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auGust 2009 - Experimenta.de

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eXperimenta<br />

<strong>auGust</strong> <strong>2009</strong><br />

Onlinemagazin <strong>de</strong>s INstituts für KreAtives Schreiben, Bad Kreuznach & Bingen<br />

Inhalt dieser Ausgabe Editorial<br />

Impression ...........................................................4<br />

Mainzer Experimente ...........................................5<br />

Die Kunst <strong>de</strong>s groben Unfugs ............................5<br />

Buch Dir ein Buch ..........................................15<br />

Äußerlichkeiten machen nur wütend .................18<br />

Gestaltung heißt zweckgebun<strong>de</strong>ne Form...........23<br />

Die Kunst ..........................................................28<br />

Markus Kaufmann: Gedichte ...........................28<br />

Jockel Kroecker: FLUXUSBUSCHdada ...............29<br />

Stephan Klein: Stückzahlen ............................ 30<br />

Dorothea Tieck: Vergleich ich Dich <strong>de</strong>m Tag im<br />

hol<strong>de</strong>n Lenze? ...............................................33<br />

Lyrik nervt .....................................................34<br />

Die Gesellschaft & die Literatur ............................36<br />

Die Gefahr von Rechts ....................................36<br />

Erratum ....................................................... 40<br />

Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens ....................... 41<br />

Die Autorenlesung ......................................... 41<br />

Emily Dickinson .............................................46<br />

Das Institut ........................................................49<br />

Flaschenpost .................................................49<br />

eXperimenta im Funk .............................. 50<br />

Radio Rheinwelle ........................................... 51<br />

Inhalt ... weiter auf Seite 3<br />

Liebe Leserinnen und<br />

Leser,<br />

vorige Woche bekam<br />

ich einen Anruf von <strong>de</strong>r<br />

Mitarbeiterin eines Küchenstudios<br />

mit <strong>de</strong>r Frage:<br />

„Könnten Sie nicht<br />

in unserem Küchenstudio<br />

mit Ihren Stu<strong>de</strong>nten<br />

eine Lesung veranstalten?<br />

Wir bekommen<br />

ein neues Programm,<br />

das wäre doch eine<br />

gute Gelegenheit!“ Die<br />

Dame erklärte mir im<br />

Gespräch, dass sie <strong>de</strong>n<br />

(Fortsetzung Seite 2)<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong> Www.<strong>Experimenta</strong>.De 01. August <strong>2009</strong><br />

© Frie<strong>de</strong>rike Zabel<br />

<strong>2009</strong>


Beitrag in <strong>de</strong>r eXperimenta über die Autorenlesung gelesen habe und dabei<br />

kam ihr die I<strong>de</strong>e.<br />

Zugegeben, ich mache sehr gerne Scherze. Das war kein Scherz: die Frau hat<br />

tatsächlich angerufen! Diese Episo<strong>de</strong> wür<strong>de</strong> sich garantiert für eine Kabarettszene<br />

eignen.<br />

Es geht weiter: Neulich hatte ich eine Begegnung in einer Bäckerei. Die Verkäuferin<br />

erzählte mir ganz aufgeregt, dass sie gera<strong>de</strong> an einem Buch schreibe. Bei<br />

ihrem Buch han<strong>de</strong>le es sich, wie sie sagte, um ein lyrisches Bastelbuch für Seniorinnen<br />

und Senioren. Die Bäckereiverkäuferin sucht jetzt einen Verlag für ihr Buch, von<br />

<strong>de</strong>m sie gera<strong>de</strong> sechs Seiten geschrieben habe. Sie fragt, ob ich ihr bei <strong>de</strong>r Verlagssuche<br />

behilflich sein könnte. Schließlich sei sie jetzt eine Autorin und wir wären<br />

doch jetzt Kollegen; dabei hatte ich nie die Absicht, Brötchen zu verkaufen.<br />

Satire muss beißen, heißt es. So gut wie die Realität kann – das sehen Sie an<br />

<strong>de</strong>n genannten Beispielen – Satire gar nicht sein! Weshalb dann diese Provokation?<br />

Weil es um die um Verteidigung <strong>de</strong>r Literatur geht. Der Berufsstand <strong>de</strong>s Schriftstellers<br />

darf nicht zur Imageaufwertung missbraucht wer<strong>de</strong>n, um Defizite in <strong>de</strong>r persönlichen<br />

Entwicklung zu kaschieren.<br />

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle die Geschichte mit <strong>de</strong>m pensionierten Pfarrer<br />

ersparen, <strong>de</strong>r die Auffassung vertrat: „Wer gute Predigten schreiben kann, <strong>de</strong>r ist<br />

auch ein guter Schriftsteller!“ Für ihn ist es offensichtlich keine Frage <strong>de</strong>r literarischen<br />

Qualität, Schriftsteller zu sein. Diesen Status kann sich je<strong>de</strong>r zulegen, und alle<br />

staunen: „Jetzt kennen wir einen Schriftsteller persönlich!“<br />

Der Status selbst, so scheint es, ist erstrebenswert, weil er scheinbar Erfolg im sozialen<br />

Umfeld garantiert. Endlich wahrgenommen wer<strong>de</strong>n von Freun<strong>de</strong>n, Bekannten,<br />

im Verein, auch vielleicht von <strong>de</strong>n Eltern. Vielleicht wäre es einmal interessant, eine<br />

Diskussion auszulösen, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Beruf(ung)<br />

Schriftsteller. „Wann wird <strong>de</strong>r Amateurschreiber zum Schriftsteller?“<br />

Weiterhin viel Spaß beim Schreiben<br />

Rüdiger Heins<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Seite 2


© Dimitri C/sxc <strong>2009</strong><br />

Inhalt ...<br />

Der erste Tag .................................................52<br />

Frankfurter Literaturtelefon ...............................54<br />

An <strong>de</strong>n Wassern ............................................54<br />

Der Wegweiser ..................................................55<br />

Was ich gera<strong>de</strong> lese ......................................55<br />

Allfälliges ......................................................56<br />

Die Redaktion ....................................................62<br />

Die Freiheit <strong>de</strong>s literarischen Experiments ..........62<br />

Adé, Ellen .....................................................64<br />

Neu im Team: Roswitha Junker ........................65<br />

Impressum ....................................................66<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Seite 3<br />

© mwmphotography/<strong>de</strong>viantart 2008—<strong>2009</strong>


Impression<br />

Alles im Fluß<br />

© Luise Hepp <strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Impression Seite 4


Schwerpunktthema:<br />

Mainzer Experimente<br />

Die Kunst <strong>de</strong>s groben Unfugs<br />

21 Minuten und 51 Sekun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Machern <strong>de</strong>s Unfug-Verlags, Mainz:<br />

— Mart Klein, Redaktion, Illustrator<br />

— Miriam Migliazzi, Creative Director, Illustratorin<br />

— David Gutsche, Marketing und Vertrieb<br />

Frau Migliazzi, Herr Gutsche, Herr<br />

Klein: Ihr Buch Rotkäppchen, eine<br />

Comic-Adaption <strong>de</strong>s Grimmschen<br />

Märchens…<br />

Eine Graphic Novel, kein Comic. Aha.<br />

Was ist <strong>de</strong>r Unterschied?<br />

Klein: Eine Graphic Novel!<br />

Schnelldurchlauf hingezeichnet wer<strong>de</strong>n wie so viele Comics.<br />

In Ordnung: Mit <strong>de</strong>r Graphic Novel<br />

Rotkäppchen haben Sie eine Adaption<br />

eines Grimmschen Märchens versucht.<br />

Mit Sicherheit hat das Erscheinen einen<br />

Skandal ausgelöst. Auf je<strong>de</strong>r Seite<br />

springen <strong>de</strong>m Leser pralle primäre<br />

und sekundäre Geschlechtsmerkmale<br />

entgegen…<br />

(0:00)<br />

Klein: Eine Graphic Novel ist für Erwachsene<br />

bestimmt. Sie vertritt einen künstlerischen<br />

Anspruch. Sie kann nicht im<br />

Klein: Eine sehr oberflächliche Sicht!<br />

Wie soll es <strong>de</strong>r Leser <strong>de</strong>nn sehen?<br />

Klein: Einfach als Kunst. Graphische<br />

Kunst. Die sexuell expliziten Darstellungen<br />

sind nötig, um <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>r Geschichte zu vermitteln. Der ist nämlich, Kin<strong>de</strong>r davor<br />

zu bewahren, vergewaltigt zu wer<strong>de</strong>n. Rotkäppchen ist keine Geschichte für Kin<strong>de</strong>r,<br />

son<strong>de</strong>rn für Eltern, die ihren Kin<strong>de</strong>rn die Wirklichkeit beibringen müssen.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 5


Kein Kind merkt, um was es wirklich geht, wenn man ihm das Märchen in klassischer<br />

Weise ohne Erläuterung vorliest.<br />

Mit <strong>de</strong>r Art und Weise, wie Sie das<br />

Thema gestaltet haben, erzielen Sie<br />

ein besseres Verständnis? Auch die<br />

an<strong>de</strong>ren Zutaten sind ja nicht ohne.<br />

Rotkäppchen ist Prostituierte. Man fin<strong>de</strong>t<br />

ein Rezept für Haschisch-Bananen-<br />

Kuchen.<br />

Und warum färbt sie sich die Haare<br />

mit Porno-Colors?<br />

Klein: Der Haschisch-Bananen-Kuchen<br />

ist eine notwendige Erklärung. Rotkäppchens<br />

Familie ist eine Drogenfamilie. Warum<br />

sollte sonst Rotkäppchen <strong>de</strong>n Wolf<br />

nicht erkennen, son<strong>de</strong>rn ihn mit <strong>de</strong>r eigenen<br />

Großmutter verwechseln, nur weil<br />

er die Klamotten anhat? Ansonsten wäre<br />

das ja völliger Schwachsinn. Natürlich<br />

nimmt sie halluzinogene Drogen nehmen.<br />

Klein: Weil das lustig ist. Wir wollen auch<br />

unterhalten.<br />

Gutsche: Es hätte uns gefreut, wenn ein<br />

Skandal entstan<strong>de</strong>n wäre. Dem Verkauf hätte das genützt.<br />

Klein: So plump wie Feuchtgebiete sind wir dann doch nicht.<br />

Gutsche: Je<strong>de</strong>nfalls ist <strong>de</strong>r Skandal ausgeblieben. Es gab ein paar Diskussionen,<br />

aber sehr in Grenzen.<br />

(3:28)<br />

Wer sich von Rotkäppchen provoziert<br />

fühlt, ist <strong>de</strong>r selbst schuld? O<strong>de</strong>r ist<br />

nicht vielmehr auch ihre Kunst so konsumierbar,<br />

daß sie keinerlei Störgefühl<br />

mehr erzeugt? Verschluckt <strong>de</strong>r heutige<br />

Büchermarkt einfach alles?<br />

(Lachen)<br />

Klein: Den Mainstream sprechen wir sowieso<br />

nicht an. Der Büchermarkt spürt uns<br />

gar nicht, alleine von unserer Auflage her.<br />

Aber intelligente Provokation ist selbstverständlich<br />

ein Ziel und ein Anspruch.<br />

Unsere Beson<strong>de</strong>rheit ist dabei die völlig<br />

wortgetreue Verwendung <strong>de</strong>s Originaltexts<br />

<strong>de</strong>r Gebrü<strong>de</strong>r Grimm.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 6


Gutsche: Zielgruppe waren die Comic-Freaks und Designinteressierte. Wir hätten<br />

gar nicht gedacht, daß sich das Buch auf <strong>de</strong>r Minipressenmesse so gut verkauft.<br />

Wir haben dort Zielgruppen erschlossen, die wir uns vorher nicht erträumt hätten.<br />

Das hat uns zusätzlichen Auftrieb gegeben, und Vertriebswege erschlossen. Aber<br />

eigentlich ging es uns um das Künstlerische.<br />

Migliazzi: Genau das war es.<br />

Ich erinnere mich an einen Satz, <strong>de</strong>r<br />

auf <strong>de</strong>r Messe fiel, Frau Migliazzi:<br />

„Wir wun<strong>de</strong>rn uns, daß so viele ältere<br />

Männer über 50 interessiert auf das<br />

Buch schauen.“<br />

Klein: Das haben wir nicht gesagt.<br />

Migliazzi: Habe ich das gesagt? Ich weiß<br />

nur, daß das angebliche Zitat in <strong>de</strong>r Zeitung<br />

stand. Wir haben uns eher darüber<br />

aufgeregt. Wir hatten ja schließlich auch<br />

an<strong>de</strong>res Publikum.<br />

Klein: Der Satz ist einfach falsch. Wir sprechen eben nicht nur die Comic-Nerds<br />

und die graphisch Interessierten, die Designer, an, son<strong>de</strong>rn noch weitere Zielgruppen.<br />

Solche, die das Märchen aus ihrer Jugend kennen.<br />

Gutsche: Diese Nachfrage haben wir aber eher unerwartet ent<strong>de</strong>ckt. Damit haben<br />

wir nicht gerechnet. Wir wollten an Comicinteressierte verkaufen, aber wir sind<br />

jetzt auch im normalen Buchhan<strong>de</strong>l, und teilweise im Erotik-Fachhan<strong>de</strong>l erhältlich.<br />

(7:12)<br />

Der Unfug-Verlag, das sind Sie drei.<br />

Inwieweit ist <strong>de</strong>r Name Ihres Verlags<br />

Programm? Wollen Sie bewußt Unfug<br />

verkaufen?<br />

Auf Ihrer Website formulieren Sie:<br />

„Unfug ist kein Schwachsinn. Richtiger<br />

Unfug ist weitblickend geistreich, amüsant<br />

und auch ein bißchen provokant.“<br />

und „Wie <strong>de</strong>r Name schon an<strong>de</strong>utet,<br />

fin<strong>de</strong>t man bei Unfug keine konventionellen<br />

Publikationen. Statt<strong>de</strong>ssen<br />

ausschließlich hochwertiges, außergewöhnliches<br />

Artwork zu mutigen,<br />

individuellen Themen.“ Haben Sie das<br />

erreicht? O<strong>de</strong>r ist das ein Knaller als<br />

Werbespruch?<br />

Klein: Unfug ist ganz ein<strong>de</strong>utig das<br />

Verlagskonzept. Wir produzieren Sachen,<br />

die die Großeltern unserer Kun<strong>de</strong>n als<br />

Unfug bezeichnen wür<strong>de</strong>n.<br />

Migliazzi: Netten Unfug.<br />

Klein: Nein. Wir machen das.<br />

Gutsche: Man kann noch nicht sagen,<br />

daß wir es geschafft haben. Rotkäppchen<br />

ist unser erstes Buch. Außer<strong>de</strong>m verkaufen<br />

wir einige Kunstgegenstän<strong>de</strong>.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 7


Dann sind dann die Hirschgeweihe?<br />

Was hat es <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>nen auf sich?<br />

Migliazzi: Das ist halt Unfug. Reiner<br />

Unfug im Sinne <strong>de</strong>s Verlags. Die Großeltern<br />

hängen sich solche Geweihe auf,<br />

und betrachten das nicht als Unfug. Aber mit <strong>de</strong>r Bemalung wird das sofort etwas<br />

an<strong>de</strong>res. Außer<strong>de</strong>m han<strong>de</strong>lt es sich um ein junges, mo<strong>de</strong>rnes Designinterieur für<br />

Aufgeschlossene.<br />

Gutsche: Die Retrowelle ist schon Mainstream. In Hamburg fin<strong>de</strong>n Sie ganze Kneipen<br />

in diesem Stil.<br />

Klein: Natürlich haben die nicht so tolles Interieur wie das, was Miri macht.<br />

(10:17)<br />

Wie haben Sie zu Projekt und Verlag<br />

zusammengefun<strong>de</strong>n?<br />

Gutsche: Zum Unfug-Verlag haben sich<br />

zwei Agenturen zusammengeschlossen:<br />

Dainz.Net, die Agentur von Mart und<br />

Miri, die ja bei<strong>de</strong> Designer und Illustratoren sind, und Gut+, meine Werbe- und<br />

Kommunikationsagentur. Wir sind auch privat befreun<strong>de</strong>t. Rotkäppchen ist Marts<br />

Diplomarbeit, und so kam die I<strong>de</strong>e auf, das Buch auch gemeinsam zu verlegen.<br />

Auch von <strong>de</strong>n Rollen paßt es: Miri kümmert sich um Design und Layout, Mart um<br />

künstlerische Fragen, und ich bearbeite Vertrieb, Presse und Promotion.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 8


Was ist Ihr langfristiges Ziel mit <strong>de</strong>m<br />

Verlag?<br />

Ist in <strong>de</strong>r Verlagsarbeit auch eher<br />

schwierig. Meistens müssen Sie eher<br />

Geld mitbringen.<br />

Das ist <strong>de</strong>r Beschluß. Wie lange wird<br />

das dauern?<br />

Welchen Unfug hat <strong>de</strong>r Unfug-Verlag<br />

sonst noch im Programm? Bücher<br />

sieht man weiter keine, son<strong>de</strong>rn die<br />

Geweihe, und Bil<strong>de</strong>r, die eigenartige<br />

Titel tragen wie Kin<strong>de</strong>rwurst, Wurst<br />

Ensemble, Antikapitalistische Maschine<br />

Nr. 2 und § 48 tragen. Was hat es<br />

damit auf sich?<br />

Sie wollen also auch an<strong>de</strong>ren die Möglichkeit<br />

geben, sich über ihren Verlag<br />

zu präsentieren und zu verkaufen?<br />

Wie sieht die weitere Programmplanung<br />

aus?<br />

Klein: Reich zu wer<strong>de</strong>n keinesfalls.<br />

Klein: Wir verfügen nicht über die Ressourcen<br />

<strong>de</strong>r großen Verlage. Aber wir<br />

haben eine klare Zielgruppe, wir bringen<br />

Unfug heraus, und wir wer<strong>de</strong>n im Un<strong>de</strong>rground<br />

ganz groß wer<strong>de</strong>n.<br />

Klein: Zehn, fünfzehn Jahre.<br />

(Lachen).<br />

(12:45)<br />

Klein: Das ist halt Unfug von berühmten<br />

lokalen Künstlern. Niklas Hughes, auch<br />

ein Freund von uns, fertigt zum Teil photorealistische<br />

Ölmalereien an. Wir haben<br />

uns aus seinem Repertoire etwas Unfug<br />

ausgesucht.<br />

Gutsche: Nik ist ein sehr guter Künstler,<br />

hat schon mehrfach ausgestellt.<br />

Klein: Wir sehen uns einfach auch als<br />

Plattform für aufstreben<strong>de</strong> Künstler.<br />

Gutsche: Auf je<strong>de</strong>n Fall. Für Künstler,<br />

Schriftsteller, an<strong>de</strong>re.<br />

(14:49)<br />

Klein: Natürlich haben wir diverse<br />

Anfragen. Die wer<strong>de</strong>n wir uns ansehen,<br />

inwieweit sie in unser Konzept passen,<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Je nach<strong>de</strong>m. Natürlich stehen weitere Projekte an. Über ungelegte Eier<br />

möchten wir allerdings nicht sprechen.<br />

(15:18)<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 9


eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 10


Zu einem Ei haben Sie aber schon heftig<br />

gegackert. Eine zweite Märchenadaption<br />

Schneeweißchen & Rosenrot ist<br />

auf <strong>de</strong>r letzten Seite von Rotkäppchen<br />

bereits angekündigt.<br />

Wieviel Arbeit steckt <strong>de</strong>nn in einem<br />

solchen Buch?<br />

Klein: Dazu müssen wir zunächst sehen,<br />

wie gut sich das Rotkäppchen-Buch<br />

verkauft. Es han<strong>de</strong>lt sich ja noch um ein<br />

Konzept im Test. Ein weiteres Buch wäre<br />

wie<strong>de</strong>r mit großem Zeitaufwand verbun<strong>de</strong>n.<br />

Klein: Es han<strong>de</strong>lte sich um meine Diplomarbeit,<br />

daher habe ich mir etwas mehr<br />

Zeit gegönnt, als ich gewöhnlich für ein<br />

Comic brauchen wür<strong>de</strong>. Ich habe auch noch eine über hun<strong>de</strong>rtseitige Dokumentation<br />

dazu angefertigt. Insgesamt waren es etwa sechs Monate Arbeit, komplett<br />

einschließlich <strong>de</strong>s Drucks.<br />

Gutsche: Wir haben etwa 999 Exemplare hergestellt, verkauft ist jetzt etwa ein Drittel.<br />

