J. P. J. Pinel: Biopsychologie - fab 4 book
J. P. J. Pinel: Biopsychologie - fab 4 book
J. P. J. Pinel: Biopsychologie - fab 4 book
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J. P. J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Anmerkung: Kapitel 16 und 17 fehlen. Das Skript kann das Lesen des Buches nicht ersetzen, ist aber eine gute<br />
Grundlage zum Auswendiglernen. Ist in 1 Woche zu schaffen;-)<br />
Kapitel 1: <strong>Biopsychologie</strong> als Neurowissenschaft<br />
1.1 Was ist <strong>Biopsychologie</strong>?<br />
- <strong>Biopsychologie</strong> ist der Zweig der Neurowissenschaften, der sich mit der Biologie des<br />
Verhaltens beschäftigt<br />
- Verhalten bezieht sich auf beobachtbare Aktivitäten des Organismus und auf ihnen<br />
zugrunde liegenden inneren Prozesse wie Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis,<br />
Motivation und Emotion<br />
- Beginn der <strong>Biopsychologie</strong>: etwa mit Hebb (1949): Organization of behaviour<br />
1.2 Die Beziehung zwischen der <strong>Biopsychologie</strong> und anderen neurowissenschaftlichen<br />
Disziplinen<br />
- Mit <strong>Biopsychologie</strong> verwandte Neurowissenschaften: Neuroanatomie, Neurochemie,<br />
Neuroendokrinologie, Neuropathologie, Neuropharmakologie, Neurophysiologie<br />
1.3 Typische Forschungsansätze der <strong>Biopsychologie</strong><br />
Probanden und Versuchstiere<br />
- Häufig verwendete Tiere: Ratten, Mäuse, Katzen, Hunde, Affen<br />
- Alle Gehirne sind in Struktur gleich, unterscheiden sich mehr in Quantität als in Qualität<br />
daher generalisieren von Tier auf Mensch möglich<br />
- Vorteil von Tieren:<br />
1. Gehirn und Verhalten ist einfacher strukturiert.<br />
2. Vergleichender Ansatz: Erkenntnisse ergeben sich aus dem Vergleich verschiedener<br />
Arten, z.B. mit hoch und niedrig entwickelter Großhirnrinde<br />
3. Versuche möglich, die Ethik beim Menschen verbietet<br />
Experimente und nichtexperimentelle Studien<br />
- Experiment: Intergruppenplan und Intragruppenplan<br />
- Coolidge-Effekt: Frage: zeigen Mäuseweibchen bei neuem Sexpartner gesteigerte<br />
Aktivität?<br />
- Quasiexperimentelle Untersuchung: Untersuchung an Versuchsgruppen, die<br />
verschiedenen Bedingungen außerhalb des Labors ausgesetzt sind. Keine Aufteilung<br />
nach Zufallsprinzip. Bsp.: Studie mit Alkoholikern<br />
- Fallstudie: Untersuchungen, die sich auf einen einzigen Fall beschränken und diesen<br />
detailliert beobachten. Problem: Generalisierbarkeit<br />
Grundlagenforschung und angewandte Forschung<br />
- Grundlagenforschung ist nur durch Neugier der Forscher motiviert. Nutzen vor allem für<br />
Außenstehende schwer ersichtlich (Finanzierungsproblem)<br />
- Angewandte Forschung ist auf direkten Nutzen ausgerichtet, wird von vielen Forschern<br />
für überflüssig gehalten<br />
1.4 Die Teilgebiete der <strong>Biopsychologie</strong><br />
1. Physiologische Psychologie<br />
Experimente, in denen chirurgische oder elektrische Eingriffe ins Nervensystem<br />
vorgenommen werden. Arbeitet mit Versuchstieren. Vor allem Grundlagenforschung<br />
1
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
2. Psychopharmakologie<br />
Experimente, in denen neuronale Aktivität mit psychoaktiven Substanzen (Drogen,<br />
Psychopharmaka) beeinflusst wird. Arbeitet mit Versuchstieren, manchmal auch mit<br />
Menschen. Vor allem angewandte Forschung.<br />
3. Neuropsychologie<br />
Untersucht Einfluss von Hirnschäden auf Verhalten. Beschäftigt sich meist mit dem<br />
Neokortex. Quasiexperimentelle Untersuchungen und Fallstudien. Sehr stark<br />
anwendungsorientiert.<br />
4. Psychophysiologie<br />
Untersucht Zusammenhänge von Verhalten und physiologischen Prozessen mit<br />
nichtinvasiven Ableitungsmethoden (EEG, Muskelspannung, Augenbewegung,<br />
Herzschlagfrequenz, Blutdruck, EDA…)<br />
5. Kognitive Neurowissenschaft<br />
Untersucht Kognition (Denken, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und komplexe<br />
Wahrnehmungsvorgänge). Hauptsächlich beim Menschen, mittels funktionalen<br />
bildgebenden Verfahren. Viel interdisziplinäre Zusammenarbeit.<br />
6. Vergleichende Psychologie<br />
Untersucht Verhalten allgemein, nicht nur neuronale Mechanismen. Vergleicht<br />
verschiedene Arten miteinander. Großer Teil: Verhaltensgenetik<br />
1.5 Konvergenz der Ansätze: Wie arbeiten Biopsychologen zusammen?<br />
- Probleme und Fragestellungen können besser gelöst werden, wenn sie mit verschiedenen<br />
Ansätzen untersucht werden.<br />
- Bsp.: Korsakow-Syndrom: schwerer Gedächtnisverlust, tritt häufig bei Alkoholikern auf.<br />
Ist aber nicht direkt auf Wirkung des Alkohols zurückzuführen, sonder auf Thiamin-<br />
Mangel (Vitamin B1-Mangel). Erkenntnis hier aufgrund von neuropsychologischen<br />
Fallstudien, Quasiexperimenten mit Menschen und Laborexperimenten mit Ratten.<br />
1.6 Wissenschaftliche Schlussfolgerung: Wie untersuchen Biopsychologen<br />
nichtbeobachtbare Gehirnfunktionen?<br />
- Viele Prozesse lassen sich nicht direkt beobachten, sondern nur deren Wirkung. In der<br />
Wissenschaft wird versucht, Experimente so zu planen, dass man aufgrund der<br />
Ergebnisse eines Experiments auf den zugrunde liegenden Prozess eines Phänomens<br />
schließen kann.<br />
- Bsp.: Bewegungswahrnehmungsexperiment (bewege selbst die Hand vor den Augen usw.<br />
Lösung: Reafferenzprinzip)<br />
1.7 Was ist schlechte Wissenschaft, und wie erkennt man sie?<br />
- Problem: bei Fragestellung lassen wir uns von unbewussten vorgefassten Konzepten und<br />
Ansichten leiten<br />
- Aus Fehlern werden Grundsätze und Methoden zur Experimentplanung entwickelt<br />
- Bsp. für skandalöse Fälle von schlechter Wissenschaft:<br />
1. José Delgado: Aggressivitätszentrum beim Stier<br />
2. präfrontale Lobotomie (Moniz): Präfrontaler Kortex wird vom Rest des Gehirns<br />
operativ getrennt zur Therapie bei mentaler Erkrankung. Ähnlich: transorbitale<br />
Lobotomie (Freeman). Nebenwirkungen: Amoralität, Mangel an Einsicht, Gefühlskälte<br />
Epilepsie und Harninkontinenz<br />
2
Kapitel 2: Evolutionäre und genetische Grundlagen des Verhaltens<br />
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
2.1 Denkansätze in der Biologie des Verhaltens: von der einfachen Dichotomie zur<br />
komplexen Wechselwirkung<br />
Physiologisch oder psychologisch?<br />
- Hervorgegangen aus Renaissance: Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft.<br />
- Trennung von Phänomenen in physiologische (erklärbar durch Wissenschaft) und<br />
psychologische (erklärbar durch Kirche/Religion): cartesischer Dualismus<br />
- Diese Trennung ist nicht mehr aktuell, psychologische Phänomene können durch<br />
Physiologie erklärt werden<br />
Angeboren oder erworben?<br />
- Auch bekannt als Erbe-Umwelt-Problem<br />
- In Nordamerika Behaviorismus: alles kommt aus der Umwelt und ist erlernt. Bsp.:<br />
Watson glaubte, er könnte ein beliebiges Kind zu einem beliebigen Menschen erziehen,<br />
je nachdem, in welchem Umfeld er es aufzöge<br />
- In Europa Ethologie: Beschäftigt sich mit angeborenem Instinktverhalten. Bsp.:<br />
Tinbergen untersuchte Schlüsselreize bei Möwen<br />
Die Grenzen der traditionellen Dichotomien<br />
- Zwei Gegenbeweise:<br />
1. bei Menschen können höhere komplexe Prozesse (wie Gedächtnis, Gefühl) durch<br />
Schädigung oder Stimulation des Gehirns beeinflusst werden. Bsp.: Asomatognosie<br />
(Unfähigkeit, eigene Körperteile zu erkennen)<br />
2. Tiere besitzen Fähigkeiten, die vormals als psychologisch (also menschlich) galten.<br />
Bsp.: Schimpansen erkennen sich selbst im Spiegel<br />
- Anlage und Umwelt wirken interaktiv, man kann nicht erklären, zu welchem Anteil sie<br />
ein Phänomen erklären<br />
- Grundannahmen Biopsychologische Forschung: Verhaltensreaktionen ergeben sich aus<br />
1. der genetischen Ausstattung eines Organismus, die ein Produkt der Evolution ist<br />
2. seiner Erfahrung<br />
3. seiner Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation<br />
2.2 Die Evolution des Menschen<br />
- Beginn mit Charles Darwin: On the Origins of Species (1859). Erklärt Evolution durch<br />
natürliche Selektion: Organismen mit der höchsten Fitness haben bessere<br />
Überlebenschancen<br />
- Belege für Evolutionstheorie: systematische Veränderung bei Fossilfunden, natürliche<br />
Selektion auf Galapagos-Inseln, Zuchtwahl bei Tieren und Pflanzen, Ähnlichkeiten im<br />
Knochenbau verschiedener Arten (z.B. Menschenhand und Fledermausflügel)<br />
Evolution und Verhalten<br />
- Soziale Dominanz: Alpha-Männchen paaren sich häufiger als alle anderen<br />
rangniedrigeren Männchen einer sozialen Gruppe höhere Wahrscheinlichkeit für<br />
Weitergabe von Genen<br />
- Werbeverhalten: eine Art ist i. A. in Bezug auf die Fortpflanzung von anderen Arten<br />
isoliert, begünstigt durch spezielles Werbeverhalten<br />
Verlauf der Evolution des Menschen<br />
- Evolution der Vertebraten (Wirbeltiere) in Mio. Jahren: 600 Beginn des Lebens 500<br />
Chordaten 425 Wirbeltiere 400 Amphibien 300 Reptilien 180 Säuger 150<br />
Vögel 6 Hominiden<br />
- Es gibt 20 Säugerordnungen: wir sind die Primaten. Es gibt 5 Primatenfamilien:<br />
Halbaffen, Neuweltaffen, Altweltaffen, Menschenaffen, Hominiden<br />
3
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Entstehung der Menschheit:<br />
Ordnung: Primaten<br />
Familie: Hominiden<br />
Gattung: 1. Australopithecus (vor 6 Mio. Jahren, ca. 1,30 groß, Schädelhöhe 500 cm 3 )<br />
2. Homo<br />
Art: 1. Homo habilis (vor 2 Mio. Jahren, Schädelhöhe 700 cm 3 )<br />
2.Homo erectus (vor 1,5 Mio. Jahren, Schädelhöhe 850 cm 3 )<br />
3. Homo sapiens (heutiger Mensch, Schädelhöhe 1350 cm 3 )<br />
- Zwischen Homo erectus (Werkzeuge, Feuer) und Homo sapiens: Neandertaler vor<br />
200000 Jahren, Cro-Magnon-Menschen vor 25 000 Jahren (Wandmalereien und<br />
Schnitzereien)<br />
Gedanken über die Evolution des Menschen<br />
- Evolution ist keine gerade Linie<br />
- Wir sind nur die letzen Überlebenden einer Art<br />
- Rasche Evolutionäre Veränderung durch Umweltveränderung oder genetische Mutation<br />
- Weniger als 1% der bekannten Arten leben noch<br />
- Evolutionäre Anpassungen sind weit entfernt davon, perfekt zu sein<br />
- Nicht alle Entwicklung ist adaptiv<br />
- Verlauf von Entwicklungen: entweder homolog (gleiche Herkunft, aber unterschiedliche<br />
Funktion, z.B. Menschenhand und Vogelflügel,) oder analog (verschiedene Herkunft<br />
aber gleiche Funktion, z.B. Fisch und Wal ) zurückzuführen auf konvergente<br />
Evolution (Veränderung zwecks Anpassung an jeweilige Ökologische Nische)<br />
Die Evolution des menschlichen Gehirns<br />
- Frühere Annahmen: Intelligenz beruht auf Größe des Gehirns, Intelligenz beruht auf<br />
relative Größe des Gehirngewichts zum Körpergewicht (Encephalisationsquotient) <br />
beides falsch<br />
- Entwicklung von Hirnstamm und Großhirn ist getrennt zu betrachten. Struktur der<br />
Gehirne verschiedener Arten ist gleich. Größe des Großhirns und der Windungen der<br />
Großhirnrinde (Cerebraler Cortex) bestimmt Intelligenz<br />
Zwischenbilanz<br />
- Funktionaler Ansatz untersucht Anpassungsvorteil und Selektionsdruck in Evolution<br />
- Vergleichender Ansatz untersucht Verhalten und neuronale Mechanismen verwandter<br />
Arten<br />
2.3 Genetische Grundlagen<br />
Die Mendelschen Gesetze der Vererbung<br />
- Kreuzung mit Erbsen:<br />
- Untersuchung von Dichotomen Merkmalen (Merkmale, die entweder in der einen oder<br />
der anderen Form auftreten, nicht aber kombiniert).<br />
- Kreuzung zweier Reinerbiger Zuchtlinien (bei Kreuzung innerhalb der Linie haben<br />
Nachkommen nur das eine Merkmal, sie sind homozygot)<br />
- Dominantes Merkmal bestimmt Phänotyp der 1. Filialgeneration, diese ist im Genotyp<br />
heterozygot<br />
- In 2. Filialgeneration sind 75% der Phänotypen gleich, davon 25 % der Genotypen<br />
homozygot, 50% der Genotypen heterozygot. 25% der Phänotypen ist verschieden<br />
(rezessiver Erbgang), deren Genotyp homozygot<br />
- Faktoren, die für ein Merkmal verantwortlich sind, heißen Gene, Ausprägung der Gene<br />
heißt Allel<br />
Chromosomen, Fortpflanzung und Genkopplung<br />
4
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Chromosomen sind Fadenartige Strukturen im Zellkern. Menschen haben 23<br />
Chromosomenpaare (diploider Chromosomensatz). Allele liegen auf einem<br />
Chromosomenpaar jeweils am selben Platz<br />
- Aus Meiose gehen Gameten (Keimzellen) hervor. Diese haben nur einen haploiden<br />
Chromosomensatz<br />
- Nach Befruchtung hat Zelle, jetzt Zygote genannt, wieder eine diploiden<br />
Chromosomensatz: 1x von Mutter, 1x von Vater<br />
- Mitose wird sonstige Zellteilung im Körper genannt, bei der Chromosomen auch<br />
verdoppelt wird. So entsteht ein neuer Organismus<br />
- Genkopplung: Untersuchung von Drosophila melanogaster (Morgan). Bestimmte Gene<br />
sind auf einem Chromosom gekoppelt.<br />
- Durch Crossing over entsteht neue Genkopplung auf einem Chromosom: bei Meiose<br />
überkreuzen sich nebeneinander liegende Chromosomen und tauschen einen Abschnitt<br />
aus. So können neue Merkmalskombinationen weitergegeben werden<br />
- Genkarten: Bestimmung, auf welchem Abschnitt eines Chromosoms welche Gene liegen<br />
Geschlechtschromosomen und geschlechtsgebundene Merkmale<br />
- Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom.<br />
- Geschlechtsgebundene Merkmale liegen auf diesen Chromosomen, meist auf X-<br />
Chromosom. Dominante Merkmale häufiger bei Frauen, rezessive Merkmale häufiger bei<br />
Männern. Bsp.: Farbenblindheit<br />
Chromosomenbau und Selbstverdopplung<br />
- Ein Chromosom hat ein doppelsträngiges Desoxyribonucleinsäure- Molekül.<br />
- DNA besteht aus vier Nucleotidbasen (Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin), die an einer<br />
Kette aus Phosphatresten und Desoxyribose (Zucker) hängen<br />
- Selbstverdopplung (Replikation): Doppelhelix öffnet sich, neue Nucleotidbasen aus<br />
Cytoplasma binden auf jedem Strang, bis zwei neue Stränge entstanden sind<br />
- Mutationen: bei Replikation entstandene Fehler<br />
Genetischer Code und Genexpression<br />
- Strukturgene: enthalten Information für die Synthese eines bestimmten Proteins<br />
(Aminosäurekette)<br />
- Operatorgene kontrollieren die Genexpression (Synthese eines Proteins) eines<br />
Strukturgens<br />
- Regulatorgene aktivieren oder deaktivieren Operatorgene. Sie werden von Signalen<br />
gesteuert, die Zelle aus Umgebung erhält. So interagiert Umwelt mit Genen.<br />
- Genexpression:<br />
1. Transkription<br />
Doppelhelix öffnet sich, Ribonucleinsäure bildet komplementären Strang mit Uracil statt<br />
Thymin. Dies ist die messenger-RNA.<br />
2. Translation<br />
m-RNA bindet im Cytoplasma an ein Ribosom, welches die genetische Info abliest. Drei<br />
Basen bilden jeweils ein Codon, welches für eine Aminosäure steht. Transfer-RNA holt<br />
entsprechende Aminosäuren aus dem Cytoplasma und bildet eine Kette am Ribosom<br />
Das Human Genome Project<br />
- Internationales Forschungsprojekt, hat alle menschlichen Chromosome kartiert<br />
- Weiteres Ziel: Bestimmung der Basensequenzen eines Gens<br />
Mitochondriale DNA<br />
- Mutationen der DNA in den Mitochondrien sind wichtig bei Entwicklung von<br />
Krankheiten<br />
- Mutationen können nicht durch Rekombination verschwinden und sind daher<br />
Untersuchung zugänglich<br />
5
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
2.4 Entwicklung und Verhalten: das Zusammenwirken von Vererbung und Umwelt<br />
- Ontogenese: Entwicklung eines Individuums im Laufe seines Lebens<br />
- Phylogenese: evolutionäre Entwicklung von Arten im Lauf der Erdgeschichte<br />
Selektive Züchtung von „Labyrinth-intelligenten“ und „Labyrinth-dummen“ Ratten<br />
- Tryon züchtete Labyrinth-intelligente und Labyrinth-dumme Ratten<br />
- Bei solchen Züchtungen wird meist nicht nur ein Merkmal, sondern mehrere gezüchtet <br />
dies muss in Tests geprüft werden<br />
- Umwelt und Erfahrung spielt eine Rolle für Entwicklung, kann Vor- bzw. Nachteil der<br />
Gene stärken/schwächen<br />
Phenylketonurie: eine auf einem einzigen Gen beruhende Stoffwechselstörung<br />
- PKU: verzögerte geistige Entwicklung, hervorgerufen durch hohe Konzentration von<br />
Phenylalanin im Blut. Wird rezessiv vererbt. Wird Neugeborenen mit dieser Störung in<br />
sensitiver Periode auf Phenylalanindiät gesetzt, kann Gehirnentwicklung nahezu<br />
normalisiert werden<br />
Die Entwicklung des Vogelgesangs<br />
- Arten unterscheiden sich in ihren Gesängen.<br />
- Sensorische Phase: Küken hören den art-typischen Gesang ihrer Eltern und anderer<br />
Erwachsener. Geschieht dies nicht, lernen sie ihn nicht<br />
- Sensomotorische Phase: Männchen beginnt mit Jugendgesang, lernt allmählich den<br />
Erwachsenengesang. Hierbei ist auditorische Rückmeldung nötig, taube Vögel lernen<br />
nicht oder falsch.<br />
- Kanarienvögel können ihr Repertoire immer erweitern: zwischen Paarungszeiten<br />
entwickeln sie neue Gesänge. Absteigende motorische Bahn (links wichtiger!) bestimmt<br />
Gesangsproduktion, anteriore Vorderhirnbahn vermittelt Gesangslernen.<br />
Gesangskontrollierende Struktur im Gehirn verdoppelt sich jedes Frühjahr!<br />
2.5 Zur genetischen Grundlage psychologischer Unterschiede bei Menschen<br />
Individualentwicklung versus Entwicklung von Unterschieden zwischen Individuen<br />
- Bei einem Individuum lässt sich Anlage-Umwelt-Frage nicht klären, bei Vergleich<br />
zwischen zwei Individuen schon<br />
- Vergleich von monozygoten und heterozygoten Zwillingen gibt Auskunft über Anteil des<br />
genetischen und umweltbedingten Einflusses auf die Entwicklung von Unterschieden<br />
Die Minnesota-Zwillinge-Studie<br />
- Bouchard et al. Untersuchten 59 getrennt aufgewachsene heterozygote und 47 getrennt<br />
aufgewachsene monozygote Zwillinge<br />
- Ergebnisse: eineiige Zwillinge sind sehr ähnlich hinsichtlich Intelligenz und<br />
Persönlichkeitsmerkmalen<br />
- Geschätzter Erblichkeitsgrad errechnet sich aus Anteil der genetischen Varianz an<br />
Gesamtvarianz. Liegt in der Studie bei 70%. Aber: nicht zu verallgemeinern, da sich die<br />
Gesamtvarianz nur auf diese konkrete Population bezieht. Zwillinge wuchsen alle in<br />
vergleichbaren Milieus (bedingt durch Adoptionskriterien) auf.<br />
Kapitel 3: Die Anatomie des Nervensystems<br />
3.1 Allgemeiner Aufbau des Nervensystems<br />
Die Gliederung des Nervensystems<br />
- Zentralnervensystem (ZNS): Gehirn und Rückenmark<br />
- peripheres Nervensystem (PNS):<br />
1. Somatisches Nervensystem: afferente Fasern schicken Info von Rezeptoren zum<br />
ZNS, efferente Fasern schicken Signale vom ZNS an Skelettmuskulatur<br />
6
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
2. Vegetatives (autonomes) Nervensystem (VNS):<br />
- Reguliert inneres Milieu. Gliedert sich in Sympathikus (Aktivierung) und<br />
Parasympathikus.<br />
- Efferente Fasern des sympathischen Systems entspringen dem thorakalen Bereich<br />
(Brustmark) und lumbalen Bereich (Lendenmark)<br />
- die Ganglienzellen liegen organfern im Truncus sympathicus (Grenzstrang) und im<br />
Bauchraum (z.B. Plexus solaris).<br />
- Efferente Fasern des Parasympathikus entspringen im Hirnstamm und im sakralen<br />
Bereich des Rückenmarks<br />
- die Ganglienzellen liegen bei den entsprechenden Organen.<br />
- Meist wirken die beiden Systeme antagonistisch.<br />
- Neurone von ZNS zu Ganglien heißen präganglionär, von Ganglien zu Organen<br />
postganglionär.<br />
- die Nerven des PNS gehen vom Rückenmark aus, mit Ausnahme der 12 Hirnnerven:<br />
I Bulbus olfactorius, II Nervus opticus, III Nervus oculomotorius, IV Nervus<br />
trochlearis, V Nervus trigeminus, VI Nervus abducens, VII nervus facialis,<br />
VIII Nervus stato-acusticus, IX Nervus glossopharyngeus, X Nervus vagus, XI Nervus<br />
accessorius, XII Nervus hypoglossus<br />
Hirnhäute, Ventrikel und Cerebrospinalflüssigkeit<br />
- Drei Hirn- und Rückenmarkshäute (Meningen):<br />
1. Dura Mater<br />
2. Arachnoidea (bindegewebshaltige Membran) Subarachnoidalraum (enthält<br />
Blutgefäße und Cerebrospinalflüssigkeit<br />
3. Pia mater<br />
- Rückenmark wird durchzogen vom Zentralkanal, dieser weitet sich im Gehirn zu<br />
Ventrikeln (III. und IV. Ventrikel verbunden durch Aquaeductus cerebri) alles gefüllt<br />
mit Cerebrospinalflüssigkeit, Schutzfunktion für Gehirn. In den Plexus choroidei<br />
(Kapillare) wird sie gebildet. Bei Überschuss von Flüssigkeit wird diese in den Sinus<br />
sagittalis superior abgezogen.<br />
Die Blut-Hirn-Schranke<br />
- Im Gehirn sind die Zellwände der Blutgefäße sehr dicht, dies verhindert die Diffusion<br />
von toxischen Stoffen. Benötigte Moleküle werden aktiv transportiert. Natürlich gibt es<br />
auch Ausnahmen.<br />
3.2 Die Zellen des Nervensystems<br />
Der Aufbau von Neuronen<br />
- Der Zellkörper hat eine semipermeable Membran, die Lipiddoppelschicht, mit Kanal-<br />
und Signalproteinen.<br />
- An ihn schließen sich Axon (Fortleitung von elektrischen Impulsen) und Dendriten<br />
(Aufnahme von elektrischen Impulsen) an. Impulsübertragung findet an Synapsen statt.<br />
- Im Neuron befinden sich der Zellkern mit DNA und Strukturen für Zellstoffwechsel,<br />
Proteinsynthese und Bereitstellung von Neurotransmittern<br />
- Es gibt unipolare, bipolare, multipolare Neuronen und Interneuronen<br />
Zellen des Nervensystems mit unterstützender Funktion: Gliazellen und Satellitenzellen<br />
- Nervenzellen werden von andren Zellen umgeben und mechanisch und funktionell<br />
unterstützt. Diese nennt man Gliazellen oder Neuroglia im ZNS und Satellitenzellen im<br />
PNS<br />
- Astroglia oder Astrocyten sind die größten Gliazellen. Sie umhüllen die Blutgefäße im<br />
Gehirn<br />
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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Oligodendroglia oder Oligodendrocyten senden stark myelisierte Fortsätze aus, die sich<br />
um die Axone einiger Neurone im ZNS wickeln. Myelin erhöht die Geschwindigkeit und<br />
Effektivität der axonalen Fortleitung<br />
- Ähnlich im PNS: Schwann-Zellen<br />
3.3 Neuroanatomische Techniken und Richtungsbezeichnungen<br />
Neuroanatomische Techniken<br />
- Golgi-Färbung: macht die Form von Neuronen sichtbar<br />
- Nissl-Färbung: macht die Anzahl der Neuronen in einem Gehirnausschnitt sichtbar<br />
- Elektronenmikroskopie: erzielt viel höhere Vergrößerung als Lichtmikroskopie, macht<br />
dreidimensionale Aufnahmen<br />
- Myelinfärbung: färbt alle myelin-isolierten Axone<br />
- Neuroanatomische Tracingtechniken: Anterograde Tracingmethode (wo enden Axone)<br />
und Retrograde Tracingmethoden (wo entspringen Axone). Chemikalie wird in bekannte<br />
Gehirnstruktur injiziert, und wandert dann zum End- bzw. Ausgangspunkt.<br />
- Neuroanatomische Richtungsbezeichnung:<br />
- bei Tieren: Anterior/Rostral (vorne), Posterior/Caudal (hinten), Dorsal (oben), Ventral<br />
(unten), Medial (zur Mitte hin), Lateral (seitlich)<br />
- bei Menschen: 1. Kopf: Anterior (vorne), Posterior (hinten), Superior/Cranial (oben),<br />
Inferior/Basal (unten)<br />
2. im Körper: Ventral (vorne), Dorsal (hinten), Anterior (oben), Posterior<br />
(unten)<br />
- Gehirnschnitte: Horizontal (oben/unten), Frontal (vorne/hinten) oder Sagittal<br />
(rechts/links)<br />
3.4 Das Rückenmark<br />
- Besteht aus zwei Zonen: der grauen Substanz (Schmetterlingsförmig, Zellkörper,<br />
unmyelinisierte Interneurone) und der weißen Substanz (Außenbereich, auf- und<br />
absteigende myelinisierte Axone<br />
- Graue Substanz: Hinterhörner und Vorderhörner<br />
- 62 paarweise angeordnete Spinalnerven mit je zwei Ästen, von denen einer durch<br />
Hinterwurzel eintritt (afferent, sensorisch, unipolare Neurone, bilden Spinalganglien),<br />
der andere durch die Vorderwurzel austritt (efferent, motorisch, multipolare Neurone)<br />
3.5 Die fünf Hauptabschnitte des Gehirns<br />
- Myelencephalon (Medulla oblongata), Metencephalon, Mesencephalon (Mittelhirn),<br />
Diencephalon, Telencephalon<br />
- Myelencephalon + Metencephalon = Rautenhirn<br />
- Diencephalon + Telencephalon = Vorderhirn<br />
- Großhirn = Telencephalon, Hirnstamm = Rest<br />
3.6 Die wichtigsten Strukturen des Gehirns<br />
Myelencephalon<br />
- Auch Nachhirn, Medulla oblongata. Unterster Teil des Gehirns<br />
- Besteht aus Faserzügen, die Signale zwischen Gehirn und Körper leiten<br />
- Formatio reticularis: Geflecht aus 100 winzigen Kernen, zieht sich bis ins<br />
Mesencephalon. Funktion: Aktivierung, aber auch Schlaf, Aufmerksamkeit, Bewegung,<br />
Erhalt des Muskeltonus, Herz-, Kreislauf- und Atemreflexe<br />
Metencephalon<br />
- Hinterhirn<br />
- Ebenfalls Faserzüge, Formatio reticularis, Kerne von Hirnnerven<br />
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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Unterteilt in Pons (Ausbeulung auf Ventralseite) und Cerebellum (Kleinhirn, große, stark<br />
gefaltete Struktur auf Dorsalseite, wichtige Rolle im sensomotorischen System)<br />
Mesencephalon<br />
- Mittelhirn<br />
- Unterteilt in Tectum und Tegmentum<br />
- Tectum: anterior/dorsal gelegen. Vierhügelplatte: Colliculi inferiores sind Teil des<br />
auditorischen Systems und Colliculi superiores sind Teil des optischen Systems<br />
