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von den aufregungen und freuden ein theaterstück zu in- szenieren

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Jahrbuch 2008<br />

VON DEN AUFREGUNGEN UND FREUDEN EIN THEATERSTÜCK ZU IN-<br />

SZENIEREN<br />

Ralf Rappl<br />

Es f<strong>in</strong>g alles damit an, dass mir durch Zufall <strong>e<strong>in</strong></strong> K<strong>in</strong>derbuch aus Holland <strong>in</strong> die Hände<br />

fiel. Die Geschichte <strong>e<strong>in</strong></strong>es Königsohns der heiraten sollte, damit sich s<strong>e<strong>in</strong></strong>e Mutter die<br />

alte König<strong>in</strong> <strong>zu</strong>r Ruhe setzen kann. Und der sich, nachdem ihn k<strong>e<strong>in</strong></strong>e <strong>e<strong>in</strong></strong>zige<br />

Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> begeistern konnte, schließlich <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>en anderen Pr<strong>in</strong>zen verliebt. Die<br />

bei<strong>den</strong> heiraten <strong>und</strong> wer<strong>den</strong> „König & König“.<br />

Was mich so fasz<strong>in</strong>iert hat an dem Buch <strong>und</strong> wieso ich sofort <strong>den</strong> Wunsch hatte, es<br />

auf <strong>e<strong>in</strong></strong>e Theaterbühne <strong>zu</strong> br<strong>in</strong>gen, waren verschie<strong>den</strong>e Aspekte. Zum <strong>e<strong>in</strong></strong>en die<br />

Lockerheit mit der diese Geschichte<br />

erzählt wird – es gibt k<strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

Probleme, jeder lebt s<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben <strong>und</strong><br />

liebt <strong>den</strong>jenigen oder diejenige <strong>den</strong><br />

oder die er möchte, ohne dass<br />

jemand <strong>e<strong>in</strong></strong> Urteil darüber fällt. Alle<br />

wer<strong>den</strong> akzeptiert so wie sie s<strong>in</strong>d<br />

<strong>und</strong> jeder freut sich für je<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Märchen eben…<br />

Außerdem handelt es sich bei der Geschichte um <strong>e<strong>in</strong></strong> K<strong>in</strong>derbuch für ganz kl<strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> sie hat dementsprechend kaum Text <strong>und</strong> fast ausschließlich Bilder.<br />

Dadurch bietet sich die Möglichkeit, eigene Dialoge <strong>zu</strong> schreiben, die Geschichte <strong>zu</strong><br />

verändern <strong>und</strong> aus<strong>zu</strong>schmücken <strong>und</strong> neue Personen <strong>zu</strong> erf<strong>in</strong><strong>den</strong> – was ja <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

wichtige Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Umset<strong>zu</strong>ng <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em DS Kurs ist, der <strong>den</strong> Anspruch<br />

hat, alle Ideen <strong>und</strong> Wünsche der SchülerInnen mit auf<strong>zu</strong>greifen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong><strong>zu</strong>beziehen,<br />

so dass am Ende <strong>e<strong>in</strong></strong> Produkt steht, das <strong>von</strong> allen gem<strong>e<strong>in</strong></strong>sam entwickelt wurde.<br />

Seite 136 Ernst-Reuter-Schule 1


Jahrbuch 2008<br />

Allerd<strong>in</strong>gs war ich skeptisch, ob die Idee für die Umset<strong>zu</strong>ng dieses Buches als<br />

Theaterstück bei m<strong>e<strong>in</strong></strong>em Kurs auf große Gegenliebe fallen würde. All<strong>e<strong>in</strong></strong> die<br />

Tatsache, dass man <strong>von</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em Schwulen- <strong>und</strong> Lesbenanteil <strong>in</strong> der Bevölkerung <strong>von</strong><br />

5-10% ausgeht <strong>und</strong> dass mir aber an unserer Schule k<strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>ziger offen schwuler<br />

