medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios
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Essstörungen<br />
Stationäre o<strong>der</strong> tagesklinische Behandlung?<br />
Dr. Helge Fehrs<br />
Der Anteil chronischer Verläufe beträgt bei<br />
<strong>der</strong> Anorexie etwa 50 Prozent, [2,7] bei <strong>der</strong><br />
Bulimia nervosa rund 30 Prozent. [1] Daher<br />
ist es sinnvoll, eher in Behandlungsabschnitten<br />
zu denken als <strong>der</strong> Vorstellung zu<br />
erliegen, eine Maßnahme wie zum Beispiel<br />
eine achtwöchige stationäre Behandlung<br />
würde die Erkrankung „heilen“. Während<br />
bis vor wenigen Jahren ambulante und stationäre<br />
Behandlungsmöglichkeiten als einzige<br />
Alternativen zur Verfügung standen,<br />
gibt es inzwischen mehrere Zentren in<br />
Deutschland, die wie das <strong>Asklepios</strong> Westklinikum<br />
Hamburg auch tagesklinische<br />
Angebote vorhalten. Dabei sind verschiedene<br />
Tagesklinikmodelle zu unterscheiden,<br />
die entwe<strong>der</strong> alternativ zur stationären<br />
Behandlung (fünf Tage pro Woche) arbeiten<br />
o<strong>der</strong> aber ein Übergangssetting vom<br />
stationären zum ambulanten Bereich anbieten<br />
(zum Beispiel zwei Tage pro Woche).<br />
Stehen unterschiedliche Behandlungs -<br />
optionen zur Verfügung, sollten bei <strong>der</strong><br />
Entscheidung über die Therapieform im<br />
Ambulanzgespräch insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Behandlungsmotivation und die Zielsetzung<br />
geklärt werden. Dabei ist <strong>der</strong> Aust<strong>aus</strong>ch<br />
mit Vorbehandlern in <strong>der</strong> Regel<br />
hilfreich. Bei <strong>der</strong> Entlassung <strong>aus</strong> einem<br />
Behandlungsabschnitt, also an <strong>der</strong> Schnittstelle<br />
zu einem möglichen nächsten Bau -<br />
stein <strong>der</strong> Behandlungskette, sind die noch<br />
vorhandene Erkrankungsschwere, das<br />
Rückfallrisiko und die psychosozialen Res-<br />
sourcen zu beachten. In jedem Fall kommt<br />
einer gezielten Vorbereitung auf die Zeit<br />
nach <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> große Bedeutung zu. Für<br />
die meisten Patienten ist ein Stufenplan<br />
<strong>der</strong> Behandlung optimal (z. B. stationärnachstationär-tagesklinisch-ambulant).<br />
Ziele stationärer und tagesklinischer<br />
Therapie bei Essstörungen [3]<br />
■ körperliche Stabilisierung (Anorexie:<br />
<strong>aus</strong>reichende Gewichtszunahme; Bulimie:<br />
Reduktion des selbstinduzierten<br />
Erbrechens, des Laxantienabusus und<br />
des exzessiven Sporttreibens)<br />
■ Normalisierung des Essverhaltens<br />
(Mahlzeitenzusammensetzung,<br />
Essensstruktur)<br />
■ Erarbeitung einer <strong>aus</strong>reichenden<br />
Behandlungs- und Än<strong>der</strong>ungsmotivation<br />
■ Her<strong>aus</strong>arbeiten zentraler psychischer<br />
Problembereiche (z. B. Reifungsängste,<br />
Probleme mit <strong>der</strong> Regulation eigener<br />
Gefühle)<br />
■ Verbesserung <strong>der</strong> psychischen Begleitsymptomatik<br />
(z. B. Depressivität,<br />
Ängste, selbstverletzendes Verhalten)<br />
■ Arbeit an zentralen dysfunktionalen<br />
Beziehungsmustern (z. B. Abhängigkeitskonflikt)<br />
■ Unterstützung bei Problemen im<br />
sozialen Umfeld<br />
Multimodale Therapieprogramme<br />
Psychosomatik<br />
Essstörungen mit Krankheitswert sind vor allem die Anorexia nervosa (Magersucht, ICD10 F50.0), die Bulimia<br />
nervosa (Ess-/Brechsucht, ICD10 F50.2) sowie die Binge-Eating-Störung (Essattacken ohne Erbrechen, ICD10<br />
F50.9). In <strong>der</strong> Therapie dieser Erkrankungen ist, wegen ihrer Chronifizierungstendenz und hoher Rückfallgefahr,<br />
eine Gesamtbehandlungsplanung von großer Bedeutung.<br />
Sowohl in stationärer als auch in tagesklinischer<br />
Behandlung finden multimodale<br />
Therapieprogramme ihre Anwendung. Sie<br />
bestehen <strong>aus</strong> psychodynamisch o<strong>der</strong> verhaltenstherapeutisch<br />
<strong>aus</strong>gerichteten Gruppen-<br />
und Einzelpsychotherapien, erlebnisorientierten<br />
Therapieverfahren, die<br />
schwerpunktmäßig in Gruppen angeboten<br />
werden (konzentrative Bewegungstherapie,<br />
Kunst- und Gestaltungstherapie o<strong>der</strong><br />
Musiktherapie), Ernährungsberatung,<br />
angeleitetem Kochen, Familiengesprächen<br />
sowie medizinischer Diagnostik und<br />
Behandlung. Hinzu kommen strukturierte<br />
symptomorientierte Komponenten, die sich<br />
speziell auf die Essstörung <strong>der</strong> Patientinnen<br />
beziehen. Sie halten Vorgaben zum<br />
Verzicht auf das pathologische Essverhalten,<br />
zur Gewichtsentwicklung und zur<br />
Nahrungsaufnahme vor, die häufig über<br />
Belohnungsverfahren positiv verstärkt<br />
werden. Zudem wird mit Esstagebüchern<br />
gearbeitet, die Mahlzeiten werden begleitet,<br />
es gibt Ruhephasen <strong>für</strong> Anorektikerinnen<br />
und Bulimikerinnen nach dem Essen<br />
sowie Sport- und Bewegungsangebote <strong>für</strong><br />
übergewichtige Patienten. Dabei sind<br />
Regeln und Vorgaben im stationären<br />
Bereich enger gefasst als im tagesklinischen<br />
Bereich – auch, weil dort den Patienten<br />
mehr Verantwortung übertragen wird.<br />
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