Mai - Euroregion Elbe/Labe
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Von all dem weiß Herr Tuan nichts, als er sich im Februar 2009 von Phu Tho nach Prag<br />
aufmacht, um es seinen Landsleuten nachzumachen, die es in Tschechien geschafft hatten.<br />
Die in Fabriken anfangen und es dann, über einen kleinen Stand auf Märkten oder vor<br />
Bahnhöfen zu einem eigenen kleinen Laden bringen. Die ihre Kinder aufs Gymnasium oder<br />
die Universität schicken. Herr Tuang hat zwei Kinder auf der Universität in Hanoi. "Es ist nicht<br />
leicht, sie finanziell zu unterstützen, deshalb kam ich her", sagt er.<br />
Dann kam die Krise<br />
Doch dann kam die Krise, und es gab nicht mal mehr in den Fabriken Arbeit, die noch wenige<br />
Monate zuvor händeringend Leute gesucht hatten. Die Arbeit in den Wäldern, das Setzen<br />
von Bäumen ist zwar hart. Aber die Herren von der "Affumicata", die in einem proppenvollen<br />
Saal im Prager "Klein Hanoi" mithilfe von Dolmetschern Löhne zwischen 800 und 1.300 Euro<br />
pro Monat, Unterkunft und Verpflegung dreimal täglich versprechen, wirken seriös und<br />
vertrauensvoll.<br />
Kurz nach Vertragsunterzeichnung wird Herr Tuan nach Nordböhmen gebracht. Zusammen<br />
mit rund 120 weiteren Arbeitern soll er am Fuße des Erzgebirges Bäumlinge setzen. "In den<br />
ersten Wochen bekam jeder von uns umgerechnet 20 Euro, zwei Hühner und einen Sack<br />
Reis", erzählt Herr Tuan. Einen Monat lang setzt er dort Bäume, sieben Tage die Woche, 300<br />
bis 400 täglich. Von dem versprochenen Geld sehen sie keinen Cent. Als der Sack Reis<br />
ausgeht, kommt der Hunger. "Wir haben uns von Pflanzen, die wir kannten, ernährt. Im<br />
Wohnheim buken wir uns Plätzen aus Wasser und Mehl."<br />
Den Vertrag, laut dem ihm Verpflegung zustehen sollte, hat Herr Tuan erst übersetzen<br />
lassen, nachdem er zwei Monate später, unbezahlt und hungrig, aus dem Wald abgehauen<br />
war. Was ihm als Arbeitsvertrag untergejubelt wurde, war ein Ausbildungsvertrag: Danach<br />
hätte er fürs Bäumepflanzen sogar umgerechnet 20 Euro pro Monat an die "Affumicata"<br />
zahlen müssen.<br />
"Was da in den tschechischen Wäldern passiert, ist der größte dokumentierte Fall von<br />
Menschenhandel innerhalb der EU", schimpft der Anwalt Matous Jira, der sich des Falls der<br />
Baumpflanzer angenommen hat. In seinem Büro hat er hunderte Aussagen gesammelt – von<br />
den Opfern selbst, wie auch von anderen, die von Ausbeuterfirmen geneppt wurden – die<br />
Dolmetscher aus "Klein Hanoi" zum Beispiel, oder die Vermieter der Wohnheime. "Aber",<br />
sagt Matous Jira, "der Staat zeigt nicht weiter als Desinteresse, sich dieses erschreckenden<br />
Falls anzunehmen", schimpft Jira und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.<br />
Zusammen mit seiner Kollegin Stepanka Mikova hat er im Namen der Opfer Strafanzeige<br />
gestellt, wegen Betrug, Menschenhandel und Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung.<br />
"Von den über 100 Zeugen hat die Polizei gerade mal 3 verhört", sagt Jira. "Ich glaube,<br />
Staatsanwaltschaft und Polizei haben einfach keine Lust, diesen Fall von Ausbeutung und<br />
Menschenhandel zu untersuchen. Die kriegen doch die Krise allein bei dem Gedanken,<br />
hunderte Vietnamesen verhören zu müssen", glaubt der Anwalt.<br />
Zuständige Ministerien schieben sich den Schwarzen Peter gegenseitig zu oder weisen jede<br />
Verantwortung von sich: "Da müssen sie sich direkt an Lesy CR wenden, wir haben damit<br />
nichts zu tun", erklärt eine Sprecherin des tschechischen Landwirtschaftsministeriums im<br />
Brustton der Empörung. Die Tatsache, dass dem Landwirtschaftsministerium die Aufsicht<br />
über die staatliche Firma zusteht und es, sozusagen als Firmengründer, einen Ministerialrat