Schüler <strong>und</strong> k<strong>e<strong>in</strong></strong>e <strong>e<strong>in</strong></strong>zige offen lesbische Schüler<strong>in</strong> bekannt s<strong>in</strong>d, zeigt mir deutlich,<br />

dass wohl an der ERS1 k<strong>e<strong>in</strong></strong> Klima unter <strong>den</strong> SchülerInnen herrscht, das es leicht<br />

macht, sich <strong>zu</strong> outen. Denn bei <strong>e<strong>in</strong></strong>er Schülerzahl <strong>von</strong> 450 SchülerInnen müsste es<br />

theoretisch zwischen 20 <strong>und</strong> 45 homosexuelle Jugendliche an unserer Schule<br />

geben. Ich kann mir vorstellen, dass es für Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler unserer Schule<br />

nicht leicht ist, offen <strong>und</strong> selbstbewusst <strong>zu</strong> ihrer Homosexualität <strong>zu</strong> stehen, da es<br />

sicher viele Mitschüler gibt, die nicht sehr tolerant <strong>in</strong> Be<strong>zu</strong>g auf dieses Thema s<strong>in</strong>d –<br />

sei es aus religiösen., kulturellen oder anderen Grün<strong>den</strong> der Intoleranz.<br />

Deshalb war ich wenig<br />

<strong>zu</strong>versichtlich, als ich m<strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

Idee nach <strong>den</strong> Sommerferien<br />

<strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>em DS-Kurs vorstellte.<br />

Doch überraschenderweise<br />

waren alle SchülerInnen<br />

sofort Feuer <strong>und</strong> Flamme für<br />

die Geschichte. E<strong>in</strong>erseits,<br />

weil auch alle Ihre Wünsche<br />

an unser Theaterstück damit<br />

befriedigt wer<strong>den</strong> konnten (<strong>den</strong>n es sollte etwas Lustiges s<strong>e<strong>in</strong></strong>, etwas Märchenhaftes<br />

<strong>und</strong> auch das Romeo & Julia-Thema sollte <strong>in</strong> irgend<strong>e<strong>in</strong></strong>er Weise dar<strong>in</strong> vorkommen.)<br />

All diese Faktoren waren mit unserer Geschichte möglich.<br />

Andererseits war es aber vor allem das überraschende Ende <strong>und</strong> die Möglichkeit so<br />

viele Rollen eigenständig <strong>zu</strong> gestalten <strong>und</strong> so viel an eigenen Ideen <strong>e<strong>in</strong></strong>br<strong>in</strong>gen <strong>zu</strong><br />

können, die die Gruppe dann letztendlich am meisten begeistert hat. Und wir haben<br />

sofort beschlossen, an der Schule weitestgehend Stillschweigen über <strong>den</strong> Inhalt<br />

unseres Stückes <strong>und</strong> vor allem über das Ende der Geschichte <strong>zu</strong> bewahren, damit<br />

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Jahrbuch 2008<br />

die Überraschung nicht verraten wird. Es gab also ab sofort <strong>e<strong>in</strong></strong> gem<strong>e<strong>in</strong></strong>sames<br />

Geheimnis, das die Gruppe mit<strong>e<strong>in</strong></strong>ander verbun<strong>den</strong> hat – <strong>und</strong> ich <strong>den</strong>ke es ist uns<br />

auch weitestgehend gelungen, uns an diese Abmachung bis <strong>zu</strong>r Premiere <strong>zu</strong> halten.<br />

Nun konnten wir uns an die Arbeit machen <strong>und</strong> schon tauchten die ersten erwarteten<br />

<strong>und</strong> auch unerwarteten Probleme auf.<br />

Erwartet hatte ich z.B., dass es bei der Rollenbeset<strong>zu</strong>ng Probleme geben könnte.<br />