Damit haben wir die Kosten fast schon hereingeholt.<br />

(16:30)<br />

Gibt es für Schneeweißchen & Rosenrot<br />

nur das Titelbild, o<strong>de</strong>r schon mehr?<br />

Klein: Das ist gar nicht das Titelbild. Das<br />

ist nur ein Pin-Up, eine Vorschau, um<br />

heiß zu machen. Jetzt warten wir auf die<br />

Zuschriften begieriger Leser, die das Buch kaufen wür<strong>de</strong>n, egal, was es kostet. Ab<br />

tausend Interessenten wür<strong>de</strong>n wir das dann tun.<br />

Wenn Sie von je<strong>de</strong>m Leser <strong>de</strong>r eXperimenta<br />

eine Bestellung bekommen,<br />

sind Sie bei über 4.000.<br />

Wie kann ein kleiner Verlag wie Unfug<br />

sich auf <strong>de</strong>m Markt behaupten? Wie<br />

behalten Sie Herstellung und Vermarktung<br />

im Griff?<br />

Aber immerhin mußten Sie das Buch<br />

herstellen, drucken lassen, bin<strong>de</strong>n<br />

lassen. Ist das kein Aufwand?<br />

(17:37)<br />

Gutsche: Eigentlich kein großes Problem.<br />

Unfug ist ja nicht unsere Hauptarbeit. Wir<br />

gehen ja alle noch an<strong>de</strong>ren Tätigkeiten<br />

nach. Wir machen das eben zusammen.<br />

Klein: Wir kennen uns ja aus. Wir haben<br />

das ja studiert.<br />

Gutsche: Das Drucken war das kleinste<br />

Problem. Man schickt das Buch zur Druk-<br />

kerei. Die Druckerei schickt die Bücher. Fertig. Und dann schickt man die Bücher in<br />

<strong>de</strong>n Vertrieb.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 11


Und das macht man einfach mal so,<br />

und das ist auch nicht problematisch?<br />

Klein: Für uns nicht.<br />

Gutsche: Man könnte aber durchaus mehr<br />

machen, wir könnten noch mehr Lä<strong>de</strong>n<br />

anschreiben, intensiver <strong>de</strong>n Vertrieb beackern.<br />

Klein: Wobei sich die Frage stellt, ob das bei unserer Auflage überhaupt Sinn<br />

macht.<br />

999 Stück mal 19,80 € – das ist doch<br />

eine Menge Geld.<br />

Aber die Produktionskosten haben Sie<br />

bereits gehabt. Damit ist je<strong>de</strong>r Euro<br />

mehr doch ein guter Euro. Er verringert<br />

zumin<strong>de</strong>st die Schul<strong>de</strong>n.<br />

Klein: So darf man das nicht rechnen.<br />

Hängen bleibt wesentlich weniger.<br />

Klein: Rechnen Sie trotz<strong>de</strong>m mal die<br />

Summe auf uns drei Teilhaber um. Da<br />

bleibt für je<strong>de</strong>n von uns gera<strong>de</strong> mal ein<br />

durchschnittliches Monatsgehalt übrig für<br />

ein halbes Jahr Arbeit.<br />

Gutsche: Aber wir haben die Kosten eingefahren – zumin<strong>de</strong>st das, was wir für Verlagsgründung<br />

und zur Produktion investiert haben.<br />

(20:17)<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 12


Wenn Sie in <strong>de</strong>r heutigen <strong>de</strong>utschen Literaturszene<br />

und in <strong>de</strong>r Literaturszene<br />

in Mainz umsehen, o<strong>de</strong>r im etablierten<br />

Verlagswesen: was ärgert Sie da am<br />

meisten?<br />

Klein: Gar nichts. Wir fin<strong>de</strong>n generell das<br />

etablierte Verlagswesen nicht schlecht.<br />

Sie wür<strong>de</strong>n nur gerne dazugehören? Klein: Nein. Wir wollen <strong>de</strong>n Untergrund<br />

bedienen. Wir haben keine Mainstreamprodukte.<br />

Das ist auch nicht unsere Absicht, dafür sind die großen Verlage mit ihren<br />

finanziellen Möglichkeiten zuständig.<br />

Gutsche: Wir haben eigentlich auch keine Berührungspunkte mit dieser Welt.<br />

Was wünschen Sie sich für die Zukunft<br />

Ihres Verlags?<br />

Dann alles Gute für die Zukunft, viel<br />

Erfolg mit <strong>de</strong>n ungelegten Eiern. Und<br />

wenn es dann lauter gackert, weil<br />

wie<strong>de</strong>r ein Ei gelegt wird, sagen Sie<br />

<strong>de</strong>r eXperimenta Bescheid.<br />

Gutsche: Daß wir Erfolg haben mit unseren<br />

Produktionen, und daß wir als Team<br />

weiter gut zusammenarbeiten.<br />

Gutsche: Auf je<strong>de</strong>n Fall.<br />

(21:51)<br />

Das Buch Rotkäppchen kann online bestellt wer<strong>de</strong>n über die Website <strong>de</strong>s Unfug-<br />

Verlags Www.Unfug-Verlag.De. Auf Wunsch wer<strong>de</strong>n die Bücher mit einer Signatur<br />

und einer Handzeichnung <strong>de</strong>s Autors Mart Klein versehen.<br />

Auf <strong>de</strong>r Website fin<strong>de</strong>n Sie auch das übrige Angebot <strong>de</strong>s Verlags: Bil<strong>de</strong>r, Poster,<br />

Karten, und das erwähnte Raum<strong>de</strong>kor.<br />

Toni Reitz<br />

Das Copyright für alle Abbildungen in diesem Interview liegt beim Unfug-Verlag.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 13


Unsere Gesprächspartner<br />

Mart Klein<br />

Illustrator und Dipl.-Designer<br />

Mart Klein studierte Kommunikations<strong>de</strong>sign<br />

in Mainz. Der Vegetarier<br />

arbeitet seit 9 Jahren als Illustrator. Zu<br />

seinen Kun<strong>de</strong>n zählen unter an<strong>de</strong>rem<br />

die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,<br />

das Mad-Magazine, das ZdF<br />

und Greenpeace Schweiz.<br />

Miriam Migliazzi<br />

Dipl.-Designerin, Illustratorin und<br />

Photographin<br />

Miriam Migliazzi studierte Design<br />

in Mainz. Sie ist ambitioniert kreativ.<br />

Wenn sie gera<strong>de</strong> mal nicht ausgefallene<br />

und zweckmäßige Unternehmensi<strong>de</strong>ntitäten<br />

konzipiert, entwirft<br />

sie Interieur, Kleidung und Accesoires.<br />

Alles was sie für ihre Collagen-<br />

Illustrationen braucht, ist ein leeres<br />

Photoshop-Dokument.<br />

David Gutsche<br />

Medienwirt, Marketing, Presse, PR.<br />

David Gutsche studierte Medienmanagement<br />

in Mainz und arbeitet seit<br />

5 Jahren als Journalist, PRler und Marketing<br />

Manager. Zu seinen Kun<strong>de</strong>n<br />

zählen diverse Kultureinrichtungen im<br />

Rhein Main Gebiet, Clubs, Theater,<br />

Medien und Kunstvereine.<br />

Neben seiner Marketing- und Kommunikationsagentur<br />

Gut+ leitet er die<br />

Musikagentur www.Musikmaschine.<br />

Net und ist Teil <strong>de</strong>s Unfug Verlages.<br />

Ein Workaholic durch und durch und<br />

meistens sowieso irgendwie durch.<br />

Sein geheimes Interesse an esoterischen<br />

Themen lässt ihn <strong>de</strong>mnächst<br />

sowieso abheben.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 14<br />

© rosiehardy/<strong>de</strong>viantart 2008—<strong>2009</strong>


Buch Dir ein Buch<br />

Internationaler Rechtshan<strong>de</strong>l im Portal für Autoren und Verleger bookoobook<br />

Ein wesentlicher Teil von Verlagseinnahmen wird bei einem erfolgreichen Buch nicht<br />

durch <strong>de</strong>n Buchverkauf selbst, son<strong>de</strong>rn durch die Verwertung von Nebenrechten erzielt.<br />

Dazu zählen internationale Lizenzen, mit <strong>de</strong>nen ein ausländischer Verlag das<br />

Recht erwirbt, ein Buch übersetzen zu lassen und in einem an<strong>de</strong>ren Land als <strong>de</strong>m<br />

Ursprungsland zu verkaufen.<br />

Für große Verlage ist dieses Geschäft lukrativ, kleinen und mittleren aber, <strong>de</strong>n<br />

typischen Einmann- bis Fünfmannbetrieben, bleibt es in <strong>de</strong>r Regel verschlossen.<br />

Ihnen fehlt finanziell die Möglichkeit, internationale Messen mit einem Stand zu beschicken,<br />

und auf diesem Weg Kontakte zu knüpfen. Selbst wenn es vom Programm,<br />

vom Genre, vom literarischen Konzept her jeman<strong>de</strong>n gäbe, <strong>de</strong>r am Geschäft interessiert<br />

ist – es scheitert in <strong>de</strong>r Regel daran, daß sich bei<strong>de</strong> Partner nicht kennenlernen.<br />

Das Gleiche gilt für <strong>de</strong>n Zugang zu international tätigen Agenturen, und damit<br />

fehlt gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Kleinen, die sowieso schon knapp kalkulieren müssen, <strong>de</strong>r Zugang<br />

zu dringend benötigtem Zusatzgeschäft.<br />

Diese Lücke beabsichtigt das in Mainz ansässige Unternehmen bookoobook mit<br />

seiner Internetplattform zu schließen.<br />

Das Konzept<br />

bookoobook bietet Verlagen die Möglichkeit, Werke aus Ihrem Programm in Dossiers<br />

anzubieten. Die Dossiers beschreiben in einer einheitlichen Struktur das Werk,<br />

stellen <strong>de</strong>n Autor vor und geben vor allem auch eine kurze Leseprobe – alles in allem<br />

etwa 8 bis 10 Seiten. Damit wird einem Interessenten die Möglichkeit gegeben,<br />

in wenigen Minuten ein Buch kennenzulernen.<br />

Das Einstellen eines Dossiers kostet 25 € für sechs Monate, die Verlängerung<br />

15 €. Das Dossier kann in Deutsch o<strong>de</strong>r in Englisch eingereicht wer<strong>de</strong>n, außer<strong>de</strong>m<br />

ist es möglich, ein Zweitdossier in je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r gängigen Weltverkehrssprachen und<br />

in <strong>de</strong>n größeren europäischen Regionalsprachen hinzufügen. Seitens bookoobook<br />

wird das Dossier einer Qualitätssicherung unterzogen und dann auf <strong>de</strong>r Plattform<br />

bereitgestellt. Dann heißt es für <strong>de</strong>n Verleger: warten.<br />

Die aktive Rolle liegt beim Interessenten, in <strong>de</strong>r Regel einem Verlag, <strong>de</strong>r eine<br />

Übersetzung in sein Spektrum aufnehmen will. Ihm bietet eine Suchmaske die Mög-<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 15<br />

© bookoobook<br />

<strong>2009</strong>


lichkeit, das Angebot auf bookoobook nach <strong>de</strong>m Herkunftsland, <strong>de</strong>r Zielsprache,<br />

in die übersetzt wer<strong>de</strong>n soll, <strong>de</strong>m Genre und an<strong>de</strong>ren Begriffen zu filtern. Ist ein<br />

interessantes Dossier gefun<strong>de</strong>n, kann es gelesen o<strong>de</strong>r ausgedruckt wer<strong>de</strong>n. Über<br />

eine Funktion Kontaktieren ist eine Verbindungsaufnahme mit <strong>de</strong>m Anbieter möglich.<br />

Damit ist die Beteiligung <strong>de</strong>s Portals am Prozeß erst einmal been<strong>de</strong>t.<br />

Am eigentlichen Rechtsgeschäft ist bookoobook nicht beteiligt. Verleger und Interessent<br />

schließen <strong>de</strong>n Vertrag alleine. bookoobook erhält dafür auch keine Provision<br />

o<strong>de</strong>r Vermittlungsgebühr.<br />

Damit ist aber das Leben <strong>de</strong>s Dossiers aber nicht been<strong>de</strong>t. Der Anbieter läßt<br />

nur das nun bereits verkaufte Recht als vergeben markieren – für Interessenten aller<br />

an<strong>de</strong>ren Sprachen bleibt das Angebot aber erreichbar, ohne zusätzliche Gebühren,<br />

aber insbeson<strong>de</strong>re ohne nochmals Arbeit in ein Dossier investieren zu müssen.<br />

Damit steht <strong>de</strong>r internationale Markt erstmals auch Kleinverlagen mit vertretbarem<br />

Aufwand offen.<br />

Neben Verlagen können natürlich auch Agenten die Plattform in gleicher Weise<br />

nutzen, o<strong>de</strong>r auch Autoren, die für ihr bis jetzt unveröffentlichtes Werk einen Verlag<br />

o<strong>de</strong>r einen Agenten suchen. Um die Qualität <strong>de</strong>r Plattform zu wahren, muß hier die<br />

Qualitätssicherung noch intensiver ausfallen. Nicht unbedingt wird in solchen Fällen<br />

je<strong>de</strong>s Dossier angenommen.<br />

Ergänzend bietet bookoobook auch Platz für gewerbliche Anzeigen von Verlagen,<br />

Übersetzern, Buchbin<strong>de</strong>reien und an<strong>de</strong>rn Akteuren <strong>de</strong>s Buchmarkts. Mit 120 €<br />

für eine internationale Verbreitung sind aber auch hier die Gebühren mäßig.<br />

Der Start<br />

bookoobook wur<strong>de</strong> erstmals auf <strong>de</strong>r Minipressenmesse <strong>2009</strong> in Mainz vorgestellt.<br />

Der Name kommt vom Geschäftsmo<strong>de</strong>ll: „Buche ein Buch!“ heißt auf Englisch<br />

„Book a Book!“, und da dieser Name im Weg bereits belegt war, wur<strong>de</strong> bookoobook<br />

daraus.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war das Portal nur eine Oberfläche zum Vorzeigen. So,<br />

o<strong>de</strong>r so ähnlich, könnte es aussehen. Inzwischen sind die ersten Dossiers eingestellt,<br />

und auch einige Verlagsanzeigen sind zu fin<strong>de</strong>n. Etwa 200 Interessenten aus zehn<br />

Län<strong>de</strong>rn haben sich bereits einen Zugang zur Plattform reservieren lassen.<br />

Die Freischaltung ist Anfang August <strong>2009</strong> geplant, und mit <strong>de</strong>m vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Angebot soll die Plattform dann auch auf <strong>de</strong>r Frankfurter Buchmesse Verlagen und<br />

Verlegern in direktem Kontakt angeboten wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Geschäftsmo<strong>de</strong>ll von bookoobook ist weltweit neu. Es gibt daher keinerlei<br />

Erfahrungen, ob das Konzept so angenommen wird o<strong>de</strong>r erfolglos bleibt. In etwa<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 16


einem halben Jahr müßte diese Frage klar wer<strong>de</strong>n. Bis dahin soll sich gemäß <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsplanung <strong>de</strong>r erste Erfolg einstellen.<br />

Das Team<br />

Seele <strong>de</strong>s Geschäfts ist Miriam Spies, studierte<br />

Germanistin, Eignerin <strong>de</strong>s gonZo-Verlags und<br />

Organisatorin <strong>de</strong>s Mainzer Literaturfestivals <strong>2009</strong>,<br />

das gleichzeitig zur Minipressenmesse stattgefun<strong>de</strong>n<br />

hat.<br />

Frau Spies teilt sich die Verantwortung mit <strong>de</strong>m<br />

Geschäftsführer Ralph Weber, <strong>de</strong>r seinen Schwerpunkt<br />

auf die kaufmännischen Fragen legt und<br />

im Moment auch die Rolle <strong>de</strong>s Investors in das<br />

Geschäftsmo<strong>de</strong>ll spielt.<br />

Das Team von bookoobook.<br />

© Helmut Marten <strong>2009</strong><br />

Außer<strong>de</strong>m zum Team von bookoobook gehört Sophia Georgiopoulou. Sie ist<br />

Literaturagentin, und von ihr stammt das Konzept <strong>de</strong>s Dossiers. Ihre Erfahrung<br />

ist, daß man mit einem klaren, strukturierten Qualitätsangebot Erfolgsquoten von<br />

15—20% erreichen kann, wovon an<strong>de</strong>ren Agenten nur träumen.<br />

Weiter arbeiten Helmut Marten, Web<strong>de</strong>signer und Inhaber <strong>de</strong>r Firma MartenMedia,<br />

Samir Sofovic, Programmierer und Frie<strong>de</strong>rike Bülig (vgl. Bericht auf Seite 18) im<br />

Team mit.<br />

Angesichts <strong>de</strong>r Tatsache, daß hier ohne große Marktforschung ein völlig neues<br />

Konzept aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n gestampft wur<strong>de</strong>, gebührt <strong>de</strong>n Machern von bookoobook<br />

größter Respekt für ihren Mut.<br />

eXperimenta wünscht <strong>de</strong>m<br />

Team alles Gute und wird über<br />

<strong>de</strong>n ersten Vertragsabschluß<br />

sicher berichten.<br />

Toni Reitz<br />

bookoobook ist im Internet unter<br />

Www.Bookoobook.De erreichbar.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 17<br />

© chaosply/<strong>de</strong>viantart 2005


Äußerlichkeiten machen nur wütend<br />

Ein Porträt <strong>de</strong>r Regisseurin Frie<strong>de</strong>rike Bülig<br />

Der Anfang<br />

Den Anstoß gab eine Leseprobe<br />

bei <strong>de</strong>r Gründung<br />

einer Theatergruppe. Frie<strong>de</strong>rike<br />

Bülig trug aus einem<br />

Stück von Alan Ayckbourn<br />

vor, die Rolle eines Mädchens,<br />

das ein Mann sein<br />

will. Als sie zu lesen begann,<br />

war sie da, die Lust<br />

am Spielen und am Lesen,<br />

die Freu<strong>de</strong> laut zu sprechen,<br />

mit <strong>de</strong>r Stimme einen Text<br />

auszufüllen und ihn wirken<br />

zu lassen.<br />

Ein Schauspieler muß glaubwürdig sein, das ist seine eigentliche Rolle, wenn er<br />

sie annehmen will. Die Aufgabe <strong>de</strong>s Regisseurs liegt darin, mit einem durchdachten<br />

Bühnenkonzept dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />

Frie<strong>de</strong>rike Bülig hat bei<strong>de</strong> Perspektiven durchlebt, und dabei die Spannung<br />

erfahren zwischen <strong>de</strong>r persönlichen Anstrengung und einem professionellen Kulturbetrieb,<br />

<strong>de</strong>r oft mehr von Äußerlichkeiten bestimmt wird – Äußerlichkeiten, die nur<br />

wütend machen.<br />

Zugangsknoten<br />

Frie<strong>de</strong>rike Bülig<br />

© RenéFleck <strong>2009</strong><br />

Gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> die Theatergruppe Zugangsknoten im Jahr 2005 im Rahmen<br />

eines För<strong>de</strong>rprogramms <strong>de</strong>s AStA <strong>de</strong>r Universität Mainz. Stu<strong>de</strong>ntischen Ensembles<br />

steht ein voll ausgestatteter Hörsaal als Theater auf <strong>de</strong>m Campus zur Verfügung. Ein<br />

Theaterausschuß koordiniert die Unterstützung <strong>de</strong>r einzelnen Gruppen, die bis zu<br />

einem finanziellen Zuschuß zu <strong>de</strong>n Produktionskosten gehen kann. Wird ein Projekt<br />

auch ein wirtschaftlicher Erfolg, fließt ein Teil <strong>de</strong>s Ertrags in <strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rtopf zurück.<br />

Die stilistische Breite <strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rten Produktionen hängt im wesentlichen von<br />

<strong>de</strong>n Gruppen selbst ab. Day Old Theatre beispielsweise konzentriert sich auf englische<br />

Stücke, und Musical Inc. produziert Musicals.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 18


Zugangsknoten hingegen begann mit einem Werk <strong>de</strong>r klassischen Mo<strong>de</strong>rne. Die<br />

Kahle Sängerin von Eugène Ionesco stand als Erstes auf <strong>de</strong>m Programm.<br />

Der Name <strong>de</strong>r Gruppe stammt aus einer Anlehnung an die Internettechnologie.<br />

Ein Zugangsknoten ist dort <strong>de</strong>r erste Rechner, <strong>de</strong>r die Verbindung zum unendlich<br />

komplexen Netzwerk herstellt.<br />

Die Schauspielerin<br />

In Der kahlen Sängerin stand Frie<strong>de</strong>rike Bülig selbst auf <strong>de</strong>r Bühne. Sie spielte die<br />

Mrs Martin, die Ehefrau in einem von zwei Paaren, <strong>de</strong>nen das Dienstmädchen<br />

gegenüber steht – das Dienstmädchen, das am Schluß <strong>de</strong>s Stücks ermor<strong>de</strong>t wird.<br />

In Ionescos Stück erfüllt dieses Dienstmädchen die Rolle <strong>de</strong>s Wahrheitspunkts, sie<br />

ist die Einzige, die ausspricht, was ist. So wird <strong>de</strong>r Mord am En<strong>de</strong> auch zur Auslöschung<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit.<br />

Ionescos absur<strong>de</strong>s Theater ist nicht einfach zu spielen. Die Personen zeigen<br />

wenig Tiefe, es ist kaum Psychologie im Spiel. Reine Sprachkunst ist zu hören, die<br />

schnell in <strong>de</strong>r Gefahr steht, <strong>de</strong>n Zuschauer zu überfor<strong>de</strong>rn und Langeweile zu erzeugen.<br />

Zugangsknoten behalf sich mit einem sich verengen<strong>de</strong>n Bühnenbild. Den Figuren<br />

wur<strong>de</strong> im Lauf <strong>de</strong>r Aufführung immer weniger Platz gelassen, wodurch mit <strong>de</strong>m<br />

