Besuchertypologie - Eventkultur.lab
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Forschungsprojekt <strong>Eventkultur</strong> &<br />
Nachhaltigkeit<br />
Leitbilder von Eventbesuchern<br />
Kapitel 1: <strong>Besuchertypologie</strong><br />
- Eine empirische Studie der Universität Hohenheim,<br />
Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung,<br />
Prof. Dr. E. Buß im Auftrag des Wuppertal Institutes –<br />
Hohenheim, September 2005<br />
Dipl. oec. Anne Pollmann
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 <strong>Besuchertypologie</strong>................................................................................... 3<br />
Leitbildtyp 1: Der hedonistische, affektive Erlebnistypus............................. 3<br />
Leitbildtyp 2: Der sachlich-aktive, zielorientierte, instrumentelle Typus ........ 4<br />
Leitbildtyp 3: Der ökologisch-verantwortungsbewusste (nachhaltige) Typus.. 5<br />
Leitbildtyp 4: Der interaktive Gemeinschaftstypus...................................... 7<br />
Leitbildtyp 5: Der wertorientierte Typus .................................................... 7<br />
Geschlechtsspezifische Repräsentanz der Leitbildtypen ............................... 8<br />
Anmerkung ...............................................................................................10<br />
Handlungsempfehlungen.........................................................................10<br />
Weitere Ergebnisse ................................................................................10
1 <strong>Besuchertypologie</strong><br />
In Befragungen mit über 500 Eventbesuchern auf verschiedensten Events<br />
wurden Stellungnahmen und Ansichten des Publikums gesammelt, anhand derer<br />
sich über eine Faktorenanalyse fünf Profile zeichnen lassen. Jedes dieser Profile<br />
beschreibt einen Besuchertypus, der aufgrund seiner spezifischen<br />
Erwartungshaltungen gegenüber einem Event einer adäquaten Ansprache durch<br />
den Veranstalter bedarf.<br />
Diese Besuchertypen erscheinen in der Realität selten in „Reinform“; jedoch lässt<br />
sich beinahe jeder Eventbesucher tendenziell dem einen oder anderen Typus<br />
zuordnen. Denn diese Idealbeschreibungen drücken eine Grundhaltung, ein<br />
Leitbild aus, dem sich die jeweilige Person ganz prinzipiell durchaus verpflichtet<br />
fühlt oder mit dem sie sich identifizieren kann.<br />
Im Folgenden werden die Besuchertypen vorgestellt und anhand von Indikatoren<br />
mit ihren Anspruchshaltungen erläutert.<br />
Leitbildtyp 1: Der hedonistische, affektive Erlebnistypus<br />
Diese Besucher schätzen an einem Event vor allem das Außeralltägliche, das<br />
Eintauchen in eine Welt, welche der realen Alltagswelt fern ist. Eine<br />
atmosphärische Stimmungskulisse entspricht ihrem Wunsch nach emotionaler<br />
Dekoration und affektivem Erleben. Sie versprechen sich von einem Event, Spaß<br />
zu haben, Abwechslung (vom oder im Berufsalltag) zu erleben. Der Event wird<br />
von diesen Besuchern als emotionale Zäsur im von rationalen Entscheidungen<br />
geprägten Alltag betrachtet.<br />
Der Event hat in ihren Augen die Aufgabe, das Publikum zu unterhalten – sei es<br />
durch ein Aktivität ausstrahlendes, aufwendiges (Rahmen-) Programm oder<br />
durch entsprechendes Flair, das den Nährboden für eine emotionale<br />
Eigendynamik unter den Besuchern, ein zeitlich begrenztes Gemeinschaftsgefühl<br />
bietet. Sich Hingeben im terminierten Ausnahmezustand der Emotionen, das ist<br />
für den Erlebnistypus ein Event.