Es ist sch<strong>e<strong>in</strong></strong>bar <strong>e<strong>in</strong></strong>e Sache, sich für <strong>e<strong>in</strong></strong> Stück über Toleranz <strong>und</strong> Offenheit<br />

gegenüber Homosexualität <strong>zu</strong> entschei<strong>den</strong> – <strong>e<strong>in</strong></strong>e völlig andere Sache ist es aber<br />

wohl, selbst <strong>in</strong> die Rolle <strong>e<strong>in</strong></strong>es schwulen Pr<strong>in</strong>zen oder Königs <strong>zu</strong> schlüpfen. So kam<br />

<strong>von</strong> <strong>den</strong> Jungs der Gruppe der Vorschlag, das Stück <strong>e<strong>in</strong></strong>fach um<strong>zu</strong>schreiben <strong>und</strong><br />

statt der schwulen Pr<strong>in</strong>zen <strong>und</strong> Könige lieber lesbische Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

König<strong>in</strong>nen auftreten <strong>zu</strong><br />

lassen. Dieser<br />

Vorschlag wurde aber<br />

sofort <strong>von</strong> <strong>den</strong> Mädchen<br />

der Gruppe <strong>und</strong> <strong>von</strong> mir<br />

abgelehnt, da es schon<br />

all<strong>e<strong>in</strong></strong> aufgr<strong>und</strong> der<br />

Verteilung <strong>von</strong> nur<br />

wenigen Jungen <strong>und</strong><br />

vielen Mädchen im Kurs<br />

<strong>und</strong> der damit<br />

verbun<strong>den</strong>en<br />

Rollenverteilung <strong>e<strong>in</strong></strong> Stück s<strong>e<strong>in</strong></strong> musste, <strong>in</strong> der viele Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> nur wenige<br />

Pr<strong>in</strong>zen auftreten konnten. Deshalb musste das Stück <strong>in</strong> der ursprünglichen Form<br />

bleiben.<br />

Also war die große Frage, wer die Rollen der bei<strong>den</strong> schwulen Pr<strong>in</strong>zen <strong>und</strong> Könige<br />

übernehmen sollte – <strong>und</strong> es zeigte sich, dass es für Schüler sch<strong>e<strong>in</strong></strong>bar <strong>e<strong>in</strong></strong>facher ist,<br />

<strong>e<strong>in</strong></strong>en Mörder, Dealer oder sonstige unangenehmen Gestalten <strong>zu</strong> spielen, als <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />

sympathischen schwulen Pr<strong>in</strong>zen. Die Angst, dass die eigene Person mit der<br />

Seite 138 Ernst-Reuter-Schule 1


Jahrbuch 2008<br />

gespielten Rolle gleichgesetzt wird, ist <strong>in</strong> diesem Fall sehr groß – <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>igen<br />

Diskussionen s<strong>in</strong>d wir der Frage nachgegangen, warum diese Angst vorhan<strong>den</strong> ist,<br />

wenn man <strong>e<strong>in</strong></strong>en Schwulen spielt, aber sch<strong>e<strong>in</strong></strong>bar nicht, wenn man irgend<strong>e<strong>in</strong></strong>en üblen<br />

Typen spielt, der andere Menschen erniedrigt, schlägt, quält oder gar umbr<strong>in</strong>gt. Und<br />

auch die Frage, warum es <strong>den</strong>n so schlimm ist, für schwul gehalten wer<strong>den</strong> <strong>zu</strong><br />

können, wurde diskutiert. Denn es ist schon <strong>e<strong>in</strong></strong> merkwürdiger Widerspruch <strong>e<strong>in</strong></strong>erseits<br />

<strong>e<strong>in</strong></strong> Stück auf<strong>zu</strong>führen, das für Toleranz <strong>und</strong> Offenheit <strong>e<strong>in</strong></strong>tritt <strong>und</strong> sich andererseits<br />

aber <strong>zu</strong> schämen, für schwul gehalten wer<strong>den</strong> <strong>zu</strong> können. Diese Diskussionen haben<br />

mir wieder bestätigt, dass es <strong>in</strong> diesem Bereich an unserer Schule noch viel <strong>zu</strong> tun<br />

gibt, um das Klima zwischen <strong>den</strong> SchülerInnen <strong>in</strong> diesem Punkt <strong>zu</strong> verbessern <strong>und</strong><br />

es <strong>den</strong> betroffenen Schülern <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen leichter <strong>zu</strong> machen, offen <strong>und</strong><br />

selbstbewusst <strong>zu</strong> ihren Persönlichkeit <strong>zu</strong> stehen.<br />

