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Nachhaltiges Europa Abschlusspublikation - Global Marshall Plan

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Können Freihandel und grenzenloser Wettbewerb<br />

Instrumente der Armutsbekämpfung sein?<br />

<strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Europa</strong><br />

Peter Rottach, Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherung, Landwirtschaft und Umwelt<br />

Die „Armenhäuser der Welt“<br />

In der Entwicklungszusammenarbeit hat sich bei<br />

vielen die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine sog.<br />

„nachholende Entwicklung“, die dem Vorbild der<br />

industrialisierten und post-industrialisierten westli-<br />

chen Welt nacheifert, kein Modell für bevölkerungsreiche<br />

und ressourcenarme Länder des Südens<br />

sein kann. Dafür reichen weder die Energie-<br />

und Rohstoffquellen der Erde aus noch wären die<br />

natürlichen Ökosysteme in der Lage, die Umweltauswirkungen<br />

zu verkraften. Trotzdem ist immer<br />

deutlicher zu beobachten, dass sich in den meisten<br />

Südländern wohlhabende Mittel- und Oberschichten<br />

ausbilden, die im Lebensstandard den Durchschnitt<br />

der Industrieländer hinter sich lassen, wäh-<br />

rend gleichzeitig breite Bevölkerungsschichten<br />

weiter verarmen oder in extremer Armut verharren.<br />

Der Wohlstand der Wenigen ist dabei oft eine<br />

Folge rücksichtsloser Ausbeutung menschlicher<br />

Arbeitskraft und ökologischer Ressourcen und lässt<br />

nur selten eine Mitverantwortung für die sozial<br />

Schwachen erkennen. Selbst Schwellenländer oder<br />

Entwicklungsländer mit begünstigtem naturräumlichen<br />

Potential weisen Armutsgebiete und verarmte<br />

Bevölkerungsschichten auf, die den durchschnittli-<br />

chen Verhältnissen in benachteiligteren Ländern<br />

genau gleichen. Diese „Armenhäuser“ sind hinsichtlich<br />

Infrastruktur, Bildungsniveau der Bevöl-<br />

kerung, außer-landwirtschaftlichen Einkommensmöglichkeiten<br />

etc. geradezu auf dramatische Weise<br />

marginalisiert und von wirtschaftlichem und<br />

technischem Fortschritt weitgehend abgeschnitten.<br />

Ein näheres Hinsehen auf solche Standorte fördert<br />

erschreckende Verhältnisse und Gegensätze zum<br />

Rest der Welt zu Tage. Kinder zum Beispiel, die<br />

aufgrund von Unterernährung regelmäßig im Unterricht<br />

in Ohnmacht fallen. Einkommensverhältnisse,<br />

die mit fünf bis zehn Cent pro Kopf und Tag<br />

weit unter der UN-Armutsgrenze von einem US-<br />

Dollar liegen. Stündlich sterben 900 Menschen an<br />

Hunger und ernährungsbedingten Krankheiten.<br />

Den rund 800 Millionen chronisch Unterernährten<br />

in Tropen und Subtropen stehen die Auswüchse<br />

von Überfluss und Wohlstand gegenüber, wie<br />

Übergewicht, Fettleibigkeit und Fehlernährung<br />

aufgrund exzessiven Konsums hochverarbeiteter<br />

Lebensmittel in den Industriestaaten.<br />

Besonders krass mutet die globale Verteilung der<br />

Vermögen an. Von den 300 Reichsten heißt es, sie<br />

besäßen soviel wie die drei Milliarden Ärmsten zu-<br />

sammen genommen. Zehn Prozent der USamerikanischen<br />

Bevölkerung besitzt weit mehr als<br />

die Gesamtbevölkerung Afrikas und Lateinamerikas.<br />

Exportlandwirtschaft<br />

Exportlandwirtschaft verschärft in der Regel bestehende<br />

soziale Unterschiede. Kleinbauern wer-<br />

den zugunsten lukrativer Produktionsanlagen vertrieben.<br />

Finanzielle Ressourcen fehlen für armutszentrierte<br />

Entwicklungsprogramme. Armutsbe-<br />

kämpfung über eine Förderung der Exportlandwirtschaft<br />

läuft im Ergebnis auf die Bekämpfung der<br />

Armen hinaus. Erschwerend kommt hinzu, dass<br />

die Produktionsstrukturen vieler Entwicklungslän-<br />

der historisch begründet auf wenige Exporterzeugnisse<br />

ausgerichtet sind, so dass im globalen Kontext<br />

der begrenzten Nachfrage in den kaufkraft-<br />

starken Industrieländern ein Überangebot aus den<br />

devisenhungrigen Tropenregionen gegenübersteht.<br />

Erst wenigen Ländern des Südens ist es gelungen,<br />

ihre Rolle als hoch spezialisierte Rohstofflieferanten<br />

landwirtschaftlicher Erzeugnisse abzugeben<br />

und signifikante Wachstumsraten ihrer Devisen-<br />

einnahmen zu verzeichnen. Die afrikanischen Länder<br />

südlich der Sahara hatten in den 70er Jahren<br />

noch einen Weltagrarmarktanteil von sechs Prozent.<br />

Dieser Anteil ist heute auf drei Prozent ge-<br />

sunken. Ihr historisches Erbe, ihre ökologischen<br />

und sozialstrukturellen Hemmnisse lassen Handel<br />

in Konkurrenz mit kapitalkräftigen Betrieben des<br />

Nordens oder mit dem Großgrundbesitz einem<br />

Fußballspiel ähneln, in dem eine der beiden Mannschaften<br />

mit schweren Rucksäcken und ohne Fuß-<br />

ballschuhe antreten muss und der Schiedsrichter<br />

gleichzeitig der Trainer des Gegners ist.<br />

Das Spiel wird auch dann nicht gewonnen, wenn<br />

einige wenige Spieler mit Schuhen ausgestattet<br />

werden. Deshalb braucht es für eine nachhaltige<br />

Verbesserung der Lebensbedingungen eine wirtschaftliche<br />

Entwicklung, die primär dem Gros der<br />

ärmeren Bevölkerungsschichten zugute kommt.<br />

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