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I:\e_platte_daten\WINWORD\Bibliothek\Swoboda Hemma - AA März 03.doc<br />
Existentielle Themen psychiatrisch Kranker<br />
Dr. Hemma Swoboda, DDr. Alfried Längle, Dr. Liselotte Tutsch<br />
Universitätsklinik für Psychiatrie, Abteilung für Sozialpsychiatrie und Evaluationsforschung<br />
Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse<br />
Korrespondenz an:<br />
Dr. Hemma Swoboda<br />
Universitätsklinik für Psychiatrie<br />
Währinger Gürtel 18-20<br />
1090 Wien<br />
email:hemma.swoboda@univie.ac.at
Zusammenfassung:<br />
2<br />
In der vorliegenden Studie wurden die Anliegen von psychiatrischen Patienten an eine<br />
Therapie untersucht. Ein Fragebogen bestehend aus einer offenen Frage zu relevanten<br />
Themen und 25 in einer Pilotstudie ermittelten Themenbereichen wurde an 223 Patienten der<br />
Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien ausgegeben und die genannten Themenbereiche<br />
wurden den existentiellen Grundmotivationen zugeordnet; zusätzlich erfolgte die Erfassung<br />
von soziodemographischen und krankheitsbezogenen Daten. Außerdem wurde die Einstellung<br />
der Patienten gegenüber Psychotherapie und ihre Erfahrungen damit erfaßt. 70 ambulante, 70<br />
stationäre und 35 teilstationäre Patienten haben den Fragebogen ausgefüllt und es zeigte sich,<br />
daß die Patienten vor allem Themen im Bereich der Sicherheit und Alltagsbewältigung (erste<br />
Grundmotivation) und im Bereich Beziehungen (zweite Grundmotivation) als wichtig<br />
erachteten. Allerdings wurden auch Themen im Bereich des Selbst (dritte Grundmotivation)<br />
genannt, wohingegen Themen der sinnvollen Lebensgestaltung (vierte Grundmotivation)<br />
kaum explizit genannt wurden.<br />
Schlüsselwörter: existenzanalytisches Menschenbild, Grundmotivationen, Anliegen<br />
psychiatrischer Patienten, Psychotherapie<br />
Abstract:<br />
In the following paper the actual concepts of existential-analytical anthropology and<br />
motivation theory will be shortly overviewed before presenting an empirical study exploring<br />
the requests and problems of a sample of psychiatric patients. A questionnaire combining an<br />
open question on requests and 25 themes developed during a pilot study was handed to 223<br />
patients seeking help at the Department of Psychiatry at the University of Vienna, and the<br />
themes mentioned were classified according to the four personal-existential motivations;<br />
sociodemographic and illness-related data were also assessed, as well as the patients‘ attitude<br />
towards and experience with psychotherapy. 70 out-patients, 70 in-patients and 35 day clinic<br />
patients have responded to the questionnaire. Themes covered by the first and the second<br />
personal-existential motivation were considered as most important by the patients, but also<br />
requests concerning the third personal-existential motivation were present in the patient<br />
sample, while the search for meaning was no explicit request.<br />
Keywords: existential-analytical anthropology, personal-existential motivations, psychiatric<br />
patients‘ requests, psychotherapy
Einleitung<br />
3<br />
Die Erfassung der Erwartungen an eine Therapie und die Definition von Therapiezielen<br />
spielen im Bereich der Psychologie und Psychotherapie schon seit langer Zeit eine Rolle. Die<br />
Festlegung individueller Therapieziele ist Teil der therapeutischen Interaktion und wird als<br />
grundlegender Bestandteil des psychotherapeutischen Arbeitsvertrags angesehen [1]. Mit<br />
Hilfe von vor der psychotherapeutischen Behandlung festgelegten Therapiezielen kann nach<br />
Abschluß der Behandlung der Erfolg einer Psychotherapie anhand des Ausmaßes der<br />
erreichten Ziele beurteilt werden [2, 3]. Die vor der Therapie definierten Therapieziele der<br />
Patienten können als Prognosekriterium für den Erfolg einer Psychotherapie angesehen<br />
werden [4]. Auch in der psychiatrischen Versorgung gewinnt die Erfassung des subjektive<br />
Erlebens der Patienten in Bezug auf ihre Behandlung an Bedeutung nachdem sich die Rolle<br />
der Patienten von passiven Objekten zur aktiven Partnern in der Versorgung gewandelt hat.<br />
In den letzten Jahren wurden im Bereich der deutschsprachigen Psychiatrie und<br />
Psychotherapie einige Untersuchungen zu dem Thema publiziert, welche Anliegen und<br />
Erwartungen Patienten in bezug auf eine psychiatrische Therapie beziehungsweise<br />
Psychotherapie haben. Finke und Teusch [5] untersuchten 202 psychiatrische Patienten, die zu<br />
einer stationären Psychotherapie aufgenommen wurden mit dem<br />
„Therapieerwartungsfragebogen (TEB)“, der sechs Items enthält, die nach ihrer Wichtigkeit<br />
klassifiziert wurden. Folgende Reihenfolge der Anliegen wurde von den Forschern ermittelt:<br />
Am häufigsten wurde als Anliegen eine Steigerung von Lebensmut und Selbstvertrauen<br />
genannt, dann folgten der Wunsch nach einer Klärung der Lebensschwierigkeiten, sowie nach<br />
einem Verschwinden der Beschwerden. An vierter Stelle folgte der Wunsch nach einer<br />
Zunahme der Leistungsfähigkeit, an fünfter Stelle und sechster Stelle rangierten der Wunsch,<br />
sich selbst besser kennenzulernen und die eigene Beziehungsfähigkeit zu verbessern. Adler<br />
und Kollegen [6] untersuchten 56 Patienten der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel in<br />
bezug auf ihre vorherrschenden Probleme bzw. ihre Erwartungen an eine Behandlung in der<br />
Klinik. Die Patienten nannten am häufigsten Ängste, familiäre Konflikte,<br />
Partnerschaftsschwierigkeiten, Verlusterlebnisse, und mangelnder innerer Halt. Die<br />
wichtigsten Erwartungen an eine Therapie betrafen die Wünsche Schwierigkeiten in<br />
Gesprächen zu klären, psychische Zusammenhänge erkennen zu lernen, Selbstvertrauen zu<br />
gewinnen, die familiäre Situation bzw. die Partnerschaftssituation zu klären und wieder mehr<br />
Lebenslust zu verspüren. Heuft und Kollegen [7] befragten 82 Patienten, die sich in einer<br />
stationären Psychotherapie befanden, welche Ziele in ihrer Therapie erreicht werden sollten<br />
und ordneten die Problembereiche unterschiedlichen Kategorien zu. Am häufigsten wurden<br />
von den Patienten folgenden Themenbereiche als problematisch genannt, verbunden mit dem<br />
Wunsch nach einer Veränderung in diesen Bereichen: Psychoneurotische Inhalte (Ängste,<br />
Zwangserleben, Depressivität...), körperbezogene Inhalte (Beziehung zum eigenen Körper,<br />
Eßstörung...), Narzißtische Inhalte (Selbstwertthematik) und psychosoziale Inhalte<br />
(Beziehung zu anderen Menschen). Casper [8] analysierte die in 48 auf Tonband und Video<br />
aufgezeichneten Erstgespräche von Psychotherapiepatienten mit Therapeuten in bezug auf<br />
Bereiche, in denen in der Therapie eine Veränderung angestrebt wurde. Am häufigsten<br />
wurden die Ziele problematische Verhaltensweisen zu verändern, die Qualität von sozialen<br />
Beziehungen zu verbessern, eine neue Sicht von Gefühlen, Motiven oder Verhalten zu<br />
erarbeiten, ein besseres Selbstwert- und Identitätsgefühl zu haben, zu lernen, problematische<br />
Situationen effektiv zu bewältigen, übermäßige oder irrationale Gefühlsausbrüche zu<br />
mindern, das Erleben von Gefühlen ganz zuzulassen, die eigenen Ziele zu erkennen und zu<br />
verfolgen, und Ursachen für Probleme zu erkennen, genannt. Faller [9] befragte ebenfalls 152<br />
Patienten, die zum Erstgespräch vor einer Psychotherapie kamen bezüglich Bereichen, in<br />
denen sie eine Veränderung anstrebten und kam zu dem folgenden Ergebnis. An prominenter
4<br />
Stelle wurden folgende Wünsche genannt: meine Probleme lösen, meine Beschwerden<br />
mindern, zufriedener und gelassen werden, selbstbewußter werden, mich selbst besser<br />
verstehen, Angst bewältigen und eine Zukunftsperspektive entwickeln. Tutsch und Kollegen<br />
[10] unter dem Titel „Ist Sinn noch aktuell“ 100 Personen einer Normstichprobe der Wiener<br />
Bevölkerung (Personen aus dem Bekanntenkreis und beruflichen Umfeld) und 100 Personen<br />
einer klinischen Stichprobe (Personen mit Angststörungen, depressiven Störungen und<br />
Persönlichkeitsstörungen, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befanden) in bezug<br />
auf die Themen, die sie am meisten bewegen. Sie kamen zu folgendem Ergebnis: 37%<br />
beschäftigte vor allem die Auseinandersetzung mit sich selbst, die Selbstfindung und<br />
Selbstverwirklichung in Abgrenzung zu anderen; den zweiten Schwerpunkt bildete das<br />
Thema Beziehungen, ausgedrückt durch Wünsche nach Nähe, Geborgenheit und Wärme im<br />
Leben (32% der Stichprobe nannten Themen in diesem Bereich). Die Thematik der<br />
Sinnerfüllung war mit 13% am wenigsten vertreten. Im zweiten Teil der Studie [11] wurde<br />
von den Kollegen dann vertieft die Frage nach der Relevanz der Sinnthematik erforscht und<br />
es wurden folgende Fragen untersucht: 1. Hat sich Ihnen die Frage nach dem Sinn schon<br />
einmal gestellt? 2. In welchem Zusammenhang bzw. in welcher Situation hat sich die<br />
Sinnfrage gestellt? Die erste Frage wurde von 94% der Normstichprobe und 95% der<br />
klinischen Stichprobe positiv beantwortet, in Beantwortung der zweiten Frage wurden als<br />
Situationen, in denen die Sinnfrage auftaucht vor allem diverse Belastungssituationen wie<br />
berufliche und Beziehungskrisen, sowie negative Stimmungen, aber auch philosophische<br />
Diskussionen, Entscheidungssituationen und gesellschaftliche Probleme genannt. Aus diesem<br />
Ergebnissen läßt sich ablesen, daß die Frage nach dem Sinn, wird sie explizit gestellt,<br />
offensichtlich doch einen großen Teil der Wiener Bevölkerung, und zwar sowohl die<br />
Normstichprobe, als auch die klinische Stichprobe bewegt.<br />
In der existenzanalytischen Motivationslehre wird beschrieben, was uns in unserem<br />
Menschsein in Bewegung bringt. Viktor Frankl gibt in seinem Sinnkonzept die<br />
Sinnstrebigkeit als tiefste Motivation des Menschen an [12] ; wenn diese Motivationskraft<br />
frustriert wird, dann ist das Leben auf der menschlichen Ebene blockiert und der Mensch<br />
stürzt in ein existentielles Vakuum [13]. Die neuere Existenzanalyse [14] nennt noch drei<br />
personale Grundbedingungen, die der Sinnmotivation vorangehen und den Menschen<br />
bewegen. Es bewegt ihn 1. die Grundfrage der Existenz: Ich bin da – aber kann ich (als ganzer<br />
Mensch) da sein. Habe ich den dafür nötigen Schutz, Raum und Halt? Diesen erfährt der<br />
Mensch vor allem im Angenommensein, was ihm selbst wieder erlaubt, annehmen zu können.<br />
2. Es bewegt den Menschen die Grundfrage des Lebens: Ich lebe – aber mag ich eigentlich<br />
leben? Erlebe ich Lebendigkeit, Werte? Das Leben als Wert erfährt der Mensch vor allem<br />
durch Zuwendung, Nähe und Liebe. Das ermöglicht wiederum ihm selbst, sich anderen<br />
Menschen zuwenden zu können, was die Voraussetzung dafür darstellt, daß das eigene Leben<br />
als Wert erlebt wird. 3. Es bewegt den Menschen die Grundfrage der Person: Ich bin ich –<br />
aber darf ich so sein, wie ich bin? Erfahre ich die Achtung, den Respekt, die Wertschätzung?<br />
In dieser Achtung gründet sich der Selbstwert, der durch das Ernstgenommen werden und das<br />
aktive Einstehen für sich entsteht. Dies erleichtert wiederum, andere Menschen anerkennen zu<br />
können. Das Anerkennen können hat zur Voraussetzung die sicher Abgrenzung des Eigenen<br />
von dem anderen. Erst wenn die drei angeführten Grundbedingungen der Existenz erfüllt sind,<br />
folgt die 4. Grundmotivation: Es bewegt den Menschen die Sinnfrage der Existenz [12]: Ich<br />
bin hier – aber was soll damit werden? Was ist zu tun, damit mein Leben in einem sinnvollen<br />
Ganzen steht? Wofür lebe ich? Der Mensch erfährt Sinn durch Aufgaben und Wertangebote,<br />
durch Zugehörigkeit zu größeren Strukturen, durch Reifung seiner selbst und durch die<br />
Religion [15].
