Oktober 2011 - EU-Koordination
Oktober 2011 - EU-Koordination
Oktober 2011 - EU-Koordination
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Service<br />
RezensiOnen<br />
nische Konzerne. Sein Hauptaugenmerk<br />
gilt jedoch den Chancen und Risiken des<br />
momentanen Booms um das „weiße Gold“:<br />
Wie wird sich das Land entwickeln? Wird<br />
es dem populären Präsidenten Evo Morales<br />
gelingen, das Land in eine selbstbestimmte<br />
Zukunft zu führen, oder wird Bolivien erneut<br />
zum Spielball der Global Player? Die<br />
Zukunft ist trotz manch positiver Vorzeichen<br />
offen – auch hier. Für die Gegenwart<br />
hat Benjamin Beutler wohl das Standardwerk<br />
über die bewegte Geschichte des Andenstaates<br />
vorgelegt. Verlag und Autor ist<br />
für den Mut, ein Buch jenseits der Mainstreamthemen<br />
herauszubringen, nur zu<br />
gratulieren – und es ist zu hoffen, dass ihr<br />
Vorbild Nachahmer findet. [christoph Hirsch]<br />
X Beutler, B.: Das weiße Gold der zukunft. Bolivien<br />
und das Lithium. Rotbuch, Berlin <strong>2011</strong>, 192 s.,<br />
12,95 €, isBn 978-3-86789-126-4<br />
Kein Wirtschaftswachstum?<br />
Gut so!<br />
Kann etwas unbegrenzt<br />
immer<br />
mehr werden?<br />
Mehr Konsum,<br />
mehr Geld, mehr<br />
Wachstum? Führt<br />
das automatisch zu<br />
mehr Wohlstand,<br />
mehr Lebensqualität,<br />
mehr Gerechtigkeit?<br />
Diese Frage haben Urs Gasche und<br />
Hanspeter Guggenbühl für sich schon<br />
lange mit einem klaren Nein beantwortet.<br />
Mit einem einfachen Rechenbeispiel belegen<br />
die Autoren, dass die allgegenwärtigen<br />
Anforderungen an das Wirtschaftswachstum<br />
unrealistisch und letztlich unerreichbar<br />
sind: Wenn die Wirtschaft wie geplant<br />
in jedem Jahr um mindestens zwei Prozent<br />
zulegen soll, müssten wir in 35 Jahren doppelt<br />
so viel Geld haben und doppelt so viel<br />
konsumieren wie heute und in 70 Jahren<br />
dann viermal so viel. Nur sind die natürlichen<br />
Ressourcen irgendwann verbraucht.<br />
„Schluss mit dem Wachstumswahn“<br />
– unter diesem Titel zeigen die beiden<br />
Schweizer mit anschaulichen Beispielen,<br />
dass das viel gepriesene Wirtschaftswachstum<br />
die globalen Probleme nicht mildert,<br />
sondern verschärft. Die ersten fünf Kapitel<br />
sind je einem Schwerpunkt gewidmet, etwa<br />
der auf Schulden basierenden Wirtschaftspolitik.<br />
Es folgt eine imaginäre Diskussion<br />
mit Wachstumsbefürwortern. Dieser interessante<br />
Ansatz wird jedoch durch die<br />
kompakte Wiederholung der vorangegangenen<br />
Ideen schnell langweilig. Das letzte<br />
große Kapitel stellt sechs Strategien vor, mit<br />
denen schrittweise das bestehende Wirtschaftssystem<br />
in ein nachhaltigeres und vor<br />
allem faireres umgewandelt werden könnte<br />
– teilweise etwas idealistisch, doch jederzeit<br />
nachvollziehbar. Unter anderem wird<br />
eine ökologische Steuerreform gefordert,<br />
die den Gütern der Natur ihren angemessenen<br />
Preis zuweist. Abgerundet wird das<br />
Werk von einem prägnanten Schlusswort<br />
und einem umfangreichen Anhang mit<br />
fallstudienartigen Vertiefungen einiger Argumente.<br />
Zum Weiterlesen werden Bücher<br />
und Internetseiten empfohlen.<br />
Die Sprache ist leicht verständlich, die<br />
