Entwicklung von Sexualität und Geschlechtsidentität ... - ErzieherIn.de
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<strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong> in <strong>de</strong>r frühen<br />
Kindheit<br />
Hil<strong>de</strong> <strong>von</strong> Balluseck<br />
Hil<strong>de</strong> <strong>von</strong> Balluseck: <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong> in <strong>de</strong>r frühen Kindheit<br />
1
Der Anspruch <strong>de</strong>r Psychoanalyse<br />
n Wissenschaft vom Unbewussten als zentraler<br />
Antriebskraft <strong>de</strong>s Menschen<br />
n Anthropologie (Menschenbild)<br />
n Sozialisationstheorie<br />
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2
Die sexuelle <strong>Entwicklung</strong> nach Freud<br />
n Die infantile sexuelle <strong>Entwicklung</strong> erfolgt nicht<br />
bezogen auf eine geschlechtliche I<strong>de</strong>ntität.<br />
n Der psychische Apparat: Es, Ich <strong>und</strong> Über-Ich<br />
n Triebtheorie:<br />
Orale, anale, genitale Phase<br />
Der Ödipuskomplex<br />
Die sexuelle Orientierung<br />
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3
<strong>Sexualität</strong><br />
n Die Fortpflanzung ist nicht Ziel <strong>und</strong> Inhalt menschlicher<br />
<strong>Sexualität</strong>.<br />
n <strong>Sexualität</strong> speist sich aus <strong>de</strong>r Indienstnahme nichtsexueller<br />
Motive <strong>und</strong> Affekte (Sielert 2005:46).<br />
n <strong>Sexualität</strong> beruht nicht auf einem Trieb <strong>und</strong> auch nicht<br />
auf einem Bedürfnis, son<strong>de</strong>rn auf einem Wunsch<br />
(Quin<strong>de</strong>au 2008:44).<br />
n <strong>Sexualität</strong> ist eine allgemeine, auf Lust bezogene<br />
Lebensenergie (Sielert 2005:41). Sie ist auch eine<br />
gesellschaftliche Kategorie.<br />
.<br />
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4
Die Entstehung menschlicher <strong>Sexualität</strong><br />
(Quin<strong>de</strong>au 2008)<br />
n <strong>Sexualität</strong> entsteht in einem sozialen Prozess.<br />
n Dieser Prozess geschieht unbewusst, ist<br />
vorsprachlich <strong>und</strong> beruht auf „ senso-motorischorganismischen<br />
Interaktionserfahrungen“ (a.a.O.:<br />
47).<br />
n Die Interaktionserfahrungen strukturieren nicht<br />
nur eine Art <strong>von</strong> Körpergedächtnis, „son<strong>de</strong>rn<br />
darüber hinaus diesen Körper selbst <strong>und</strong> seine<br />
Wahrnehmungsfähigkeiten“ (a.a.O.).<br />
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Interaktionen als Begründung sexueller<br />
Erregbarkeit<br />
n Erogene Zonen „sind <strong>de</strong>mnach Spuren <strong>de</strong>r Erinnerung<br />
an frühere Befriedigungserlebnisse, die in <strong>de</strong>n Körper<br />
eingeschrieben sind.“<br />
n „Sexuelle Erregbarkeit grün<strong>de</strong>t gemäß dieser Sichtweise<br />
nicht in beson<strong>de</strong>ren physiologischen Bedingungen <strong>von</strong><br />
einzelnen Körperzonen, son<strong>de</strong>rn in unbewussten<br />
Erinnerungen, die bei <strong>de</strong>r Stimulierung <strong>de</strong>r erogenen<br />
Zonen aktiviert wer<strong>de</strong>n können “ (Quin<strong>de</strong>au 08:48).<br />
n Das spezifisch Menschliche: Sexuelle Erregung ist im<br />
Prinzip <strong>von</strong> sinnlicher Wahrnehmung unabhängig. Sie<br />
kann durch Phantasien <strong>und</strong> Erinnerungen ausgelöst<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
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6
Triebe <strong>und</strong> Begehren<br />
n Triebe gehören nicht zur biologischen Ausstattung <strong>de</strong>s Menschen,<br />
son<strong>de</strong>rn konstituieren sich in <strong>de</strong>r Beziehung zwischen Kind <strong>und</strong><br />