5<br />
Wie sich in der oben erwähnten empirischen Untersuchung von Tutsch und Kollegen gezeigt<br />
hat [10, 11], scheinen die Menschen heute in erster Linie mit den Voraussetzungen für ein<br />
sinnerfülltes Leben beschäftigt zu sein, und Sinn selbst scheint kein explizites Thema zu sein,<br />
wobei sich in der klinischen und der Normstichprobe unterschiedliche Themen fanden.<br />
Während die Normstichprobe vor allem mit dem Themenkreis des Selbst beschäftigt war, war<br />
in der klinischen Stichprobe neben dem Thema Selbst das Thema Beziehung sehr stark<br />
repräsentiert. Die oben erwähnte Studie wurde an Menschen mit psychischen Problemen<br />
durchgeführt, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befanden. Das Ziel dieser Studie<br />
war es, zu untersuchen, welche Themen Patienten, die an der Universitätsklinik für<br />
Psychiatrie in Wien in Behandlung stehen, bewegen, und welche Anliegen sie an eine<br />
psychiatrische Behandlung haben.<br />
Methodik<br />
Stichprobe und Vorgangsweise<br />
Drei Gruppen von Patienten, die an der Abteilung für Sozialpsychiatrie und<br />
Evaluationsforschung der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien behandelt wurden,<br />
wurden konsekutiv für die Untersuchung rekrutiert. 1. psychiatrische Akutpatienten auf einer<br />
allgemeinpsychiatrischen Station, 2. Patienten, die erstmalig die Allgemeinambulanz der<br />
Universitätsklinik aufsuchten, 3. Patienten der Tagesklinik. Die Rekrutierungzeit betrug für<br />
ambulante Patienten 6 Monate, für stationäre und teilstationäre (tagesklinische) Patienten 18<br />
Monate. Alle Patienten, die während der Rekrutierungsperiode in dem jeweiligen Setting<br />
behandelt wurden, wurden bezüglich einer Aufnahme in die Studie gescreent.<br />
Ausschlußkriterien waren das Vorliegen einer akuten Psychose, einer schweren kognitiven<br />
Beeinträchtigung, und Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz. Die Patienten<br />
erhielten den Fragebogen von einem in dem jeweiligen Setting tätigen Arzt in Ausbildung<br />
zum Facharzt für Psychiatrie. Ambulante Patienten erhielten den Fragebogen bei ihrem ersten<br />
ambulanten Gespräch, stationäre und teilstationäre Patienten erhielten ihn während der ersten<br />
Woche ihres Aufenthaltes. Die Patienten wurden gebeten, den Fragebogen auszufüllen,<br />
nachdem sie über den Zweck der Untersuchung informiert worden waren; sie erhielten auch<br />
die Möglichkeit, die Teilnahme an der Untersuchung ohne Nachteile für ihre weitere<br />
Behandlung abzulehnen.<br />
Erhebungsinstrumente<br />
Der Fragebogen zur Erhebung der Anliegen der Patienten<br />
Der Fragebogen, der in dieser Untersuchung verwendet wurde, besteht aus zwei Teilen. Im<br />
ersten Teil wird den Patienten folgende offene Frage gestellt: „Was bewegt Sie derzeit am<br />
meisten? Was sind Ihre Anliegen an eine psychiatrische Therapie?“ Die Frage wurde gestellt,<br />
bevor den Patienten ein strukturierter Fragebogen zu unterschiedlichen Themenbereichen<br />
vorgelegt wurde. Die Antworten der Patienten wurden schriftlich festgehalten. Im<br />
strukturierten Fragebogen wurden den Patienten 25 mögliche Themen angeboten, und die<br />
Patienten wurden gebeten, auf einer 7-stufigen Likert Skala (gar nicht zutreffend, nicht<br />
zutreffend, eher nicht zutreffend, unsicher, eher zutreffend, zutreffend, und völlig zutreffend)<br />
zu bewerten, inwieweit die angegebenen Items Themen betrafen, die sie beschäftigen. Der<br />
strukturierte Teil des Fragebogens war in einer Pilotstudie entwickelt worden, in die 25<br />
ambulante, 15 stationäre und 10 teilstationäre Patienten eingeschlossen worden waren. Diese<br />
Patienten hatten eine Liste mit 50 Themen erhalten und waren gebeten worden, auf einer 3stufigen<br />
Skala (stimme zu, unsicher, lehne ab) zu bewerten, inwieweit diese Items Anliegen
6<br />
betrafen, die ihnen am Herzen lagen und die in ihrer Behandlung erreicht werden sollten. Die<br />
Themen waren in Anlehnung an eine Liste empirisch ermittelter individueller Therapieziele<br />
aus dem Manual zur PSY-BADO, einem Manual zur Qualitätssicherung in der<br />
Psychotherapie [16] zusammengestellt worden. Alle Themen, die von den Patienten in der<br />
Pilotstudie mit „stimme zu“ bewertet worden waren, wurden für die Konstruktion des<br />
strukturierten Teils des endgültigen Fragebogens verwendet. Die Antworten auf die offene<br />
Frage nach den Anliegen der Patienten wurden nach den Prinzipien der qualitativen<br />
Inhaltsanalyse [17] durch Kategorienbildung ausgewertet. In einem weiteren Schritt wurden<br />
die auf die offene Frage hin bzw. im Fragebogen genannten Themenbereiche den<br />
existenzanalytischen Grundmotivationen zugeordnet.<br />
Weitere Erhebungsinstrumente<br />
Die soziodemographischen Charakteristika der Patienten wurden ebenso erfaßt wie<br />
krankheitsbezogene Informationen, wie ICD-10 Diagnose [18], Erkrankungsbeginn, Zahl der<br />
Krankenhausaufenthalte und bereits erfolgte psychiatrische und psychotherapeutische<br />
Behandlung. Die Schwere der Erkrankung wurde mit Hilfe der Global Clinical Impression<br />
Scale beurteilt, die Behinderung in 4 verschiedenen Lebensbereichen (Selbstfürsorge und<br />
Alltagsbewältigung, berufliche Funktionsfähigkeit, familiäre Funktionsfähigkeit,<br />
Funktionsfähigkeit in anderen sozialen Rollen und Aktivitäten) wurde mit Hilfe der Achse -V<br />
Dimension der ICD-10 bewertet [19]. Jeder Lebensbereich wurde auf einer 6-stufigen Skala<br />
(keine Funktionseinschränkung bis maximale Funktionseinschränkung) beurteilt. Außerdem<br />
erhielten die Patienten einen Fragebogen zu ihren Erfahrungen mit und Einstellung gegenüber<br />
Psychotherapie.<br />
Kategorisierung der Themen gemäß den vier personal-existentiellen Grundmotivationen<br />
Die von den Patienten genannten Themen wurden entsprechend der existenzanalytischen<br />
Theorie den 4 Grundmotivationen zugeordnet. Die Kategorisierung erfolgte in Anlehnung an<br />
die von Tutsch und Kolleginnen in ihrer empirischen Untersuchung verwendeten Kategorien<br />
[10], die nachfolgend beschrieben werden:<br />
Erste Kategorie (=1.GM)<br />
In diese Kategorie fallen alle Antworten, die sich auf existentielle Fragen des Lebens<br />
beziehen – Fragen der Sicherheit auf dieser Welt bzw. des Überlebens – bezogen. Dazu<br />
gehören Fragen der täglichen Alltagsbewältigung: finanzielle Sorgen, Wohnungssorgen,<br />
Jobängste. Vor allem aber sind das Fragen und Sorgen zur eigenen Gesundheit. Neben den<br />
Fragen zum ganz konkreten eigenen Lebenserhalt zählen dazu auch die sogenannten „großen“<br />
Themen, die sich auf Ängste bezüglich der Gegenwart und der Zukunft beziehen. Das<br />
vorherrschende Gefühlspaar dieser Grundmotivation ist Angst versus sich sicher fühlen.<br />
Zweite Kategorie (=2.GM)<br />
In diesen Bereich fallen alle Angaben, die mit dem Erleben von Wertvollem und den<br />
Voraussetzungen dafür zu tun haben. Solche Werte werden vor allem in Beziehungen mit<br />
anderen Menschen erfahren. Hierher gehören auch Sehnsucht nach Nähe, Zuwendung, Liebe,<br />
Geborgenheit, und Wärme; emotional umfaßt diese Grundmotivation das Spüren von Leben<br />
und Lebendigkeit, das im erfüllten, ersehnten Bereich als Freude, Liebe, und Leidenschaft<br />