- Tegmentum: posterior/ventral gelegen. Ebenfalls Faserzüge, Formation reticularis,<br />
Hirnkernnerven. Außerdem: periaquaeductales Grau umgibt den Aquaeductus cerebri,<br />
spielt Rolle bei der Übermittlung analgetischer Wirkung von Opiaten. Substantia nigra<br />
und Nucleus ruber sind wichtige Bestandteile des sensomotorischen Systems<br />
Diencephalon<br />
- Zwischenhirn<br />
- Unterteilt in Thalamus und Hypothalamus<br />
- Thalamus: zwei eiförmige Teile, liegen auf III. Ventrikel und sind durch Adhaesio<br />
interthalamica verbunden. Enthält verschiedene Kernpaare, afferente Signale erhalten<br />
und in Cortex projizieren. Darunter Corpus geniculatum laterale (seitlicher Kniehöcker,<br />
visuelles System), Corpus geniculatum mediale (mittlerer Kniehöcker, auditorisches<br />
System), Nucleus ventralis posterior (somatosensorisches System)<br />
- Hypothalamus: Rolle bei Steuerung motivationaler Zustände. Reguliert<br />
Hormonfreisetzung der Anhangdrüse Hypophyse (pituitary gland). Unterseite: Im<br />
Chiasma opticum treffen die Sehnerven (II. Hirnnerv) zusammen. Hinter der Hypophyse<br />
liegen die Mamillarkörper.<br />
Telencephalon<br />
- Endhirn, Großhirn<br />
- Größter Abschnitt, komplexeste Funktionen: Willkürbewegungen, analysiert<br />
sensorischen Input, komplexe kognitive Prozesse (Lernen, Sprechen, Problemlösen)<br />
- Cortex Cerebri (Hirnrinde): stark gefurchte Oberfläche. Tiefe Furchen heißen Fissuren,<br />
flache Furchen heißen Sulci, Windungen zwischen Furchen heißen Gyri.<br />
- Längsfurche (Fissura longitudinalis) trennt Hemisphären, verbunden sind diese durch<br />
Corpus callosum, ein Bündel von Nervenfasern (Kommissur)<br />
- Wichtige Orientierungsmerkmale: Zentralfurche (Sulcus zentralis) und Sylvische<br />
Furche (Fissura lateralis)<br />
- Jede Hemisphäre ist in vier Lappen (lobus) aufgeteilt: Frontallappen, Parietallappen<br />
(Scheitel), Temporallappen (Schläfe), Occipitallappen (Hinterhaupt)<br />
- Wichtige Gyri: Gyrus praecentralis (motorische Funktion), Gyrus postcentralis<br />
(somatosensorische Funktion), Gyrus temporalis superior (auditorische Funktion)<br />
- Neocortex nimmt etwa 90 % des Großhirns ein, besteht aus sechs Schichten (von oben<br />
nach unten). Enthält zwei Arten von Zellen: Pyramidenzellen und Sternzellen. Die<br />
Dichte der Zellen variiert je nach Schicht. Neocortex ist säulenartig organisiert:<br />
Dendriten und Axone ziehen sich vertikal hindurch.<br />
- Hippocampus liegt am unteren medialen Cortexrand, faltet sich in den medialen Bereich<br />
des Temporallappens<br />
- Limbisches System: Strukturen, die sich saumartig um den Thalamus gruppieren. Steuert<br />
Emotion, Motivation. Dazu gehören Mamillarkörper, Hippocampus, Amygdala<br />
(mandelförmige Kerne im anterioren Bereich des Temporallappens) Gyrus cinguli,<br />
Septum und Fornix (Bahn, die von Amygdala und Hippocampus zu Mamillarkörpern<br />
und Septum zieht).<br />
- Basalganglien: liegen seitlich vom Thalamus. Steuert Willkürbewegung. Dazu gehören<br />
Amygdala, Striatum (gebildet aus Nucleus caudatus und Putamen) und Globus<br />
9
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
pallidus. Interessant: Störung in Bahn von Substantia nigra zu Striatum verantwortlich<br />
für Parkinson-Krankheit<br />
Kapitel 4: Nervenleitung und synaptische Übertragung<br />
4.1 Das Ruhemembranpotential des Neurons<br />
Ableitung des Membranpotentials<br />
- Erfolgt mit 2 Mikroelektroden (hergestellt durch Mikroelektrodenziehgerät), eine im<br />
Neuron, andere in Extrazellulärflüssigkeit. Beide werden an ein Oszilloskop<br />
angeschlossen (horizontal laufender Punkt, der Abweichung im Potential sichtbar macht<br />
Die Größe des Ruhemembranpotentials<br />
- Ruhemembranpotential eines Neurons ist -70mV, d.h. das Innere der Zelle ist negativer<br />
geladen als die umgebende Extrazellulärflüssigkeit. Bei -70mV ist das Neuron polarisiert<br />
Die Grundlagen des Ruhemembranpotentials: Ionen<br />
- Potential bedingt durch ungleiche Verteilung von positiv und negativ geladenen Ionen.<br />
- Homogenisierende Einflüsse: 1. Tendenz der Ionen, sich entsprechend ihres<br />
Konzentrationsgradienten zu bewegen (auch Osmotischer Druck genannt); 2. Tendenz<br />
von gleichnamigen Ladungen, sich aufzulösen (Anziehung von gegenteilig geladenen<br />
Teilchen)<br />
- Aufrechterhaltende Einflüsse: 1. Permeabilität der Membran: hoch für Kalium und<br />
Chlorid, niedrig für Natrium (erfolgt alles durch Ionenkanäle), gar nicht für Proteinionen<br />
2. Natrium-Kalium-Pumpe: aktiver Transportmechanismus, der Natrium nach außen und<br />
Kalium nach innen pumpt (Verhältnis 3:2) und so die Potentialverschiebung durch<br />
Konzentrationsgradient bedingte diffundierende Ionen kompensiert<br />
- Verantwortlich für Ruhemembranpotential:<br />
- Natriumionen (Na + ): liegen außen, Konzentrationsgradient und<br />
elektrische Ladungsdifferenz ziehen sie nach innen, Permeabilität der Membran ist aber<br />
gering. Natrium-Kalium-Pumpe gleicht Diffusion wieder aus<br />
- Kaliumionen (K + ): liegen innen, Konzentrationsgradient zieht sie nach außen,<br />
Ladungsdifferenz hält sie innen, aber Permeabilität der Membran ist hoch. Natrium-<br />
Kalium-Pumpe gleicht Diffusion wieder aus.<br />
- Chloridionen (Cl - ): liegen außen, Konzentrationsgefälle zieht sie nach innen,<br />
Ladungsdifferenz zieht sie aber nach draußen. Diese Kräfte gleichen sich gegenseitig aus.<br />
- verschiedene negativ geladenen Proteinionen innen, können nicht durch die Membran<br />
4.2 Entstehung und Fortleitung postsynaptischer Potentiale<br />
- Wenn ein Neuron feuert, setzt es an synaptischen Endknöpfen Neurotransmitter frei.<br />
Diese diffundieren durch synaptischen Spalt und aktivieren an postsynaptischer Membran<br />
Rezeptoren. Sie wirken auf zwei Arten: Depolarisation Exzitatorisches<br />
postsynaptisches Potential und Hyperpolarisation Inhibitorisches postsynaptisches<br />
Potential<br />
- EPSPs und IPSPs sind abgestufte Antworten, sie breiten sich passiv aus<br />
- Eigenschaften: 1. Sehr schnelle Verbreitung, nahezu verzögerungsfrei 2. Abschwächung<br />
des Signals bei Ausbreitung<br />
4.3 Die Verarbeitung postsynaptischer Potentiale und die Entstehung von<br />
Aktionspotentialen<br />
- Ob Neuron feuert hängt nicht von einzelner Synapse, sondern von Gesamtbilanz aller am<br />
Axonhügel eintreffenden Potentiale ab (Summation)<br />
10
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Wird Erregungsschwelle durch Depolarisation erreicht, entsteht ein Aktionspotential<br />
(die Schwelle liegt für viele Neurone bei -65mV), d.h. Membranpotential kehrt sich um<br />
(auf etwa +50mV, für 1 ms)<br />
- AP ist eine Alles-oder-Nichts-Antwort<br />
- Räumliche Summation: Kombination von gleichzeitig an verschiedenen Synapsen<br />
eintreffenden EPSPs und IPSPs, diese können sich also jeweils verstärken, oder aber<br />
gegenseitig aufheben<br />
- Zeitliche Summation: Kombination von an der gleichen Synapse kurz aufeinander<br />
folgenden EPSPs und IPSPs. Dies ist möglich, da die ausgelösten Potentiale das<br />
Eingangssignal zeitlich überdauern.<br />
- Beide Typen von Summation finden dauernd statt.<br />
- Position der Synapse auf Neuron ist entscheidend dafür, wie stark sie Feuerung<br />
beeinflusst. (weite Entfernung vom Axonhügel = schwächeres Signal, bedingt durch<br />
Schwächung bei Weiterleitung)<br />
4.4 Die Weiterleitung von Aktionspotentialen<br />
Die Ionenbasis der Aktionspotentiale<br />
- Weiterleitung von APs erfolgt durch spannungsgesteuerte Ionenkanäle: Depolarisation<br />
am Axonhügel führt zu Öffnen der Natriumkanäle, Natrium strömt ein,<br />
Membranpotential wird umgepolt<br />
- Dadurch Öffnen sich Kaliumkanäle, Kalium strömt aus, Chlorid ein<br />
- Nach 1 ms hat AP sein Maximum erreicht, Natriumkanäle schließen sich wieder. Durch<br />
weiteren Ausstrom von K + wird Neuron repolarisiert<br />
- Kaliumkanäle schließen sich langsam, Membran kann kurzzeitig sogar hyperpolarisiert<br />
werden<br />
Refraktärzeiten<br />
- Absolute Refraktärzeit: 1-2 ms nach AP kann kein neues AP ausgelöst werden<br />
- Relative Refraktärzeit: bis Membranpotential wieder vollständig hergestellt ist, ist die<br />
Schwelle für ein erneutes AP höher<br />
- Folgen: APs wandern i. A. nur in eine Richtung; sie können nicht zurück, da<br />
Membranabschnitt noch refraktär ist. Außerdem ist Frequenz der Feuerung proportional<br />
zur Reizstärke; bei starker Reizung wird direkt nach absoluter Refraktärzeit wieder<br />
gefeuert, bei mittlerer/schwacher Reizung erst wieder nach Relativer Refraktärzeit<br />
Axonale Leitung von Aktionspotentialen<br />
- Leitung ist im Unterschied zum Zellkörper aktiv, d.h. erfolgt langsamer und nicht<br />
abgeschwächt als Erregungswelle, weil Natriumkanäle sehr dicht aneinander liegen<br />
- Leitung kann in beide Richtungen erfolgen: orthodrome Leitung erfolgt vom Zellkörper<br />
zu präsynaptischen Endigungen, antidrome Leitung wandert vom Endknopf zurück zur<br />
Zelle<br />
Fortleitung in myelinisierten Axonen<br />
- Die Membran kann nur in den unmyelinisierten Abschnitten, den Ranvierschen<br />
Schnürringen, depolarisiert werden. Zwischen den Schnürringen wird das Signal passiv<br />
weitergeleitet, was sehr schnell geht. Dabei schwächt es sich ab, löst aber jedes Mal<br />
erneut ein AP gleicher Stärke aus.<br />
- Diese nennt man saltatorische Erregungsleitung, weil sie sprunghaft erfolgt<br />
Die Geschwindigkeit der axonalen Leitung<br />
- Schnell in großen und in myelinisierten Axonen (z.B. Motoneurone, d.h. Synapsen auf<br />
Skelettmuskel). Bei Säugern bis zu 100 m/s möglich, bei Menschen bis zu 60m/s<br />
Leitung in Neuronen ohne Axon<br />
- Interneurone haben kein Axon, Leitung erfolgt hier mittels abgestufter, sich<br />
abschwächender Potentiale<br />
11
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
4.5 Synaptische Übertragung. Chemische Signalübertragung zwischen Neuronen<br />
Bau von Synapsen<br />
- Axodendritische Synapsen (enden oft auf dendritischen Dornen) und Axosomatische<br />
Synapsen sind die gängigsten Typen. Es gibt auch noch Dendrodendritische Synapsen<br />
(Weiterleitung in beide Richtungen) und axoaxonale Synapsen (präsynaptische<br />
Hemmung<br />
- 2 Arten von Hemmung: Präsynaptische Hemmung und Postsynaptische Hemmung<br />
- Gerichtete Synapsen: kleiner Synaptischer Spalt, gezielte Neurotransmitterfreisetzung<br />
(Normalfall)<br />
- Ungerichtete Synapsen: Zielort entfernt von Freisetzungsort, Neurotransmitter werden<br />
diffus durch Varikositäten auf Axon freigesetzt<br />
Synthese, Speicherung und Transport von Neurotransmittermolekülen<br />
- Zwei Typen von Neurotransmittermolekülen:<br />
1. Niedermolekulare: verschiedene Arten, werden im Cytoplasma der<br />
präsynaptischen Endigung synthetisiert, vom Golgi-Apparat in kleine synaptische<br />
Vesikel verpackt<br />
2. Höhermolekulare: Peptide (Proteine), werden von Ribosomen im Zellkörper<br />
gebildet, in große Vesikel verpackt und durch Mikrotubuli zur präsynaptischen<br />
Endigung transportiert<br />
- Viele Neurone enthalten zwei Transmitter, einen höher- und einen niedermolekularen<br />
(Koexistenz)<br />
Freisetzung von Neurotransmittermolekülen<br />
- AP öffnet Calciumkanäle, Ca ++ strömt ein und bewirkt Verschmelzung der Vesikel mit<br />
der Membran und Abgabe der Transmitter in den synaptischen Spalt (Exocytose)<br />
- Niedermolekulare Transmitter diffundieren bei plötzlicher, Höhermolekulare bei<br />
allgemeiner Zunahme der Calciumkonzentration<br />
Die Aktivierung von Rezeptoren durch Neurotransmittermoleküle<br />
- Ein Neurotransmitter ist ein Ligand (anbindendes Molekül) eines Rezeptors<br />
(Proteinmolekül an der postsynaptischen Membran)<br />
- Ein Ligand kann an mehrere Rezeptortypen binden, jeder Rezeptor bindet aber nur einen<br />
Liganden<br />
- Ionotrope Rezeptoren sind gebunden an ligandengesteuerte Ionenkanäle, sie bewirken<br />
also EPSPs oder IPSPs durch Öffnung von Natrium- oder Kaliumkanälen<br />
- Metabotrope Rezeptoren<br />
- sind auf Signalproteinen, die an ein G-Protein gekoppelt sind<br />
- sind häufiger, Wirkung ist langsamer, unspezifischer und variabler.<br />
- G-Protein löst Untereinheit ab, diese aktiviert Ionenkanal oder synthetisiert Second<br />
Messenger<br />
- Second Messenger bindet an Ionenkanäle, beeinflusst Stoffwechselaktivität der Zelle<br />
direkt, oder bindet an DNA und beeinflusst Genexpression<br />
- Niedermolekulare Transmitter werden an gerichteten Synapsen freigesetzt, aktivieren<br />
ionotrope Rezeptoren oder metabotrope Rezeptoren mit direkter Ionenkanal-Aktivierung<br />
rasche, kurzfristige Signale<br />
- Höhermolekulare Transmitter werden an ungerichteten Synapsen freigesetzt, aktivieren<br />
metabotrope Rezeptoren mit Second Messenger langsame, diffuse, lang anhaltende<br />
Signale<br />
- Autorezeptoren: sitzen an präsynaptischer Membran, binden Transmitter des eigenen<br />
Neurons reguliert Konzentration der Transmitterausschüttung<br />
Wiederaufnahme, enzymatischer Abbau und Recycling<br />
- Die meisten Neurotransmitter werden nach Ausschüttung wieder aufgenommen und<br />
erneut in Vesikel verpackt<br />
12
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Neuropeptide werden im synaptischen Spalt von Enzymen abgebaut (z.B. Acetylcholin<br />
durch Acetylcholinesterase)<br />
4.6 Die Neurotransmitter<br />
- Niedermolekulare Transmitter: Aminosäuren, Monoamine, lösliche Gase, Acetylcholin<br />
- Höhermolekulare Transmitter: Neuropeptide<br />
Aminosäuren als Neurotransmitter<br />
- Bei schnell wirkenden, zielgerichteten Synapsen<br />
- Glutamat, Aspartat, Glycin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA, wird aus Glutamat<br />
synthetisiert)<br />
Monoamine als Neurotransmitter<br />
- Werden meist diffus freigegeben<br />
- Synthetisiert aus einer einzigen Aminosäure<br />
- Insgesamt 4 Monoamine, einteilbar in zwei Gruppen:<br />
1. Katecholamine: entstehen alle aus Tyrosin L-DOPA Dopamin Noradrenalin<br />
Adrenalin. Neurone, die einen dieser Transmitter benutzen besitzen jeweils<br />
zusätzliches Enzym zur weiteren Synthese, heißen dopaminerg, noradrenerg und adrenerg<br />
2. Indolamine: entsteht aus Tryptophan, es gibt nur Serotonin<br />
Lösliche Gase als Neurotransmitter<br />
- Stickoxid und Kohlenmonoxid, diffundieren sofort durch Zellmembran, aktivieren<br />
Second Messenger. Schwierig zu untersuchen, da sehr kurzlebig<br />
Acetylcholin<br />
- Ankopplung von Acetylgruppe an ein Cholinmolekül, Anwendung in neuromuskulären<br />
Verbindungen, oft im ANS und überall im ZNS, Neurone heißen cholinerg<br />
Neuropeptide<br />
- Es gibt über 50 Stück<br />
- Am interessantesten sind Endorphine, diese aktivieren Systeme, die analgetische<br />
Substanzen produzieren und Systeme, die lustvolle Erfahrungen vermitteln<br />
- Neuropeptide sind Neuromodulatoren, d.h. sie geben keine Signale, sondern<br />
beeinflussen Empfindlichkeit für hemmende oder erregende Signale<br />
4.7 Pharmakologische Einflüsse auf die synaptische Übertragung<br />
- Psychoaktive Substanzen können die Aktivierung der Synapsen durch Neurotransmitter<br />
hemmen (Antagonisten) oder erleichtern (Agonisten)<br />
Wie pharmakologisch wirksame Substanzen die synaptische Übertragung beeinflussen<br />
- Synaptische Übertragung erfolgt in 7 Schritten. Bei jedem Schritt können psychoaktive<br />
Substanzen hemmende oder erleichternde Einflüsse ausüben<br />
- 1. Synthese des Neurotransmitters, 2. Speicherung in Vesikeln, 3. Abbau solcher<br />
Transmitter, die aus den Vesikeln ins Cytoplasma diffundieren, 4. Exocytose, 5.<br />
inhibitorisches Feedback der Autorezeptoren, 6. Aktivierung postsynaptischer<br />
Rezeptoren 7. Deaktivierung<br />
- Rezeptorblocker: antagonistische Pharmaka, besetzen den Rezeptor, ohne ihn zu<br />
aktivieren<br />
Psychoaktive Substanzen: vier Beispiele<br />
- Kokain: steigert Dopamin- und Noradrenalinaktivität, indem es ihre Wiederaufnahme in<br />
präsynaptische Endigung verhindert. Wirkung: Euphorie, Appetitverlust, Schlaflosigkeit,<br />
hat Suchterregendes Potential<br />
- Benzodiazepine: binden an Untertyp des GABA-Rezeptors, verstärken Bindung von<br />
GABA und bewirken so Hyperpolarisation durch Öffnung von Cl - -Kanälen. Wirkung:<br />
anxiolytisch, sedativ und antikonvulsiv<br />
13
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Atropin: Extrakt der Tollkirsche, Belladonna. Rezeptorblocker für muscarinartigen<br />
Acetylcholinrezeptor hohe Atropindosen wirken negativ auf Gedächtnis, was zeigt,<br />
dass cholinerge Mechanismen wichtig für Erinnern sind<br />
- Curare: Pflanzenextrakt aus Lianen. Rezeptorblocker für nicotinartigen<br />
Acetylcholinrezeptor. Bewirkt Lähmung des Organismus, Übertragung an<br />
neuromuskulären Verbindungen ist blockiert.<br />
Kapitel 5: Die Forschungsmethoden der <strong>Biopsychologie</strong><br />
Teil 1: Methoden zur Erforschung des Nervensystems<br />
5.1 Bildgebende Verfahren<br />
- Gibt es seit Anfang der 70er<br />
Röntgenkontrastdarstellung<br />
- Mit Röntgenkontrasttechniken kann man die Hirnventrikel und as Kreislaufsystem des<br />
Gehirns abbilden, wenn man vorher ein Kontrastmittel in das jeweilige System bringt<br />
- Pneumencephalographie: Cerebrospinalflüssigkeit wird durch Luft ersetzt, Ventrikel<br />
und Fissuren sind zu erkennen. Deformationen können Tumor bedeuten, Größenzunahme<br />
zeigt Degeneration des Hirns an.<br />
- Angiographie: Verfahren zur Visualisierung des cerebralen Gefäßsystems. Gefäßschäden<br />
können lokalisiert werden; diese können einen Tumor anzeigen<br />
Computertomographie<br />
- Computergestütztes Röntgenverfahren zur 3-D Darstellung des Gehirns. Röntgenröhre<br />
und Detektor drehen sich um Kopf des Patienten CT-Scan; CT-Scans von mehreren<br />
Ebenen werden zu 3-D Bild zusammengefügt<br />
Kernspintomographie<br />
- Beruht auf Strahlung angeregter Wasserstoffkerne (Protonen, H+) im Gewebe. Die<br />
Protonenkonzentration in verschiedenen neuronalen Strukturen unterscheidet sich stark.<br />
Liefert zweidimensionale Bilder, die auch zu 3-D zusammengesetzt werden können<br />
Positronen-Emissions-Tomographie<br />
- Geben Info über Aktivität statt über Struktur des Gehirns<br />
- Radioaktiv markierte 2-Desoxyglucose wird in Halsschlagader injiziert. Aktive Neurone<br />
verbrauchen Glucose. Vorteil von 2-DG: wird nicht direkt abgebaut<br />
- Andere Methode: aktive Neurone setzen Stickoxid frei, was gefäßerweiternd wirkt.<br />
Radioaktive markiertes Wasser im Kreislaufsystem zeigt, in welche Bereichen die<br />
Durchblutung zunimmt<br />
Funktionelle Kernspintomographie<br />
- fMRT genannt, bildet erhöhte Sauerstoffzufuhr aufgrund von Durchblutungszunahme ab.<br />
- Vorteil: macht sowohl Strukturen als auch Aktivität sichtbar<br />
5.2 Psychophysiologische Messungen<br />
- Werden an der Körperoberfläche erfasst<br />
Elektroencephalographie<br />
- Grobes Maß für die Erfassung der elektrischen Aktivität des Gehirns<br />
- Wert für Forschung: bestimmte Wellenmuster gehen mit Bewusstseinszuständen oder<br />
hirnpathologischen Zuständen einher (z.B. Alpha- Wellen, 8-10 Hz, große, Amplitude für<br />
entspannter Wachzustand)<br />
- Besonders interessant: Ereigniskorreliertes Potential (EKP). Sondertyp: evoziertes<br />
Potential (Antwort auf einen bestimmten sensorischen Stimulus)<br />
14
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Signalkomponente muss vom Hintergrundrauschen getrennt werden, z.B. durch<br />
Signalmittelung<br />
- Vorteil des EEG: hohe zeitliche Auflösung. Nachteil: niedrige räumliche Auflösung<br />
Muskelspannung<br />
- Muskeltonus ist Maß für allgemeinen psychologischen Erregungszustand<br />
- Elektromyographie misst Muskelspannung mit Elektroden über interessierendem Muskel<br />
Augenbewegung<br />
- Zwischen vorderem (positiv) und hinterem (negativ) Pol des Augapfels besteht eine<br />
Potentialdifferenz, die mittels Electrooculographie gemessen wird<br />
- Elektrodermale Aktivität<br />
- Gefühlsbetonte Gedanken und Erfahrungen führen zu erhöhter Hautleitfähigkeit<br />
- Das Hautleitwertniveau (skin conductance level, SCL) in einer bestimmten Situation<br />
wird mit der Hautleitfähigkeitsreaktion (skin conductance response, SCR) verglichen<br />
- Verantwortlich dafür sind Schweißdrüsen. Meist wird EDA an der Handinnenfläche<br />
gemessen<br />
Kardiovaskuläre Aktivität<br />
- Kardiovaskuläres System besteht aus Herz und Blutgefäßen<br />
- Man untersucht Herzschlagfrequenz (EKG, normal ist 70/min), Blutdruck (normal ist<br />
130 (systolisch)/70 (diastolisch) mmHg) und Blutvolumen (Plethysmographie)<br />
5.3 Invasive physiologische Untersuchungsmethoden<br />
Stereotaktische Chirurgie<br />
- Eine Messelektrode wird direkt ins Gehirn eingeführt. Mittels stereotaktischem Atlas<br />
wird Ort der Ableitung lokalisiert<br />
- Für Ratten ist oft das Bregma der Referenzpunkt (dort schneiden sich die<br />
Schädelknochen)<br />
- Ein stereotaktisches Instrument besteht aus Kopfhalter und Elektrodenhalter<br />
Die Läsionsmethode<br />
- Aspirationsläsionen: geht nur auf dem Cortex, Gewebe wird per Hand mit Glaspipette<br />
abgesaugt<br />
- Radiofrequenzläsionen: subcortikale Läsionen, Glaselektrode wird stereotaktisch<br />
eingesetzt, Wechselstrom verschmort Gewebe<br />
- Schnitttechniken: mit Skalpell werden Nerven oder Nervenbahnen gekappt<br />
- Kryogene Blockade: durch Kryosonde wird Kühlmittel gepumpt, dass Neuronenaktivität<br />
lahm legt. Vorteil: Reversibilität<br />
- Interpretation von Läsionseffekten ist problematisch, da nie gewünschtes Gewebe allein<br />
und komplett zerstört wird<br />
Bilaterale und Unilaterale Läsionen<br />
- Unilaterale Läsionen haben kaum Effekt, meist werden bilaterale Läsionen<br />
vorgenommen<br />
Elektrische Stimulation<br />
- Erfolgt durch bipolare Elektrode, unmittelbar Verhaltensrelevant. Meist gegenteiliger<br />
Effekt zu Läsion in gleichem Bereich<br />
Invasive Ableitungsmethoden<br />
- Intrazelluläre Ableitung (Tier darf sich dabei nicht bewegen)<br />
- Extrazelluläre Ableitung (keine Info über Membranpotential, Signale vieler Neurone<br />
erfassbar, Tier darf sich bewegen)<br />
- Summenableitung: größere Elektrode, die mehrere Neurone misst<br />
- Invasive EEG-Ableitung<br />
15
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
5.4 Psychopharmakologische Methoden im Tierversuch<br />
Arten der Applikation<br />
- Drei Arten der Applikation: 1. orale Aufnahme, 2. durch Sonde in den Magen:<br />
intragastrisch (IG), 3. durch Injektion: intraperitoneal (IP, Bauchhöhle), intramuskulär<br />
(IM), intravenös (IV)<br />
Selektive chemische Läsionen<br />
- Neurotoxine sind Nervengifte, welche bestimmte Neurone beschädigen. Bsp.: 6-<br />
Hydroxydopamin (6-OHDA) wird nur von Neuronen aufgenommen, die<br />
Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin ausschütten<br />
Messung der chemischen Aktivität des Gehirns<br />
- Mit 2-DG-Technik werden Rattengehirne präpariert: erst 2-DG schlucken, dann Aufgabe,<br />
dann getötet, Gehirn geschnitten und eingefärbt<br />
- Cerebrale Dialyse: dünnes Röhrchen wird ins Gehirn eingeführt und die Konzentration<br />
von neurochemischen Substanzen gemessen, während das Tier lebt<br />
- Elektrochemie: Substanzen auf Elektrode reagieren und produzieren so Strom, der<br />
gemessen werden kann<br />
Lokalisation von Neurotransmittern und Rezeptoren im Gehirn<br />
- Immunocytochemie: markierte Antigene gegen interessierenden Neurotransmitter<br />
werden injiziert. Später kann man dann gucken, in welchem Teil des Gehirns diese<br />
markierten Stoffe sich befinden.<br />
- In-situ-Hybridisierung<br />
5.5 Gentechnik<br />
Inaktivierung von Genen (Knockout)<br />
- Knockout-Mice: Gene werden aus embryonalen Zellen entfernt und diese in einen<br />
Mäuseembryo eingesetzt<br />
- Problem: Verhaltensmerkmale werden von vielen Genen beeinflusst, Elimination eines<br />
Gens beeinflusst auch Expression anderer Gene, Erfahrung eines Organismus kann<br />
Entfernung von Genen modifizieren<br />
Ersatz von Genen<br />
- Transgene Mäuse haben Gene von einer anderen Spezies eingebaut bekommen. Es ist<br />
auch möglich, das gleiche Gen mit nur einigen zusätzlichen Basen einzusetzen, so dass<br />
man es mit chemischen Substanzen ein und ausschalten kann<br />
- dies sind neuere Errungenschaften, man weis noch nicht, ob sie psychologischen<br />
Erkenntnisgewinn bringen<br />
Teil 2: Verhaltensstudien in der <strong>Biopsychologie</strong><br />
- Verhalten ist der sichtbare Ausdruck verborgener neuronaler Aktivität<br />
- Methoden zur Erforschung des Nervensystems wollen nicht Sichtbares beobachtbar<br />
machen, Verhaltensuntersuchungen wollen kontrollieren, vereinfachen und objektivieren<br />
- Im Verhaltensparadigma soll Verhaltensphänomen erzeugt und objektiv gemessen<br />
werden<br />
5.6 Die neuropsychologische Untersuchung<br />
- Neuropsychologen wollen nicht nur sensorische und motorische Funktionen, sondern<br />
auch subtile Veränderungen der Wahrnehmung und emotionalen, motivationalen und<br />
kognitiven Funktionen aufdecken<br />
16
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Tests dauern sehr lange; sie sollen eine Basis für eine Diagnose liefern, wenn<br />
