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Die Geschichte des Erzabbaus am Grünten - Erzgruben ...

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<strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Erzabbaus</strong> <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong><br />

Basierend auf der Arbeit von Dr. Herbert Scholz vom Lehrstuhl für<br />

Geologie an der Technischen Universität München<br />

Erst im 19. Jahrhundert, als mit dem Bau der ersten Eisenbahnen<br />

billiger, hochwertiger Stahl importiert werden konnte, endete im Allgäu<br />

wie in ganz Süddeutschland die Zeit <strong>des</strong> <strong>Erzabbaus</strong> und der Verhüttung<br />

zu minderwertigem Eisen. Bevor man ebenfalls erst im 19. Jahrhundert<br />

gelernt hatte, Hochöfen mit Steinkohle zu betrieben, bauten die<br />

Menschen in der Region seit dem Altertum selbst wenig ergiebige Flöze<br />

ab und schmolzen das Erz in der Glut von Holzkohle. Dem immensen<br />

Energiebedarf fielen rund um die Schmelzplätze ganze Wälder zum<br />

Opfer. Vermutlich verdankt der 1738 Meter hohe <strong>Grünten</strong>, der wegen<br />

seiner exponierten Lage und der weithin erkennbaren Fernsehantenne<br />

neben dem Gipfel weithin sichtbar ist und im Volksmund als „Wächter<br />

<strong>des</strong> Allgäus“ bezeichnet wird, diesen Rodungen seinen N<strong>am</strong>en. In der<br />

Allgäuer Mundart nämlich sagt man „Grind“ für den Kopf. Und mit<br />

„grindig“ bezeichnete man im Dialekt früher Menschen mit wenig<br />

Haaren. Ins Hochdeutsch unserer Tage übersetzt müsste der <strong>Grünten</strong><br />

wohl Glatzkopf heißen, weil er in vergangenen Jahrhunderten der<br />

einzige unbewaldete Gipfel weit und breit war.<br />

Aber nicht nur wegen seines Erscheinungsbil<strong>des</strong> ist der <strong>Grünten</strong><br />

interessant, sondern auch wegen seines inneren Aufbaus, <strong>des</strong><br />

Faltenwurfs seiner Gesteine und seiner Landschaftsgeschichte.<br />

Geologisch gesehen ist der <strong>Grünten</strong> eine Zwittergestalt, die halb den<br />

Alpen selbst und halb dem Alpenvorland zuzurechnen ist. Seit langer<br />

Zeit interessieren sich Geologen aus Bayern und sogar aus der Schweiz<br />

für den Aufbau der Gesteinsschichten und das Vorkommen von<br />

Mineralien, insbesondere Fossilien. <strong>Die</strong>se versteinerten Zeugen<br />

erinnern daran, dass sich das helvetische Meer im Gebiet der heutigen<br />

Alpen und den südlichsten Teilen <strong>des</strong> Alpenvorlan<strong>des</strong> ausdehnte und<br />

südlich eines ausgedehnten Festlan<strong>des</strong> lag, das große Teile <strong>des</strong><br />

heutigen Süd- und Mitteldeutschlands umfasste. In der altterziären<br />

Südsee lebten nur Algen und riesenwüchsige Einzeller, die eine<br />

spiralförmige Gestalt hatten und als Fossilien wie zentimetergroße<br />

Scheiben aussehen, die München ähneln. Aus dem lateinischen Wort<br />

für „kleine Münze“, nämlich „nummulus“, erklärt sich die Bezeichnung<br />

<strong>des</strong> Gesteins, das <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong> zum Teil als meterdicke Schicht zu<br />

finden ist, der Nummuliten-Kalk. In seiner Umgebung entdeckten<br />

Hobby-Geologen sogar versteinerte Seeigel, Wirbel und Zähne von<br />

Haien, Panzer und Scheren von Krabben.<br />

In die Nummeriten-Kalk eingelagert ist <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong> ein „Reicherz“ mit<br />

einem hohen Prozentsatz aus Eisenverbindungen. <strong>Die</strong>se Erze wurden<br />

zunächst in offenen Gruben, später auch im Tiefbau gewonnen. <strong>Die</strong><br />

Tagebaue waren Reihen von länglichen, offenen Gruben, die heute<br />

noch im Gelände als steilwandige Gräben erkennbar sind. Am <strong>Grünten</strong>-


Südhang sind die reichsten und mächtigsten Erze zu finden, wie das<br />

Anna-, das Christoff- und das Andreas-Flöz. Hier ging man mit der Zeit<br />

vom Tagebau zum Tiefbau über. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es<br />

hier richtige Bergwerke. <strong>Die</strong> Stollenmundlöcher sind größtenteils 1946<br />

und 47 gezielt zugeschüttet und plombiert worden. Sie sind im<br />

Gelände bestenfalls noch als flache Vertiefungen erkennbar. Einige der<br />

alten Stollen aber sind heute noch beziehungsweise wieder begehbar.<br />

Lage und Verlauf können teilweise den historischen Grubenplänen<br />

entnommen werden, die heute noch im Archiv <strong>des</strong> bayerischen<br />