Druck <strong>de</strong>s schrumpfen<strong>de</strong>n Raums auch die Dichte <strong>de</strong>r Beziehungen stieg.<br />

Neben <strong>de</strong>r Schärfung <strong>de</strong>s eigenen Bewußtseins vom Schauspiel erlaubte das<br />

Mitspielen Einblicke in die Dynamik eines Ensembles als Team. Pure Eitelkeit ist dort<br />

genauso im Spiel wie die Notwendigkeit, durch Mangel gesetzte Grenzen auszugleichen.<br />

Der Verzicht auf das Ausprobieren aus reiner Bequemlichkeit steht neben<br />

Arbeitsphasen bis in die Nacht. Das Kämpfen um <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r eigenen persönlichen<br />

Substanz kommt genausooft vor wie die zwischenmenschliche Arbeit. Und<br />

schließlich hat schon die reine I<strong>de</strong>e, ein Stück aufzuführen, etwas verhalten Eitles an<br />

sich.<br />

„Die reine I<strong>de</strong>e, ein Stück zu inszenieren, bedarf Mut, Lust und I<strong>de</strong>en. Die I<strong>de</strong>e<br />

und das tatsächliche Umsetzen dieser ist, wenn überhaupt, ein Selbsttest, ob man es<br />

schafft, ob man Energie und Fähigkeiten besitzt dazu.“<br />

Lichtenberg<br />

Manches an unserem Körper wür<strong>de</strong> uns nicht so säuisch und unzüchtig vorkommen,<br />

wenn uns nicht <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>l im Kopfe steckte.<br />

Georg Christoph Lichtenberg, zitiert nach: nZZ Folio 06/<strong>2009</strong>, p. 56.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 19


Coco soll lachen<br />

2007 war es so weit für <strong>de</strong>n nächsten Schritt. Coco soll<br />

lachen, ein Stück für Kin<strong>de</strong>r, wur<strong>de</strong> anläßlich <strong>de</strong>s Festivals<br />

Mainz lebt auf seinen Plätzen zur ersten Regiearbeit von<br />

Bülig.<br />

Die Geschichte ist einfach erzählt. Der Clown Coco<br />

wird aus <strong>de</strong>m Zirkus geworfen. Damit ist <strong>de</strong>r Sinn seiner<br />

Existenz verloren. Coco ist nur noch traurig, bis er Mathilda trifft, <strong>de</strong>ren Ziel es<br />

ist, Coco wie<strong>de</strong>r zum Lachen zu bringen. Coco soll in <strong>de</strong>n Zirkus zurück. Und zum<br />

Schluß ist es geschafft: Coco kann wie<strong>de</strong>r auftreten, und lacht wie<strong>de</strong>r.<br />

Das Kin<strong>de</strong>rstück stellte Bülig vor eigene Aufgaben. Das Genre scheitert leicht,<br />

genauso wie Komödien für Erwachsene. Noch dazu stellen Kin<strong>de</strong>r das gefühlsmäßig<br />

kritischste Publikum dar, das die Schauspielerei kennt – Kin<strong>de</strong>rtheater kann nur<br />

gelingen, wenn es die Schauspieler erreichen, eine eigene, kindliche Perspektive<br />

aufzubauen und diese die ganze Aufführung hindurch zu behalten. Die ganze<br />

Truppe muß Kind sein und bleiben. „Kindsein heißt in <strong>de</strong>m Fall: Lust am Spielen, am<br />

Miteinan<strong>de</strong>r spielen und sich ausprobieren, ganz ungezwungen, weil sich diese<br />

Lust und diese Freu<strong>de</strong> auf die Kin<strong>de</strong>r überträgt.“<br />

Dementsprechend hoch sind die Anfor<strong>de</strong>rungen an eine Regisseurin. Schon bei<br />

<strong>de</strong>r Zurichtung <strong>de</strong>s Texts, beim Streichen und Strukturieren, muß sie eine Ahnung<br />

aufbauen, wie das Stück laufen soll. Selbst wenn sie<br />

nicht mit einem fertigen Konzept auf <strong>de</strong>r Probe erscheint,<br />

ist nichts schlimmer, als wenn sie nicht weiter<br />

weiß. Schauspieler müssen auch geführt wer<strong>de</strong>n,<br />

gera<strong>de</strong> wenn sie <strong>de</strong>n Mut haben, sich an ihre Grenzen<br />

heranzuspielen, damit sie vor diesen Grenzen nicht alleinestehen.<br />

Daher darf die Regisseurin nie ohne I<strong>de</strong>en<br />

dastehen. Sie muß immer mit klaren Augen beobachten, und manchmal muß sie<br />

(o<strong>de</strong>r er) auch zum Stimmungsmacher <strong>de</strong>s Teams wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Erfolg gab <strong>de</strong>r Anstrengung recht: am En<strong>de</strong> je<strong>de</strong>r Aufführung jubelten die<br />

Kin<strong>de</strong>r und folgten <strong>de</strong>r Einladung, nun selbst Zirkus zu spielen.<br />

Der Kontrapunkt<br />

© Alex <strong>2009</strong><br />

Büligs Konzept ist klar und bestimmt. Führen und geführt wer<strong>de</strong>n. Manche wür<strong>de</strong>n<br />

sagen, autoritär. Möglicherweise genug Potential, um ein Schauspielteam zu sprengen.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 20<br />

© Alex <strong>2009</strong>


Vera Tersteegen, Schauspielerin in Coco soll lachen, wi<strong>de</strong>rspricht. Theater stellt<br />

an die Schauspielerei ganz an<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen als ein Film. Im Film kann man<br />

probieren und wie<strong>de</strong>r probieren. Im Theater wagt bei je<strong>de</strong>r Aufführung alles, es<br />

gibt keinen Versuch. Und je<strong>de</strong>smal ist alles an<strong>de</strong>rs.<br />

Diese Art zu spielen for<strong>de</strong>rt absolute Präsenz <strong>de</strong>s Schauspielers, seine vollständige<br />

Aufmerksamkeit. Nur wenn er die richtige Haltung in <strong>de</strong>r Rolle fin<strong>de</strong>t, nämlich<br />

wirklich vom Normalsein zum an<strong>de</strong>ren Leben auf <strong>de</strong>r Bühne zu fin<strong>de</strong>n, kann sie<br />

gelingen.<br />

Das Team muß üben, bis die Darstellung tatsächlich da ist. Die unendliche<br />

Wie<strong>de</strong>rholung strengt an, laugt aus. Es gibt kein Loslassen <strong>de</strong>r Anstrengung, bis<br />

<strong>de</strong>r endgültige Punkt erreicht ist. Ohne die Führungskraft eines Regisseurs, o<strong>de</strong>r hier<br />

einer Regisseurin, un<strong>de</strong>nkbar. Dabei kann allerdings kein Wollen und Re<strong>de</strong>n das<br />

ersetzen, was vom Schauspieler kommen muß. Es geht vielmehr darum, das Team<br />

und seine Fähigkeiten zu spüren und zu lenken.<br />

Dreiecksverhältnis<br />

In ihrem letzten Projekt ging Bülig über das klassische Theater hinaus. Es mußte<br />

mehr sein, thematisch wie gestalterisch.<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r Installation rot – weiß – blau im Atelier 9 begann mit <strong>de</strong>m Stück<br />

Buch mal drei sie eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit literarischen Texten zum Thema<br />

Dreieck. Dabei<br />

wur<strong>de</strong> nicht nur das<br />

klassische Dreieck<br />

eine Frau und zwei<br />

Männer betrachtet,<br />

das ja meistens<br />

lei<strong>de</strong>r doch nur ein<br />

V bleibt und kein<br />

Dreieck wird. Daneben<br />

wur<strong>de</strong> genauso<br />

das Verhältnis zweier<br />

Eltern zu ihrem<br />

Kind, die Ausweichbeziehung<br />

Mann<br />

— Frau — Tier, die<br />

Abrechnung einer<br />

Frau mit <strong>de</strong>n Män- Vera Tersteegen© Anna Kerekes 2008<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 21


nern wie auch ungewöhnliche Konstellationen, beispielsweise zwei Menschen vor<br />

einer Wand in <strong>de</strong>n Blick genommen.<br />

Thematisiert wur<strong>de</strong>n diese Konstellationen in Texten <strong>de</strong>r Literatur, angefangen<br />

von Goethes Faust (natürlich, Mainz liegt in Deutschland) bis zu mo<strong>de</strong>rnen Autoren.<br />

Die Texte wur<strong>de</strong>n aber nicht einfach zur wi<strong>de</strong>rspruchslosen Rezeption angeboten<br />

– mit <strong>de</strong>m Medium Schrift und <strong>de</strong>m Träger Buch wur<strong>de</strong> selbst gearbeitet. Bücher<br />

dienten nicht nur als Textquelle, son<strong>de</strong>rn auch als Sitzmöbel. Bücher wur<strong>de</strong>n zerrissen,<br />

Blätter wur<strong>de</strong>n geworfen, <strong>de</strong>r Text selbst zum Spielmittel gemacht, bis hin zur<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Lesungssituation, wenn ein Text nur noch von <strong>de</strong>r Kassette abgespult<br />

wird.<br />

War die, ja was, Lesung? Performance? Was auch immer, war sie erfolgreich?<br />

Die Avantgar<strong>de</strong> ernährt sich mühsam – <strong>de</strong>m Neuen sind oft schon zwanzig Zuschauer<br />

eine Befriedigung.<br />

Nächste Schritte<br />

Ihre gegenwärtige Hospitation als Dramaturgin am Wiesba<strong>de</strong>ner Staatstheater hat<br />

Frie<strong>de</strong>rike Bülig vielleicht eher ein wenig auf Distanz zur Theaterarbeit gebracht. Ist<br />

sie jetzt auch Teil eines Apparats? Eine Art Backoffice für Intendanten<br />

und Regisseure?. spielt in einem großen Haus die Eitelkeit auf<br />

einer ganz an<strong>de</strong>ren Ebene eine Rolle, als nur <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r harmlosen<br />

Pfauenhaftigkeit, die vielleicht je<strong>de</strong>m Schauspieler zu eigen sein<br />

muß?<br />

Das mag <strong>de</strong>r Grund sein, warum sie im Moment von Theaterprojekten<br />

erst einmal Abstand nimmt. Es zieht sie im Augenblick mehr<br />

zu Vi<strong>de</strong>oprojekten und zur Filmarbeit. In Planung ist eine Aufarbeitung <strong>de</strong>r Orchi<strong>de</strong>enfrau<br />

von Jonas Etten.<br />

© Alex <strong>2009</strong><br />

Auf je<strong>de</strong>n Fall wünscht eXperimenta Frie<strong>de</strong>rike Bülig genauso wie Vera Tersteegen<br />

weiter viel Erfolg. Wir sind gespannt, wo wir ihnen wie<strong>de</strong>rbegegnen.<br />

Toni Reitz<br />

Frie<strong>de</strong>rike Bülig wur<strong>de</strong> 1984 in Leipzig<br />

geboren. Studium <strong>de</strong>r Literaturwissenschaft<br />

seit 2003 in Leipzig, seit<br />

2004 in Mainz. Zur Zeit Hospitantin<br />

in <strong>de</strong>r Dramaturgie am Staatstheater<br />

Wiesba<strong>de</strong>n.<br />

Vera Tersteegen, Jahrgang 1984.<br />

Studium <strong>de</strong>r Geschichte und <strong>de</strong>r<br />

Literaturwissenschaft. Erste Theatererfahrungen<br />

bei <strong>de</strong>r JungenBühneBonn.<br />

Zur Zeit Pressereferentin <strong>de</strong>s Mainzer<br />

AStA.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 22


Gestaltung heißt zweckgebun<strong>de</strong>ne Form<br />

Der typographische Kalen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Mainzer Instituts für Buchwissenschaft<br />

„So etwas kommt in unseren Veranstaltungen nicht vor!“ Entschie<strong>de</strong>n weist<br />

<strong>de</strong>r Zeigefinger von Albert Ernst vom Caféhaustisch in die Höhe. Gera<strong>de</strong><br />

war noch alles friedlich. Es dauert, bis das Ziel ausgemacht ist. Eine<br />

Werbefahne eines Gerüstbauers, an <strong>de</strong>r die Buchstaben von oben nach<br />

unten laufen.<br />

Die Lektion ist klar. Typographische Gestaltung ist keine Frage modischer<br />

Beliebigkeit, und schon mit billiger Schlu<strong>de</strong>rei zu lösen. Bei aller<br />

künstlerischen Freiheit gelten immer noch die Grundbegriffe gut gelöst<br />

und gescheitert.<br />

Das Institut<br />

Das Institut für Buchwissenschaft <strong>de</strong>r Universität Mainz stellt sich die Aufgabe,<br />

seinen etwa 700 Stu<strong>de</strong>nten alles um das Buch beizubringen. Nicht nur<br />

<strong>de</strong>n wissenschaftlichen Blick auf die Geschichte <strong>de</strong>s Buchs, son<strong>de</strong>rn auch<br />

alle praktischen Aspekte wie die Beziehungen zwischen Form und Inhalt,<br />

die Herstellung, die Gestaltung, <strong>de</strong>n Verkauf und alle kaufmännischen Gesichtspunkte,<br />

die sich aus <strong>de</strong>m Geschäft <strong>de</strong>s Verlegens von Büchern ergeben.<br />

Dabei muß sich das Institut heute einer Erweiterung <strong>de</strong>s Horizonts stellen, die<br />

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gern.hierunddawir<strong>de</strong>inautoumgeworfen.angsttra<br />

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© Katharina Liehr <strong>2009</strong><br />

durch das unweigerliche Vorhan<strong>de</strong>nsein <strong>de</strong>r<br />

neuen Medien und <strong>de</strong>r nicht rückholbaren<br />

Digitalisierung erzwungen wird. Gleichzeitig<br />

erzwingt <strong>de</strong>r Bolognaprozeß durch seine Einführung<br />

<strong>de</strong>r Kompaktstudiengänge Bachelor und<br />

Master eine intensive Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und<br />

Neuorientierung.<br />

Das Mainzer Institut stellt sich dieser Aufgabe<br />

aktiv. Die theoretische Analyse und die<br />

Vermittlung im Tun ergänzen sich gleichberechtigt.<br />

Neben historischen Hochdruckmaschinen<br />

und <strong>de</strong>n Dinosaurierern <strong>de</strong>s Photosatzes fin<strong>de</strong>n<br />

die Stu<strong>de</strong>nten mo<strong>de</strong>rne pC‘S, um das Umgehen<br />

mit <strong>de</strong>n dtp-Programmen zu üben, die heute <strong>de</strong>n<br />

Branchenstandard darstellen.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 23<br />

© Toni Reitz <strong>2009</strong>


G<br />

E<br />

D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r<br />

I<br />

S<br />

T<br />

d e r Ve r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r V e r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r Ve r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e<br />

n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r Ve r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r Ve r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s<br />

t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r Ve r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r Ve r s t a n d w e b t . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e s t a m m e n u n d d e s s e n M u s t e r d e r V e r s t a n d w e b t . D e r Ge i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e n E r f a h r u n g e n d e r S i n n e st a m m e n u n d d e<br />

b e . D e r G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e , d e s s e n F a r b e n a u s d e<br />

s s e n M u s t e r d e r Ve r s t a n d w e b t . G e i s t i s t e i n r e i c h v e r s c h l u n g e n e s G e w e b e. C a r s o n M c C u l l e r s : S p i e g e l b i l d i m g o l d n e n A u g e . J u n i . 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 19 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 30<br />

Gestaltung zwischen Kunst<br />

und Nutzung<br />

Einer <strong>de</strong>r Schwerpunkte <strong>de</strong>r<br />

Lehre ist dabei die typographische<br />

Gestaltung von Büchern<br />

und Druckschriften. Gestaltung<br />

ist nicht einfach freie Kunst,<br />

son<strong>de</strong>rn ist zweckgebun<strong>de</strong>n,<br />

sie ist die Fähigkeit, eine <strong>de</strong>m<br />

Inhalt und seiner Vermittlung<br />

angemessene Form zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Solche Gestaltung kann<br />

leicht mißlingen. Der Rand zu<br />

schmal, die Zeilen zu sehr aneinan<strong>de</strong>rgepackt,<br />

eine dichte<br />

schwarze Fläche aus Buchstaben<br />

statt lesbarer Wortbil<strong>de</strong>r,<br />

und schon macht das Lesen<br />

keinen Spaß. Die Ursache<br />

für die Unlust dringt dabei<br />

<strong>de</strong>m Leser nicht unbedingt ins<br />

Bewußtsein. Er legt das Buch einfach zur Seite, und <strong>de</strong>r Inhalt hat keine Möglichkeit<br />

mehr, zu wirken.<br />

Gera<strong>de</strong> die mo<strong>de</strong>rnen, für fast je<strong>de</strong>n käuflichen Gestaltungsprogramme lassen<br />

<strong>de</strong>n Anwen<strong>de</strong>r oft alleine. Beigebracht wird vielleicht noch die Funktion <strong>de</strong>r Menüs<br />

– aber wann das erzeugte Druckwerk gut ist, und wann nicht, bleibt im Dunkeln.<br />

Allerdings sieht Albert Ernst, <strong>de</strong>r im Institut für Buchwissenschaft die typographische<br />

Ausbildung verantwortet, in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Technik mehr Möglichkeiten<br />

als Risiken. In <strong>de</strong>n letzten Jahren erkennt er bei vielen Verlagen ein viel stärkeres<br />

Bemühen, schöne und ganzheitlich gute Bücher zu produzieren. Es ist zwar je<strong>de</strong>m<br />

möglich, mit <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Technik schlechte Gestaltung zu produzieren, es ist aber<br />

auch nicht mehr teuer, ein Buch gut zu gestalten.<br />

Manches ist dabei bei aller Erneuerung aber auch Mo<strong>de</strong>. Heute wer<strong>de</strong>n je<strong>de</strong><br />

Woche neue Schriften auf <strong>de</strong>n Markt geworfen, die aber nicht unbedingt alle Kriterien<br />

für eine gute Typographie erfüllen. Viele Gestalter kehren <strong>de</strong>shalb schnell zu<br />

einem Kanon einiger bewährter Schriften zurück: eine Univers, eine Futura vielleicht,<br />

und für <strong>de</strong>n Mengentext geht man mit <strong>de</strong>r Wahl eines Klassikers wie <strong>de</strong>r Garamond<br />

niemals fehl.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 24<br />

©Julia Baum <strong>2009</strong>


Das Projekt Typographischer Kalen<strong>de</strong>r<br />

Zur praktischen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Gestaltungsfragen bietet Ernst in je<strong>de</strong>m Semester<br />

ein praktisches Übungsprojekt an: im Wintersemester 2008/<strong>2009</strong> war die<br />

Aufgabe, einen typographischen Kalen<strong>de</strong>r zu erstellen. Je<strong>de</strong>s Blatt sollte beson<strong>de</strong>rs<br />

gestaltet sein, um einen kurzen o<strong>de</strong>r langen Text in seiner eigenen Art und Weise<br />

darzustellen und zu einem Monat in Beziehung zu bringen. Die Spanne reichte<br />

dabei von kurzen Zitaten aus wenigen Worten bis zur ganzen Hamletmaschine von<br />

Heiner Müller.<br />

Das Ziel solcher Übungen geht über die Grundlagen <strong>de</strong>r allgemeinen Typographie<br />

hinaus. Das Basiswissen muß bereits sicher sitzen – wann ein Gedankenstrich<br />

verwen<strong>de</strong>t wird, und wann nicht, wie Anführungszeichen richtig sind, wie Rand und<br />

Schwärze eingesetzt wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r freien Übung geht es dann um die Anwendung<br />

<strong>de</strong>s Gelernten, um die Sicherheit<br />

im Gebrauch <strong>de</strong>r Instrumente,<br />

und vor allem in <strong>de</strong>r Schärfung<br />

<strong>de</strong>s Urteils, wie Gestaltung<br />

wirkt, gera<strong>de</strong> da diese Wirkung<br />

oft unterschwellig bleibt.<br />

Rein durch theoretische<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung gelingt<br />

das nicht. Formgefühl ist <strong>de</strong>m<br />

Sprachgefühl ähnlich. Manche<br />

Grundlagen können gelernt<br />

wer<strong>de</strong>n, aber die eigentliche<br />

Sicherheit entsteht nur aus <strong>de</strong>r<br />

bewußten Erfahrung und ihrer<br />

Reflexion.<br />

Die kreative Leistung, die<br />

Arbeit am Konzept mußte je<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Teilnehmer selbst erbringen.<br />

In <strong>de</strong>r Projektgruppe wur<strong>de</strong><br />

dann <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>en<br />

immer wie<strong>de</strong>r diskutiert, immer<br />

wie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n Impulse für<br />

Verän<strong>de</strong>rungen und Verbesserungen<br />

gegeben. Bis schließlich<br />

nach drei Monaten die endgül-<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 25<br />