erlebt wird, im leidvollen aber Sorge und Trauer mit sich bringt.<br />
Dritte Kategorie (=3.GM)
7<br />
Hier rückt die Individualität des Menschen, die Entfaltung seiner ganz ihm eigenen<br />
Persönlichkeit, in Abgrenzung zu seinem Umfeld in den Blickpunkt. Die zentrale Motivation<br />
liegt hier darin, das Eigene leben zu können und dabei Respekt, Wertschätzung und<br />
Anerkennung zu erfahren. „Selbstwert“ ist das unmittelbare Ergebnis einer gelungenen<br />
Selbstentfaltung. Dazu gesellen sich Gefühle wie Stolz auf sich, Zufriedenheit, sich bestätigt<br />
und anerkannt fühlen. Im negativen Bereich, wenn also Selbstentfaltung behindert wird, wird<br />
das durch Ärger und Neid auf andere sichtbar.<br />
Vierte Kategorie (=4.GM)<br />
Diese Kategorie befaßt sich mit dem Streben des Menschen nach Sinn. Dieser Kategorie<br />
werden all jene Angaben zugeordnet, die sich mit der Frage und dem Erspüren des Sinnvollen<br />
in einer Situation auseinandersetzt, in dem Sinne, daß der Betroffene spürt, wo es hingehen<br />
soll, was gut für ihn ist, und was sein Weg im Leben ist.<br />
Datenauswertung<br />
Die Daten wurden einerseits deskriptiv-statistisch ausgewertet, andererseits wurden Chi-<br />
Square Tests und nicht parametrische statistische Testverfahren, wie der Mann-Whitney U-<br />
Test verwendet. Alle Analysen erfolgten mit dem Superior Performing Software System<br />
(SPSS 8.0 for Windows 95/NT).<br />
Ergebnisse<br />
Antwortrate, soziodemographische und klinische Charakteristika der Stichprobe<br />
90 ambulante (von insgesamt 118), 95 stationäre (von insgesamt 102) und 38<br />
Tagesklinikpatienten (von insgesamt 59) der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien<br />
wurden in die Studie eingeschlossen und erhielten den Fragebogen. Die Patienten, die von<br />
einer Teilnahme an der Studie ausgeschlossen wurden waren entweder akut psychotisch,<br />
kognitiv zu sehr beeinträchtigt, um einen Fragebogen auszufüllen, oder waren der deutschen<br />
Sprache nicht ausreichend mächtig. In der Tagesklinik wurden 8 Patienten aufgrund knapper<br />
personeller Ressourcen und Zeitmangel nicht eingeschlossen. Von den insgesamt 223<br />
Patienten, denen der Fragebogen ausgeteilt wurde, gaben 70 ambulante (77,8%), 70 stationäre<br />
(78,9%) und 35 teilstationäre (92,11%) Patienten verwertbare Antworten.<br />
Die soziodemographischen und diagnostischen Charakteristika der Stichprobe werden in den<br />
Tabellen 1 und 2 präsentiert.<br />
Die spontanen Antworten der Patienten<br />
Im Mittel wurden von den Patienten spontan 2,26 ± 2,03 Themen, die sie derzeit beschäftigen,<br />
genannt. 136 Patienten (77,7%) nannten zumindest ein Thema, 71 Patienten (40,6%) nannten<br />
3 oder mehr Themen. Wie in Tabelle 3 dargestellt wurden von den Patienten der<br />
unterschiedlichen Diagnosegruppen 38 unterschiedliche Bereiche genannt.<br />
Die von den Patienten aller Gruppen am häufigsten genannten Bereiche waren eine Belastung<br />
durch psychische Beschwerden (52, 38,2%), der Wunsch, wieder gesund zu werden (32,<br />
23,5%), Fragen der medikamentösen Behandlung (28, 20,6%), eine Belastung durch<br />
körperliche Beschwerden (21, 15,4%), Schwierigkeiten am Arbeitsplatz (18, 13,2%) und der<br />
Wunsch, zu lernen, besser mit Symptomen umzugehen (15, 11,0%). Nach<br />
existenzanalytischer Terminologie handelt es sich hierbei um Themen, die im Bereich der<br />
ersten Grundmotivation angesiedelt sind, Bereiche also, die sich mit Gesundheit und
8<br />
Krankheit des Körpers bzw. den Bedingungen des Überlebens in dieser Welt beschäftigen.<br />
Dann folgten jedoch bereits Themenbereiche der anderen Grundmotivationen, und zwar der<br />
zweiten Grundmotivation, mit dem Wunsch, nach mehr Lebensqualität (24, 17,6%), dem<br />
Wunsch nach Geborgenheit und Zuwendung (16, 11,8%) und dem Wunsch, mit sich in<br />
Dialog zu kommen (12, 8,8%). Auch Themen der dritten Grundmotivation waren vertreten<br />
mit dem Wunsch, ein Leben, ganz nach den eigenen Vorstellungen zu führen (13, 9,5%), ein<br />
Wunsch, der auch einen Anteil der vierten Grundmotivation enthält, und der Wunsch,<br />
unabhängig und selbstständig zu werden (11, 8,1%). Themen der vierten Grundmotivation<br />
wurden nur in geringem Ausmaß genannt und betrafen den Wunsch, sein Leben sinnvoll zu<br />
gestalten (7, 5,1%), sowie spirituelle Themen (1, 0,7%), auch der Umgang mit<br />
Suchtproblematik (6, 4,4%) könnte aus existenzanalytischer Sicht der vierten<br />
Grundmotivation zugeordnet werden.<br />
Es fanden sich als Antworten auf den Fragebogen zu spontan genannten Themen auch<br />
Antworten, die sich auf Wünsche oder Erwartungen an eine Behandlung im Krankenhaus<br />
bezogen: So äußerten 9 Patienten (6,6%) den Wunsch nach einer guten therapeutischen<br />
Beziehung (2. GM), 8 Patienten (5,9%) suchten Unterstützung in praktischen und<br />
administrativen Angelegenheiten (z.B. Hilfe im Umgang mit Behörden)(1.GM), und 3<br />
Patienten (2,2%) wünschten sich, in Kontakt mit Leuten mit ähnlichen Problemen zu kommen<br />
(2.GM).<br />
Spontan genannte Themen im Geschlechtervergleich<br />
Bei den befragten Männern nannten 17 Patienten (25,0%) kein Thema, das sie besonders<br />
beschäftigt, 18 (26,5%) nannten ein Thema, 3 oder mehr Themen wurden von 21 Patienten<br />
(30,9%) genannt, wobei die höchste Anzahl an genannten Themen 8 Themen betrug.<br />
Die wichtigsten Themen bei den Männern waren in der folgenden Reihenfolge: die Belastung<br />
durch psychische Symptome zu vermindern (20, 39,2%), wieder gesund zu werden (12,<br />
23,5%), und die Belastung durch körperliche Symptome zu vermindern (11, 21,6%), gefolgt<br />
von Fragen der Medikation (9, 11,8%), dem Wunsch nach einer Verbesserung der<br />
Lebensqualität (9, 11,8%), dem Wunsch, über ihre Erkrankung informiert zu werden (8,<br />
15,7%) und mit sich in Dialog zu kommen (5, 9,8%). Auffällig war, daß der Umgang mit<br />
Suchtproblematik bei Männern (5, 9,8%) eher ein Thema war als bei Frauen (1, 1,2%).<br />
Bei den Frauen nannten 22 Patientinnen (20,6%) kein Thema, 18 (16,8%) nannten ein Thema,<br />
46 Patientinnen (46,5%) nannten 3 oder mehr Themen; die höchste Anzahl an genannten<br />
Themen betrug bei den Frauen 10. Ebenso wie die Männer nannten die Frauen an erster Stelle<br />
den Wunsch, die Belastung durch psychische Symptome zu vermindern (32, 37,6%), gefolgt<br />
von den Anliegen, wieder gesund zu werden (20, 23,5%), sowie Fragen der Medikation (19,<br />
22,4%). Dann folgten der Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensqualität (15, 17,6%),<br />
sowie der Bereich Probleme am Arbeitsplatz (14, 16,5%), ein Thema, das erstaunlicherweise<br />
bei den Männern kaum vertreten war (4, 7,8%). Weitere wichtige Themen, die von Frauen<br />
genannt wurden, bei den Männern aber kaum von Bedeutung waren, waren die Sehnsucht<br />
nach Geborgenheit und Zuwendung (4 Männer, 7,8% und 12 Frauen, 14,1%, fühlten sich<br />
durch das Thema angesprochen), sowie der Wunsch, zu lernen mit seinen Symptomen<br />
umgehen zu lernen (2 Männer, 3,9%, und 15 Frauen, 17,6%, nannten spontan diesen Bereich).<br />
Ein weiterer Bereich, der vor allem von Frauen angesprochen wurde, war der Wunsch, ein<br />
selbstständiges und unabhängiges Leben zu führen (9 Frauen, 10,6%, versus 2 Männer, 3,9%,<br />
nannten spontan dieses Thema).