Schließlich aber haben wir die Jungen-Rollen alle besetzt – unter der Bed<strong>in</strong>gung,<br />

dass es k<strong>e<strong>in</strong></strong>e Kussszene zwischen <strong>den</strong> Pr<strong>in</strong>zen geben sollte.<br />

Nun gab es aber auch bei der Beset<strong>zu</strong>ng der Mädchenrollen für mich unerwartete<br />

<strong>und</strong> überraschende H<strong>in</strong>dernisse.<br />

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Schüler<strong>in</strong>nen, die <strong>e<strong>in</strong></strong>en DS-Kurs wählen,<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Religion Problem haben könnten <strong>in</strong> andere Rollen <strong>zu</strong> schlüpfen. 5<br />

Schüler<strong>in</strong>nen des Kurses, waren <strong>in</strong> dieser Situation, <strong>den</strong>n es kam für sie weder <strong>in</strong><br />

Frage, ihr Kopftuch ab<strong>zu</strong>setzen, noch es gegen <strong>e<strong>in</strong></strong>en Hut, <strong>e<strong>in</strong></strong>e Perücke oder <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

sonstige Kopfbedeckung <strong>e<strong>in</strong></strong><strong>zu</strong>tauschen. Auch damit musste sich die Gruppe<br />

aus<strong>e<strong>in</strong></strong>andersetzen <strong>und</strong> es kam sogar die Idee auf, <strong>e<strong>in</strong></strong> Stück <strong>zu</strong> <strong>in</strong><strong>szenieren</strong>, <strong>in</strong> dem<br />

alle Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler Kopftücher tragen sollten. Dieses Zeichen der<br />

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Jahrbuch 2008<br />

Solidarität g<strong>in</strong>g dann aber doch <strong>e<strong>in</strong></strong>igen <strong>zu</strong> weit, <strong>den</strong>n dadurch hätten wir uns doch<br />

sehr <strong>von</strong> unserer Geschichte <strong>von</strong> Pr<strong>in</strong>zen, König<strong>in</strong>nen, Katzen, Hofdienern etc.<br />

entfernen müssen – <strong>und</strong> das wollte dann doch niemand aus der Gruppe. So kamen<br />

wir schließlich <strong>zu</strong> der Über<strong>e<strong>in</strong></strong>stimmung, dass wir uns 5 Rollen <strong>e<strong>in</strong></strong>fallen lassen<br />

mussten, für die es S<strong>in</strong>n machen sollte, Kopftuch <strong>zu</strong> tragen. Unsere Kreativität war<br />

also gefragt – <strong>und</strong> letztendlich ist es uns ja auch gem<strong>e<strong>in</strong></strong>sam gelungen, passende<br />

Lösungen <strong>zu</strong> f<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Nun konnte es also losgehen <strong>und</strong> es begann <strong>e<strong>in</strong></strong>e Phase des Ideensammelns,<br />

Ausprobierens, Schreibens, Bastelns <strong>und</strong> Vorspielens. Nach <strong>und</strong> nach nahm unser<br />

Stück Gestalt an, <strong>und</strong> weil wir noch <strong>e<strong>in</strong></strong>e große Hilfe <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em Schauspieler <strong>und</strong><br />

Hörbuchsprecher fan<strong>den</strong>, der sich bereit erklärte uns bei der Umset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> helfen –<br />

hatten wir schon bald<br />

<strong>e<strong>in</strong></strong> erstes Manuskript<br />

vorliegen.<br />

Mir wurde schnell klar,<br />

dass das was wir da<br />

alle gem<strong>e<strong>in</strong></strong>sam<br />

erarbeitet hatten,<br />

wirklich das Potenzial<br />

<strong>zu</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em guten<br />

Theaterstück hatte.<br />

Deshalb machte ich<br />

<strong>den</strong> Vorschlag, dass wir uns damit an <strong>den</strong> Frankfurter – <strong>und</strong> an <strong>den</strong> Hessischen<br />