© Julian Jarosch <strong>2009</strong>


tige Form je<strong>de</strong>s Blatts erreicht war, und eine riesige pdF-Datei <strong>de</strong>n Weg in die Drukkerei<br />

nehmen konnte.<br />

Neben <strong>de</strong>m anfaßbaren Produkt haben solche Übungen das wichtige Ergebnis,<br />

daß die Stu<strong>de</strong>nten in die Lage kommen, sich mit Qualitätsfragen auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Ernst ist selbst oft erstaunt, wie gut die entstan<strong>de</strong>nen Arbeiten sind. Qualität<br />

wird auch auf <strong>de</strong>m Markt wie<strong>de</strong>r gefragt, und gera<strong>de</strong> die Allgegenwart <strong>de</strong>r Computer<br />

und die Verfügbarkeit leistungsfähiger Programme haben zu einer Spreizung<br />

<strong>de</strong>r Skala geführt. Nie gab es typographisch so schlechte Bücher wie heute, aber<br />

genauso sieht er heute so viele gut gestaltete und gut gesetzte Bücher wie noch nie.<br />

Für die Zukunft wünscht sich Ernst, daß im Studium <strong>de</strong>r Buchwissenschaft so viele<br />

Freiräume erhalten bleiben, daß die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Fach noch Spaß<br />

macht, und sich tatsächlich lehrreich entfaltet. Ein Studium sollte die Zeit lassen,<br />

wirklich zu studieren, und sich nicht nur auf reine Berufsausbildung beschränken,<br />

wie es sich mancher Effizienzprediger vielleicht erhofft.<br />

Toni Reitz<br />

Dieser Bericht beruht auf einem Gespräch mit Albert Ernst, Katharina Liehr und<br />

Juliane Striegel, das am 4. Juli <strong>2009</strong> in Mainz knapp unter besagtem Hotelschild<br />

geführt wur<strong>de</strong>.<br />

Der Kalen<strong>de</strong>r wird erhältlich sein im Gutenberg-Shop <strong>de</strong>s Gutenberg-Museums, Liebfrauenplatz<br />

5, 55116 Mainz, Telefon +49 (61 31) 22 71 20. Das Mainzer Institut<br />

für Buchwissenschaft verfügt außer<strong>de</strong>m über eine eigene Galerie, in <strong>de</strong>r regelmäßig<br />

Arbeiten aus <strong>de</strong>n Typographie-Übungen, aber auch aus Veranstaltungen zur Kalligraphie<br />

gezeigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Gesprächsteilnehmer<br />

Dr. Diplom-Designer Albert Ernst,<br />

Jahrgang 1958. Nach <strong>de</strong>m Design-<br />

Studium an <strong>de</strong>r Fachhochschule<br />

Wiesba<strong>de</strong>n ist er dort seit 20 Jahren<br />

als freiberuflicher Gestalter tätig. Seit<br />

7 Jahren arbeitet er als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Buchwissenschaft<br />

<strong>de</strong>r Universität Mainz.<br />

Von linkes: Julia Striegel,<br />

Albert Ernst & Katharina Liehr,<br />

Privatbild<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 26


Julia Striegel, geboren 1987 in<br />

Mainz. Stu<strong>de</strong>ntin im vierten Semester.<br />

Frau Striegel setzt sich stark mit<br />

Malerei auseinan<strong>de</strong>r, sieht Bücher vor<br />

allem als Kunst. Ihr Interesse liegt vor<br />

allem im Buch als gestaltetem Gegenstand,<br />

sowohl in <strong>de</strong>r Geschichte<br />

<strong>de</strong>r Druckwerke wie in <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r<br />

Gegenwart.<br />

Frau Striegel arbeitet zur Zeit im<br />

Nachfolgeprojekt zum typographischen<br />

Kalen<strong>de</strong>r, bei <strong>de</strong>m es allerdings<br />

um die Gestaltung kleinerer Dinge<br />

geht. Eine Serie von sieben Lesezeichen<br />

soll die ganze Entstehung eines<br />

Buchs beleuchten, vom Satz über<br />

Druck und Bindung bis zum Beschnitt<br />

<strong>de</strong>s fertigen Werks.<br />

© pukalski/sxc 2007<br />

Katharina Liehr, 1986 geboren,<br />

kommt aus Suhl in Thüringen. Sie hat<br />

sich <strong>de</strong>r Buchwissenschaft zugewandt,<br />

nach<strong>de</strong>m sie ein Semester Germanistik<br />

studiert hat. Ihr Interesse liegt in<br />

<strong>de</strong>r Wirkung <strong>de</strong>s Buchs auf die und in<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft. Dabei setzt sie sich<br />

stark mit <strong>de</strong>n historischen Konzepten<br />

auseinan<strong>de</strong>r, durch die Druckwerke<br />

aus kommerziellen Grün<strong>de</strong>n sehr früh<br />

in <strong>de</strong>n Rang von Marken erhoben<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Von ihr stammt die Gestaltung <strong>de</strong>r<br />

Hamletmaschine, <strong>de</strong>s Sturzbachmonologs<br />

<strong>de</strong>s Schauspielers am En<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />

keine Rolle mehr spielt. Ihre Gestaltung<br />

<strong>de</strong>s Blatts gibt vor allem <strong>de</strong>n Riß<br />

in <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>s Protagonisten<br />

wie<strong>de</strong>r.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Mainzer Experimente Seite 27


Die Kunst<br />

Markus Kaufmann: Gedichte<br />

Ich bin Opfer und Peiniger<br />

Meiner Selbst<br />

Meiner Nächsten<br />

Meiner Keiner<br />

—————<br />

will ausruhen<br />

nicht sterben<br />

nur ruhen<br />

aufatmen<br />

nicht ersticken<br />

nur atmen<br />

—————<br />

© felipedan <strong>2009</strong><br />

Der Autor<br />

Mein Name ist Markus Kaufmann und<br />

ich studiere momentan Architektur in<br />

Mainz. Die Lei<strong>de</strong>nschaft zum Schreiben<br />

und Dichten habe ich durch meinen<br />

Großvater und mein damaliges<br />

Philosophiestudium vertieft.<br />

Die Tage sind kurz gewor<strong>de</strong>n<br />

Keine Zeit, um auszuruhen<br />

Die wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n Plagen<br />

Verschlingen uns restlos<br />

Verloren in Eile<br />

Gehetzt von ständiger Ungewissheit<br />

Unerkannte Schönheit<br />

Zieht an uns vorbei<br />

Keine Ahnung von <strong>de</strong>ren Wert<br />

Verblen<strong>de</strong>t und eingenommen<br />

Von alltäglichen Nichtigkeiten<br />

Treiben wir ziellos umher<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 28<br />

Privatbild<br />

Lyrik


Jockel Kroecker: FLUXUSBUSCHdada<br />

Wenn du irgendwo am Straßenrand<br />

ein kleines,grünes Pflänzchen siehst…….<br />

Reissssssssss essssssssssssss rrrraussssssssssssssss<br />

Denn…………..…....Es könnte ein Busch wer<strong>de</strong>n<br />

BUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU<br />

Buschdada buschdada buschdada dadadadadadada<br />

Bububububububububu dadadadadadadadadadada<br />

Buschdada buschdada buschdada<br />

Dadabusch dadabusch dadabusch<br />

Buschdada buschdada buschdada<br />

Daaa daaa daaa da da da dadadadadadadadadada<br />

Derrr- <strong>de</strong>rr busch <strong>de</strong>rr da ist-<strong>de</strong>rr busch <strong>de</strong>rr da ist<br />

Weck damit - weck damit - weck weck --- weck<br />

Buschdadaweck- buschdadaweck- buschdadaweck<br />

Dadada-dadada-dadada-dadada-da - da- dadaweck<br />

Weckdada –weckdada – weckdada<br />

Mach <strong>de</strong>n Busch weckdada- weckdada-weck- weck<br />

BUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU U<br />

© nineinchnailbunny/sxc 2006—<strong>2009</strong><br />

Der Autor<br />

Jockel Kroecker, geboren<br />

am 31. 5. 1943<br />

in Ankara. Dipl.-Ing.<br />

Architekt. Letzte Veröffentlichung<br />

in eXperimenta<br />

<strong>2009</strong>/04<br />

Entstan<strong>de</strong>n am<br />

18. 11. 2006<br />

während <strong>de</strong>r<br />

Nachrichten<br />

in <strong>de</strong>r Ard um<br />

18.00 Uhr…<br />

Jockel K.<br />

40 Jahre<br />

40 Monate<br />

40 Wochen<br />

40 Tage<br />

40 Stun<strong>de</strong>n..<br />

22.40 Uhr<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 29<br />

Privatbild


Stephan Klein: Stückzahlen<br />

Walter Dachsler machte sich Sorgen.<br />

Das Jahr war nicht zufrie<strong>de</strong>nstellend<br />

verlaufen. Bis zuletzt versuchte er, seine<br />

Quote zu erreichen, ohne Erfolg. Es<br />

war ein Fehler, sich an Silvester freizunehmen,<br />

aber er hatte <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn<br />

ein Versprechen gegeben. Walter<br />

lag im Bett, verschränkte die Hän<strong>de</strong><br />

hinter <strong>de</strong>m Kopf und überlegte, wie er<br />

die Zahlen verbessern konnte. Seine<br />

Frau Gudrun drehte und streckte sich.<br />

Walter liebte ihren Anblick am Morgen,<br />

wenn sie noch nicht richtig wach war.<br />

Er sah auf <strong>de</strong>n Wecker. Halb neun.<br />

Er stand auf und sah durchs Fenster.<br />

Frischer Pulverschnee be<strong>de</strong>ckte <strong>de</strong>n<br />

Garten. Dort stan<strong>de</strong>n eine Hänge-<br />

Der Autor<br />

schaukel, eine Wippe und eine Rutschbahn. Alles hatte er selbst gebaut. Er stellte<br />

sich vor, wie er <strong>de</strong>n Garten im Frühjahr anpflanzen wür<strong>de</strong>. Er sah Gemüse- und<br />

Blumenbeete, die sich abwechselten und von Grün über Gelb zu Rot übergingen,<br />

wie ein Regenbogen.<br />

Im neuen Jahr wür<strong>de</strong> man ihn fragen, wieso er mit seinen Stückzahlen hinterherhinkte.<br />

Nieman<strong>de</strong>n interessierte, dass kein Material zur Verfügung stand, dass die<br />

Zulieferfirma mit <strong>de</strong>r hohen Nachfrage nicht klarkam.<br />

Er hörte Kin<strong>de</strong>rstimmen und das Knallen von Türen. Ilse streckte ihren Kopf durch<br />

die Tür und strahlte, als sie ihren Papa sah. „Fangen!“, rief sie und lief auf ihn zu.<br />

Walter breitete die Arme aus. Ilse sprang und krallte sich an seinem Hals fest. »Hab<br />

dich lieb«, nuschelte sie. Gera<strong>de</strong> mal drei, war sie Kin<strong>de</strong>rn ihres Alters weit voraus.<br />

Alfred sprang aufs Bett und hüpfte, als hätte er eine Fe<strong>de</strong>r eingebaut. „Aufstehn,<br />

aufstehn“, brüllte er. Gudrun legte sich ein Kissen auf <strong>de</strong>n Kopf. „Lasst mich noch<br />

ein bisschen schlafen. Bitte. Nur eine Viertelstun<strong>de</strong>.“<br />

„Aufstehn, aufstehn“, brüllte Alfred ungerührt. Er war zwei Jahre älter als Ilse.<br />

„Lass Mama noch ein wenig Zeit“, sagte Walter und winkte ihn aus <strong>de</strong>m Bett. Alfred<br />

trottete enttäuscht aus <strong>de</strong>m Schlafzimmer. „O Mann“, schimpfte er, „wer macht<br />

<strong>de</strong>nn jetzt Frühstück?“<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 30<br />

Privatbild<br />

Stephan Klein, Jahrgang 1960, ist<br />

Fremdsprachensekretär und Programmierer.<br />

Er schreibt seit zehn Jahren<br />

Kurzgeschichten und Essays. Seit<br />

April 2008 studiert er bei InkAS in Bad<br />

Kreuznach. Stephan Klein lebt mit seiner<br />

Frau in Eppelborn. Letzte Veröffentlichung<br />

in eXperimenta 12/2008.<br />

Prosa


Ilse weinte urplötzlich. Sie war mit<br />

Gudrun in <strong>de</strong>r Küche und „half“<br />

beim Kochen. Walter konnte nicht<br />

ertragen, wenn sie weinte. Er hörte<br />

Gudrun beruhigend auf sie einre<strong>de</strong>n,<br />

aber Ilse weinte nur noch<br />

stärker. Walter hielt es nicht mehr<br />

aus und lief in die Küche. „Gut,<br />

dass du da bist“, sagte Gudrun,<br />

„nimm sie mir bitte ab.“<br />

Walter hob Ilse in <strong>de</strong>n Arm, die<br />

prompt noch an Lautstärke zulegte.<br />

Er tätschelte ihr <strong>de</strong>n Kopf, tanzte<br />

einen unbekannten Tanz und sang<br />

„Heile, heile Gänschen“. Langsam<br />

beruhigte sie sich. Aus <strong>de</strong>r Küche<br />

hörte er ein Klappern. Ilse drückte<br />

sich von ihm weg. „Mama helfen“,<br />

sagte sie.<br />

© jagarts/sxc 2008<br />

Walter entschloss sich, am Neujahrstag<br />

zur Arbeit zu fahren. Es fehlte zwar an Material, aber es gab noch an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeiten. Früher, bevor <strong>de</strong>r Prozess verbessert wur<strong>de</strong>, ging es auch an<strong>de</strong>rs.<br />

Die Kin<strong>de</strong>r bewarfen sich im Garten mit Schneebällen. Gudrun saß neben ihm<br />

auf <strong>de</strong>r Bank hinter <strong>de</strong>m Haus. „Ich bin stolz auf dich“, sagte sie, ohne ihn anzusehen.<br />

„Das brauchst du nicht. Ich habe diese wun<strong>de</strong>rbaren Kin<strong>de</strong>r nicht zustan<strong>de</strong> gebracht.“<br />

„Aber du ermöglichst uns das hier alles.“<br />

Das stimmte. Er hatte sich hochgearbeitet. Es hatte lange gedauert, sich an die<br />

Arbeit zu gewöhnen. Nicht je<strong>de</strong>r war dafür geeignet.<br />

„Hör mal“, sagte er und neigte <strong>de</strong>n Kopf, „ich wer<strong>de</strong> morgen arbeiten.“<br />

Gudrun sah enttäuscht zu Bo<strong>de</strong>n. „Aber morgen ist Neujahr. Da wollten wir mit<br />

<strong>de</strong>n Kleinen was unternehmen.“<br />

„Ich weiß.“ Er umarmte sie. „Aber wenn ich zeige, dass ich mich reinhänge,<br />

sehen meine Vorgesetzten, dass die Verantwortung nicht bei mir liegt. Das verstehst<br />

du doch?“<br />

Sie nickte. „Geh nur. Es kommen an<strong>de</strong>re Tage, und wir haben ja noch heute.“<br />

Wie sehr er sie liebte!<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 31


Ein Schneeball lan<strong>de</strong>te auf Walters Jacke. Alfred hielt schon <strong>de</strong>n nächsten hoch.<br />

Walter sprang auf, formte rasch eigene Schneebälle und ließ sie wie Maschinengewehrfeuer<br />

auf Alfred nie<strong>de</strong>rprasseln. Dabei lachte er und fühlte sich selbst wie ein<br />

Kind.<br />

Am Neujahrstag stand Walter um fünf auf. Er wollte Gudrun und die Kin<strong>de</strong>r nicht<br />

wecken und zog seine Uniform behutsam an. Den Silvesterabend hatten sie in aller<br />

Stille verbracht. Die Kin<strong>de</strong>r verloren irgendwann <strong>de</strong>n Kampf mit <strong>de</strong>r Müdigkeit und<br />

schliefen kurz nach zehn ein. Gudrun und Walter stießen auf das neue Jahr an,<br />

dann legten sie sich schlafen.<br />

Walter schnallte sich <strong>de</strong>n Pistolengurt um und erstarrte, als die Waffe gegen <strong>de</strong>n<br />

Türrahmen stieß. Alles blieb ruhig. Erst an <strong>de</strong>r Haustür zog er sich die Stiefel an. Er<br />

legte einen Zettel auf <strong>de</strong>n Gar<strong>de</strong>robenschrank: „Freue mich auf heute Abend. Ich<br />

liebe dich.“ Er zog die Haustür geräuschlos hinter sich zu, stieg in <strong>de</strong>n Wagen und<br />

fuhr davon.<br />

Vor einem schmie<strong>de</strong>eisernen Tor hielt er an. Eine Wache schaute durch das Fenster<br />

und nickte. Das Tor öffnete sich.<br />

Es war <strong>de</strong>r erste Januar neunzehnhun<strong>de</strong>rtvierundvierzig. Die Gitterstäbe <strong>de</strong>s<br />

Tores bil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n Schriftzug Arbeit macht frei.<br />

© Kerbi/sxc 2008<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 32


Dorothea Tieck: Vergleich ich Dich<br />

<strong>de</strong>m Tag im hol<strong>de</strong>n Lenze?<br />

Vergleich ich Dich <strong>de</strong>m Tag im hol<strong>de</strong>n Lenze?<br />

Du bist weit süßer, bist Dir immer gleich:<br />

Der Sturm zerreißt <strong>de</strong>s Maien Blüten-Kränze,<br />

Und kurze Zeit nur steht <strong>de</strong>s Frühlings Reich.<br />

Bald scheint zu heiß herab <strong>de</strong>s Himmels Licht,<br />

Bald hüllt in Wolken sich die goldne Spur.<br />

Kein Schönes, <strong>de</strong>m nicht Schönheit oft gebricht,<br />

Des Schmucks beraubt durch Zufall und Natur.<br />

Jedoch Dein ew‘ger Lenz soll nie verblühn;<br />

Nichts diese Zier<strong>de</strong>, die Dir eigen, kränken;<br />

Der Tod nie prahlend in sein Reich dich ziehn,<br />

Da ew‘ge Zeilen ew‘ge Dauer schenken.<br />

So lang, als Augen sehn und Menschen leben,<br />

Lebt dies, um ew‘ge Jugend Dir zu geben.<br />

© won<strong>de</strong>rland/sxc 2008<br />

Die Autorin<br />

.Dorothea Tieck, geboren<br />

1799 in Berlin; gestorben<br />

1841 in Dres<strong>de</strong>n. Sie war<br />

eine <strong>de</strong>utsche Übersetzerin.<br />

Zusammen mit ihrem Vater<br />

Ludwig Tieck und Wolf Heinrich<br />

Graf von Baudissin fertigte<br />

sie zahlreiche Übersetzungen<br />

von Werken William<br />

Shakespeares an. Die Übersetzung<br />

<strong>de</strong>r Shakespeare-<br />

Sonette, die in Wahrheit<br />

von seiner Tochter Dorothea<br />

stammten, hatte Ludwig Tieck<br />

als die „Arbeit eines jüngeren<br />

Freun<strong>de</strong>s“ ausgegeben.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 33<br />

gemeinfrei<br />

Der Klassiker


Lyrik nervt<br />

Von Marlene Schulz<br />

Sie wollen Ihre Lust an Lyrik wecken o<strong>de</strong>r sie gar ent<strong>de</strong>cken? Hans Magnus Enzensberger<br />

alias Andreas Thalmayr hilft Ihnen mit Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestreßte<br />

Leser.<br />

Das Schöne an Erster Hilfe ist, dass sie in <strong>de</strong>r Theorie immer wie<strong>de</strong>r aufgefrischt<br />

wer<strong>de</strong>n darf, damit sie im Ernstfall hilfreich ist. Um es gleich vorwegzunehmen, das<br />

Buch ist Einladung und Mutmacher zugleich. Es macht Mut, sich an Lyrik zu wagen,<br />

lesend wie schreibend, stellt Fragen und gibt Antworten: Woher wissen wir eigentlich,<br />

ob ein Text ein Gedicht ist? Wozu das ganze Reimen? Ist Lyrik Glückssache?<br />

Was versteht man darunter, dass man ein Gedicht versteht? Wer spricht da eigentlich<br />

zu uns, wenn wir ein Gedicht lesen?<br />

Dass <strong>de</strong>r Autor sauer ist auf die Institution Schule, ist keine Überraschung. Wo<br />

sonst sollten so viele Menschen <strong>de</strong>n Reiz an <strong>de</strong>r Lyrik verloren o<strong>de</strong>r erst gar nicht<br />

gefun<strong>de</strong>n haben.<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lesens steht fest, dass Lyrik nicht nervt, son<strong>de</strong>rn Vergnügen bereitet,<br />

auch wenn<br />

schnell klar<br />

wird, dass sie<br />

kein Kin<strong>de</strong>rspiel<br />

darstellt und ihr<br />

ein respektvoller<br />

Umgang zu<br />

zollen ist.<br />

Gleichmäßig<br />

verteilt tauchen<br />

sie auf, die wun<strong>de</strong>rbarklingen<strong>de</strong>n<br />

griechischen<br />

Begriffe wie<br />

Jambus, Trochäus,<br />

Daktylus,<br />

Anapäst und so<br />

viele mehr, dass<br />

einem beinahe<br />

schwindlig<br />

wird. Prima, sie<br />

einmal gehört zu<br />

© barky/sxc 2008<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 34<br />

Rezension & Kritik


haben und die Empfehlung <strong>de</strong>s Autors mit: Gleich wie<strong>de</strong>r vergessen und statt<strong>de</strong>ssen<br />

mit Fingerspitzen ein bisschen auf die Tischplatte trommeln. Da geht das mit <strong>de</strong>m<br />