neurologische Tests uneindeutig waren, Grundlage für Beratung und Betreuung eines<br />
Patienten schaffen und Effektivität einer Behandlung objektiv ermitteln<br />
Entwicklung neuropsychologischer Diagnostik<br />
- Entwickelte sich in drei Phasen:<br />
- mit Einzeltests sollte zwischen Patienten mit oder ohne Hirnschaden differenziert<br />
werden ging nicht<br />
- in den 60ern entwickelte man standardisierte Testbatterien mit verschiedenen<br />
Untertests, die zwar gesund von krank trennen, nicht aber die kranken differenzieren<br />
konnten<br />
- danach kam Patientenorientierte Testung (auch heute noch). Methode: erst<br />
Basistestung, dann ausgewählte Tests, um entdeckte Defizite zu spezifizieren. Moderne<br />
Tests sind theorie- und empiriegeleitet (z.B. über Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis)<br />
Außerdem wird nicht nur Leistung des Patienten, sondern auch Strategie berücksichtigt.<br />
Tests für die Basisdiagnostik<br />
- Intelligenz wird oft mit dem Wechsler-Intelligenztest (WAIS) gemessen. IQ sagt zwar<br />
nichts über Hirnschäden aus, kann aber helfen, andere Testergebnisse zu interpretieren.<br />
Muster der Leistungsschwächen in Subtests lässt Rückschlüsse auf Fehlfunktionen zu.<br />
- Gedächtnis muss mit vielen verschiedenen Tests gemessen werden, um 4 Fragen zu<br />
klären:<br />
1. Ist KZG oder LZG betroffen?<br />
2. sind LZG-Defizite anterograd oder retrograd?<br />
3. Betreffen LZG-Defizite semantisches oder episodisches Gedächtnis?<br />
4. gehören Defizite zu explizitem oder implizitem Gedächtnis?<br />
- Tests für Gedächtnis: Wechsler-Memory-Scale, Zahlengedächtnistest, Repetition<br />
Priming Tests<br />
- Tests zu Aufmerksamkeit und zur Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung (z.B.<br />
einfache Papier-Bleistift-Tests)<br />
Spezifischere Tests neuropsychologischer Funktionen<br />
- Störungen der Sprache äußern sich in Form von Aphasien. Es können Sprechen,<br />
Verstehen, Lesen und Schreiben betroffen sein.<br />
- Bsp.: für Tests: Aachener Aphasie Test, Token-Test (enthalten im AAT): Bildelemente<br />
mit Formen und Farben, Patient soll komplexer werdende Handlungen ausführen<br />
- Tests zur Sprachlateralität: eine Hemisphäre ist immer sprachdominant, bei den meisten<br />
Menschen die linke. Die Sprachlateralität muss geprüft werden, wenn am Gehirn operiert<br />
wird. Hauptsächlich zwei Tests: im Natriumamytaltest wird Natriumamytal in arteria<br />
carotis injiziert, Hemisphäre wird blockiert, falls dominante fällt Sprache aus für einige<br />
Minuten. Im dichotischen Hörtest hört man auf jedem Ohr über Kopfhörer andere<br />
Zahlenfolgen und soll diese wiederholen. Dies gelingt besser für Ohr kontralateral zur<br />
dominanten Hemisphäre.<br />
- Höhere exekutive Funktionen werden z.B. mit Wisconsin-Kartensortiertest überprüft<br />
(sortiere Karten nach Form, Farbe oder Anzahl, Regel wechselt zwischendurch)<br />
5.7 Verhaltensbiologische Methoden in den Kognitiven Neurowissenschaften<br />
- Zwei Prämissen: Jeder komplexe kognitive Prozess setzt sich aus kognitiven<br />
Basisprozessen zusammen. Jeder kognitive Basisprozess entspricht neuronaler Aktivität<br />
in einem bestimmten Hirnareal.<br />
- Stichwort Artificial Intelligence<br />
- Subtraktionstechnik: bei PET und fMRT werden Bilder eines Probanden bei<br />
verschiedenen kognitiven Aufgaben aufgenommen. Anschließend wird die Aktivität in<br />
diesen Bildern von derjenigen der Bilder der interessierenden Aufgabenstellung<br />
17
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
subtrahiert. Um Rauschen auszuschalten, werden diese Differenzbilder verschiedener<br />
Probanden gemittelt<br />
5.8 Biopsychologische Paradigmen des Verhaltens von Tieren<br />
Paradigmen für die Bewertung von artspezifischen Verhaltensweisen<br />
- Artspezifisches Verhalten kennzeichnet sich dadurch, dass es nahezu alle Individuen<br />
einer Art zeigen<br />
- Open-field-test: Verhalten des Tieres in einer leeren Box wird registriert, dies dient der<br />
Standardisierung. Als Maß für Ängstlichkeit dienen Bewegungsaktivität, Anzahl der<br />
Exkrementpartikel und Thigmotaxis (Aufenthalt in Nähe der Wände)<br />
- Tests zum Aggressions- und Defensivverhalten: Paradigma des Kolonieeindringlings,<br />
Labyrinth mit offenen Armen, Reaktion auf Experimentator. Zweck: oft für Test von<br />
anxiolytischen Psychopharmaka (z.B. Benzodiazepine)<br />
- Tests zum Sexualverhalten: Lordosehaltung und Lordosequotient beim Weibchen,<br />
Anzahl der Besteigungen und Anzahl des Eindringens bis zur Ejakulation beim<br />
Männchen<br />
Traditionelle Konditionierungsparadigmen<br />
- Klassische Konditionierung (US, CS, UR, CR; Bsp.: Pawlow)<br />
- operantes Konditionieren (Belohnung/Bestrafung; Bsp. für <strong>Biopsychologie</strong>:<br />
Selbstreizungsparadigma, Selbstapplikations-Paradigma)<br />
Seminatürliche Lernparadigmen bei Tierexperimenten<br />
- Besonderheiten der konditionierten Geschmacksaversion: Ratten entwickeln Aversion<br />
schon nach einem Durchgang, es ist egal, wie viel Zeit vergangen ist (gegen Prinzip der<br />
zeitlichen Kontiguität); Passung des Reizes ist wichtig (gegen Prinzip der<br />
Äquipotentialität)<br />
- Im radialen Labyrinth müssen Ratten sich orientieren, um Futter in identisch<br />
aussehenden Gängen zu finden<br />
- Morrissches Wasserlabyrinth: Ratten müssen in trübem Wasser zu verdeckter Plattform<br />
finden. Dies gelingt bald gut, obwohl keine Anhaltspunkte (außer Laborumgebung)<br />
gegeben sind<br />
- Konditioniertes defensives Vergraben: ein Objekt, von dem ein aversiver Stimulus<br />
ausgeht, wird schon nach einmaligem Erleben erkannt und vergraben. Diese Reaktion<br />
wird durch anxiolytische Pharmaka abgeschwächt.<br />
Kapitel 6: Hirnschäden des Menschen und Tiermodelle<br />
6.1 Ursachen von Hirnschäden<br />
Hirntumoren<br />
- Tumor ist enthemmtes Überschusswachstum körpereigenen Gewebes<br />
- 20% aller Tumore sind Meningeome, sie wachsen zwischen den drei Hirnhäuten des NS<br />
und sind abgekapselte Tumoren. Sie lösen Druck auf umliegendes Gewebe aus, sind<br />
meist benigne (gutartig) und können ohne Rezidivrisiko entfernt werden<br />
- Infiltrierend wachsende Tumore sind maligne (bösartig), können nur schwer ganz<br />
entfernt werden und wachsen daher weiter<br />
- Metastasierende Tumore entstehen aus Tumorfragmenten, die mit dem Blut ins Hirn<br />
transportiert werden und sich dort besonders gut ausbreiten können<br />
- Tumorwachstum resultiert aus Fehlfunktion von Mechanismen, die normales<br />
Zellwachstum und –teilung steuern darauf konzentriert sich Forschung<br />
Cerebrovaskuläre Störungen<br />
- Infarkt = Absterben von Gewebe in Folge eines Schlaganfalls<br />
18
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Zwei Arten von Schlaganfällen: Hämorrhagie und Ischämie<br />
- Cerebrale Hämorrhagie (Einblutung): ein Aneurysma, eine pathologische,<br />
ballonförmige Erweiterung eines Blutgefäßes, platzt, Blut schädigt umliegendes<br />
Nervengewebe. Aneurysmen sind congenital oder durch Infektionen oder Gefäßgifte<br />
entstanden.<br />
- Cerebrale Ischämie (Mangeldurchblutung): Blutzufuhr und somit Glucose- und<br />
Sauerstoffzufuhr wird unterbrochen.<br />
- Drei Hauptgründe: Thrombose (Pfropfen am Entstehungsort), Embolie (Pfropfen auf<br />
Wanderschaft), Arteriosklerose (Gefäßverhärtung/-verdickung).<br />
- Blockierung von Blutgefäß führt zu Hyperaktivität der betroffenen Neurone erhöhte<br />
Glutamatausschüttung aktiviert postsynaptische NMDA-Rezeptoren toxische<br />
Reaktion breitet sich kaskadenartig aus, Neurone sterben ab<br />
- mögliches Gegenmittel: Gabe von NMDA-Rezeptorblockern direkt nach Schlaganfall<br />
(muss noch entwickelt werden)<br />
Gedeckte Schädel-Hirn-Traumata<br />
- Bei Hirnquetschungen führen zu inneren Blutungen, die dann als Hämatome von außen<br />
sichtbar sind<br />
- Contre-Coup-Verletzung: Hirn prallt durch Schlag gegen die Schädelinnenwand der<br />
gegenüberliegenden Kopfhälfte<br />
- Gehirnerschütterungen sind i. A. zeitlich begrenzte Bewusstseinstrübungen ohne<br />
anatomische Schäden. Aber: Punch-drunk-syndrom äußert sich in starker Demenz, z.B.<br />
bei Boxern<br />
Gehirninfektionen<br />
- Ins Gehirn eindringende Mikroorganismen führen zu entzündlichen Veränderung<br />
(Encephalitis)<br />
- Bakterielle Infektionen: Meningitis (Gehirnhautentzündung) oder Hirnabszesse<br />
(Eiteransammlungen) Bsp.: Syphilis kann zu Meningitis führen Symptomkomplex:<br />
Irrsinn und Demenz = progressive Paralyse<br />
- Virusinfektionen: neurotrope Viren (Affinität zum Nervengewebe, z.B. Tollwut) und<br />
pantrope Viren (z.B. Mumps, Herpes)<br />
- Eiweißmoleküle (Hirnstoffwechsel störende Molekülstruktur, degeneriert Gehirn<br />
schwammartig, z.B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit<br />
Neurotoxine<br />
- Toxische Psychose: chronische Geistesgestörtheit, z.B. durch Quecksilber oder Blei<br />
hervorgerufen. Manche antipsychotische Medikamente haben solche Wirkung, führen zu<br />
Spätdyskinesie, werden heute nicht mehr angewandt. Auch Alkohol hat solche Wirkung.<br />
Außerdem: Autoimmunkrankheit wie z.B. Multiple Sklerose<br />
Genetische Faktoren<br />
- Down-Syndrom: Trisomie des Chromosoms 21, tritt bei 0,15% aller Geburten auf,<br />
hervorgerufen durch Fehler bei Zellteilung<br />
- Die meisten genetisch bedingten neurologischen Störungen kommen von abnormen<br />
rezessiven Genen, z.B. PKU<br />
- Abnormes dominanten Gen: Huntington-Erkrankung, tritt erst im Erwachsenenalter zum<br />
Vorschein<br />
Programmierter Zelltod<br />
- Zwei Arten von Zelltod: 1. Apoptose: Überflüssige und dysfunktional werdende Zellen<br />
begehen Selbstmord, werden von Makrophagen aufgefressen, Zellkern verschwindet<br />
zuerst, dauert Tage 2. Zellnekrose: Verletzung bringt Zelle zum Anschwellen und<br />
Platzen, dadurch entsteht Entzündung, Immunzellen fressen Zellreste, Zellkern<br />
verschwindet zuletzt, dauert Stunden<br />
19
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Bei cerebraler Ischämie kann man versuchen, Apoptose durch Medikamente zu<br />
verhindern<br />
6.2 Neurologische Erkrankungen mit neuropsychologischen Störungen<br />
- Problem der Differentialdiagnose: Entscheidung, ob und an welcher<br />
neuropsychologischen Störung ein Patient leidet.<br />
- Man versucht, Symptomkomplexe zu finden, die eine gemeinsame Ursache haben, und<br />
dadurch eine Krankheit zu definieren; Patienten unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer<br />
der Kombination einzelner Symptome.<br />
Epilepsie<br />
- Hauptsymptom ist ein epileptischer Anfall. Von Epilepsie spricht man, wenn dieser<br />
Anfall durch chronische Gehirnfehlfunktion ausgelöst wird<br />
- Anfall in Form von Krämpfen (Convulsionen), gekennzeichnet durch Muskelschütteln<br />
(Clonus) und Streckstarre (Tonus), Verlust des Gleichgewichts, Bewusstlosigkeit<br />
- Im EEG treten während eines Anfalls Spikesalve von großer Amplitude auf<br />
- Epileptische Aura kündigt Patienten oft einen neuen Anfall an<br />
- Zwei Arten von Epilepsie: Partielle Epilepsie oder Generalisierte Epilepsie<br />
- Partielle Anfälle: betreffen nur Teil des Gehirns. Zwei Hauptkategorien:<br />
- einfache partielle Anfälle: sind sensorisch und motorisch (in entsprechenden<br />
Hirnregionen, ansonsten im ganzen Körper).<br />
- Komplexe partielle Anfälle: beschränkt auf Temporallappen, Ankündigung durch Aura,<br />
psychomotorische Attacken<br />
- Generalisierte Anfälle: betreffen ganzes Gehirn. Zwei Hauptkategorien:<br />
- Grand-Mal-Anfall: Primäre Symptome: Bewusstlosigkeit, Verlust des Gleichgewichts,<br />
heftige tonisch-klonische Krämpfe. Außerdem: Zungenbiss, Harninkontinenz, Cyanose<br />
Hypoxie (Sauerstoffmangel im Blut weitere Hirnschäden)<br />
- Petit-mal-Anfall: nicht immer Krämpfe, Bewusstseinstrübung. EEG: bilateral-<br />
symmetrisches Spike-and-wave-Muster. Treten oft bei Kindern auf, verschwinden mit<br />
Pubertät, oft Epilepsie unerkannt<br />
Die Parkinson-Krankheit<br />
- Bewegungsstörung. Symptome: Ruhetremor, Muskelsteifigkeit, maskenartiges Gesicht,<br />
quälende Ruhelosigkeit, Bradykinese, schlurfender Gang, keine intellektuellen<br />
Störungen!<br />
- Ursachen können vielfältig sein, bleiben meist ungeklärt<br />
- Zusammenhang mit Degeneration der Substantia nigra, die über nigrostriatale Bahn ins<br />
Striatum projiziert.<br />
- Dopamin ist der Neurotransmitter für Substantia nigra und Striatum, fehlt bei Parkinson<br />
Patienten Gabe von L-DOPA oder Dopaminagonisten kann Krankheit zeitweilig<br />
verbessern<br />
Die Huntington-Krankheit<br />
- Bewegungsstörung, starke genetische Komponente, geht einher mit schwerer Demenz.<br />
Symptom: schnelle ruckartige Zuckungen (auch als Veitstanz bezeichnet)<br />
- Vererbt durch dominantes Gen, Erkrankung tritt erst im mittleren Alter auf, Hälfte der<br />
Nachkommen erkrankt ebenfalls<br />
- Unheilbar, Tod nach 15 Jahren<br />
- Abnormes Gen produziert Protein Huntingtin, das überall im Gehirn produziert wird,<br />
jedoch nur Striatum und cerebrale Hemisphäre zerstört<br />
- Es ist möglich zu testen, ob man Gen geerbt hat oder nicht<br />
Multiple Sklerose<br />
- Myelin im ZNS wird nach und nach zerstört, Axone verhärten, weiße Substanz wird<br />
degeneriert.<br />
20
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Diagnose ist schwierig, je nach Anzahl, Lage und Größe der Läsionen<br />
- Krankheit verläuft in Schüben<br />
- Symptome: Ataxie (Unfähigkeit der Bewegungskoordination), Sehstörungen,<br />
Muskelschwäche, Taubheit der Gliedmaßen, Intensionstremor und Harninkontinenz<br />
- Epidemiologie: Umweltfaktoren wie Geographie oder Ernährung, aber auch genetische<br />
Faktoren, z.B. die Rasse spielen eine Rolle<br />
- Versuche bei Labortieren: Myelin und Immunreaktion Stimulator injiziert, führt zu<br />
experimenteller autoimmuner Encephalomyelitis ähnlich zu MS, Vermutung: MS ist<br />
krankhafte Autoimmunreaktion<br />
Die Alzheimer-Krankheit<br />
- Häufigste Ursache für Demenz, tritt meist zunehmend ab 40 auf.<br />
- Progressiver Verlauf<br />
- Kennzeichen: Neurofibrillenknäuel und Amyloidplaques mit Kernregion aus<br />
Amyloidproteinen, substantieller Neuronenverlust. Ausgeprägt im medialen<br />
Temporallappen (entorhinaler Cortex, Amygdala, Hippocampus), im inferioren<br />
temporalen Cortes, posterioren parietalen Cortex und präfrontalem Cortex<br />
- Wichtige genetische Komponente, Zusammenhang möglich mit defekt auf Chromosom<br />
21, 14 oder 1<br />
- Keine wirksame Behandlungsmöglichkeit. Auf jeden Fall hilfreich: Aspirin oder<br />
Ibuprofen können Fortschreiten der Krankheit verzögern<br />
6.3 Tiermodelle neurologischer Erkrankungen mit neuropsychologischen Störungen beim<br />
Menschen<br />
- Drei Typen von Tiermodellen: homologe Tiermodelle, isomorphe Tiermodelle und<br />
prädiktive Tiermodelle<br />
- Tiermodelle sind sehr problematisch, es ist schwer nachzuweisen, dass sie tatsächlich<br />
wertvolle Hinweise zur Aufklärung von Krankheiten liefern.<br />
Das Kindling-Modell der Epilepsie<br />
- Ratten werden durch Elektrode in Amygdala einmal täglich gereizt, dies führt zu<br />
Krämpfen, die nach und nach stärker werden; klappt auch bei Reizung anderer Strukturen<br />
- Nachgewiesen bei verschiedenen Tieren<br />
- Neuronale Schäden sind irreversibel, Effekt wird durch zeitlich verteilte, nicht aber<br />
zeitlich konzentrierte Stimulation hervorgerufen<br />
- Krampfanfälle ähneln denen epileptischer Patienten; Art der Epileptogenese ebenfalls<br />
- Dilantin blockiert Krämpfe nach Stimulation von Neocortex, Valium blockiert Krämpfe<br />
nach Stimulation von Amygdala<br />
Das transgene-Maus-Modell der Alzheimer-Krankheit<br />
- Gene für die Bildung menschlicher Amyloidproteine werden in Mäuse verpflanzt, so dass<br />
deren Gehirn viele Amyloidplaques, ähnlich wie beim Alzheimerpatienten, enthält<br />
- Diese Mäuse haben Defizite von Gedächtnisleistungen, vor allem wenn sie auf<br />
Hippocampus beruhen<br />
- Überprüfung mit Y-Labyrinth und Morrisschem Wasserlabyrinth<br />
Das MPTP-Modelll der Parkinson-Krankheit<br />
- Drogenabhängige entwickelten Symptome von Parkinson, nachdem sie Wirkstoff MPTP<br />
gespritzt hatten<br />
- Versuche bei Primaten: MPTP führt zu Schädigung der Substantia nigra<br />
- Deprenyl ist ein Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer), erhöht Dopaminspiegel,<br />
indem Abbauenzym Monoaminoxidase gehemmt wird kann Progression im<br />
Frühstadium der Krankheit verhindern<br />
21
Kapitel 7: Das visuelle System: vom Auge zum Cortex<br />
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
7.1 Licht und Netzhautbild<br />
- Licht kann man als diskrete Energiepartikel (Photonen) oder als elektromagnetische<br />
Wellen betrachten<br />
- Sichtbares Licht. Wellenlängen von 380-760 nm<br />
- Wellenlänge ist wichtig für Farbwahrnehmung, Intensität ist wichtig für<br />
Helligkeitswahrnehmung<br />
- Pupillengröße wird durch musculus constrictor pupillae (parasympathisch) und musculus<br />
dilatator pupillae (sympathisch) an Beleuchtung angepasst Kompromiss zwischen<br />
Sensitivität und Sehschärfe<br />
- Linse fokussiert das Licht auf die Retina, Brechkraft wird akkommodiert durch<br />
Ciliarmuskel (hohe Brechkraft = nahes Objekt = angespannter Ciliarmuskel)<br />
- Kurzsichtigkeit: Myopie, Augapfel zu lang, konkave Linse; Weitsichtigkeit:<br />
Hypermetropie, Augapfel zu kurz, konvexe Linse<br />
- Durch Konvergenz der Augen (Drehung je nach Fixationsebene) fallen bestimmte Punkte<br />
auf korrespondierende Netzhautpunkte<br />
- trotzdem sind Netzhautbilder leicht verschieden: Querdisparation ist bei nahen<br />
Objekten größer als bei entfernten, daraus entsteht dreidimensionale Wahrnehmung<br />
7.2 Die Retina und die Umwandlung von Licht in neuronale Signale<br />
- fünf Zellschichten: Rezeptoren, Horizontalzellen, Bipolarzellen, Amakrinzellen,<br />
Ganglienzellen<br />
- Horizontal- und Amakrinzellen sind für laterale Kommunikation (Info zwischen<br />
sensorischen Eingangskanälen) zuständig, geben inhibitorische Transmitter frei (GABA<br />
und Glycin)<br />
- Bipolar- und Ganglienzellen geben exzitatorischen Transmitter Glutamat frei<br />
- Retina ist invers aufgebaut<br />
- In Blindem Fleck verlassen die gebündelten Axone der Ganglienzellen, der Sehnerv, das<br />
Auge. Ergänzungseffekt sorgt dafür, dass wir keine Lücke im Netzhautbild haben<br />
- Zentral auf der Retina liegt die Fovea centralis (dünne Ganglienzellenschicht, höchste<br />
Rezeptordichte, scharfes Sehen)<br />
Stäbchen- und Zapfensehen<br />
- Duplizitätstheorie des Sehens: photopisches System (7 Mio. Zapfen, vorwiegend in<br />
Retina, Schärfe, Detailtreue und Farbe bei guter Beleuchtung) und skotopisches System<br />
(123 Mio. Stäbchen, nur in Peripherie, höhere Sensitivität, schwarz-weiß bei schwacher<br />
Beleuchtung)<br />
- Hell- bzw. Dunkeladaptation: Anpassung an Beleuchtungswechsel, Aktivierung<br />
photopischem bzw. skotopischem System<br />
- Unterschiedliche Konvergenz: bei Stäbchen konvergieren viele Rezeptoren auf eine<br />
Ganglienzelle, bei Zapfen nur wenige hohe Sensitivität und niedrige Schärfe des<br />
skotopischen Systems<br />
- In nasaler Retina liegen mehr Stäbchen als in temporaler Retina. Grund: Nase wirft<br />
Schatten, daher mehr Rezeptoren nötig<br />
- Nicht alle Wellenlänge der gleichen Intensität werden als gleich hell wahrgenommen <br />
wir haben photopische (Maximum 500nm) und skotopische (Maximum 560nm )<br />
Hellempfindlichkeitskurve<br />
- Purkinje-Effekt: bei Aktivität des photopischen Systems scheint rot und gelb heller als<br />
blau, bei Aktivität des skotopischen Systems umgekehrt<br />
22
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Augenbewegungen<br />
- Wir tasten Sehfeld ständig ab, es kommt etwa zu drei Fixationen pro Sekunde,<br />
dazwischen liegen Sakkaden (schnelle Augenbewegungen)<br />
- Auf Grund von Sakkaden sehen wir nicht nur kleinen Punkt der Fovea, sondern alles<br />
farbig und scharf<br />
- Stabilisiertes Netzhautbild: kann durch Lähmung des Augenmuskels oder Projektor auf<br />
Kontaktlinse herbeigeführt werden, setzt Sakkaden außer Kraft. Ergebnis: retinales Bild<br />
verschwindet nach ein paar Sekunden, man sieht nur noch grau<br />
- Rezeptoren scheinen also auf kontinuierliche Veränderung des Netzhautbildes zu<br />
reagieren<br />
Phototransduktion: die Umwandlung von Licht in neuronale Signale<br />
- Phototransduktion: Licht wird in neuronale Signale umgewandelt<br />
- Rhodopsin (Sehpurpur)<br />
- Pigment, also eine Substanz, die Licht absorbiert.<br />
- Das Absorptionsspektrum von Rhodopsin stimmt mit der skotopischen<br />
Hellempfindlichkeitskurve überein<br />
- metabotroper Rezeptor, reagiert auf Licht anstatt auf Transmittermoleküle, enthält<br />
cGMP, dass bei Dunkelheit Na + -Kanäle öffnet, so dass Glutamat abgegeben wird. Bei<br />
Helligkeit wird Rhodopsin gebleicht, cGMP nicht aktiviert, Na + -Kanäle geschlossen,<br />
kein Glutamat abgegeben Signal wird durch Inhibition übertragen<br />
7.3 Von der Retina zum primären visuellen Cortex<br />
- Zentrale Sehbahn (Retino-geniculo-striäre Bahn) führt von den Ganglienzellen der<br />
Retina als Nervus opticus, der sich im Chiasma opticum kreuzt und dann Tractus<br />
opticus heißt, über den Corpus geniculatum laterale (CGL, seitliche Kniehöcker) im<br />
Thalamus als Radiatio optica zum primären visuellen Cortex (Area striata)<br />
- Temporaler Bereich der Retina wird jeweils ipsilateral, nasaler Bereich dagegen<br />
kontralateral weitergeleitet linkes Gesichtsfeld wird zu rechtem visuellen Cortex<br />
geleitet, rechtes Gesichtsfeld zu linkem visuellen Cortex (links auf Netzhaut ist rechtes<br />
Gesichtsfeld)<br />
Retinotope Organisation<br />
- Benachbarte Punkte auf Netzhaut erregen benachbarte Neuronen im Cortex.<br />
- Fovea centralis ist überproportional groß im Cortex repräsentiert<br />
Die M- und P-Bahnen<br />
- Zentrale Sehbahn besteht aus zwei getrennten Kommunikationskanälen:<br />
1. Parvozelluläre Bahn verläuft durch oberen vier Schichten des CGL, Neurone reagieren<br />
besonders auf Farbe, feine Strukturdetails und feststehende oder sich langsam bewegende<br />
Objekte, Signale hauptsächlich von Zapfen<br />
2. Magnozelluläre Bahn verläuft durch Schicht 1. und 2. des CGL, Neurone reagieren<br />
besonders auf Bewegung, Signale hauptsächlich von Stäbchen<br />
7.4 Die Wahrnehmung von Kanten<br />
- Anhand von Kanten können wir Ausdehnung und Position von Objekten bestimmen. Für<br />
visuelles System ist eine Kante einen Kontrast zwischen benachbarten Flächen<br />
Laterale Inhibition und Kontrastverstärkung<br />
- Phänomen. Mach-Bänder: an der Kante wird der Kontrast verstärkt wahrgenommen.<br />
Wird erklärt durch laterale Inhibition<br />
- Bsp.: Limulus: hat viele Ommatiden (Einzelaugen, mit je einem Axon), die durch<br />
laterales neuronales Netzt (Lateralplexus) verschaltet sind. Jedes Ommatid feuert<br />
proportional zur Intensität des einfallenden Lichtes, jedes Ommatid hemmt seinen<br />
Nachbarrezeptor<br />
23
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Die rezeptiven Felder visueller Neurone<br />
- Hubel und Wiesel: jedes Neuron hat ein rezeptives Feld; es reagiert auf Lichtreize, die<br />
auf dieses Feld fallen, mit Aktivitätsänderung. Experimente mit Affen oder Katzen:<br />
Augenmuskel lähmen mit Curare, Mikroelektrode ins Gehirn auf ein Neuron, Reize auf<br />
kleine Teile der Retina signifikante Zu- oder Abnahme identifiziert rezeptives Feld <br />
innerhalb eines Feldes lässt sich Art des bevorzugten Reizes identifizieren<br />
Rezeptive Felder: Neurone der Retino-geniculo-striären Bahn<br />
- Die meisten rezeptiven Felder der Retina, des CGL und der IV. Schicht der Area striata<br />
sind rund. Dabei unterscheidet man zwischen On-Zentrum-Neuronen (feuern, wenn<br />
Lichtreiz auf Zentrum des rezeptiven Feldes fällt; verringern Feuerung, wenn Lichtreiz<br />
auf Peripherie des rezeptiven Feldes fällt) und Off-Zentrum-Neuronen (genau<br />
umgekehrt)<br />
- Um Impulsfrequenz eines solchen Neurons zu erhöhen, muss Kontrast zwischen Zentrum<br />
und Peripherie erhöht werden<br />
Rezeptive Felder: einfache Zellen des visuellen Cortex<br />
- Im visuellen Cortex bilden Neurone der IV. Schicht eine Ausnahme.<br />
- Einfache Zellen: monokular und „On/Off“ wie Neuronen in IV. Schicht, aber rezeptive<br />
Felder sind rechteckig, Grenzen zwischen „On“ und „Off“ verlaufen nicht kreisförmig<br />
- Sie reagieren nicht auf diffuses Licht, sondern auf Kantenreize in bestimmter Position<br />
Rezeptive Felder: komplexe Zellen des visuellen Cortex<br />
- Komplexe Zellen: davon gibt es mehr als einfache Zellen. Unterschied: größere rezeptive<br />
Felder, Position des Reizes ist egal, Orientierung und Richtung der Bewegung des Reizes<br />
sind entscheidend, sie sind binokular.<br />
- Binokulare Neuronen reagieren auf Stimulation beider Augen stärker als auf eins,<br />
zeigen aber okuläre Dominanz. Monokulare Neuronen reagieren dagegen nur auf<br />
Stimulation eines bestimmten Auges<br />
Die Organisation des primären visuellen Cortex in Säulen<br />
- Funktionale vertikale Säulen: Neuronen, die vertikal untereinander liegen, haben<br />
