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Hauptteil - Ernst-Reuter-Schule 1

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La francophonie -<br />

Eine interkulturelle Begegnung zwischen Schülern eines<br />

Leistungskurses Französisch der Jahrgangsstufe 12 und<br />

Teilnehmern des Deutschkurses „allemand intermédiare II“<br />

des Cégep de Sainte Foy in Québec, Kanada,<br />

unter besonderer Nutzung des Internet.<br />

Pädagogische Prüfungsarbeit<br />

vorgelegt von<br />

Thomas Jost<br />

Studienreferendar an der<br />

<strong>Ernst</strong>-Ludwig-<strong>Schule</strong> in Bad Nauheim<br />

Studienseminar III in Frankfurt am Main<br />

Juli 1998


- 1 -


Einleitung<br />

Das „Internet-Fieber“ der vergangenen Jahre hat auch vor den Toren der <strong>Schule</strong>n<br />

nicht halt gemacht. Durch die Initiative „<strong>Schule</strong>n ans Netz“ sind bereits mehrere<br />

Tausend <strong>Schule</strong>n mit einem Internet-Zugang ausgestattet worden. Bis zum Jahr<br />

2000 sollen es rund 10000 <strong>Schule</strong>n sein. Die Hoffnungen, die in das neue Medium<br />

gesetzt werden, sind groß. Es fallen Schlagworte wie: interkulturelles Lernen,<br />

konstruktivistisches Lernen, Lernerautonomie und Medienkompetenz. Gerade für<br />

den schulischen Fremdsprachenunterricht scheint es vielfältige<br />

Anwendungsmöglichkeiten zu geben. Mit Hilfe von E-Mail können Schülerinnen<br />

und Schüler weltweit kostengünstig und schnell mit gleichaltrigen Muttersprachlern<br />

im Zielsprachenland kommunizieren. Das World Wide Web (WWW) bietet einen<br />

direkten und schnellen Zugriff auf nahezu jede gewünschte Information.<br />

Die fachdidaktische Diskussion über den Einsatz von Internet in der <strong>Schule</strong> ist in<br />

vollem Gange. Ob sich die genannten Hoffnungen wirklich erfüllen können, wird die<br />

Zukunft zeigen. Eines scheint aber bereits jetzt schon sicher: Durch den Einsatz von<br />

Internet kann der Fremdsprachenunterricht lebendiger und offener gestaltet werden.<br />

Außerdem wird die Motivation der Schüler deutlich erhöht. Dies belegen zahlreiche<br />

Fachartikel und auch die vorliegende Arbeit kommt zu diesem Ergebnis.<br />

Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit internetgestütztes Lernen in den<br />

alltäglichen Unterricht integriert werden kann. Der zusätzliche Aufwand ist nicht<br />

unerheblich und nur selten sind an den <strong>Schule</strong>n die notwendigen technischen<br />

Voraussetzungen gegeben. Ein einziger Internet-Zugang ist einfach zu wenig, um in<br />

einer Klasse mit zwanzig oder mehr Schülern den sinnvollen Umgang mit dem neuen<br />

Medium zu üben. Somit erfordert die Verwendung von Internet im Unterricht (zur<br />

Zeit noch) viel Eigeninitiative und nicht selten etwas Pioniergeist.<br />

Dennoch möchte ich alle Lehrerinnen und Lehrer dazu ermutigen, ihre eigenen<br />

Erfahrungen mit internetgestütztem Fremdsprachenunterricht zu machen: Es lohnt<br />

sich bestimmt.<br />

Um die Arbeit für all diejenigen, die sich noch nicht mit dem Thema Internet befasst<br />

haben, besser lesbar zu machen, habe ich im Anhang ein Glossar mit den<br />

wichtigsten Fachbegriffen zusammengestellt.<br />

- 1 -


1 Das Thema<br />

1.1 Computer und Fremdsprachenunterricht<br />

Natürlich ist die Überlegung, Computer im Fremdsprachenunterricht zu verwenden,<br />

alles andere als neu. Bereits in den 80er Jahren wurden von den Schulbuchverlagen<br />

Grammatik- und Vokabellernprogramme entwickelt. Die meisten dieser Programme<br />

waren jedoch sehr stark vorstrukturiert und konnten somit dem Konzept des<br />

modernen, kommunikativen Fremdsprachenunterrichts nicht gerecht werden.<br />

„Mittlerweile sind zu den reinen ‚kill and drill’-Programmen anspruchsvollere<br />

Produkte hinzugekommen, die individuelles Üben und Lernen auf motivierende<br />

Weise ermöglichen.“ (Donath, 1996a, S.8) Hierzu zählen vor allem Rollenspiele, in<br />

denen die Schüler 1 auf ihren (virtuellen) Reisen durch das Gastland vielfältige<br />

Abenteuer erleben. Dabei geraten sie immer wieder in Situationen, in denen sie<br />

reagieren und Entscheidungen treffen müssen.<br />

Neben solchen Programmen, die ganz speziell auf die Bedürfnisse und Kenntnisse<br />

der deutschsprachigen Lerner zugeschnitten sind, gibt es auch viele „authentische“<br />

Softwarepakete, die sich für den gelegentlichen Einsatz im Fremdsprachenunterricht<br />

eignen. Hierbei denke ich vor allem an Wörterbücher und multimediale<br />

Enzyklopädien, die auf sehr ansprechende Weise Informationen über<br />

verschiedenste Themen liefern.<br />

Obwohl diese Programme häufig den neuesten lerntheoretischen Konzepten<br />

entsprechen und durchaus für den Unterricht geeignet wären (z.B. im Rahmen einer<br />

Fremdsprachenwerkstatt), haben sie bisher nur selten Eingang in den Schulalltag<br />

gefunden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Frauke Hugo (1998, S.63) sieht das<br />

größte Hindernis in der „Hemmung vieler Lehrer gegenüber den neuen<br />

Technologien“. Ein weiteres Problem ist die angespannte finanzielle Situation der<br />

<strong>Schule</strong>n. Die meisten Programme sind leider relativ teuer. Außerdem stellen die<br />

multimedialen Programmpakete häufig sehr hohe Anforderungen an die<br />

1 Um die Arbeit besser lesbar zu machen, verwende ich von nun an die neutralen Bezeichnungen Schüler,<br />

Lehrer, u.s.w.<br />

- 2 -


Computerhardware, so dass die bereits vorhandenen Computer nicht verwendet<br />

werden können.<br />

Aber auch aus fachwissenschaftlicher Sicht gibt es einen meiner Meinung nach<br />

berechtigten Einwand: Obwohl die meisten Programme sehr ansprechend gestaltet<br />

sind und viele interaktive Elemente enthalten, findet keine „echte“ Kommunikation<br />

statt. Ich vermute daher 2 , dass sich das anfangs durchaus vorhandene Interesse<br />

vieler Schüler bereits nach kurzer Zeit in Gleichgültigkeit oder Ablehnung<br />

umwandelt.<br />

Der Internet-Boom der vergangenen Jahre hat die Diskussion über den Einsatz von<br />