Heben und Senken schon beinahe von selbst.<br />

Die Sprache <strong>de</strong>s Werkes ist frisch, jugendlich, leicht verständlich und auch für<br />

ein junges Publikum geeignet, als wolle Andreas Thalmayr zeigen, wie ein wirklich<br />

interessantes Schulbuch gemacht wird. Warum nicht. So ist es auch nicht verwun<strong>de</strong>rlich,<br />

wenn ab und an ein grauer Kasten auftaucht in <strong>de</strong>m die wesentlichen<br />

Fachbegriffe - längst nicht alle, die genannt wer<strong>de</strong>n - noch einmal auf einen Blick<br />

aufgeführt sind. Immer wie<strong>de</strong>r wird Bezug zur Musik genommen, auch zur mo<strong>de</strong>rnen<br />

von heute.<br />

Dem Autor ist offensichtlich bewusst, dass ein Thema dann verstan<strong>de</strong>n wird,<br />

wenn es etwas mit einem selbst zu tun hat, mit <strong>de</strong>m eigenen Lebensfluss. Die Aufgabe,<br />

Brücken zu bauen und sie begehbar zu machen, hat er nicht nur angenommen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch gut gelöst.<br />

Dass er selbst Spaß an <strong>de</strong>r Lyrik hat, daraus macht er keinen Hehl. Nett sind<br />

gelegentliche Blicke ins Ausland, um zu schauen, wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn gedichtet<br />

wird o<strong>de</strong>r Warnungen wie beim Schüttelreim: kann süchtig machen.<br />

Manche Gedichte sind wie Zwiebeln, nach innen hin wer<strong>de</strong>n sie immer aromatischer,<br />

je<strong>de</strong> Schicht hat ihre Eigenart. Wer da nicht auf <strong>de</strong>n Geschmack kommt.<br />

Das Buch weckt Freu<strong>de</strong> daran, ein Gedicht mit richtiger Betonung laut nachzusprechen.<br />

Gut geeignet für jene, die schon immer einmal wissen wollten, wie es<br />

richtig geht aber nie zu fragen wagten. Wen auch?<br />

Andreas Thalmayr rät dringend an, <strong>de</strong>n Ball flach zu halten, vor allem, wenn es<br />

um die Interpretation von Lyrik geht. Lasst Lyrik Musik in unseren Ohren sein, „bei<br />

einer Klaviersonate fragt auch keiner, was sie be<strong>de</strong>utet.“ Nicht immer muss etwas<br />

zwischen <strong>de</strong>n Zeilen stehen, obgleich es sich lohnt, ruhig noch einmal nachzulesen.<br />

Was fehlt, wenn schon die Fachterminologie bemüht wird, ist <strong>de</strong>r Begriff Cut-Up,<br />

<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Erwähnung <strong>de</strong>r Dadaisten und <strong>de</strong>n Hinweis auf Filmkunst und Schnitttechnik<br />

hervorragend gepasst hätte. Doch das lässt sich noch verschmerzen. Schwer<br />

fällt es bei <strong>de</strong>n Minimalisten. Da Robert Lax, einen <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten minimalistischen<br />

Dichter <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, nicht zu nennen, ist nahezu sträflich.<br />

Davon abgesehen, Lyrik nervt! ist ein lohnenswertes Buch für alle, die es mit ihr<br />

aufnehmen wollen.<br />

Bibliographie:<br />

Andreas Thalmayr: Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestreßte Leser. München (dtv) 2008.<br />

ISBn 978-3-423-62356-8. Broschierte Ausgabe. 119 Seiten. 7,95 €.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Kunst Seite 35


Die Gesellschaft &<br />

die Literatur<br />

Die Gefahr von Rechts<br />

Von Solange-Isabell Dombach<br />

Eigentlich möchte man meinen, dass die<br />

Gefahr von rechts allgemein bekannt und<br />

somit zu verhin<strong>de</strong>rn sein sollte, doch wie<br />

die aktuellen Geschehnisse beweisen, ist<br />

<strong>de</strong>m nicht so. Ein gefährlicher Wan<strong>de</strong>l hat<br />

sich im rechten Lager vollzogen und die<br />

Gesellschaft scheint einfach wegzusehen.<br />

Alleine in <strong>de</strong>n Jahren zwischen 1990 und<br />

2007 kam es in Deutschland zu min<strong>de</strong>stens<br />

40 To<strong>de</strong>sopfern durch Delikte mit<br />

rechtsextremem Hintergrund. Alleine 2008<br />

soll es Berichten zufolge drei To<strong>de</strong>sopfer<br />

gegeben haben. Wie kann dies in einem<br />

über seine Vergangenheit angeblich<br />

aufgeklärten<br />

Deutschland<br />

möglich sein,<br />

fragt man sich<br />

© Mroophka/<strong>de</strong>viantart 2008<br />

Der Zugang zum Schreiben kann von<br />

zwei Seiten gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n: vom<br />

Sinn und von <strong>de</strong>r Form.<br />

Mancher, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Kreativen<br />

Schreiben kommt, arbeitet lange an<br />

<strong>de</strong>r Form, doch bleibt mit seinem Thema<br />

letztlich im Privaten. Der Text wird<br />

vielleicht schön, aber nicht mitteilenswert.<br />

An<strong>de</strong>re kommen vom Sinn – von<br />

<strong>de</strong>r Aussage zu einem Thema. Die,<br />

bei <strong>de</strong>nen die Aussage von gerechtem<br />

Zorn bestimmt wird, gehören<br />

nicht zu <strong>de</strong>n Schlechtesten.<br />

Aus diesem Grund geben wir nebenstehend<br />

Solange-Isabell Dombach<br />

Platz. Wir wünschen Ihr, daß Sie ihren<br />

Zorn und ihr Engagement behält,<br />

und zur Form noch fin<strong>de</strong>t.<br />

Toni Reitz<br />

da. Wie nicht an<strong>de</strong>rs zu erwarten, durch Wegschauen.<br />

Bekannt gewor<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>m Namen Autonome Nationalisten<br />

formierte sich in Berlin vor wenigen Jahren<br />

eine rechtsextreme Jugendorganisation, welche sich <strong>de</strong>r<br />

Symbole <strong>de</strong>r Autonomen bedient, wie schwarze Kleidung,<br />

Palitücher, politische Buttons, <strong>de</strong>ren Gewohnheiten beispielsweise<br />

Hausbesetzungen kopiert, und sich die Texte<br />

linker Musikgruppen aneignet, so wie die von Ton Steine<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 36<br />

Reflexionen


Scherben und ihres Frontmanns Rio Reiser. Die Autonomen Nationalisten gehören<br />

zum npd-Lager, verhalten sich sehr aggressiv und dichten linke Slogans, wie Good<br />

Night – White Pri<strong>de</strong> in Good Night - Left Si<strong>de</strong> und an<strong>de</strong>re rechte Hetzparolen um.<br />

Warum genau sie so gefährlich sind? Zum einen, weil sie optisch nicht mehr von<br />

Gegen<strong>de</strong>monstranten wie <strong>de</strong>r Antifa o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren linken Gruppierungen zu unterschei<strong>de</strong>n<br />

sind und es <strong>de</strong>r Polizei somit im Ernstfall schwer fällt zu erkennen, mit <strong>de</strong>m<br />

sie es eigentlich zu tun hat. Und zum an<strong>de</strong>ren auf Grund <strong>de</strong>s hohen Aggressionspotenzials,<br />

das von dieser Gruppierung ausgeht. Sie wollen sich optischen im rechten<br />

Lager abheben, als Schwarzer Block in <strong>de</strong>n ersten Reihen <strong>de</strong>r npd-Märsche laufen<br />

und sich als neue Generation <strong>de</strong>r Rechten verstan<strong>de</strong>n wissen.<br />

Doch diese Min<strong>de</strong>rheit im rechtsextremen Lager ist es nicht unbedingt das, was<br />

uns Sorgen machen sollte. Schlimmer sind die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r npd, in Deutschland<br />

auf Wähler- und Stimmenfang zu gehen. Die in letzter Zeit scheinbar vermehrt auftreten<strong>de</strong>n<br />

Fälle von Kin<strong>de</strong>smisshandlungen und Kin<strong>de</strong>sentführungen, in Wirklichkeit<br />

sind die Zahlen <strong>de</strong>rzeit rückläufig, nutzen die Rechten um ihren Slogan To<strong>de</strong>sstrafe<br />

für Kin<strong>de</strong>rschän<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Wähler zu bringen. Wenn man sich aber überlegt, dass<br />

in <strong>de</strong>n letzten Jahren vermehrt kin<strong>de</strong>rpornografisches Material auf npd-Rechnern<br />

gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, so stellt man sich doch die Frage nach <strong>de</strong>r Legitimation für solche<br />

Slogans. Ist es also nicht schändlich an <strong>de</strong>r<br />

sexuellen Ausbeutung von Kin<strong>de</strong>rn mitzuwirken,<br />

dafür aber sich an Kin<strong>de</strong>rn zu vergreifen?<br />

Und <strong>de</strong>r Wahnsinn ist, dass es zu funktionieren<br />

scheint. Mit 9,2 % zog die npd<br />

in <strong>de</strong>n sächsischen Landtag ein und setzt<br />

im Superwahljahr <strong>2009</strong> auf die Folgen<br />

© Jyulin O/<strong>de</strong>viantart 2008—<strong>2009</strong><br />

<strong>de</strong>r Wirtschaftskrise. Natürlich darf man<br />

nicht erwarten, dass es die npd in <strong>de</strong>n<br />

Bun<strong>de</strong>stag schafft, doch <strong>de</strong>r Einzug einer<br />

offensichtlich verfassungsfeindlichen Partei<br />

in einen Landtag ist schon äußerst erschrekkend.<br />

Nun möchte man natürlich sofort mit<br />

<strong>de</strong>m Finger auf Die Linke zeigen und erklären,<br />

dass jene ja auch vom Verfassungsschutz<br />

überwacht wird. Doch seien wir mal ehrlich, eine Partei, die ihre Fraktionssitzungen<br />

als Einzige öffentlich zugänglich macht, versucht wohl kaum die nächste<br />

Weltrevolution, einen erneuten Klassenkampf o<strong>de</strong>r eine Diktatur <strong>de</strong>s Proletariats<br />

anzuzetteln. Gera<strong>de</strong>zu lächerlich sind diese Überlegungen.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 37


Als Populisten und Träumer wer<strong>de</strong>n die Mitglie<strong>de</strong>r bezeichnet, welche im<br />

schlimmsten Fall auch noch in <strong>de</strong>r Sed waren und angeblich das ddr-System wie<strong>de</strong>r<br />

aufziehen wollen. Das dagegen die CdU zu Grün<strong>de</strong>rzeiten, um 1945, Anhänger<br />

extrem rechtsorientierter Gruppen zu einer interkonfessionellen Mitte-Rechts-Partei<br />

zusammenschloss, darüber wird fast nie ein<br />

Wort verloren. Gerne beschuldigen Personen<br />

wie <strong>de</strong>r hessische CdU-Fraktionsvorsitzen<strong>de</strong><br />

Christean Wagner Die Linke, gegen die<br />

Demokratie und die Menschenrechte zu sein,<br />

<strong>de</strong>n Rechtsstaat untergraben zu wollen und<br />

ähnliches. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite jedoch<br />

for<strong>de</strong>rn sie die sofortige Abschiebung von<br />

Auslän<strong>de</strong>rn, sollten sie <strong>de</strong>n Wortlaut Scheiß-<br />

© Non-Entity 9/<strong>de</strong>viantart 2007—<strong>2009</strong><br />

Deutscher verwen<strong>de</strong>n. Noch interessanter<br />

jedoch ist die For<strong>de</strong>rung von elektronischen<br />

Fußfesseln für kriminelle Langzeitarbeitslose.<br />

Wo in diesen Fällen die Menschenrechte und<br />

vor allem die Menschenwür<strong>de</strong> bleibt, kann<br />

man sich ja dann vorstellen.<br />

Doch die eigentliche Frage, die sich stellt,<br />

ist doch jene; was falsch daran sein soll,<br />

wenn man an Frie<strong>de</strong>n, Fairness, Gerechtigkeit,<br />

Gleichheit und Solidarität glaubt! Wenn man sich nicht damit abfin<strong>de</strong>n möchte,<br />

dass wenige viel und viele wenig haben! Wenn man sich nicht damit abfin<strong>de</strong>n<br />

möchte, dass Reiche für ihre Verbrechen weniger bestraft wer<strong>de</strong>n, als jene die arm<br />

sind, bestes Beispiel Steuerhinterziehung. Wenn man seinen Kin<strong>de</strong>rn eine bessere,<br />

gesün<strong>de</strong>re und friedlichere Welt wünscht, als jene, in <strong>de</strong>r man selbst lebt! Wenn<br />

man an <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit in <strong>de</strong>r Welt etwas än<strong>de</strong>rn möchte, ohne sie stillschweigend<br />

hinzunehmen! Wenn man dagegen ist, dass Firmen sich auf Kosten von Menschen<br />

bereichern! Denn für all das steht links sein nun einmal. Und auch auf die<br />

Gefahr hin, dass man für eine solche Einstellung als Träumer und I<strong>de</strong>alist belächelt<br />

wird, so sollte man sich doch nicht von diesen Zielen abwen<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn es sind gute<br />

Ziele.<br />

„Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt. Der Arbeiter<br />

heißt Arbeiter, weil er arbeitet. Wür<strong>de</strong>n die Arbeiter etwas unternehmen, müssten<br />

die Unternehmer arbeiten!“ mit diesen Worten hat die Gruppe Floh <strong>de</strong> Cologne die<br />

Probleme <strong>de</strong>r kapitalistischen Gesellschaft auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht und auch gleich<br />

gezeigt, wie man sie beheben kann. Die Arbeiter müssen etwas unternehmen, damit<br />

die Unternehmer auch einmal arbeiten. Damit am En<strong>de</strong> ein „Leben einzeln und<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 38


frei wie ein Baum und dabei Brü<strong>de</strong>rlich wie ein Wald“ möglich ist, wie es Hannes<br />

Wa<strong>de</strong>r schon besungen hat.<br />

Vielleicht passen als Fazit ein paar Zeilen von Konstantin Wecker:<br />

Die Autorin<br />

„Wenn sie jetzt, ganz unverhohlen, wie<strong>de</strong>r Nazi-Lie<strong>de</strong>r johlen,<br />

über Ju<strong>de</strong>n Witze machen, über Menschenrechte lachen,<br />

wenn sie dann in lauten Tönen saufend ihrer Dummheit frönen,<br />

<strong>de</strong>nn am Deutschen hinterm Tresen muß nun mal die Welt genesen,<br />

dann steh auf und misch dich ein:<br />

Sage nein!<br />

Und wenn sie in <strong>de</strong>iner Schule plötzlich lästern über Schwule,<br />

schwarze Kin<strong>de</strong>r spüren lassen wie sie andre Rassen hassen,<br />

Lehrer, anstatt auszusterben, Deutschland wie<strong>de</strong>r braun verfärben,<br />

hab‘ dann keine Angst zu schrein:<br />

Sage nein!“<br />

Privatbild<br />

Ich bin eine rotweinlieben<strong>de</strong>, bücherverschlingen<strong>de</strong>, musikverehren<strong>de</strong> und vor<br />

allen Dingen marxistisch gebil<strong>de</strong>te 20-jährige aus <strong>de</strong>m politisch tiefschwarzen<br />

Hessen. Derzeit lebe ich in Berlin, mache dort Wahlkampf für die Partei Die Linke<br />

und versuche die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Neben meiner<br />

Arbeit in <strong>de</strong>r Parteizentrale verbringe ich <strong>de</strong>n Großteil meiner Zeit mit <strong>de</strong>m Sammeln<br />

von Schallplatten, Büchern und guten Parties, sowie <strong>de</strong>r ständigen Diskussion<br />

über Gott und die Welt.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 39


© Lady Bozi 2006—<strong>2009</strong><br />

Erratum<br />

Beim Interview in <strong>de</strong>r vergangenen Ausgabe haben wir es lei<strong>de</strong>r unterlassen, unseren<br />

Gesprächspartner vorzustellen. Das möchten wir hiermit nachholen, und bitten<br />

herzlich um Entschuldigung.<br />

Christoforos „Rossi“ Mechanezidis lebt und arbeitet als freier Photograph in<br />

Gießen an <strong>de</strong>r Lahn. Einen Einblick in sein Schaffen und seine Projekte erhalten<br />

Sie unter Www.Stolenmoments.De. Seit 2005 ist er Mitglied <strong>de</strong>r Künstlergruppe<br />

Gestalten.De.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 40


Die Welt<br />

<strong>de</strong>s Kreativen Schreibens<br />

Die Autorenlesung<br />

Teil II<br />

Von Rüdiger Heins<br />

Das Zeitfenster<br />

Eine gute Vorbereitung braucht Zeit. Die Vorausplanung für eine Autorenlesung beträgt<br />

min<strong>de</strong>stens ein halbes Jahr. Die Dauer <strong>de</strong>r Planungsphase hängt natürlich auch<br />

mit <strong>de</strong>n Kapazitäten <strong>de</strong>s Veranstaltungsortes zusammen. Es gibt Bibliotheken o<strong>de</strong>r<br />

Kultureinrichtungen, die für ein Jahr im Voraus planen. Die entsprechen<strong>de</strong> Raumbelegung<br />

muss koordiniert wer<strong>de</strong>n, die Programmgestaltung in Verbindung mit einem<br />

Programmheft bedarf <strong>de</strong>r<br />

Zeitkapazitäten <strong>de</strong>s jeweili-<br />

© Lady Bozi/sxc 2006—<strong>2009</strong><br />

gen Veranstalters.<br />

Die Lesung muss auch<br />

in <strong>de</strong>r Presse angekündigt<br />

wer<strong>de</strong>n, auch das benötigt<br />

Zeit und insbeson<strong>de</strong>re<br />

die Kontaktpflege zu <strong>de</strong>n<br />

„Medienmenschen“, da sie<br />

für die Multiplikation eines<br />

Vorhabens unerlässliche<br />

Verbün<strong>de</strong>te sind.<br />

Ein beson<strong>de</strong>rer Punkt<br />

bei <strong>de</strong>r Zeitplanung ist die<br />

Koordination <strong>de</strong>s Veranstaltungstages<br />

mit <strong>de</strong>r Presse<br />

und <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Multiplikationsmöglichkeiten, das be<strong>de</strong>utet: Die Pressemitteilung für eine Lesung<br />

muss min<strong>de</strong>stens zwei Wochen vor <strong>de</strong>r Veranstaltung in <strong>de</strong>n Redaktionen liegen.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 41<br />

Tips für Autoren


Zur Sicherheit sollte eine Woche vor <strong>de</strong>r Lesung in <strong>de</strong>r Redaktion telefonisch nachgefragt<br />

wer<strong>de</strong>n, ob die Pressemitteilung angekommen ist.<br />

Das Zeitfenster bekommt eine an<strong>de</strong>re Komponente, wenn ein Autor o<strong>de</strong>r eine<br />

Autorengruppe auf ein aktuelles lokales o<strong>de</strong>r weltpolitisches Ereignis aufmerksam<br />

machen will. Eine Solidaritätslesung für die Mitarbeiter einer Firma, die <strong>de</strong>mnächst<br />

geschlossen wer<strong>de</strong>n soll, muss schnell organisiert und multipliziert wer<strong>de</strong>n. Der<br />

Ausbruch eines nächsten Krieges, <strong>de</strong>r bereits in <strong>de</strong>n Medien aufbereitet wird, lässt<br />

ebenfalls nicht viel Vorbereitungszeit zu. Für solche Veranstaltungen wer<strong>de</strong>n erfahrene<br />

Autoren benötigt, die bereits Lesungen gemacht haben, sonst wird die Besucherzahl<br />

eventuell enttäuschend sein. Dennoch sorgen gera<strong>de</strong> Solidaritätslesungen<br />

mit kompakter Vorbereitung auch immer wie<strong>de</strong>r für Überraschungen, da sich viele<br />

Menschen angesprochen fühlen und gemeinsam mit Gleichgesinnten einen Abend<br />

verbringen möchten, von <strong>de</strong>m sie sich Motivationshilfen erwarten.<br />

Ein weiteres Zeitfenster, das allerdings auch mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Formen von Öffentlichkeitsarbeit<br />

korrespondiert, ist die Plakatwerbung in Bibliotheken, Buchhandlungen<br />

und an<strong>de</strong>ren Orten, an die viele Menschen kommen. Die Plakate können im<br />

DIN A4-Format kopiert wer<strong>de</strong>n und auch im DIN A5-Format als Handzettel verteilt<br />

wer<strong>de</strong>n. Plakate und Handzettel sollten bereits drei Wochen vor <strong>de</strong>r Autorenlesung<br />

auf die Veranstaltung hinweisen. Auf diese Weise ist die bevorstehen<strong>de</strong> Lesung im<br />

Gespräch und erweckt außer<strong>de</strong>m die Neugier<strong>de</strong> potenzieller Besucher.<br />

