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Zur Idee der Unsterblichkeit bei Fichte und bei Schelling

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Jahre später, im System <strong>der</strong> Sittenlehre, spricht er vom durchgängig von uns selbst<br />

bestimmten Zweckbegriffe als Hintergr<strong>und</strong> dafür, daß alle Erscheinungen zum Ausdruck<br />

unserer wollenden Selbständigkeit werden. 1 Es zeigt sich nochmals, daß das „um <strong>der</strong> Freiheit<br />

willen“ gefor<strong>der</strong>te Streben nach einem so beschaffenen sittlichen Zwecke unendlich ist. Dies<br />

besagt, daß sich die moralische Ichheit allweil entwickelt, ständig ihre kräftige sowie<br />

intelligente Freiheit steigert. 2 Erst in diesem Prozeß <strong>der</strong> Herstellung von Zweckbegriffen <strong>und</strong><br />

des sukzessiven kausalen Handelns nach diesen Zwecken entsteht die Zeit. 3 Sie ist die durch<br />

den Bezug aufs mannigfaltige Wollen versinnlichte Form <strong>der</strong> intellektuellen Anschauung. 4 Es<br />

kristallisiert sich in analogen Überlegungen aus dem Jahre 1812 auch <strong>der</strong> für uns beson<strong>der</strong>s<br />

interessante religiöse Sinn des unendlichen Strebens heraus: das ewige Leben kann nicht<br />

bewiesen werden, aber man überzeugt sich davon, insofern man sehnend nach <strong>der</strong><br />

<strong>Unsterblichkeit</strong> trachtet <strong>und</strong> da<strong>bei</strong> seine Pflicht nicht versäumt 5 ; die sittliche Ewigkeit<br />

erlangen wir dank unserem Streben <strong>und</strong> dank <strong>der</strong> Gnade Gottes, <strong>der</strong> uns die innere ethische<br />

Kraft einflößen kann 6 . Aber die nun als die schon bekannte – absolute, reflektierte <strong>und</strong><br />

losgerissene – Sehkraft begriffene Ichheit unterstellt sich in <strong>der</strong> WL 1812 dem sittlichen<br />

Gesetz, um es in den eisernen Willen zur Verwirklichung <strong>der</strong> moralischen Ordnung in <strong>der</strong><br />

physischen Welt umzuschaffen. 7 Die Vorbereitung dazu war 1806 die <strong>Idee</strong> <strong>der</strong><br />

allumfassenden Liebe, die unsere endliche Reflexion an die Unendlichkeit des<br />

unpersönlichen, eben wie ein strenges hebräisches Gesetz anmutenden Gottes anknüpft. 8<br />

Ganz an<strong>der</strong>s <strong>bei</strong> <strong>Schelling</strong>, <strong>der</strong> zumindest seit <strong>der</strong> Freiheitsschrift keine Zuneigung<br />

mehr zum Sein <strong>und</strong> zur Umformung desselben zu hegen scheint. Man lese einfach seine<br />

1<br />

S. J. G. <strong>Fichte</strong>, Das System <strong>der</strong> Sittenlehre (1798), Hamburg, F. Meiner, 1963, S. 12: „Das ewige Absolute,<br />

worauf alles Bewußtsein, <strong>und</strong> alles Sein sich gründet, ist reine Tätigkeit. Diese erscheint, zufolge des Gesetzes<br />

des Bewußtseins, <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e zufolge seines Gr<strong>und</strong>gesetzes, daß das Tätige nur als vereinigtes Subjekt,<br />

<strong>und</strong> Objekt, (als Ich) erblickt werden kann, als Wirksamkeit auf etwas außer mir. Alles, was in dieser<br />

Erscheinung enthalten ist, von dem mir absolut durch mich selbst gesetzten Zwecke an, an dem einen Ende, bis<br />

zum rohen Stoffe <strong>der</strong> Welt, an dem an<strong>der</strong>en, sind vermittelnde Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erscheinung, sonach selbst auch nur<br />

Erscheinungen. Das Einige rein Wahre ist meine Selbständigkeit.“<br />

2<br />

Vgl. J. G. <strong>Fichte</strong>, Wissenschaftslehre nova methodo (1796-99, Krause-Nachschrift), Hamburg, F. Meiner.<br />

1982, S. 55. – Günter Zöller unterstreicht den engen, mittels des Willens hergestellten Zusammenhang <strong>der</strong><br />

sinnlichen <strong>und</strong> intelligiblen Welt in <strong>der</strong> WL nova methodo. – Vgl. G. Zöller, Bestimmung zur Selbstbestimmung:<br />

<strong>Fichte</strong>s Theorie des Willens, in: „<strong>Fichte</strong>-Studien“ 7/1995.<br />

3<br />

Vgl. ebd., S. 206.<br />

4<br />

Vgl. ebd., S. 136.<br />

5<br />

Vgl. J. G. <strong>Fichte</strong>, Das System <strong>der</strong> Sittenlehre (Vorgetragen von Ostern bis Michaelis 1812), in: <strong>Fichte</strong>s Werke,<br />

Bd. XI (Vermischte Schriften aus dem Nachlaß), Berlin, Walter de Gruyter & Co., 1971, S. 56.<br />

6<br />

Vgl. ebd., S. 58 f.<br />

7<br />

Vielleicht gab es in <strong>der</strong> ersten WL den Ort für die freien individualisierten Persönlichkeiten noch in dem<br />

hypothetischen vernünftigen Rechtszustand, wie es Alain Perrinjaquet meint (Individuum <strong>und</strong> Gemeinschaft in<br />

<strong>der</strong> Wissenschaftslehre zwischen 1796 <strong>und</strong> 1800, in: „<strong>Fichte</strong>-Studien“ 3/1991), doch die am Anfang <strong>der</strong> zweiten<br />

Dekade des XIX. Jahrhun<strong>der</strong>ts unzweideutig zum Ausdruck kommende Tendenz zur Vereinheitlichung <strong>der</strong><br />

interpersonalen Welt läßt sich schon in jenen früheren Fassungen <strong>der</strong> WL beobachten.<br />

8<br />

Vgl. H. Traub, Über die Grenzen <strong>der</strong> Vernunft. Das Problem <strong>der</strong> Irrationalität <strong>bei</strong> Jacobi <strong>und</strong> <strong>Fichte</strong>, in:<br />

„<strong>Fichte</strong>-Studien“ 14/1998.<br />

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