Computern im Fremdsprachenunterricht erneut aufleben lassen. Dabei stützen sich<br />

die meisten Hoffnungen auf die Verwendung von E-Mail und World Wide Web<br />

(WWW).<br />

„Zahlreiche Artikel haben in den letzten Jahren enthusiastisch über die<br />

Möglichkeiten des elektronischen Mailing als Lösung der Problembereiche des<br />

traditionellen Unterrichts berichtet.“ (Hutzler, 1998, Kap. 2) 3<br />

Durch die Einbeziehung des Internet in den Unterricht wird es nicht nur möglich, mit<br />

anderen Menschen in der Welt per E-Mail Kontakt aufzunehmen (vgl. Kap. 1.2),<br />

sondern man kann auch Informationen, die auf anderen Computern abgespeichert<br />

sind, abrufen oder eigene Unterrichtsprodukte veröffentlichen (vgl. Kap. 1.3).<br />

Im Gegensatz zu Multimediaanwendungen braucht man weder für E-Mail noch für<br />

die Nutzung des WWW besonders leistungsstarke Computer. Das heißt, dass in<br />

der Regel die in der <strong>Schule</strong> vorhandenen Geräte benutzt werden können. Da die<br />

notwendige Software entweder als Shareware verbreitet wird (Netscape<br />

Navigator) oder bereits zum Betriebssystem gehört (Windows 98), fallen lediglich<br />

die Telefonkosten und die Providergebühren an.<br />

Es ist im Rahmen dieser Arbeit aus Platzgründen leider nicht möglich, die genauen<br />

technischen Voraussetzungen für den Einsatz von Internet im Fremd-<br />

sprachenunterricht zu erläutern. Hierzu sei auf die Veröffentlichungen von Donath<br />

(1997, S.7-26) und Hildebrand (1996) verwiesen.<br />

2 Mir sind keine fachwissenschaftlichen Studien über dieses Thema bekannt.<br />

3 Bei Artikeln aus dem Internet gebe ich anstelle der Seitenzahl das Kapitel an.<br />

- 3 -


1.2 E-Mail-Projekte<br />

Das zentrale Lernziel des Fremdsprachenunterrichts ist zweifelsohne die Vermittlung<br />

der Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache. So sind reale<br />

Begegnungssituationen mit Austauschschülern oder Reisen ins Zielsprachenland<br />

immer wieder die Höhepunkte des Schulalltags, die bei vielen Schülern für einen<br />

erheblichen Motivationszuwachs sorgen. Leider gibt es solche Gelegenheiten im<br />

Normalfall nur relativ selten.<br />

Als Alternative bieten sich Klassenkorrespondenzen an, in denen zwei Klassen über<br />

den Postweg miteinander in Kontakt treten. Eine kontinuierliche Arbeit an einem<br />

gemeinsamen Projekt wird jedoch durch die langen Zustellzeiten erheblich<br />

erschwert. Nicht selten dauert es drei Wochen oder mehr, bis man die Antwort der<br />

Partnerklasse erhält. Der Einsatz von E-Mail ermöglicht es, die Wartezeiten<br />

erheblich zu verkürzen. „Gerade die Geschwindigkeit des Nachrichtenaustausches<br />

ist es, die E-Mail-Projekte im Unterricht so reizvoll macht: Antworten der<br />

Partnerklasse können in relativ kurzer Zeit erwartet werden.“ (Donath, 1996, S.13)<br />

Dasselbe gilt zwar auch für Fax, aber Fax ist wesentlich teurer als E-Mail<br />

Man könnte nun einwenden, E-Mail sei genau das Gleiche wie herkömmliche<br />

Briefpost, nur eben etwas schneller. Das ist im Prinzip richtig. Aber gerade dieser<br />

Unterschied ist entscheidend für die Nutzung von E-Mail im Unterricht. Es kann<br />

innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums ein mehrfacher Briefwechsel erfolgen, was die<br />

Durchführung eines gemeinsamen Unterrichtsprojekts 4 eindeutig begünstigt.<br />

Wie kann so ein E-Mail-Projekt aussehen?<br />

Der erste Schritt wird in der Regel die Suche nach einer geeigneten Partnergruppe<br />

sein. Die erste Anlaufstelle sollte immer die Partnerschule sein, da hier zusätzlich die<br />

Möglichkeit besteht, beim nächsten Austausch die Korrespondenten persönlich<br />

kennenzulernen. Als sehr vorteilhaft erweisen sich auch persönliche Kontakte zu<br />

einem Kollegen im Ausland (vgl. Subroweit, 1998, S.57). Eine andere Möglichkeit<br />

4 Nach Ansicht von Hutzler (1997) setzt die „Verwendung der Telekommunikation im<br />

Fremdsprachenunterricht quasi die Verwendung der Projektmethode“ voraus.<br />

- 4 -


esteht darin, ein entsprechendes Gesuch in einer Mailing-Liste 5 zu veröffentlichen.<br />

Die technischen Aspekte und weitere Möglichkeiten, eine Partnergruppe zu finden,<br />

werden von Obermeyer (1997, S.27f) beschrieben.<br />

Bevor das Projekt beginnen kann, ist es notwendig, genaue Absprachen mit dem<br />

Partnerlehrer zu treffen. Gemäß Donath (1996, S.21) sollten vorher folgende<br />

Punkte geklärt werden: der Zeitrahmen des Projekts, das Thema, die Häufigkeit<br />

des Austausches, die jeweiligen Erwartungen und die Form des Endprodukts.<br />

Darüber hinaus halte ich es für sehr wichtig, auch einige technische Details zu klären.<br />

Welche Programme werden verwendet? Klappt das Senden und der Empfang von<br />

Sonderzeichen etc.?<br />

Für die Durchführung eines E-Mail-Projekts hat sich eine Dauer von etwa drei<br />

Wochen als günstig erwiesen (Donath, 1996, S.21f). Um den Spannungsbogen zu<br />

erhalten, sollten in dieser Zeit idealerweise möglichst wenige Unterbrechungen<br />

(Ferien, Feiertage,...) dazwischenkommen. Donath schlägt vor, dass sich die<br />