Schultheatertagen bewerben sollten. Außerdem war <strong>e<strong>in</strong></strong> Probenwochenende <strong>in</strong> der<br />

Jugendherberge <strong>in</strong> Wetzlar geplant, das für die Weiterentwicklung des Stückes <strong>von</strong><br />

besonderer Bedeutung war, <strong>den</strong>n nur auf diese Art <strong>und</strong> Weise, <strong>e<strong>in</strong></strong> gem<strong>e<strong>in</strong></strong>sames<br />

Wochenende außerhalb der Schule <strong>von</strong> morgens bis abends <strong>zu</strong> verbr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>tensiv <strong>zu</strong> arbeiten, konnten wir wirklich Vorrankommen <strong>in</strong> unserem Stück<br />

Leider zeigten sich auch hier wieder die für unsere Schule typischen Probleme:<br />

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Jahrbuch 2008<br />

- Schüler<strong>in</strong>nen, <strong>den</strong>en es vom Elternhaus nicht erlaubt wird, an Fahrten<br />

teil<strong>zu</strong>nehmen, die Übernachtungen b<strong>e<strong>in</strong></strong>halten.<br />

- Schüler <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen, die neben der Schule arbeiten gehen müssen, <strong>und</strong><br />

deshalb am Wochenende wenig Zeit haben.<br />

All dies führte wieder <strong>zu</strong> Konflikten <strong>und</strong><br />

letztendlich machte ich die Teilnahme am<br />

Probenwochenende <strong>zu</strong>r Bed<strong>in</strong>gung für die<br />

Weiterarbeit an unserem Stück. Die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen, die nicht dort übernachten<br />

durften, kamen täglich angereist <strong>und</strong> am<br />

Abend fuhren sie wieder nach Hause, was für<br />

mich <strong>e<strong>in</strong></strong> vertretbarer Kompromiss war.<br />

Die Teilnahme an <strong>den</strong> Frankfurter<br />

Schultheatertagen konnte auch beschlossen<br />

wer<strong>den</strong>, unter der Vorausset<strong>zu</strong>ng, dass wir<br />

k<strong>e<strong>in</strong></strong>en Auftritt an <strong>e<strong>in</strong></strong>em Wochenende haben<br />

wür<strong>den</strong>.<br />

Nur die Teilnahme an <strong>den</strong> Hessischen<br />

Schultheatertagen (die mit <strong>e<strong>in</strong></strong>em Preisgeld <strong>von</strong> 1500 Euro verbun<strong>den</strong> gewesen wäre<br />

- <strong>und</strong> der Möglichkeit des Austauschs mit DS-Gruppen aus ganz Hessen) mussten<br />

wir leider absagen, was ich jetzt <strong>in</strong> Nachh<strong>in</strong><strong>e<strong>in</strong></strong> ganz besonders schade f<strong>in</strong>de, <strong>den</strong>n<br />

ich glaube mit der Qualität unseres Stückes hätten wir uns dort wirklich sehen lassen<br />

können<br />

M<strong>e<strong>in</strong></strong>e Konsequenz aus diesen Diskussionen ist, dass ich <strong>in</strong> Zukunft nur noch<br />

Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler an m<strong>e<strong>in</strong></strong>en DS-Kursen teilnehmen lassen werde, die sich<br />

verb<strong>in</strong>dlich da<strong>zu</strong> bereit erklären, an solchen Fahrten, die auch Übernachtungen<br />

b<strong>e<strong>in</strong></strong>halten, teil<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Das Probenwochenende gab uns dann tatsächlich <strong>e<strong>in</strong></strong>en riesigen kreativen Schub<br />

<strong>und</strong> das Stück stand danach <strong>in</strong> <strong>den</strong> wesentlichen groben Zügen fest. Nun g<strong>in</strong>g es an<br />

