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Zur Idee der Unsterblichkeit bei Fichte und bei Schelling

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Die Gestalt <strong>der</strong> geschaffenen Welt folgt aus <strong>der</strong> unendlich gesteigerten Unendlichkeit<br />

des Absoluten. Das Bejahende <strong>und</strong> das Bejahte greifen ineinan<strong>der</strong>, die darauf aufgebaute Welt<br />

wird also <strong>bei</strong>de Gr<strong>und</strong>eigenschaften des Idealen <strong>und</strong> des Realen an sich haben müssen. 1 Die<br />

Unterschiede zwischen den Welten o<strong>der</strong> den sog. Potenzen sind nur quantitativer, nicht<br />

qualitativer Natur. Je näher die Dinge in ihrer Beson<strong>der</strong>heit dem All sind, je ähnlicher dem<br />

Organismus des Absoluten, desto vollkommener sind sie. 2 Diese These läßt sich auch auf den<br />

menschlichen Willen anwenden: je universeller <strong>und</strong> vernünftiger unsere Motivierung ist,<br />

desto sittlich besseren unsere Handlungen <strong>und</strong> unser Charakter, desto himmlischer unser<br />

Benehmen – <strong>und</strong> umgekehrt: je partikulärer unsere Motive, desto schneller gleiten wir vom<br />

rechten Wege ab, um ins Gegengöttliche, ins Böse zu verfallen, uns von Gott abzuwenden<br />

<strong>und</strong> tödliche Krankheit zu erleiden. 3 Aber die tiefste Motivation ist vielmehr die Sache <strong>der</strong><br />

unvordenklichen, irrationalen, gr<strong>und</strong>losen Wahl, <strong>der</strong> Kontraktion Gottes ähnlich. 4 Der<br />

Mensch entschließt sich zu einer gr<strong>und</strong>legenden Handlungsweise, <strong>und</strong> in diesem Akt bringt er<br />

etwas hinter sich, setzt es als Vergangenheit, um sich die Zukunft aneignen zu können. 5<br />

„Zuvor“ hat sich Gott dazu entschlossen, das Chaos seiner Natur 6 hinter sich zu bringen <strong>und</strong><br />

in <strong>der</strong> Ewigkeit die Zeit zu etablieren, <strong>und</strong> zwar als Gleichzeitigkeit von Vergangenheit<br />

(Natur), Gegenwart (Sein <strong>und</strong> Wissen im Wesen Gottes) <strong>und</strong> Zukunft (alle existentiellen<br />

Möglichkeiten im freien Willen Gottes). Diese drei Dimensionen lassen sich auf das<br />

„Strahlen“ <strong>der</strong> Gegenwart zurückführen. Sie sind alle wesensgleich:<br />

„... verschiedene Zeiten [...] können als die verschiedenen wohl zumal sein, ja genau<br />

zu reden, sind sie notwendig zumal. Die vergangene Zeit ist keine aufgehobene Zeit;<br />

1 Vgl. ebd., S. 205.<br />

2 Kuno Fischer behauptet, <strong>bei</strong> <strong>Schelling</strong> hätten die endlichen Dinge ihr wahres Sein im Absoluten (K. Fischer,<br />

<strong>Schelling</strong>s Leben, Werke <strong>und</strong> Lehre, 3. Aufl., Heidelberg, Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, 1902, S. 619-<br />

623).<br />

3 Der letzte Satz versucht, den moralischen Inhalt <strong>der</strong> Philosophischen Untersuchungen über das Wesen <strong>der</strong><br />

menschlichen Freiheit <strong>und</strong> die damit zusammenhängenden Gegenstände (1809) kurz darzustellen.<br />

4 Vgl. Stuttgarter Privatvorlesungen (1810, aus dem handschriftlichen Nachlaß), in: F. W. J. <strong>Schelling</strong>,<br />

Sämtliche Werke, I-8, Stuttgart <strong>und</strong> Augsburg, Cotta, 1861, S. 429 f.; Die Weltalter (1814/15 – Bruchstück aus<br />

dem handschriftlichen Nachlaß), in: ebd., S. 304. – In <strong>der</strong> Philosophischen Einleitung in die Philosophie <strong>der</strong><br />

Mythologie o<strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> reinrationalen Philosophie, in: Ausgewählte Schriften, Bd. 5, Frankfurt a. M.,<br />

Suhrkamp, 1985, XX. Vorlesung (bes. S. 473, 485 f., Anm. 1) faßt <strong>Schelling</strong> die Periode 1809-1815 – seine<br />

Lehren von <strong>der</strong> Charakterwahl, von <strong>der</strong> Gottesab- <strong>und</strong> -zuwendung – zusammen, indem er nicht allein vom<br />

individuellen, son<strong>der</strong>n auch vom geschichtlichen Schicksal spricht.<br />

5 Die Weltalter, a. a. O., S. 259.<br />

6 Dazu H. Fuhrmans, <strong>Schelling</strong>s Philosophie <strong>der</strong> Weltalter. <strong>Schelling</strong>s Philosophie in den Jahren 1806-1821.<br />

Zum Problem des <strong>Schelling</strong>schen Theismus, Düseldorf, L. Schwann, 1954. Fuhrmans deutet die Philosophie des<br />

mittleren <strong>Schelling</strong> als einen explikativen Theismus, <strong>der</strong> die Genese des Universums aus dem gottimmanenten<br />

Chaos vornimmt. Der damit mangelhafte, nach <strong>der</strong> Verkörperung des Idealen sehnende Gott wi<strong>der</strong>spricht, so<br />

Fuhrmanns, <strong>der</strong> christlichen Gottesauffassung.<br />

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