rezeptive Felder ungefähr im gleichen Gesichtsfeld (Gemeinsamkeit aller = aggregiertes<br />
Feld) und reagieren auf Reize gleicher Ausrichtung.<br />
- Säulen, die Input eines Gebiets der Retina verarbeiten, sind in Clustern<br />
zusammengeschlossen. Eine Hälfte eines Cluster kriegt Input vom rechten Auge, die<br />
andere vom linken Auge<br />
Die Ortsfrequenztheorie<br />
- Neurone reagieren stärker auf Streifenmuster mit Sinuswellengitter, die sich in<br />
Ortsfrequenz, Amplitude und Orientierungswinkel unterscheiden.<br />
- Jeder visuelle Stimulus lässt sich durch Schwankung der Lichtintensität entlang von<br />
Linien beschreiben, jede solcher Linien durch Kombination verschiedener<br />
Sinuswellengitter (Kombi bestimmbar durch Fourieranalyse)<br />
7.5 Farbwahrnehmung<br />
- Achromatische Farben: Schwarz, Weiß und Grau. Schwarz entsteht durch Abwesenheit<br />
von Licht; Weiß entsteht durch Mischung gleicher Anteile intensiven Lichts<br />
unterschiedlicher Wellenlängen; Grau entsteht durch dasselbe Mischlicht geringerer<br />
Intensität<br />
- Chromatische Farben: bunt, wie Blau, Grün, Gelb; i. A. als Farben bezeichnet<br />
- Farbe von Objekten hängt davon ab, welche Anteile verschiedener Wellenlängen<br />
reflektiert werden<br />
24
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Dreifarben- und Gegenfarbentheorie<br />
- Trichromatische Theorie des Farbensehens von Young und Helmholtz: es gibt drei<br />
Arten von Zapfen, für kurz-, mittel- und langwelliges Licht. Farbe wird bestimmt durch<br />
relative Aktivität dieser drei Zapfentypen. Jede Farbe kann also durch verschiedene<br />
Kombinationen dreier Wellenlängen entstehen<br />
- Komplementär- oder Gegenfarbentheorie von Hering geht davon aus, dass es zwei<br />
Klassen von Zellen für Codierung von Farbe (rot/grün und blau/gelb) und eine Klasse<br />
zur Codierung von Helligkeit gibt. Begründung: Nachbilder<br />
- Mikrospektrophotometrie bestätigte Dreifarbensehentheorie<br />
- Integration beider Theorien: drei Zapfentypen sind durch Bipolarzellen verschaltet, die<br />
durch Inhibition und Exzitation gegenläufige Antworten auf blau und gelb bzw. rot und<br />
grün geben<br />
Farbkonstanz und die Retinex-Theorie<br />
- Farbkonstanz: bei Beleuchtungsänderung sehen wir die Farben als konstant, obwohl<br />
physikalisch eine andere Wellenlänge zum Auge kommt.<br />
- Retinex-Theorie: Farbe eines Objekts wird von spektraler Reflektanz bestimmt, also<br />
Verhältnis der Lichtanteile verschiedener Wellenlängen, die Oberfläche reflektiert <br />
Farbe ist unabhängig von Beleuchtung (solange verschiedene Wellenlängen in<br />
Beleuchtung enthalten sind)<br />
- Duale Gegenzellen, die als Blobs (stiftartige Säulen) in den oberen Schichten des<br />
primären visuellen Cortex integriert sind, reagieren auf Kontrast zwischen von<br />
benachbarten Bereichen des Gesichtsfelds reflektieren Wellenlängen. Sie sind reich an<br />
Cytochromoxidase.<br />
Kapitel 8: Mechanismen der Wahrnehmung, des Bewusstseins und der<br />
Aufmerksamkeit<br />
8.1 Die Organisation sensorischer Systeme<br />
Die hierarchische Organisation sensorischer Systeme<br />
- Ein sensorisches System folgt einer hierarchischen Rangordnung: Rezeptoren <br />
Thalamus-Kerne primärer sensorischer Cortex sekundärer sensorischer Cortex<br />
Assoziationscortex<br />
- Signale laufen von unten nach oben, Neurone in höherer Schicht reagieren spezifischer<br />
und komplexer auf Signale, geben diese nach mehreren Verarbeitungsschritten weiter<br />
- Läsionen in unteren Schichten führen zu komplettem Verlust der Wahrnehmung,<br />
Läsionen in höheren Schichten sind spezifischer und komplexer, z.B. Mann, der seine<br />
Frau mit einem Hut verwechselte<br />
- Empfindung bezeichnet sensorisches Registrieren eines Reizes, Wahrnehmung<br />
bezeichnet höhere Prozesse der Integration, des Wiedererkennens und der Interpretation<br />
von Empfindungsmustern<br />
Unterteilung in funktionelle Einheiten<br />
- Die drei Cortexgebiete erfüllen in jedem sensorischen System einen anderen Teil der<br />
Wahrnehmungsanalyse, sie sind nicht funktionell homogen<br />
Parallele Verarbeitung<br />
- Die verschiedenen Ebenen der sensorischen Systeme sind parallel verschaltet, d.h. die<br />
Informationen fließen auf verschiedenen Wegen, überspringen dabei auch mal eine<br />
Ebene, und sind auch rückwärts gerichtet.<br />
- Bsp.: Parallelverarbeitung in Bahnen für bewusste und unbewusste Verhaltenssteuerung<br />
25
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Das derzeit gültige Modell der Organisation sensorischer Systeme<br />
- Das Bindungsproblem: Wie entsteht aus der parallelen Analyse in verschiedenen Ebenen<br />
und verschieden Gehirnbereichen eine vollständigen Wahrnehmung? es gibt kein<br />
einzelnes Cortexareal, dass alle Info empfängt und diese dann zusammenfügt, sondern<br />
Wahrnehmung entsteht auskombinierter Aktivität vieler Cortexareale eines sensorischen<br />
Systems<br />
8.2 Corticale Mechanismen des Sehens<br />
- Primärer visueller Cortex: liegt in posteriorer Region des Occipitallappens, bilateral in<br />
der Fissura longitudinalis<br />
- Sekundärer visueller Cortex: dazu gehört der prästriärer (peristriärer) Cortex, der den<br />
primären Cortex fast vollständig umgibt, und der Gyrus temporalis inferior im unteren<br />
Temporallappen<br />
- Assoziationscortex: liegt hauptsächlich auf dem posterioren parietalen Cortex, aber auch<br />
kleine Einzelgebiete in mehreren Teilen der Großhirnrinde<br />
Skotome und Ergänzungseffekt<br />
- Schädigung im primären visuellen Cortex führt zu einem Skotom, welches im<br />
kontralateralen Gesichtsfeld liegt<br />
- Um die Größe des Skotoms zu messen führt man eine perimetrische Bestimmung des<br />
Gesichtsfeldes durch (Punkte auf Bildschirm, von außen zur Mitte, wann verschwindet<br />
Punkt)<br />
- Im Bereich des Skotoms tritt der Ergänzungseffekt auf. Bsp.: Lashley sah Freund ohne<br />
Kopf während Migräneanfall)<br />
- Hemianopsie: Skotom, dass eine Hälfte des Gesichtsfeldes bedeckt<br />
Skotome und Blindsehen<br />
- Blindsehen bezeichnet das Phänomen, dass Menschen mit Skotomen auf visuelle Reize<br />
reagieren können, obwohl sie diese nicht bewusst wahrnehmen (z.B. greifen nach<br />
Gegenständen, Unterscheiden von Buchstaben oder der Orientierung einer Linie) es<br />
muss noch parallele Verarbeitungsbahnen geben, die nicht über den primären visuellen<br />
Cortex laufen.<br />
- Eine solche Bahn: vom Colliculus superior über Pulvinar thalami zum prästriären Cortex<br />
Die Wahrnehmung von Scheinkonturen<br />
- Wir sehen Scheinkonturen, weil Neurone im prästriären Cortex und einige in der<br />
primären Sehrinde reagieren, als ob wirkliche Konturen da wären<br />
Funktionelle Unterteilung der Gebiete des sekundären und des assoziativen visuellen Cortex<br />
- Funktionell spezialisierte Gebiete setzen sich mit Einzelaspekten der Wahrnehmung wie<br />
Farbe, Form, Bewegung etc. auseinander<br />
- Bei Makaken: 30 Areale in der primären Sehrinde, 24 im prästriären Cortex, 7 im<br />
Assoziationscortex, zwischen letzteren über 300 Verknüpfungen<br />
- Ergebnisse bei Menschen (PET und fMRT) sind übereinstimmend in Bezug auf Lage,<br />
anatomische Eigenschaften und Funktion, jedes Gebiet ist aber etwa 4mal so groß<br />
Dorsal- und Ventralbahn<br />
- Dorsalbahn führt von primärer Sehrinde über dorsalen prästriären Cortex zum<br />
posterioren parietalen Cortex, Ventralbahn führt von primärer Sehrinde über ventralen<br />
prästriären Cortex zum Gyrus temporalis inferior<br />
- Ungerleider und Mishkin: „wo“-versus-„was“-Theorie: Dorsalbahn = räumliche<br />
Lokalisation, Ventralbahn = Objekterkennung. unterschiedliche Art von Info. Beleg<br />
für Theorie: Schädigungen in entsprechenden Bereichen<br />
- Alternativerklärung von Goodale und Milner: „Verhaltenskontrolle“-versus-„bewusste<br />
Wahrnehmungs“-Theorie: Dorsalbahn = Steuerung von direkter Interaktion,<br />
Ventralbahn = bewusste visuelle Wahrnehmung unterschiedlicher Zweck von Info.<br />
26
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Bsp.: Patientin D.F.: kann Orientierung eines Schlitzes nicht angeben, aber eine Karte<br />
richtig reinstecken<br />
- Bsp.: Patientin A. T.: kann Größe von Objekten beschreiben und mit Fingern anzeigen,<br />
sie jedoch nicht greifen<br />
Prosopagnosie<br />
- Agnosie: Unfähigkeit, etwas zu erkennen. Visuelle Agnosie: Agnosie für visuelle Reize,<br />
Bsp.: Dr. P, der seine Frau mit einem Hut verwechselte<br />
- Prosopagnosie: Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen. Einzelne Bestandteile werden<br />
erkannt, aber Gesicht als ganzes ist nicht von anderen zu unterscheiden. Typische<br />
Schädigung: bilaterale Schädigung des inferioren prästriären Cortex und angrenzende<br />
Gebiete des Gyrus temporalis inferior (Ergebnisse von MRI und Autopsien) <br />
Beziehung zwischen Störung und Ventralbahn<br />
- Gibt es ein Areal, das auf Erkennen von Gesichtern spezialisiert ist?<br />
Dagegen: bei manchen Patienten bezieht sich Prosopagnosie auch auf Häusern, Autos,<br />
Kühe etc., also auf Erkennung von bestimmten Objekten allgemein<br />
Dafür: Patient C. K. hatte schwere visuelle Agnosie, aber keine Prosopagnosie<br />
Gesichter differenzieren, anderes aber nicht bei geschädigter Ventralbahn (Bsp.:<br />
Gemüsekopf), was auf spezifisches Gesichtsareal hindeutet<br />
Makaken haben Neurone im Gyrus temporalis inferior, die nur auf Gesichter<br />
bestimmter Ausrichtung feuern<br />
- Prosopagnosie-Patienten können Gesichter erkennen, auch wenn ihnen das nicht bewusst<br />
ist (Beleg: Änderung der Hautleitfähigkeit bei bekannten Gesichtern) Beleg für<br />
Existenz von intakter Dorsal-Bahn<br />
Zwischenbilanz<br />
- Themen: visuelle Ergänzung, Blindsehen, Scheinkonturen, funktionelle bereiche des<br />
visuellen Cortex, Dorsal- und Ventralbahn, die Fälle D. F. und A. T., Prosopagnosie<br />
- Drei Prinzipien der Informationsverarbeitung: hierarchische Organisation, funktionale<br />
Spezialisierung und parallele Verarbeitung<br />
8.3 Das Hören<br />
- Das Auditive System nimmt Schall bei Frequenzen zwischen 20 und 20000 Hz wahr.<br />
- Physikalische Beschreibungsparameter: Amplitude, Frequenz, spektrale<br />
Zusammensetzung<br />
- subjektive Beschreibungsparameter: Lautstärke, Tonhöhe, Klangfarbe<br />
- Töne der Realität lassen sich in Sinuswellen (reine Töne) unterschiedlicher Frequenz und<br />
Amplitude zerlegen: Fourieranalyse<br />
Das Ohr<br />
- Schallwellen durchlaufen Gehörgang, setzen Trommelfell in Schwingungen, diese<br />
werden auf Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel übertragen. Letzterer<br />
löst Schwingung des ovalen Fensters aus, diese überträgt sie auf Flüssigkeit der Cochlea<br />
(Schnecke). Durch deren Mitte läuft das Cortische Organ<br />
- Aufbau des Cortischen Organs: Rezeptoren des Hörsystems, die Haarzellen, sitzen in der<br />
Basilarmembran, die Tectorialmembran liegt auf ihnen<br />
- Durch Schwingungswellen werden die Membranen gegeneinander verschoben,<br />
Scherkräfte wirken auf Haarzellen und regen zu Transmitterfreisetzung an, welche APs<br />
am Hörnerven auslösen.<br />
- Über rundes Fenster werden die Schwingungen der Cochlea ins Ohr zurückgeleitet<br />
- Verschiedene Frequenzen stimulieren Haarzellen an verschiedenen Orten (hohe Frequenz<br />
Aktivierung nahe des ovalen Fensters tonotope Organisation der Cochlea, gilt<br />
auch für auditorischen Cortex<br />
27
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Problem: Wie sortiert das auditorische System komplexe Reize, die sich jeweils aus<br />
unterschiedlichen Frequenzen zusammensetzten, z.B. viele Stimmen und Musik bei einer<br />
Party?<br />
- Bodengangsorgane sind Teil des Gleichgewichtssystems (vestibuläres System): es<br />
nimmt Richtung und Intensität von Kopfbewegungen wahr<br />
Vom Ohr zum primären auditorischen Cortex<br />
- Kein einzelner Hörnerv, sondern Netz von Hörnerven<br />
- Pfad: Hörnerv, ipsilaterale Nuclei cochleares, Nuclei olivares superiores auf gleicher<br />
Ebene, über Tractus lemniscus lateralis auf Colliculi inferiores (Vierhügelplatte),<br />
Corpora geniculata mediales im Thalamus, primärer auditorischer Cortex<br />
- Jedes Ohr sendet Signale in ipsilateralen und kontralateralen auditorischen Cortex<br />
Der primäre auditorische Cortex<br />
- Liegt in Fissura lateralis, umgeben vom sekundären auditorischen Cortex<br />
- Zwei Organisationsprinzipien:<br />
1. funktionelle Säulen: vertikal untereinander liegende Neurone antworten auf denselben<br />
Frequenzbereich<br />
2. tonotope Organisation: anteriorer Bereich der Hörrinde reagiert auf hohe Frequenz,<br />
posteriorer Bereich auf niedrige Frequenz<br />
- Sekundärer auditorischer Cortex reagiert auf komplexe Reize, nicht auf reine Töne <br />
spricht für hierarchische Struktur<br />
Die Lokalisation von Geräuschen<br />
- Zuständig sind laterale und mediale obere Olivenkerne<br />
- Mediale obere Olivenkerne reagieren auf geringe Differenz der Ankunftszeiten von<br />
Signalen in beiden Ohren<br />
- Laterale obere Olivenkerne reagieren auf geringe Differenz der Amplituden von Signalen<br />
in beiden Ohren<br />
- Bsp. Schleiereule: Gesichtsschleier reflektiert hochfrequente Schallwellen, am rechten<br />
Ohr kommt Schall von oben besser an, am linken Ohr von unten. Differenz der<br />
Lautstärke zwischen links und rechts gibt Auskunft über horizontale Lage eines Objektes,<br />
aber auch (durch Vergleich mehrerer Frequenzen) Auskunft über vertikale Lage eines<br />
Objektes<br />
Die Auswirkungen von Schädigungen des auditorischen Cortex<br />
- Versuche mit Tieren: vollständigen Schädigung des auditorischen Cortex führt nicht zu<br />
komplettem Verlust der Hörfähigkeit.<br />
- bei bilateraler Schädigung können Affen innerhalb eines Halbfeldes nicht unterscheiden,<br />
aber zwischen beiden Halbfeldern<br />
- bei Menschen: bilaterale Läsion führt zu Worttaubheit. Alle Schallereignisse kurzer<br />
Dauer können nicht mehr identifiziert und in eine zeitliche Reihenfolge gebracht werden<br />
8.4 Somatosensorik: Tastsinn und Schmerz<br />
- drei Systeme: 1. exterozeptives System<br />
2. propriozeptives System<br />
3. enterozeptives System<br />
- exterozeptives System unterteilt in Tastsinn (mechanische Reize), Temperatursinn<br />
(thermische Reize) und Schmerzsinn (nocizeptive Reize)<br />
Hautrezeptoren<br />
- es gibt verschiedene Hautrezeptoren, darunter freie Nervenendigungen, reagieren auf<br />
Temperaturveränderung und Schmerzreize, Pacini-Körperchen, liegen am tiefsten,<br />
zwiebelförmig, adaptieren rasch registrieren plötzliche Mechanische Belastung der<br />
Haut, Merkel-Zellen adaptieren langsam, reagieren auf langsamen Druck, und Ruffini-<br />
Körperchen adaptieren langsam, reagieren auf langsame Hautdehnung<br />
28
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Andauernder Druck Haut, z.B. Kleidung, ist uns nicht mehr bewusst.<br />
- Stereognosie: um ein Objekt durch Tasten zu identifizieren, bewegen wir es in den<br />
Händen<br />
Dermatome<br />
- Ein Dermatom bezeichnet einen Bereich des Körpers, der von den Hinterwurzeln eines<br />
Rückenmarksegments innerviert wird. Benachbarte Dermatome überlappen sich stark.<br />
Die zwei wichtigsten aufsteigenden somatosensorischen Bahnen<br />
- Mediales Lemniscussystem, auch Hinterstrangsystem, überträgt Info von Tastsinn und<br />
Propriozeption<br />
- Vorderseitenstrangsystem, auch anterolaterales System, überträgt Info von Schmerz- und<br />
Temperatursinn<br />
- Aufbau des medialen Lemniscussystems: Axone ziehen über Hinterwurzel ins<br />
Rückenmark, steigen ipsilateral in Hintersträngen auf, projizieren auf Neurone der<br />
Hinterstrangkerne in Medulla oblongata, deren Axone kreuzen auf kontralaterale Seite,<br />
steigen im Tractus lemniscus medialis zum Ventrobasalkern im Thalamus auf.<br />
- Ventrobasalkerne erhalten auch Info über Nervus trigeminus (Info von kontralateraler<br />
Seite des Gesichts)<br />
- Aufbau des Vorderseitenstrangsystem: Neurone bilden direkt im Rückenmark Synapsen,<br />
projizieren auf Neurone 2ter Ordnung, deren Axone meist kontralateral im<br />
Vorderseitenstrang aufsteigen. umfasst drei Bahnen: Tractus spinothalamicus (projiziert<br />
auf Ventrobasalkerne), Tractus spinoreticularis (projiziert auf Formatio reticularis, dann<br />
zu Nuclei ventrales posterolateralis und intralaminares des Thalamus), Tractus<br />
spinotectalis (projiziert auf Tectum)<br />
- Läsionen von Ventrobasalkernen verringern Sensitivität der Haut für Berührungen,<br />
Temperaturveränderung und stechenden Schmerz<br />
- Läsionen der Nuclei ventrales posterolateralis und Nuclei intralaminares verringern<br />
chronischen Schmerz<br />
Corticale Gebiete der Somatosensorik<br />
- Somatosensorischer Homunculus: primärer somatosensorischer Cortex S-I ist<br />
somatotop organisiert, liegt im Gyrus postcentralis. Gleiches gilt für sekundären<br />
somatosensorischen Cortex S-II, der unterhalb von S-I liegt<br />
- S-I und S-II projizieren in Assoziationscortex des posterioren Parietallappens<br />
- S-I ist in Streifen organisiert: jeder Bereich für ein Körperteil hat 4 Streifen, die auf eine<br />
Art von Reiz reagieren. Außerdem in Säulen organisiert: Neuronen einer Säule reagieren<br />
auf dieselben Reize, haben rezeptives Feld im selben Körperteil. Rezeptive Felder auch<br />
hier unterteilt in antagonistische exzitatorische und inhibitorische Gebiete<br />
Auswirkungen von Schädigungen des primären somatosensorischen Cortex<br />
- Schädigung von S-I hat kaum Folgen<br />
Somatosensorische Agnosien<br />
- Asterognosie: Unfähigkeit, Objekte durch Tasten zu erkennen<br />
- Asomatognosie: Unfähigkeit, eigene Körperteile zu erkennen (Bsp.: Patient, der aus dem<br />
Bett fiel; Tante Betty)<br />
- Anosogosie: Leugnen der eigenen neurologischen Symptome<br />
- Kontralateraler Neglect: Ignorieren von Reizen, die kontralateral zur geschädigten<br />
Hemisphäre auftreten<br />
Die Paradoxien des Schmerzes<br />
- Anpassungswert: Schmerz ist wichtig, da er uns Signale darüber gibt, was man dem<br />
Körper zumuten kann. Bsp.: Miss C., die keinen Schmerz empfand, starb mit 29 Jahren<br />
- Fehlen corticaler Gebiete für Schmerzrepräsentation: es gibt kein bestimmtes Gebiet<br />
für Schmerzrepräsentation. Kurzer und chronischer Schmerz werden in anderen<br />
29
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Regionen repräsentiert. Am häufigsten aktiviertes Areal: anteriorer Gyrus cinguli, der<br />
aber vermutlich mehr die emotionale Reaktion auf Schmerz steuert<br />
- Absteigende Schmerzkontrolle: Schmerz kann durch kognitive und emotionale Faktoren<br />
gut unterdrückt werden (Bsp.: Fakire und so Freaks). Kontrollschrankentheorie: Signale<br />
in zentrifugalen Bahnen können Schmerzsignale im Rückenmark blockieren<br />
- Drei Hinweise für absteigende Bahnen: 1. Elektrische Stimulation des periaquäductalen<br />
Graus hat analgetische Wirkung, 2. PAG und andere Bereiche haben Rezeptoren für<br />
Morphium, also muss es ähnlichen, körpereigenen Stoff geben, 3. Nachweis von<br />
Endorphinen<br />
- Basbaum und Fields: absteigendes System zur Schmerzkontrolle: Signale aus PAG<br />
erregen Neurone im Nucleus raphé, deren Axone erregen Interneurone im Rückenmark,<br />
welche Schmerzsignale hemmen<br />
Phantomschmerz<br />
- Amputierte fühlen Schmerzen im amputierten Körperglied, die sehr real sind.<br />
- Behandlungsversuch: Zerstörung der Nervenbahnen, die zwischen Stumpf und<br />
Cortexgebiet, dass für amputiertes Glied zuständig war, verlaufen führt nur zu<br />
zeitweiliger Verbesserung, d.h. Schmerz entsteht im Cortex selbst<br />
8.5 Die chemischen Sinne: Geruch und Geschmack<br />
- Olfaktorisches System reagiert auf chemische Substanzen, die ans Riechepithel gelangen,<br />
gustatorisches System reagiert auf chemische Substanzen, die in den Speichel gelangen<br />
- Aroma von Nahrung entsteht durch beide System gleichermaßen<br />
- Pheromone sind chemische Stoffe, die Sozialverhalten vieler Tiere stark beeinflussen.<br />
Bsp.: Murphy und Schneider: sexuelles und aggressives Verhalten von Goldhamstern<br />
- Hinweise auf ebensolche Steuerung beim Menschen: große olfaktorische Sensitivität von<br />
Frauen in Ovulationsphase, Synchronisation von Menstruationszyklen, Bestimmung des<br />
Geschlechts an Achselhöhlen- oder Atemgeruch<br />
- Tiere entwickeln Geschmacksaversion und bevorzugen Aromen, die in der Muttermilch<br />
vorhanden waren<br />
Der Geruchssinn<br />
- Es gibt eine Vielzahl von Rezeptortypen, die für jeweils eine Substanz spezifisch sind.<br />
Bisher wurden mehr als 1000 Rezeptorproteine identifiziert, in jeder Rezeptorzelle gibt<br />
es nur ein Protein.<br />
- Olfaktorische Rezeptoren sind in Riechschleimhaut im oberen Teil der Nase eingebettet.<br />
Ihre Axone durchqueren die Siebbeinplatte und münden in den Bulbus olfactorius<br />
(Riechkolben, III. Hirnnerv), der über Tractus olfactorius in den medialen<br />
Temporallappen, vor allem auf Amygdala und Cortex piriformis projiziert.<br />
- Von dort zwei Bahnen: einmal diffus aufs limbische System (emotionale Reaktion auf<br />
Geruchsreize), andere über Nuclei medialis dorsalis des Thalamus zu orbitofrontalem<br />
Cortex, direkt unter Augenhöhlen (bewusste Geruchswahrnehmung)<br />
Der Geschmackssinn<br />
- Geschmacksknospen: Gruppe von 50 Geschmacksrezeptoren in Mundhöhle und Zunge,<br />
dort häufig in Nähe von Zungenpapillen; haben keine eigenen Axone, ein Neuron erhält<br />
Signale von vielen Rezeptoren<br />
- 4 Geschmacksrichtungen: süß, sauer, bitter, salzig Komponententheorie, einigermaßen<br />
bestätigt. Aber: auch gegenläufige Hinweise<br />
- Info läuft über Nervus facialis (VII.), Nervus glossopharyngeus (IX.) und Nervus vagus<br />
(X.) zu Nucleus solitarius in Medulla oblongata, die dann auf Nucleus ventralis<br />
posteriomedialis im Thalamus projiziert<br />
- Primärer gustatorischer Cortex liegt bei Gesichtsbereich des somatosensorischen<br />
Homunculus, sekundärer gustatorischer Cortex liegt in der Fissura lateralis<br />
30
- Nervenbahnen verlaufen hauptsächlich ipsilateral<br />
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Einflüsse von Hirnschäden auf die chemischen Sinne<br />
- Anosmie: Unfähigkeit, Gerüche wahrnehmen zu können, entsteht durch Erschütterung<br />
des Kopfes Verschiebung des Gehirns, wodurch olfaktorische Nerven an<br />
Siebbeinplatte durchtrennt werden<br />
- Ageusie: Unfähigkeit, Geschmack wahrnehmen zu können; kommt selten vor wegen<br />
Weiterleitung in drei Bahnen; Verletzung des Ohrs führt zu Ageusie in anterioren 2/3 der<br />
Zunge, weil Nervus facialis durchs Mittelohr verläuft<br />
8.6 Selektive Aufmerksamkeit<br />
- Zwei Arten:<br />
1. Top-down-Prozesse haben Ursprung in Entscheidungssystemen des Assoziationscortex<br />
des Frontallappens, führen durch zentrifugale Fasern zu sensorischen Arealen (z. B.<br />
Suche einer Person in Menschenmenge)<br />
2. Bottom-up-Prozesse sind reflexartige Reaktionen, z. B. ausgelöst durch Bewegung in<br />
Peripherie des Gesichtsfeldes<br />
- Change blindness: zwei Bilder mit geändertem Detail werden in kurzem Wechsel (0,1<br />
sek) gezeigt, Veränderung wird aber erst spät erkannt, weil Aufmerksamkeit auf anderen<br />
Teil der Szene gerichtet wird, nur dieser Teil wird im Gedächtnis gespeichert. Zwischen<br />
den Bildern muss kurzes Intervall (80ms) sein, damit Speicherung im Gedächtnis nötig<br />
wird.<br />
- Desimone und Moran: untersuchten Aktivität von Neuronen der Ventralbahn im<br />
prästriären Affencortex. Aufgabe: Affen sollten Aufmerksamkeit auf bestimmten<br />
farbigen Balken richten, dabei stieg Aktivität von für diese Farbe zuständigen Neuronen,<br />
und sank Aktivität von für andere Farbe zuständigen Neuronen.<br />
- Ähnliche Ergebnisse für Versuch mit Dorsalbahn und Bewegungsempfindlichen<br />
Neuronen<br />
- Selektive Aufmerksamkeit ist Resultat vom Konkurrieren sensorischer Signale um<br />
Zugang zu Schaltkreisen, die Bewusstsein steuern<br />
- Cocktail-Party-Phänomen: obwohl wir auf einer Party in ein Gespräch vertieft sind und<br />
die Inhalte anderer Gespräche nicht mitkriegen, hören wir, wenn woanders unser Name<br />
fällt<br />
Kapitel 9: Das sensomotorische System<br />
9.1 Die drei Prinzipien, nach denen das sensomotorische System funktioniert<br />
Das sensomotorische System ist hierarchisch organisiert<br />
- Kennzeichen: Parallele Verschaltung, funktionelle Untergliederung, hierarchische<br />
Organisation<br />
- Hauptrichtung des Infoflusses: abwärts gerichtet<br />
Motorische Aktivitäten werden durch sensorische Informationen gesteuert<br />
- Sensorisches Feedback: Kontrolle über Effektivität der Handlungen, wichtig für weitere<br />
Steuerung der Handlung (Bsp.: G. O., konnte keine Tasse mehr halten ohne visuelle<br />
Kontrolle)<br />
- Rückkopplung betrifft untere Ebenen, bleibt unbewusst<br />
Lernen verändert die sensomotorische Kontrolle<br />
- motorisches Lernen: erst jeder Verhaltensanteil unter bewusster Kontrolle, später als<br />
zusammenhängendes motorisches Programm organisiert, gesteuert von unteren Ebenen<br />
(Bsp.: schwimmen, Klavier spielen, Schreibmaschine schreiben)<br />
31
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Ein Funktionsmodell des sensomotorischen Systems<br />