Ernst-Reuter-Schule 1 Seite 141


Jahrbuch 2008<br />

die F<strong>e<strong>in</strong></strong>arbeit sowie die Beschaffung der Requisiten <strong>und</strong> der noch fehlen<strong>den</strong><br />

Kostüme, die Auswahl der Musik, die Gestaltung des Bühnenbildes, usw.<br />

Der Aufführungsterm<strong>in</strong> rückte immer näher, die Nervosität stieg <strong>und</strong> die Nerven<br />

lagen blank. Zwei Wochen vor dem Premierenterm<strong>in</strong> fiel <strong>e<strong>in</strong></strong>e Schüler<strong>in</strong> wegen<br />

Krankheit leider aus – <strong>und</strong> die Rolle musste kurzfristig mit <strong>e<strong>in</strong></strong>er Schüler<strong>in</strong> aus <strong>e<strong>in</strong></strong>em<br />

Parallel-DS-Kurs besetzt wer<strong>den</strong>. (Vielen Dank noch mal an Sandra !!! Und auch<br />

Danke an Florian <strong>und</strong> Emrah für die Unterstüt<strong>zu</strong>ng bei der Technik).<br />

E<strong>in</strong> weiteres lange geplantes Probenwochenende direkt vor der Aufführung drohte<br />

wieder an dem vollen Term<strong>in</strong>kalender der Gruppenmitglieder (Sportveranstaltung,<br />

Konfirmation, Kirchenbesuch, Arbeitszeiten, etc.) <strong>zu</strong> scheitern <strong>und</strong> nur durch <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />

mittleren Tobsuchtsanfall m<strong>e<strong>in</strong></strong>erseits wurde <strong>den</strong> SchülerInnen bewusst, wie wichtig<br />

dieses Wochenende für die Premiere ist <strong>und</strong> schließlich gelang es uns, <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />

Probenplan <strong>zu</strong> organisieren.<br />

Das Wochenende verlief dann wirklich sehr befriedigend <strong>und</strong> alle gaben ihr Bestes.<br />

Jeder hatte s<strong>e<strong>in</strong></strong>en Text gelernt, <strong>und</strong> auch wenn der <strong>e<strong>in</strong></strong>e oder die andere es mit der<br />

Pünktlichkeit nicht immer so genau nahm, so waren doch alle mit großem Fleiß <strong>und</strong><br />

voller Konzentration bei der Sache.<br />

Natürlich durften auch die theaterüblichen „Katastrophen“ nicht fehlen, wie die<br />

Überlegungen <strong>e<strong>in</strong></strong>er Schüler<strong>in</strong> fünf Tage vor der Aufführung aus<strong>zu</strong>steigen – die dann<br />

aber durch massive Interventionen der Gruppe rasch beendet wur<strong>den</strong> oder das<br />

wichtige, unverschiebbare Vorstellungsgespräch <strong>e<strong>in</strong></strong>es Schülers am Tag der<br />

Aufführung <strong>in</strong> Limburg mit dem Versprechen pünktlich <strong>zu</strong> Vorstellungsbeg<strong>in</strong>n wieder<br />

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Jahrbuch 2008<br />

<strong>in</strong> Frankfurt <strong>zu</strong> s<strong>e<strong>in</strong></strong> (was auch <strong>e<strong>in</strong></strong>gehalten wurde). All dies hat viele viele Nerven<br />

gekostet, aber letztendlich wur<strong>den</strong> alle Probleme vor der Aufführung noch gelöst.<br />

E<strong>in</strong>e ganz große Hilfe waren mir <strong>in</strong> diesen aufregen<strong>den</strong> Zeiten m<strong>e<strong>in</strong></strong>e bei<strong>den</strong><br />

Kolleg<strong>in</strong>nen aus dem Fachbereich Darstellendes Spiel Ruth Kockelmann <strong>und</strong> Anabel<br />