9<br />
Wenn man also die von Männern und Frauen spontan genannten Themen vergleicht, stellt<br />
man fest, daß die Frauen etwas mehr spontane Themen nennen konnten, es haben auch mehr<br />
Frauen als Männer den Fragebogen ausgefüllt. In der Hierarchie der wichtigsten Themen fand<br />
sich kein Unterschied zwischen den Geschlechtern, beide waren vor allem mit Themen der<br />
ersten und zweiten Grundmotivation beschäftigt. Unterschiede ergaben sich in der<br />
Beschäftigung mit Sucht, die ein fast rein männliches Thema zu sein schien, wohingegen<br />
Frauen mehr an den Themen wie Geborgenheit, aber auch Unabhängigkeit und<br />
Schwierigkeiten am Arbeitsplatz interessiert waren.<br />
Spontan genannte Themen bei Patienten mit schizophrenen und affektiven Psychosen<br />
Für Patienten mit affektiven Störungen war der Bereich eines „besseren Lebens“ wichtig, sie<br />
legten den Schwerpunkt auf eine Verbesserung der Lebensqualität (14, 10,3%), weiters waren<br />
sie durch körperliche Symptome belastet (14, 10,3%), eine große Rolle spielte auch der<br />
Wunsch nach Geborgenheit und Zuwendung (11, 8,1%). Bei dieser Gruppe, die vor allem<br />
Patienten mit depressiven Störungen umfaßte, kommt neben der ersten Grundmotivation die<br />
zweite Grundmotivation ins Spiel, das heißt es geht den Patienten um den Grundwert, das<br />
Erleben von Lebendigkeit und Begegnung, um die Erfahrung, daß das Leben gut ist. Patienten<br />
mit schizophrener Psychose wiederum nannten spontan als wichtige Bereiche vor allem<br />
Themen im Bereich der ersten Grundmotivation, wie Schwierigkeiten am Arbeitsplatz (10,<br />
7,3%), das Anliegen, Informationen über ihre Erkrankung zu bekommen (6, 4,4%), und<br />
Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen (4, 2,9%). Allerdings fand sich auch in dieser<br />
Gruppe das Thema der zweiten Grundmotivation, repräsentiert durch den Wunsch, die<br />
Beziehung zur Familie zu verbessern (4, 2,9%), wobei hier die Patienten vor allem die<br />
Sehnsucht nach menschlichem Kontakt formulierten; jedoch auch die Frage der Abgrenzung<br />
des Eigenen vom Anderen und die Wahrung der Privatsphäre im familiären Kontext, also ein<br />
Bereich der dritten Grundmotivation spielten eine wichtige Rolle. Dieses Ergebnis überrascht<br />
kaum, da ja bekannt ist, daß die sozialen Beziehungen von schizophrenen Patienten häufig auf<br />
die enge Beziehung zum familiären Umfeld beschränkt sind und diese Beziehungen oft sehr<br />
konfliktbesetzt sind.<br />
Patienten, die angegeben hatten, bereits eine Psychotherapie absolviert zu haben, zeigten<br />
keine größere Wahrscheinlichkeit, spontan einen Bereich zu nennen, der sie beschäftigt,<br />
(chi2=2,25, p=0,13), allerdings konnten sie im Mittel mehr spontane Anliegen nennen als<br />
Patienten ohne Psychotherapieerfahrung (2,88 vs. 1,85, t=-3,35, p=0,001). Auch gaben<br />
Patienten, die bereits eine Psychotherapie absolviert hatten, häufiger an, bereits darüber<br />
nachgedacht zu haben, welche Themen in ihrem Leben eine Rolle spielen als Patienten ohne<br />
Psychotherapieerfahrung (chi2=4,39, p=0,036).<br />
Antworten auf den strukturierten Fragebogen<br />
Die Antworten auf den strukturierten Fragebogen wurden in Tabelle 4 dargestellt; aus<br />
didaktischen Gründen wurde die 7-stufige Likert-Skala in eine 5-stufige Skala übergeführt<br />
(gar nicht zutreffend, nicht zutreffend, unsicher, zutreffend, völlig zutreffend). Die<br />
prominentesten Themen waren wieder gesund zu werden (94,2% sehr zutreffend oder<br />
zutreffend, 1.GM), die Lebensqualität zu verbessern (92,0%, 2.GM), Rat und Hilfe zu<br />
bekommen (94,9%, 1.GM) und den Umgang mit Symptomen zu lernen (89,9%, 1. GM, dieser<br />
Punkt zeigt auch den Wunsch, Stellung gegenüber seinen Symptomen zu beziehen). Weitere<br />
wichtige Ziele betrafen den Wunsch nach Optimierung der medikamentösen Einstellung<br />
(90,8%, 1.GM) und den Wunsch der Patienten, ihr Potential bestmöglich zu nutzen (88,5%, 3.<br />
GM).
10<br />
Ein Vergleich zwischen den Geschlechtern in bezug auf die im strukturierten Fragebogen<br />
genannten Themen ergab keine signifikanten Unterschiede (Mann-Whitney U-Test). Im<br />
Gegensatz dazu zeigten sich im Vergleich zwischen den Themen, die von Patienten mit<br />
schizophrener Psychose genannt wurden mit jenen, die von Patienten mit affektiven<br />
Erkrankungen genannt wurden, zahlreiche signifikante Ergebnisse (Tab.5). Wie sich auch<br />
schon bei den spontanen Antworten gezeigt hatte, erachteten Patienten mit affektiven, das<br />
heißt vor allem depressiven Störungen, vor allem Ziele mit dem Schwerpunkt im Bereich der<br />
zweiten Grundmotivation als bedeutend. So nannten sie häufiger als schizophrene Patienten<br />
das Anliegen, ihre Lebensqualität zu verbessern, also den Wert des Lebens zu spüren<br />
(p=0,007), den Wunsch nach Geborgenheit (p=0,007) und den Wunsch mit Trauma und<br />
Verlust umzugehen (p=0,046). Allerdings wurden von den depressiven Patienten auch<br />
Themen im Bereich der ersten Grundmotivation und dritten Grundmotivation genannt: Sie<br />
nannten häufiger als schizophrene Patienten die Anliegen, eine Besserung körperlicher<br />
Symptome zu erreichen (1.GM)(p=0,009), das eigene Potential bestmöglich zu nutzen<br />
(3.GM)(p=0,009), und selbstständig und unabhängig zu werden (3.GM)(p=0,016). Patienten,<br />
die an einer schizophrenen Psychose litten nannten als prioritäre Themen häufiger Themen,<br />
die in den Bereich der ersten Grundmotivation fielen, wie Belastung durch finanzielle<br />
Angelegenheiten (p=0,012) und Wohnangelegenheiten (p=0,024), aber auch durch zu wenig<br />
Sozialkontakte (p=0,007, 2.GM).<br />
Gegenüberstellung der spontan genannten Themen und der Antworten auf den strukturierten<br />
Fragebogen<br />
Als Antwort auf die Frage nach den Themen, die die Patienten am meisten bewegen wurden<br />
spontan 15 Themen im Bereich Lebens-und Alltagsbewältigung (1.GM), 11 im Bereich<br />
Beziehungen (2.GM), 8 im Bereich des Selbst (3.GM) und 3 im Bereich sinnvolle<br />
Lebensgestaltung (4.GM) genannt. Der unstrukturierte und der strukturierte Fragebogen<br />
ergaben von der Reihung der Themen nach ihrer Wichtigkeit her sehr ähnliche Ergebnisse:<br />
Themen der ersten Grundmotivation als Grundbedingungen des Daseinkönnens, wie wieder<br />
gesund zu werden, symptomfrei zu werden, zu lernen mit Symptomen umzugehen und Fragen<br />
der medikamentösen Behandlung wurden am häufigsten genannt, gefolgt von der Sehnsucht<br />
danach, die Lebensqualität zu verbessern und dadurch den Wert des Lebens zu spüren<br />
(2.GM). Ziele, die vor allem die zweite und dritte Grundmotivation betrafen, lagen, der<br />
Hierarchie der Grundmotivationen folgend, in der Mitte der Prioritätsliste der Patienten, ein<br />
Hinweis darauf, daß zuerst die basalen Grundbedingungen von Existenz erfüllt sein müssen,<br />
bevor der Mensch offen ist für weitere Themen. Die von den Patienten in beiden Fragebögen<br />
als wichtig erachteten Themen im Bereich der zweiten Grundmotivation betrafen den<br />
Wunsch, mit sich in Dialog zu kommen, den Wunsch nach Geborgenheit, nach mehr sozialen<br />
Beziehungen und den Wunsch, im Umgang mit Verlust Hilfe zu erlangen. Themen im<br />
Bereich der dritten Grundmotivation, die in beiden Fragebogen genannt wurden beschäftigten<br />
sich mit dem Selbstwert und der Selbstannahme zu steigern, mit dem Wunsch, sein<br />
persönliches Potential bestmöglich zu nutzen, und selbstständig und unabhängig zu werden.<br />
Aus dem Bereich der vierten Grundmotivation wurde in beiden Fragebogen das Thema eines<br />
sinnvollen Lebens genannt, unter den Antworten auf die offene Frage nannte eine Person die<br />
Beschäftigung mit religiösen Themen.<br />
Erfahrung mit und Einstellung zur Psychotherapie<br />
In unserer Untersuchung wurden die Patienten auch nach ihrer Erfahrungen mit und<br />
Einstellung zur Psychotherapie gefragt, wobei sich folgende Ergebnisse zeigten:
11<br />
92 Patienten (52,6%, 36 Männer, 56 Frauen) gaben an, bereits eine Psychotherapie absolviert<br />
zu haben, allerdings sind diese Angaben wahrscheinlich nicht sehr reliabel, da generell bei<br />
Patienten eine große Unsicherheit darüber besteht, was die Kriterien einer Psychotherapie<br />