- Assoziationscortex sekundärer motorischer Cortex primärer motorischer Cortex <br />
motorische Kerne im Hirnstamm motorische Schaltkreise im Rückenmark Muskel<br />
9.2 Der sensomotorische Assoziationscortex<br />
- Zwei Hauptgebiete: posteriorer parietaler Assoziationscortex und dorsolateraler<br />
präfrontaler Assoziationscortex mit jeweils sieben verschiedenen Arealen mit<br />
unterschiedlichen Funktionen<br />
Der posteriore parietale Assoziationscortex<br />
- Bestimmt Position der zu bewegenden Körperteile durch Input aus visuellem,<br />
auditorischem und somatosensorischem System<br />
- Projiziert zum dorsolateralen präfrontalen Assoziationscortex, zum sekundären<br />
motorischen Cortex und in das frontale Augenfeld<br />
- Läsion führt zu Apraxie (Unfähigkeit zu willentlichen Bewegungen, die unbewusst<br />
ausgeführt werden können; unilaterale Schädigung des linken posterioren<br />
Parietallappens, Symptome bilateral), zu konstruktiver Apraxie (Objekt kann nicht aus<br />
Bestandteilen zusammengesetzt werden; unilaterale Schädigung des rechten posterioren<br />
Parietallappens; Symptome bilateral) oder zu Kontralateralem Neglect (Ignorieren der<br />
kontralateralen Hälfte der Welt; Bsp.: Frau isst nur halben Teller; große Läsion des<br />
rechten posterioren Parietallappens)<br />
Der dorsolaterale präfrontale Assoziationscortex<br />
- Input vom posterioren Parietalcortex, projiziert auf sekundären und primären<br />
motorischen Cortex<br />
- Neurone im Affenhirn feuern hier besonders stark, kurz vor und während willentlicher<br />
Bewegung. Außerdem starke Reaktion räumliche Lage und Form von Reizen <br />
wahrscheinlich ist dieser Assoziationscortex verantwortlich für Einleitung willentlicher<br />
Bewegung, basierend auf Info vom posterioren parietalen Cortex<br />
9.3 Der sekundäre motorische Cortex<br />
- Besteht aus vier Teilen: supplementär-motorisches Areal und prämotorischer Cortex<br />
liegen zwischen primärem motorischen Cortex und dorsolateralem präfrontalem Cortex,<br />
zwei motorische Areale auf dem Gyrus cinguli, unterhalb des supplementär-motorischen<br />
Areals<br />
- Anatomische Ähnlichkeit: alle senden und empfangen Axone an/aus dem primären<br />
motorischen Cortex, alle stehen reziprok in Verbindung, alle senden Axone in motorische<br />
Netzwerke des Hirnstamms<br />
- Funktionale Ähnlichkeit: elektrische Reizung verursacht komplexe Bewegung in<br />
entsprechenden Körperteilen, Neurone zeigen Aktivität vor und während willentlicher<br />
Bewegung, Bewegung einer Körperseite = Aktivität in beiden Hemisphären<br />
- PET Studien: Aktivität in verschiedenen Arealen, wenn Probanden sich Bewegung<br />
vorstellten oder diese planten<br />
- Unterschied zwischen einfacher und komplexer Bewegung: gesteigerte Aktivität in<br />
gleichem Areal<br />
- Hypothetischer Unterschied: supplementär-motorisches Areal zuständig für selbst<br />
erzeugte Bewegung, prämotorischer Cortex für extern ausgelöste Bewegung Hinweise<br />
aus PET-Studie: Hand im Takt zu Metronom oder ohne Metronom bewegen<br />
9.4 Der primäre motorische Cortex<br />
- Liegt auf Gyrus praecentralis des Frontallappens, vor Sylvischer Furche<br />
- Kartiert von Penfield und Boldrey 1937: motorischer Homunculus ist somatotop<br />
organisiert<br />
32
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Areal für Hand +Finger und Mund ist besonders groß<br />
- jedes Areal erhält Feedback vom somatosensorischen Cortex von Rezeptoren in Muskeln<br />
und Gelenken; Ausnahme (beim Affen): Hand-Areal erhält Signal von Haut, nicht aber<br />
Muskeln und Gelenken vermutlich um Stereognosie zu erleichtern<br />
- Läsion führt zu Astereognosie, Verlust der Einzelbewegung von Fingern und<br />
Verminderung von Geschwindigkeit, Präzision und Kraft der Bewegung<br />
9.5 Kleinhirn und Basalganglien<br />
Das Kleinhirn<br />
- 10% der Gehirnmasse, aber mehr als 50% der Neurone<br />
- Info von primärem und sekundärem motorischen Cortex, Info über absteigende<br />
motorische Signale aus motorischen Kernen des Hirnstamms und Feedback von<br />
motorischer Aktivität über somatosensorische und vestibuläre Systeme<br />
- Aufgaben: erlernen motorischer Abläufe und Feinabstimmung von Bewegung,<br />
vermutlich gleiches auch für kognitive Reaktionen und Feinabstimmung<br />
- Läsionen: Verheerende Folgen für Bewegung in jeder Hinsicht<br />
Die Basalganglien<br />
- Ebenfalls modulatorische Funktion; neuronale Schleifen, Eingänge aus Cortex, senden<br />
über Thalamus zurück in motorischen Cortex; zusätzlich kognitive Funktion<br />
- Belege: Versuche mit Ratten: Basalganglien haben Effekt auf Assoziationslernen;<br />
Parkinsonpatienten mit entsprechender Läsion können kein Puzzle lösen, trotz eine Taste<br />
Lösung zeigen würde<br />
9.6 Absteigende motorische Bahnen<br />
Die dorsolateralen Bahnen: der laterale Corticospinaltrakt und der Corticorubrospinaltrakt<br />
- Tractus corticospinalis lateralis: Axone der Betzschen Zellen (Riesenpyramidenzellen)<br />
im primären motorischen Cortex wechseln in Pyramidenkreuzung der Medulla oblongata<br />
auf kontralaterale Seite, enden im dorsolateralen Bereich des Rückenmarks. Aktivieren<br />
Motoneurone auf Beinmuskeln oder Interneurone Motoneurone auf Handgelenke,<br />
Hände, Finger, Zehen<br />
- Tractus corticorubrospinalis: vom primären motorischen Cortex zu Synapsen im<br />
Nucleus ruber, dann Seitenwechsel nach kontralateral; einige Axone enden in<br />
motorischen Hirnnervenkernen, führen dort zu Gesichtsmuskeln; andere weiter zu<br />
dorsolateralem Bereich des Rückenmarks, Interneurone Motoneurone auf distalen<br />
Gliedmaßen<br />
Die ventromedialen Bahnen: der anteriore Corticospinaltrakt und der Corticobulbospinaltrakt<br />
- Tractus corticospinalis anterior: direkte Bahn, Axone ipsilateral zu ventromedialem<br />
Bereich des Rückenmarks, bilden unterwegs beidseitig Seitenäste zwecks Innervierung<br />
von Interneuronenschaltkreisen in Rückenmarkssegmenten, von dort Projektion auf<br />
Motoneurone von Rumpf und proximalen Gliedmaßen<br />
- Tractus corticobulbospinalis: indirekte Bahn, interagiert mit Strukturen des Hirnstamms:<br />
1. Tectum (auditorische + visuelle Info über räumliche Lage), 2. Nucleus vestibularis<br />
(Gleichgewichtsinfo von Vestibularkanälen des Innenohrs), 3. Formatio reticularis<br />
(Motorische Programme für komplexe arttypische Bewegung) 4. motorische Kerne der<br />
Hirnnerven zur Kontrolle von Gesichtsmuskeln)<br />
Vergleich der beiden dorsolateralen mit den beiden ventromedialen motorischen Bahnen<br />
- Gleich: jeweils eine Bahn steigt direkt ins Rückenmark, die andere ist mit Nervenzellen<br />
im Hirnstamm verschaltet, diese senden dann ins Rückenmark<br />
- Unterschiede: 1. Ventromediale Trakte sind diffus, dorsolaterale Trakte dagegen nur<br />
kontralateral, ein Segment, oft Ende direkt an Motoneuron 2. Ventromediale Trakte<br />
33
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
innervieren proximale Muskeln von Rumpf und Gliedmaßen, dorsolaterale Trakte enden<br />
auf Motoneuronen von distalen Muskeln<br />
- Lawrence und Kuypers (1968): 1. lateraler Corticospinaltrakt in Pyramidenkreuzung bei<br />
Affen getrennt. Ergebnis: normal laufen, stehen, klettern, keine unabhängige<br />
Fingerbewegung, konnten Essen nicht mehr los lassen 2. zusätzlich<br />
Corticorubrospinaltrakt durchtrennt: Arme hingen schlaff herunter, konnten nur aus<br />
Schulter bewegt werden; oder alternativ: ventromediale Trakte durchtrennt: konnten nicht<br />
mehr Laufen oder Sitzen, Schultern nicht mehr kontrollieren, wohl aber Hand und<br />
Ellenbogen<br />
9.7 Sensomotorische Schaltkreise im Rückenmark<br />
Muskeln<br />
- Motorische Einheit: ein Motoneuron und alle von ihm innervierten Skelettmuskelfasern<br />
- Aufbau eines Muskels: viele fadenförmige Muskelfasern, von fester Membran<br />
umschlossen, über Sehne mit Knochen verbunden. Motoneuronen geben Acetylcholin an<br />
neuromuskulären Endplatten frei, aktivieren Rezeptoren in motorischer Endplatte jeder<br />
Muskelfaser, Kontraktion<br />
- Motorischer Pool: alle Motoneurone eines Muskels<br />
- Schnelle Muskelfasern sind schlecht vaskuliert, daher blassrot; langsame Muskelfasern<br />
sind gut vaskuliert, daher dunkelrot<br />
- Zwei Kategorien von Muskeln: Beuger (Flexoren) und Strecker (Extensoren) Bsp.:<br />
Bizeps und Trizeps<br />
- Synergistische Muskeln rufen bei Kontraktion die gleiche Bewegung hervor,<br />
antagonistische Muskeln arbeiten gegeneinander<br />
- Isometrische Kontraktion erhöht Spannung zwischen zwei Knochen, Muskellänge<br />
bleibt dabei gleich, isotonische Kontraktion zieht Knochen zusammen, Muskel verkürzt<br />
sich, Muskeltonus = Zugkraft bleibt gleich<br />
Muskelrezeptororgane<br />
- Golgi-Sehnenorgane liegen in Sehnen, reagieren auf Anstieg der Muskelspannung, gebe<br />
diese Info an ZNS und haben Schutzfunktion<br />
- Muskelspindeln liegen im Muskelgewebe, reagieren auf Veränderung der Muskellänge;<br />
haben eigene intrafusale Muskelfaser, innerviert vom eigenen intrafusalen<br />
Motoneuron, damit Spannung der Spindel und damit Dehnungssensitivität<br />
aufrechterhalten wird, wenn sich der extrafusale Muskel verkürzt<br />
Der Dehnungsreflex<br />
- Patellarsehnenreflex: Streckung des Oberschenkelmuskels führt, angeregt von<br />
afferenten Spindelneuronen, zu kompensatorischer Muskelkontraktion<br />
- Funktion von Dehnungsreflexen: Körperposition gegen äußere Kräfte aufrechtzuerhalten<br />
Der Schutzreflex<br />
- Nicht monosynaptisch, reagiert auf Schmerzreize bereits nach 1,6 ms über Interneurone<br />
Reziproke Innervation<br />
- Antagonistische Muskeln sind Reziprok innerviert, was bedeutet, das der eine erschlafft,<br />
wenn der andere kontrahiert wird. Ein sensorischer Input (z.B. Schmerzreiz) stimuliert im<br />
Rückenmark exzitatorische und inhibitorische Interneurone. Bewegung entsteht durch<br />
Anpassung der relativen Cokontraktion antagonistischer Muskeln<br />
Rekurrente Hemmung<br />
- Inhibitorische Neurone hemmen genau die Motoneurone, von denen sie Input erhalten,<br />
um ihnen eine Pause zu gönnen. Renshaw-Zellen vermitteln die rekurrente Hemmung<br />
Gehen: ein komplexer sensomotorischer Reflex<br />
- Laufen wird durch neuronale Schaltkreise im Rückenmark kontrolliert. Sehr komplexe<br />
Angelegenheit, man kann nicht einmal Roboter bauen, der so gut läuft wie ein Mensch<br />
34
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
9.8 Zentrale sensomotorische Programme<br />
- Theorie: alle Stufen des sensomotorischen Systems haben Aktivitätsmuster<br />
einprogrammiert, durch Kombination solcher Programme entstehen komplexe<br />
Bewegungsmuster. Assoziationskortex trifft Entscheidung zu Handlung, aktiviert in jeder<br />
Stufe bestimmte Programme, die dann völlig eigenständig ablaufen, ohne Kontrolle von<br />
oben<br />
Zentrale motorische Programme können sich ohne Übung entwickeln<br />
- Bsp.: Mäuse ohne Vorderbeine, die Schulterbewegungen wie beim Putzen ausführen, und<br />
dabei die Augen schließen, wenn normalerweise Pfoten diese berührt hätten<br />
Zentrale motorische Programme können durch Übung entstehen<br />
- Response chunking: Übung vereinigt Kontrolle von einzelnen Verhaltenselementen in<br />
langen Sequenzen. (Bsp.: tippen. Erst jeder Buchstabe bewusst, dann aber Gewöhnung an<br />
Wörter, also bestimmte Abfolge von Buchstaben)<br />
- Verlagerung der Kontrolle auf untere Hierarchieebenen: Vorteile: höhere Ebenen<br />
können sich mit anderen Dingen beschäftigen (Bsp.: Pianist interpretiert ein Stück);<br />
Geschwindigkeitssteigerung mehrere untergeordnete Schaltkreise agieren gleichzeitig<br />
Funktionelle bildgebende Verfahren und motorisches Lernen<br />
- PET-Studie von Jenkins e al. 1994: Gehirnaktivität bei lernen von Tastendrücke in<br />
bestimmter Reihenfolge<br />
- Befunde:<br />
1. posteriorer parietaler Cortex aktiver bei neu gelerntem als bei Hochgeübtem<br />
(Integration von sensorischen Reizen, größere Aufmerksamkeitszuwendung)<br />
2. dorsolateraler präfrontaler Cortex aktiv bei neu gelerntem (bewusste Kontrolle)<br />
3. supplementär-motorisches Areal aktiver bei Hochgeübtem (Verhalten unabhängig von<br />
sensorischen Reizen), kontralateraler prämotorischer Cortex aktiver bei neu gelerntem<br />
(Verhaltenskontrolle durch sensorische Reize) ( Areale des sekundären motorischen<br />
Cortex reagieren unterschiedlich)<br />
4. primären motorischen und somatosensorischen Cortices immer gleich aktiviert<br />
(motorische Elemente vergleichbar in beiden Versuchsbedingungen)<br />
5. Basalganglien immer gleich aktiviert (Vermutung jedoch, dass unterschiedliche<br />
Neuronen innerhalb aktiviert waren)<br />
6. Kleinhirn immer bilateral aktiviert, aber stärker bei neu erlerntem (Cerebellum hat<br />
herausragende Rolle beim motorischen Lernen<br />
Kapitel 10: Die <strong>Biopsychologie</strong> des Essens und Trinkens<br />
Teil 1: Hunger, Essen und Regulation des Körpergewichts<br />
10.1 Verdauung und Energiestoffwechsel<br />
- Verdauung: Prozess, bei dem im gastrointestinalem Trakt der enzymatische Abbau von<br />
Nahrung und Getränken und die Resorption der Abbauprodukte in den Körper stattfindet<br />
- Drei Formen von Energiezufuhr: Lipide, Aminosäuren, Glucose<br />
- Körper speichert Energie in Form von Fetten (hauptsächlich), Glycogen und Proteinen<br />
- Energiestoffwechsel: cephalische Phase (Vorbereitung auf Essen), resorptive Phase (aus<br />
Nahrung resorbierte Energie deckt Bedarf), Fastenphase (ungespeicherte Energie aus<br />
Nahrung ist weg, Körper greift auf Reserven zurück)<br />
- Hormone der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) regulieren Energiefluss: Insulin und<br />
Glucagon<br />
35
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Insulin in 1. Phase senkt Nährstoffe im Blut (vor allem Glucagon) wegen erwarteter<br />
Nahrungszufuhr, Insulin in 2. Phase minimiert Anstieg von Nährstoffen im Blut durch<br />
Förderung von Verbrauch und Speicherung<br />
- Glucagon in 3. Phase: Glucose kann nur bei viel Insulin für Körperzellen verbraucht<br />
werden, steht jetzt nur Gehirn zur Verfügung; Förderung von Glucogenese; Förderung<br />
der Freisetzung freier Fettsäuren aus Fettgewebe als Hauptenergiequelle<br />
10.2 Theorien zum Essverhalten: Sollwert versus Anreiz<br />
Die Sollwert-Hypothese<br />
- Geht davon aus, dass der Körper einen Energiesollwert hat, der nach der Nahrungszufuhr<br />
erreicht ist.<br />
- Durch Energieverbrauch entfernt sich der Energieanteil vom Sollwert, worüber ein<br />
Fühlermechanismus in Form eines negativen Feedback-Systems Auskunft gibt.<br />
- Wir bekommen Hunger, und nehmen neue Nahrung auf, bis wir den Sollwert wieder<br />
erreicht haben, also gesättigt sind (Effektormechanismus)<br />
Glucostatische und lipostatische Sollwerttheorien von Hunger und Essen<br />
- glucostatische Theorie: Sollwert orientiert sich am Blutzuckerspiegel (Kurzzeitsystem,<br />
für Beginn und Ende von Mahlzeiten verantwortlich)<br />
- lipostatische Theorie: Sollwert orientiert sich am Körperfett (Langzeitsystem)<br />
Probleme mit den Sollwerttheorien von Hunger und Essen<br />
- Evolution der Säuger funktioniert nicht mit Sollwerttheorie, da nur unregelmäßig Essen<br />
verfügbar war<br />
- Vorraussagen über Essverhalten nicht bestätigt: trotz Übergewicht essen Menschen; in<br />
Fastenphase ist Blutzuckerspiegel konstant; Kalorienreiches Getränk vor Mahlzeit<br />
reduziert nicht den Umfang der Mahlzeit<br />
- Einfluss von Geschmack (Nachtisch, obwohl schon pappsatt), Lernen, sozialer Einfluss<br />
(mehr essen in Gesellschaft)<br />
Die Anreiztheorie<br />
- Alternativtheorie: durch erwartete angenehme Effekte der Nahrung werden Menschen<br />
zum essen verleitet<br />
- Vorhandensein oder Erwartung guter Nahrung lassen uns hungrig werden, Grad des<br />
Hungers wird bestimmt von Zusammenspiel aller Faktoren, die Anreizwert bestimmen<br />
10.3 Faktoren, die darüber entscheiden, was, wann und wie viel wir essen<br />
Faktoren, die darüber entscheiden, was wir essen<br />
- Alle Menschen essen gerne süß, fettig und salzig; bitter dagegen nicht (ist Hinweis auf<br />
giftige Inhaltsstoffe)<br />
- Erlernte Geschmackspräferenzen und Aversionen:<br />
- Ratten lernen Aversion gegen schädliche Nahrungsmittel, bevorzugen Stoff der in<br />
Muttermilch war, lernen in sozialem Umfeld eher, was gesund für sie ist<br />
- Kulturelle Bedingtheit von Geschmackspräferenzen<br />
- Lernen, Vitamine und Mineralstoffe zu sich zu nehmen:<br />
- bei Natriummangel sofort zwingend Vorliebe für Kochsalz<br />
- bei Mangel an anderen wichtigen Vitaminen: langsames Lernen durch Erleben positiver<br />
Effekte dieser Nahrung<br />
- durch Vielfalt der Nahrung und Nahrungsmittel ohne Nährstoffe aber mit<br />
Geschmacksverstärker können wir diese natürliche Fähigkeit nicht nutzen<br />
Faktoren, die beeinflussen, wann wir essen<br />
- Wir haben bestimmte Gewohnheiten, wie oft wir wie viel essen<br />
36
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Hunger vor einer Mahlzeit: Zufuhr von Nahrung bringt Homöostase durcheinander.<br />
Körper wirkt dem entgegen, indem er Insulin ausschüttet, Blutzuckerspiegel senkt, sobald<br />
sich Mahlzeit ankündigt (z.B. durch gewohnte Zeit)<br />
- Klassische Konditionierung des Hungers: Ratten mit Licht-Reiz auf Futter konditioniert,<br />
nach 11 Tagen Testphase: Sie fressen auf diesen Reiz hin, obwohl ohnehin ständig Futter<br />
verfügbar<br />
Faktoren, die beeinflussen, wie viel wir essen<br />
- Sättigungssignale: bestimmt von Menge und Energiedichte der Nahrung (Kalorien pro<br />
Volumeneinheit)<br />
- Scheinessen: Mäuse mit Sonde, durch die Nahrung sofort rausfällt; entweder bekannte<br />
oder unbekannte Kost, von unbekannter wird mehr gefressen Konsum ist nicht<br />
abhängig von Energiebedarf, sondern von Erfahrung mit Wirkung der Nahrung<br />
- Appetitanreger: kleine Häppchen vergrößern Hunger, typisch für cephalische Phase<br />
- Soziale Einflüsse: in Gesellschaft isst man mehr<br />
- Sensorisch-spezifische Sättigung: Cafeteriakost erhöht Nahrungsaufnahme und somit<br />
Körpergewicht. Anreiz gerade verzehrter Nahrung nimmt drastisch ab, Anreiz anderer<br />
Nahrungsmittel jedoch nicht ganz so viel. Hauptanreiz ist Geschmack. Konsequenzen:<br />
Förderung abwechslungsreichen Nahrungskonsums keine Mangelerscheinung;<br />
erhöhter Konsum bei vielfältigem Angebot<br />
10.4 Ansätze der Physiologie zur Erforschung von Hunger und Sättigung<br />
Bedeutung des Blutzuckerspiegels für Hunger und Sättigung<br />
- Bei Ratten nimmt Blutzuckerspiegel kurz vor erwarteter Nahrung (10min) um 8%ab,<br />
hervorgerufen durch Insulinausschüttung. Aber: bei unerwarteter Nahrung passiert das<br />
nicht, trotzdem wird gefressen; bei Ausbleiben der Nahrung steigt er wieder auf normales<br />
Niveau gegen Sollwerthypothese<br />
- Experimente zeigen: Blutzuckerspiegel hat Einfluss auf Nahrungsaufnahme, ist aber<br />
nicht primärer Auslöser dafür<br />
Der Mythos hypothalamischer Hunger- und Sättigungszentren<br />
- Läsion des VHM-Sättigungszentrums (ventromedialer Hypothalamus) bei Ratten löst<br />
Hyperphagie aus, die in einer dynamischen (Gewichtszunahme) und statischen Phase<br />
(Gewichtstabilisierung) abläuft<br />
- Läsion des LH-Fresszentrums (lateraler Hypothalamus) bei Ratten löst Aphagie aus, die<br />
mit Adipsie einhergeht<br />
- Neubewertung: Hypothalamus ist für Regulation von Energiestoffwechsel statt von<br />
Essverhalten zuständig.<br />
- Läsion es VHM löst Blutzuckerspiegelanstieg aus, Lipogenese wird gefördert und<br />
Lipolyse vermindert; Ratten müssen viel fressen, damit akuter Energiebedarf gedeckt<br />
werden kann<br />
- Effekte von VHM-Läsionen fallen zurück auf gleichzeitige Schädigung des<br />
paraventriculären Nucleus<br />
- LH-Läsionen führen zu allgemeinem Mangel an Reaktion auf sensorische Reize, nicht<br />
nur auf Essen und Trinken kein Grund für Annahme von Fresszentrum<br />
Bedeutung des Verdauungstrakts bei der Sättigung<br />
- Versuch von Cannon und Washburn (1912): letzterer schluckte Ballon, dadurch wurde<br />
Magenkontraktion registriert Magenkontraktion geht mit Hungergefühl einher.<br />
Folgerung: Gastrointestinaltrakt ist für Hunger/Sättigungsgefühl verantwortlich<br />
- Aber: Patienten mit fehlendem Magen und nur Zwölffingerdarm (Duodenum) haben<br />
auch Hunger<br />
- Andere Untersuchung: Signal kommt doch aus Magen, aber via Blutstrom, und nicht<br />
durch Nährstoffe, sondern andere Substanzen<br />
37
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Die Rolle von Peptiden bei Hunger und Sättigung<br />
- Peptide sind kurze Aminosäureketten, können Hormone oder Neurotransmitter sein.<br />
- Nahrung im Magen löst Freisetzung von Peptiden aus, diese binden an Rezeptoren im<br />
Gehirn und anderen Organe (Bsp.: Cholecystokinin (CKK))<br />
- Ebenso gibt es Peptide, die Nahrungsaufnahme fördern (z.B. Neuropeptid Y und<br />
Galanin)<br />
10.5 Regulation des Körpergewichts: Sollwert als fester Bezugspunkt oder dynamische<br />
„Regelungspunkte“<br />
Annahmen der Sollwerttheorien über Körpergewicht und Essverhalten<br />
- Variabilität des Körpergewichts: Nach Sollwerttheorie sollte man immer essen, wenn<br />
man Hunger hat, um konstante, optimales Gewicht zu halten. Stimmt allerdings nicht mit<br />
Realität überein: Übergewicht kann man nur vermeiden, wenn man Antrieb zu essen<br />
widersteht<br />
- Bezugspunkte und Gesundheit: verschiedene Belege für Nachteile von ad-libitum-essen:<br />
1. Okinawa-Studie: Japaner auf bestimmter Insel haben 20% weniger Kalorienzufuhr als<br />
Bevölkerungsdurchschnitt, sind aber gesünder. 2. Experimente mit Affen und Mäusen:<br />
Nahrungsrestriktion führt zu Verbesserung der Gesundheit und Langlebigkeit; Ergebnisse<br />
unabhängig von Gewichtsabnahme<br />
- Regulation des Körpergewichts durch Änderungen der Effizienz der<br />
Nahrungsverwertung: wenn das Gewicht sinkt, verwertet der Körper die ihm zugeführte<br />
Energie effizienter, daher sinkt Effekt einer Diät mit der Zeit. Gegenteil gilt für<br />
Gewichtszunahme. Dies heißt auch diätinduzierte Thermogenese. Außerdem gibt es<br />
große individuelle Unterschiede im Grundumsatz.<br />
Sollwerte und feste Bezugspunkte bei der Gewichtskontrolle<br />
- Bezugspunktmodell ist einfacher als Sollwertmodell und kann experimentelle Befunde<br />
erklären<br />
- Gewicht schwankt um einen Bezugspunkt, bei dem Faktoren, die Gewicht beeinflussen,<br />
im Gleichgewicht liegen. Wenn längerfristige Veränderungen eines Faktors eintreten,<br />
setzt sich ein neuer Bezugspunkt, auf dem das Gewicht dann konstant bleibt<br />
- Faktoren: verfügbare Nahrungsmenge, Anreiz der Nahrung, aufgenommene<br />
Energiemenge, Menge an Körperfett, verbrauchte Energiemenge, Stärke des<br />
Sättigungssignals<br />
- Befunde:<br />
1. Körpergewicht bleibt meist konstant kann genauso gut durch Bezugspunkttheorie<br />
erklärt werden<br />
2. Körpergewicht kann sich auch dauerhaft verändern kann nur durch<br />
Bezugspunkttheorie erklärt werden<br />
3. Veränderte Nahrungsaufnahme führt zu Stoffwechselveränderung wirkt lediglich<br />
gegen weiter Gewichtsveränderung, nicht aber Rückkehr zu Ursprungsgewicht <br />
besser erklärbar durch Bezugspunkttheorie<br />
4. starker Gewichtsverlust und anschließende Rückkehr zu Essgewohnheiten führt zu<br />
Rückkehr des Ursprungsgewichts kann genauso gut mit Bezugspunktheorie erklärt<br />
werden<br />
Teil 2: Durst, Trinken und Flüssigkeitshaushalt<br />
10.6 Regulierung der körpereigenen Flüssigkeitsreserven<br />
Intrazelluläres und extrazelluläres Flüssigkeitskompartiment<br />
- 2/3 der Körperflüssigkeit ist intrazellulär, 1/3 extrazellulär, verteilt auf interstitielle<br />
Flüssigkeit, Blut und Cerebrospinalflüssigkeit<br />
38
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- beides sind isotonische Lösungen, d.h. haben gleiche osmotische Konzentration. Ist<br />
diese unterschiedlich, entsteht osmotischer Druck, Wasser von hypotonischer Lösung<br />
diffundiert zwecks Ausgleich zu hypertonischer Lösung<br />
Die Nieren: Regulation des Wassergehalts und der Natriumkonzentration<br />
- Natriumchlorid ist wichtigstes osmotisches Teilchen<br />
- Nieren sondern Natrium und Wasser, das wir zu viel aufnehmen, aus: Blut kommt durch<br />
Nierenarterie in Nieren, Nephrone (Knäuel aus Kapillaren und Nierentubuli) sortieren<br />
Überschuss aus, Blut verlässt Niere durch Nierenarterie, Überschuss wird durch<br />
Harnleiter ins Harnblase geleitet und dort ausgeschieden<br />
- Andere Arten von Wasserverlust: Schwitzen, Respiration, Defäkation, Evaporation durch<br />
die Haut<br />
10.7 Deprivationsinduziertes Trinken: zelluläre Dehydrierung und Hypovolämie<br />
Zelluläre Dehydrierung und Durst<br />
- Salz im Essen macht Durst: Natrium sammelt sich in Extrazellulärflüssigkeit, macht<br />
diese hypertonisch, Wasser diffundiert aus Zellen intrazelluläre Dehydrierung<br />
- Osmorezeptoren: Zellen, die diese zelluläre Dehydrierung registrieren; sie liegen in der<br />
Lamina terminalis (Schichtartige Struktur im anterior gelegenen Boden des III.<br />
Ventrikels) und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus. (Tierversuch: Injektion von<br />
Kochsalzlösung in Aorta carotis<br />