Willner, die die zwei<br />

parallelen 12erKurse<br />

leitetet. Es war sehr<br />

beruhigend <strong>und</strong> hilfreich<br />

<strong>zu</strong> sehen, dass viele<br />

Konflikte auch <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

anderen Kursen<br />

auftraten <strong>und</strong> sie nicht<br />

unbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>dividuelle<br />

Probleme zwischen mir<br />

<strong>und</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>en Schülern <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen (bzw. <strong>in</strong>nerhalb unserer Gruppe) darstellten,<br />

sondern sie wohl entweder typisch für <strong>e<strong>in</strong></strong>en DS-Kurs kurz vor der Aufführung waren<br />

oder sie mit der typischen Zusammenset<strong>zu</strong>ng unserer Schülerschaft<br />

<strong>zu</strong>sammenh<strong>in</strong>gen. Der Austausch unter uns Kollegen bzw. Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> die<br />

gegenseitigen Ratschläge, Aufmunterungen <strong>und</strong> Unterstüt<strong>zu</strong>ng haben mir gerade <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> konfliktreichstes Zeiten geholfen, die Zweifel beiseite <strong>zu</strong> schieben <strong>und</strong> weiter <strong>zu</strong><br />

machen oder auch die Situation mal <strong>von</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>er anderen Perspektive <strong>zu</strong> betrachten<br />

<strong>und</strong> andere Wege <strong>zu</strong> beschreiten <strong>und</strong> aus<strong>zu</strong>probieren.<br />

E<strong>in</strong>e andere Kolleg<strong>in</strong> des Fachbereichs, Katja Pahn, sorgte am Premierenabend mit<br />

ihren 11er Kursen für die Bewirtung <strong>und</strong> <strong>den</strong> Kartenverkauf <strong>und</strong> nahm uns damit <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

Riesenlast <strong>von</strong> <strong>den</strong> Schultern, obwohl sie selbst ja auch <strong>e<strong>in</strong></strong>en Aufführung mit ihrem<br />

TUSCH-Projekt <strong>zu</strong> überstehen hatte. Dadurch <strong>und</strong> all<strong>e<strong>in</strong></strong> schon durch ihre<br />

beruhigende Anwesenheit, schaffte es Katja, dass ich m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Nerven wenigstens<br />

ansatzweise im Griff hatte <strong>und</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler nicht völlig verrückt<br />

machte <strong>und</strong> ansteckte mit m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Nervosität. Und so haben sie auch die letzten<br />

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Jahrbuch 2008<br />

M<strong>in</strong>uten bis <strong>zu</strong>m Beg<strong>in</strong>n der Aufführung irgendwie ausgehalten, mit all ihrem<br />

Lampenfieber…<br />

Und schließlich g<strong>in</strong>g das Licht aus, die Aufführung begann <strong>und</strong> plötzlich meldeten<br />

sich doch wieder alle Zweifel:<br />

- war das Stück wirklich lustig, oder wür<strong>den</strong> wir vor gähnendem Publikum<br />

spielen…?<br />

- würde die Technik funktionieren <strong>und</strong> alle Licht- <strong>und</strong> Musikeffekt so ablaufen,<br />

wie wir es uns vorgestellt hatten…?<br />

- wür<strong>den</strong> alle die Nerven behalten, oder würde jemand bei der Aufführung <strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />

Aussetzer haben…?<br />

- wie würde das Publikum unser Stück aufnehmen – wür<strong>den</strong> sie sich lustig über<br />

die Thematik machen oder wür<strong>den</strong> sie verstehen, was wir damit aussagen<br />

wollen <strong>und</strong> uns dabei unterstützen …?<br />

Doch alle Ängste waren unbegründet: Besser habe ich k<strong>e<strong>in</strong></strong>en der Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Schüler je spielen sehen. Jeder ist über sich selbst h<strong>in</strong>aus gewachsen. Die Technik<br />

hat perfekt funktioniert <strong>und</strong> das Publikum hat gelacht <strong>und</strong> applaudiert <strong>und</strong> das Stück<br />

so angenommen <strong>und</strong> verstan<strong>den</strong> wie wir es uns gewünscht haben.<br />