sind. Viele haben mit Psychotherapie wohl eher supportiv orientierte ärztliche oder<br />
psychologische Gespräche gemeint. Eine noch größere inhaltliche Unsicherheit, die jedoch<br />
angesichts des weitgefächerten österreichischen Spektrums an angebotenen<br />
Therapierichtungen verständlich ist, zeigte sich in bezug auf die von den Patienten<br />
angegebene Therapierichtung. 66 Patienten (37,7%) gaben eine spezifische<br />
Psychotherapierichtung an, wobei die unterschiedlichen Richtungen in den Angaben der<br />
Patienten wie folgend verteilt waren: 6 Patienten nannten tiefenpsychologische Verfahren, 5<br />
Patienten systemische Verfahren, 12 Patienten nannten die Verhaltenstherapie, 6 Patienten<br />
nannten die Gestalttherapie, 4 Patienten gaben an, eine existenzanalytische Therapie<br />
absolviert zu haben, das Katathyme Bilderleben und die personzentrierte Therapie wurden je<br />
einmal genannt. Das am häufigsten genannte Verfahren war die Gesprächstherapie, die von<br />
35 Patienten genannt wurde. Allerdings handelte es sich hierbei sicher nicht bei allen<br />
Patienten um eine klassische Gesprächstherapie nach Rogers, sondern hinter dieser Zahl<br />
dürften sich unterschiedliche Formen von psychologischer Unterstützung vom supportiven<br />
Gespräch bis zur klassischen Psychotherapie verbergen.<br />
Eine weitere Frage an die Patienten bezog sich auf deren Einstellung zur Psychotherapie und<br />
ihre Erfahrungen damit. Wie die in Tabelle 6 dargestellten Ergebnisse zeigen, äußerten die<br />
Patienten der drei großen Diagnosegruppen generell eine äußerst positive Einstellung<br />
gegenüber Psychotherapie. Nicht nur Patienten mit affektiven und neurotischen Störungen,<br />
von denen man generell eher eine positive Haltung gegenüber Psychotherapie erwarten<br />
würde, standen in mehr als 80% der Fälle psychotherapeutischen Verfahren positiv<br />
gegenüber, sondern auch 76% der an einer schizophrenen Psychose leidenden Patienten<br />
befürworteten die Psychotherapie.<br />
Ein deutlicher Unterschied zwischen den Diagnosegruppen zeigte sich in der subjektiven<br />
Beurteilung der Wirksamkeit von Psychotherapie durch die Patienten. Während Patienten mit<br />
neurotischen und sonstigen Störungen den Effekt von Psychotherapie in der Hälfte der Fälle<br />
positiv beurteilten, fiel die Bewertung bei Patienten mit affektiven Störungen (39% positiv)<br />
oder schizophrener Psychose (35,2%) etwas negativer aus.<br />
Diskussion<br />
In dieser Untersuchung wurden Patienten der psychiatrischen Universitätsklinik in Wien, die<br />
in drei unterschiedlichen Settings behandelt gefragt, welche Themen sie derzeit am meisten<br />
beschäftigten und welche diesbezüglichen Anliegen sie an eine psychiatrische Behandlung<br />
hätten. Um ein möglichst komplettes Bild der Themen, die die Patienten beschäftigen, zu<br />
bekommen wurde ein kombinierter Ansatz gewählt, indem eine offene Frage und ein<br />
strukturierter Fragebogen eingesetzt wurden. Patienten mit unterschiedlichen Diagnosen und<br />
verschiedenen Graden von Behinderung wurden in die Untersuchung eingeschlossen; die<br />
Mehrzahl der Patienten litt an Schizophrenie, depressiven Störungen und neurotischen<br />
Störungen. Die Werte auf den Behinderungsskalen erstreckten sich von keiner und leichter<br />
Behinderung zu schwerer Behinderung, wobei die Patienten in tagesklinischer Behandlung<br />
die am stärksten behinderte Gruppe darstellte.<br />
Die Herangehensweise einer konsekutiven Rekrutierung wurde angewendet, um die<br />
Möglichkeit eines Bias in der Auswahl der Patienten zu vermeiden. Die Antwortrate von<br />
78,5% der gesamten Stichprobe war sehr zufriedenstellend und ist vergleichbar mit anderen<br />
Studien, in denen die subjektive Meinung der Patienten, ihre Wünschen und Anliegen
12<br />
untersucht wurden [20, 21, 22]. Die Tatsache, daß auch eine große Zahl von Patienten mit<br />
schizophrener Psychose (30,8%) den Fragebogen beantwortete zeigt, daß es möglich ist, mit<br />
einer geeigneten Methodik auch die Themen, die diese schwer gestörten Patientengruppe<br />
beschäftigen, zu identifizieren. Die Einschlußrate unter stationären Patienten (93,2%) war<br />
deutlich höher als jene unter ambulanten Patienten (76,3%); die geringste Einschlußrate fand<br />
sich unter tagesklinischen Patienten (64,4%). Dieses Ergebnis kann teilweise damit erklärt<br />
werden, daß akut kranke Patienten im stationären und teilstationären Bereich erst nach einer<br />
gewissen Zeitspanne (längstens einer Woche) mit dem Fragebogen konfrontiert wurden.<br />
Andererseits war diese Zeitspanne für die doch schwer und chronisch kranken schizophrenen<br />
Patienten der Tagesklinik in bezug auf ihre Möglichkeiten, sich zu dem Thema zu äußern<br />
offensichtlich nur von limitiertem Wert. Auch der Mangel an Personalressourcen in diesem<br />
Setting, wo aus Zeitmangel einige der Patienten von vornherein nicht in die Untersuchung<br />
eingeschlossen wurden, hatte sicher einen Einfluß auf die relativ schlechte Antwortrate in der<br />
Tagesklinik. Die Akzeptanz des Fragebogens wurde sicherlich dadurch erhöht, daß er relativ<br />
kurz gehalten ist, mit einer offenen Frage zu den vorherrschenden Themen und 25 Items im<br />
strukturierten Teil. Auch die Tatsache, daß der Fragebogen von Ärzten ausgegeben wurde, die<br />
im jeweiligen Setting beschäftigt waren, hat die Responserate sicher positiv beeinflußt. Ein<br />
Nachteil dieser Herangehensweise ist, daß ein positiver Responsebias nicht ausgeschlossen<br />
werden kann, wenn Fragebögen, die Anliegen von Patienten betreffen, von Personen<br />
ausgegeben wird, die in dem jeweiligen Setting arbeiten [23].<br />
Eine methodische Schwäche dieser Untersuchung, die sie jedoch mit manchen anderen<br />
Untersuchungen dieser Art teilt, ist die Verwendung eines nicht standardisierten Fragebogens,<br />
wodurch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse untereinander erschwert wird. Die Entwicklung<br />
eines neuen Fragebogens auf der Basis eines bereits bestehenden Instruments war aber aus<br />
unserer Sicht notwendig, da die in der Psychotherapie zur Erfassung von Anliegen von<br />
Patienten verwendeten Instrumente für psychiatrische Patienten nur bedingt geeignet sind und<br />
es bisher kein geeignetes Instrument für die Befragung dieser Patientengruppe gibt. Auch die<br />
Ergebnisse auf die Fragestellung bezüglich der Erfahrungen der Patienten mit Psychotherapie<br />
und deren Einstellung dazu sollte aufgrund er zahlreichen methodischen und inhaltlichen<br />
Unklarheiten in bezug auf die Definition von Psychotherapie, die den meisten psychiatrischen<br />
Patienten wahrscheinlich nicht geläufig ist, nur als eine subjektive Meinungsäußerung als<br />
erste Orientierung interpretiert werden. Eine Stärke der Untersuchung ist die Kombination<br />
von qualitativer und einer quantitativer Methodik in Form einer offen gestellt Frage mit einem<br />
nachfolgenden strukturierten Fragebogen. Dieser Ansatz erlaubt, die Vorteile beider<br />
Erhebungsmethoden zu vereinen: Einerseits ermöglicht eine offene Frage, insbesondere, wenn<br />
sie gestellt wird, bevor der strukturierte Fragebogen ausgegeben wird, die Fülle zu wahren<br />
und nicht von vornherein Themenbereiche auszuschließen, andererseits ist der strukturierte<br />
Ansatz günstig für Patienten mit kognitiven Defiziten, beziehungsweise hilfreich für jene<br />
Menschen, die wenig Erfahrung mit Psychotherapie oder psychiatrischer Therapie haben, und<br />
kann ihnen als Denkanstoß dienen.<br />
Ein weiterer Punkt, der erwähnt werden sollte, betrifft die Kategorisierung der von den<br />
Patienten genannten Themen gemäß den personalen Grundmotivationen. Obwohl die<br />
Kategorisierung nach der Vorlage einer empirischen Untersuchung mit einer ähnlichen<br />
Fragestellung erfolgte [10] erfolgte, erwies es sich in unserer Untersuchung teilweise als<br />
schwierig, die Themen den unterschiedlichen Grundmotivationen zuzuordnen. Fallweise<br />
konnten die genannten Themen nicht eindeutig einer bestimmten Grundmotivation zugeordnet<br />
werden und es ergaben sich Überschneidungen zwischen den vier Dimensionen.
