgebung: dickere Cortices mit stärkerer Dendritenentwicklung<br />

und mehr Synapsen pro Neuron<br />

Die Konkurrenz zwischen Erfahrung und neuronaler Entwicklung<br />

- Frühe monoculare Deprivation: Entwicklung der Sehfähigkeit des deprivierten<br />

Auges blockiert; Sehfähigkeit des anderen Auges nimmt zu<br />

- Verändertes Muster des synaptischen Inputs in Schicht IV des primären visuellen Cortex<br />

- Veränderung der Breite der Säulen<br />

- Bei Neugeborenen: jede Muskelzelle von mehreren Motoneuronen innerviert alle bis<br />

auf ein Motoneuron werden eliminert<br />

Die Auswirkungen der Erfahrung auf die Entwicklung topographischer Karten in den<br />

sensorischen Cortices<br />

- Experimente zur Entwicklung topographischer Karten des auditorischen und des<br />

visuellen Systems:<br />

- retinalen Ganglienzellen von Frettchen bilden Synapsen im CGM statt CGL <br />

Hörrinde retinotopisch ausgelegt<br />

- Blickfeld von Schleiereulen durch Prismen verschoben entsprechende Veränderung<br />

der auditorischen räumlichen Karte im Tectum<br />

Mechanismen der Auswirkung von Erfahrung auf die neuronale Entwicklung<br />

- reguliert Expression von Genen für Synthese von Zelladhäsionsmolekülen<br />

- steuert Ausschüttung von Neurotrophinen<br />

- Auswirkung auf sich früh entwickelnde Neurotransmittersysteme<br />

5.3 Die neuronalen Grundlagen von Lernen und Gedächtnis bei einfachen Systemen<br />

- Lernen: Induktion neuronaler Veränderungen aufgrund von Erfahrungen<br />

- Gedächtnis: Aufrechterhaltung und verhaltensrelevante Anwendung dieser<br />

Veränderungen<br />

Lernen beim Kiemenrückziehreflex von Aplysia<br />

- Nichtassoziatives Lernen: Verhaltensänderung, die aus dem wiederholten Erfahren eines<br />

einzelnen Stimulus bzw. mehrerer verschiedener Stimuli resultiert, die weder räumlich<br />

noch zeitlich korreliert sind Habituation, Sensibilisierung, Präsynaptische Bahnung<br />

- Assoziatives Lernen:<br />

- Klassische Konditionierung: Versuchstier lernt eine Assoziation zwischen CS und US<br />

(CS = leichte Berührung des Siphons; US = starker Schwanzschock)<br />

- Differentielle klassische Konditionierung: klassische Konditionierung auf mit US<br />

gekoppelten CS + , nicht aber auf ungekoppelten CS -<br />

- Sekundäre Botenstoffen und strukturellen Veränderungen: Second Messenger induzieren<br />

bleibende Veränderungen in neuronaler Struktur und Funktion (Bsp.: cAMP aktiviert<br />

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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Proteinkinase A Schließung von Kaliumkanäle in den Endknöpfen Verlängerung des<br />

Aktionspotentials erhöhte Neurotransmitterfreisetzung Kurzzeitbahnung)<br />

- Langzeit-Bahnung: wird bewirkt durch Proteinkinase C, erfordert, dass Second<br />

Messengers die Proteinbiosynthese in Zellkörpern des Neurons anregen<br />

Langzeitpotenzierung im Säugerhippocampus<br />

- Langzeitpotenzierung (LTP): lang anhaltende Bahnung synaptischer Übertragung nach<br />

Aktivierung einer Synapse durch intensive hochfrequente Stimulation des<br />

präsynaptischen Neurons<br />

- 3 Synapsensysteme im Hippocampus: 1. Körnerzellen im Gyrus dentatus, 2. CA3-<br />

Pyramidenzellsynapse, 3. CA1-Pyramidenzellsynapse<br />

- Beziehung von LTP zu Lernen und Gedächtnis: Reverberation ist Grundlage für KZG,<br />

durch synaptische Veränderungen bewirkte Erleichterung der synaptischen Übertragung<br />

ist Grundlage für LZG<br />

- Hebbsche Regel: simultane Erregung von präsynaptischer und postsynaptischer Zelle ist<br />

physiologische Vorraussetzung für Lernen<br />

- Induktion der LTP: Antwort der NMDA-Rezeptoren hängt von 2 simultanen<br />

Ereignissen ab: Glutamatbindung und partielle Depolarisation<br />

- Aufrechterhaltung und Auswirkung der LTP: noch unklar, ob Aufrechterhaltung und<br />