Erwachsenen, sie sind lebensgeschichtlich erworben. Von daher ist <strong>de</strong>r<br />
Begriff nicht stimmig.<br />
n Der Begriff „Begehren“ ist nicht allein sexuell besetzt, umschließt aber<br />
auch unbewusste sexuelle Wünsche/Bedürfnisse <strong>de</strong>r Erwachsenen. Er<br />
beinhaltet die Reflexion <strong>de</strong>s Zwischenraums zwischen <strong>de</strong>m „Subjekt“ <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>m An<strong>de</strong>ren.<br />
n Das An<strong>de</strong>re umfasst außer Menschen auch Sprache, Kultur, Funktionen.<br />
n Voraussetzung für die Bildung einer Ich-Struktur ist das Begehren <strong>de</strong>r<br />
An<strong>de</strong>ren, die erst die Subjektwerdung <strong>und</strong> damit die Ich-Bildung<br />
ermöglicht: Desi<strong>de</strong>ratus, ergo sum (statt: Cogito ergo sum).<br />
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Das Begehren <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>ren<br />
(Quin<strong>de</strong>au 2008)<br />
n „Das Begehren stellt einen Grenzbegriff zwischen <strong>de</strong>m<br />
Somatischen <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Psychischen dar. Es hat seinen<br />
Sitz im Körperlichen <strong>und</strong> ist zugleich eine psychische<br />
Repräsentanz“ (39).<br />
n „Das Begehren, das Streben nach Lust <strong>und</strong><br />
Befriedigung, wird zur Hauptantriebskraft menschlichen<br />
Han<strong>de</strong>lns. Sie bezieht sich nicht nur auf sexuelle<br />
Aktivitäten im engeren Sinne, son<strong>de</strong>rn liegt je<strong>de</strong>r<br />
menschlichen Tätigkeit zugr<strong>und</strong>e.“ 42<br />
n Der Begriff <strong>de</strong>s Begehrens ist nicht biologisch angelegt<br />
wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Triebes.<br />
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Die ersten Monate: Die Asymmetrie <strong>de</strong>r<br />
Beziehung (Quin<strong>de</strong>au 2008)<br />
n Die Beziehung zwischen Erwachsenen <strong>und</strong><br />
Säugling ist asymmetrisch.<br />
n Der Säugling ist einer/m Erwachsenen<br />
unterworfen. Er ist zu kognitiven Einordnungen<br />
o<strong>de</strong>r gar Zielsetzungen noch nicht fähig.<br />
n Seine <strong>Entwicklung</strong> wird nicht <strong>von</strong> seinem Ich<br />
son<strong>de</strong>rn <strong>von</strong> einem An<strong>de</strong>ren aus konzipiert.<br />
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Die Bildung <strong>de</strong>s sexuellen Körpers am<br />
Beispiel <strong>de</strong>r erogenen Zonen<br />
n Sexuelle Bedürfnisse entwickeln sich durch<br />
Interaktion.<br />
n Durch das Saugen an <strong>de</strong>r Brust wer<strong>de</strong>n Lippen<br />
<strong>und</strong> M<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu einer erogenen Zone.<br />
n Die Erfahrung <strong>von</strong> Befriedigung stattet <strong>de</strong>n<br />
kindlichen Körper mit einer spezifischen<br />
Reizbarkeit o<strong>de</strong>r Erregbarkeit aus (Quin<strong>de</strong>au<br />
2008: 47).<br />
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<strong>Entwicklung</strong>spsychologie - Psychoanalyse<br />
n Psychoanalyse: „Das Begehren ist <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong><br />
auf konflikthaft angelegt <strong>und</strong> <strong>de</strong>m bewussten<br />
Zugriff weitgehend entzogen“ (Quin<strong>de</strong>au 2008:<br />
41).<br />
n <strong>Entwicklung</strong>spsychologie: Im Mittelpunkt<br />
stehen die Bindungserfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>s Säuglings<br />
<strong>und</strong> sein Interesse, die Welt zu ent<strong>de</strong>cken. Die<br />
sexuelle <strong>Entwicklung</strong> wird nicht als so<br />
be<strong>de</strong>utungsvoll angesehen (Dornes 2005).<br />
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Das Erleben <strong>de</strong>r Trennung als<br />