13<br />
Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, daß die Patienten, die die psychiatrische<br />
Universitätsklinik aufsuchen nicht passive Konsumenten des Gesundheitssystems sind,<br />
sondern eine sehr genaue Vorstellung davon haben, welche Themenbereiche für sie vorrangig<br />
sind und welche Anliegen sie an eine Behandlung haben. Diese Tatsache zeigt sich neben der<br />
hohen Responserate auch darin, daß der Großteil der Patienten, nämlich 74,8% angaben, sich<br />
mit der Frage nach wichtigen Themenbereichen im Leben schon beschäftigt zu haben. Die<br />
Antworten auf den unstrukturierten und den strukturierten Teil des Fragebogens waren sehr<br />
ähnlich. Es zeigte sich, daß es gewisse Grundthemen gab, die psychiatrisch kranke Menschen<br />
als vorrangige Anliegen formulierten. Diese Ziele lagen vor allem im Bereich der ersten<br />
Grundmotivation und befaßten sich vorrangig mit den Grundbedingungen des Daseinkönnens,<br />
mit Symptomfreiheit und Gesundheit, sowie mit Themen der Alltagsbewältigung und der<br />
Arbeit. In zweiter Linie wurden dann Ziele genannt, die vor allem in die zweite<br />
Grundmotivation hineinfallen, wie die Sehnsucht, den Wert des Lebens zu spüren, sowie<br />
Geborgenheit zur erfahren, und in Beziehung zu anderen Menschen zu treten. Auch der<br />
Wunsch nach Selbstdistanzierung, also sich selbst gegenüberzutreten war präsent in dem<br />
Wunsch, mit sich in Dialog zu kommen, oder zu lernen, besser mit seinen Symptomen<br />
umzugehen. Im Unterschied zu der Studie von Tutsch und Kollegen [10] in der die Menschen<br />
in der klinischen Gruppe vor allem mit Themen der zweiten und in zweiter Linie mit Themen<br />
der dritten Grundmotivation beschäftigt waren, zeigte sich in unserer Stichprobe eine<br />
deutliche Dominanz der Themen der ersten Grundmotivation, bei jedoch auch deutlichem<br />
Vorliegen von Themen im Bereich der zweiten Grundmotivation. Dieses Ergebnis könnte so<br />
interpretiert werden, daß unsere Stichprobe mit psychiatrisch kranken Menschen, die eine<br />
Behandlungsinstitution aufsuchten schwerer beeinträchtigte Menschen enthielt als die in der<br />
Studie von Tutsch und Kollegen untersuchte Stichprobe, in der sich Menschen befanden, die<br />
eine ambulante Psychotherapie absolvierten. Im Unterschied zu den von Tutsch und Kollegen<br />
untersuchten Menschen handelte es sich bei den von uns untersuchten Patienten, mit einem<br />
doch bedeutenden Anteil an Patienten mit schizophrener Psychose zu einem großen Teil um<br />
schwerkranke Patienten, bei denen oft nicht einmal die Basis des existentiellen Seinkönnens<br />
gesichert ist, so daß sie vor allem durch Fragen des Überlebenkönnens bewegt sind, und den<br />
Blick gar nicht frei haben für Ziele, die sich mit einer individuellen und zufriedenstellenden<br />
Lebensgestaltung befassen. Trotzdem war auch in unserer Stichprobe das Thema „ich selbst<br />
und der andere“, also ein Bereich der dritten Grundmotivation, repräsentiert, ausgedrückt vor<br />
allem im Wunsch nach Entfaltung des eigenen Potentials und der Verbesserung des<br />
Selbstwerts, aber auch dem Ziel, von anderen unabhängig und selbstständig zu werden.<br />
Allerdings sind dies sicher Bereiche, die vor allem von „klassischen Psychotherapiepatienten“<br />
als sehr wichtig bewertet werden, wie Tutsch und Kollegen in der oben erwähnten<br />
Untersuchung herausgefunden haben. Wie auch in der erwähnten Untersuchung wurden<br />
Themen der vierten Grundmotivation in unserer Studie kaum explizit genannt. Offensichtlich<br />
erfordert im alltäglichen Leben der Umgang mit sich, das Gestalten von Beziehungen und das<br />
sich Behauptenkönnen gegenüber anderen so viel Aufmerksamkeit, daß das Thema der<br />
vierten Grundmotivation ins Hintertreffen gerät. Gerade bei psychiatrischen Patienten, die ja<br />
unter einer Vielzahl von Problemen und Störungen leiden und so mit den Themen der ersten<br />
drei Grundmotivationen noch problematisch beschäftigt sind, scheint dieses Verhaftetbleiben<br />
in einer der personalen Grundmotivationen ein gut nachvollziehbarer Grund dafür zu sein, daß<br />
das Erleben von Sinnerfüllung nicht primär im Blickfeld dieser Menschen liegt. Dieses<br />
Ergebnis zeigt, daß die in der neueren Existenzanalyse [14] postulierte Vorrangigkeit der drei<br />
personalen Grundmotivationen, die als Voraussetzungen erst abgedeckt werden müssen,<br />
bevor existentieller Sinn realisiert werden kann, auch in empirischen Studien bestätigt werden<br />
kann. Außerdem ist dies – abgesehen von den theoretischen Überlegungen – eine praktische<br />
Erfahrung, die jeder Mensch aus seinem Alltag kennt: wie schwierig es ist, das in der
14<br />
jeweiligen Situation Sinnvolle zu erspüren und zu tun, und daß eine sinnvolle Aufgabe nicht,<br />
wie Frankl [24] es postulierte, automatisch über alle Probleme hinwegträgt.<br />
Zwei weitere Aspekte sind in diesem Zusammenhang noch wichtig: ein erster wichtiger Punkt<br />
ist die Art und Weise, wie die Frage nach dem Sinn gestellt wird. Die Frage danach ist es<br />
nämlich, die einen guten Teil der Antwort ausmacht. Wie Tutsch und Kollegen im zweiten<br />
Teil ihrer Untersuchung [11] zeigen konnte, ist das Streben nach Sinn, wenn explizit danach<br />
gefragt wird, sehr wohl ein Thema sowohl bei gesunden als auch bei psychisch<br />
beeinträchtigten Menschen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, daß die vierte Dimension der<br />
Grundmotivationen nicht auf die Frage nach dem Sinn beschränkt werden darf, sondern daß<br />
damit auch die Entwicklungsdimension und die Kontexteingebundenheit des Menschen<br />
gemeint sind [14].<br />
Ein Vergleich zwischen den Geschlechtern in bezug auf die Häufigkeit der im strukturierten<br />
Fragebogen genannten existentiellen Themen ergab keine signifikanten Unterschiede. Dieses<br />
Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen aus der Anwendung der Existenzskala [25], die<br />
keine Geschlechtsunterschiede in den existentiellen Kompetenzen, das heißt im Umgang der<br />
Person mit ihrer Welt gefunden haben. Dazu passend wurden auch in Untersuchungen mit<br />
dem TEM (Test zur Erfassung der existentiellen Motivationen) [26], der die Ausstattung der<br />
Menschen in bezug auf die vier Grundmotivationen erfaßt, keine Unterschiede zwischen<br />
Männern und Frauen gefunden.<br />
Im Vergleich zwischen den Themen, die schizophrene Patienten vorrangig beschäftigten und<br />
jenen, die von depressiven Patienten genannt wurden, zeigte sich deutlich, daß die<br />
Hauptstörung bei diesen beiden Krankheitsbildern auf unterschiedlichen Ebenen der<br />
Grundmotivationen liegt, wenn sie auch in die jeweils anderen Ebenen hinein fortwirkt.<br />
Depressive Patienten mit ihrem Defizit auf der Ebene der zweiten Grundmotivation im Sinne<br />
einer Grundwertstörung nannten als vordringliche Ziele vor allem den Wunsch, den Wert des<br />
Lebens und Geborgenheit zu spüren, sowie mit Verlust und Trauer umzugehen. Diese<br />
Themen scheinen einerseits auf einen stark empfundenen subjektiven Leidensdruck dieser<br />
Patienten hinzuweisen, andererseits gab es in dieser Patientengruppe möglicherweise auch<br />
mehr unbewältigte Lebensereignisse. Es waren in dieser Patientengruppe allerdings auch<br />
Themen der ersten Grundmotivation vertreten mit einer Belastung durch körperliche<br />
Symptome, möglicherweise ein Hinweis auf das bei depressiven Störungen oftmalige<br />
Bestehen einer endogenen Komponente der Erkrankung.<br />
Schizophrene Patienten waren vor allem mit Fragen der ersten Grundmotivation in Form des<br />
Themas des täglichen Überlebens und mit alltagspraktischen Dingen beschäftigt. Luss [27,<br />
28] hat die Schizophrenie mit Hilfe einer empirischen Untersuchung unter dem Blickwinkel<br />
der personalen Grundmotivationen beleuchtet und ist zu dem Schluß gekommen, daß die<br />
vorherrschende Störung bei der Schizophrenie, die man bei diesem Krankheitsbild immer<br />
antrifft, im Bereich der ersten Grundmotivation liegt. Schizophrene Patienten erleben sich als<br />
haltlos, „ins Bodenlose, ins Nichts fallend“. Das Selbstverständnis zerbricht, es löst sich alles<br />
von innen heraus auf, die Realität und mit ihr die Welt gehen verloren. Es entsteht eine<br />
abgrundtiefe Angst, die Grundangst. Wie auch Längle in seinem Artikel über die<br />
existentiellen Themen in der Schizophrenie [29] ausführt ist der schizophrene Patient in<br />
seinem Seinkönnen in dieser Welt bedroht, diese, seine bis jetzt so bekannte, ihm<br />
verständliche Welt wird ihm fremd. Nicht einmal der eigene Körper, der ja sozusagen das<br />
Haus des Menschen ist, gibt ihm mehr Sicherheit. Der Patient kennt sich bei sich selbst nicht<br />
mehr aus, kann sich auf seinen Körper nicht mehr verlassen. Das Leben ist für ihn zu einer<br />
einzigen Frage geworden: Wo bin ich? Wo kann ich sein? Wo kann ich hingehen? Wie Luss<br />