Auswirkung der LTP prä- oder postsynaptische Phänomene sind<br />

15.4 Neuronale Degeneration, Regeneration und Reorganisation<br />

Neuronale Degeneration<br />

- Axotomie<br />

- Anterograde Degeneration: Degeneration des distalen Segments<br />

- Retrograde Degeneration: Degeneration des proximalen Segments (Degenerative<br />

Veränderungen oder Regenerative Veränderungen)<br />

- Nach Schädigung des ZNS: Phagocytose: Astroglia vermehrt sich stark und resorbiert<br />

den größten Teil der Zelltrümmer<br />

- Nach Schädigung des PNS: Degenerierende Neurone werden teilweise von Schwann-<br />

Zellen phagocytiert<br />

- Anterograde transneuronale Degeneration und Retrograde transneuronale<br />

Degeneration<br />

Neuronale Regeneration<br />

- Neuronale Regeneration: Wiederauswachsen von geschädigten Neuronen, findet nur im<br />

PNS statt<br />

- 3 Muster der axonalen Regeneration im PNS: 1. Myelinscheiden intakt; 2. Enden liegen<br />

dicht beieinander; 3. Enden liegen weit voneinander Schwann-Zellen produzieren<br />

neurotrophe Faktoren und Zelladhäsionsmoleküle<br />

- Kollaterales Aussprossen<br />

Neuronale Reorganisation<br />

- Primärer sensorischer Cortex<br />

1. Schädigung der sensorischen Bahnen<br />

2. Schädigung des Cortex selbst<br />

3. Veränderung der sensorischen Erfahrung<br />

- Primärer motorischer Cortex<br />

1. Schädigung von Motoneuronen<br />

2. Erfahrung<br />

langsame Veränderungen: Kompensation von Schädigungen im Nervensystem<br />

rasche Veränderungen: Gehirn auf veränderte Erfahrungen einstimmen<br />

61


J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

15.5 Therapeutische Anwendungsmöglichkeiten der Neuroplastizität<br />

Förderung der funktionalen Regeneration nach Hirnschädigungen durch Rehabilitations-training<br />

- Ein sehr einförmiges wiederholtes Training der stets gleichen Bewegung ist einer<br />

konventionellen Physiotherapie therapeutisch überlegen!<br />

Förderung der funktionalen Regeneration nach Hirnschädigungen durch Gentechnik<br />

- Stammzellen, deren genetisches Material sich so verändern lässt, dass sie ein bestimmtes<br />

Neurotrophin ausschütten, wenn sie reif sind; Injektion ins Gehirn eines Patienten, wo sie<br />

ins Gewebe in der Umgebung der Injektionsstelle aufgenommen werden und dort<br />

ihr Neurotrophin produzieren<br />

- Injektion von Viren ins Gehirn, die derart genetisch verändert wurden, dass sie<br />

Neurotrophine produzieren→ infizieren an der Injektionsstelle Zellen des dort<br />

vorhandenen Nervengewebes, wobei sie ihr genetisches Material in diese Zellen<br />

einbringen<br />

Förderung der funktionalen Regeneration nach Hirnschädigungen durch Neurotransplantation<br />

- Gewebe transplantieren, um das körpereigene Gewebe des Patienten zur Regeneration<br />

anzuregen<br />

- Gewebe verpflanzen, das ins ZNS des Empfängers integriert wird und dort verletzte<br />

Zellen ersetzt<br />

Förderung der Regeneration im ZNS durch Neurotransplantation<br />

- Abschnitte myelinisierter Nervenfasern aus dem PNS ins ZNS verpflanzen<br />

Einfügen von Ersatzgewebe ins Gehirn durch Neurotransplantation<br />

- Verletztes Gewebe wird durch entsprechendes gesundes Gewebe ersetzt<br />

- Versuche, die Parkinson-Krankheit durch Transplantation Dopamin freisetzende Zellen<br />

in das Striatum des Empfängers zu behandeln<br />

- Autotransplantation: Transplantation von Gewebe aus einer Körperregion des Patienten<br />

in eine andere Körperregion desselben Patienten<br />

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