© Lady Bozi/sxc<br />

2006—<strong>2009</strong><br />

Die Öffentlichkeitsarbeit<br />

Neugier<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r Ursprung<br />

aller Wissenschaften: Deswegen<br />

steht die Mund zu<br />

Mund-Propaganda für unsere<br />

Öffentlichkeitsarbeit an<br />

erster Stelle. Sprechen Sie<br />

über Ihre Lesung im Freun<strong>de</strong>skreis,<br />

in <strong>de</strong>r Familie,<br />

am Arbeitsplatz, im Verein,<br />

in <strong>de</strong>r Sauna. Lassen Sie<br />

die Menschen aus Ihrer<br />

näheren Umgebung an<br />

Ihrer Spannung und Vorfreu<strong>de</strong> teilhaben. La<strong>de</strong>n Sie Freun<strong>de</strong> und Bekannte zu Ihrer<br />

Lesung ein. Eine unbekannte Autorin, die eine Einzellesung macht, hat es da vermutlich<br />

etwas schwerer als die Autorengruppe aus <strong>de</strong>r Eifel. Da gibt es gleich mehrere<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 42


Autoren, die eine Multiplikatorenfunktion einnehmen können, um die bevorstehen<strong>de</strong><br />

Lesung in „aller Mun<strong>de</strong>“ zu bringen.<br />

Die persönliche Ansprache in Ihrem Umfeld kann bereits 50 bis 70% <strong>de</strong>s Publikums<br />

ausmachen, das Ihren Leseabend besucht. Eine nicht zu unterschätzen<strong>de</strong><br />

Komponente bei <strong>de</strong>r Planung einer Lesung, weil auch die von Ihnen persönlich<br />

gela<strong>de</strong>nen Gäste wie<strong>de</strong>rum als Multiplikatoren dienen.<br />

In <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Mund zu Mund-Propaganda fällt auch die Telefonakquise. Rufen<br />

Sie Freun<strong>de</strong> und Bekannte an, die Sie lange nicht mehr gesehen haben. Teilen<br />

Sie auch ihnen Ihre Freu<strong>de</strong>, das Lampenfieber, Ihren Nervenkitzel, die Aufregung<br />

und das Datum <strong>de</strong>r bevorstehen<strong>de</strong>n Lesung mit. Sie wer<strong>de</strong>n überrascht sein, wie<br />

viele Menschen Ihnen bei Ihrem „großen Auftritt“ beistehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>sweit stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Langen Nacht <strong>de</strong>r Autoren wer<strong>de</strong>n beispielsweise<br />

die Akteure vom Veranstalter aufgerufen, Werbung für die Lesung zu machen.<br />

Der Erfolg gibt <strong>de</strong>n Veranstaltern Recht, <strong>de</strong>nn die Lange Nacht <strong>de</strong>r Autoren, die<br />

bereits in mehreren Städten stattgefun<strong>de</strong>n hat, war immer gut besucht.<br />

Es ist auch sinnvoll, von <strong>de</strong>r Möglichkeit Gebrauch zu machen, persönliche Einladungen<br />

mit <strong>de</strong>r Post zu verschicken o<strong>de</strong>r per E-Mail einen Rundbrief zu versen<strong>de</strong>n.<br />

Die regionale Presse ist ebenfalls ein wichtiger Verbün<strong>de</strong>ter für die Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Es genügt, wenn die Lokalredaktion eine Pressemitteilung bekommt, die etwa<br />

zehn bis fünfzehn Zeilen hat. Formulieren Sie diesen Text vor! In <strong>de</strong>r Regel wer<strong>de</strong>n<br />

solche Pressemitteilungen (siehe das Beispiel unten) mit wenigen redaktionellen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen übernommen.<br />

Pressemitteilung<br />

Lange Nacht <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns 11. September 2002<br />

In <strong>de</strong>r Versöhnungskirche Ingelheim wird <strong>de</strong>r Jahrestag <strong>de</strong>s 11. September mit<br />

einer beson<strong>de</strong>ren Veranstaltung gewürdigt.<br />

Mit <strong>de</strong>m Thema: Frie<strong>de</strong> auf Er<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n Autoren und Autoren <strong>de</strong>s kreativen<br />

Schreibens aus Deutschland und aus <strong>de</strong>r Schweiz ihre Texte vortragen.<br />

Die Gesangs - und Musikgruppe Alle für Alle umrahmt diese Veranstaltung musikalisch.<br />

Auf <strong>de</strong>m Programm steht auch eine lyrische Installation mit Gedichten von Bärbel<br />

Jenner und Rüdiger Heins, musikalisch begleitet wer<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n von Reinhold<br />

Walter auf <strong>de</strong>r Flöte und <strong>de</strong>m Saxofon. Schwerpunkt dieser lyrischen Installation<br />

ist eine Variation <strong>de</strong>s Hohelied <strong>de</strong>r Liebe.<br />

Eine Gebetsfahneninstallation in <strong>de</strong>r Tradition <strong>de</strong>r tibetischen Gebetsfahnen soll<br />

vor <strong>de</strong>r Kirche gemeinsam mit <strong>de</strong>n Besuchern <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsveranstaltung gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 43


Diese Lange Nacht, so die Veranstalter, wird eine Lange Nacht <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>s<br />

Frie<strong>de</strong>ns!<br />

Beginn <strong>de</strong>r Veranstaltung: 19 Uhr.<br />

Veranstalter: Versöhnungskirche Ingelheim, Id Netzwerk für alternative Publizistik<br />

und das InkAS-Institut für Kreatives Schreiben.<br />

Schreiben Sie neben <strong>de</strong>r Pressemitteilung einen Begleitbrief, in <strong>de</strong>m Sie die Redakteure<br />

persönlich ansprechen und sie darauf hinweisen, bei persönlichen Fragen<br />

telefonisch o<strong>de</strong>r persönlich zur Verfügung zu stehen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Regionalpresse sollten Sie neben <strong>de</strong>r Tageszeitung auch die kostenfreien<br />

Wochenblätter berücksichtigen, da diese mit ihrer hohen Auflagenzahl fast in je<strong>de</strong>n<br />

Haushalt kommen. Dann gibt es da noch die Glanzmagazine mit kulturellen Veranstaltungsterminen,<br />

die ebenfalls kostenlos verteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

Damit Sie auch Aufmerksamkeit in <strong>de</strong>r Fachwelt erregen, wäre es natürlich interessant,<br />

die Pressemitteilung an Publikationen zu schicken, die sich mit Literatur o<strong>de</strong>r<br />

Kreativem Schreiben beschäftigen. Das bedarf dann einer längeren Vorbereitung,<br />

Stichwort Zeitfenster, da diese Organe eine längere Vorlaufszeit haben.<br />

Scheuen Sie sich auch nicht davor, Ihre Pressemitteilungen <strong>de</strong>n regionalen Hörfunksen<strong>de</strong>rn<br />

zukommen zu lassen. Nebenbei bemerkt, vielleicht haben Sie ja auch<br />

eine Chance im Regionalfernsehen Ihren Termin zu platzieren. Ein positiver Nebeneffekt<br />

dieser Öffentlichkeitsarbeit ist, dass sie erstens nichts kostet und zweitens vielleicht<br />

eine Journalistin die Lesung besucht, um anschließend darüber zu berichten.<br />

Somit erzielen Autoren eine mittelfristige Medienpräsenz, die auf ihre Kompetenz<br />

als Autorin o<strong>de</strong>r Autor hinweist.<br />

Professionalität zeigt sich allerdings nicht nur im Textvortrag und <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>r<br />

Texte, son<strong>de</strong>rn auch in <strong>de</strong>m Setting, das die Autoren für ihre Lesung vorbereitet<br />

haben.<br />

© Max 6/sxc <strong>2009</strong><br />

Das Setting<br />

Möglicherweise erscheint <strong>de</strong>r Begriff Setting<br />

im Zusammenhang mit einer Autorenlesung<br />

zunächst etwas befrem<strong>de</strong>nd. Das<br />

hängt vermutlich damit zusammen, dass<br />

wir meinen, die gegebenen Räumlichkeiten<br />

so annehmen zu müssen, wie sie<br />

sind. Das muss nicht <strong>de</strong>r Fall sein, häufig<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 44


entsprechen die vorgegebenen Bedingungen nicht unseren Vorstellungen. Denken<br />

wir in diesem Zusammenhang an die Bestuhlung <strong>de</strong>s Raumes: Falls Sie die Bestuhlung<br />

gerne an<strong>de</strong>rs hätten als vorgegeben, dann sollten Sie ihre Vorstellung auch<br />

realisieren. Stühle können im Halbkreis o<strong>de</strong>r Kreis gestellt wer<strong>de</strong>n. Das gibt <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />

gleich eine ganz an<strong>de</strong>re Atmosphäre. Frontalbestuhlung kennen wir. Sie<br />

ist langweilig und ö<strong>de</strong>. Setzen Sie also bei <strong>de</strong>r Raumgestaltung Ihrer Fantasie keine<br />

Grenzen. Achten Sie nur darauf, mit <strong>de</strong>m Publikum im Blickkontakt zu sein.<br />

Autoren sollten auch auf die übrige Raumgestaltung Einfluss nehmen. Gibt es<br />

Blumen, wür<strong>de</strong>n Sie gerne Duftlampen, Räucherstäbchen o<strong>de</strong>r Kerzen zur Raumgestaltung<br />

einsetzen? Das Setting gibt immer auch Auskunft über die Persönlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Autorin.<br />

Wie ist die Beleuchtung? Neonlicht stört die Atmosphäre einer Lesung penetrant.<br />

Achten Sie auf eine <strong>de</strong>zente Beleuchtung. Das Publikum mag eine zarte Beleuchtung,<br />

um nicht abgelenkt zu wer<strong>de</strong>n. Wichtig ist, dass Sie an Ihrem Lesepult o<strong>de</strong>r<br />

Tisch genügend Licht zum Vortrag <strong>de</strong>r Texte haben.<br />

Autoren sind keine Schauspieler. Deswegen sind sie im sprachlichen Ausdruck<br />

nicht so geübt. Aber gera<strong>de</strong> das macht ja auch <strong>de</strong>n Charme einer Autorenlesung<br />

aus. Die Zuhörer erwarten ein authentisches Erlebnis und keine Theateraufführung.<br />

In <strong>de</strong>r Sprachmelodie <strong>de</strong>r Autoren ist die Melodie zu erkennen, die sie während<br />

<strong>de</strong>s Schreibprozesses im Kopf gesungen haben. Das ist das eigentlich Interessante<br />

an einer Autorenlesung, <strong>de</strong>nn diese Melodie kann man in keinem Buch nachlesen.<br />

Diese Authentizität zwischen Autor und Text bil<strong>de</strong>t ein Gesamtkunstwerk: aus<br />

geschriebener Sprache und gesprochenem Wort. Damit dieses sprachliche Klangerlebnis<br />

auch wirklich zur vollen Entfaltung kommt, empfiehlt es sich eine Verstärkeranlage<br />

mit Mikrofon einzusetzen. Es sei <strong>de</strong>nn, Ihre Stimme ist so voluminös, dass sie<br />

keine Verstärkung benötigt. In <strong>de</strong>r Regel aber scheitern gute Lesungen an <strong>de</strong>r Nichtlautstärke<br />

<strong>de</strong>r Vortragen<strong>de</strong>n. Die feinen Töne gehen verloren, die Autorin ist verunsichert<br />

vom: „Bitte lauter lesen!“. Sie<br />

verliert ihre Klangsprache und damit<br />

an Überzeugungskraft.<br />

Ein Büchertisch, falls bereits Bücher<br />

publiziert wur<strong>de</strong>n, gehört zum<br />

Muss einer Autorenlesung. Schließlich<br />

möchten Ihre Gäste etwas von<br />

Ihnen mit nach Hause nehmen.<br />

Außer<strong>de</strong>m ist es eine gute Gelegenheit,<br />

ein handsigniertes Exemplar<br />

<strong>de</strong>r Autorin zu bekommen. Vielleicht<br />

ergibt sich ja auch ein Gespräch.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 45<br />

© Minimoon/sxc 2007—<strong>2009</strong>


Emily Dickinson<br />

Von Marlene Schulz<br />

1.800 Gedichte hat sie verfasst, sieben wur<strong>de</strong>n zu ihren Lebzeiten publiziert.<br />

„Wäre <strong>de</strong>r Ruhm mein“, schrieb sie 1862 einem befreun<strong>de</strong>ten Verleger, <strong>de</strong>r ihr von<br />

einer Veröffentlichung abriet, „ich könnt ihm nicht entkommen – wenn aber nicht,<br />

<strong>de</strong>r längste Tag hetzt mir voraus beim Jagen.“<br />

Emily Dickinson (1830 – 1886) stirbt 56-jährig, ohne dass bis dahin jemand<br />

weiß, dass sie eine <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten amerikanischen Lyrikerinnen ist.<br />

Etwa ab ihrem vierzigsten Lebensjahr verlässt sie das Haus nicht mehr. Schon<br />

Jahre zuvor geht sie ungern über die Grenzen ihres Gartens hinaus, Besuche stellt<br />

sie weitestgehend ein. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass sie allein aus<br />

eigenem Entschluss getrieben war, sich <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu entziehen.<br />

Was für an<strong>de</strong>re trivial und alltäglich erscheint, ist für sie Anlass, sich <strong>de</strong>m Staunen<br />

hinzugeben, sich Raum und Zeit auch für die kleinen Dinge <strong>de</strong>s Lebens zu<br />

nehmen. „Leben ist für mich Ekstase – das bloße Gefühl, am Leben zu sein, ist<br />

Glück genug“, schreibt sie in einem ihrer zahlreichen Briefe. „Das Leben ist so aufregend,<br />

dass es nur wenig Raum für an<strong>de</strong>re Beschäftigungen übrig lässt.“ Im Kreis<br />

<strong>de</strong>r Familie bewegt sie sich, führt<br />

ein ereignisloses Leben, Sommer<br />

wie Winter weiß geklei<strong>de</strong>t, bleibt<br />

unverheiratet, macht sich im<br />

Haushalt nützlich, züchtet Blumen,<br />

pflegt Kranke, schreibt Briefe und<br />

Gedichte. Bereits in <strong>de</strong>r Schule fällt<br />

ihre herausragen<strong>de</strong> Intelligenz auf.<br />

Ihre Dichtung ist gezeichnet von<br />

präziser Naturbeobachtung, von<br />

emotionaler Kontrolle, Ironie und<br />

Selbstironie. Natur, Liebe, Tod, To<strong>de</strong>serwartung,<br />

Unsterblichkeit und<br />

auch Entsagung und Verzicht sind<br />

ihre Themen.<br />

Emily Dickinson bricht mit<br />

klassischen Formen <strong>de</strong>r Lyrik. Zum<br />

Markenzeichen ihrer Dichtung<br />

wer<strong>de</strong>n zahlreich eingefügte<br />

Gedankenstriche. Sie hält sich<br />

nicht an grammatikalische Regeln,<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 46<br />

© vkaka<strong>de</strong>my/<strong>de</strong>viantart 2008<br />

Galerie <strong>de</strong>r Autoren


verstößt gegen die normale Syntax, stellt Worte in ungewöhnliche Zusammenhänge.<br />

In <strong>de</strong>r 1990 erschienenen Sammlung Ich wohn’ im Haus <strong>de</strong>r Möglichkeit führt<br />

Susanne Schaup dazu aus: „Viele ihrer Reime sind ‚unrein’, das heißt, sie reimen<br />

nicht in vollem, son<strong>de</strong>rn nur in annähern<strong>de</strong>m Gleichklang, nicht selten gar nicht. Es<br />

braucht ein geschärftes Ohr, das sozusagen nach innen hört, um die vollkommene<br />

Kongruenz zwischen Gedanken und Klanggestalt, Inhalt und Form, wahrzunehmen.<br />

Wo die Wirklichkeit klafft, ist auch <strong>de</strong>r Vers uneben. Das Paradox <strong>de</strong>s Lebens, die<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche <strong>de</strong>s Daseins lassen sich nicht in glatte Reime fassen. Aber diese Art<br />

zu dichten und Aussage an Klang zu bin<strong>de</strong>n, war ihrer Zeit weit voraus.“<br />

ICH WOHN’ im Haus <strong>de</strong>r Möglichkeit –<br />

kein schöneres als das –<br />

mehr Fenster hat es – bessre Türen,<br />

als Prosa je besaß –<br />

Gemächer hoch wie Ze<strong>de</strong>rn,<br />

in die kein Auge fällt –<br />

und als ein immerwährend Dach<br />

das blaue Himmelszelt –<br />

Gar liebenswerte Gäste –<br />

und mein Geschäft ist dies –<br />

die schmalen Hän<strong>de</strong> breit ich aus<br />

und sammle das Paradies.<br />

Wann für Emily Dickinson Dichtung<br />

spürbar ist, lässt sich bei Susanne<br />

Schaup eindrücklich nachlesen:<br />

„Wenn ich ein Buch lese und mein<br />

ganzer Körper so kalt wird, dass kein<br />

Feuer mich erwärmen könnte, dann<br />

weiß ich, das ist Dichtung. Wenn ich<br />

das körperliche Gefühl habe, als ob<br />

mir <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>l abgerissen wür<strong>de</strong>,<br />

weiß ich, das ist Dichtung. Ich erfahre<br />

es nur auf diese Weise. Gibt es <strong>de</strong>nn<br />

eine an<strong>de</strong>re?“ äußert sie 1870 in<br />

einem Gespräch mit <strong>de</strong>m befreun<strong>de</strong>ten Verleger und Literaten Thomas Wentworth<br />

Higginson. Im Nachklang <strong>de</strong>ssen wird er später seiner Frau sagen: „Ich war nie mit<br />

© Livana Celosia/<strong>de</strong>viantart <strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 47


einem Menschen zusammen, <strong>de</strong>r meine Nervenkraft <strong>de</strong>rart erschöpfte. Ohne dass<br />

ich sie berührte, zehrte sie an mir.“<br />

En<strong>de</strong> 1883, als ihr achtjähriger Neffe an Typhus stirbt, schreibt sie wenige Monate<br />

später: „Die Krisis <strong>de</strong>r Trauer zu vieler Jahre, sie ist’s, die mich mü<strong>de</strong> macht.“<br />

Über seinen Tod kommt sie nicht hinweg. Ein Jahr später stirbt ihre späte Liebe. Der<br />

Ton ihrer Dichtung in diesen letzten Jahren ihres Lebens ist Spiegel unermesslicher<br />

Trauer. Emily Dickinson stirbt im Mai 1886. Im weißen Sarg wird sie zur hinteren<br />

Tür <strong>de</strong>s Hauses hinausgetragen bis zum Familiengrab, umtanzt von Schmetterlingsschwärmen.<br />

Obwohl sich Thomas Wentworth Higginson lange nicht mit Emily Dickinsons<br />

Dichtung anfreun<strong>de</strong>n kann, beteiligt er sich an <strong>de</strong>r Herausgabe <strong>de</strong>s ersten, posthum<br />

verlegten Gedichtban<strong>de</strong>s. Die Herausgeberin Uda Strätling zitiert <strong>de</strong>n Literaten in<br />

Wil<strong>de</strong> Nächte, ein Leben in Briefen. In Ge<strong>de</strong>nken an Emily Dickinson schreibt er<br />

zwanzig Jahre nach ihrem Tod: „Wenn uns ein Gedanke <strong>de</strong>n Atem raubt, zählen<br />

wir da noch Silben?“<br />

Bibliographie:<br />

Emily Dickinson: Ich wohn’ im Haus <strong>de</strong>r Möglichkeit. Zusammengestellt von Susanne<br />

Schaup. Freiburg (Her<strong>de</strong>r) 1990. ISBn 978-3451087110. 140 Seiten. Nur<br />

antiquarisch erhältlich.<br />

Emily Dickinson: Wil<strong>de</strong> Nächte. Ein Leben in Briefen. Herausgegeben von Uda<br />

Strätling. Frankfurt am Main (S. Fischer) 2006. ISBn 978-3100139078. 400 Seiten.<br />

24,90 €.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 48<br />

© sabotazystka/<strong>de</strong>viantart 2008


Das Institut<br />

Flaschenpost<br />

Buchpremiere in <strong>de</strong>r Buchhandlung Schweikhard in Bingen, Schüler stellen ihr eigenes<br />

Buch vor<br />

Von Berna<strong>de</strong>tte Heim<br />

BIngen Stolz zeigen die Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Klasse 4a <strong>de</strong>r Grundschule Bingen-Dietersheim<br />

ihr Buch. „Flaschenpost“, Briefe an die Zukunft heißt es, und die Kin<strong>de</strong>r haben es<br />

selbst geschrieben. Entstan<strong>de</strong>n ist das Werk in Zusammenarbeit mit Rüdiger Heins<br />

vom Institut für kreatives Schreiben InkAS. „Schulleitung, Klassenleitung, Eltern und<br />

Kin<strong>de</strong>r haben in beispielloser Zusammenarbeit das Buchprojekt ermöglicht“, so Rüdiger<br />

Heins anlässlich <strong>de</strong>r Buchpremiere. Lesen ist Kino im Kopf, heißt es auf <strong>de</strong>m<br />

Buchrücken. Die Kin<strong>de</strong>r haben unter Anleitung <strong>de</strong>s Schriftstellers und Journalisten<br />

Rüdiger Heins die Welt <strong>de</strong>r Literatur für sich ent<strong>de</strong>ckt. Jetzt sind die Kin<strong>de</strong>r selbst<br />