in ihrem Artikel [28] weiter ausführt, seien die Ebenen der zweiten und dritten
15<br />
Grundmotivation nach existenzanalytischer Theorie nicht immer blockiert bzw. erschüttert.<br />
Allerdings führe die massive Störung im Bereich der ersten Ebene der personalen<br />
Grundmotivationen häufig auch zu Blockaden im Bereich der zweiten und dritten<br />
Grundmotivation, so daß schizophrene Menschen oft große Schwierigkeiten haben, eine<br />
Sinnerfüllung zu erfahren. In unserer Untersuchung zeigte sich, daß neben den<br />
vorherrschenden Themen der ersten Grundmotivation sehr wohl auch Anklänge der zweiten<br />
Grundmotivation vorhanden waren, die sich vor allem in der Sehnsucht nach Beziehungen<br />
äußerten. Dazu passend führt Längle [29] aus, daß sich die Auflösung des Zusammenhaltes<br />
im Erleben des schizophrenen Menschen auch auf das Zusammenleben mit den Mitmenschen<br />
auswirkt. Er spürt, daß er die Beziehungen zu seinen nächsten und liebsten Menschen nicht<br />
mehr halten kann, daß auch sie von Auflösung bedroht sind.<br />
Ein großer Prozentsatz der Patienten (81,7%) gab an, daß sie einer Psychotherapie positiv<br />
gegenüber stünden. Auch Patienten, die an eine schizophrenen Psychose litten, äußerten<br />
neben ihren Wünschen nach medizinischer und praktischer Hilfe ganz eindeutig den Wunsch,<br />
auch psychotherapeutische Gespräche zu bekommen, ein Anliegen, das bereits von früheren<br />
Autoren beschrieben worden ist [22, 30]. Dazu passend bezogen sich die von den Patienten<br />
im strukturierten und unstrukturierten Fragebogen genannten Bereiche häufig auf<br />
persönlichkeitsbezogene Anliegen, die vor allem auf der Ebene der zweiten und dritten<br />
Grundmotivation lagen, wie das Anliegen, mit sich in Dialog zu kommen, der Wunsch nach<br />
Arbeit am Selbstwert und der Entfaltung des eigenen Potentials. Man muß jedoch einwenden,<br />
daß manche Patienten diese Bereiche genannt haben mögen, ohne sich der Tatsache bewußt<br />
zu sein, daß es zur Erreichung derartiger Ziele eines komplexen und oft langdauernden<br />
therapeutischen Prozesses bedarf. Auch muß einschränkend erwähnt werden, daß die<br />
Äu0erungen der Patienten auch unter dem Aspekt betrachtet werden müssen, daß die<br />
Patienteneinsicht in ihre Probleme am Beginn einer Therapie im Allgemeinen nicht in<br />
befriedigendem Maße gegeben ist. Ebenso muß die überwiegend positive Beurteilung des<br />
Effektes von Psychotherapie durch die Patienten mit äußerster Vorsicht zur Kenntnis<br />
genommen und interpretiert werden. Es geht aus unserer Untersuchung nicht eindeutig hervor,<br />
ob die Patienten, die diese Frage positiv beantworteten wirklich eine Psychotherapie<br />
absolviert haben, auch über die Qualität der jeweiligen Therapie haben wir keine Angaben.<br />
Trotzdem enthält dieses Ergebnis einen eindeutigen Appell der Patienten, sie nicht nur als<br />
biologisch determinierte Wesen, die sie zweifelsohne auch sind, zu sehen, sondern ihnen in<br />
ihrer ganzen psychischen Komplexität, wenn schon nicht psychotherapeutisch, dann<br />
zumindest verständnisvoll und offen, einfach menschlich zu begegnen.<br />
Literatur<br />
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(Hrsg.), Klinische Psychologie, Bd. I. Bern: Huber<br />
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Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie 1994; 42(2):<br />
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3 Faller H, Gossler S: Probleme und Ziele von Psychotherapiepatienten: Eine qualitativinhaltsanalytische<br />
Untersuchung der Patientenangaben beim Erstgespräch.<br />
Psychotherapie-Psychosomatik-Medizinische-Pschologie 1998;48(5): 176-186<br />
4 Ruff W, Werner H: Das Therapieziel des Patienten als ein Kriterium für Prognose und<br />
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9 Faller H: Therapieziele und Indikation: Eine Untersuchung der Fragebogenangaben von<br />
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und Medizinische Psychologie 2000;50: 292-300<br />
10 Tutsch L, Drexler H, Wurst E, Luss K, Orgler C: Ist Sinn noch aktuell? Existenzanalyse<br />
2000;3: 4-16<br />
11 Tutsch L, Orgler C, Luss K, Wurst E, Drexler H: Ist Sinn noch aktuell? Teil II.<br />
Existenzanalyse 2001;1: 4-14<br />
12 Frankl V: Der Wille zum Sinn. Ausgewählte Vorträge über Logotherapie. München:<br />
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13 Frankl V: Das Leiden am sinnlosen Leben. Herder . Freiburg i.Br., 1987, 78<br />
14 Längle A: Existenzanalyse – Die Zustimmung zum Leben finden. Fundamenta<br />
Psychiatrica 1999;12: 139-146<br />
15 Frankl V: Der unbewußte Gott. Psychotherapie und Religion. München: Kösel, 1979<br />
16 Heuft G, Senf W: Praxis der Qualitätssicherung in der Psychotherapie. Das Manual zur<br />
Psy-BaDo. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1998<br />
17 Mayring Ph: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 7. Auflage.<br />
Deutscher Studien Verlag. Weinheim, 2000.<br />
18 Weltgesundheitsorganisation: ICD-10. Internationale Klassifikation psychischer<br />
Störungen. Klinisch Diagnostische Leitlinien. Verlag Hans Huber. Bern, Göttingen,<br />
Toronto, Seattle, 1993<br />
19 Siebel U, Michels R, Hoff P, Schaub RT, Droste R, Freyberger HJ, Dilling H:<br />
Mulitaxiales System des Kapitels V (F) der ICD-10. Erste Ergebnisse der multizentrischen<br />
Praktikabilitäts-und Reliabilitätsstudie. Nervenarzt 1997;68: 231-238<br />
20 Burgoyne RW, Staples R, Yamamoto J, Wolkon GH, Kline F: Patients’ Requests of an<br />
Outpatient Clinic. Archives of General Psychiatry 1979;36: 400-403<br />
21 Spinhoven P, Methorst GH, Van-Grieken N, Mulder A. An abbreviated questionnaire for<br />
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Diseases 1991;179: 502<br />
22 Perrault M, Rogers W, Leichner P, Sabourin S. Patients‘ requests and satisfaction with<br />
services in an outpatient psychiatric setting. Psychiatric Services 1996;47: 287-292<br />
23 Duckro P, Beal D, George C: Research on the effects of disconfirmed client role<br />
expectations in psychotherapy. Psychiatric Bulletin 1979;86: 260-275
17<br />
24 Frankl V: Der leidende Mensch. Anthropologische Grundlagen der Psychotherapie.<br />
München: Piper, 1990, 67<br />
25 Längle A, Orgler Ch, Kundi M: Existenz-Skala. Beltz Test. Göttingen, 2000<br />
26 Eckhardt E: Skalen zur Erfassung von existentieller Motivation, Selbstwert und<br />
Sinnerleben. Existenzanalyse 2001;1: 35-39<br />
27 Luss K: Schizophrenie und personale Grundmotivation. Abschlußarbeit für die<br />
Ausbildung in Existenzanalyse, 1995<br />
28 Luss K: Schizophrenie unter dem Blickwinkel der personalen Grundmotivationen.<br />
Existenzanalyse 1996;3: 23-26<br />
29 Längle A: Der Verlust des Zusammenhalts. Psychopathologie und existentielle Themen in<br />
der Schizophrenie. Existenzanalyse 1996;3: 13-22<br />
30 Hoencamp E, Knegtering H, Kooy JJ, Van der Molen AE. Patients’ requests and attitude<br />
towards neuroleptics. Nordic Journal of Psychiatry 1995;49(suppl.): 47-55<br />
Tab. 1. Soziodemographische Charakteristika der Stichprobe (n=175)<br />
___________________________________________________________________________<br />
n %<br />
__________________________________________________________________________________________<br />
Alter(SD) 39,91(14,37)<br />
Geschlecht<br />
männlich 68 38,9<br />
weiblich 106 61,1<br />
Familienstand<br />
ledig 85 48,6<br />
verheiratet 55 31,4<br />
geschieden 33 18,9<br />
verwitwet 2 1,1<br />
Lebenssituation<br />
im Elternhaus 32 18,3<br />
mit Partner/eigener Familie 60 34,3<br />
allein 75 42,9<br />
betreutes Wohnen 8 4,6<br />
berufliche Situation<br />
bezahlter Job 76 43,4<br />
kein bezahlter Job 58 33,1<br />
Ruhestand 41 23,4<br />
__________________________________________________________________________________________<br />
Tab. 2. Klinische und diagnostische Charakteristika der Stichprobe (n=175)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
n %<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Behandlungssetting<br />
stationäre Patienten 70 40<br />
ambulante Patienten 70 40<br />
tagesklinische Patienten 35 20<br />
Klinische Diagnose<br />
Störungen durch psychotrope Substanzen 5 2,9
18<br />
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen 54 30,9<br />
affektive Störungen 82 46,9<br />
neurotische, Belastungs - u. somatoforme Störungen 30 17,1<br />
Eßstörungen 4 2,3<br />
bereits Kontakt mit psychiatrischer Einrichtung gehabt 123 70,3<br />
durchschnittliche Zahl von Aufnahmen(SD) 2,51(3,29)<br />
durchschnittliches Alter bei Erkrankungsbeginn(SD) 28,59(12,53)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Schizophrenie Affektive Störungen andere Störungen*<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Clinical global impression(SD) 5,04(0,94) 4,71(0,86) 4,29(0,85)<br />
Mittlere Behinderung(SD)<br />