Fallbeispiele sind gut fassbar. Mit je zwei<br />
Tabellen und Grafiken, deren Quellen nur<br />
zum Teil nachvollziehbar sind, liefern die<br />
Autoren eher einen anschaulichen Überblick<br />
über das komplexe Feld der Wachstumskritik<br />
denn ein wissenschaftliches<br />
Sachbuch. Wer sich beim Nachrichtenschauen<br />
regelmäßig fragt, ob es wirklich<br />
so dramatisch ist, dass die Wirtschaft nicht<br />
wächst wie erhofft, dem sei dieses Buch ans<br />
Herz gelegt. Es öffnet die Augen und regt<br />
zum Reflektieren der eigenen Handlungen<br />
und Sichtweisen an. Die reflexartigen Kommentare<br />
der Politiker zum mangelnden<br />
Wirtschaftswachstum sind nach der Lektüre<br />
weniger angsteinflößend. Denn „die<br />
Zukunft gehört nicht dem Land, das noch<br />
mehr konsumiert und Menschen zu diesem<br />
Zweck in die Erwerbsarbeit treibt. Die<br />
Zukunft gehört dem Land, das seine Bedürfnisse<br />
mit möglichst wenig Energie und<br />
Rohstoffen befriedigen kann.“ [Julia Barthel]<br />
X Gasche, U. P.; Guggenbühl, H.: schluss mit dem<br />
Wachstumswahn. Plädoyer für eine Umkehr.<br />
Rüegger, Glarus <strong>2011</strong>, 134 s., 15,– €,<br />
isBn 978-3-7253-0965-8<br />
neuer Gesellschaftsvertrag?<br />
Jetzt diskutieren!<br />
Die Welt ist im<br />
Wandel. Das ist<br />
nicht neu, es beschreibt<br />
nur den<br />
Status quo. Ja, sie ist<br />
mehr denn je im<br />
Wandel. Möglicherweise<br />
ist genau<br />
das gemeint. Die<br />
eigentliche Sensation<br />
dieser Studie ist ihr Untertitel: „Gesellschaftsvertrag<br />
für eine Große Transformation“.<br />
Der Wissenschaftliche Beirat der<br />
Bundesregierung für globale Umweltveränderungen<br />
(WBGU) tritt damit aus dem<br />
Schatten eines reinen Beratungsgremiums<br />
heraus. Sein neues Hauptgutachten zielt<br />
auf eine neue Gesellschaftsweise. Früher<br />
hätte man wohl gesagt: eine neue Gesellschaftsordnung.<br />
Das sind große Worte. Wer hat sie<br />
formuliert? Neun ProfessorInnen aus<br />
Deutschland, sieben Männer und zwei<br />
Frauen: ein Klimaforscher, ein Entwicklungspolitiker,<br />
ein Kulturwissenschaftler,<br />
ein Geologe und Paläontologe, ein Systemanalytiker<br />
und Energiewirtschaftler, eine<br />
Rechtswissenschaftlerin mit Schwerpunkt<br />
Verwaltungsrecht, ein Windenergietechniker<br />
und eine Nationalökonomin. Keine<br />
schlechten Voraussetzungen für eine ausgewogene<br />
interdisziplinäre Arbeitsgruppe.<br />
Der erste Satz der „Zusammenfassung<br />
für Entscheidungsträger“ (warum eigentlich<br />
nur für diese?) nimmt Bezug auf die<br />
neuen Demokratiebewegungen in der arabischen<br />
Welt. Sie werden in den Kontext<br />
des Falls der Berliner Mauer gestellt. Die<br />
Wissenschaftler sehen bereits einen „messbaren<br />
globalen Wertewandel in Richtung<br />
Nachhaltigkeit“. Und weiter: „Das kohlenstoffbasierte<br />
Weltwirtschaftsmodell ist<br />
auch ein normativ unhaltbarer Zustand,<br />
denn es gefährdet die Stabilität des Klimasystems<br />
und damit die Existenzgrundlagen<br />
künftiger Generationen.“ Deshalb soll die<br />
„Transformation“ auf den Nachhaltigkeitspfad<br />
politisch beschleunigt werden. „Dabei<br />
geht es im globalen Rahmen nicht zuletzt<br />
um Fragen von Fairness und Gerechtig-<br />
34 <strong>Oktober</strong> <strong>2011</strong> umwelt aktuell