Autoren gewor<strong>de</strong>n und konnten ihre literarischen Werke <strong>de</strong>m staunen<strong>de</strong>n Publikum<br />

vortragen. „Flaschenpost“ heißt das Buch in <strong>de</strong>m die Kin<strong>de</strong>r sich auf fesseln<strong>de</strong> Weise<br />

mit ihrer Zukunft, <strong>de</strong>r Umwelt, mit sich und ihren Freun<strong>de</strong>n auseinan<strong>de</strong>rgesetzt<br />

haben.<br />

Genehmigter Nachdruck aus <strong>de</strong>m Binger Wochenblatt. Die Vorstellung<br />

fand am 11. Juli <strong>2009</strong> in <strong>de</strong>r Buchhandlung Schweickard in<br />

Bingen statt.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Das Institut Seite 49<br />

© Brigitte Heims <strong>2009</strong><br />

© xGlyzerinex/<br />

<strong>de</strong>viantart<br />

<strong>2009</strong><br />

Veranstaltungen von InkaS


eXperimenta im Funk<br />

Das Radiomagazin für Kreatives Schreiben bei Radio Rheinwelle.<br />

Sen<strong>de</strong>termin: 11. August <strong>2009</strong> von 15:00 bis 17:00 Uhr.<br />

Thema <strong>de</strong>r Sendung: Vamos – Auf und davon<br />

Erfahrungen einer Austauschschülerin in Brasilien<br />

Studiogäste: Axel Jung, Monica Sousa-Strauss, Chris Blomen-Pfaff, Marie Lou Pfaff<br />

(live am Telefon aus Brasilien).<br />

Marie Lou Pfaff hat an <strong>de</strong>r Volkshochschule in Bingen<br />

einen Kurs in brasilianisch belegt. Wir fragen,<br />

wie sich ihr sprachlicher Grundstock in <strong>de</strong>r Praxis<br />

bewehrt hat. Insgesamt hat die Austauschschülerin<br />

ein Jahr in Piracanjuba bei einer brasilianischen<br />

Familie verbracht.<br />

Wenige Tage vor ihrer Rückkehr nach Bingen<br />

spricht live am Telefon aus Piracanjuba und berichtet<br />

über ihre Erfahrungen als Austauschschülerin.<br />

Hörer und Hörerinnen können live in <strong>de</strong>r Sendung anrufen, um ihre Texte und Gedichte<br />

vorzutragen! Telefon: +49 (6 11) 6 09 93 33<br />

eXperimenta kann auch über das Internet empfangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Internet Live Stream: Www.Radio-Rheinwelle.De<br />

Sen<strong>de</strong>frequenzen: WI 92,5<br />

Mhz (UkW), WI 99,85 Mhz<br />

(Kabel), MZ 192,7 Mhz<br />

(Kabel)<br />

Studiotelefon: +49 (6 11) 6<br />

09 93 33<br />

Kontakt: Info@Inkas-Id.De<br />

Website: Www.eXperimenta.<br />

De<br />

Sen<strong>de</strong>leitung: Rüdiger Heins,<br />

Www.RuedigerHeins.De<br />

Rüdiger Heins<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Das Institut Seite 50<br />

© joapa/<strong>de</strong>viantart 2007—<strong>2009</strong><br />

© julka17/<strong>de</strong>viantart <strong>2009</strong><br />

eXperimenta im Funk


Radio Rheinwelle<br />

Von Anke Brettnich<br />

„Gebt mir ein Mikrofon!“, entfährt es Violetta. „Ich hör’ nix“, jammert es zu meiner<br />

Linken, und rechts von mir ist unsere Schreibikone in einen Dauerhusten gefallen. Es<br />

ist heiß bei Radio Rheinwelle. Loreley ist sauer, weil ihr Text zu lang sein soll. Gertru<strong>de</strong><br />

spricht so leise, dass man fast nichts hört, und ich bin überhaupt nicht so cool,<br />

wie ich immer tue. Bumm, bumm, so ein Herz kann ganz schön laut schlagen.<br />

Nie ist es mir gelungen, Fernsehansagerin zu wer<strong>de</strong>n, wie ich das als Kind wollte.<br />

Ich bin auch keine berühmte Autorin, die ihre Bücher persönlich signiert und mit<br />

einem mil<strong>de</strong>n Lächeln <strong>de</strong>m Käufer zurückgibt. Statt<strong>de</strong>ssen hocke ich mit 5 aufgeregt<br />

schnattern<strong>de</strong>n Weibern, die es alle zu nichts Großartigem gebracht haben, in <strong>de</strong>m<br />

heißen, engen Studio eines No-Name-Radiosen<strong>de</strong>rs in Wiesba<strong>de</strong>n.<br />

Wir machen nichts Berühmtes, aber wir mor<strong>de</strong>n, zerfetzen und <strong>de</strong>mütigen Männer<br />

in unseren Texten und kreischen diese Prosa in <strong>de</strong>n Äther dieser Welt. Welch<br />

eine Reichweite, welch eine Be<strong>de</strong>utung, welch eine Macht! Danke für dieses köstliche<br />

Mahl!<br />

© cinezi/sxc <strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Das Institut Seite 51


Der erste Tag<br />

Aus <strong>de</strong>m Buch Papaya mit Rosinen von<br />

Helmut Gotschy<br />

Völlig erschöpft lasse ich mich in <strong>de</strong>n<br />

Sitz fallen. Ich habe mein absolutes<br />

Tief. Wie Treibsand frisst sich die Müdigkeit<br />

durch meine A<strong>de</strong>rn und lähmt<br />

mein Denken. Wie je<strong>de</strong>n Tag um die<br />

Mittagszeit, so gegen eins. Fast hätte<br />

ich <strong>de</strong>swegen vergessen, Annemarie<br />

am Bahnsteig zu winken, wo wir doch<br />

zum ersten Mal so lange voneinan<strong>de</strong>r<br />

getrennt sein wer<strong>de</strong>n.<br />

Ganz sanft rollt <strong>de</strong>r ICE an. In<br />

etwas mehr als zwei Stun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong><br />

ich am Frankfurter Flughafen sein. Den<br />

Kopf an die Scheibe gelehnt, blicke<br />

ich zu <strong>de</strong>n flirren<strong>de</strong>n Wolkenbän<strong>de</strong>rn,<br />

die das lichte Blau durchziehen.<br />

Klammheimlich hat sich <strong>de</strong>r Sommer<br />

davongeschlichen und das satte Grün<br />

aus <strong>de</strong>n Bäumen gesaugt. Die vorbei-<br />

Der Autor<br />

.Helmut Gotschy, geboren 1953 in<br />

Neu-Ulm, widmet er sich über 30<br />

Jahren erfolgreich <strong>de</strong>m Bau von Drehleiern.<br />

Er erkrankte im Alter von acht<br />

Jahren an Kin<strong>de</strong>rlähmung, verbrachte<br />

lange Zeit in Krankenhäusern und war<br />

mit 18 Jahren soweit genesen, dass<br />

er ein ganz normales Leben führen<br />

konnte. Ein Leben, das ihn auf Tramperreisen<br />

quer durch Europa führte,<br />

bis er schließlich <strong>de</strong>n Überlandweg<br />

nach Indien wagt.<br />

huschen<strong>de</strong>n Birken sind blass und braune Sprenkel verunzieren ihre Blättchen. Soll<br />

<strong>de</strong>r Herbst doch kommen, <strong>de</strong>nke ich gelassen, ich habe drei Wochen Verlängerung<br />

– Ayurveda in Sri Lanka. Mit Sicherheit können die mich wie<strong>de</strong>r aufpäppeln. Es war<br />

einfach alles zuviel im Sommer. Aber wieso hätte ich mich auch schonen sollen, ich<br />

war so voller Energie nach <strong>de</strong>m letzten Mal im Februar.<br />

Trotz <strong>de</strong>r Müdigkeit fin<strong>de</strong> ich keine Ruhe und mein Blick bleibt an <strong>de</strong>n Mitreisen<strong>de</strong>n<br />

hängen, zumeist Männern, die schlaff in ihren Sesseln lümmeln. Viele schlafen<br />

und ihren offenen Mün<strong>de</strong>rn entwischen die Gespenster <strong>de</strong>r vergangen Nacht.<br />

Bestimmt waren sie beim Fassanstich in München. Was bleibt ihnen danach, außer<br />

<strong>de</strong>m Kater und <strong>de</strong>r Erinnerung an das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Wies’nlu<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n Blickfang<br />

beinahe waagerecht? Womöglich war <strong>de</strong>r Push-up weiß-blau gemustert. Na ja,<br />

warum <strong>de</strong>nn auch nicht?<br />

In Frankfurt warte ich vergeblich auf <strong>de</strong>n Behin<strong>de</strong>rtenservice. Die Zeit drängt.<br />

Der junge Mann jedoch, aufgebrezelt wie mein Sohn am Samstagabend bei <strong>de</strong>r<br />

Party-Pirsch, ist auf meine Bitte hin sichtlich begeistert, mir zu helfen. Ohne zu<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Das Institut Seite 52<br />

Privatbild<br />

Stu<strong>de</strong>nten stellen sich vor


zögern, trägt er <strong>de</strong>n Rollstuhl und <strong>de</strong>n kleinen Koffer auf <strong>de</strong>n Bahnsteig und stellt<br />

bei<strong>de</strong>s neben <strong>de</strong>r Stahlrohrbank ab.<br />

Jetzt wird’s spannend:<br />

Ob das wohl funktioniert, mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gurten, die <strong>de</strong>n Koffer hinter <strong>de</strong>m Rollstuhl<br />

halten sollen? Es funktioniert, zumin<strong>de</strong>st die paar Meter bis zum Aufzug. Dort<br />

verhaken sich die Rädchen <strong>de</strong>s Trolleys im Bo<strong>de</strong>nspalt zwischen Tür und Kabine<br />

und <strong>de</strong>r Koffer klemmt. Unbeholfen<br />

lehne ich mich zurück<br />

und zerre an meinem Gepäck,<br />

wobei <strong>de</strong>r Haken eines<br />

Gurtes reißt. Ich wuchte <strong>de</strong>n<br />

Koffer über <strong>de</strong>n Spalt, letztendlich<br />

bleibt keine an<strong>de</strong>re<br />

Wahl, als mich hinter meinen<br />

Rollstuhl zu stellen, um in die<br />

obere Etage zu gelangen.<br />

Richtung Abflughalle<br />

rutscht <strong>de</strong>r verbleiben<strong>de</strong> Gurt<br />

zweimal ab und mein Koffer<br />

kippt weg. Ich muss das Ding<br />

so schnell wie möglich loswer<strong>de</strong>n,<br />

irgendwann später kann<br />

ich <strong>de</strong>n Gurt reparieren.<br />

Trotz allem fühle ich mich<br />

frei und glücklich! Ich kann<br />

immer noch alleine reisen!<br />

Beim Übergang zum<br />

Terminal ist <strong>de</strong>r Zebrastreifen<br />

auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite durch<br />

einen Bauzaun blockiert. Ich<br />

rolle die Straße zuerst hoch,<br />

dann runter, aber die parken<strong>de</strong>n<br />

Autos stehen zu dicht<br />

aneinan<strong>de</strong>r, an ein Durchkommen<br />

ist nicht zu <strong>de</strong>nken,<br />

außer<strong>de</strong>m ist <strong>de</strong>r Randstein viel zu hoch. Die VIp-Lounge ist bestimmt besser organisiert,<br />

<strong>de</strong>nke ich ärgerlich, als neben mir ein Taxi hupt. Ich blicke hinüber und hebe<br />

vielsagend die Hän<strong>de</strong>, es hupt wie<strong>de</strong>r, diesmal länger. „Hilf’ mir lieber, anstatt zu<br />

hupen!“ brülle ich in seine Richtung...<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Das Institut Seite 53


Frankfurter Literaturtelefon<br />

Literarische Kostproben - rund um die Uhr.<br />

Schriftsteller/innen <strong>de</strong>r Rhein-Main-Region lesen eigene Texte. Im Juli liest: Rüdiger<br />

Heins die Worte, die Worte, mo<strong>de</strong>rne Lyrik.<br />

Telefon: +49 (69) 24 24 60 21<br />

An <strong>de</strong>n<br />

Wassern<br />

Aus 108 Einsendungen<br />

zum<br />

Lyrikwettbewerb<br />

An <strong>de</strong>n Wassern<br />

wur<strong>de</strong> eine<br />

Autorin bei InkAS,<br />

Carla Capellmann,<br />

mit einem<br />

Preis ausgezeichnet.<br />

Außer<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong>n Gedichte<br />

von Katharina<br />

Isabella von<br />

Zwehl und von<br />

Anne Ziegler zur<br />

Veröffentlichung<br />

ausgewählt. Drei<br />

<strong>de</strong>r 16 Beiträge<br />

<strong>de</strong>r Anthologie<br />

stammen damit<br />

aus <strong>de</strong>n Kreisen<br />

von InkAS.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Das Institut Seite 54


Der Wegweiser<br />

Was ich gera<strong>de</strong> lese<br />

Und außer<strong>de</strong>m empfiehlt <strong>de</strong>r Doktor:<br />

Martin Suter<br />

Man kehre immer wie<strong>de</strong>r zu seiner ersten Liebe zurück,<br />

heißt es. So fin<strong>de</strong> ich immer wie<strong>de</strong>r zu Martin Suter.<br />

Das Motiv <strong>de</strong>s Buchs ist <strong>de</strong>r abgegriffene Traum je<strong>de</strong>s<br />

Mannes über 50. Ein älterer Mann mit Geld trifft eine<br />

junge Frau ohne Geld, die aber hübsch ist, und Hilfe<br />

braucht. Er ist erstmal unfähig zu sagen, was er will. Sie<br />

betrügt ihn erstmal ein wenig. Und zum Schluß bekommen<br />

sie sich doch. Dabei wer<strong>de</strong>n ein paar Millionen hin<br />

und her geschoben, und ein o<strong>de</strong>r zwei E<strong>de</strong>lverbrechen<br />

begangen.<br />

Martin Suter vollbringt es trotz<strong>de</strong>m, zu faszinieren.<br />

Weil er Menschen darstellt, die leben, einen Beruf haben,<br />

etwas essen und trinken, und nicht nur in <strong>de</strong>n Phantasmen<br />

<strong>de</strong>r Selbstbespiegelung untergehen, in die so mancher<br />

<strong>de</strong>utsche Kunstschriftsteller seine Figuren verdammt.<br />

Und weil er seine Figuren beobachtet.<br />

Toni Reitz<br />

Der letzte Weynfeldt. Roman. Zürich (Diogenes) 2008.<br />

ISBn . 314 Seiten. xx €.<br />

An<strong>de</strong>rs ausgestattete Son<strong>de</strong>rausgabe: Frankfurt am Main<br />

— Wien — Zürich (Büchergil<strong>de</strong> Gutenberg) 2008. ISBn<br />

978-3-7632-5934-2.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 55


Allfälliges<br />

Ausschreibungen<br />

15. August <strong>2009</strong> Nachwuchspreis <strong>de</strong>r Stadt Immenhausen<br />

Holzhäuser Heckethaler<br />

Bis drei Prosatexte von bis zu 5 Normseiten<br />

Kontakt: Www.Immenhausen.De, und dort in <strong>de</strong>r Rubrik<br />

Tourismus, Freizeit und Kultur.<br />

31. August <strong>2009</strong><br />

Achtung: Verlängerung<br />

Veranstaltungen<br />

eXperimenta9000: Lesung & Anthologie<br />

Amour fou – irre Liebe<br />

Prosatexte bis 9.000 Zeichen zu allen schrägen Situationen<br />

in <strong>de</strong>r Liebe<br />

Kontakt: eXperimenta@T-Online.De.<br />

27. August <strong>2009</strong> allergutendinge, Mainz, 18.00 Uhr<br />

Die 95-jährige Schauspielerin Christiane Zerda erzählt<br />

afrikanische Märchen. Musikalisch unterstützt wird sie<br />

von Farhang Kassraei.<br />

Eintritt frei.<br />

29. August <strong>2009</strong> allergutendinge, Mainz, 19.30 Uhr<br />

Der Ingelheimer Autor Matthias Boosch liest aus seiner<br />

neu erschienenen Medien- und Politsatire Großtyphien<br />

schlägt zurück<br />

In Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m gonZo-Verlag<br />

Eintritt 5€, ermäßigt 3€<br />

20. September <strong>2009</strong> Binger Bühne, 20.00 Uhr<br />

Fee: „Ich bin ein Straßenkind“<br />

Eine Performance von Rüdiger Heins<br />

Uraufführung<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 56


24. September <strong>2009</strong> allergutendinge, Mainz<br />

André Rudolph: Fluglärm über <strong>de</strong>n Palästen unserer<br />

Restinnerlichkeit<br />

Lesung in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m gonZo-Verlag<br />

22. Oktober <strong>2009</strong> allergutendinge, Mainz<br />

Andrea Mohr: Pixie: Insi<strong>de</strong> A World of Drugs, Sex and<br />

Violence<br />

Lesung in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m gonZo-Verlag<br />

Seminare<br />

6. — 7. September<br />

<strong>2009</strong><br />

13. — 14. September<br />

<strong>2009</strong><br />

18. — 20. September<br />

<strong>2009</strong><br />

Literarisches Speed Dating<br />

Eine Kontaktbörse für waschechte und gefühlte Singles<br />

Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie Wolfenbüttel<br />

Seminarleitung: Dr. Olaf Kutzmutz<br />

Kontakt: Www.Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie.De<br />

Bestseller<br />

Das Beispiel Charlotte Link<br />

Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie Wolfenbüttel<br />

Seminarleitung: Dr. Olaf Kutzmutz<br />

Gast: Charlotte Link<br />

Kontakt: Www.Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie.De<br />

Basiskurs Erzählen III<br />

Dialoge<br />

Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie Wolfenbüttel<br />

Seminarleitung: Stefan Ulrich Meyer, Programmleiter<br />

beim Fackelträger-Verlag; Dr. Olaf Kutzmutz<br />

Kontakt: Www.Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie.De<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 57


27. — 29. September<br />

<strong>2009</strong><br />

28. — 30. Oktober<br />

<strong>2009</strong><br />

10. — 13. Dezember<br />

<strong>2009</strong><br />

Achtung: geän<strong>de</strong>rter<br />

Termin<br />

Television<br />

Verdichten<br />

Übungen zu kurzer Prosa<br />

Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie Wolfenbüttel<br />

Seminarleitung: Paul Brodowsky, Schriftsteller; Dr. Olaf<br />

Kutzmutz<br />

Kontakt: Www.Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie.De<br />

Watt mutt, dat mutt<br />

Einführung in die Nie<strong>de</strong>r<strong>de</strong>utsche Sprache<br />

Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie Wolfenbüttel<br />

Seminarleitung: Dr. Willy Dierks, Sprachwissenschaftler;<br />

Dr. Reinhard Goltz, Sprachwissenschaftler<br />

Kontakt: Www.Bun<strong>de</strong>saka<strong>de</strong>mie.De<br />

Kreatives Schreiben – Ein Weg zum Glück<br />

Kloster Himmerrod<br />

Seminarleitung: Rüdiger Heins<br />

Kontakt: Info@Inkas-Id.De<br />

27. August <strong>2009</strong> 23.50 Uhr, Arte<br />

LeseHorizonte<br />

Mo<strong>de</strong>rator Patrick Poivre d'Arvor berichtet über die junge<br />

und sehr lebendige Literaturszene in <strong>de</strong>r kanadischen<br />

Provinz Quebec<br />

29. August <strong>2009</strong> 22.45 Uhr, Arte<br />

Metropolis<br />

U.a. mit einem Beitrag über die Übersetzung eines Klassikers<br />

ins mo<strong>de</strong>rne Deutsch: Die Abenteuer <strong>de</strong>s Simplicius<br />

Simplicissimus Revisited<br />

Carla Capellmann<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 58


Hörspiel<br />

5. August <strong>2009</strong> 20.00 Uhr, drS2<br />

Sabine Harbecke: Lustgarten<br />

Die bei<strong>de</strong>n Männer und die Frau lernen sich erst unterwegs<br />

durch eine Mitfahrgelegenheit kennen. Krause und<br />

Mertens stehen sich nun auf <strong>de</strong>r Autobahnraststätte die<br />

Beine in <strong>de</strong>n Leib. In <strong>de</strong>r Nacht zuvor haben sie sich<br />

noch amüsiert, Karaoke gesungen und Bier getrunken.<br />

Und dann zu einer Mutprobe hinreißen lassen, vor <strong>de</strong>ren<br />

Folgen ihnen nun graut. Sabine Harbeke entwickelt ihre<br />

Studie über die Mechanismen von Lust und Gewalt so<br />

präzise wie leise. Subtil schleicht sich das Unheimliche<br />

in die Männlichkeitsrituale von Krause und Mertens, bis<br />

sich zwischen Prahlereien, Neid und Verbrü<strong>de</strong>rung allmählich<br />

das Grauen auftut.<br />

Regie: Simona Ryser<br />

Produktion: Schweizer Radio drS, 2005<br />

16. August <strong>2009</strong> 20.05 Uhr, Deutschlandradio Kultur<br />

Ingeborg Breuer & Peter Leusch: Shop till you drop<br />

Die Zeiten, in <strong>de</strong>nen Kaufen als Konsumterror verschrien<br />

und verpönt war, sind lange vorbei. Konsumieren ist in<br />

<strong>de</strong>r Wirtschaftskrise erste Bürgerpflicht. Der Philosoph<br />

Norbert Bolz behauptet sogar, dass Konsumieren immun<br />

mache gegen fanatische Religionen. Der amerikanische<br />

Politikwissenschaftler Benjamin Barber spricht dagegen<br />

kritisch von einem Hyperkonsumismus, <strong>de</strong>r erwachsene<br />

Menschen infantilisiere und schlecht sei für die Demokratie.<br />

Zwischen diesen i<strong>de</strong>ologischen Extremen ist eine<br />

Menge Platz und <strong>de</strong>r Ökonomie sind die unterschiedlichen<br />

Facetten <strong>de</strong>s Konsums egal: Hauptsache, die<br />

Wirtschaft brummt.<br />

Freistil<br />

Produktion: Deutschlandfunk <strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 59