Schüler bei einem dreiwöchigen Projekt in der ersten Woche miteinander bekannt<br />

machen. Es können in dieser Zeit einige persönliche Informationen über Hobbys,<br />

die <strong>Schule</strong> oder die eigene Stadt ausgetauscht werden. Meiner Ansicht nach ist eine<br />

solche Phase des gegenseitigen Kennenlernens sehr wichtig für den Erfolg des<br />

Projekts, da der Einsatz „eines technischen Mediums auch zu einer emotionalen<br />

Distanz und relativen Beziehungslosigkeit führen“ (Subroweit, Lück, 1998, S.7)<br />

kann.<br />

In der zweiten Woche findet dann der Austausch über das eigentliche Thema statt<br />

und in der dritten Woche die Auswertung und Präsentation der Ergebnisse. Dieser<br />

Zeitrahmen ist selbstverständlich nur ein Vorschlag, der, je nachdem wie das<br />

Projekt konzipiert ist, modifiziert werden kann.<br />

„Die Themen für diese Projekte sind ebenso reichhaltig wie die Themen, die in<br />

Lehrbüchern behandelt werden. Grundsätzlich gilt: Alle Lehrbuchthemen können<br />

durch ein E-Mail-Projekt ergänzt werden, alle Themen, die Schülerinnen und<br />

Schüler interessieren, können auch in E-Mail-Projekten behandelt werden. [...]<br />

Wichtig ist, dass (das Thema) den Lebens- und Erfahrungszusammenhängen der<br />

5 Sehr gute Erfahrungen habe ich mit der Liste Edufrançais gemacht.<br />

- 5 -


Schülerinnen und Schüler entspricht, damit überhaupt ein Kommunikations- und<br />

Informationsbedürfnis vorhanden ist.“ (Donath, 1996, S.22)<br />

Während üblicherweise am Anfang eines E-Mail-Projekts das Thema bereits<br />

feststeht und man danach einen geeigneten Partner sucht, schlägt Hutzler (1998,<br />

Kap. 3.2.1) die umgekehrte Vorgehensweise vor:<br />

„Der Ablauf und Inhalt eines Projektes wird [...] entscheidend von Herkunft und<br />

Konstellation der verschiedenen Lerngruppen bestimmt [...] Es scheint deshalb<br />

vorteilhaft, zuerst Partner zu werben und dann gemeinsam mit ihnen nach einer<br />

Kennenlernphase [...] das Projektthema zu bestimmen.“<br />

Wenn nun das Thema festgelegt worden ist und eine geeignete Partnergruppe zur<br />

Verfügung steht, kann die eigentliche Projektarbeit beginnen.<br />

In der Regel wird es notwendig sein, das Projektthema in verschiedene Bereiche<br />

aufzuteilen, die dann von verschiedenen Arbeitsgruppen (vgl. Kap. 1.5) näher<br />

bearbeitet werden. Wie die Arbeit der einzelnen Gruppen aussieht, hängt sehr stark<br />

von den Zielen und der Struktur des einzelnen Projekts ab.<br />

Ich möchte allerdings auf einige grundsätzliche Fragestellungen eingehen, die sich im<br />

Zusammenhang mit E-Mail-Projekten ergeben:<br />

• In welcher Sprache findet die Korrespondenz statt?<br />

Hierfür gibt es keine allgemeingültige Festlegung. Alle Variationsmöglichkeiten sind<br />

denkbar und im konkreten Fall wird es immer Kompromisse geben. Es ist jedoch<br />

„wünschenswert, dass die Schüler so viel wie möglich in der jeweiligen Zielsprache<br />

kommunizieren: deutsche Schüler schreiben französisch, französische Schüler<br />

schreiben deutsch.“ (Obermeyer 1997, S.29)<br />

• Wie erfolgt die sprachliche Korrektur der Texte?<br />

Mehrere Möglichkeiten sind denkbar. Die Korrektur kann ganz traditionell durch<br />

den Lehrer erfolgen. Dies ist jedoch häufig gar nicht notwendig, da sich vor allem<br />

ältere Schüler auch gegenseitig korrigieren können. Meyer (1993, S.343) schreibt<br />

dazu: „ Das Erstellen von Texten im Unterricht oder als Hausaufgabe ist in der<br />

Regel eine Einzelarbeit. Das Schreiben am Computer als Gruppenaufgabe dagegen<br />

macht den Schreibprozeß öffentlich. Alle Gruppenmitglieder sehen auf den<br />

Bildschirm, erkennen Fehler, machen Vorschläge für die Überarbeitung und<br />

- 6 -


kommen auf diese Weise zu einem Arbeitsergebnis, das den Produkten individueller<br />

Schreibprozesse in der Regel überlegen ist.“<br />

Außerdem ist es möglich, die E-Mails durch den jeweiligen (muttersprachlichen) E-<br />

Mail-Partner korrigieren zu lassen. Bei dieser Form der Sprachkorrektur, die<br />

meiner Meinung nach besonders effektiv ist, lassen sich die Möglichkeiten von E-<br />

Mail hervorragend nutzen. Jedes Mail-Programm enthält eine sogenannte Reply-<br />

Funktion. Mit dieser Funktion wird der gesamte Text einer eingegangenen E-Mail<br />

eingerückt. Da das Programm alle Funktionen einer gewöhnlichen Textverarbeitung<br />

besitzt, kann der Text nun weiterverarbeitet und verbessert werden. Ich möchte<br />

dies an einem Beispiel erläutern.<br />

Die deutschen Schüler schreiben:<br />

Si j’aurais le temps, j’irais dans la piscine.<br />

Nach Anwenden der Reply Funktion erscheint der ursprüngliche Satz eingerückt<br />

und kann nun in der nächsten Zeile verbessert werden.<br />

> Si j’aurais le temps, j’irais dans la piscine.<br />

Die deutschen Schüler erhalten dann ihren ursprünglichen Satz und die Ver-<br />

besserung zurück:<br />

> Si j’aurais le temps, j’irais dans la piscine.<br />

Il faut écrire: Si j’avais le temps, j’irais à la piscine.<br />

Abschließend möchte ich mich der Leistungsbewertung zuwenden:<br />

Frey (1984, S.181) schreibt im Bezug auf „traditionelle“ Unterrichtsprojekte:<br />

„Prüfen und Zensieren in Projekten sind keine Selbstverständlichkeit. Es muß von<br />

