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Brüsseler 1x1 für Umweltbewegte - EU-Koordination

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<strong>EU</strong>-Lobbying in der Praxis<br />

14 Thesen zu einer erfolgreichen Lobbyarbeit in<br />

der Europäischen Union - Gastbeitrag von Frank<br />

Schwalba-Hoth, seit über 20 Jahren Umweltlobbyist in<br />

Brüssel<br />

1. Lobbying in Brüssel ist normal, akzeptiert und notwendig!<br />

Diese Tatsache ergibt sich aus einem ganz einfachen Grund:<br />

In Tschechien ist ein aus Pilsen oder Budweis stammender Beamter<br />

in seinem Prager Ministerium davon überzeugt, dass er<br />

weiß, was <strong>für</strong> ganz Tschechien wichtig ist. Jemand, der aus München<br />

oder Köln stammt und jetzt in seinem Berliner Ministerium<br />

sitzt, glaubt, dass er weiß, was gut ist <strong>für</strong> ganz Deutschland.<br />

Im Unterschied dazu gibt es in der <strong>EU</strong>, der <strong>EU</strong>-Kommission,<br />

dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat niemanden,<br />

der so vermessen ist zu glauben, er sei in der Lage <strong>für</strong> die<br />

gesamte <strong>EU</strong> in all ihren Facetten zu wissen, was das Beste wäre.<br />

Die <strong>EU</strong>-Struktur basiert sehr viel stärker als nationale Strukturen<br />

auf dem konzentrierten Input von außen. Das heißt, jede<br />

Person in den <strong>EU</strong>-Strukturen sitzt nicht nur isoliert allein am<br />

Schreibtisch, sondern saugt wie ein Schwamm Informationen<br />

auf, die von außen an sie herangetragen werden – und wenn<br />

dieses Lobbying richtig betrieben wird, ist die Person, die im<br />

Zentrum dieser Lobby-Aktivitäten steht, froh, Informationen<br />

zu bekommen. Lobbying oder, wie es heute immer mehr heißt<br />

„Public Affairs“ (nicht zu verwechseln mit „Public Relations“),<br />

ist ein Teil der politischen Kultur in Brüssel.<br />

2. Identifiziere die Schlüsselpersonen!<br />

In Brüssel gibt es etwa 50.000 Personen, die in irgendeinem<br />

Zusammenhang eine Schlüsselperson sind. Das „Buch der Bücher“<br />

<strong>für</strong> einen Lobbyisten in Brüssel ist darum die Publikation,<br />

die alle diese 50.000 Namen enthält: das im Landmarks-Verlag<br />

<strong>für</strong> 100 Euro alljährlich herausgegebene „European Public Affairs<br />

Directory“. Die Gefahr, die in diesem Buch steckt, ist, dass<br />

man versucht sein könnte zu glauben, dass man zu all diesen<br />

50.000 Menschen irgendwie Kontakt aufnehmen müsste. Die<br />

Kunst einer bestimmten Lobby-Kampagne liegt jedoch darin,<br />

seine Top 50 oder Top 60 oder Top 70 zu identifizieren. Nach<br />

der Identifikation folgt dann die Herstellung des Kontaktes,<br />

die Pflege des Kontaktes und schließlich das Monitoring, ob<br />

die ausgewählten Personen wirklich die ganze Bandbreite abdecken.<br />

Dieses Monitoring hat in Brüssel auch deshalb eine<br />

besondere Bedeutung, weil die Fluktuation besonders groß ist.<br />

Aus jeder Liste der Top 50 vom Anfang des Jahres werden zehn<br />

Leute am Ende des Jahres nicht mehr dabei sein.<br />

3. Misstraue allen akademischen Publikationen über<br />

Lobbying und Public Affairs!<br />

Der Grund, warum die meisten dieser Publikationen weit entfernt<br />

von der Wirklichkeit sind, ist relativ einfach: Wenn man<br />

Deutscher Naturschutzring – <strong>Brüsseler</strong> <strong>1x1</strong><br />

