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Zur Idee der Unsterblichkeit bei Fichte und bei Schelling

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das Vergangene kann freilich nicht als ein Gegenwärtiges, wohl aber muß es als ein<br />

Vergangenes mit dem Gegenwärtigen zumal sein; das Zukünftige ist freilich nicht als<br />

ein jetzt Seiendes, wohl aber ist es mit dem Gegenwärtigen als ein zukünftig Seiendes<br />

zumal, <strong>und</strong> es ist gleich ungereimt, das Vergangen-sein wie das Zukünftig-sein als ein<br />

völliges Nichtsein zu denken.“ 1<br />

Diese organische Einheit <strong>der</strong> Zeitekstasen verunmöglicht es dem wahren<br />

philosophischen Subjekte – wohlverstanden, nicht dem empirischen Ich –, eine beständige<br />

Essenz zu haben, <strong>und</strong> macht die (ewige, ungegenständliche, urständliche) Freiheit zum Wesen<br />

desselben. 2 Ein solches absolut freie Subjekt kann seine Erfüllung nicht mehr im Staate<br />

finden, <strong>der</strong> nur eine Naturmacht ist, <strong>und</strong> muß sie entwe<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Kirche o<strong>der</strong> in einem in die<br />

Kirche übergehenden Staatswesen suchen. 3 Zwar stirbt <strong>der</strong> Staat nie vollständig ab, man darf<br />

aber von <strong>der</strong> inneren, geistigen Harmonie <strong>der</strong> individuellen Person, von <strong>der</strong> sittlich-religiösen<br />

Verträglichkeit von Willen <strong>und</strong> Welt als dem äußeren Zwecke <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

Verfassungen sprechen. Freie Zeit, Monarchie, bürgerliches Engagement – dies sind die<br />

solchen Zweck am besten beför<strong>der</strong>nden Faktoren. 4 Die inkonstante kontemplative Rückkehr<br />

zu Gott hat die Phasen <strong>der</strong> mystischen Frömmigkeit, <strong>der</strong> Kunst sowie <strong>der</strong> kontemplativen, auf<br />

die göttliche Existenz hin gerichteten Wissenschaft. 5 Die ihrer Natur nach allgemeine, weil<br />

„auf Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit“ gegründete Kirche muß neben dem Staate bestehen, <strong>der</strong><br />

äußerlich ist <strong>und</strong> deswegen nie universellen Umfang erreichen kann. 6 Die Kirche soll sich<br />

innerlich über den Staat erheben, nicht um zu herrschen, son<strong>der</strong>n um ihn mit <strong>der</strong><br />

Allgemeinheit des Glaubens zu durchtränken. 7<br />

Die <strong>Schelling</strong>sche Konzeption <strong>der</strong> Zeit hat ihre inspirierende Anziehungskraft bis<br />

heute <strong>bei</strong>behalten. 1956 analysiert Wolfgang Wieland den Zeitbegriff in <strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong><br />

Weltalter. Die Zeit wird als organisch, endlich, in <strong>der</strong> Ewigkeit begründet <strong>und</strong> als auf die<br />

endlichen Dinge bezogen aufgefaßt. Die ekstatische Zeitlichkeit sei eine ontologische Basis<br />

des menschlichen Seins, Denkens <strong>und</strong> Bewußtseins; man habe da<strong>bei</strong> zugleich mit <strong>der</strong> Ekstatik<br />

1<br />

Ebd., S. 302. – In <strong>der</strong> Paulus-Nachschrift wird vom ewigen Charakter <strong>der</strong> Zeitlichkeit geredet.<br />

2<br />

Vgl. Über die Natur <strong>der</strong> Philosophie..., a. a. O., S. 9, 14.<br />

3<br />

Vgl. Stuttgarter..., a. a. O., S. 461 f., 464.<br />

4<br />

Vgl. Philosophische Einleitung..., a. a. O., XXIII. Vorlesung<br />

5<br />

Vgl. ebd., XXIV. Vorlesung.<br />

6<br />

Vgl. F. W. J. <strong>Schelling</strong>, Philosophische Entwürfe <strong>und</strong> Tagebücher 1846. Philosophie <strong>der</strong> Mythologie <strong>und</strong><br />

reinrationale Philosophie, Hamburg, F. Meiner, 1998, S. 38. – Vielleicht ist das <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>, weswegen <strong>der</strong> junge<br />

Habermas in seiner Dissertation, a. a. O., III. Teil: „Mensch <strong>und</strong> Gott im Horizont <strong>der</strong> Weltalter (<strong>Schelling</strong> 1809-<br />

21)“, den alten <strong>Schelling</strong> <strong>der</strong> Abwendung von <strong>der</strong> Geschichtlichkeit des Absoluten bezichtigt.<br />

7<br />

Vgl. ebd., S. 39. – Zu den Wandlungen des <strong>Schelling</strong>schen Staatsbegriffs siehe M. Schraven, Recht, Staat <strong>und</strong><br />

Politik <strong>bei</strong> <strong>Schelling</strong>, in: F. W. J. <strong>Schelling</strong>, a. a. O.<br />

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