Oberberg<strong>am</strong>tes aufbewahrt werden. Darin ist zu ersehen, dass in den<br />

meisten Fällen, horizontale, zum Berg leicht ansteigende Stollen in das<br />

Innere <strong>des</strong> <strong>Grünten</strong> getrieben wurden. Dabei wurden<br />

Gesteinsschichten durchbohrt, ehe man steil stehende Erzflöze<br />

erreichte. Von einer Grundstrecke wurden die Flöze nach oben hin<br />

ausgehauen. Mit der Zeit entstanden so schmale, spaltförmige<br />

Hohlräume von einigen Hundert Metern Länge, bis zu zwei Meter Breite<br />

und mehreren Dek<strong>am</strong>etern Höhe, die vielfach bis heute noch erhalten<br />

sind. Das Erz beförderte man mit Schlitten oder „Hunten“ ins Freie und<br />

zu den Schmelzplätzen, die zunächst vor allem an der Starzlach direkt<br />

unterhalb der wichtigsten Bergwerke lagen, später auch in Hindelang,<br />

Blaichach und Sonthofen. Zuletzt blieb nur noch das Hüttenwerk<br />

Sonthofen übrig, <strong>des</strong>sen N<strong>am</strong>e bis heute erhalten ist, wenngleich die<br />

Eisenschmelze dort schon lange eingestellt wurde.<br />

In den Chroniken tauchen die <strong>Erzgruben</strong> <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong> erstmals 1471<br />

auf, als Kaiser Friedrich III. den Grafen von Montfort-Rothenfels die<br />

Schürfrechte übertrug. Darüber entbrannte ein Streit mit dem Bischof<br />

von Augsburg, der erst 1565 d<strong>am</strong>it endete, dass die Kirche die<br />

ges<strong>am</strong>ten Besitzungen der Adelsf<strong>am</strong>ilie rechts der Iller für 65 458<br />

Gulden kaufte. 1802 ging das Hochstift Augsburg an das<br />

Kurfürstentum Bayern über. <strong>Die</strong> Burgberger Bergwerke wurden d<strong>am</strong>it<br />

staatlich. Das Eisenerz aus dem <strong>Grünten</strong> war wegen seines hohen<br />

Phosphorgehalts hart und spröde. Schon zu Beginn <strong>des</strong> 17.<br />

Jahrhunderts verwendete man es eher zu Gusseisen, denn als<br />

Schmiedeeisen. 1859 wurde der Bergbau gänzlich eingestellt.<br />

Viele Jahrhunderte lang wurde das aus <strong>Grünten</strong>erz gewonnene Eisen<br />

zur Herstellung von Nägeln, Beschlägen, Haushaltsgeräten und Waffen,<br />

später aber auch zu gusseisernen Toren, Brunnen und Ofenplatten<br />

verwendet. <strong>Die</strong>se Produkte versorgten den lokalen Markt, aber auch<br />

das ganze schwäbische Alpenvorland.<br />

Heute, rund 150 Jahre nach dem Ende <strong>des</strong> Bergbaus <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong>,<br />

dürfte es den wenigsten Einheimischen bewusst sein, dass die<br />

Eisengewinnung einmal ein bedeutender Wirtschaftszwei im Oberallgäu<br />

war. <strong>Die</strong> Gebäude der Zechen- und Hüttenverwaltung in Sonthofen und<br />

Burgberg wurden schon vor langer Zeit abgerissen. <strong>Die</strong><br />

Hochofenruinen an der Starzlach, die Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts noch<br />

erhalten waren, sind inzwischen völlig verfallen. Noch vor wenigen<br />

Jahren kümmerte sich niemand darum. <strong>Die</strong> Zeugen der<br />

Industriegeschichte hielt man nicht für erhaltenswert. Das hat sich


inzwischen geändert. Der Verein „Historischer Bergbau Allgäu“ sucht<br />

systematisch nach vergessenen Spuren <strong>des</strong> Bergbaus <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong>.<br />

Seine Mitglieder legten verschüttete Stollenmundlöcher frei, sicherten<br />

Zugänge und machten die teilweise eingestürzten und verschl<strong>am</strong>mten<br />

Stollen wieder begehbar. Zunächst wurde ein Erzlehrpfad eingerichtet.<br />

Inzwischen ist aus diesen Anfängen durch die weitere Initiative der<br />

Gemeinde Burgberg die „<strong>Erzgruben</strong> Erlebniswelt <strong>am</strong> <strong>Grünten</strong>“<br />

entstanden.

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