Sozialisationsschicksal (Dornes 2005)<br />
n In <strong>de</strong>n ersten Lebensmonaten erlebt das Kind<br />
<strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>ren (meist Mutter) als<br />
Verlängerung <strong>von</strong> sich selbst. Erst allmählich wird<br />
ihm klar, dass die Mutter eine An<strong>de</strong>re ist.<br />
n Die Wahrnehmung <strong>de</strong>r Mutter als einer An<strong>de</strong>ren<br />
geht einher mit <strong>de</strong>m gelegentlichen Erleben <strong>von</strong><br />
Getrenntheit, woraus sich ein Bedürfnis nach<br />
Symbiose entwickelt.<br />
n Das Erleben <strong>von</strong> Getrenntheit wird durch das<br />
Verhalten <strong>de</strong>r Eltern modifiziert.<br />
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Die sexuelle <strong>Entwicklung</strong><br />
in <strong>de</strong>r frühen Kindheit: 1. Lebensjahr<br />
n Kin<strong>de</strong>r haben ein angeborenes Zärtlichkeitsbedürfnis<br />
(Sielert 2005)<br />
n Im 1. Lebensjahr gibt es spontane genitale Reaktionen<br />
wie Erektionen bei Jungen <strong>und</strong> Vaginallubrikation<br />
(Feuchtwer<strong>de</strong>n) bei Mädchen, jedoch vermutlich nicht mit<br />
Lust verb<strong>und</strong>en (Dornes 2005).<br />
n Schon im 1. Lebensjahr ent<strong>de</strong>cken Kin<strong>de</strong>r ihre<br />
Genitalien, meist beim Ba<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Win<strong>de</strong>lwechseln.<br />
n Sie interessieren sich für ihre Genitalien, sie befingern<br />
sie, reiben daran, jedoch ohne Verän<strong>de</strong>rung <strong>von</strong> Atmung<br />
o<strong>de</strong>r Aufmerksamkeit<br />
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Die sexuelle <strong>Entwicklung</strong> in <strong>de</strong>r frühen<br />
Kindheit: 2. Lebensjahr<br />
n Kin<strong>de</strong>r interessieren sich für die eigenen<br />
Genitalien <strong>und</strong> beginnen mit Selbstbefriedigung.<br />
n Sie interessieren sich auch für die Genitalien <strong>de</strong>r<br />
Eltern.<br />
n Es wer<strong>de</strong>n Schamgrenzen errichtet <strong>und</strong> das Kind<br />
erlernt <strong>de</strong>n Respekt vor <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren.<br />
n Kin<strong>de</strong>r können lernen, sexuelle Orte <strong>und</strong><br />
Empfindungen zu benennen.<br />
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Die sexuelle <strong>Entwicklung</strong> in <strong>de</strong>r frühen<br />
Kindheit: 3. <strong>und</strong> 4. Lebensjahr<br />
n Begreifen entwickelt sich jetzt über Sprache.<br />
Kin<strong>de</strong>r lernen Nein zu sagen.<br />
n Kin<strong>de</strong>r lernen, ihre Ausscheidungen zu<br />
kontrollieren.<br />
n Kin<strong>de</strong>r entwickeln ein immer größeres Interesse<br />
für an<strong>de</strong>re Kin<strong>de</strong>r.<br />
n Kin<strong>de</strong>r flirten mit ihren Eltern<br />
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Organ- <strong>und</strong> Funktionslust<br />
n Organlust: Intrinsisches Potenzial <strong>von</strong> Körperzonen,<br />
angenehme o<strong>de</strong>r erregen<strong>de</strong> Empfindung zu vermitteln.<br />
Sexuell ist ein Erlebnis dann, wenn die somatisch<br />
bedingte Erregung in <strong>de</strong>n Dienst für psychische<br />
Bedürfnisse genommen wird (Dornes 2005:120 f.).<br />
n Funktionslust: Das Vergnügen/die Erregung über die<br />
Ent<strong>de</strong>ckung eines Zusammenhangs <strong>und</strong> das Hervorrufen<br />
eines Ereignisses, <strong>de</strong>ssen Urheber man ist<br />
(Wirkmächtigkeit) (a.a.O.: 122).<br />
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Sexuelle Phantasien<br />
n Sexuelle Phantasien entstehen im Kin<strong>de</strong>salter.<br />
n Sie wer<strong>de</strong>n im Laufe <strong>de</strong>s Lebens<br />