Fall zu Fall entschieden werden, ob man benoten will. Einige Argumente sprechen<br />

für Prüfungen und Zensuren, einige dagegen.“ Das Gleiche gilt meines Erachtens<br />

auch für E-Mail-Projekte. Bei sehr kurzen Projekten wird es in der Regel nicht<br />

notwendig sein, eine zusätzliche Leistungskontrolle durchzuführen. In diesem Fall<br />

reicht das erstellte Produkt als Leistungsnachweis aus. Bei umfangreichen Projekten<br />

kann es aber durchaus sinnvoll sein, eine weitere Leistungskontrolle einzufordern.<br />

Dies ist in vielfältiger Form möglich. Man kann beispielsweise das zu dem Thema<br />

gehörige Wortfeld in einem Vokabeltest abfragen oder die Schüler „im Rahmen des<br />

- 7 -


Projekts einen Text verfassen lassen, diesen zunächst korrigieren, als Klassenarbeit<br />

werten und ihn erst dann verschicken lassen.“ (Obermeyer, 1997, S.27)<br />

Eine weitere interessante Möglichkeit zur Nutzung von E-Mail, die allerdings im<br />

Rahmen meiner Unterrichtsreihe keine Rolle spielt, sehe ich in der Durchführung von<br />

Tandem-Projekten 6 , bei denen „Personen mit verschiedenen Muttersprachen<br />

paarweise zusammenarbeiten“, um voneinander ihre Sprachen zu lernen.<br />

(Brammerts, 1998)<br />

1.3 World Wide Web im Unterricht<br />

Auch das WWW bietet zahlreiche Möglichkeiten für den Einsatz im Fremd-<br />

sprachenunterricht. Die Hauptanwendung dürfte die gezielte Suche nach<br />

Informationen sein.<br />

Nach Informationen suchen kann man doch auch in einer Bibliothek! Das ist richtig.<br />

Aber die Recherche im WWW hat mehrere Vorteile: Man kann mit Hilfe des<br />

Computers, ohne seinen Arbeitsplatz zu verlassen, auf riesige, weltweite<br />

Datenbestände zugreifen. Dabei ist für den Fremdsprachenunterricht von<br />

besonderer Bedeutung, dass man die Informationen in der Zielsprache erhalten<br />

kann.<br />

Der Vorteil mag einleuchten, dennoch drängt sich die Frage auf, nach welchen<br />

Informationen die Schüler im WWW suchen sollen. Hier sind der Fantasie keine<br />

Grenzen gesetzt. Wie bereits für E-Mail-Projekte angedeutet, kann im Prinzip jedes<br />

Lehrbuchthema oder Thema, das die Schüler interessiert, durch eine WWW-<br />

Recherche ergänzt werden.<br />

Für Donath (1998, Kap. Grundsätzliches zum WWW-Einsatz) ist wichtig, dass die<br />

Recherche immer in einen klaren unterrichtlichen Zusammenhang eingebettet ist. Er<br />

schlägt deshalb folgendes dreischrittiges Vorgehen vor:<br />

1) erste sprachliche und inhaltliche Annäherung durch das Lehrbuch<br />

2) Vertiefung durch Erarbeitung weiterer Informationen in Printmedien, multimediale<br />

Enzyklopädien auf CD-ROMs u.a.<br />

3) ergänzende Recherche im World Wide Web<br />

6 Weitere Informationen zum Tandem-Lernen findet man im Internet unter http://www.slf.ruhr-unibochum.de<br />

und http://tandem.uni-trier.de. (Stand: 30.07.1998)<br />

- 8 -


Die eigentliche Recherche soll in Partner- oder Gruppenarbeit erfolgen 7 , wobei die<br />

Schüler zu einem klar begrenzten Thema einen gezielten Arbeitsauftrag erhalten. Als<br />

Hilfestellung können beispielsweise sinnvolle WWW-Adressen vorgegeben werden.<br />

(vgl. Donath, 1997, S.44) Die Ergebnisse und eventuell auch die Suchstrategie<br />

sollen dann ausgewertet und der gesamten Lerngruppe vorgestellt werden. Hierbei<br />

kommt es insbesondere auch darauf an, Informationen mit Hilfe des schon<br />

vorhandenen Wissens zu prüfen, einzuordnen und kritisch zu beurteilen.<br />

Diese Ausführungen lassen erahnen, welch große Datenmengen bei einer Suche<br />

anfallen können 8 . Es müssen also Strategien entwickelt werden, um wichtige von<br />

unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Dabei werden Fähigkeiten wie<br />

selektives und kursorisches Lesen in der Fremdsprache geschult.<br />

Neben der Informationsbeschaffung eignet sich das WWW auch hervorragend zur<br />

Veröffentlichung von Ergebnissen. Hierzu sei auf den Artikel von Baumgart (1998)<br />

verwiesen.<br />

1.4 Möglichkeiten und Ziele von internetgestütztem<br />

Unterricht<br />

Die Ansprüche an einen modernen Fremdsprachenunterricht haben sich in den<br />

letzten Jahren deutlich gewandelt. Im Hinblick auf den Englischunterricht 9 schreibt<br />

Hutzler (1998, Kap. 2.1): „Im Gegensatz zum ‚traditionellen Unterricht’, der<br />

lehrerzentriert die Schüler über ein Unterrichtswerk mit grammatischer Progression<br />

zu höheren Wissenssphären heben wollte, will der heutige Unterricht anstelle von<br />

‚Kunsttexten’ authentische Materialien darbieten. Diese sollen authentische<br />

Kommunikation statt reiner Sprachübungen bzw. Simulationen von Kommunikation<br />

anbahnen. Um einer Mitbestimmung der Schüler und individuellen Lernprozessen<br />

Rechnung zu tragen, sollen dazu die Schüler mehr und mehr Aufgaben des Lehrers<br />

übernehmen und so zu autonomem Arbeiten geführt werden. [...] Schließlich soll<br />

der Kontakt zu anderen englischsprachigen Menschen gefördert werden, um so<br />

7 Damit die verschiedenen Gruppen gleichzeitig arbeiten können, wäre es günstig, wenn mehrere<br />

Internetzugänge an der <strong>Schule</strong> vorhanden sind.<br />

8 Das Stichwort „Paris“ ergab bei einer Suchanfrage mit Altavista 3632980 Einträge.<br />

9 Die gleichen Kriterien gelten selbstverständlich auch für den Französischunterricht.<br />

- 9 -


auch einen Beitrag zur interkulturellen Erziehung zu leisten und verschiedene<br />

Unterrichtsfächer miteinander zu verknüpfen.“<br />

Inwieweit können diese Forderungen, die mit den Zielsetzungen der hessischen<br />