- 2 Wirkungsmechanismen von Osmorezeptoren: 1. direkt: neuronale Schaltkreise<br />
vermitteln Durstgefühl; 2. indirekt: antidiuretisches Hormon (ADH/Vasopressin) wird<br />
aus Hypophysenhinterlappen freigesetzt<br />
Hypovolämie und Durst<br />
- Verringerung des Blutvolumens<br />
- Bei Versuchstieren: entweder Blutabnehmen oder Einsatz von Kolloiden (wirken wie<br />
Schwämme) beides ändert Osmolarität nicht<br />
- Herznahe Baro- und Pressorezeptoren registrieren Hypovolämie beeinflussen Nieren<br />
indirekt durch ADH-Freisetzung, Volumensensoren der Niere registrieren Hypovolämie<br />
beeinflussen Nieren direkt<br />
Wirkungen des antidiuretischen Hormons<br />
- ADH vermindert Urinproduktion in Nieren und erhöht Reninausschüttung aus Nieren<br />
- Renin im Blut fördert Bildung von Peptidhormon Angiotensin II, diese veranlasst durch<br />
Vasokonstriktion Blutdruckerhöhung und Freisetzung von Aldosteron uns<br />
Nebennierenrinde<br />
- Aldosteron holt Natrium zurück in die Niere, die sonst durch Urin verloren gingen<br />
Angiotensin II und Trinken<br />
- Nieren produzieren Substanz, die zum Trinken veranlasst: Dipsogen (Angiotensin II)<br />
- Wirkort von Angiotensin II: Subfornicalorgan (SFO) ist Struktur der Lamina terminalis<br />
Trinken aufgrund natürlich auftretender Wasserdefizite<br />
- Natürlicher Wassermangel verringert intra- und extrazelluläres Flüssigkeitsvolumen<br />
- Tierversuche: normale Wasserzufuhr eliminiert intrazelluläres Flüssigkeitsvolumen,<br />
reduziert Trinken um 75%; Kochsalzlösung eliminiert extrazelluläre Flüssigkeitszufuhr,<br />
reduziert Trinken um 15%<br />
10.8 Spontanes Trinken: Trinken ohne Wassermangel<br />
- Normalerweise trinken wir ohne akutes Flüssigkeitsdefizit: spontanes Trinken. Trinken<br />
scheint also von Anreizeigenschaften, z.B. angenehmer Geschmack oder<br />
pharmakologische Wirkung, angeregt zu sein.<br />
Geschmack<br />
- Bsp.: gib Ratten Wasser mit Saccharin bzw. mit Chinin (Zu-/ Abnahme des Trinkens)<br />
39
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Feste Nahrung<br />
- Wasser ist wichtig für Verdauung und Metabolisierung der Nahrung, besonders bei<br />
proteinreicher Nahrung Ratten trinken viel beim Fressen<br />
Lernen<br />
- Menschen und Ratten lernen, bei erwartetem Wassermangel viel zu trinken<br />
10.9 Trinken und Durststillen<br />
- Sollwerttheorie kann Ende von Trinken nicht erklären: 1. Erreichen des Sollwerts keine<br />
Begründung für Ende, wenn keine Notwendigkeit für Beginn des Trinkvorgangs; 2.<br />
Trinkvorgang endet, bevor Wasser aus Magen-Darm-Trakt resorbiert wurde; 3. Tiere<br />
trinken mehr als nötig, wenn schmackhafte Flüssigkeit frei zugänglich ist<br />
Scheintrinken<br />
- Trinken nach Deprivationsphase ist proportional zur Zeit ohne Wasser, obwohl Wasser<br />
den Körper sofort wieder verlässt<br />
- Wasserinjektion in Magen oder Blut verringert Menge des getrunkenen Wassers nach<br />
Deprivation nur um 30%<br />
Trinken und sensorisch-spezifisches Durststillen<br />
- Saccharin elation effect: Ratten trinken mehr von Saccharin-haltigem Wasser, wenn<br />
dieses lange nicht zur Verfügung stand<br />
- Ratten trinken mehr, wenn größere Auswahl an leckeren Drinks vorhanden<br />
- Exzessives Trinken: gib Ratten uneingeschränkt Wasser sowie jede Minute ein<br />
Futterpellet: sie trinken 10 x soviel wie bei normaler Futtergabe mit gleicher Menge =<br />
schemainduzierte Poydipsie<br />
Teil 3: Störungen des Essverhaltens<br />
10.10 Fettleibigkeit<br />
- Fettleibigkeit ist ein um sich greifendes Problem vor allem in den Industriestaaten<br />
- Evolutionär bedingte Verhaltensweise (immer essen wenn was da ist) passt nicht mehr,<br />
da es keinen Nahrungsmangel mehr gibt<br />
- Diese wird noch verstärkt durch kulturelle Praktiken (bestimmte Essenszeiten,<br />
reichhaltiges Essen, mehrere Gänge)<br />
- Wie kommt es zu Adipositas? Übergewichtige Menschen haben stärkere cephalische<br />
Insulinreaktion, stärkeres absinken des Blutzuckerspiegels und hohe anschließende<br />
Nahrungsaufnahme)<br />
- Dauerhaftes Abnehmen geht nur durch dauerhafte Veränderung des Lebensstils<br />
- Körperliche Bewegung hilft nicht besonders beim Abnehmen, Ruheumsatz dagegen<br />
verbraucht 80% der aufgenommenen Energie<br />
Mutierte übergewichtige Mäuse<br />
- Spontane genetische Mutation: ob/ob-Mäuse fressen mehr, verwandeln Kalorien<br />
effektiver zu Fett, verwerten Fettkalorien effektiver<br />
Leptin: ein negatives Rückkopplungssignal aus dem Fett<br />
- Fehlendes Protein Leptin ist verantwortlich für dicke ob-Mäuse; Leptin wird in Fettzellen<br />
exprimiert, Leptingehalt im Blut korreliert positiv mit Fettdepots, Injektion von Leptin<br />
führt zu Reduktion von Fressen und Körperfett, Rezeptoren im Gehirn für Leptin<br />
Insulin: ein weiteres Feedback-Signal der Adipositas<br />
- Gleiches wie für Leptin gilt auch für Insulin<br />
Leptin bei der Behandlung des menschlichen Übergewichts<br />
- Befunde von ob-Mäusen gelten nicht für den Menschen, deren Produktion und<br />
Zirkulation von Leptin ist normal. Zusätzliche Injektion führt nicht zu Reduktion von<br />
Nahrungsaufnahme und Körperfett.<br />
40
- Aktuelle Forschung: vielleicht Problem mit Leptin-Rezeptoren?<br />
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
10.11 Anorexia nervosa<br />
- Patienten esse so wenig, dass Gesundheit darunter leidet, finden sich trotzdem dick<br />
- 50% der Anorektiker haben Heißhungerattacken, danach folgt Kompensation<br />
- Bulimia nervosa: periodischer Zyklus von Fasten, Heißhungerattacken und<br />
Kompensation ohne Dünnsein<br />
- Beginn oft strikte Schlankheitsdiät, es gibt keine wirksame Behandlung<br />
- Einerseits zeigen Anorektiker stärkere Insulinreaktion als normal in cephalischer Phase,<br />
intensive Beschäftigung mit Essen, andererseits selten Hunger, Angst vor Zunahme,<br />
Krankheitsgefühl nach Mahlzeit<br />
- Kardinalfrage: Warum kann mit dem Beginn des Verhungerns eintretender Hungertrieb<br />
kein Essverhalten auslösen?<br />
Kapitel 11: Hormone und Sexualität<br />
„Ein Mann ist ein Mann, und eine Frau ist eine Frau“<br />
- Männlichkeit und Weiblichkeit sind keine sich ausschließenden Kategorien<br />
11.1 Das neuroendokrine System<br />
Drüsen<br />
- Exokrine Drüsen: chemische Substanzen werden durch Gänge zum Zielort geleitet, z. B.<br />
Schweißdrüsen<br />
- Endokrine Drüsen: Hormone werden ins Kreislaufsystem geschüttet, z.B. Thyreoidea<br />
(Schilddrüse), Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Nebennieren<br />
Hormone<br />
- Drei Kategorien: 1. Aminosäurenderivat-Hormone werden aus Aminosäurenmolekül<br />
synthetisiert (z.B. Adrenalin aus Tyrosin) 2. Peptid- und Proteinhormone sind<br />
Aminosäurenketten, kurze = Peptid, lange = Protein 3. Steroidhormone werden aus<br />
Cholesterin (Fettstoff) synthetisiert. Sie sind klein und fettlöslich, können daher durch die<br />
Membran und nicht nur an Rezeptoren wirken. Wichtig für Sexualentwicklung und -<br />
verhalten<br />
Die Gonaden (Keimdrüsen)<br />
- Gonaden: Hoden und Ovarien; Hauptfunktion: Produktion von Sperma bzw. Eizellen<br />
- Nach Kopulation verbinden sich Sperma und Eizelle zu Zygote<br />
- Geschlecht wird durch Geschlechtschromosom des Spermiums bestimmt<br />
Die Steroidhormone der Keimdrüsen<br />
- Androgene (Testosteron) und Östrogene (Östradiol) sowie Gestagene (Progesteron)<br />
- Hauptfunktion der Nebennierenrinde ist Regulierung des Salz- und Zuckerhaushalts des<br />
Blutes, aber sie schüttet auch Androgene, Östrogene und Gestagene aus<br />
Die Hormone der Hypophyse<br />
- Übergeordnete Drüse des neuroendokrinen Systems, schüttet glandotrope Hormone aus<br />
(z.B. Gonadotropine)<br />
- Besteht aus Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse, für Hormonausschüttung),<br />
Hypophysenstiel, Hypophysenhinterlappen (Adenohypophyse)<br />
Schwankungen des weiblichen und des männlichen Geschlechtshormonspiegels<br />
- Hormonausschüttung bei Frauen unterliegt Menstruationszyklus (28 Tage), bei Männern<br />
dagegen circadiane Schwankung, die allerdings wesentlich geringer ist<br />
- Transplantationsexperimente bei Ratten: unterschiedliches Muster nicht bedingt durch<br />
männliche/weibliche Hypophyse<br />
41
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Neuronale Steuerung der Hypophyse<br />
- Hypophyse wird durch den darüber liegenden Hypothalamus gesteuert<br />
Steuerung des Hypophysenvorder- und Hinterlappens durch den Hypothalamus<br />
- Steuerung des Hinterlappens: Vasopressin und Oxytocin werden in paraventriculären<br />
und supraoptischen Nuclei des Hypothalamus gebildet, von dort über Axone zum<br />
Hinterlappen gebracht und gespeichert<br />
- Steuerung des Vorderlappens: durch Pfortadersystem von Hypothalamus und<br />
Hypophyse werden Hormone vom Hypothalamus zum Vorderlappen transportiert<br />
Die Entdeckung der hypothalamischen Releasing-Hormone<br />
- Thyreotropin-Releasing-Hormon des Hypothalamus steuert Thyreotropin-<br />
Ausschüttung aus Hypophyse, was wiederum zu Hormonausschüttung aus Thyreoidea<br />
bewirkt<br />
- Identifiziert durch Schally und Guilleman, bei Schafen und Schweinen<br />
- Gonadotropin-Releasing-Hormon stimuliert Ausschüttung des Follikel-stimulierenden<br />
Hormons (FSH) und luteinisierenden Hormons (LH)<br />
Die Rückkopplung im neuroendokrinen System<br />
- Es gibt einerseits eine negative Rückkopplung, aber auch positive Rückkopplung z.B. bei<br />
Ovulation<br />
Pulsatile Hormonausschüttung<br />
- Hormone werden im Laufe des Tages in Schüben ausgeschüttet, daher unterscheidet sich<br />
die Hormonkonzentration im Kreislauf stark innerhalb eines Tages<br />
Zusammenfassendes Schema zur neuroendokrinen Regulation der Keimdrüsenhormone<br />
11.2 Hormone und Sexualentwicklung<br />
Fetale Hormone und die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane<br />
- Gonaden: 6 Wochen nach Befruchtung Primordialgonaden, bestehend aus Medulla und<br />
Cortex. Y-Chromosom synthetisiert H-Y-Antigen, welches die Medulla zu einem Hoden<br />
wachsen lässt. Ist H-Y-Antigen nicht vorhanden, entwickelt sich der Cortex zu einem<br />
Eierstock<br />
- Innere Geschlechtskanäle: alle Feten haben Wolffsche Gänge (männliche<br />
Geschlechtskanäle) und Müllersche Gänge (weibliche Geschlechtskanäle). Im 3. Monat<br />
schütten Hoden Testosteron aus (stimuliert Wolffsche Gänge) und Müllersche<br />
inhibierendes Hormon (Rückbildung der Müllerschen Gänge, Absenkung der Hoden in<br />
Scrotum). Wenn kein Hoden da ist, entwickeln sich Müllersche Gänge<br />
- Gonadektomie: Ovarektomie bzw. Orchidektomie<br />
- Äußere Geschlechtsorgane: Genitalien entwickeln sich ab 2. Monat aus dem selben<br />
Vorläuferorgan; ebenfalls gesteuert durch An-/Abwesenheit von Testosteron<br />
Die cerebrale Entwicklung der Geschlechtsunterschiede<br />
- Männer und Frauen haben Unterschiede im Aufbau und in der Funktion bestimmter<br />
Gehirnstrukturen, Bedeutung ist aber noch ungeklärt<br />
- Perinatale Androgene und die Differenzierung des Gehirns: Gonadektomie bei<br />
neugeborenen Ratten, anschließend Transplantation keine Gonaden = weiblicher<br />
Zyklus, Hoden = männlicher Zyklus, Ovarien = kein Einfluss<br />
- Aromatisierung und Gehirndifferenzierung: Aromatisierung ist Umwandlung von<br />
Testosteron in Östradiol. Maskulinisierung des Gehirns erfolgt durch aromatisiertes<br />
Östradiol. Beweis: Dihydrotestosteron lässt sich nicht in Östradiol umwandeln, hat<br />
keinen Einfluss auf Gehirn. Bei Ratten hindert Alphafetoprotein Eintritt von normalem<br />
Östradiol ins Gehirn, und somit Maskulinisierung; Testosteron ist jedoch immun, wandelt<br />
sich dann erst im Gehirn um. Bei Primaten hat plazentare Schranke gleichen Effekt<br />
42
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Perinatale Hormone und Verhaltensentwicklung<br />
- Rattenweibchen bekommen perinatal Testosteron maskulinisierender Einfluss.<br />
Zusätzlich noch Progesteron und Östradiol defeminisierender Einfluss<br />
- Rattenmännchen werden direkt kastriert (perinataler Testosteronentzug), bekommen<br />
später Testosteron demaskulinisierender Einfluss. Zusätzlich (später) Progesteron und<br />
Östradiol feminisierender Einfluss<br />
- Prozeptive Verhaltensweisen (Partnersuche und so) sind noch nicht so gut untersucht,<br />
aber Hinweise, dass Testosteron männliches Verhalten (z.B. Aggressivität) fördert und<br />
weibliches (z.B. Brutpflege) mindert<br />
Hormone und die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale in der Pubertät<br />
- Sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickeln sich erst in der Pubertät<br />
- Hypophysenvorderlappen schüttet Wachstumshormon aus, das auf Knochen- und<br />
Muskelgewebe wirkt<br />
- Gonadotrope und adrenocorticotrope Hormone (ACTH) bewirken Reifung der<br />
Genitalien<br />
- Unterschied beruht darauf, dass Männer höheren Androgenspiegel und Frauen höheren<br />
Östrogenspiegel haben<br />
- Androstendion ist jedoch Androgen der Nebennierenrinde, das für weibliches Schamhaar<br />
zuständig ist<br />
Drei außergewöhnliche Fälle menschlicher Sexualentwicklung<br />
- Fall 1: äußerlich Frau, genetisch aber Mann, mit inneren Hoden, keinen Eierstöcken,<br />
unterentwickelter Gebärmutter und Vagina. Grund: testikuläre Feminisierung durch<br />
Unempfindlichkeit des Körpergewebes für Androgene<br />
- Fall 2: androgenitales Syndrom: Mangel an Cortisol führt zu übermäßiger Produktion<br />
von Androgenen; kaum Wirkung auf Männer, bei Frauen aber abnorme Bildung der<br />
äußeren Geschlechtsorgane (innere meist normal); kurz nach Geburt kann man zu Frau<br />
umoperieren. Man behandelt weiter durch Gabe von Cortisol, kann aber nie sagen, ob<br />
Kind in Pubertät zu Mann oder zu Frau wird<br />
- Fall 3: bei männlichen eineiigen Zwillingen wurde bei einem Ablatio penis durchgeführt;<br />
daher zu Mädel umoperiert Entwicklung ging aber in natürliche Richtung, später<br />
wieder umoperiert lebt jetzt als Mann<br />
11.3 Auswirkungen der Keimdrüsenhormone auf Erwachsene<br />
Männliches Sexualverhalten und Testosteron<br />
- Bremer (1959) untersuchte 157 Fälle von Orchidektomie bei norwegischen<br />
Sexualstraftätern: etwa 50% völlig asexuell; andere nur Erektionsfähigkeitsverlust, aber<br />
sexuelles Interesse; andere weiterhin Geschlechtsverkehr, nur weniger. Weitere<br />
Auswirkungen: weniger Behaarung, Fett an Hüfte und Brust, weichere Haut, weniger<br />
Körperkraft<br />
- Symptome der Orchidektomie verschuldet durch Mangel an Testosteron <br />
therapeutische Wirkung von Ersatzinjektion<br />
- Aber: Testosteronspiegel korreliert nicht mit sexueller Aktivität<br />
- Bei Ratten wirkt Dihydrotestosteron nicht, bei Primaten schon<br />
Keimdrüsenhormone und weibliches Sexualverhalten<br />
- Bei Ratten: 4 Tage-Zyklus: 2 Tage hohe Östrogenausschüttung, Ovulation, hohe<br />
Progesteronausschüttung Östrus: 12-18 Stunden dauernde Periode, Weibchen ist<br />
fertil, rezeptive, prozeptiv und sexuell attraktiv weibliches Sexualverhalten steht unter<br />
hormoneller Kontrolle<br />
- Achtung: bei Frauen ist dies anders, Menstruationszyklus hat nichts mit Sexualverhalten<br />
zu tun<br />
43
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Hinweise, dass bei Frauen Sexualverhalten von Androgenen gesteuert wird (Rhesusaffen,<br />
Ersatzinjektion nach Ovarektomie; Messungen von Testosteron- und Östradiolspiegel bei<br />
sexueller Bereitschaft; Klinische Studie mit Ersatzinjektion nach OP)<br />
Anabolikamissbrauch<br />
- Anabole Steroide haben wachstumsfördernde Wirkung<br />
- Wissenschaftliche Untersuchungen, ob künstlich synthetisierte Anabolika tatsächlich<br />
Muskeln und Körperkraft vergrößern, haben widersprüchliche Ergebnisse<br />
- Problem: in Studien geringere Dosis und kein Training<br />
- Nebenwirkungen: Beim Mann: verminderte Ausschüttung von Gonadotropin <br />
Hodenschwund und Sterilität; Brustentwicklung. Bei Frau: Ausbleiben der<br />
Menstruationsblutung, Haarwuchs, Sterilität, Vergrößerung der Klitoris etc. Außerdem:<br />
Muskelschmerzen, blutiger Urin, Akne, Übelkeit, Depressionen etc.<br />
- Mäuseexperiment: höhere Sterblichkeit<br />
- 2 Erkenntnisse: Testosteronhaltige Medikamente führen zu Menschen mit normalem<br />
Testosteronspiegel nicht zu erhöhter sexueller Aktivität; Hormone wirken immer auf den<br />
Körper, nicht nur in kritischen Phasen<br />
11.4 Hypothalamus und Sexualverhalten<br />
Strukturelle Unterschiede des Hypothalamus von Männern und Frauen<br />
- bei Ratten: Unterschied in medialer präoptischer Region des Hypothalamus: der<br />
sexualdimorphe Nucleus ist bei Männchen größer als bei Weibchen. Unterschied<br />
entsteht durch aromatisiertes Östradiol in ersten Lebenstagen<br />
- Größe korreliert mit Testosteronspiegel und Sexualverhalten, Läsion hat aber keinen<br />
Einfluss auf beides<br />
- Bei Menschen: Kerne in präoptischer und anteriorer Region des Hypothalamus bei<br />
Männern sind größer als bei Frauen<br />
Hypothalamus und männliches Sexualverhalten<br />
- Bilaterale Läsionen der medialen präoptischen Region reduzieren männliches<br />
Sexualverhalten, männliche Ratten würden gern, können aber nicht mehr kopulieren<br />
- In diesem Bereich viele Rezeptoren für Galanin<br />
- Entscheidende Nervenbahn führt ins laterale Tegmentum des Mittelhirns, Durchtrennung<br />
löscht Sexualverhalten<br />
Hypothalamus und weibliches Sexualverhalten<br />
- Nucleus ventromedialis (NVM) des Hypothalamus: Reizung fördert Sexualverhalten,<br />
Läsion löscht Lordoseverhalten (bei Reizung)<br />
- Östradiolinjektion führt zu Anstieg der Progesteronrezeptoren im NVM, anschließende<br />
Progesteroninjektion führt zu Östrus<br />
- Entscheidende Nervenbahn führt zum periaquäductalen Grau des Mittelhirns<br />
11.5 Sexuelle Präferenz, Hormone und Gehirn<br />
Sexuelle Präferenz und Gene<br />
- Studien mit Zwillingen zeigen, dass Gene sexuelle Präferenz z. T. bestimmen: Eineiige<br />
Homos haben zu 52% (M)/48 % (W) Homo Zwilling, zweieiige Homos haben zu<br />
22%(M)/16%(W) Homo Zwilling<br />
Sexuelle Präferenz und Hormone<br />
- Hormonspiegel bei Homosexuellen sind genauso wie bei Heterosexuellen<br />
- Bei Tieren führt perinatale Testosteronbehandlung bei Weibchen und Kastration bei<br />
Männchen zu Präferenz des eigenen Geschlechts<br />
44
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Diäthylstilbestrol (synthetisches Östrogen) in Schwangerschaft führt bei Töchtern zu<br />
Hingezogenheit zu Frauen, nicht aber Homosexualität leichter Hinweis auf Einfluss<br />
von Hormonen, insgesamt aber Erfahrung für Menschen sehr wichtig<br />
Wodurch wird die Entwicklung der sexuellen Anziehung ausgelöst?<br />
- Erste sexuelle Anziehung mit 10 Jahren, also vor Geschlechtsreife. Eventuell ausgelöst,<br />
durch Nebennierenrindenhormone<br />
Haben Homosexuelle und Heterosexuelle unterschiedliche Gehirne?<br />
- Oft liegt Struktur des Gehirns männlicher Homosexueller zwischen der weiblicher und<br />
männlicher Heterosexueller<br />
- LeVay: dritter interstitieller Nucleus des anterioren Hypothalamus ist bei Hetero-<br />
Männern doppelt so groß wie bei Hetero-Frauen und Homo-Männern Vorsicht: bisher<br />
nicht repliziert, Ursache-Wirkung ungeklärt, außerdem Homo-Männer fast alle an Aids<br />
gestorben<br />
Kapitel 12: Schlaf, Traum und circadiane Rhythmen<br />
12.1 Physiologie und Verhalten während des Schlafs<br />
Drei psychophysiologische Standardmessungen für Veränderungen im Schlaf<br />
- Im Schlaflabor misst man EEG, EMG und EOG; die erste Nacht heißt Adaptionsnacht<br />
Die vier Stadien des Schlaf-EEGs<br />
- Übergang zum Schlaf: vereinzelte Alpha-Wellen (Frequenz von 8-12 Hz<br />
- Schlafstadium 1: hohe Frequenz, niedrige Amplitude (ähnlich aktiver Wachzustand, aber<br />
langsamer)<br />
- Schlafstadium 2: niedrigere Frequenz, höhere Amplitude (unterbrochen von K-Komplex<br />
und Schlafspindeln)<br />
- Schlafstadium 3: zunehmend Delta-Wellen (Frequenz von 1-2 Hz)<br />
- Schlafstadium 4: nur noch Delta-Wellen<br />
- Schlafstadien werden im Verlauf der Nacht mehrmals durchlaufen (ein Durchlauf etwa<br />
90 Min); Im Intitialstadium keine Veränderung von Muskeltonus und Augenbewegung,<br />
in weiter Schlafstadien 1 Verlust des Muskeltonus und REM (paradoxer Schlaf)<br />
- Slow-wave-sleep (SWS): Schlafstadien 2-4; auch NREM-Phasen genannt<br />
12.2 REM-Schlaf und Traum<br />
- Kleitman (1953): Entdeckung des Zusammenhangs von REM-Schlaf und Träumen<br />
- Dement (1978): Aufwecken in REM-Phase führt zu deutlicher Erinnerung an Traum<br />
Überprüfung einiger allgemeiner Vorstellungen über das Träumen<br />
- äußere Reize werden in den Traum miteinbezogen (Bsp.: schlafenden Probanden mit<br />
Wasser besprühen<br />
- Träume laufen in Echtzeit ab (Bsp.: Probanden aufwecken und fragen, wie lange Traum<br />
gedauert hat)<br />
- Wer nicht träumt, hat genauso viel REM-Schlaf wie andere auch, kann aber nicht über<br />
Träume berichten<br />
- Peniserektionen treten genauso bei nicht sexuellen Träumen auf wie bei sexuellen<br />
- Somnambulismus (Schlafwandeln) und Sprechen tritt nicht in REM-Phase, sondern in<br />
Schlafstadium 4 auf<br />
Traumdeutung<br />
- Freud wollte durch Deutung der manifesten Träumen zur Bedeutung der latenten<br />
Träumen kommen, um so die psychischen Probleme offen zu legen und lösen zu können<br />
45
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Zeitgemäße Alternative: Aktivationssynthese-Theorie von Hobson (1989): Information,<br />
die beim Träumen an den Cortex geliefert wird, ist zufällig, Trauminhalt ist Versuch des<br />
Cortex, einen Sinn darin zu finden<br />
Luzide Träume<br />
- In luziden Träumen ist sich der Schlafende bewusst, dass er sich im Traum befindet, er<br />
kann den Traumverlauf beeinflussen<br />
- Durch leichten elektrischen Schlag bei Eintritt in REM-Phase kann man Schlafendem<br />
bewusst machen, dass Traum stattfindet<br />
- Regelmäßige luzide Träumer können VL durch verabredetes Signal, z. B. bestimmte<br />
Augen- oder Armbewegung, mitteilen, dass sie gerade träumen und dies wissen<br />
12.3 Warum schlafen wir?<br />
Restaurative und circadiane Theorien<br />
- Restaurative Theorien gehen davon aus, dass der Wachzustand die Homöostase stört,<br />
und der Schlaf benötigt wird, um sie wieder herzustellen<br />
- Circadiane Theorien dagegen glauben, dass Schlaf in Evolution entstanden ist, um uns<br />
in Zeiten der Gefahr (Nachts) ruhig und inaktiv zu halten und uns so zu schützen<br />
- Letzter haben sich bewährt: z.B. ist Vorhersage der restaurativen Theorie, dass Tiere je<br />
nach Energieverbrauch mehr schlafen müssen, falsch; Vorhersage der circadianen<br />
theorie, dass Gefahr entscheidet, passt besser (z.B. Zebra, Löwen nach Jagd)<br />
12.4 Circadiane Schlafzyklen<br />
- Fast jeder physiologische und biochemische Prozess bei Tieren folgt einem circadianem<br />
Zyklus, was bedeutet, dass Zyklus etwa eine Tag dauert<br />
- Zeitgeber sind Hinweisreize aus der Umwelt, die helfen, einen solchen Rhythmus zu<br />
etablieren. Wichtigster Zeitgeber sind Hell- und Dunkelperioden.<br />
Freilaufende circadiane Schlaf-Wach-Zyklen<br />
- Circadiane Rhythmen werden beibehalten, wenn keine Zeitgeber vorhanden sind, z.B. im<br />
Labor ohne Beleuchtungsänderung. Dann nennt man sie freilaufende Rhythmen oder<br />
freilaufende Periode<br />
- Ratten: Schlaf-Wach-Rhythmus wird auch nach 24-stündigem Schlafentzug im<br />
Wesentlichen eingehalten spricht gegen restaurative Theorie<br />
- Mensch: Korrelation zwischen Dauer der Wachperiode und Dauer der anschließenden<br />
Schlafperiode ist negativ wir sind auf Rhythmus von 24 stunden eingestellt<br />
- Normalerweise läuft Schlaf-Wach-Zyklus synchron mit Temperaturzyklus, unter<br />
Laborbedingungen (freilaufender Schlaf-Wach-Zyklus) driften sie jedoch manchmal<br />
auseinander: Desynchronisation es muss mehr als ein circadianer Zeitgeber existieren<br />
Jetlag und Schichtarbeit<br />
- Störung der Rhythmik hat Störung in Schlafdauer, Schlafverlauf,<br />
Müdigkeitserscheinungen, allgemeines Unbehagen und Defizite in Tests von<br />
körperlichen und geistigen Funktionen zur Folge<br />
- Hilfe bei Jetlag: intensives Licht oder körperliche Anstrengung hilft bei Flug nach Ost<br />
(verkürzter Zyklus)<br />
- Hilfe bei Schichtarbeit: Schichten sollten immer später am Tag beginnen <br />
Verlängerung des Zyklus erleichtert die Anpassung<br />
12.5 Auswirkungen des Schlafentzugs<br />
- Vorhersagen der circadianen Theorie: keine Mangelerscheinung durch Schlafentzug<br />
außer Einschlaftendenz; Zunahme der Schläfrigkeit in Perioden am größten, in denen<br />
Proband normalerweise schläft; nach Schlafentzug keinen oder wenig<br />
Kompensationsschlaf<br />
46
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Zwei klassische Schlafentzugsexperimente<br />
- Kleitmans klassisches Schlafentzugsexperiment: Proband arbeitet im Labor, lernt, usw.<br />
Ergebnisse: Müdigkeit kommt immer in Phasen (besonders früh morgens), tagsüber<br />
geht’s ihm gut, außer Probleme, nicht einzuschlafen zwischendurch (besonders im<br />
Sitzen)<br />
- Der Fall Randy Gardner: wollte Weltrekord im Wachsein aufstellen von 260 Stunden.<br />
Schlaf nach dieser Zeit: 1. Nacht 14 Stunden, danach ganz normal 8 Stunden<br />
Schlafdeprivationsexperimente am Menschen<br />