„umgeschrieben“.<br />
n Damit wer<strong>de</strong>n auch die Erinnerungsspuren<br />
verän<strong>de</strong>rt.<br />
n Es geht bei <strong>Sexualität</strong> um die „leibliche<br />
Einschreibung lustvoller Erfahrungen“ (Quin<strong>de</strong>au<br />
2008:51)<br />
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Spezifika infantiler <strong>Sexualität</strong><br />
n Infantile <strong>Sexualität</strong> ist polymorph-pervers. Als<br />
Perversion gilt Freud je<strong>de</strong> Form <strong>von</strong> <strong>Sexualität</strong>,<br />
die nicht <strong>de</strong>r Fortpflanzung dient. Damit ist keine<br />
Abwertung verb<strong>und</strong>en.<br />
n Pathologisch ist nicht ein bestimmtes Verhalten,<br />
son<strong>de</strong>rn die Funktion, die es hat.<br />
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Die infantile sexuelle <strong>Entwicklung</strong> nach<br />
Dornes<br />
n Orale Phase: Säuglinge nehmen Gegenstän<strong>de</strong> nicht nur<br />
in <strong>de</strong>n M<strong>und</strong>, weil sie ihren oralen Partialtrieb befriedigen<br />
wollen, son<strong>de</strong>rn auch zur Beruhigung <strong>und</strong> zur<br />
Befriedigung ihres Erkenntnistriebes (122)<br />
n Anale Phase: Der Vorgang <strong>de</strong>r Ausscheidung fin<strong>de</strong>t<br />
Interesse, ist jedoch meist nicht mit positiver Erregung<br />
verb<strong>und</strong>en. Das Interesse nimmt mit Laufe <strong>de</strong>s 2.<br />
Lebensjahres zu, gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 3. beginnt das<br />
exzitatorische Genitalspiel.<br />
n Orale, anale <strong>und</strong> genitale Phase sind nicht <strong>von</strong>einan<strong>de</strong>r<br />
getrennt (115).<br />
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Polare Modalitäten <strong>de</strong>r Befriedigung beim<br />
Kind: Aktivität – Passivität (Quin<strong>de</strong>au)<br />
Die Wünsche <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s nach Befriedigung sind an<br />
gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Körperprozesse <strong>und</strong> –erfahrungen<br />
geb<strong>und</strong>en:<br />
n Oralität: Einverleiben, verschlingen <strong>und</strong> ‚verschlungen<br />
wer<strong>de</strong>n‘<br />
n Analität: ‚festhalten‘ <strong>und</strong> ‚loslassen‘<br />
n Phallizität/Genitalität: ‚eindringen‘ <strong>und</strong> ‚aufnehmen‘<br />
Oralität, Analität, Phallizität sind verschie<strong>de</strong>ne<br />
Ausdrucksformen menschlicher <strong>Sexualität</strong>, die zu<br />
bestimmten Zeitpunkten entstehen <strong>und</strong> bestehen bleiben<br />
(62).<br />
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Oralerotik: Lustgewinn durch Saugen, Essen<br />
n Einverleibung <strong>von</strong> Objekten („Ich habe dich zum<br />
Fressen gern“, Kommunion)<br />
n Phantasie: Durch die Einverleibung wird man eins<br />
mit <strong>de</strong>m Objekt.<br />
n „Die orale Introjektion dient zugleich <strong>de</strong>r primären<br />
I<strong>de</strong>ntifizierung“ (Quin<strong>de</strong>au 2008: 60).<br />
n Daneben: Angst gefressen zu wer<strong>de</strong>n/Verlangen,<br />
<strong>von</strong> einem größeren Objekt einverleibt zu<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
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Analerotik: Lustgewinn durch Ausschei<strong>de</strong>n,<br />
Festhalten, Beobachten, Spielen<br />
n Faeces (Kot) stehen für <strong>de</strong>n eigenen Körper (Besitz) <strong>und</strong><br />
gleichzeitig für das, was verloren gehen kann (Verlust)<br />
(Quin<strong>de</strong>au 2008: 63).<br />
n Die Beherrschung <strong>de</strong>r Ausscheidungen gibt <strong>de</strong>m Kind<br />
das Gefühl sozialer Macht.<br />
n In <strong>de</strong>r Reinlichkeitserziehung wer<strong>de</strong>n Lustempfindungen<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s angesprochen.<br />
n Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Verbots <strong>de</strong>r Lust bleibt das Anale Symbol<br />
für alles zu Verwerfen<strong>de</strong> (Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Stuhlgangs für<br />
Erwachsene)<br />
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Urethralerotik: Lustgewinn beim Urinieren<br />
n Beim Urinieren müssen sich Kin<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r<br />
Begrenztheit ihres Geschlechts<br />
auseinan<strong>de</strong>rsetzen.<br />
n Vorstellung <strong>von</strong> „Fließenlassen als Form passiver<br />
Selbstaufgabe <strong>und</strong> Ausschaltung <strong>von</strong> Kontrolle“<br />
(Quin<strong>de</strong>au 2008: 66)<br />
n Narzisstische Befriedigung durch erfolgreiche<br />
Kontrolle.<br />
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Haut- <strong>und</strong> Blickerotik: Lustgewinn beim<br />
Hautkontakt, Schauen u.a.<br />
n Das Berührtwer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Geschaukeltwer<strong>de</strong>n<br />
kann lustvolle Empfindungen hervorrufen.<br />
n Auch vom Hören, Riechen <strong>und</strong> Schmecken<br />
können erogene Wirkungen ausgehen.<br />
n Die Schaulust: „Sexualisiertes Sehen soll heißen,<br />
dass das Sehen nicht allein auf Wahrnehmung<br />
zielt, son<strong>de</strong>rn sexuelle Lust <strong>und</strong> Befriedigung<br />
sucht. .. Schaulust kann daher auch in<br />
<strong>de</strong>sexualisierten Zusammenhängen befriedigt<br />
wer<strong>de</strong>n“ (Quin<strong>de</strong>au 2008: 68).<br />
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Masturbation (Dornes)<br />
Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s exzitatorischen Genitalspiels zum<br />
explorativen Genitalspiel:<br />
n Glasiger Blick<br />
n Erhöhte Atmung <strong>und</strong> Pulsfrequenz<br />
n Verstärktes Schwitzen<br />
n Rötung <strong>de</strong>r Gesichtshaut (gelegentlich)<br />
n Rhythmische Beckenbewegungen<br />
n Bei Jungen: Stimulation <strong>de</strong>r Ho<strong>de</strong>n<br />
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25
Masturbation (Quin<strong>de</strong>au)<br />
n Die Masturbation ist eine Form <strong>de</strong>r Verarbeitung<br />
<strong>de</strong>r Trennung <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Mutter.<br />
n Sie stellt eine Ersatzbefriedigung dar.<br />
n Zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong> Objektbeziehungen sind<br />
Voraussetzung für die Masturbation.<br />
n Durch die Masturbation strukturiert auch das Kind<br />
seinen sexuell erregbaren Körper.<br />
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Geschlecht<br />
n We<strong>de</strong>r psychisch noch biologisch kann <strong>von</strong> einer reinen<br />
Männlichkeit o<strong>de</strong>r Weiblichkeit gesprochen wer<strong>de</strong>n<br />
(Quin<strong>de</strong>au 2008: 95). Dies hat auch schon Freud betont.<br />
n Die <strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong> <strong>von</strong> Frauen <strong>und</strong> Männern formt<br />
sich in einem lebenslangen Prozess.<br />
n <strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong> kann als eine Hülle gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r weibliche <strong>und</strong> männliche Anteile in<br />
unterschiedlichen Mischungsverhältnissen aufbewahrt<br />
sind (a.a.O.: 96).<br />
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Genitalerotik <strong>und</strong> Geschlecht (Quin<strong>de</strong>au)<br />
n Das Kind erkennt, dass es nur ein Geschlecht<br />
hat.<br />
n Bisexuelle Omnipotenzphantasien müssen<br />
aufgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />
n Ausdruck sind <strong>de</strong>r Penisneid bei Mädchen <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>r Vaginal- o<strong>de</strong>r Gebärneid bei Jungen.<br />
n Das Kind wird sich seiner Fähigkeit, an<strong>de</strong>re zu<br />
verführen, bewusst.<br />
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Der weibliche Penisneid<br />
n Mädchen haben das Gefühl, dass <strong>de</strong>r Penis <strong>de</strong>s<br />
Vaters/Bru<strong>de</strong>rs ihnen gehört. Als Erwachsene<br />
können sie dies in <strong>de</strong>r Realität umsetzen.<br />
n Sie sind nicht passiv, son<strong>de</strong>rn erleben <strong>und</strong><br />
för<strong>de</strong>rn aktiv das Interesse/Begehren <strong>de</strong>r<br />
An<strong>de</strong>ren.<br />
n Dem Penisneid <strong>de</strong>s Mädchens – falls vorhan<strong>de</strong>n<br />
– entspricht <strong>de</strong>r Gebärneid <strong>de</strong>s Jungen.<br />
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Ödipales Begehren<br />
n Anerkennung <strong>de</strong>r Begrenztheit <strong>de</strong>s eigenen<br />
Geschlechts<br />
n Anerkennung <strong>de</strong>r Generationendifferenz<br />
n Errichtung <strong>de</strong>s Inzesttabus<br />
n Gleichzeitigkeit einer homosexuellen <strong>und</strong><br />
heterosexuellen „Objektwahl“ (Quin<strong>de</strong>au 2008:<br />
76)<br />
n Das Über-Ich tritt an die Stelle <strong>de</strong>r aufgegebenen<br />
Liebesbeziehung (a.a.O.: 77)<br />
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Innere <strong>und</strong> äußere Genitalität<br />
n Männer neigen dazu, das Innere mit Weiblichkeit<br />
gleichzusetzen. Sie verfügen aber selbst über<br />
innergenitale Empfindungen (Ho<strong>de</strong>n, Prostata).<br />
n Ebenso verfügen Frauen über äußerliche genitale<br />
Merkmale (Klitoris). Es ist klinisch nicht möglich,<br />
einen Vaginal- <strong>von</strong> einem klitoralen Orgasmus zu<br />
trennen.<br />
n Am <strong>de</strong>utlichsten unterschei<strong>de</strong>n sich Männer <strong>und</strong><br />
Frauen im Hinblick auf die Orgasmusfähigkeit.<br />
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Bisexualität <strong>und</strong> <strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong><br />
n Männer <strong>und</strong> Frauen sind ten<strong>de</strong>nziell bisexuell.<br />
n Im eigenen sexuellen Erleben sollten Männer <strong>und</strong><br />
Frauen ihre inneren <strong>und</strong> äußeren körperlichen<br />
sowie ihre psychischen Anteile <strong>von</strong> Weiblichkeit<br />
<strong>und</strong> Männlichkeit integrieren.<br />
n Die Objektwahl/sexuelle Orientierung kann sich<br />
im Laufe <strong>de</strong>r Biografie verän<strong>de</strong>rn.<br />
n Die <strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong> ist ein dynamischer,<br />
lebenslanger Prozess.<br />
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Wichtigste Literatur<br />
n Dornes, Martin (2005): Infantile <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong><br />
Säuglingsforschung. In: Quin<strong>de</strong>au/Sigusch, S. 112-134<br />
n Quin<strong>de</strong>au, Ilka/Sigusch, Volkmar (Hrsg.) (2005): Freud<br />
<strong>und</strong> das Sexuelle. Neue psychoanalytische <strong>und</strong><br />
sexualwissenschaftliche Perspektiven. Frankfurt/New<br />
York: Campus<br />
n Quin<strong>de</strong>au, Ilka (2008): Verführung <strong>und</strong> Begehren. Die<br />
psychoanalytische Sexualtheorie nach Freud. Stuttgart:<br />
Klett-Cotta<br />
n Sielert, Uwe (2005): Einführung in die Sexualpädagogik.<br />
Weinheim, Basel: Beltz<br />
Hil<strong>de</strong> <strong>von</strong> Balluseck: <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> <strong>Sexualität</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität</strong> in <strong>de</strong>r frühen Kindheit<br />
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