Rahmenpläne (vgl. S.5ff) in Einklang stehen, durch internetgestützten Unterricht<br />

erfüllt werden?<br />

Zunächst einmal kann man feststellen, dass durch E-Mail-Projekte reale<br />

Kommunikationssituationen geschaffen werden, in denen die Schüler sich wirklich<br />

etwas mitzuteilen haben. Sie arbeiten weitgehend mit authentischen Texten und<br />

Quellen und erfahren dabei die fremde Sprache als Instrument ihres Handelns.<br />

Entsprechend hoch ist in der Regel auch die Motivation.<br />

Viele Autoren sehen in der Durchführung von E-Mail-Projekten außerdem eine<br />

besondere Chance für interkulturelles Lernen. Donath (1996, S.9) schreibt dazu:<br />

„Die Interaktionen mit Schülerinnen und Schülern der Partnerklasse bringen […]<br />

nicht nur faktische landeskundliche Informationen […] ins Klassenzimmer, sondern<br />

ermöglichen interkulturelle Lernprozesse, die mit der traditionellen Lehrbucharbeit<br />

allein nicht möglich wären.“ Scheunpflug (1998, S.54) stimmt dieser Position zwar<br />

grundsätzlich zu, gibt aber zu bedenken, dass interkulturelle Lernprozesse „Zeit<br />

benötigen“ und nicht durch ein „kurzfristig begrenztes Unterrichtsprojekt“ erreicht<br />

werden können. Nach Meinung der Autorin muss vor allem vermieden werden,<br />

dass ein Teilnehmer zu einem „Objekt der Begegnung“ wird, das „kennengelernt<br />

und erforscht wird.“<br />

Bei E-Mail-Projekten oder bei Recherchen im WWW müssen die Schüler ver-<br />

schiedenste Aufgaben mit Hilfe des Computers erfüllen. Zu diesen Aufgaben<br />

gehören beispielsweise: Texte schreiben, Briefe schicken, Informationen im WWW<br />

suchen und auswerten etc.<br />

Somit leistet internetgestützter Fremdsprachenunterricht ganz automatisch auch<br />

einen Beitrag zum Erwerb von Medienkompetenz. Über die Rolle der neuen<br />

Medien in der <strong>Schule</strong> wird zur Zeit heftig diskutiert. Der amtierende<br />

Wissenschaftsminister Rüttgers (1996) forderte unlängst: „Neben den alten<br />

Kulturtechniken gilt es künftig die neuen Informations- und Kommunikations-<br />

techniken zu beherrschen.“ Weite Teile der Gesellschaft sehen in der Medien-<br />

- 10 -


kompetenz eine Schlüsselqualifikation für die Berufs- und Arbeitswelt und fordern<br />

daher deren systematische Einbeziehung in den Unterricht (vgl. Bundesregierung,<br />

1997a, S.9). Diese Forderungen sind sicherlich berechtigt, allerdings fehlt es bisher<br />

an praktischen Konzepten für die Integration der neuen Medien.<br />

1.5 Methodische Überlegungen<br />

Der sinnvolle Einsatz der neuen Medien erfordert veränderte Arbeitstechniken und<br />

offenere Arbeitsformen. „Die Frontalbelehrung [...] muss zunehmend den<br />

unterschiedlichen Varianten der Gruppen- und Einzelarbeit weichen. Geschieht das<br />

nicht [...], so werden alle Chancen vertan, die E-Mail- bzw. Web-Projekte bieten.“<br />

(Obermeyer, 1997, S.12) Als besonders günstig für internetgestützten Unterricht<br />

hat sich die projektorientierte Vorgehensweise erwiesen (vgl. Kap. 1.2). Wie bei<br />

allen Formen des Gruppenunterrichts kann dadurch die Kooperationsbereitschaft<br />

und soziale Interaktion der Schüler untereinander gefördert werden. Da neben den<br />

sprachlichen Kompetenzen auch mediale Kompetenzen eine Rolle spielen, hat es<br />

sich durchaus bewährt, leistungsheterogene Gruppen zu bilden (vgl.<br />

Legutke/Thomas, 1991, S.225). Hutzler (1998, Kap. 2.2) weist allerdings darauf<br />

hin, dass Schüler, die einen „eher rezeptiven Lernmodus haben“, bei solchen<br />

Projekten „durch den Rost zu fallen drohen“. Ihnen muss deshalb besondere<br />

Aufmerksamkeit zukommen.<br />

Wenn sich das Klassenzimmer zur Welt öffnet 10 , so hat dies auch Auswirkungen auf<br />

die Rolle der Lehrer. „Der Lernstil ändert sich. Lernen wird zunehmend ein<br />

kooperativer Prozess [...] Mehr Selbständigkeit und die Möglichkeit, mehr<br />

Entscheidungen zu treffen, führen zu mehr Verantwortungsbewußtsein bei den<br />

Schülern. Aufgaben und Rolle des Lehrers sind neu zu definieren. Die<br />

Rollenvorstellung des lehrbuchgestützten, omnipotenten Wissensvermittlers ist nicht<br />

mehr zeitgemäß. Der Lehrer schafft Rahmenbedingungen und wird zum Berater.“<br />

(Meyer, 1992, S.248)<br />

10 Die Öffnung findet auch im ganz konkreten Sinne statt, da der Lernort längst nicht mehr auf den<br />

Klasssenraum beschränkt ist.<br />

- 11 -


Zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass mit Hilfe von Internet auch sehr gut<br />

fächerübergreifender Unterricht realisiert werden kann. So können Schüler im<br />

Fremdsprachenunterricht an einem historisch- oder gesellschaftswissenschaftlich<br />

orientierten Projekt arbeiten. Auch die musischen Fächer lassen sich gut in<br />

internetgestützte Projekte integrieren. Als Beispiel sei das Projekt „Mosimaches -<br />

mots et images“ genannt bei dem Schüler einer 8. Klasse französische Vokabeln<br />

visuell und auditiv umgesetzt haben. Die Ergebnisse und eine ausführliche<br />

Beschreibung des Projekts findet man unter: http://www.wis.uni-<br />

bremen.de/wis/fup/projekte/dico.ton/start.html<br />

(Stand: 30.07.98)<br />

- 12 -


2 Das Beobachtungsfeld<br />

2.1 Die Lerngruppe und die Auswahl des Themas<br />

Im zweiten Halbjahr des Schuljahres 1997/98 war ich in Doppelbesetzung mit Frau<br />

Jensen in dem Leistungskurs Französisch eingesetzt. Die meisten Schüler waren mir<br />

allerdings durch Hospitationen und eigenen Unterricht schon sehr viel länger<br />

bekannt. Einige Schüler kannte ich aus meinem zweiten Fach.<br />

Im ersten Halbjahr hatte Frau Jensen überwiegend literarische Themen mit dem<br />

