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Einleitung: In der physiotherapeutischen Praxis gewinnen die<br />
Themen Kommunikation und Motivation zunehmend an Bedeutung<br />
[1]. Eine Methode für Therapie und Beratung, die in der<br />
Physiotherapie noch nicht erforscht wurde, ist die Existenzanalyse<br />
und Logotherapie (EA/LT) [4, 5]. In der Medizin, Psychiatrie und<br />
Pflege ist deren Einsatz belegt, bzw. wird eine positive Wirksamkeit<br />
vermutet, insbesondere bei chronischen Krankheiten [2, 3].<br />
Mit der Theorie der vier Grundmotivationen (GM) verfügt die EA/LT<br />
über ein spezifisches Motivationskonzept. Diese vier GM bilden die<br />
Grundlage der Motivierbarkeit, werden aufgeschlüsselt in vier<br />
Grundfragen und sind durch bestimmte Voraussetzungen bedingt<br />
(Tab.1). Können die Grundfragen mit „Ja“ beantwortet werden, wird<br />
gemäss EA/LT das Leben vom Individuum trotz körperlicher<br />
Einschränkungen als sinnvoll erlebt EA/LT [6].<br />
GM Grundmotiv Grundfrage Voraussetzung<br />
1. GM<br />
Methodik: Es wurde eine qualitative Video-Analyse durchgeführt<br />
anhand zweier Videos von Kommunikationstrainings der Physio-<br />
therapieausbildung. Dabei spielten Schauspieler standardisierte<br />
Patienten (Video 1: Tumorpatient; Video 2: Patient mit Hemiplegie<br />
und Aphasie). Die Autorin war die Physiotherapeutin. Das<br />
methodische Vorgehen für Auswahl und Analyse ist in Tab. 2<br />
aufgeführt. Für Schritt 3, Einteilung in Sequenzen, wurde das<br />
Raster der Kommunikationstrainings [7] und für Schritt 4,<br />
Identifizierung der GM, die Definitionen gemäss Literatur [6]<br />
eingesetzt.<br />
Da sein können/<br />
Können<br />
Tab. 1: Die vier Grundmotivationen der EA/LT mit zugehörigem Grundmotiv,<br />
Grundfragen und Voraussetzungen [6]<br />
Schritt Vorgehen<br />
Was ist denn los?<br />
Logotherapeutische und existenzanalytische Konzepte<br />
in der physiotherapeutischen Praxis<br />
Kann ich (so) leben?<br />
1. Gezielte Auswahl von zwei Videos [8]<br />
2. Phänomenologisch-offene Betrachtung eines Videos<br />
3. Einteilung des Videos in Sequenzen<br />
4. Transkription der ersten 10 Min. der Videos<br />
5. Identifizierung der GM nach EA/LT<br />
Claudine Yvonne Romann, Betreuung: Dörte Watzek<br />
Raum,<br />
Schutz, Halt<br />
2. GM Leben mögen Mag ich (so) leben? Zuwendung<br />
3. GM Selbstsein dürfen Darf ich (so) leben? Wertschätzung<br />
4. GM Sinnvolles wollen Will ich (so) leben? Tätigkeitsfeld<br />
Daraus ergaben sich zwei Fragestellungen:<br />
1. Sind die vier Grundmotivationen der EA/LT im<br />
physiotherapeutischen Setting sichtbar?<br />
2. Welche Grundmotivationen können betroffen sein?<br />
Tab. 2: Methodik: Vorgehen bei Auswahl und Analyse der Videos aus<br />
dem Kommunikationstraining<br />
Keywords: Communication, Counseling, Motivation, Psychology<br />
Kontakt: romac1@bfh.ch<br />
Ergebnisse: Die GM nach EA/LT konnten in den Videos<br />
identifiziert werden und zwar vorwiegend Elemente der 1. GM<br />
gemäss Tab. 1: Können (Sitzen, Gehen Transfers), Raum (Sich-<br />
Aufrichten), Schutz (Armschutz), Halt (Plazieren der Füsse) und<br />