sich aus dem akademischen Milieu an ein Thema wie Lobbying<br />

heranwagt, braucht man empirische Daten, und die bekommt<br />

man über das Versenden von Fragebogen an Schlüsselpersonen.<br />

Nur – wer beantwortet einen solchen Fragebogen? In der Regel<br />

ist es nicht der Chef, der Abteilungsleiter, der Botschafter oder<br />

der Abgeordnete. Wenn überhaupt geantwortet wird, ist es der<br />

Assistent oder der Praktikant, der mit seinen Antworten widerspiegelt,<br />

was er glaubt, was sein Chef tut - und das ist nicht<br />

immer nah der Realität. Wenn die empirischen Daten somit<br />

falsch sind, kann auch die Forschung, die darauf aufbaut, nicht<br />

unbedingt richtig sein.<br />

4. Definiere klar dein Ziel!<br />

Dies klingt banal, wird aber häufig vernachlässigt. Ich habe<br />

viele Lobby-Anstrengungen gesehen, wo man sich durch ungenaue<br />

(oder unrealistische) Zielvorgaben selbst um den Erfolg<br />

gebracht hat. Für die Definition des Zieles gilt immer noch die<br />

alte englische Vorgabe „make it easy, make it simple“. Ohne ein<br />

klares (nicht überladenes) Ziel, das zu Beginn definiert wurde,<br />

lässt sich nur selten eine Kampagne gewinnen.<br />

5. Bilde Koalitionen!<br />

Ein Beispiel aus meiner Greenpeace-Zeit: Die Kampagne gegen<br />

gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) wurde nur deshalb<br />

ein Erfolg, weil auf der Grundlage eines klar definierten<br />

Zieles anschließend eine Art von Allianz gebildet wurde mit<br />

Gruppen, die aus ethischen oder religiösen Gründen gegen den<br />

Einsatz von GVOs waren. Weiteres Beispiel: Die <strong>EU</strong> beriet die<br />

Altauto-Richtlinie, also die Gesetzgebung, die da<strong>für</strong> sorgen soll,<br />

dass alte Pkws nach ihrer Nutzung wieder in den Rohstoffkreislauf<br />

zurückgeführt werden können. Es gab dort eine Koalition<br />

zwischen den Automobilbauern und der Elek-tronikindustrie.<br />

Letztere wusste, dass nach der Verabschiedung der Richtlinie zu<br />

Altautos eine Richtlinie zu Elektronikschrott anstehen würde.<br />

Viel von den grundsätzlichen Regelungen im Bereich der Altautos<br />

würden sich anschließend sicher im Bereich des Elektronikschrotts<br />

wiederfinden – und so geschah es auch. Dieses<br />

„coalition building“ gilt nicht nur auf fachlicher, sondern auch<br />

auf nationaler Ebene. Brüssel ist letztendlich kein homogener<br />

Schauplatz. Um wirklich erfolgreich eine Richtlinie beeinflussen<br />

zu wollen, darf man sich nicht nur auf Aktivitäten in Brüssel<br />

verlassen. Man muss ebenfalls in den meisten der nationalen<br />

Hauptstädte präsent sein – und dazu ist es notwendig, verschiedene<br />

Verbindungen einzugehen, eben „coalition building“.<br />

6. Sei aktiv auf verschiedenen Ebenen!<br />

Es ist ein Irrglaube davon auszugehen, dass ein guter Kontakt zu<br />

einem Kommissar alles regeln kann. Genauso wichtig ist es, mit<br />

der Person in der Mitte der Hierarchie der <strong>EU</strong>-Kommission in<br />

Kontakt zu stehen, die den konkreten Text erarbeitet, der dann<br />

in einem Jahr von den Kommissaren beraten und in zwei Jahren<br />

von Ministerrat und Parlament beschlossen werden wird.<br />

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