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1. Existenzanalyse<br />
1.1 Geschichte, Entwicklung<br />
Unter Existenzanalyse wird eine psychotherapeutische Richtung verstanden, die zwischen<br />
1926 und 1933 von Viktor E. Frankl auf dem Hintergrund der Existenzphilosophie (vor allem<br />
derjenigen Max Schelers) entwickelt worden ist. Sie ist auch als Reaktion auf die damals<br />
gängigen psychotherapeutischen Wienerschulen zu verstehen, die die Triebfeder menschli-<br />
cher Existenz, in äusserster Reduktion gefasst, als den „Willen zur Lust“ (Psychoanalyse, S.<br />
Freud) oder den „Willen zur Macht“ (Individualpsychologie, A.Adler) auffassten. Dem setzt<br />
V. Frankl einen „Willen zum Sinn“ entgegen, abgeleitet aus seinem Menschenbild, das um<br />
die wesentliche menschliche Dimension der Geistigkeit, Freiheit und Verantwortung erweitert<br />
ist.<br />
Die praktische Umsetzung seiner existenzanalytischen Anthropologie in der Beratung oder<br />
psychotherapeutischen Methode nannte Frankl Logotherapie. Sie konzentriert sich im wesent-<br />
lichen auf die genannten geistigen Aspekte, die beim therapeutischen Sinnfindungsprozess<br />
zum Tragen kommen, durch die Hingabe des Menschen an eine Sache, Aufgabe oder einen<br />
andern Menschen, ein Ausgerichtetsein auf etwas, das nicht wieder er selbst ist (von Frankl<br />
als Selbsttranszendenz bezeichnet). Diese Werte werden unterschieden in drei Wertekategori-<br />
en; Frankl nannte sie die "drei Hauptstrassen zum Sinn". Es geht dabei um die Verwirkli-<br />
chung von erstens „schöpferischen Werten“ (durch ein Tun) zweitens von „Erlebniswerten“<br />
(durch Erleben der Welt in Natur, Kunst und Beziehungen), wo aber der Zugang zu diesen<br />
zwei Wertkategorien in einer hoffnungslosen Situation unabänderlichen Leids verschlossen<br />
ist, bleibt dem Leidenden noch die Besinnung auf eine dritte Wertkategorie, nämlich auf die<br />
„Einstellungswerte“, verwirklicht in einer Haltung oder Einstellung, mit der dem ausweg-<br />
losen Schicksal begegnet werden kann.<br />
„Das heisst aber, dass nicht nur im Schaffen und im Freuen das menschliche Leben sich zu<br />
erfüllen vermag, sondern auch noch im Leiden.“ (Frankl, 1952, 83)<br />
Es ist noch anzumerken, dass Sinn dem Patienten nicht vom Therapeuten oder Berater gege-<br />
ben werden kann, er ist im therapeutischen bezw. beraterischen Prozess der jeweiligen<br />
Lebenssituation angepasst gemeinsam zu finden.<br />
Der Hauptschlüssel, gewissermassen das „Sesam öffne dich“ zur Logotherapie ist die<br />
„existentielle Wende“ von Frankl auch die „kopernikalische Wende“ genannt:“Das Leben<br />
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