Klären der Fakten/ Bedingungen des Daseins (Beweglichkeit,<br />
Schmerzen, Schwindel und Gehhilfsmittel).<br />
Tab. 3 zeigt ein Beispiel eines transkribierten Abschnitts aus<br />
Video 1, woran einige Aspekte der 1. GM sichtbar sind.<br />
Thema Wortlaut/ Handlungen<br />
Raum<br />
(Aufrich-<br />
tung)<br />
Raum,<br />
Können<br />
Diskussion: Die GM als Element der EA/LT lassen sich als<br />
Analyse-Instrument in der Physiotherapie einsetzen. Die Dominanz<br />
der 1. GM hat ev. damit zu tun, dass die Physiotherapie den Körper<br />
als zentrales Wirkungsgebiet hat und dass es bei den schwer<br />
beeinträchtigten Patienten um basale Fähigkeiten ging (Können,<br />
Da-Sein). Diese Patientengruppe wird als Einsatzgebiet der EA/LT<br />
in der Literatur erwähnt [3]. Bei Analyse des gesamten Videos<br />
wären eventuell weitere GM zum Zug gekommen, z.B. „Was ist Ihr<br />
Ziel?“ bei Therapieende (4. GM).<br />
Studiengang Physiotherapie (BSc)<br />
Bachelorarbeit PHY06<br />
PT „Jetzt gebe ich Ihnen Druck auf beide Schultern und Sie<br />
versuchen sich aufzurichten.“ PT steht vor Pat. und gibt Druck<br />
von oben auf die Schultern des Pat.<br />
PT „Versuchen Sie mal, ob Sie ganz gerade sitzen können.“<br />
Pat richtet sich auf.<br />
Können PT „Können Sie einen Moment so bleiben?<br />
Können Pat. „Ich kann es versuchen.“<br />
Klärung d.<br />
Fakten<br />
PT geht auf die rechte Seite des Pat., nimmt dessen Arm,<br />
bewegt die Schulter endgradig in Flexion.<br />
Dto. PT „Geht das so?“<br />
Tab. 3: Themen der 1. GM in Ausschnitt aus Transkription von Video 1,<br />
Physiotherapie mit Tumorpatient (PT = Physiotherapeutin, Pat.= Patient)<br />
Schlussfolgerung: Die Grundmotivationen der EA/LT sind<br />
auch im physiotherapeutischen Setting beobachtbar. Für die<br />
Umsetzung in der Praxis werden Vorschläge für GM-geleitete<br />
Fragen gemacht: „Was hilft Ihnen, diese Tätigkeit zu tun?“ (1. GM);<br />
„Was tun Die gerne?“ (2. GM); Wenn Sie nur auf sich hören, würden<br />
Sie in die Rehabilitation gehen?“ (3. GM). Die Frage nach den GM<br />
kann damit auch in der Physiotherapie ein Instrument sein, um<br />
Potenziale und Schwierigkeiten innerhalb der Therapie zu erkennen<br />
und entsprechend zu intervenieren.<br />
Im Anschluss zu erforschen wäre, inwiefern sich eine von der EA/LT<br />
geleitete Intervention auf physiotherapeutische Parameter auswirkt<br />
(Tonus, Schmerzen, Therapiemotivation) und inwiefern sie sich von<br />
anderen Kommunikationskonzepten [1] unterscheidet.<br />
Literatur: [1] Hoos-Leistner & Balk, Gesprächsführung für Physiotherapeuten.<br />
2008; Thieme-Verlag, Stuttgart. [2] <strong>GLE</strong>, 10.03.2009;<br />
www.gle.at. [3] Mehnert, Bundesgesundheitsblatt. 2006; 49: 780-787. [4]<br />
Pubmed, 03.12.2008; www.ncbi.nlm.nih.gov. [5] PsycINFO®, 05.06.2009;<br />
www.apa.org/psychinfo. [6] Längle et al., Lehrbuch zur Existenzanalyse.<br />
2005; <strong>GLE</strong>-<strong>International</strong>, Wien. [7] Berner Fachhochschule Gesundheit,<br />
Checkliste Kommunikationstraining. 2008; Bern. [8] Patton, Qualitative<br />
Research and Evaluation Methods. 2002; Sage, California.<br />
2009