Selbstfürsorge/Alltagsbewältigung 1,59(1,24) 1,22(1,14) 0,68(0,72)<br />
berufliche Funktionsfähigkeit 3,61(1,02) 2,86(1,19) 2,29(1,15)<br />
familiäre Funktionsfähigkeit 2,41(1,11) 2,17(1,04) 1,29(0,85)<br />
Funktionsfähigkeit soziale Rollen 2,70(1,03) 2,49(1,05) 2,29(1,05)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
* Störungen durch psychotrope Substanzen, neurotische Störungen, Eßstörungen<br />
Tab. 3. Spontan genannte Themen der Patienten der unterschiedlichen diagnostischen<br />
Gruppen (n=136). Die Zahlen in Klammer repräsentieren die 4 Grundmotivationen,<br />
denen das Thema zugeordnet wurde<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Schizophrenie Affektive andere Gesamt<br />
Störungen Störungen*<br />
(n=35) (n=68) (n=33) (n=136)<br />
n (%) n (%) n (%) n (%)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Belastung durch psychische Symptome(1) 15 (11,0) 30 (22,1) 7 (5,1) 52 (38,2)<br />
wieder gesund werden(1) 11 (8,1) 16 (11,8) 5 (3,7) 32 (23,5)<br />
Fragen der Medikation(1) 6 (4,4) 12 (8,8) 10 (7,3) 28 (20,6)<br />
Verbesserung der Lebensqualität(2) 5 (3,7) 14 (10,3) 5 (3,7) 24 (17,6)<br />
Belastung durch körperliche Symptome(1) 2 (1,5) 14 (10,3) 5 (3,7) 21 (15,4)<br />
Schwierigkeiten am Arbeitsplatz(1) 10 (7,3) 7 (5,1) 1 (0,7) 18 (13,2)<br />
Wunsch nach Geborgenheit/Zuwendung(2) 2 (1,5) 11 (8,1 3 (2,2) 16 (11,8)<br />
Umgang mit Symptomen lernen(1) 5 (3,7) 6 (4,4) 4 (2,9) 15 (11,0)<br />
Information über Krankheit bekommen(1) 6 (4,4) 4 (2,9) 4 (2,9) 14 (10,3)<br />
Leben nach meiner Vorstellung führen(3) 4 (2,9) 6 (4,4) 3 (2,2) 13 (9,5)<br />
mit sich in Dialog kommen(2/3) 4 (2,9) 5 (3,7) 3 (2,2) 12 (8,8)<br />
unabhängig, selbstständig werden(3) 5 (3,7) 5 (3,7) 1 (0,7) 11 (8,1)<br />
Rat und Hilfe bekommen(1) 1 (0,7) 6 (4,4) 3 (2,2) 10 (7,3)<br />
Wunsch nach therapeutischer Beziehung(2) 2 (1,5) 6 (4,4) 1 (0,7) 9 (6,6)<br />
zu wenig Sozialkontakte(2) 4 (2,9) 3 (2,2) 2 (1,5) 9 (6,6)<br />
administrative u. praktische Anliegen(1) 1 (0,7) 4 (2,9) 3 (2,2) 8 (5,9)<br />
sein Leben sinnvoll gestalten(4) 3 (2,2) 4 (2,9) 0 (0,0) 7 (5,1)<br />
die Selbstannahme steigern(1/2) 1 (0,7) 4 (2,9) 1 (0,7) 6 (4,4)<br />
Selbstwert/Selbstsicherheit steigern(3) 3 (2,2) 4 (2,9) 1 (0,7) 8 (5,9)<br />
Belastung durch Verlust und Trauma(2) 1 (0,7) 5 (3,7) 0 (0,0) 5 (3,7)<br />
als Mensch respektiert werden(3) 1 (0,7) 3 (2,2) 1 (0,7) 5 (3,7)<br />
Beziehung zur Familie (2) 4 (2,9) 1 (0,7) 1 (0,7) 6 (4,4)<br />
sich selbst besser kennenlernen(3) 0 (0,0) 3 (2,2) 5 (3,7) 8 (5,9)<br />
problematische Beziehung zum Körper(2) 1 (0,7) 0 (0,0) 4 (2,9) 5 (3,7)<br />
Partnerschaftsproblematik(2) 0 (0,0) 4 (2,9) 0 (0,0) 4 (2,9)<br />
Probleme, den Alltag zu bewältigen(1) 4 (2,9) 0 (0,0) 0 (0,0) 4 (2,9)<br />
Menschen mit selben Problemen treffen(2) 2 (1,5) 0 (0,0) 1 (0,7) 3 (2,2)<br />
mangelnde Problemlösungsfähigkeit(1) 1 (0,7) 2 (1,5) 0 (0,0) 3 (2,2)<br />
Umgang mit Aggression, Haß (1) 1 (0,7) 2 (1,5) 0 (0,0) 3 (2,2)<br />
psychotische, unrealistische Inhalte 0 (0,0) 2 (1,5) 0 (0,0) 2 (1,5)<br />
Probleme in sozialen Beziehungen(2) 1 (0,7) 1 (0,7) 0 (0,0) 2 (1,5)<br />
Umgang mit Autoaggression,Suizidalität(2)0 (0,0) 2 (1,5) 0 (0,0) 2 (1,5)<br />
Identitätsprobleme/Migration(3) 2 (1,5) 1 (0,7) 1 (0,7) 4 (2,9)<br />
mein Potential bestmöglich nutzen(3) 1 (0,7) 3 (2,2) 0 (0,0) 4 (2,9)
19<br />
Suchtproblematik(4) 1 (0,7) 3 (2,2) 2 (0,7) 6 (4,4)<br />
finanzielle, soziale Probleme(1) 0 (0,0) 0 (0,0) 1 (0,7) 1 (0,7)<br />
Körperbeherrschung(1) 0 (0,0) 1 (0,7) 0 (0,0) 1 (0,7)<br />
religiöse, spirituelle Themen(4) 0 (0,0) 1 (0,7) 0 (0,0) 1 (0,7)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
* psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, neurotische,<br />
Belastungs-u,somatoforme Störungen, Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen<br />
Faktoren/Eßstörungen<br />
Tab. 4. Antworten auf den strukturierten Fragebogen zu der Frage „Was bewegt Sie<br />
derzeit am meisten?“(n=175)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
gar nicht nicht unsicher zutreffend völlig<br />
zutreff. zutreff. zutreff.<br />
n (%) n (%) n (%) n (%) n (%)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
wieder gesund werden(1) 0(0,0) 4(2,3) 5(2,9) 65(37,1) 100(57,1)<br />
Verbesserung der Lebensqualität(2) 1(0,6) 1(0,6) 11(6,3) 76(43,4) 85(48,6)<br />
Rat und Hilfe bekommen(1) 5(2,9) 1(0,6) 3(1,7) 77(44,0) 89(50,9)<br />
Umgang mit Symptomen lernen(1) 4(2,3) 3(1,7) 8(4,6) 75(42,9 82(46,9)<br />
Fragen der Medikation(1) 6(3,4) 3(1,7) 6(3,4) 80(45,7) 79(45,1)<br />
mein Potential bestmöglich nutzen(3) 3(1,7) 3(1,7) 12(6,9) 76(43,4) 79(45,1)<br />
Belastung durch psychische Symptome(1)9(5,1) 8(4,6) 12(6,9) 58(33,1) 88(50,3)<br />
sein Leben sinnvoll gestalten(4) 8(4,6) 7(4,0) 9(5,1) 71(40,6) 78(44,6)<br />
mangelnde Problemlösungsfähigkeit(1) 5(2,9) 5(2,9) 18(10,3) 76(43,4) 71(40,6)<br />
Selbstwert steigern(3) 9(5,1) 6(3,4) 15(8,6) 72(41,1) 73(41,7)<br />
mit sich in Dialog kommen(2/3) 12(6,9) 5(2,9) 17(9,7) 66(37,7 73(41,7)<br />
Information über Krankheit(1) 11(6,3) 7(4,0) 8(4,6) 74(42,3) 72(41,1)<br />
Probleme bei Alltagsbewältigung(1) 15(8,6) 4(2,3) 14(8,0) 89(50,9) 52(29,7)<br />
Wunsch nach Geborgenheit(2) 10(5,7) 8(4,6) 19(10,9) 90(51,4) 47(26,9)<br />
die Selbstannahme steigern(1/2) 14(8,0) 12(6,9) 15(8,6) 71(40,6) 61(34,9)<br />
Belastung durch Verlust und Trauma(2)17(9,7) 6(3,4) 13(7,4) 81(46,3) 55(31,4)<br />
Belastung durch körperl. Symptome(1) 18(10,3)15(8,6) 16(9,1) 73(41,7) 53(30,3)<br />
selbstständig werden(3) 29(16,6)13(7,4) 18(10,3) 55(31,4) 59(33,7)<br />
Schwierigkeiten am Arbeitsplatz(1) 39(22,3)11(6,3) 17(9,7) 56(32,0) 45(25,7)<br />
zu wenig Sozialkontakte(2) 50(28,6)10(5,7) 18(10,3) 60(34,3) 35(20,0)<br />
Beziehung zur Familie(2) 58(33,1)16(9,1) 17(9,7) 56(32,0) 26(14,9)<br />
Partnerschaftsproblematik(2) 49(28,0)17(9,7) 28(16,0) 46(26,3) 22(12,6)<br />
Probleme in sozialen Beziehungen(2) 54(30,9)15(8,6) 26(14,9) 59(33,7) 17(9,7)<br />
finanzielle, soziale Probleme(1) 87(49,7)23(13,1)19(10,9) 29(16,6) 16(9,1)<br />
problematische Wohnsituation(1) 101(57,7)17(9,7) 19(10,9) 25(14,3) 12(6,9)<br />
___________________________________________________________________________________
20<br />
Tab. 5. Mittlere Ränge der Antworten auf den strukturierten Fragebogen zu der Frage<br />
„Was bewegt Sie derzeit am meisten?“ bei Patienten mit Schizophrenie und affektiver<br />
Störung (Mann-Whitney U-Test)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Schizophrenie Affektive Störung p<br />
(n=54) (n=82)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
wieder gesund werden(1) 57,65 74,69 0,005<br />
Verbesserung der Lebensqualität(2) 58,19 75,29 0,007<br />
Rat und Hilfe bekommen(1) 64,68 71,02 ns<br />
Umgang mit Symptomen lernen(1) 61,96 71,01 ns<br />
Fragen der Medikation(1) 61,32 72,32 ns<br />
mein Potential bestmöglich nutzen(3) 57,85 74,77 0,009<br />
Belastung durch psychische Symptome(1) 62,76 72,28 ns<br />
sein Leben sinnvoll gestalten(4) 68,39 67,75 ns<br />
mangelnde Problemlösungsfähigkeit(1) 63,37 54,36 ns<br />
Selbstwert steigern(3) 45,62 71,88 ns<br />
mit sich in Dialog kommen(2/3) 61,06 71,84 ns<br />
Information über die Krankheit(1) 65,80 68,61 ns<br />
Probleme bei der Alltagsbewältigung (1) 67,83 68,11 ns<br />
Wunsch nach Geborgenheit(2) 54,99 76,41 0,001<br />
die Selbstannahme steigern(1/2) 66,80 67,96 ns<br />
Belastung durch Verlust und Trauma(2) 59,57 72,69 0,046<br />
Belastung durch körperliche Symptome(1) 57,88 75,49 0,009<br />
selbstständig werden(3) 58,74 74,93 0,016<br />
Schwierigkeiten am Arbeitsplatz(1) 70,34 64,79 ns<br />
zu wenig Sozialkontakte(2) 78,41 60,36 0,007<br />
Beziehung zur Familie(2) 69,94 65,85 ns<br />
Partnerschaftsproblematik(2) 63,23 63,69 ns<br />
Probleme in sozialen Beziehungen(2) 74,03 62,49 ns<br />
finanzielle, soziale Probleme(1) 78,71 61,77 0,012<br />
problematische Wohnsituation(1) 77,52 62,56 0,024<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Tab. 6. Einstellung der Patienten gegenüber Psychotherapie<br />
__________________________________________________________________________________<br />
Schizophrenie Affektive Störungen andere Störungen*<br />
n(%) n(%) n(%)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
Einstellung gegenüber (n=53) (n=80) (n=38)<br />
Psychotherapie<br />
positiv 41(75.9) 70(85.4) 32(82.1)<br />
unentschieden 9(16.7) 5(6.1) 5(12.8)<br />
negativ 3(5.6) 5(6.1) 1(2.6)<br />
Beurteilung des Effektes (n=33) (n=42) (n=16)<br />
von Psychotherapie<br />
positiv 19(35.2) 32(39.0) 20(51.3)<br />
kein Effekt 11(20.4) 9(11.0) 9(23.1)<br />
negativ 3(5.6) 1(1.2) 1(2.6)<br />
___________________________________________________________________________________<br />
* psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, neurotische,<br />
Belasungs-u,somatoforme Störungen, Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen<br />
Faktoren/Eßstörungen