1 <strong>Besuchertypologie</strong> 4<br />
Indikatoren:<br />
Diesem Besuchertypus ist es sehr wichtig,<br />
1. eine außeralltägliche, atmosphärische Stimmungskulisse genießen zu<br />
können.<br />
2. durch den Event aus dem (Berufs-) Alltag herauszukommen, Spaß zu<br />
haben.<br />
3. dass der Event stark abwechslungsreich ist und Aktivität ausstrahlt.<br />
Wichtig ist diesem Typus außerdem,<br />
4. dass ihm ein aufwendiges Rahmenprogramm mit entsprechenden<br />
Höhepunkten geboten wird.<br />
5. dass ihm ein dem Event entsprechendes (regionales) Flair geboten wird.<br />
6. dass ein Gemeinschaftsgefühl mit den anderen Besuchern entsteht.<br />
Repräsentanz bei den Eventformen:<br />
• Bei keiner Eventform finden sich diejenigen Besucher in der Überzahl, die<br />
mit ihren Ansprüchen zur Eventgestaltung primär einem hedonistischen,<br />
affektiven Erlebnistypus zuzuordnen wären.<br />
• Rund ein Viertel der Besucher der Publikumsmessen repräsentieren jedoch<br />
diesen Typus. Sie sind damit die zweitgrößte Gruppe bei dieser Eventart.<br />
• Bei dem untersuchten Mitarbeiterevent haben 27% der Befragten eine<br />
Einstellung, die dem Erlebnistypus entspricht. Dies ist bei dieser Eventform<br />
die am dritthäufigsten vertretene Gruppe.<br />
• Dagegen lehnen 42% der Fachmessebesucher im Großen und Ganzen und<br />
43% der Journalisten sehr stark die Aspekte der Erlebnisgestaltung ab.<br />
Leitbildtyp 2: Der sachlich-aktive, zielorientierte, instrumentelle<br />
Typus<br />
Charakteristisch für den Eventbesucher, der dem instrumentellen<br />
Persönlichkeitstypus zuzuordnen ist, ist sein Informationsinteresse. Dieses<br />
Publikum begreift Event als ein Kommunikationsinstrument, das in geballter<br />
Form, das heißt in relativ kurzer Zeit auf begrenztem Raum prägnante und sehr<br />
viele Informationen offeriert.<br />
Das Interesse an soliden, seriösen Sachinformationen bei möglichst geringen<br />
Suchkosten ist enorm groß. Die Möglichkeit, Fragen stellen zu können, wird sehr
1 <strong>Besuchertypologie</strong> 5<br />
hochgeschätzt und verweist auf das große Sachinteresse, gezielt an<br />
Informationen zu gelangen, die man ohne den Event nur schwierig erlangen<br />
könnte. Bestärkt wird diese Orientierung durch den häufig formulierten<br />
Anspruch, mittels des Events sehr schnell Informationen zu erhalten – entweder<br />
durch die Ansammlung von Anbietern verschiedener Informationsangebote oder<br />
durch die Anwesenheit von Experten und Ansprechpartnern, die man sonst nur<br />
begrenzt oder gar nicht erreicht.<br />
Indikatoren:<br />
Diesem Besuchertypus ist es sehr wichtig,<br />
1. solide, seriöse Sachinformationen zu erhalten.<br />
2. Fragen stellen, etwas kommentieren zu können.<br />
3. schnell und direkt Informationen zu erhalten.<br />
Wichtig ist diesem Typus außerdem,<br />
4. dass der Event auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist.<br />
Repräsentanz bei den Eventformen:<br />
• Am häufigsten findet sich der sachlich-aktive, instrumentelle Typus bei<br />
Journalistenevents und Messen. Hier ist er jeweils in der Überzahl<br />
gegenüber den anderen Typen vertreten. Dies entspricht jeweils einem<br />
Viertel bis einem Drittel der Besucher.<br />
• Allerdings kann sich insbesondere unter den Besuchern des<br />
Mitarbeiterevents kaum jemand mit den Ansprüchen des instrumentellen<br />
Typs identifizieren – ähnlich wie bei dem Stakeholderevent.<br />
Leitbildtyp 3: Der ökologisch-verantwortungsbewusste (nachhaltige)<br />
Typus<br />
Besucher, die mit ihrem Anspruchsprofil dem Nachhaltigkeitstypus entsprechen,<br />
legen größten Wert auf ressourcensparendes Verhalten des Veranstalters.<br />
