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Mai - Euroregion Elbe/Labe

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Bahnhof erst mit drei Minuten Verspätung verlassen wird – die Umsteigezeit in Olbramovice<br />

zum Schnellzug nach Prag wird daher überaus knapp. Von Sebastian Naumann<br />

„Der größte dokumentierte Fall von<br />

Menschenhandel“<br />

Ausländische Arbeiter werden mit leeren Versprechungen<br />

gelockt und mit dubiosen Verträgen betrogen<br />

„Das Schlimmste an der ganzen Sache ist“, sagt Herr Tuan, „dass ich mir den Westen niemals<br />

so vorgestellt hätte. Ich dachte, wo Demokratie und Freiheit herrschen, werden Leute mit<br />

Respekt behandelt und Arbeit bezahlt. Aber die Freiheit, die hier herrscht, ist die Freiheit,<br />

andere zu betrügen.“<br />

Herr Tuan sitzt in einem Restaurant im Prager „Klein-Hanoi“. Draußen scheint die warme<br />

Frühlingssonne auf einen farbenprächtigen Umzug von Vietnamesen aus der Provinz Phu<br />

Tho, aus der auch Herr Tuan stammt. Doch weder die Sonnenstrahlen noch die bunten<br />

Kostüme seiner Heimat scheinen ihm Freude zu bereiten. Während sein starker, schwarzer<br />

vietnamesischer Kaffee langsam in die Kondensmilch tropft, die in einem Glas vor ihm steht,<br />

schaut Herr Tuan traurig auf den Boden. Als würde er sich für seine Illusionen schämen.<br />

Die Scham fällt nicht auf Herrn Tuan: Mitten in Europa, in einer Union, die sich freiheitlichdemokratischen<br />

Traditionen verpflichtet sieht, wurde Herr Tuan im Auftrag des Staates<br />

betrogen, belogen und ausgebeutet. Mit ihm noch rund 1500 weitere Arbeiter aus fernen<br />

Ländern wie Vietnam oder der Mongolei, aber auch aus EU-Staaten wie der Slowakei oder<br />

Rumänien. Sie wurden gelockt, von findigen Subunternehmen der staatlichen Firma „Lesy<br />

ČR“, der das Monopol über die tschechischen Wälder obliegt.<br />

Der Trick ist immer der gleiche: Arbeitswillige Ausländer werden von den Subunternehmern<br />

zu Aufforstungsarbeiten in den staatlichen Wäldern angeheuert. Den versprochenen Lohn<br />

und die Verpflegung sehen sie nie.<br />

Für Waldarbeiten engagiert „Lesy ČR“ Subunternehmer, die der staatlichen Firma<br />

Baumbestand abkaufen und sich vertraglich verpflichten, die gerodeten Waldstücke wieder<br />

aufzuforsten. Die Baumpreise sind dabei, je nach Art und Dicke des Baumes, vorgegeben.<br />

„Der Preis der Arbeit ist aber flexibel. Und da sind einige darauf gekommen, dass sie am<br />

besten verdienen, wenn sie für die Arbeit gar nichts bezahlen“, sagt Stanislav Beránek von<br />

„Transparency International“ in Prag. Das ist das hässliche Gesicht der Forstmafia, die den<br />

tschechischen Wald im Griff hat. „Zehn Firmen haben 81 Prozent der öffentlichen Tender<br />

von Lesy ČR“, erklärt Beránek.<br />

Die größte unter ihnen, die Holding „Less a.s.“ gehört Jan Mičánek, einem ehemaligen<br />

Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums, der in den neunziger Jahren seine eigene<br />

Wende vom sozialistischen Bürokraten zum tschechischen Waldkönig vollzog. Das Holz, das

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