Kurs behandelt (Flaubert, Maupassant). Für das zweite Halbjahr sollte deshalb ein<br />

eher landeskundliches Thema im Mittelpunkt stehen. In Absprache mit den Schülern<br />

wurde das Thema „La francophonie“ ausgewählt. Das Thema bot sich unter<br />

anderem auch deshalb an, weil zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, dass der Kurs<br />

im Juli nach La Rochelle fahren würde. Die Geschichte der Stadt La Rochelle ist<br />

eng mit dem Thema Frankophonie verbunden.<br />

Als einer der größten französischen Häfen war La Rochelle jahrhundertelang<br />

Umschlagplatz für Handelswaren aus den Kolonien. Besonders durch den<br />

sogenannten Dreieckshandel 11 gelangte die Stadt im 18. Jahrhundert zu großem<br />

Reichtum. Viele herrschaftliche Stadthäuser und das „Musée du Nouveau Monde“<br />

erinnern noch an diese Zeit.<br />

In jüngster Vergangenheit hat sich La Rochelle um den Gedanken der<br />

„francophonie“ verdient gemacht. Seit 1984 findet jedes Jahr in der Stadt das<br />

Musikfestival „Les Francofolies“ statt, zu dem französischsprachige Interpreten aus<br />

der ganzen Welt eingeladen sind.<br />

Warum ist das Thema Frankophonie für deutschsprachige Lerner überhaupt<br />

wichtig?<br />

Mit dem Erlernen der französischen Sprache wird für die deutschen Schüler<br />

natürlich in erster Linie das Tor zu unserem Nachbarland Frankreich weit geöffnet.<br />

Die französische Sprache wird jedoch nicht nur in Frankreich, sondern in weiten<br />

11 Bei diesem „Handel“ wurden in Frankreich produzierte Fertigwaren nach Afrika exportiert. Dort<br />

nahmen die Schiffe dafür Sklaven an Bord, die sie an die Plantagen auf den französischen Antillen<br />

verkauften. Von dort wiederum nahmen sie Rohstoffe (Zucker, Kaffee und Kakao) wieder mit nach<br />

Frankreich.<br />

- 13 -


Teilen der Welt gesprochen. Somit ergibt sich darüber hinaus für die Schüler die<br />

Möglichkeit, einen direkten Zugang zu Zivilisationen und Kulturen zu erhalten, über<br />

die sonst in den Massenmedien nur wenig berichtet wird. (vgl. Le Vasistas, 1986,<br />

S.3)<br />

Bereits in der Mittelstufe behandeln daher die meisten Lehrbücher das Thema<br />

Frankophonie. So findet man im dritten Band des an der <strong>Schule</strong> eingeführten<br />

Lehrwerks (Echanges: Edition Longue) eine Lektion über „La Louisiane“ und im<br />

vierten Band eine komplette Einheit zur Frankophonie. In dieser Einheit erhalten die<br />

Schüler einen ersten Einblick in die Verbreitung der französischen Sprache und<br />

Kultur in Europa und anderen Teilen der Welt.<br />

Die hessischen Kursstrukturpläne (S.57) sehen vor, dass das Thema „La<br />

francophonie“ auch in der Oberstufe behandelt werden kann. Da das Thema<br />

ausgesprochen umfangreich ist, muss der Lehrer allerdings eine Auswahl treffen.<br />

Frau Jensen und ich entschieden uns deshalb dazu, im Laufe des Halbjahres<br />

exemplarisch drei französischsprachige Regionen genauer zu besprechen: das<br />

französische Überseedepartement (D.O.M.) Guadeloupe, die kanadische Provinz<br />

Québec und den Senegal. Diese Regionen schienen uns besonders gut geeignet, um<br />

die verschiedenen Fassetten der Frankophonie zu beleuchten. Frau Jensen wählte<br />

die Themen Guadeloupe und Senegal und ich das Thema Québec. Diese Einteilung<br />

kam weitgehend unseren persönlichen Interessen entgegen.<br />

Etwas problematisch bei dem Thema Frankophonie ist meiner Meinung nach die<br />

Tatsache, dass die Schüler nur ganz selten persönliche Erfahrungen in den<br />

Unterricht einbringen können. Die wenigsten Schüler waren schon im Senegal oder<br />

haben Kontakte dorthin. Das Gleiche gilt auch für die französischen Antillen oder<br />

Québec. Die Vorstellungen von diesen Regionen erweisen sich daher häufig als<br />

unscharf und von gängigen Klischees geprägt. 12<br />

Es ist fraglich, ob sich diese festverankerten Klischees im „traditionellen“<br />

Sprachunterricht zurechtrücken lassen. Gerade hier sehe ich Chancen für die<br />

Nutzung der neuen Kommunikationstechniken. Durch den Einsatz von E-Mail wird<br />

es möglich, mit Menschen zu kommunizieren, die mehrere Tausend Kilometer<br />

12 Dies gilt übrigens manchmal auch für Lehrer.<br />

- 14 -


entfernt wohnen. Mit Hilfe des World Wide Web kann man sich ein genaues Bild<br />

über deren Lebensbedingungen machen. Die Voraussetzung hierfür ist natürlich,<br />

dass die Partnerschule ebenfalls über einen entsprechenden Internet-Zugang verfügt.<br />

Es ist jedoch in der Regel kein Problem, eine passende <strong>Schule</strong> zu finden. In den<br />

meisten Industrieländern ist die Internet-Technologie mittlerweile sehr weit<br />

verbreitet.<br />

Die oben genannten Überlegungen bewogen mich zu dem Entschluss, im Rahmen<br />

der Unterrichtseinheit über Québec einen Kontakt zu einer kanadischen <strong>Schule</strong><br />

herzustellen.<br />

Da ich selbst einen Internet-Zugang besitze, konnte ich schnell herausfinden, dass<br />

sehr viele <strong>Schule</strong>n aus Québec im Internet vertreten sind. Die Aussicht, eine<br />

Partnerschule zu finden, war also gut. Ich mußte allerdings noch überprüfen, ob die<br />

technischen Voraussetzungen der <strong>Ernst</strong>-Ludwig-<strong>Schule</strong> ein E-Mail-Projekt<br />

zulassen.<br />

In der Schulbibliothek befinden sich zwei Computer. Einer dieser Computer ist mit<br />

einem Internet-Zugang ausgestattet und wird von der Internet-AG benutzt.<br />

Außerdem besitzt die <strong>Schule</strong> einen kleinen Computerraum mit 9 Rechnern, auf<br />

denen Texte geschrieben werden können. Diese Voraussetzungen waren nicht<br />

unbedingt ideal. Sie reichten meiner Meinung nach aber aus, um eine E-Mail-<br />