Seite 144 Ernst-Reuter-Schule 1


Jahrbuch 2008<br />

E<strong>in</strong> unbeschreibliches Gefühl - die ganze Gruppe schwebte danach auf Wolken <strong>und</strong><br />

alle Sorgen, Ängste <strong>und</strong> Probleme waren vergessen.<br />

Und abgesehen da<strong>von</strong>, dass <strong>e<strong>in</strong></strong> Schauspieler bei der 2. Aufführung erst ca. 30<br />

M<strong>in</strong>uten nach Vorstellungsbeg<strong>in</strong>n auftauchte <strong>und</strong> es gerade noch rechtzeitig für<br />

s<strong>e<strong>in</strong></strong>en Auftritt auf die Bühne schaffte (ich konnte vor lauter Erleichterung ihn endlich<br />

<strong>zu</strong> sehen, nicht mal mit ihm wegen s<strong>e<strong>in</strong></strong>er Unpünktlichkeit schimpfen), gelang auch<br />

die zweite Vorstellung nahe<strong>zu</strong> genauso perfekt wie der erste <strong>und</strong> wurde <strong>e<strong>in</strong></strong> toller<br />

Erfolg.<br />

Die Arbeit an dem Stück <strong>und</strong> die Aufführungen haben uns alle näher<br />

<strong>zu</strong>sammengebracht <strong>und</strong> beim gem<strong>e<strong>in</strong></strong>samen Abendessen nach der zweiten<br />

Schulaufführung habe ich mich nicht wie <strong>e<strong>in</strong></strong> Lehrer mit s<strong>e<strong>in</strong></strong>er Schülergruppe gefühlt,<br />

sondern wie <strong>e<strong>in</strong></strong> Teil <strong>von</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em Team, das mit großer Anstrengung <strong>und</strong> gegen viele<br />

Widerstände <strong>und</strong> Probleme aber auch mit viel Freude <strong>und</strong> Spass etwas Tolles auf<br />

die B<strong>e<strong>in</strong></strong>e gestellt hat.<br />

Ernst-Reuter-Schule 1 Seite 145


Jahrbuch 2008<br />

Und auch was die Thematik unseres Stückes betrifft, so haben sich m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Sorgen<br />

nicht bestätigt <strong>den</strong>n auch bei der Schüleraufführung gab es kaum unangenehme<br />

Zwischenrufe <strong>und</strong> spöttische Bemerkungen, sondern viel Applaus <strong>und</strong> Anerkennung<br />

für das Stück <strong>und</strong> für alle Schauspieler – auch für die, die <strong>den</strong> Mut aufgebracht<br />

haben, <strong>e<strong>in</strong></strong>e Rolle <strong>zu</strong> spielen, vor der sie etwas Angst hatten, weil sie unangenehme<br />

Reaktionen <strong>e<strong>in</strong></strong>iger Mitschüler befürchtet hatten.<br />

Das macht mir Mut für das Klima an unserer Schule <strong>und</strong> <strong>den</strong> Umgang zwischen <strong>den</strong><br />

Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler.<br />

Alles <strong>in</strong> allem war dies <strong>e<strong>in</strong></strong>e der schönsten Erfahrungen, die ich <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Zeit als<br />

Lehrer an der ERS1 bisher gemacht habe. Ich habe viel aus dieser Arbeit gelernt <strong>und</strong><br />

viel Energie <strong>und</strong> Freude für künftige Projekte daraus gewonnen.<br />

Und m<strong>e<strong>in</strong></strong> ganz besonderer Dank geht an alle Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler der Gruppe,<br />

<strong>den</strong>n nur gem<strong>e<strong>in</strong></strong>sam <strong>und</strong> mit <strong>e<strong>in</strong></strong>em so tollen Team konnten wir dieses Stück so auf<br />

die B<strong>e<strong>in</strong></strong>e stellen !!!<br />

Seite 146 Ernst-Reuter-Schule 1

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