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medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios

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Medtropole | Ausgabe 22 | Juli 2010<br />

bestimmten Konstellationen keine an<strong>der</strong>en<br />

Bewältigungsmöglichkeiten zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Suchtverhalten baut auf dem normalen alltäglichen<br />

Konsumverhalten auf und folgt<br />

<strong>der</strong> Logik „Gutes noch besser, Schlechtes<br />

gar nicht so schlimm“. Dieser Verstärkungsmechanismus<br />

kann zur Suchtentwicklung<br />

entgleisen, wenn zum Beispiel<br />

bei regelmäßigem Alkoholkonsum in einer<br />

Krise jedwe<strong>der</strong> Genese schleichend mehr<br />

konsumiert wird (Missbrauch) bis hin zu<br />

einem krankheitswertigen Ausmaß (Kontrollverlust).<br />

Dass „<strong>der</strong> erste Schuss süchtig<br />

macht“ ist ein seltenes Phänomen und hat<br />

auch mit dem Suchtpotential <strong>der</strong> konsumierten<br />

Droge und ihrer Applikation zu<br />

tun. In <strong>der</strong> Regel führen nicht die Drogen,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en unsachgemäße Anwendung<br />

zur Abhängigkeit. Sehr häufig ist Suchtmittelkonsum<br />

mit einer weiteren psychischen<br />

Erkrankung verknüpft, seien es Persönlichkeitsstörungen,<br />

Belastungsstörungen,<br />

Depressionen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e psychiatrische<br />

Erkrankungen (Komorbidität). Suchtmittel<br />

werden in diesem Zusammenhang zur<br />

Befindens- beziehungsweise Affektregulation<br />

eingesetzt. Sie sind also willkommene<br />

Substanzen, um in eine annäherungsweise<br />

psychisch <strong>aus</strong>geglichene Balance zu kommen.<br />

818<br />

Hypothesen<br />

Vor<strong>aus</strong>zuschicken ist, dass jede Behandlung<br />

von Krankheiten und insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch die psychischer Erkrankungen in<br />

einem historischen Kontext zu sehen ist<br />

und viel mit den persönlichen Einstellungen<br />

und Annahmen <strong>der</strong> Behandelnden zu<br />

tun hat. Sie stützt sich also letztlich nicht<br />

nur auf wissenschaftliche Erkenntnisse,<br />

son<strong>der</strong>n oft auch auf persönliche Einstellungen<br />

und Auffassungen, den Einfluss<br />

„alter Lehrer“ o<strong>der</strong> des Behandlungsteams,<br />

<strong>der</strong> <strong>Klinik</strong>leitung und ähnlichem. Dabei<br />

lassen sich mehrere Grundannahmen o<strong>der</strong><br />

Hypothesen unterscheiden, von denen <strong>aus</strong><br />

Behandlungskonzepte entwickelt wurden<br />

und werden:<br />

■ „Entscheidend ist, die Suchterkrankung<br />

durchgreifend mit dem Ziel dauerhafter<br />

Abstinenz zu behandeln. Dann<br />

erledigen sich die ansonsten auftretenden<br />

psychischen Probleme und Störungen<br />

von selbst.“ Dieser früheste Einsatz<br />

professioneller Suchtbehandlung stützte<br />

sich insbeson<strong>der</strong>e auf die Vorstellungen<br />

und Erfahrungen abstinenter<br />

Abhängigkeitskranker, die sich in<br />

Selbsthilfegruppen organisiert hatten.<br />

■ Nicht selten trifft man auch auf die<br />

Auffassung, dass es <strong>aus</strong>reiche, eine auffällige<br />

psychische Störung konsequent<br />

medikamentös, psychotherapeutisch<br />

und soziotherapeutisch zu behandeln.<br />

Dann erledige sich die Sucht sozusagen<br />

von selbst. [5]<br />

■ Nach <strong>der</strong> Hypothese <strong>der</strong> Wechselwirkung<br />

zwischen Sucht und weiterer psychischer<br />

Störung muss dagegen beides<br />

immer gleichzeitig beachtet und behandelt<br />

werden, um ein positives Behandlungsergebnis<br />

zu erreichen.<br />

Dem ist im Übrigen bescheiden entgegenzuhalten,<br />

dass <strong>der</strong> häufigste erfolgreiche<br />

Weg <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Sucht <strong>der</strong> <strong>der</strong> Selbstheilung<br />

ohne professionelle Hilfe ist. So haben in<br />

den vergangenen drei Jahren zum Beispiel<br />

zwei Millionen Menschen in Deutschland<br />

das Rauchen aufgegeben. Es ist völlig<br />

ungeklärt, wie vielen abhängigkeitskranken<br />

Menschen es gelingt, ohne jede Unterstützung<br />

durch <strong>Ärzte</strong> o<strong>der</strong> suchtspezifische<br />

Beratungs- und Behandlungsangebote<br />

abstinent zu werden. Diese Menschen sind<br />

positiv zu verstärken. Therapeutische<br />

Hilfe, die sie offenbar nicht brauchen und<br />

oft auch gar nicht wollen, ist hier nicht<br />

indiziert.<br />

Professionelle Hilfe ist nur geboten, wenn<br />

die Störung so stark <strong>aus</strong>geprägt ist o<strong>der</strong><br />

die persönlichen Ressourcen so schwach<br />

sind, dass ein Ausstieg nicht allein gelingt.<br />

Und bei dieser Gruppe von Abhängigen ist<br />

im Verlauf zu klären, ob Abstinenz überhaupt<br />

erreicht werden kann und <strong>für</strong> die<br />

Patienten ein erstrebenswertes Ziel ist.

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