Korrespondenz durchzuführen. Etwas problematischer war da schon die Nutzung<br />

des WWW in der <strong>Schule</strong> (vgl. Kap. 1.3). Da nur ein Internet-Zugang vorhanden<br />

ist, kann immer nur eine Gruppe nach Informationen suchen. Dies musste bei der<br />

Planung des Unterrichts entsprechend berücksichtigt werden.<br />

Im folgenden Abschnitt möchte ich die Lerngruppe etwas näher vorstellen und<br />

erläutern, warum mir ein internetgestütztes Unterrichtsprojekt für die Gruppe<br />

geeignet erschien.<br />

Mit nur acht Schülerinnen und einem Schüler ist der Leistungskurs Französisch<br />

ausgesprochen klein. Dadurch ergeben sich natürlich viele Vorteile für den<br />

„traditionellen“ Fremdsprachenunterricht. Die Schüler kommen sehr häufig dran und<br />

können viel sprechen. Es ist möglich, sehr intensiv auf die einzelnen Schüler<br />

einzugehen. In Diskussionsphasen besteht allerdings der Nachteil, dass nur wenige<br />

- 15 -


Meinungen vertreten sind. Für E-Mail-Projekte ist eine solch kleine Kursgröße<br />

zwar keine Voraussetzung, sie ist aber bestimmt auch kein Nachteil.<br />

Die meisten Schüler des Kurses arbeiten sehr engagiert mit und zeigen großes<br />

Interesse am Französischunterricht. Das Arbeitsklima ist insgesamt sehr angenehm<br />

und entspannt.<br />

Zu den leistungsstärksten Schülern gehören Annabel 13 , Marion und Sabine. Marion<br />

wiederholt die 12. Klasse aus gesundheitlichen Gründen. Sie ist hochmotiviert und<br />

sehr fleißig. Bisher konnte sie sich allerdings nicht ganz in die Gruppe integrieren,<br />

was meiner Ansicht nach an ihrer etwas „belehrenden“ Art gegenüber den<br />

Mitschülern liegt. Marion konnte leider nicht an allen Phasen des E-Mail-Projekts<br />

teilnehmen, da sie Anfang Mai im Rahmen eines Schüleraustausches für zwei<br />

Wochen nach Chaumont fuhr.<br />

Auch Annabel zeigt hervorragende Leistungen im Französischunterricht. Sie hat<br />

vorletztes Jahr drei Monate in Frankreich verbracht und spricht seitdem ohne<br />

Hemmungen nahezu fließend. Aufgrund ihrer „Überlegenheit“ unterlaufen ihr<br />

manchmal jedoch Leichtsinnsfehler. Annabel interessiert sich besonders für<br />

politische Fragen und ist sehr sozial engagiert, was ihr zu großer Beliebtheit in der<br />

Gruppe verholfen hat.<br />

Sabine wächst zweisprachig (deutsch/italienisch) auf. Dadurch, dass sie viele<br />

Vokabeln, aber auch grammatische Strukturen aus dem Italienischen ableiten kann,<br />

verfügt sie über einen großen Vorteil gegenüber den anderen Schülern.<br />

Ebenfalls sehr aktiv beteiligen sich Kim und Cora, die auch privat befreundet sind.<br />

Cora belebt durch ihre sehr spontane Art den Unterricht. Sie ist ausgesprochen<br />

fleißig und erledigt ihre Hausaufgaben äußerst gewissenhaft. Kim hat häufig sehr<br />

gute inhaltliche Ideen. Besonders bei literarischen Fragestellungen zeigt sie große<br />

Sensibilität. Allerdings fällt es ihr manchmal schwer komplizierte Gedankengänge<br />

auf Französisch auszudrücken, sie fällt dann leicht ins Deutsche zurück.<br />

Tobias ist der einzige Junge im Kurs. Er ist ein eher ruhiger Schüler, der aber sehr<br />

regelmäßig und zuverlässig mitarbeitet. Sein besonderes Interesse gilt<br />

13 Alle Namen wurden geändert.<br />

- 16 -


landeskundlichen Themen. Da Tobias schon in Kanada war, erhoffte ich mir gerade<br />

von ihm wichtige Impulse für den Unterricht.<br />

Rebekka ist in der 11. Klasse neu an die <strong>Ernst</strong>-Ludwig-<strong>Schule</strong> gekommen. Am<br />

Anfang hatte sie Schwierigkeiten, sich in die Gruppe zu integrieren. Trotz solider<br />

Grundkenntnisse fühlte sie sich durch die ‘Genies’ im Kurs eingeschüchtert.<br />

Mittlerweile hat sie sich jedoch gut in die Gruppe eingelebt. Rebekka scheint<br />

persönlich etwas reifer zu sein als die meisten anderen Schüler.<br />

Dina und Luciana beteiligen sich weniger häufig am Unterricht. Dina hatte in der 10.<br />

Klasse eine Vier im Zeugnis, wollte aber unbedingt Französisch als Leistungsfach<br />

nehmen. In der 11. Klasse hat sie durch große Fleißarbeit den Anschluss ganz gut<br />

gefunden. Der Übergang zur 12. Klasse, wo es um freieres Arbeiten geht und nicht<br />

mehr so gezielt gelernt werden kann, fiel ihr jedoch sehr schwer. Sie hat große<br />

Grammatikschwierigkeiten. Ihr Wortschatz ist weniger umfangreich als bei den<br />

anderen Schülern. Dadurch hat sie gelegentlich Verständnisprobleme. Um den<br />

Anschluß nicht ganz zu verlieren, nimmt sie Nachhilfe.<br />

Luciana wiederholt die Jahrgangsstufe 12. Im ersten Halbjahr sagte sie, nach<br />

Auskunft von Frau Jensen, fast gar nichts. Auch sie hat einen relativ beschränkten<br />

Wortschatz, schreibt aber grammatikalisch richtig. Große Schwierigkeiten bereitet<br />

ihr die Textarbeit. Insgesamt ist sie wenig motiviert und zeigt kaum Ansätze, ihre<br />