- 3 Kategorien: Studien mit partieller Deprivation (weniger als 5 in 24 Stunden; Studien<br />
mit kurzfristiger völliger Deprivation (zwischen 24 und 48 Stunden); Studien mit<br />
Langzeitdeprivation (für mehr als 48 Stunden)<br />
- 4 Messinstrumente: physiologische Messungen, Stimmungsmaße, Messungen kognitiver<br />
Funktionen; motorische Leistungstests<br />
- es wurden kaum negative Auswirkungen gefunden<br />
- Defizite bei stimmungs- und einfachen kognitiven Leistungstests, nicht aber bei<br />
komplexen Leistungstests<br />
- Keine Eindeutigen Beziehungen zwischen Dauer der Schlafdeprivation und der Größe<br />
des Leistungsdefizits<br />
- Mikroschlafperioden können nach 2, 3 Deprivationstagen kaum vermieden werden<br />
Schlafdeprivationsexperimente an Labortieren<br />
- Karussellapparat: 2 Ratten auf drehbarer Plattform, wenn Versuchsratte schläft (EEG),<br />
dreht sich Plattform, so dass sie aufwacht und ins Wasser fällt. Nach wenigen Tage stirbt<br />
Versuchsratte, Jochkontrollratte geht es gut<br />
- Interpretation: Übertragung auf Mensch fragwürdig, da bei Menschenexperimenten nicht<br />
bestätigt. Eventuell Tod auf Belastung durch Drehung der Scheibe und kalte Bäder<br />
zurückzuführen, Verletzungen weisen darauf hin<br />
REM-Schlafentzug<br />
- Zwei Auswirkungen: Tendenz, in REM-Schlaf zu fallen, wird größer; in ersten drei<br />
Nächten nach Rem-Schafentzug größerer Anteil von REM-Schlaf als normalerweise<br />
- Drei Theorien zur Funktion des REM-Schlafs: Erhaltung der individuellen, geistigseelischen<br />
Gesundheit, Erhaltung des normalen Antriebsniveaus, Verarbeitung von<br />
Gedächtnisinhalten<br />
- Trizyklische Antidepressiva blockieren REM-Schlaf, haben aber keine negativen<br />
Begleiterscheinungen, warum weiß man nicht<br />
Interpretation der Auswirkungen von Schlafdeprivation: die besondere restaurative Funktion des<br />
slow-wave-sleeps<br />
- Stress bewirkt unregelmäßigen Schlaf, so dass circadiane Rhythmen durcheinander<br />
kommen. Vermeintliche negative Folgen von Schlafdeprivation können somit vielleicht<br />
eher auf Stress und Störungen der circadianen Periodik zurückgeführt werden.<br />
- Verschlechterte Leistungsfähigkeit nach Schlafdeprivation ist vielleicht bedingt durch<br />
Mikroschlafperioden, nicht durch generelle Einbußung der Leistungsfähigkeit<br />
Erhöhung der Effizienz des Schlafs<br />
- Wird die Schlafdauer langfristig verkürzt, erhöht sich die Effizienz des Schlafes:<br />
schnelleres Einschlafen, weniger Aufwachen zwischendurch, höherer Anteil an slowwave-sleep<br />
- Slow-wave-sleep scheint besonders restaurative Funktion zu haben; geht einher mit<br />
Erniedrigung der Körpertemperatur<br />
12.6 Integration von restaurativen und circadianen Schlaftheorien<br />
- Die Theorien schließen sich nicht notwendig aus, sondern überlagern sich<br />
möglicherweise<br />
47
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
12.7 Neuronale Grundlagen des Schlafs<br />
- Cerveau-isolé-Präparation: Hirnstamm wird zwischen Colliculi inferiores und Colliculi<br />
superiores durchtrennt, wodurch Vorderhirn keinen Input mehr von aufsteigenden<br />
sensorischen Bahnen bekommt<br />
- Bremer 1936: nach solcher Präparation zeigt EEG des Vorderhirns kontinuierliche slowwave-sleep,<br />
der nur durch starke visuelle oder olfaktorische Reize gestört werden kann,<br />
was auch nur sehr kurz andauernd<br />
- Passive Schlaftheorie: Schlaf ist passive Konsequenz einer Abnahme sensorischer<br />
Reizung<br />
Die Schlaftheorie des retikulären Aktivierungssystems<br />
- Encephalé-isolé-Präparation: Gehirn wird durch Schnitt durch caudalen Hirnstamm von<br />
sensorischen Bahnen getrennt; keine Störungen wie beim Cerveau-isolé Schnitt, obwohl<br />
gleiche Bahnen, nur tiefer, verletzt werden<br />
- Schlaf wird also durch Gebiet zwischen den beiden Schnittorten reguliert: durch das<br />
retikuläre Aktivierungssystem (RAS) der Formatio reticularis aktuelle Theorie<br />
Drei wichtige Entdeckungen zur neuronalen Grundlage des Schlafs<br />
- Schlaf ist kein Zustand neuronaler Ruhe<br />
- Im Gehirn gibt es Schlaf fördernde Schaltkreise, z.B. haben Stimulation oder Läsion im<br />
Bereich von Pons und Medulla oblongata Einfluss auf Schlaf<br />
- Die verschiedenen Indikatoren (z.B. Peniserektion, langsame EEG-Wellen) sind den<br />
Schlafstadien nicht immer klar zuzuordnen<br />
Gehirnstrukturen im Zusammenhang mit Schlaf und Traum<br />
- Raphé-Kerne : sind serotonerg, Zerstörung führt zu 3-4 tägiger Insomnie bei Katzen;<br />
Schlafauslösung durch Raphé-Kerne jedoch nicht generalisierbar<br />
- basales Vorderhirn : Läsion führt zu Abnahme der Schlafdauer bei Katzen<br />
- caudale Formatio reticularis :<br />
- Steuerung der Aspekte des REM-Schlafs in vielen Teilgebieten, Koordinierung durch<br />
cholinerge Mechanismen<br />
- zwei REM-Schlaf hemmende Systeme: Locus coeruleus (noradrenerge Neurone) und<br />
dorsale Raphé-Kerne (serotonerge Neurone)<br />
- REM-Schlaf beruht auf Wechselwirkung zwischen exzitatorischen cholinergen Systemen<br />
und inhibitorischen noradrenergen und serotonergen Systemen<br />
12.8 Neuronale und molekulare Mechanismen der circadianen Uhr<br />
Die circadiane Uhr im Nucleus suprachiasmaticus<br />
- Läsionen des Nucleus suprachiasmaticus heben verschiedene circadiane Rhythmen,<br />
darunter auch den Schlaf-Wach-Rhythmus, auf<br />
- Beleg: Ralph et al. 1990: beidseitige Kerne aus mutierten Hamstern mit 20-stündigem<br />
Rhythmus in normale Hamster implantiert, der Rhythmus sich dann auch auf 20-Stunden<br />
beschränkte<br />
- Wichtigster, jedoch nicht einziger innerer Zeitgeber<br />
Genetische Einflüsse auf circadiane Rhythmen<br />
- Erstes entdecktes Gen: „Tau“ bei Hamstern<br />
- Forschung im Moment: „clock“ bei Mäusen<br />
Triggerung der circadianen Uhr<br />
- Aktivierung von retinohypothalamischen Bahnen (Sehnerv projiziert im Chiasma<br />
opticum zum Nucleus suprachiasmaticus) beeinflusst Genexpression im Nucleus<br />
suprachiasmaticus<br />
48
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Die Rolle der Epiphyse<br />
- Epiphyse (Zwirbeldrüse) ist bei Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen interner<br />
Zeitgeber durch Ausschüttung von Melatonin, bei Menschen uns Säugern ist Roller der<br />
Epiphyse jedoch ungeklärt.<br />
Zusammenfassung der an der Schlafsteuerung beteiligen Strukturen<br />
- Nucleus suprachiasmaticus, Raphé-Kerne, pontiner Anteil der caudalen Formatio<br />
reticularis, Locus coeruleus; Einfluss von Epiphyse und basalem Vorderhirn beim<br />
Menschen ungeklärt<br />
12.9 Pharmakologische Einflüsse auf den Schlaf<br />
Hypnotika<br />
- Benzodiazepine (z.B. Valium) fördern Schläfrigkeit, verkürzen Einschlafzeit, selteneres<br />
Aufwachen in der Nacht, verlängern Gesamtschlafdauer Behandlung sporadischer<br />
Schlafstörungen<br />
- Problem bei chronischer Anwendung: Toleranzentwicklung, Absetzen der chronischen<br />
Therapie verursacht Insomnie, psychische Abhängigkeit, stören normale Schlafmuster<br />
(reduzieren Stadium 1 und 4 zugunsten von 2)<br />
- 5-Hydroxy-Tryptophan (5-HTP)ist serotonerge Substanz (Raphé-Kerne), wirkt aber nur<br />
bei Ratten, nicht bei Menschen<br />
Antihypnotika<br />
- Stimulantien (Kokain, Amphetamine) und trizyklische Antidepressiva steigern<br />
Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin durch erhöhte Ausschüttung oder Blockieren der<br />
Wiederaufnahme<br />
- Wichtigste Wirkung: Unterdrückung des REM-Schlafs<br />
- Problem mit Stimulantien: machen süchtig<br />
Melatonin<br />
- Wirkung ist nicht so eindeutig belegt.<br />
- Immerhin zwei Behandlungsmöglichkeiten: Gabe vor Zubettgehen fördert Einschlafen,<br />
wenn Insomnie mit Melatoninmangel vorliegt; Insomnie als Folge von fehlender<br />
Synchronisation von Hell-Dunkel-Wechsel (Blinde)<br />
12.10 Schlafstörungen<br />
Insomnie<br />
- Iatrogener Ursprung: durch den Arzt entstanden; d.h. einmal Schlaftabletten<br />
verschrieben, Entwicklung von Toleranz und Entzugserscheinungen<br />
- Schlafapnoe: kurzzeitiger Atemstillstand, der zu Aufwachen führt und Schlaf unterbricht<br />
- Nächtliche Schüttelkrämpfe und ruhelose Beine oft werden Benzodiazepine<br />
verschrieben, die meist nicht wirken<br />
Hypersomnie<br />
- Narkolepsie: wiederkehrende, 10-15 minütige Schlafattacken am Tag, die immer und<br />
überall vorkommen können. Behandlung. Einnahme von Stimulantien am Morgen<br />
REM-Schlafstörungen<br />
- Narkoleptiker fallen sofort in REM-Schlaf<br />
- Kataplexie: plötzlicher Muskeltonusverlust im Wachzustand, gesteuert vom Nucleus<br />
magnozellularis der Formatio reticularis<br />
Eindringen von REM-Schlaf in Wachzustand. Behandlung: Trizyklische Antidepressiva,<br />
die REM-Schlaf unterdrücken<br />
- Läsion des Nucleus magnozellularis kann zu Verlust der üblichen Muskelerschlaffung<br />
führen, die einen am Ausführen der Träume hindert<br />
- Schlaflähmung oder hypnagoge Halluzination: Lähmung beim Einschlafen oder<br />
Aufwachen oder lebhafter traumartiger Wachzustand<br />
49
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
12.11 Auswirkungen von Langzeit-Verkürzungen der Schlafdauer<br />
Langzeit-Verkürzung der Nachtschlafdauer<br />
- Zwei Untersuchungen:<br />
- 1. 16 Probanden 60 Tage nur 5,5 Stunden Schlaf. Einzige Störung bei Stimmungs-,<br />
Gesundheits- und Leistungstests: leichte Schwäche bei akustischer Daueraufmerksamkeit<br />
- 2. 8 Probanden langsame Reduktion in 2-, 3-, 4-wöchigen Abständen um je 30 min.<br />
kürzeste Schlafdauer: 2x 5,5 Stunden, 4x 5 stunden, 2: 4,5 Stunden; bei allen Steigerung<br />
der Schlafeffizienz. Nach Experiment schliefen Probanden weiterhin 7-18 Stunden pro<br />
Woche weniger als zuvor ohne Müdigkeitserscheinungen<br />
Langzeit-Verkürzung der Schlafdauer durch Nickerchen<br />
- Kleinkinder haben polyphasische Schlafzyklen (Schlaf mehrmals innerhalb 24 Stunden),<br />
Erwachsene monophasische Schlafzyklen, aber oft polyphasische Schläfrigkeit<br />
- Nickerchen sind im Verhältnis Schlafdauer/Restaurative Eigenschaften viel effizienter<br />
- Experimente belegen Möglichkeit, alle 4 Stunden 15 min zu schlafen; nach 2 Wochen<br />
Eingewöhnung keine negative Wirkung dieser kurzen Schlafdauer<br />
Kapitel 13: Drogenabhängigkeit und Verstärkersysteme im Gehirn<br />
13.1 Pharmakologische Grundlagen der Drogenwirkung<br />
- Psychoaktive Substanzen beeinflussen subjektives Erleben und Verhalten durch<br />
Wirkung auf ZNS<br />
Arten der Einnahme und Absorption<br />
- Orale Einnahme: Drogen lösen sich in Magensäften und werden im Verdauungstrakt ins<br />
Blut aufgenommen. Vorteile: Einfachheit, relative Sicherheit. Nachteile:<br />
Unvorhersagbarkeit<br />
- Injektion: medizinische Praxis, erfolgt subcutan, intramuskulär oder intravenös.<br />
Wirkung ist relativ schnell, stark und vorhersagbar, Substanz wird durch Blutkreislauf<br />
direkt ins Gehirn gebracht.<br />
- Inhalation: Droge wird durch Kapillarennetzwerk der Lunge resorbiert. Nachteile:<br />
Regulation der Dosis schwierig, Schädigung der Lunge<br />
- Absorption durch Schleimhäute: z.B. Kokain, schädigt Schleimhäute<br />
Wirkung im Zentralnervensystem<br />
- Blut-Hirn-Schranke erschwert Substanzen, ins ZNS des Gehirns zu kommen; Wirkung<br />
auf vielfältige Weise: auf neuronale Membranen, Bindung an bestimmte Rezeptoren,<br />
Beeinflussung von Synthese, Transport, Ausschüttung, Deaktivierung von<br />
Neurotransmittern, Beeinflussung der chemischen Reaktionskette der postsynaptischen<br />
Neuronen<br />
Metabolismus und Ausscheidung<br />
- Metabolismus: Enzyme in der Leber inaktivieren Drogen; diese verliefen meist<br />
Fähigkeit, Lipidmembranen zu durchdringen und so Blut-Hirn-Schranke zu passieren.<br />
Toleranz<br />
- Toleranz: gleiche Dosis der Substanz hat schwächere Wirkung bzw. höhere Dosis nötig<br />
für gleiche Wirkung<br />
- Kreuztoleranz: Toleranz gegenüber einer Droge bewirkt auch Toleranz gegenüber einer<br />
anderen Droge, die nach gleichem Mechanismus wirkt<br />
- Sensibilisierung: Empfindlichkeit bezüglich einer oder mehrer der Wirkungen einer<br />
Droge erhöht sich mit zunehmendem Konsum<br />
- Metabolische Toleranz entsteht, wenn adaptive Veränderungen dafür sorgen, dass nur<br />
noch ein Teil der Substanz am Wirkungsort ankommt, funktionelle Toleranz entsteht,<br />
wenn die von der Substanz betroffenen Wirkungsorte vermindert reaktionsfähig sind<br />
50
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Drogenentzug und physische Abhängigkeit<br />
- Entzugssymptome sind normalerweise der Drogenwirkung entgegengesetzt; treten sie<br />
auf, ist der Patient physisch abhängig<br />
- Theorie: funktionelle neuronale Veränderungen im Körper sind Grund für<br />
Entzugssymptome<br />
Was versteht man unter Sucht?<br />
- Süchtig ist jemand, der Drogen konsumiert, obwohl sie Gesundheit und soziale<br />
Integration schädigen, und mehrfach versucht hat aufzuhören.<br />
- Verantwortlich für Sucht ist nicht physische Abhängigkeit, sondern vielmehr psychische<br />
Abhängigkeit (wiederholter Konsum der Droge obwohl keine Entzugserscheinungen<br />
vorliegen)<br />
13.2 Die Rolle des Lernens bei der Toleranz und den Entzugserscheinungen<br />
Kontingente Toleranz<br />
- Kontingente Toleranz entwickelt sich gegenüber Drogen, die unmittelbar mit bestimmter<br />
Erfahrung verknüpft sind<br />
- Vorher-Nachher-Ansatz: Versuch mit Ratten, Injektion von Alkohol alle zwei Tage,<br />
entweder vor oder nach konvulsiven Reizung der Amygdala. Am Ende Test: beide<br />
Injektion vor Reizung. Ergebnis: bei erster Gruppe Entwicklung von Toleranz, bei<br />
zweiter Gruppe nicht<br />
- Grundlegendes Phänomen: konnte bei verschiedenen Tieren mit verschiedenen Drogen<br />
nachgewiesen werden, sogar bei Aplysia auf synaptischer Ebene<br />
Konditionierte Toleranz<br />
- Konditionierte Toleranz entwickelt sich gegenüber Drogen, die mit bestimmter Situation<br />
verknüpft sind<br />
- Versuch: je 20 Kochsalz- bzw. Alkoholinjektion in abwechselnder Reihenfolge, entweder<br />
Alkohohl oder Kochsalz immer im Testraum. Am Ende: hyperthermische Wirkung des<br />
Alkohols in beiden Räumen getestet. Ergebnis: Toleranz nur, wenn Testinjektion in<br />
Raum, der mit Alkoholinjektion verbunden war.<br />
- Erklärt Gefahr einer Überdosis, wenn Droge in neuer Umgebung genommen wird (Belegt<br />
durch Rattenexperiment)<br />
- Konditionierte Kompensationsreaktion: konditionierte Reize (der Umgebung) lösen,<br />
wenn keine Droge genommen wird, eine der Drogenwirkung entgegengesetzte Reaktion<br />
aus<br />
Konditionierte Entzugserscheinungen<br />
- Konditionierte Entzugserscheinungen werden nur durch die Reize der Umgebung, in der<br />
Drogenkonsum normalerweise erfolgt, ausgelöst.<br />
- Versuch: Ratten mit Morphium und/oder Kochsalzinjektion in zwei verschiedenen<br />
Käfigen, drei Gruppen<br />
Neuere Überlegungen zur Konditionierbarkeit von Drogenwirkungen<br />
- Problem: konditionierte Toleranz sagt Kompensationsreaktion vorher, manchmal wird<br />
aber durch Umgebung ähnliche Wirkung hervorgerufen. Erklärung: nicht Droge ist<br />
unkonditionierter Reiz, sondern Wirkung der Droge im Körper; unkonditionierte<br />
Reaktion wird oft willkürlich festgelegt; stattdessen ist sie die kompensatorische<br />
Veränderung im Körper<br />
- wenn man US und UR richtig identifiziert, kann man CR immer vorhersagen: CR<br />
sollte immer ähnlich UR sein<br />
51
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
13.3 Fünf häufig missbrauchte Drogen<br />
Tabak<br />
- Nikotin ist die psychoaktiv wirkende Substanz im Tabak, außerdem 4000 andere Stoffe =<br />
Teer<br />
- Entzugserscheinungen: Depressionen, Angst, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Verstopfung,<br />
Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten<br />
- 70% werden nach probieren abhängig, nur 20% derer, die es versuchen schaffen<br />
Absprung<br />
- Rauchersyndrom: Schmerzen in der Brust, Atemnot, Keuchen, Husten, Anfälligkeit für<br />
Erkrankungen der Atemwege, verschiedene Lungenkrankheiten, verschiedene<br />
Krebsarten, verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen<br />
- Buerger-Krankheit: chronisch-entzündliche Gefäßerkrankung,, Blutgefäße (vor allem<br />
Beine) ziehen sich zusammen, Amputation notwendig<br />
- Freie Radikale sind wahrscheinlich für Schädlichkeit des Tabaks verantwortlich<br />
(ungepaarte Elektronen, die biologische Moleküle durch Oxidation zerstören)<br />
Alkohol<br />
- 50% der tödlichen Verkehrsunfälle wegen Alkohol<br />
- Wirkung: Beeinträchtigung von Wahrnehmung, Kognition, Sprache, Motorik, Verlust der<br />
Selbstkontrolle, in hoher Dosis Bewusstlosigkeit oder Tod, führt zu Hypothermie, ist<br />
Diuretikum (erhöht Urinproduktion)<br />
- Erzeugt (funktionelle) Toleranz und physische Abhängigkeit<br />
- Schwerer Alkoholentzug: 3 Phasen: 1. nach 5-6 Std.: Tremorerscheinungen, Aufregung,<br />
Kopfweh, Übelkeit, Errechen, Darmkrämpfe, starkes Schwitzen….2. nach 15-30 Std.:<br />
Krämpfe; 3. nach 1-2 Tagen Delirium tremens: Halluzinationen, Wahnvorstellungen,<br />
Unruhe, Verwirrtheit, Herzrasen, Hyperthermie<br />
- Korsakow-Syndrom: Hirnschädigung, Erinnerungsverluste, sensorische und motorische<br />
Störungen, starke Demenz<br />
- Leberzirrhosen: narbige Schrumpfung, häufige Todesursache; außerdem: höheres<br />
Infarktrisiko, Mund- und Leberkrebs, Magengeschwüre, Pankreatitis, Gastritis<br />
- Fetales Alkoholsyndrom (FAS): geistige Retardierung, Koordinationsstörungen,<br />
schwacher Muskeltonus, geringes Geburtsgewicht, körperliche Deformationen<br />
- Wirkmechanismen: reduziert Kalziumeinstrom in Neurone, verstärkt inhibitorischen<br />
Neurotransmitter GABA, erhöht Anzahl der Bindungsstellen für Glutamat, stört secondmessenger<br />
System in Neuronen<br />
Marihuana<br />
- Getrocknete Blätter von Cannabis sativa, Wirkstoff ist Delta-9-THC<br />
- Wird seit Mittelalter vielfältig verwendet, seit 20. Jhd. Verteufelt und dann im<br />
Betäubungsmittelgesetz verboten<br />
- Wirkung ist schwer messbar; bei hohen Dosen psychologische Funktionsstörungen: KZG<br />
nimmt ab, Sprache verwaschen, sinnvolle Unterhaltung unmöglich, Heiterkeit,<br />
Intensivierung von Gefühlen keine erhöhte Gewaltbereitschaft keine verminderte<br />
Reaktionsfähigkeit, aber andere Einschätzung der Situation<br />
- Gefahr von Langzeitkonsum hauptsächlich Lungenschädigung, geringe Suchtgefahr<br />
- Möglichen, nicht belegte Auswirkungen: Senkung des Testosteronspiegels, geschwächtes<br />
Immunsystem, kardiovaskuläre Probleme, amotivationales Syndrom<br />
- Wirkmechanismus: THC bindet an Rezeptoren in Basalganglien, Hippocampus,<br />
Cerebellum und Neocortex<br />
Kokain und andere Stimulanzien<br />
- Stimulantien steigern die neuronale Aktivität und Betätigunsdrang allgemein<br />
- Kokain: aus Blättern des Cocastrauchs, wird Kokainhydrochlorid gemacht, wird<br />
geschnupft oder injiziert; in unreiner Form als Crack geraucht<br />
52
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Wirkung: Lokalanästhetikum, allgemeines Wohlbefinden: selbstsicher, wach, energisch,<br />
freundlich, extravertiert, gesprächig; geringes Bedürfnis nach Essen o. Schlaf<br />
- Kokssession: Koksorgie über mehrer Tage, Toleranz steigt laufend, es kann zu<br />
Kokainpsychose kommen (ähnlich wie Schizophrenie)<br />
- Gefahr: Bewusstseinsverlust, Tod durch Krampfanfall, Atemstillstand , Schlaganfall,<br />
Schädigung der Nasenschleimhäute<br />
- Hohes Suchtpotential, geringe Entzugserscheinungen; hemmt Wiederaufnahme der<br />
Katecholamine in präsynaptische Neurone, besonders Dopamin<br />
- Andere Stimulanzien: Amphetamine, z. B. Speed, Methamphetamin (Meth), Ecstasy<br />
- Gefahren noch unbekannt, außer Zerstörung von serotonergen Neuronen im ZNS<br />
Die Opiate Heroin und Morphium<br />
- Opium aus Samen des Schlafmohn hat mehrere Opiate: Morphium, Codein und Heroin<br />
- Unvergleichlich gute Analgetika (Schmerzmittel), aber hohes Suchtpotential<br />
- Bis ins 20. Jhd. Käuflich, seit 1929 im Betäubungsmittelgesetz eingeschränkt<br />
- Harrison Narcotics Act von 1914 verbot alles außer Heroin, das lange als Medikament<br />
benutzt wurde<br />
- Erst bei viel Konsum entwickelt sich Toleranz und physische Abhängigkeit, aber große<br />
Gefahr psychischer Abhängigkeit<br />
- Gesundheitsgefahr gering: Verstopfung, Pupillenverengung, unregelmäßige<br />
Menstruation, verringerte Libido<br />
- Entzugserscheinungen: Ruhelosigkeit, schwitzen, Kälteschauern, Gänsehaut,<br />
Beinkrämpfe, Schmerzen, Tremor, Muskelspasmen etc. nicht so schlimm wie bei<br />
Delirium Tremens oder Barbituraten<br />
- Größte Risiken entstehen durch Illegalität, hohe Kosten, soziale Ächtung, verunreinigte<br />
Ware<br />
- Wirkung: Bindung an Rezeptoren für Endorphine (endogene Substanzen)<br />
Vergleich der Gesundheitsgefährdung durch Tabak, Alkohol, Marihuana, Kokain und Heroin<br />
- Häufigkeit des Missbrauchs: viel höher für Tabak und Alkohol als für Rest<br />
- Gesundheitsrisiken: meiner Meinung nach viel höher für Tabak und Alkohol als für<br />
andere, auf jeden Fall aber höher als für Marihuana<br />
Das Drogendilemma: Wie das richtige Maß finden?<br />
- Drogenbekämpfung sollte sich ändern: Reduzierung der Nachfrage durch Erziehung,<br />
Forschung, Sozialprogramme; Behandlung statt Verfolgung der Abhängigen; Gesetz zur<br />
Regelung des spezifischen Drogengebrauchs; größere Freiheit für Richter bei Urteilen;<br />
keine Werbung für Zigaretten/Alkohol; eventuell Legalisierung von Marihuana;<br />
Versuchskliniken, die kleine Mengen von Drogen ausgeben; Bsp. an Holland nehmen<br />
13.4 Biopsychologische Theorien der Abhängigkeit<br />
Theorien der physischen Abhängigkeit<br />
- Theorie der physischen Abhängigkeit geht davon aus, dass Drogenabhängige durch<br />
Entzugserscheinungen dazu getrieben werden, Drogen weiter zu nehmen Teufelskreis<br />
- Aber: entgiftete Süchtige fallen erstaunlich oft in Sucht zurück, sobald sie aus Klinik<br />
entlassen werden.<br />
- Erklärung mit konditionierten Entzugssymptomen. Problem: viele situationsbedingte<br />
Effekte sind ähnlich Drogenwirkung, nicht entgegengesetzt; frühere Süchtige suchen<br />
Hinweisreize gerne und gezielt auf auch ohne dass Droge genommen wird<br />
- mit physischer Abhängigkeit können Rückfälle nicht erklärt werden<br />
Theorien der positiven Verstärkung<br />
- Theorie der positiven Verstärkung geht davon aus, dass nicht Vermeidung von<br />
unangenehmem Entzug, sondern vielmehr die erwartete positive Wirkung der Droge zu<br />
Rückfall führt<br />
53
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
- Annahme: hoher Drogenkonsum führt zu Sensibilisierung gegenüber der angenehmen<br />
Wirkung der Droge anschließend nicht mehr tatsächliches Wohlbefinden<br />
Verstärkungswert, sondern erwartetes Wohlbefinden, das mit Droge assoziiert wird<br />
13.5 Verstärkersysteme im Gehirn<br />
- Olds und Milner (1954): Entdeckung der intracraniellen Selbstreizung: Hebel drücken,<br />
um Stromstöße im eigenen Hirn zu erreichen (in Regionen, die vermutlich für allgemein<br />
angenehme Reize wie Futter, Wasser, Sex zuständig sind<br />
Grundlegende Eigenschaften der intracraniellen Selbstreizung<br />
- Unterschiede zu natürlichen Verstärkern: Selbstreizung wird beendet, sobald Strom<br />
abgestellt ist (schnelle Extinction normalerweise nur, wenn Reiz unangenehm war); nach<br />
Trennung vom Hebel muss erst Priming stattfinden, damit Selbstreizung wieder<br />
aufgenommen wird<br />
- Dennoch: Schaltkreise, der intracraniellen Selbstreizung stellen Verstärkersysteme dar<br />
- Belege: Selbstreizung und passendes Zielobjekt führt zu natürlich motiviertem Verhalten<br />
(Fressen, Brutpflege…); erhöhte natürliche Motivation (z. B. Deprivation) steigert<br />
Selbstreizung; bei manchen Hirnregionen gleicht Selbstreizung natürlichem<br />
Hebeldrücken (langsame Extinction, kein Priming nötig etc.); geringfügige Unterschiede<br />
zwischen Situation (natürlich, Selbstreizung) führten zu qualitativen Unterschieden<br />
Das mesotelencephale Dopaminsystem und die intracranielle Selbstreizung<br />
- Mesotelencephales Dopaminsystem geht von Mittelhirn (genauer: Substantia nigra,<br />
ventrales Tegmentum) in verschiedene Regionen des Telencephalons (u. a. präfrontaler<br />
Neocortex, limbischer Cortex, Amygdala, Striatum, Nucleus accumbens)<br />
- Mapping-Experimente: Kartierung der Selbstreizungspunkte im Mittelhirn: die meisten<br />
Stellen liegen in Substantia nigra und ventralem Tegmentum, Punkte mit höchsten<br />
Reaktionsraten haben größte Dichte von dopaminergen Fasern<br />
- Cerebrale Dialyse: Proben von extrazellulärer Flüssigkeit während Experiment<br />
entnommen und analysiert: enthielten hohe Dopaminkonzentration<br />
- Dopaminagonist/-antagonist-Experimente: Amphetamine (Agonisten) in Nucleus<br />
accumbens erhöhen Selbstreizungsrate des lateralen Hypothalamus , Spiroperidol<br />
(Antagonisten) verringern Selbstreizungsrate der ventralen Tegmentumregion<br />
- Hirnläsionen: Läsionen des mesotelencephalen Dopaminsystems der ipsilateralen Seite<br />
(zur Elektrode) stören Selbstreizung, Läsionen der ipsilateralen Seite nicht<br />
Das mesotelencephale Dopaminsystem und natürlich motivierte Verhaltensweisen<br />