Energie, Material und Wasser sollen verantwortungsbewusst eingesetzt, Abfall<br />
vermieden werden. Das Publikum schätzt ein Lebensmittelangebot, das aus<br />
ökologischer Landwirtschaft oder fairem Handel stammt.<br />
Dieser Typus des Eventbesuchers ist kein selbstloser „Ökofreak“, denn seine<br />
ökologischen Ansprüche richten sich nur gegen den Anbieter. Der Anschluss an
1 <strong>Besuchertypologie</strong> 6<br />
den Eventort mit öffentlichen Verkehrsmitteln beispielsweise spielt für diesen<br />
Nachhaltigkeitstyp keine besondere Rolle – präferiert wird immer noch die<br />
Möglichkeit des Individualverkehrs.<br />
Das sonst häufig mit Verzicht assoziierte ökologisch-verantwortungsbewusste<br />
Handeln wird hier in gesellschaftlich gewünschte Anforderungen gegenüber<br />
Eventveranstalter gewandelt. Der Besucher selbst genießt die Vorteile seiner<br />
Forderungen – nämlich ein „wertvolles“ Speisenangebot und das Bewusstsein,<br />
eine Veranstaltung zu genießen, die das ökologische Gewissen nicht belastet,<br />
ohne selbst dafür etwas tun zu müssen.<br />
Ermöglicht der Anbieter dem Publikum die Teilnahme an einem Event, das für die<br />
Rahmenbedingungen der Eventgestaltung das Siegel „ökologisch-nachhaltig“<br />
verdient, so honorieren die Eventbesucher des Nachhaltigkeitstypus dies mit<br />
Begeisterung. Der Veranstalter hat damit die doppelte Chance des Gewinns: Eine<br />
unmittelbare, äußerst positive Resonanz des Eventpublikums aufgrund des<br />
Angebots, dem verwurzelten Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Natur<br />
und nachfolgenden Generationen sogar im Eventgenuss (also ohne<br />
Entbehrungen) gerecht zu werden sowie ein Imagegewinn aufgrund des<br />
vorbildlichen, sozial erwünschten Verhaltens des Eventanbieters.<br />
Indikatoren:<br />
Diesem Besuchertypus ist es sehr wichtig,<br />
1. dass der Veranstalter Energie, Material, Wasser und Abfall einspart.<br />
2. dass Speisen und Getränke aus ökologischer Landwirtschaft bzw. fairem<br />
Handel angeboten werden.<br />
Repräsentanz bei den Eventformen:<br />
• Unter den wertorientierten Stakeholdern entsprechen die meisten, in<br />
diesem Fall 25%, mit ihren Aspirationen dem Nachhaltigkeitstypus.<br />
• Auf auffallende Ablehnung - im Vergleich zu den anderen Aspekten - stößt<br />
ökologisches Verantwortungsbewusstsein bei den Besuchern des<br />
Mitarbeiterevents. Der Nachhaltigkeitstypus ist auch bei den Journalisten<br />
in der Minderzahl vertreten.
1 <strong>Besuchertypologie</strong> 7<br />
Leitbildtyp 4: Der interaktive Gemeinschaftstypus<br />
Im Rahmen einer zwanglosen, lockeren Atmosphäre legt dieser Besuchertypus<br />
großen Wert auf die Möglichkeit des Austauschs – sowohl formeller als auch<br />
informeller Natur. Der Dialog unter den Besuchern als auch zwischen Publikum<br />
und Veranstalter ist für ihn von großer Bedeutung.<br />
Der Einzelne erhofft sich eine persönliche Einbindung und im informellen Rahmen<br />
den Event aktiv mitgestalten zu können. Im Zentrum des Interesses steht das<br />
Gemeinschaftserlebnis mit den anderen Gästen des Events, und zwar nicht im<br />
blinden Erleben des emotionalen Moments, sondern vielmehr auf Basis einer<br />
gemeinsamen Idee oder gleichgerichteter Interessen, die durch den hohen<br />
Stellenwert des Interaktiven betont werden.<br />
Indikatoren:<br />
Diesem Besuchertypus ist es sehr wichtig,<br />
1. sich mit anderen Besuchern, dem Veranstalter oder Kollegen (auch<br />
informell) austauschen zu können.<br />
2. sich in einer zwanglosen, lockeren Atmosphäre bewegen zu können.<br />
3. persönlich eingebunden zu werden, aktiv am Event mitwirken zu können.<br />
4. mit den anderen Besuchern ein Gemeinschaftserlebnis zu verspüren.<br />
