Nachhaltiges Europa Abschlusspublikation - Global Marshall Plan
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Nachhaltigkeit in der EU<br />
Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen<br />
Das Verhältnis zwischen der grünen Partei und der<br />
EU war nicht immer einfach. Schließlich galt die<br />
Europäische Gemeinschaft bei Gründung der Grünen<br />
als Inbegriff eines veralteten und verkürzten<br />
ökonomischen Konzepts: Die EG förderte Kohle,<br />
Stahl und Atomkraft, war undurchsichtig und undemokratisch<br />
und überhaupt in erster Linie Agen-<br />
tin des europäischen Großkapitals.<br />
Heute fördert die EU noch immer Kohle und Stahl,<br />
noch immer wird Atomkraft subventioniert. Und<br />
die Öffnung der EU hin zu mehr Transparenz und<br />
Demokratie steht mit der Debatte um die Verfassung<br />
erst an ihrem Anfang. Dennoch bekennen wir<br />
Grüne uns inzwischen klar zur Europäischen Integ-<br />
ration. Warum? Unser Bekenntnis zu <strong>Europa</strong> rührt<br />
nicht aus einer plötzlichen romantischen Schwärmerei,<br />
sondern aus der nüchternen Erkenntnis<br />
heraus: Wir brauchen die Europäische Union trotz<br />
all ihrer Fehler. Wir brauchen sie, um die gesellschaftliche<br />
Modernisierung voranzutreiben, die wir<br />
auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene<br />
bereits so erfolgreich begonnen haben. Unser Bekenntnis<br />
zu <strong>Europa</strong> rührt aus der Einsicht, dass die<br />
Probleme der Zukunft keine Grenzen kennen und<br />
deshalb grenzüberschreitend – also europäisch –<br />
gelöst werden müssen: zum Beispiel in der Klimapolitik,<br />
zum Beispiel in der Frage einheitlicher E-<br />
nergiesteuern, zum Beispiel beim gemeinsamen<br />
Schutz vor Hochwasser.<br />
Insofern ist <strong>Europa</strong> eine grüne Chance – ebenso<br />
wie ich natürlich hoffe, dass die Grünen auch eine<br />
Chance für <strong>Europa</strong> sind.<br />
Was ist die Europäische<br />
Nachhaltigkeitsstrategie?<br />
Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie ist eine<br />
grüne Chance für <strong>Europa</strong>. Sie ist ein wesentliches<br />
Instrument, um der europäischen Integration eine<br />
Richtung zu geben, die zu mehr Ökologie und<br />
mehr Generationengerechtigkeit führt. Ich habe in<br />
allen akademischen Debatten um den Nachhaltig-<br />
keitsbegriff nie eine wirklich überzeugende Definition<br />
gehört. Wenn ich also gefragt werde, was<br />
Nachhaltigkeit ist, zitiere ich deshalb sehr gerne<br />
den grünen Slogan „Wir haben die Erde von unseren<br />
Kindern nur geborgt“ – denn ich kenne bis<br />
heute nichts, was die normative Grundlage einer<br />
Nachhaltigkeitsstrategie besser auf den Punkt<br />
bringt.<br />
<strong>Nachhaltiges</strong> <strong>Europa</strong><br />
Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie ist das<br />
notwendige Korrektiv zur europäischen Wachstumsstrategie,<br />
wie sie im sogenannten Lissabon-<br />
Prozess festgeschrieben wird. <strong>Europa</strong> soll danach<br />
bis 2010 zum wettbewerbsstärksten und wachstumsstärksten<br />
Raum <strong>Europa</strong>s werden. Die europä-<br />
ische Nachhaltigkeitsstrategie erweitert die Lissabon-Strategie<br />
entscheidend um die ökologische<br />
Dimension.<br />
Der Europäische Rat hat die EU-<br />
Nachhaltigkeitsstrategie im Juni 2001 in Göteborg<br />
beschlossen. Sie soll als Querschnittsaufgabe<br />
einen Rahmen für die ökologische, ökonomische<br />
und soziale Entwicklung der Union setzen und sicherstellen,<br />
dass Umweltschutz in die anderen Politikbereiche<br />
der EU integriert wird. In dieser Stra-<br />
tegie heißt es unter anderem:<br />
„[Sie] sollte in den nächsten Jahren als Katalysator<br />
für politische Entscheidungsträger und die öffentli-<br />
che Meinung dienen und zur treibenden Kraft für<br />
institutionelle Reformen und ein verändertes Verhalten<br />
von Unternehmen und Verbrauchern werden.“<br />
Die EU-Nachhaltigkeitsstrategie ist damit auch ein<br />
wichtiger Beitrag für den Folgeprozess des Umweltgipfels<br />
in Rio de Janeiro. Dort hatte sich die in-<br />
ternationale Staatengemeinschaft mit der Agenda<br />
21 zum ersten Mal in der Geschichte verpflichtet,<br />
die globale Verantwortung sowohl für den Schutz<br />
der natürlichen Lebensgrundlagen, als auch zur<br />
Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern zu<br />
übernehmen. Diesem Geist folgt die EU-<br />
Nachhaltigkeitsstrategie.<br />
Manche von Ihnen werden sich vielleicht fragen:<br />
Wozu brauchen wir überhaupt eine solche Strategie<br />
in der europäischen Umweltpolitik? Ist das<br />
nicht alles viel zu abstrakt im Gegensatz zu konkreten<br />
Gesetzen? Ich denke, wir brauchen eine<br />
solche Strategie vor allem deshalb, weil nachhalti-<br />
ge Entwicklung eben nicht nur durch Umweltpolitik<br />
allein zu erreichen ist, sondern eine Querschnittsaufgabe<br />
ist, die nur durch strategische<br />
Vorgaben und Instrumente durchsetzbar ist.<br />
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