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Probleme, als eine Form des PTBS aufgefasst, sind auch einer EMDR-Behandlung<br />
zugänglich.<br />
4.1 Drei EMDR-Therapieberichte aus der Praxis<br />
4.1.1 EMDR-Protokoll einer PTBS, deren traumatische Grundlage im ICD-10, Z63.4<br />
enthalten ist und als pathologische Trauer bezeichnet werden kann.<br />
Frau M, geb. 1924, steht seit 1979 in meiner hausärztlichen Betreuung wegen verschiedener<br />
akuter wie auch chronischer Leiden, die sie dank eines heiteren Gemütes, das ihr immer<br />
wieder erlaubt, den Dingen eine positive Seite abzugewinnen, wieder erstaunlich gut<br />
wegstecken kann (u.a. fortschreitende Maculadegeneration, rezidivierende Schwindelattacken<br />
und Beschwerden aus dem rheumatischen Formenkreis). Die Kurzanamnese zeigt insgesamt<br />
eine harmonische Kindheit. Mit der Heirat (mit 21 Jahren) beginnt ein schicksalsschweres<br />
Leben, der Ehemann litt an Ängsten, Zeichen von Verfolgungswahn sind deutlich (versteckt<br />
überall Revolver hinter den Vorhängen...), Alkoholismus, Veruntreuungen, Straffälligkeit,<br />
Amtsenthebung, damit auch Rauswurf aus der Freimaurerloge, Trennung. Frau M ist nun<br />
(und eigentlich schon lange vorher) alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen und einem<br />
Mädchen, die alle einen Berufsabschluss erlangen. Der Älteste ist ihre Stütze, humorvoll,<br />
souverän und kommunikativ, er leidet an Asthma bronchiale, der zweite Sohn an<br />
Depressionen, und die Jüngste entwickelt bereits vor der Pubertät eine chronisch verlaufende<br />
Magersucht, sie ist seit vielen Jahren invalid und berentet, fast täglich kommt sie zur Mutter,<br />
die über Jahre von den zahlreichen Therapeuten die Schuldzuweisungen anhören musste,<br />
gemäss dem gängigen Klischee, wonach die Magersucht ätiologisch ein Mutter-Tochter-<br />
Problem sei. 1991 bricht für sie die Welt zusammen: Sie verliert den ältesten Sohn, 45-jährig<br />
durch Suizid! Der psychische Leidensdruck, ausgelöst durch Albträume mit abstrusen<br />
Inhalten, Fluchtreaktionen, wenn ihr ein Doppelgänger ihres verstorbenen Sohnes begegnete,<br />
liess sich durch häufige begleitende Gespräche wohl etwas lindern, es fehlte mir damals aber<br />
sowohl der diagnostische wie auch therapeutische Schlüssel für eine nachhaltige Behandlung:<br />
PTBS und EMDR. Die somatische Antwort auf die hohe Belastung könnte das 1995<br />
festgestellte Mammacarcinom sein; ein Jahr nach der Operation kam es zur Metastasierung,<br />
eine erneute Operation mit anschliessender Nachbestrahlung brachte die Patientin an die<br />
Grenze des Ertragbaren. Zurück blieb eine chronische Neuralgie des rechten Armes mit<br />
Bewegungsbehinderung. Und trotz aller Misslichkeit verstand Fr. M immer wieder, sich<br />
Oasen von Lebenswerten zu schaffen: Ferien, Einladungen und v.a. auch Pflege ihrer<br />
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