Repräsentanz bei den Eventformen:<br />
• Ganz deutlich lassen sich die Besucher des Mitarbeiterevents als<br />
interaktive Gemeinschaftstypen identifizieren. Sie sind hier am stärksten<br />
vertreten.<br />
• Am seltensten findet sich der gemeinschaftlich orientierte Typus unter den<br />
Publikumsmessebesuchern.<br />
Leitbildtyp 5: Der wertorientierte Typus<br />
Für dieses Publikum sind äußere Bedingungen des Events irrelevant – zumindest<br />
solange, wie sie glaubwürdig und adäquat das Selbstverständnis des<br />
Veranstalters widerspiegeln. Dies ist geradezu eine Bedingung für eine positive<br />
Resonanz unter diesem Publikum: Nicht Neuartigkeit, Witz, Einfallsreichtum,<br />
Kreativität, Ausgefallenheit oder Extravaganz in der Gestaltung des Events<br />
zählen. Vielmehr müssen durch das Programm und die Art der Durchführung des
1 <strong>Besuchertypologie</strong> 8<br />
Events die Werte und die Grundsätze des Eventveranstalters vermittelt werden.<br />
Denn den wertorientierten Besuchern ist es wichtig, sich mit den Ideen, der<br />
Philosophie des Eventanbieters identifizieren zu können. In der Gestaltung des<br />
Events sind die Veranstalter bei dieser Besuchergruppe vordergründig sehr frei,<br />
elementare Grundbedingung ist jedoch, dass alle Aspekte kongruent zum Außen-<br />
und Selbstbild des Anbieters sein müssen.<br />
Indikatoren:<br />
Diesem Besuchertypus ist es sehr wichtig,<br />
1. sich mit den Ideen, der Philosophie des Veranstalters identifizieren zu<br />
können.<br />
2. durch das Programm und die Eventdurchführung Werte, Grundsätze und<br />
das Selbstverständnis des Veranstalters vermittelt zu bekommen.<br />
Repräsentanz bei den Eventformen:<br />
• Der wertorientierte Typus ist bei keiner Eventart in der Überzahl vertreten.<br />
• Am häufigsten (jeweils an zweiter Stelle) findet sich der wertorientierte<br />
Typus unter den Besuchern des Mitarbeiter- und des Stakeholderevents.<br />
• Zu der quantitativ kleinsten Gruppe zählt er bei den Publikumsmessen und<br />
dem Journalistenevent.<br />
Geschlechtsspezifische Repräsentanz der Leitbildtypen<br />
Es ist nicht festzustellen, dass ein Besuchertypus eher charakteristisch für die<br />
Anspruchshaltungen von Frauen oder eher für die von Männern wäre. Alle Typen<br />
sind bei beiden Geschlechtern auch beinahe gleich stark repräsentiert. Allein die<br />
Rangfolge der vorkommenden Typen differiert ganz leicht:<br />
Typus Frauen Männer<br />
Nachhaltigkeitstypus 22% 19%<br />
Erlebnistypus 22% 20%<br />
Instrumenteller Typus 21% 22%<br />
Wertorientierter Typus 18% 20%<br />
Gemeinschaftstypus 18% 18%
1 <strong>Besuchertypologie</strong> 9<br />
Während der Nachhaltigkeitstypus zusammen mit dem Erlebnistypus bei den<br />
Frauen ganz vorne liegt, entspricht der instrumentelle Persönlichkeitstypus am<br />
ehesten den Erwartungen der meisten Männer. Dieser liegt jedoch gleich auf<br />
Rang zwei bei den Frauen, genau wie der Erlebnistypus bei den Männern.<br />
Lediglich die Ökologiethemen sind offenbar bei den Frauen tiefer verankert als<br />
bei den Männern: Der Nachhaltigkeitstypus rangiert bei den weiblichen<br />
Eventbesuchern auf Platz 1, bei den männlichen auf Platz 3.
Hinweise 10<br />
Anmerkung<br />
Handlungsempfehlungen<br />
Aus diesen Ergebnissen wurden Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche<br />
Veranstaltung der behandelten Events abgeleitet. Entsprechende Checklisten,<br />
welche die Ergebnisse in prägnanter Form zusammenfassen, finden sich unter<br />
dem Link Tipps & Tools.<br />
Weitere Ergebnisse<br />
Die empirischen Ergebnisse werden im Kapitel Empirische Bestandsaufnahme<br />
unter dem Link Leitbilder der Besucher anhand von Grafiken vorgestellt.