19. August <strong>2009</strong> 20.00 Uhr, drS2<br />

Gerhard Meister: Vom Schwin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Schwerkraft<br />

Eine Journalistin erhält <strong>de</strong>n Auftrag ihres Lebens: Sie soll<br />

für die wichtigste Zeitung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s nach London fliegen<br />

und dort einen Rockstar interviewen. Aber alles geht<br />

schief. Dafür pflegt ein junger Mann ungehin<strong>de</strong>rt seine<br />

Passion: Er schwimmt. Aber er kommt nicht mehr von seinem<br />

Sport und <strong>de</strong>m Chlorduft <strong>de</strong>s Hallenba<strong>de</strong>s los. Je<strong>de</strong>r<br />

Mensch zappelt in seinem eigenen Lebensstress, befin<strong>de</strong>t<br />

sich im Schlepptau <strong>de</strong>r Sucht o<strong>de</strong>r ist getrieben von Ambitionen.<br />

Gerhard Meister hat zwei mo<strong>de</strong>rne Menschen<br />

porträtiert und mit ihrem Schicksal viel über die heutige<br />

Zeit erzählt.<br />

Regie: Philipp Schaufelberger<br />

Produktion: Schweizer Radio DRS, 2007<br />

23. August <strong>2009</strong> 20.05 Uhr, Deutschlandradio Kultur<br />

Anja Kempe: Benehmen Sie sich! Wie man mit guten<br />

Manieren durch schlechte Zeiten kommt<br />

Höflichkeit, Pünktlichkeit, Ordnung – in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

und Kulturen hoch geschätzte Tugen<strong>de</strong>n, in Deutschland<br />

verschmäht und vergessen. Die Klagen über fehlen<strong>de</strong> Regeln<br />

<strong>de</strong>s sozialen Umgangs bewegen die Diskurse und<br />

Gemüter. Kin<strong>de</strong>r beschweren sich über das schlechte<br />

Benehmen ihrer Eltern, in <strong>de</strong>r Arbeitswelt wird die Unanständigkeit<br />

<strong>de</strong>r Konzerne beklagt. Wissenschaftlicher<br />

for<strong>de</strong>rn bürgerliche Sitten für alle, Pädagogen werfen<br />

Reizwörter wie Respekt und Autorität in die Debatte. In<br />

zwischenmenschlich verwil<strong>de</strong>rten Zeiten scheint Einigkeit<br />

über Formeln <strong>de</strong>s Anstands schwer.<br />

Freistil<br />

Produktion: West<strong>de</strong>utscher Rundfunkt 2006<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 60


25. August <strong>2009</strong> 20.10 Uhr, Deutschlandradio Kultur<br />

Hans Magnus Enzensberger: Der tote Mann und <strong>de</strong>r<br />

Philosoph<br />

Ein berühmter Philosoph aus Yüan hält sich für sich<br />

selbst. Er reitet auf einem alten Klepper zum König von<br />

Schi, <strong>de</strong>r ihm Ruhm und Butter versprochen hat. Unterwegs<br />

fin<strong>de</strong>t er einen Totenkopf, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Schicksalsgott<br />

wie<strong>de</strong>rauferstehen lässt. Dieser ist ein Flickschuster, <strong>de</strong>r<br />

sich nicht mehr daran erinnern kann, dass er vor 500<br />

Jahren gestorben ist. Er hält <strong>de</strong>n Philosophen für einen<br />

Strauchdieb und for<strong>de</strong>rt von diesem seine Klei<strong>de</strong>r zurück.<br />

Der folgen<strong>de</strong> Streit wird mit <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r Philosophie<br />

ausgetragen, allerdings auch mittels Ohrfeigen. Der<br />

Schicksalsgott sieht sich erneut gefor<strong>de</strong>rt...<br />

Regie: Manfred Marchfel<strong>de</strong>r<br />

Produktion: WDR/HR/SFB/SWF 1978<br />

30. August <strong>2009</strong> 15.00 Uhr, Bayern 2<br />

Helmut Krausser: Dienstag<br />

Eine Dachwohnung irgendwo. Die dominante Mutter<br />

und ihr seelisch verkrüppelter Sohn warten auf die nächste<br />

„Anna“ aus <strong>de</strong>r Kontaktanzeigenzeitung. Denn alle<br />

Frauen sind „Anna“ und wollen <strong>de</strong>r Mutter <strong>de</strong>n Sprössling<br />

stehlen. Was verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n muss. Rotwein ist<br />

warmgestellt, die Rolllä<strong>de</strong>n heruntergelassen, das Mordbeil<br />

gewetzt. Aber „Anna“ heißt diesmal Elke und fügt<br />

sich ganz und gar nicht in das ihr zugedachte Schicksal,<br />

trägt selbst ein „kleines Damenbeil in <strong>de</strong>r Handtasche“.<br />

Kann sie <strong>de</strong>n Sohn davon überzeugen, dass es diesmal<br />

die Mutter erwischen sollte? Alle Akteure argumentieren<br />

um ihr Leben.<br />

Regie: Bernhard Jugel/Helmut Krausser<br />

Produktion: BR 2000<br />

Hörspiel <strong>de</strong>s Jahres 2000 lt. Deutscher Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r<br />

Darstellen<strong>de</strong>n Künste<br />

Anne Mai<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Der Wegweiser Seite 61


Die Redaktion<br />

Die Freiheit <strong>de</strong>s literarischen Experiments<br />

Unsere Zeit ist <strong>de</strong>r Freiheit nicht wohlgesonnen. Die große Mehrheit gibt sich <strong>de</strong>m<br />

Trug hin, man könne Sicherheit erwarten, wenn man sich mehr und mehr in Fesseln<br />

begibt. Die öffentlichen und privaten Stimmen rufen nach Regeln. Es braucht nur ein<br />

wahrgenommenes Verbrechen o<strong>de</strong>r ein Unglück, um aus <strong>de</strong>m Chor ein Gekreisch<br />

wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />

Dabei geht je<strong>de</strong>r Bezug zur Wirklichkeit <strong>de</strong>s Lebens verloren. Der Gesetzgeber<br />

hat nichts Besseres zu tun, als Kneipengängern die Zigarette und Jugendlichen das<br />

Solarium zu verbieten. Als ob das die Fragen<br />

wären, die über <strong>de</strong>n Fortbestand von Gesellschaft<br />

und Planet entschei<strong>de</strong>n! Überfor<strong>de</strong>rte<br />

Erzieherinnen und Lehrer lassen ihre Zöglinge<br />

nur noch in Warnwesten und mit Helm auf die<br />

Straße. Keineswegs nehmen sie zur Kenntnis,<br />

daß we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Freiherr von Drais noch <strong>de</strong>r<br />

Rest <strong>de</strong>r Menschheit solch affige Klamotten<br />

je vermißt hat, ohne sofort auszusterben. Der<br />

Bankkun<strong>de</strong> schreit nach Vorschriften, damit<br />

ihn niemand betrügen kann, wenn er versucht,<br />

glücklich <strong>de</strong>r Steuer Hinterzogenes zu Wucherzinsen auf <strong>de</strong>n Caymaninseln anzulegen,<br />

statt daß er seinen eigenen Verstand bei <strong>de</strong>r Sache betätigt.<br />

Am allermeisten übersehen wird, daß Sicherheit nicht<br />

durch Gesetze entsteht, son<strong>de</strong>rn durch Gemeinschaft. Das<br />

Briefgeheimnis war jahrhun<strong>de</strong>rtelang nur durch eins geschützt:<br />

durch die Übereinkunft, daß man die Post an<strong>de</strong>rer<br />

nicht liest. Wo diese Norm versagte, gab es kein wirksames<br />

technisches Hin<strong>de</strong>rnis mehr. Genausowenig entsteht Sicherheit<br />

nicht durch Gewalt, warum sonst wäre noch <strong>de</strong>r letzte<br />

Winkel <strong>de</strong>s schwächlichen Europa sicherer als das außen,<br />

innen und sogar in <strong>de</strong>n Familien hochgerüstete Amerika. Die<br />

Sicherheit <strong>de</strong>s Friedfertigen entsteht nur durch Worte und<br />

Papier.<br />

© Julian Rassmann/<strong>de</strong>viantart <strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Redaktion Seite 62<br />

© sabotazystka/<strong>de</strong>viantart 2008<br />

Von <strong>de</strong>r Schreibtischkante


Doch auch die Gemeinschaft erlebt heute keine gute Zeit. Der Staat ist für viele<br />

nur noch eine Art großer McDonald, <strong>de</strong>n man nicht mehr aufsucht, wenn er nicht<br />

das anbietet, was man gerne hätte. Wahlen wer<strong>de</strong>n zum Spottobjekt. Je<strong>de</strong>r brüstet<br />

sich, nicht zu wählen, weil die Politiker die Bevölkerung sowieso nur verschaukeln.<br />

Daß sie damit genau <strong>de</strong>n Betrügern, <strong>de</strong>n Berlusconis und Vaclav Klaus in die<br />

Hän<strong>de</strong> spielen, ist ihnen um <strong>de</strong>n Ruhm <strong>de</strong>r kurzen Aufmerksamkeit egal. Die alten<br />

Worte für Gemeinschaft, die Brü<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r französischen Bürger und die Solidarität<br />

<strong>de</strong>r Sozialisten, sind für die Mehrheit nur noch belächelnswert.<br />

Die eXperimenta ist eine Literaturzeitschrift und kein politisches Journal. Sie<br />

kann daher nicht unmittelbar agitatorisch in die Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen eingreifen.<br />

Aber sie wird in ihrer Ausrichtung zeigen, daß sie an diesen bei<strong>de</strong>n Grundwerten,<br />

<strong>de</strong>r Freiheit und <strong>de</strong>r Gemeinschaft, festhält.<br />

Freiheit in <strong>de</strong>r Literatur be<strong>de</strong>utet zunächst, daß es keine Vereinheitlichung <strong>de</strong>s<br />

Geschmacks gibt. Die Welt <strong>de</strong>s Schreibens ist zu reichhaltig, als daß nur eine Stilrichtung<br />

zulässig und alle an<strong>de</strong>ren zu mei<strong>de</strong>n seien. Literatur lebt, wie je<strong>de</strong> Kunst,<br />

nicht aus <strong>de</strong>r Normalität,<br />

son<strong>de</strong>rn vielmehr aus <strong>de</strong>m<br />

Experiment, <strong>de</strong>m immer<br />

wie<strong>de</strong>r neuen Schaffen<br />

von Neuem, in irgen<strong>de</strong>iner<br />

Weise noch nie Dagewesenen.<br />

In je<strong>de</strong>r Richtung gibt<br />

es Hervorragen<strong>de</strong>s, und in<br />

je<strong>de</strong>r Richtung gibt es Mist.<br />

Der Aspekt <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

kommt dann<br />

zum Tragen, wenn Literatur<br />

nicht nur präsentiert und<br />

zum Konsum gegeben<br />

wird, son<strong>de</strong>rn wenn sie zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung vorgestellt wird: zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

im Heft, mit Beiträgen weiterer Autoren, mit Kontrapunkten aus an<strong>de</strong>ren<br />

Künsten, zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung innerhalb <strong>de</strong>r Redaktion selbstverständlich, damit<br />

keinesfalls die kalte Unfruchtbarkeit eines Einheitsblatts entstehe, und zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit <strong>de</strong>n Lesern. Ein gutes Blatt muß genauso gehaßt wie geliebt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Vielfalt und die Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit sind die Quellen von Freiheit und Gemeinschaft.<br />

Kultur entsteht nur im Zusammenwirken und in <strong>de</strong>r Reibung <strong>de</strong>s Verschie<strong>de</strong>nen.<br />

Je<strong>de</strong> Art von Einheitlichkeit bringt sie zum Sterben. In diesem, und nur<br />

in diesem Sinn können unsere Leser mit <strong>de</strong>r eXperimenta rechnen.<br />

Toni Reitz<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Redaktion Seite 63<br />

© Vangel_PL/<strong>de</strong>viantart <strong>2009</strong>


Adé, Ellen<br />

Ellen Auler wird die Redaktion <strong>de</strong>r eXperimenta verlassen. Seit Mitte letzten<br />

Jahres hat Ellen im Redaktionsteam mitgearbeitet. Ohne sie wäre so manche Nummer<br />

nicht entstan<strong>de</strong>n.<br />

Ihren Schwerpunkt hatte Ellen auf <strong>de</strong>n Rubriken Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens<br />

und Das Institut. Insbeson<strong>de</strong>re viele <strong>de</strong>r Tips für Autoren wur<strong>de</strong>n erst unter ihrem<br />

kritischen Auge und durch ihre kritischen Fe<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>m, was <strong>de</strong>r Autor eigentlich<br />

damit beabsichtigte. Auch manches Illustrationskonzept wäre ohne ihre I<strong>de</strong>en und<br />

ihre geduldige Recherche nicht möglich gewesen.<br />

Daneben hat sie <strong>de</strong>n Gedanken hochgehalten, daß Kunst auch schön sein muß,<br />

um im Dienst <strong>de</strong>s Guten, Wahren und Schönen stehen zu können. Außer<strong>de</strong>m hat<br />

sie sich immer dafür eingesetzt, nicht nur <strong>de</strong>r fertigen Kunst, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r Kunst<br />

im Wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Produkten <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten von InkAS, genug Raum zu geben.<br />

Ellens Mitwirkung begann in <strong>de</strong>r Hitze eines Sommers und en<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Hitze<br />

eines Sommers. Sie wird jetzt neue Wege gehen und sich persönlichen Projekten<br />

zuwen<strong>de</strong>n. Verabschie<strong>de</strong>t hat sie sich von uns mit Zeilen aus <strong>de</strong>m Gedicht Stufen<br />

von Hermann Hesse über <strong>de</strong>n Abschied:<br />

„Es muß das Herz bei je<strong>de</strong>m Lebensrufe<br />

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,<br />

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern<br />

In andre, neue Bindungen zu geben.<br />

Und je<strong>de</strong>m Anfang wohnt ein Zauber inne.“<br />

Ich persönlich wer<strong>de</strong> die Diskussionen mit ihr und vor allem Ihre eigenständige,<br />

immer offen ausgesprochene Meinung sehr vermissen. Mach’s gut Ellen, viel Erfolg<br />

und viel Glück.<br />

Toni Reitz<br />

© bimba-in-nero/<strong>de</strong>viantart<br />

2006—<strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Redaktion Seite 64<br />

Personelles


Neu im Team: Roswitha Junker<br />

Nach<strong>de</strong>m sie schon einige Male an <strong>de</strong>r eXperimenta tatkräftig mitgewirkt hat,<br />

möchten wir die Kollegin Roswitha Junker jetzt auch offiziell als Neue im Team begrüßen.<br />

Ihn Ihrem Lebenslauf beschreibt sie sich selbst so:<br />

Roswitha Junker, geb. am 28 .05.1957 in <strong>de</strong>r Lüneburger Hei<strong>de</strong>. Umzug nach<br />

Wiesba<strong>de</strong>n mit 5 Jahren. Umzug in <strong>de</strong>n Hunsrück mit 13 Jahren.<br />

Gepr. Sekretärin und Europäische Computerexpertin. Aufgabe <strong>de</strong>r Berufstätigkeit<br />

als Geschäftsleitungs-Sekretärin nach Geburt meiner Tochter 1995. Seit<strong>de</strong>m<br />

Familienmanagerin. Zwei Hun<strong>de</strong> run<strong>de</strong>n meine Familie ab.<br />

2007 die Liebe zur Literatur, Lyrik und Theater wie<strong>de</strong>r gefun<strong>de</strong>n. Schreibe seit<br />

2008 Haiku.<br />

Lichtenberg<br />

PPrivatbild<br />

Roswitha betreut <strong>de</strong>n kritischsten Schritt<br />

<strong>de</strong>s gesamten Herstellungsprozesses, die<br />

Korrektur. Nach<strong>de</strong>m alles gesetzt ist, und<br />

die Zeitschrift praktisch fertig aussieht, liest<br />

sie das ganze Heft Zeile für Zeile, Wort<br />

für Wort noch einmal durch, um möglichst<br />

vielen Fehlern und Schlampereien <strong>de</strong>n Garaus<br />

zu machen. Keine leichte Aufgabe, mit<br />

manchmal 80.000 o<strong>de</strong>r 90.000 Zeichen<br />

vor ihr, und mit <strong>de</strong>m Erscheinungsdatum<br />

und <strong>de</strong>m Schriftleiter im Nacken.<br />

Wir freuen uns, Roswitha dabei zu<br />

haben und auf die zukünftige Zusammenarbeit.<br />

Wir sind gespannt, was die Zukunft<br />

uns bringt.<br />

Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verän<strong>de</strong>rt. Und mehr als das Blei in <strong>de</strong>r<br />

Flinte das im Setzkasten<br />

Georg Christoph Lichtenberg, zitiert nach: Typographischer Kalen<strong>de</strong>r 2010+:<br />

Mainz (Institut für Buchwissenschaft) <strong>2009</strong><br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Redaktion Seite 65


Impressum<br />

eXperimenta<br />

Zeitschrift für zeitgenössische Lyrik und<br />

Prosa<br />

Herausgegeben von: INKAS – Institut<br />

für Kreatives Schreiben im Netzwerk<br />

für alternative Medien und Kulturarbeit<br />

e.V., Magister-Faust-Gasse 37,<br />

D-55545 Bad Kreuznach und Dr.-<br />

Sieglitz-Straße 49, D-55411 Bingen,<br />

Telefon & Fax +49 (67 21) 92 10 60,<br />

E-Mail: Info@Inkas-Id.De<br />

Herausgeber: Rüdiger Heins<br />

Redaktionsanschrift: Ludwig-Ruppel-<br />

Straße 31, D-60437 Frankfurt am<br />

Main<br />

Redaktion: Ellen Auler (ea), Edgar<br />

Helmut Neumann (ehn), Toni Reitz<br />

– Schriftleitung (tr), Arabell Weigel-<br />

Hafsia (aw)<br />

Korrespon<strong>de</strong>nten: Carla Capellmann<br />

– Television (cc), Anne Mai – Hörspiel<br />

(am), Carmen Weber – Graphik und<br />

Bild (cw)<br />

Herstellung: Toni Reitz – Chef vom<br />

Dienst, Roswitha Junker – Abschlußkorrektur,<br />

Arabell Weigel-Hafsia –<br />

Grafik<br />

Auflage: 4.192<br />

Einsendungen: Literarische Beiträge<br />

bitte mit Bild und Kurzvita an<br />

<strong>Experimenta</strong>@T-Online.De. Für eingesandte<br />

Beiträge kann keine Haftung<br />

übernommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Rechte an namentlich gekennzeichneten<br />

Beiträgen liegen beim<br />

jeweiligen Autor. Alle sonstigen Rech-<br />

te liegen beim Institut für Kreatives<br />

Schreiben Bad Kreuznach und Bingen<br />

und bei ID Netzwerk für alternative<br />

Medien- und Kulturarbeit e.V.<br />

© ID Netzwerk für alternative Medien-<br />

und Kulturarbeit e.V.<br />

ISSN 1865-5661, URN:<br />

urn:nbn:<strong>de</strong>:0131-experimenta3<br />

Sollte gegen gelten<strong>de</strong>s Urheberrecht<br />

verstoßen wor<strong>de</strong>n sein, bitten wir um<br />

umgehen<strong>de</strong> Benachrichtigung.<br />

Bil<strong>de</strong>r: Nicht namentlich gekennzeichnete<br />

Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Autoren und Redakteure<br />

wur<strong>de</strong>n von ihnen selbst als Privatbil<strong>de</strong>r<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Lizenzen: GNU Free Documentation<br />

License (GNU FDL) www.fsf.org/<br />

licensing/licenses/fdl.html, Creative<br />

Commons-Lizenzen (CC) creativecommons.org,<br />

Free Art Li-cense artlibre.<br />

org/licence.<br />

In <strong>de</strong>r Rechtschreibung folgen wir jeweils<br />

<strong>de</strong>n Gepflogenheiten <strong>de</strong>s Autors.<br />

eXperimenta ist gesetzt aus <strong>de</strong>r<br />

Linotype Futura von Paul Renner.<br />

eXperimenta 08/<strong>2009</strong>: Die Redaktion Seite 66<br />

© sabotazystka/<strong>de</strong>viantart 2007

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