23.10.2012 Aufrufe

medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios

medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios

medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ISSN 1863-8341<br />

Geschichte <strong>der</strong> Medizin<br />

Vom guten Eiter bis zum Schnellverband:<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> Wundversorgung<br />

Jens Oliver Bonnet<br />

Die Wundversorgung mit Verbandsmaterialien<br />

<strong>aus</strong> Blättern, Harzen o<strong>der</strong> Rinden<br />

ist vermutlich so alt wie die Menschheit<br />

selbst, auch wenn Aufzeichnungen dar -<br />

über nicht einmal 5.000 Jahre zurück reichen:<br />

Papyrusrollen <strong>aus</strong> dem alten Ägypten<br />

beschreiben Verletzungen, die mit in<br />

Öl und Honig getränktem feinen Leinen<br />

verbunden wurden.<br />

Bereits Hippokrates (460 – 375 v. Chr.) un -<br />

terschied Schnittwunden ohne Verunreinigung<br />

von komplizierten Verletzungen mit<br />

abgestorbenem Gewebe. Schnittwunden<br />

reinigte er mit Wein o<strong>der</strong> abgekochtem<br />

Regenwasser, vernähte sie und ließ sie unter<br />

mit starkem Rotwein getränkten Leinen -<br />

kompressen primär heilen. Verschmutzte<br />

o<strong>der</strong> entzündete Wunden mussten dagegen<br />

schnell durch den Vorgang <strong>der</strong> Eiterung<br />

gebracht werden, offen bleiben und<br />

sekundär heilen. Nach <strong>der</strong> Vier-Säfte-Lehre<br />

interpretierte Hippokrates die Entzündung<br />

als Säftestau, <strong>der</strong> durch Eiterung aufgelöst<br />

werden kann. Obwohl die <strong>Ärzte</strong> <strong>der</strong> Antike<br />

we<strong>der</strong> weiße Blutkörperchen noch<br />

Bakterien kannten, ahnten sie bereits die<br />

Bedeutung <strong>der</strong> verschiedenen Eiterformen:<br />

Weißer Eiter galt als günstig (Pus bonum et<br />

laudabile), dünnflüssiger o<strong>der</strong> stinken<strong>der</strong><br />

Eiter dagegen als prognostisch ungünstig. [1]<br />

In speziellen Fällen riefen die <strong>Ärzte</strong> gezielt<br />

eine Eiterung hervor, wenn die Wunde<br />

nicht primär verheilen konnte. Bei Entzündungszeichen<br />

in primär heilbaren Wunden<br />

trugen sie dagegen entzündungshemmende<br />

Mineralstoffe und Kräuter auf. Um die<br />

Wundeiterung in zerklüfteten und verschmutzten<br />

Wunden zu stimulieren, brachte<br />

Hippokrates in Wein abgekochte Schafswolle<br />

in die Wunde ein – dabei achtete er<br />

auf größtmögliche Reinlichkeit. Aulus<br />

Cornelius Celsus (ca. 25 v. Chr. – 50 n. Chr.)<br />

erwähnt in seinen Schriften Techniken <strong>der</strong><br />

Blutstillung und <strong>der</strong> Kauterisation durch<br />

www.medtropole.de<br />

Hilfe zur Selbsthilfe: <strong>der</strong> erste Pflasterschnellverband<br />

Ausbrennen <strong>der</strong> Wunde mit einem heißen<br />

Eisen, [1] Claudius Galen (129 – 216 n. Chr.)<br />

beschreibt bereits 108 verschiedene Verbände,<br />

darunter die bis heute gebräuchlichen<br />

Schildkröten- und den Kornährenverbände.<br />

Im kirchlich geprägten Mittelalter gab es<br />

nur wenige <strong>Ärzte</strong> in Diensten <strong>der</strong> Adligen<br />

und Reichen, während die medizinische<br />

Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung vor allem<br />

durch Ba<strong>der</strong>, Barbiere, Scherer und „weise<br />

Frauen“ geleistet wurde. [2] Das im Mittel -<br />

alter verbreitete Einbringen von Schmutz<br />

in primär heilbare Wunden beruhte vermutlich<br />

auf einer Fehlinterpretation des<br />

Hippokratischen Konzeptes des lobenswerten<br />

Eiters. Eine bahnbrechende Entdeckung<br />

machte <strong>der</strong> französische Barbier<br />

Ambroise Paré (1510 – 1590), <strong>der</strong> als Militärchirurg<br />

die bis dahin mit kochendem<br />

Holun<strong>der</strong>öl kauterisierten Schusswunden<br />

mit einem Digestivum <strong>aus</strong> Eigelb, Rosenöl<br />

und Terpentin bestrich, weil ihm während<br />

eines Gefechts das Öl <strong>aus</strong>ging: Den so<br />

Behandelten erging es erheblich besser als<br />

ihren kauterisierten Kameraden. [3]<br />

1865 entdeckte Louis Pasteur, dass Gärung<br />

und Fäulnis durch mikroskopisch kleine<br />

Lebewesen verursacht werden. Joseph Lister<br />

erkannte, dass diese Keime <strong>für</strong> Wundinfektionen<br />

verantwortlich waren und<br />

führte 1867 den mit Karbolsäure getränkten<br />

Wundverband ein, <strong>der</strong> die Todesraten<br />

in den <strong>Klinik</strong>en deutlich senkte. [4] Einen<br />

weiteren Meilenstein legte <strong>der</strong> Tübinger<br />

Chirurg Viktor von Bruns 1870 mit <strong>der</strong><br />

Erfindung <strong>der</strong> hydrophilen Verbandwatte,<br />

indem er Baumwolle bleichte und entfettete.<br />

1874 beschrieb Lister ein Verfahren zur<br />

Herstellung eines keimabtötenden Wundverbands,<br />

<strong>der</strong> Listerschen Carbolgaze.<br />

1922 brachte die Hamburger Firma Beiersdorf<br />

mit dem Hansaplast Schnellverband<br />

mit Mullkissen den ersten Pflasterverband<br />

auf den Markt, <strong>der</strong> eine eigenständige Versorgung<br />

kleiner Verletzungen durch den<br />

Patienten ermöglichte. Bis dahin erfor<strong>der</strong>ten<br />

selbst Bagatellverletzung professionelle<br />

Hilfe. 1962 legte Georg Winter den Grundstein<br />

<strong>für</strong> die mo<strong>der</strong>ne feuchte Wundbehandlung<br />

sekundär heilen<strong>der</strong> Wunden. [5]<br />

Literatur<br />

[1] Majno G. The Healing Hand – Man and Wound in the<br />

Ancient World, Harvard University Press, Cambridge 1975.<br />

[2] Ackerknecht EH. Geschichte <strong>der</strong> Medizin, 5. Auflage,<br />

Stuttgart 1986: 75.<br />

[3] Forrest, R. D.: Development of wound therapy from the<br />

dark ages to the present, Journal of the Royal Society of<br />

Medicine 1982, Bd. 75: 268-73.<br />

[4] Lister J. On a new method of treating compound<br />

fracture, abscess, etc., The Lancet. 1867; 45: 326-29.<br />

[5] Winter GD. Formation of the scab and the rate of epithelization<br />

of superficial wounds in the skin of the young<br />

domestic pig. Nature. 1962; 193: 293-4.<br />

BUCHTIPP<br />

W. Sellmer, A. Bültemann, W. Tigges<br />

Wundfibel: Wunden versorgen, behandeln, heilen<br />

193 S.; MWV 2010; € 24,95<br />

ISBN: 978-3-941468-14-6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!