- Versuch: Ratten dürfen nach 20 min leckere Flüssigkeit trinken, mehrere Tage;<br />
Mikroanalyse: Dopaminkonzentration im Nucleus accumbens steigt<br />
- Gleicher Versuch, nur Zugang zu paarungsbereitem Weibchen; Elektrochemie:<br />
Dopaminkonzentration in extrazellulärer Flüssigkeit steigt<br />
- Bei Affen: Reaktion von dopaminergen Neuronen entweder, wenn Belohnung<br />
unangekündigt, oder nur auf konditionierten Reiz, nicht auf Belohnung selbst<br />
- Konzentration auf Konsumatorische Verhaltensweisen und Präparatorische<br />
Verhaltensweisen (Appetenzverhalten, instrumentelles oder antizipatorisches Verhalten)<br />
Dopamin hat größere Rolle bei präparatorischem Verhalten<br />
13.6 Neuronale Mechanismen der Abhängigkeit<br />
- Selbstapplikationsparadigma: Ratten können sich per Hebeldruck Drogen verabreichen;<br />
ihr Sucht-Verhalten gleicht dem des Menschen<br />
- Konditioniertes Platzpräferenz-Paradigma: Ratten kriegen Drogen in Testhälfte des<br />
Käfigs, im drogenfreien Zustand bevorzugen sie diese Hälfte<br />
54
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Nachweis der Beteiligung des mesotelencephalen Dopaminsystems an der Drogenabhängigkeit<br />
- Tiere verabreichen sich Morphium in ventrale Tegmentumregion, Nucleus accumbens<br />
und Septum<br />
- Mikroinjektionen in verschiedene Strukturen führen zu konditionierter Platzpräferenz<br />
- Nur süchtig machende Drogen verstärken Belohnungseffekte durch elektrische Reizung<br />
- Störungen des mesotelencephalen Dopaminsystems (Läsion oder Antagonist) reduzieren<br />
Wirkung von systemisch injizierten Drogen und verhindern konditionierte Platzpräferenz<br />
es gibt noch mehr Experimente/Belege. Ziel der Forschung: selektive<br />
Dopaminantagonisten zu entwickeln, die positiv verstärkende Faktoren der Drogen<br />
reduzieren, ohne Antriebe für natürlich motiviertes Verhalten zu unterdrücken<br />
Kapitel 14: Gedächtnis und Amnesie<br />
14.1 Die amnestischen Auswirkungen von bilateralen mediotemporalen Lobektomien<br />
Frühe Theorien zur Gedächtnisspeicherung<br />
- Karl Lashley: Suche nach Engramm (für Speicherung von Erinnerung verantwortliche<br />
Veränderung im Gehirn) erwies sich als ergebnislos, daher Annahme von<br />
Massenaktionsprinzip und Prinzip der Äquipotenz<br />
- Zwei Mechanismen: Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis, dazwischen<br />
Konsolidierung<br />
Bilaterale mediale temporale Lobektomie<br />
- Patient H. M.: bei bilateraler medialer Lobektomie wurden mediale Teiler beider<br />
Temporallappen einschließlich Hippocampus und Amygdala entfernt als Heilung gegen<br />
Epilepsie dafür erfolgreich, jedoch andere Probleme<br />
H. M.s postoperative Gedächtnisstörung<br />
- H. M. litt unter leichter retrograder Amnesie (2 Jahre vor OP) und schwerer<br />
anterograder Amnesie: KZG ganz normal, aber keine Konsolidierung ins LZG möglich<br />
- Persönlichkeit, Intelligenz und Wahrnehmung völlig in Ordnung<br />
Neuropsychologische Untersuchung von H. M.s anterograder Amnesie<br />
- 7 standardisierte neuropsychologische Gedächtnistests: Digit-span + 1-Test, Corsi-<br />
Würfel-Test ( H. M. hatte globale Amnesie, d.h. alle Sinnesmodalitäten betreffend),<br />
Übereinstimmungstests (verbal geht einigermaßen/ nonverbal gar nicht gut),<br />
Spiegelzeichnen , Rotary pusuit-Test, Gollin-Test (Bilderfragmente) jeweils<br />
Verbesserung ohne Erinnerung an Tests), Tests zum Sprachverständnis, Pawlowsche<br />
Konditionierung (Spurenkonditionierung von Lidschlagreflex, funktionierte gut)<br />
H. M.s Beitrag zur Gedächtnisforschung<br />
- fünf Erkenntnisse: mediale Temporallappen sind wichtig für Gedächtnis; Forschung zu<br />
Rolle des Hippocampus und anderen Strukturen; Hinweise für Trennung von KZG und<br />
LZG; Hinweis für Konsolidierungs-Funktion des medialen Temporallappens (da sowohl<br />
KZG als auch LZG in Ordnung); Hinweis für Unterschied von deklarativem/explizitem<br />
Gedächtnis und prozeduralem/implizitem Gedächtnis<br />
Amnesie aufgrund von Schädigungen im medialen Temporallappen<br />
- Pawlowsche Konditionierung: verzögerte Konditionierung funktioniert problemlos,<br />
Spurenkonditionierung allerdings nicht. Lösung: verzögerte Konditionierung arbeitet mit<br />
implizitem Gedächtnis, Spurenkonditionierung mit explizitem Gedächtnis (welches bei<br />
einer solchen Schädigung nicht funktioniert)<br />
Semantisches und episodisches Gedächtnis bei Patienten mit medialer Temporallappen-Amnesie<br />
- Explizites Gedächtnis hat zwei Untertypen: semantisches Gedächtnis (allgemeine<br />
Fakten, Wissen) und episodisches Gedächtnis (Erfahrungen/Ereignisse des eigenen<br />
55
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Lebens) vor allem episodisches Gedächtnis ist gestört bei medialer Temporallappen-<br />
Amnesie<br />
Warum gibt es zwei Gedächtnissysteme, ein implizites und ein explizites?<br />
- Explizites Gedächtnis erlaubt Anwendung von gelerntem in anderen Situationen <br />
Flexibilität<br />
- Repetition-priming-Tests untersuchen implizites Gedächtnis: liste mit Wörtern lesen,<br />
später Wörter aus Liste vervollständigen können auch amnestische Patienten<br />
Der Fall R. B.: Auswirkungen einer selektiven Hippocampus-Läsion<br />
- Amnesie von R. B. wurde hervorgerufen durch Ischämie: zerstört wurde nur CA1-<br />
Region in der Pyramidenzellschicht des Hippocampus; Amnesie nicht so<br />
schwerwiegend, aber vergleichbar wie bei H. M.<br />
14.2 Die Amnesie des Korsakow-Syndroms<br />
- Geht auf Alkohol zurück, gekennzeichnet durch sensomotorische und motorische<br />
Störungen, starke Verwirrung, auffällige Persönlichkeitsveränderungen , Leber-,<br />
Magen/Darm- und Herzschäden<br />
- Läsion des medialen Diencephalons (medialer Thalamus und Hypothalamus), vereinzelte<br />
Schädigung von Neocortex und Cerebellum Anterograde Amnesie für explizites<br />
(besonders episodisches) Gedächtnis und schwere retrograde Amnesie<br />
Schädigung des medialen Diencephalons und Korsakow-Amnesie<br />
- Erste Annahme, dass Schädigung der Mamillarkörper verantwortlich sei, war falsch;<br />
stattdessen: Schädigung der mediodorsalen Nuclei des Thalamus auf jeden Fall<br />
verantwortlich für Amnesie; insgesamt aber Schädigung von mehreren Strukturen bei<br />
Korsakow-Amnesie<br />
Mediale diencephale Amnesie: der Fall N.A.<br />
- Läsion des medialen Diencephalons durch Unfall: leichte retrograde Amnesie für 2<br />
Wochen vor Unfall, starke anterograde Amnesie mit unbeabsichtigten, blitzlichtartigen<br />
Erinnerungen<br />
14.3 Gedächtnisstörungen bei Schädigungen des präfrontalen Cortex<br />
- Keine Ausfälle bei Gedächtnistests, aber Probleme mit zeitlicher Abfolge von<br />
Ereignissen und mit Serien von Handlungen, bei denen einzelne Schritte behalten werden<br />
müssen<br />
- Korsakow-Patienten haben dies Probleme, H. M. und N. A. nicht<br />
14.4 Die Amnesie bei der Alzheimer-Krankheit<br />
- Drei Arten von pathologischen Veränderungen im Gehirn: neuronale Degeneration,<br />
Neurofibrillen und Amyloidplaques, besonders häufig im temporalen, frontalen und<br />
parietalen Cortex und im basalen Vorderhirn<br />
- Anterograde und retrograde Amnesie im expliziten Gedächtnis sowie Störungen im KZG<br />
- Biochemie: Degeneration von Neuronen im basalen Vorderhirn (Nucleus basalis<br />
Meynert, diagonales Band von Broca, medialer Nucleus des Septums) führt zu Abnahme<br />
der cholinergen Aktivität im Gehirn (Acetylcholin-Mangel)<br />
- Versuch, mit Nootropika (Acetylcholinagonist) Gedächtnisleistung älterer Menschen zu<br />
verbessern<br />
- Acetylcholin-Mangel kann jedoch nicht einziger Grund für Amnesie sein, ebenso fehlen<br />
andere Neurotransmitter und medialer Temporallappen ist geschädigt<br />
56
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
14.5 Die Amnesie nach Gehirnerschütterungen<br />
- Posttraumatische Amnesie (PTA): Schläge auf den Kopf, die zu Gehirnerschütterung<br />
führen; häufigster Ursache von Amnesie<br />
- Ablauf: retrograde Amnesie für den Unfall, Koma, Verwirrung und anterograde Amnesie<br />
- Manchmal jedoch Gedächtnisinseln<br />
Elektroconvulsionsschock und verschiedene Ausprägungen von retrograder Amnesie<br />
- Elektrokonvulsionsschock (ECS) löst Krampfanfälle aus, Anwendung bei schweren<br />
Depressionen, Nebenwirkung: PTA<br />
- Versuch: Ratten, Tränke in Nische, danach ECS (10sek, 1min, 10 min 1 h, 3 h) Ergebnis:<br />
Konsolidierung des Lerninhalts dauert 10 min- 1h<br />
- Versuch: Menschen, Erinnerung an Fernsehshow flacher Gradient der retrograden<br />
Amnesie: Erinnerung gelöscht für Shows der letzten drei Jahre, nicht aber davor<br />
- Theorie der Konsolidierung: Speicherung expliziter episodischer Erinnerungen, solange<br />
sie bestehen, im Hippocampus; bei ähnlicher Info Festigung dieser Strukturen<br />
14.6 Neuroanatomie des Objekterkennungsgedächtnisses<br />
Affen als Tiermodell der Objekterkennungs-Amnesie: die Verzögerte Vergleichsaufgabe<br />
- Bei bilateralen medialen Temporallappenläsionen Störung der Verzögerten<br />
Vergleichsaufgabe (Affe soll Futter unter richtigem (neuem) Objekt entdecken); kann<br />
normal gelöst werden bei sehr kurzem Intervall (wenige Sekunden); gleiches Ergebnis<br />
bei Läsionen des medialen Diencephalons; gleiche Ergebnisse bei Menschen mit solchen<br />
Läsionen<br />
Frühe Versuche an Affen mit medialen Temporallappenschäden und Objekterkennungs-Amnesie<br />
- Gedächtnisrelevante Strukturen im Affenhirn: Hippocampus, Amygdala, Riechhirn<br />
- Problem: liegt Hauptursache für Amnesie bei Läsion von Hippocampus oder Amygdala?<br />
widersprüchliche Ergebnisse<br />
Ratten als Tiermodell der Objekterkennungs-Amnesie: noch einmal eine Verzögerte<br />
Vergleichsaufgabe<br />
- Vorteile von Ratten: Hippocampus leichter zugänglich, Riechhirn wird nicht geschädigt<br />
bei Läsion<br />
- Mumby-Box: 2 Türen, die nacheinander aufgehen für Verzögerte Vergleichsaufgabe<br />
- Effekt von Läsion von medialem Temporallappen und mediodorsalen Nucleus des<br />
Thalamus auf Leistungen der Verzögerten Vergleichsaufgabe ist bei Ratten, Affen und<br />
Menschen vergleichbar<br />
Neuroanatomische Grundlagen der Gedächtnisdefizite in der Objekterkennung nach medialer<br />
Temporallappenektomie<br />
- Ergebnis des Vergleichenden Ansatzes: Läsion von Hippocampus und Amygdala ohne<br />
Riechhirn hat kaum Auswirkungen auf Verzögerte Vergleichsaufgabe<br />
- Läsionen von Riechhirn allein haben großen Effekt auf Verzögerte Vergleichsaufgabe bei<br />
Ratten und Affen<br />
Hirnschädigungen durch Ischämie und Gedächtnisdefizite in der Objekterkennung<br />
- Problem: bei Ischämie wird kleiner Teil des Hippocampus geschädigt, schwere Defizite<br />
in Verzögerter Vergleichsaufgabe, bei vollständiger Hippocampus-Läsion jedoch kaum<br />
Defizite in Verzögerter Vergleichsaufgabe<br />
- Versuch von Mumby: Ischämie bei Ratten herbeigeführt, danach entweder sofort<br />
Ektomie, 1 Woche später Ektomie oder keine Ektomie nur letzten 2 Gruppen zeigen<br />
Defizite anscheinend Hippocampus keine Rolle bei Defiziten in Verzögerter<br />
Vergleichsaufgabe nach Ischämie<br />
57
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
14.7 Hippocampus und Gedächtnis für räumliche Beziehungen<br />
Tests für das Raumgedächtnis bei Ratten<br />
- Morrissches Wasserlabyrinth<br />
- Radiales Labyrinth (Fähigkeit, nur Futterbestückte Arme zu wählen =Maß für<br />
Referenzgedächtnis; Fähigkeit, jeden Arm nur einmal pro Tag zu wählen = Maß für<br />
Arbeitsgedächtnis)<br />
Ortszellen<br />
- Pyramidenzellen im Hippocampus der Ratte sind Ortszellen: sie feuern nur dann, wenn<br />
sich die Ratte an bestimmten Platz im Raum befindet<br />
- NMDA-Rezeptoren spielen Rolle bei Entwicklung von Ortsfeldern<br />
Vergleichende Studien zur Rolle des Hippocampus für das Raumgedächtnis<br />
- Vogelarten, die viele Futterverstecke haben, besitzen großen Hippocampus<br />
- Schwierigkeit, Studien zwischen Primaten und anderen Spezies zu vergleichen, da mit<br />
ersteren Studien zum Raumgedächtnis am PC stattfinden und nicht in kontrollierter<br />
Testumgebung<br />
Theorien zur Gedächtnisfunktion des Hippocampus<br />
- O´Keefe und Nadel: Theorie der kognitiven Landkarten (Hippocampus erstellt<br />
allozentrische Landkarte der äußeren Welt)<br />
- Rudy und Sutherland: Theorie der konfiguralen Assoziation Langzeitspeicherung von<br />
Beziehungen zwischen Hinweisreizen<br />
- Whishaw, McKenna und Maaswinkel: Weg-Integrations-Theorie: Integration von<br />
Bewegungen des Individuums im Raum, daraus Weg-Berechnung; Versuch: Ratte<br />
klettert durch Loch auf Plattform, holt Futter, klettert wieder zurück keine äußeren<br />
Hinweisreize vorhanden)<br />
14.8 Gedächtnisstrukturen des Gehirns: eine Zusammenfassung<br />
Riechhirn<br />
- Entscheidende Rolle bei Bildung des expliziten LZG, jedoch nicht eigentlicher Sitz des<br />
Objekterkennungsgedächtnisses<br />
Hippocampus<br />
- Konsolidierung des LZG für räumliche Beziehungen, nicht jedoch Speicherung.<br />
Fragwürdig, ob noch andere Funktion<br />
Amygdala<br />
- Verantwortlich für Erinnerung an emotionale Bedeutung von Erfahrungen<br />
Inferotemporaler Cortex<br />
- Konsolidierung des LZG, nicht für Speicherung; dafür sind wahrscheinlich sekundärer<br />
Cortex und Assoziationscortex zuständig<br />
Cerebellum und Striatum<br />
- Cerebellum speichert Erinnerung an gelernte sensomotorische Fertigkeiten<br />
- Striatum Speicherung für feste Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen<br />
Präfrontaler Cortex<br />
- Spezifische Gedächtnisprobleme bei Läsion: Erinnerung an zeitliche Abfolge von<br />
Ereignissen und mehrteiligen Aufgaben, bei denen erinnert werden muss, was schon<br />
ausgeführt wurde<br />
- Im fMRT bei Erinnern verstreut Aktivität im präfrontalen Cortex, Läsion hat aber<br />
paradoxerweise kaum Auswirkung<br />
Mediodorsaler Nucleus des Thalamus<br />
- Bei Korsakow-Patienten immer geschädigt<br />
- Ausfälle in Verzögerter Vergleichsaufgabe<br />
- Gleicher Gedächtnisschaltkreis (gleiche Störung bei Läsion) wie medialer<br />
Temporallappen<br />
58
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Basales Vorderhirn<br />
- Funktion für Gedächtnis noch nicht verstanden; nur einige Strukturen, z.B. mediales<br />
Septum, diagonales Band von Broca und Nucleus basalis Meynert haben mnestische<br />
Funktion<br />
Kap.15: Neuronale Plastizität: Entwicklung, Lernen und Wiederherstellung<br />
nach Hirnschädigungen<br />
- Simple-systems approach (Ansatz der einfachen Systeme):<br />
15.1 Phasen der Neuralentwicklung<br />
Induktion der Neuralplatte<br />
- 3 embryonale Zellschichten: Ektoderm, Mesoderm, Endoderm<br />
- Neuralplatte: kleiner Fleck ektodermalen Gewebes; 3. und 4. Woche Neuralrinne<br />
Neuralrohr (Zentralkanal und Hirnventrikel)<br />
- Vor Entwicklung der Neuralplatte: Zellen sind omnipotent<br />
- chemische Signale der Mesodermschicht verantwortlich für Entwicklung der<br />
Neuralplatte<br />
Neurale Proliferation<br />
- Sobald das Neuralrohr gebildet ist, beginnen die Zellen der verschiedenen Neuralrohrabschnitte<br />
in einer typischen Reihenfolge zu proliferieren artspezifisches Muster der<br />
Anschwellungen und Faltungen des Gehirns<br />
- Ventrikularzone: Schicht mit den meisten Zellteilungen im Neuralrohr<br />
- Stammzellen: haben die Fähigkeit, sich zu verschiedenen Arten von reifen Zellen zu<br />
entwickeln; Ausbildung unterschiedlicher Arten von Nerven- oder Gliazellen<br />
Migration und Aggregation<br />
- Migration: Wanderung der Nervenzellen entlang eines Netzwerks von radialen<br />
Gliazellen<br />
- Neurone wandern aus der Ventrikularzone in die Intermediärzone <br />
Subventrikularzone (Gliazellen oder Interneuronen) Marginalzone<br />
- Neuralleiste: Struktur unmittelbar dorsal des Neuralrohrs; Entwicklung zu Neuronen<br />
und Gliazellen des PNS<br />
- Weg der Zellen wird offenbar vom Substrat bestimmt, durch das sie wandern; Reihe<br />
chemischer Substanzen, die Neuronen entweder anziehen oder abstoßen<br />
- Aggregation: Neurone passen sich in den Verband anderer Zellen im gleichen Areal ein,<br />
um dort die Strukturen des Nervensystems aufzubauen<br />
- neuronalen Zelladhäsionsmolekülen vermitteln Migration und Aggregation<br />
Axonales Wachstum und Synapsenbildung<br />
- Wachstumskegel<br />
- Chemoaffinitäts-Hypothese: Experiment: Durchtrennen der Sehnerven von Fröschen<br />
und Drehen des Augapfels um 180° retinalen Ganglienzellen wachsen zum<br />
ursprünglichen Teil des Tectum opticum zurück<br />
- Hypothese: jede postsynaptische Oberfläche im Nervensystem trägt bestimmten<br />
chemischen Marker, der auswachsende Axone anzieht/abstößt<br />
- Wegweiserneuronen-Hypothese: Pionier-Wachstumszellen: Kontaktaufnahme mit<br />
neuronalen Zelladhäsionsmolekülen von Zellen entlang des Weges<br />
(„Wegweiserneurone“) Fasciculation: Tendenz auswachsender Neurone, der Route<br />
der Pionierzellen zu folgen<br />
- Hypothese vom Topographischen Gradienten<br />
59
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Neuronentod und Synapsenneuanordnung<br />
- Neuronentod: es werden etwa doppelt so viele Nervenzellen ausgebildet wie benötigt<br />
- Neurone sterben, weil es ihnen nicht gelingt, erfolgreich um Neurotrophine zu<br />
wetteifern<br />
- Nervenwachstumsfaktor<br />
- Apoptose: aktiv programmierter Zelltod<br />
- Nekrose: durch Schädigung von außen induzierter Zelltod<br />
- Synapsenneuanordnung: Zelltod führt zu einer massiven Neuanordnung von Synapsen;<br />
Selektivität der synaptischen Übertragung wird gesteigert, da sich der Output eines<br />
jeden Neurons auf eine kleinere Anzahl postsynaptischer Zellen konzentirert<br />
15.2 Auswirkungen von Erfahrung auf die neuronale Entwicklung<br />
Frühe Untersuchungen zu Auswirkung von Erfahrung auf die neuronale Entwicklung<br />
- Frühe visuelle Deprivation: Defizite beim räumlichen Sehen und Mustererkennung<br />
- Abwechselungsreiche Umgebung: dickere Cortices mit stärkerer Dendritenentwicklung<br />
und mehr Synapsen pro Neuron<br />
Die Konkurrenz zwischen Erfahrung und neuronaler Entwicklung<br />
- Frühe monoculare Deprivation: Entwicklung der Sehfähigkeit des deprivierten<br />
Auges blockiert; Sehfähigkeit des anderen Auges nimmt zu<br />
- Verändertes Muster des synaptischen Inputs in Schicht IV des primären visuellen Cortex<br />
- Veränderung der Breite der Säulen<br />
- Bei Neugeborenen: jede Muskelzelle von mehreren Motoneuronen innerviert alle bis<br />
auf ein Motoneuron werden eliminert<br />
Die Auswirkungen der Erfahrung auf die Entwicklung topographischer Karten in den<br />
sensorischen Cortices<br />
- Experimente zur Entwicklung topographischer Karten des auditorischen und des<br />
visuellen Systems:<br />
- retinalen Ganglienzellen von Frettchen bilden Synapsen im CGM statt CGL <br />
Hörrinde retinotopisch ausgelegt<br />
- Blickfeld von Schleiereulen durch Prismen verschoben entsprechende Veränderung<br />
der auditorischen räumlichen Karte im Tectum<br />
Mechanismen der Auswirkung von Erfahrung auf die neuronale Entwicklung<br />
- reguliert Expression von Genen für Synthese von Zelladhäsionsmolekülen<br />
- steuert Ausschüttung von Neurotrophinen<br />
- Auswirkung auf sich früh entwickelnde Neurotransmittersysteme<br />
5.3 Die neuronalen Grundlagen von Lernen und Gedächtnis bei einfachen Systemen<br />
- Lernen: Induktion neuronaler Veränderungen aufgrund von Erfahrungen<br />
- Gedächtnis: Aufrechterhaltung und verhaltensrelevante Anwendung dieser<br />
Veränderungen<br />
Lernen beim Kiemenrückziehreflex von Aplysia<br />
- Nichtassoziatives Lernen: Verhaltensänderung, die aus dem wiederholten Erfahren eines<br />
einzelnen Stimulus bzw. mehrerer verschiedener Stimuli resultiert, die weder räumlich<br />
noch zeitlich korreliert sind Habituation, Sensibilisierung, Präsynaptische Bahnung<br />
- Assoziatives Lernen:<br />
- Klassische Konditionierung: Versuchstier lernt eine Assoziation zwischen CS und US<br />
(CS = leichte Berührung des Siphons; US = starker Schwanzschock)<br />
- Differentielle klassische Konditionierung: klassische Konditionierung auf mit US<br />
gekoppelten CS + , nicht aber auf ungekoppelten CS -<br />
- Sekundäre Botenstoffen und strukturellen Veränderungen: Second Messenger induzieren<br />
bleibende Veränderungen in neuronaler Struktur und Funktion (Bsp.: cAMP aktiviert<br />
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J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Proteinkinase A Schließung von Kaliumkanäle in den Endknöpfen Verlängerung des<br />
Aktionspotentials erhöhte Neurotransmitterfreisetzung Kurzzeitbahnung)<br />
- Langzeit-Bahnung: wird bewirkt durch Proteinkinase C, erfordert, dass Second<br />
Messengers die Proteinbiosynthese in Zellkörpern des Neurons anregen<br />
Langzeitpotenzierung im Säugerhippocampus<br />
- Langzeitpotenzierung (LTP): lang anhaltende Bahnung synaptischer Übertragung nach<br />
Aktivierung einer Synapse durch intensive hochfrequente Stimulation des<br />
präsynaptischen Neurons<br />
- 3 Synapsensysteme im Hippocampus: 1. Körnerzellen im Gyrus dentatus, 2. CA3-<br />
Pyramidenzellsynapse, 3. CA1-Pyramidenzellsynapse<br />
- Beziehung von LTP zu Lernen und Gedächtnis: Reverberation ist Grundlage für KZG,<br />
durch synaptische Veränderungen bewirkte Erleichterung der synaptischen Übertragung<br />
ist Grundlage für LZG<br />
- Hebbsche Regel: simultane Erregung von präsynaptischer und postsynaptischer Zelle ist<br />
physiologische Vorraussetzung für Lernen<br />
- Induktion der LTP: Antwort der NMDA-Rezeptoren hängt von 2 simultanen<br />
Ereignissen ab: Glutamatbindung und partielle Depolarisation<br />
- Aufrechterhaltung und Auswirkung der LTP: noch unklar, ob Aufrechterhaltung und<br />
Auswirkung der LTP prä- oder postsynaptische Phänomene sind<br />
15.4 Neuronale Degeneration, Regeneration und Reorganisation<br />
Neuronale Degeneration<br />
- Axotomie<br />
- Anterograde Degeneration: Degeneration des distalen Segments<br />
- Retrograde Degeneration: Degeneration des proximalen Segments (Degenerative<br />
Veränderungen oder Regenerative Veränderungen)<br />
- Nach Schädigung des ZNS: Phagocytose: Astroglia vermehrt sich stark und resorbiert<br />
den größten Teil der Zelltrümmer<br />
- Nach Schädigung des PNS: Degenerierende Neurone werden teilweise von Schwann-<br />
Zellen phagocytiert<br />
- Anterograde transneuronale Degeneration und Retrograde transneuronale<br />
Degeneration<br />
Neuronale Regeneration<br />
- Neuronale Regeneration: Wiederauswachsen von geschädigten Neuronen, findet nur im<br />
PNS statt<br />
- 3 Muster der axonalen Regeneration im PNS: 1. Myelinscheiden intakt; 2. Enden liegen<br />
dicht beieinander; 3. Enden liegen weit voneinander Schwann-Zellen produzieren<br />
neurotrophe Faktoren und Zelladhäsionsmoleküle<br />
- Kollaterales Aussprossen<br />
Neuronale Reorganisation<br />
- Primärer sensorischer Cortex<br />
1. Schädigung der sensorischen Bahnen<br />
2. Schädigung des Cortex selbst<br />
3. Veränderung der sensorischen Erfahrung<br />
- Primärer motorischer Cortex<br />
1. Schädigung von Motoneuronen<br />
2. Erfahrung<br />
langsame Veränderungen: Kompensation von Schädigungen im Nervensystem<br />
rasche Veränderungen: Gehirn auf veränderte Erfahrungen einstimmen<br />
61
J.P.J. <strong>Pinel</strong>: <strong>Biopsychologie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
15.5 Therapeutische Anwendungsmöglichkeiten der Neuroplastizität<br />
Förderung der funktionalen Regeneration nach Hirnschädigungen durch Rehabilitations-training<br />
- Ein sehr einförmiges wiederholtes Training der stets gleichen Bewegung ist einer<br />
konventionellen Physiotherapie therapeutisch überlegen!<br />
Förderung der funktionalen Regeneration nach Hirnschädigungen durch Gentechnik<br />
- Stammzellen, deren genetisches Material sich so verändern lässt, dass sie ein bestimmtes<br />
Neurotrophin ausschütten, wenn sie reif sind; Injektion ins Gehirn eines Patienten, wo sie<br />
ins Gewebe in der Umgebung der Injektionsstelle aufgenommen werden und dort<br />
ihr Neurotrophin produzieren<br />
- Injektion von Viren ins Gehirn, die derart genetisch verändert wurden, dass sie<br />
Neurotrophine produzieren→ infizieren an der Injektionsstelle Zellen des dort<br />
vorhandenen Nervengewebes, wobei sie ihr genetisches Material in diese Zellen<br />
einbringen<br />
Förderung der funktionalen Regeneration nach Hirnschädigungen durch Neurotransplantation<br />
- Gewebe transplantieren, um das körpereigene Gewebe des Patienten zur Regeneration<br />
anzuregen<br />
- Gewebe verpflanzen, das ins ZNS des Empfängers integriert wird und dort verletzte<br />
Zellen ersetzt<br />
Förderung der Regeneration im ZNS durch Neurotransplantation<br />
- Abschnitte myelinisierter Nervenfasern aus dem PNS ins ZNS verpflanzen<br />
Einfügen von Ersatzgewebe ins Gehirn durch Neurotransplantation<br />
- Verletztes Gewebe wird durch entsprechendes gesundes Gewebe ersetzt<br />
- Versuche, die Parkinson-Krankheit durch Transplantation Dopamin freisetzende Zellen<br />
in das Striatum des Empfängers zu behandeln<br />
- Autotransplantation: Transplantation von Gewebe aus einer Körperregion des Patienten<br />
in eine andere Körperregion desselben Patienten<br />
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