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wie geht man mit der vergangenheit um? - Ernst-Reuter-Schule 1

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Jahrbuch 2001<br />

WIE GEHT MAN MIT DER VERGANGENHEIT UM?<br />

Nevin Örtülü<br />

Mit dieser Frage haben wir uns in den letzten zwei Jahren im Leistungskurs Geschichte<br />

intensiver beschäftigt. Wir setzten uns da<strong>mit</strong> auseinan<strong>der</strong>, indem wir z.B. Zeitzeugengespräche<br />

führten.<br />

Es waren Zeitzeugen aus England bei uns, <strong>mit</strong> denen wir unter an<strong>der</strong>em über die heutige<br />

Meinung <strong>der</strong> Englän<strong>der</strong> über Deutsche und Deutschland unterhielten. Wir sprachen auch<br />

darüber, <strong>wie</strong> sich <strong>der</strong> zweite Weltkrieg in England auswirkte und <strong>wie</strong> viel <strong>man</strong> damals von<br />

den Verbrechen <strong>der</strong> Nazis wissen o<strong>der</strong> ahnen konnte. In dieser Gesprächsrunde stellte ich<br />

für mich noch einmal fest, dass <strong>man</strong> aus <strong>der</strong> Vergangenheit lernen kann, indem <strong>man</strong> Parallelen<br />

zieht, d.h. ähnliche Situationen, Umstände beobachtet und <strong>mit</strong> den gegenwärtigen<br />

vergleicht. Dadurch kann <strong>man</strong> heute vielleicht viel besser die nationale und internationale<br />

Politik durchschauen und ähnliche Vorhaben, <strong>wie</strong> sie die Nazis hatten, früher ahnen, erkennen,<br />

reagieren und Gesicht zeigen!<br />

Im Zeitzeugengespräch <strong>mit</strong> den ehemaligen Frankfurtern konnten wir intensiver über die<br />

persönlichen Erlebnisse <strong>der</strong> Opfer des zweiten Weltkrieges erfahren. Wir bemerkten die<br />

Ängste <strong>der</strong> Zeitzeugen sich den zunächst unbekannten Zuhörern zu öffnen, aber auch den<br />

Willen, soviel <strong>wie</strong> möglich zu berichten, da<strong>mit</strong> die Vergangenheit nicht in Vergessenheit<br />

gerät. Einerseits bauten wir während des Gesprächs unsere Beklommenheit gegenüber<br />

den Opfern <strong>der</strong> Nazi-Zeit ab und an<strong>der</strong>erseits wurden die Zeitzeugen ebenfalls frei von<br />

ihren Ängsten und arbeiteten ein Stück weit die vielleicht z<strong>um</strong> Teil verdrängten Erlebnisse<br />

auf.<br />

Aus meinen persönlichen Erfahrungen ist die Vergangenheit eines Menschen ein ständig<br />

<strong>mit</strong>wirken<strong>der</strong> Faktor im zukünftigen Leben. Dies hörte ich auch bei den Gesprächen <strong>mit</strong><br />

den Zeitzeugen deutlich heraus. Denn die erlebten Umstände, insbeson<strong>der</strong>e das Immigrieren<br />

und Asylsuchen aus politischen Gründen beeinflusst, ob <strong>man</strong> will o<strong>der</strong> nicht, das Den-<br />

Seite 10 <strong>Ernst</strong>-<strong>Reuter</strong>-<strong>Schule</strong> 1


Jahrbuch 2001<br />

ken eines Menschen und bewirkt eine gewisse Sensibilität gegenüber gegenwärtigen und<br />

zukünftigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen <strong>mit</strong> dem Rassismus. So konnte ich auch Ähnlichkeiten<br />

aus dem Leben <strong>der</strong> Zeitzeugen <strong>mit</strong> meinem feststellen. So z.B. die Immigration o<strong>der</strong> die<br />

Flucht in ein völlig fremdes Land und die Anfangssch<strong>wie</strong>rigkeiten, von denen Herr Birnba<strong>um</strong>,<br />

<strong>der</strong> heute in Israel lebt, berichtete. Auch in unserem Zeitzeugengespräch <strong>mit</strong> Edzard<br />

<strong>Reuter</strong> (Sohn von <strong>Ernst</strong> <strong>Reuter</strong>) konnten wir Ähnliches hören. Edzard <strong>Reuter</strong> erzählte<br />

uns über das Exil-Leben während <strong>der</strong> Nazi-Zeit in <strong>der</strong> Türkei und <strong>wie</strong> er seine Jugend dort<br />

erlebt hat. Die Rückkehr in sein Heimatland, Deutschland, nach vielen Jahren im Exil fand<br />

ich sehr interessant und war fasziniert, dass er genau das erzählte, was ich auch empfand,<br />

als ich nach langer Zeit mein „Heimatland“ <strong>wie</strong><strong>der</strong> besuchen konnte.<br />

Mit den Zeitzeugengesprächen und dem Besuch im Konzentrationslager Buchenwald haben<br />

wir meiner Ansicht nach eine gute Basis <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit <strong>um</strong>gehen zu können.<br />

O<strong>der</strong> wir kennen z<strong>um</strong>indest die richtigen Mitteln dazu. Ein eritreisch stämmiger Schüler<br />

erzählte in einem Feed-Back-Gespräch nach dem Besuch in Buchenwald im Geschichtsunterricht,<br />

dass er verstanden hat, „dass seine Rechte heute nicht selbstverständlich sind.“<br />

Ich denke, je mehr wir uns <strong>mit</strong> unserer Vergangenheit beschäftigen, desto deutlicher wird<br />

uns die Gegenwart bewußt. Und wenn wir unsere Gegenwart gut einschätzen und richtig<br />

beurteilen, können wir unsere Zukunft besser gestalten.<br />

<strong>Ernst</strong>-<strong>Reuter</strong>-<strong>Schule</strong> 1 Seite 11

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