Mai - Euroregion Elbe/Labe
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Karlsbad – Ihr Lieblingsplatz ist ein Erker im Restaurant. Von dort aus schaut Christina<br />
Léotard auf die prachtvollen Fassaden am Ufer des Flüsschens Teplá. Seit November leitet<br />
sie das Hotel Dvorák in Karlsbad, wo sie seit fünf Jahren lebt. „Ich kann mir nicht vorstellen,<br />
woanders hin zu gehen.“ Allerdings hat sie wenig Zeit, um am Lieblingsplatz zu sitzen: Den<br />
ganzen Tag dreht die 1,86 Meter große Hoteldirektorin ihre Runden durch die sechs<br />
Stockwerke, behält den Überblick, ruft jedem Gast zur Begrüßung ein fröhliches „Dobrý den“<br />
zu. „Ich liebe es, im Hotel zu arbeiten.“<br />
Wie sie überhaupt in Tschechien gelandet ist? Zufall, Schicksal oder Glück haben es gewollt.<br />
Ihr Mann, ein Franzose, dem sie den klangvollen Nachnamen verdankt, bekam in Karlovy<br />
Vary ein Angebot als Küchenchef. Die beiden zogen von Hongkong in die westböhmische<br />
50000-Einwohner-Stadt. Zuvor hatte Christina Léotard - aufgewachsen im Taunus – in<br />
Frankreich und Tahiti gelebt. Der Sprung nach Karlovy Vary war zugleich ihr bisher größter<br />
Karrieresatz: Die 30-Jährige führt die tschechische Belegschaft des Hotels einer<br />
österreichischen Kette an.<br />
Sie spüre kaum Mentalitätsunterschiede. „Ich komme sehr gut mit meinem Team zurecht, es<br />
ist eingespielt und professionell“, sagt Léotard und setzt sich auf einen grün-roten<br />
Polstersessel in der Lobby, den ihr ein Kellner herangerückt hat.<br />
Anfangs habe sie vor allem eines überrascht: „Dass die Tschechen uns Deutschen viel<br />
ähnlicher sind, als ich dachte.“ Sie wirken oft etwas zurückhaltend, müssen erst einmal<br />
„warm werden“ – dann jedoch sind sie umso herzlicher. „Man muss aber auch etwas dafür<br />
tun“, sagt Léotard.<br />
In erster Linie Tschechisch pauken. „Das hat mich wirklich fertig gemacht.“ Die Sprache weist<br />
sieben Fälle und diverse Sonderzeichen auf, mit Vokalen wird gespart. „Im Hotel habe ich<br />
aber sehr viel gelernt.“<br />
Auch mit der Bürokratie kommt sie jetzt klar. Die sei zwar „ganz furchtbar“, aber mithilfe von<br />
tschechischen Freunden habe sie es geschafft, sich, das Telefon und das Auto anzumelden.<br />
„Wir sind glücklich, dass wir so viele gute Freunde gefunden haben, wurden mit offenen<br />
Armen aufgenommen.“ Mit ihrem Mann hat sie ein Haus gebaut, das im 500-Seelen-Dorf<br />
Pila nahe Karlovy Vary steht: „Wir wollen dort alt werden.“ So könne sie beides haben –<br />
internationales Flair im Hotel und Grillen mit den Nachbarn auf dem Dorf. „Wenn mich doch<br />
die Sehnsucht nach Deutschland packt, bin ich schnell über der Grenze.“ Zum Einkaufen<br />
fahre sie nicht nach Prag, sondern lieber nach Dresden.<br />
Ein Brauch, der es in sich hat<br />
Ansonsten ist Léotard in Böhmen daheim und hat sich sogar schon an die „Pomlázka“<br />
gewöhnt: Einmal im Jahr, am Ostermontag, dürfen Männer den Frauen mit Weidenruten<br />
den Hintern versohlen. Das soll Gesundheit bringen und jung halten. „Die hauen da richtig<br />
zu.“ Am Anfang wusste sie nicht, dass die Herren der Schöpfung zum Dank dafür auch noch<br />
Schnaps und Schokolade erwarten. Stattdessen kippte sie ihnen drei Eimer Wasser über.<br />
Dabei dürfen die Frauen das erst mittags, wenn sich die Männer ausgetobt haben.