Leistungen zu verbessern.<br />

Meine Hoffnung war, gerade diese beiden Schülerinnen durch das E-Mail-Projekt<br />

wieder mehr in die Gruppe einzubinden und für den Französischunterricht zu<br />

motivieren (vgl. Kap. 1.4).<br />

Als ich der Lerngruppe mein Unterrichtsvorhaben vorstellte, waren alle Schüler von<br />

der Idee begeistert. Um besser einschätzen zu können, welche Kenntnisse im<br />

Umgang mit dem Computer ich bei den Schülern voraussetzen konnte, machte ich<br />

eine kleine Umfrage in der Gruppe. Die Befragung ergab, dass fünf Schüler<br />

regelmäßig zu Hause mit dem Computer arbeiten. Zwei Schüler (Annabel und<br />

Tobias) hatten außerdem schon im Internet „gesurft“.<br />

Der Kurs war also einverstanden mit dem Projekt und auch die technischen<br />

Voraussetzung an der <strong>Schule</strong> reichten aus.<br />

- 17 -


Was jetzt noch fehlte, war eine geeignete Partnerschule.<br />

2.2 Kontaktaufnahme mit der Partnergruppe<br />

Es gibt unzählige Möglichkeiten, im Internet eine Partnerschule zu suchen (vgl. Kap.<br />

1.2). Ich entschloss mich dazu, ein entsprechendes Gesuch in verschiedenen<br />

Mailing-Listen zu veröffentlichen 14 (vgl. Anhang, S.2).<br />

In dem „Brief“ beschrieb ich den ungefähren Verlauf des Projekts und teilte den<br />

voraussichtlichen Termin mit. Außerdem machte ich ein paar Angaben zu meiner<br />

Lerngruppe. Da ich beschlossen hatte, in den Osterferien nach Québec zu reisen,<br />

stellte ich ein persönliches Treffen in Aussicht.<br />

Ich hatte Glück. Bereits wenige Tage später erhielt ich eine Antwort von Alain-<br />

Martin Richard, einem Deutschlehrer aus Québec (vgl. Anhang, S.3). Der Brief war<br />

sehr knapp, aber recht vielversprechend. Herr Richard hat, wie er mir in seinem<br />

Brief mitteilte, schon mehrere Internet-Projekte durchgeführt. Aus dem Brief ging<br />

auch die Adresse seiner Schulhomepage hervor (http://academie.cegep-ste-<br />

foy.qc.ca/allemand). Auf der Homepage waren mehrere seiner Projekte zu finden<br />

(vgl. Anhang, S.12).<br />

Ich antwortete sofort (vgl. Anhang, S.4). In den nächsten Tagen entwickelte sich ein<br />

intensiver Briefwechsel (vgl. Anhang, S.5-9), bei dem ich mit Herrn Richard die<br />

Rahmenbedingungen für das gemeinsame Projekt absteckte.<br />

Dabei stellte sich heraus, dass seine Deutschklasse aus 27 Schülern (25 Mädchen<br />

und 2 Jungen) besteht. Die Schüler sind etwa 18 Jahre alt und lernen seit zwei<br />

Jahren Deutsch. Da auch in meiner Gruppe fast nur Mädchen waren (vgl. Kap. 2.1)<br />

und das Alter übereinstimmte, hielt ich die Voraussetzungen günstig für eine<br />

Korrespondenz.<br />

Herr Richard teilte mir mit, dass seine Schüler eine sogenannte „épreuve synthèse“<br />

anfertigen müssen. Im Rahmen dieser Arbeit würden sie viele Informationen über<br />

Deutschland benötigen. (vgl. Anhang, S.5). Er schlug deshalb vor, dass sich die<br />

Schüler gegenseitig helfen könnten. Wir einigten uns darauf, dass die kanadischen<br />

Schüler ihre Fragen auf Deutsch formulieren und wir ihnen auch auf Deutsch<br />

14 Es ist natürlich auch denkbar, dass die Schüler selbst nach einer Partnergruppe im Internet suchen.<br />

- 18 -


antworten und dass umgekehrt der Briefwechsel auf Französisch erfolgt. Diese<br />

Lösung schien für beide Seiten akzeptabel.<br />

- 19 -


3 Analyse und Reflexion<br />

3.1 Konzeption und Verlauf der Unterrichtsreihe<br />

Bis Mitte März behandelte Frau Jensen mit der Lerngruppe das Thema<br />

Guadeloupe. Somit standen mir für die Unterrichtsreihe über Québec von Mitte<br />

März bis Anfang Juni etwa sechs bis sieben Unterrichtswochen mit je fünf Stunden<br />

zur Verfügung Meine ursprüngliche Planung für die Unterrichtsreihe sah<br />

folgendermaßen aus:<br />

• In der letzten Woche vor den Osterferien stellen die Schüler ein kleines<br />

Geschenk (Plakat oder Ähnliches) für die Partnergruppe in Québec her.<br />

Während meines Aufenthalts in Québec überreiche ich den kanadischen<br />

Schülern unser Geschenk. Es wäre schön, wenn wir ebenfalls ein kleines Präsent<br />

erhalten. Diese Phase hat zum Ziel, dass sich die Schüler ein bißchen<br />

kennenlernen. Dadurch wird der Briefwechsel weniger anonym.<br />

• Um den Schülern einen ersten Überblick zu vermitteln, behandeln wir etwa drei<br />

Wochen lang das Thema Québec im „traditionellen“ Unterricht. Dabei möchte<br />

ich mit der Lerngruppe vor allem folgende Punkte besprechen:<br />

die Geschichte Québecs, Sprachpolitik (loi 101) und Unabhängigkeits-<br />

bestrebungen, Unterschiede zum Standardfranzösisch, aktuelle Situation,<br />

Literatur, Kultur etc.<br />

Neben Printmedien sollen dabei auch audiovisuelle Medien (Film, Chansons,…)<br />

und der Computer zum Einsatz kommen. Wenn möglich gehen wir in dieser Zeit<br />

in ein „Internet-Café“ und suchen im WWW nach weiteren Informationen.<br />

• Im nächsten Schritt bereiten die Schüler in Kleingruppen ihre Fragebögen für die<br />

Partnerklasse in Québec vor. Die Fragen können sich auf Themen aus dem<br />

Unterricht oder auf andere Themen beziehen. Auch ganz private Fragen sind<br />

möglich. Anschließend schicken wir die Fragebögen per E-Mail nach Québec.<br />

Etwa gleichzeitig erhalten wir die Fragen der Kanadier. Diese Phase soll etwa<br />

eine Woche lang dauern.<br />

• Nachdem die Antworten aus Québec eingetroffen sind, werten die einzelnen<br />

Gruppen die Briefe aus und bereiten eine Präsentation vor. Die Ergebnisse sollen<br />

- 20 -


nicht abgelesen, sondern auf möglichst lebendige und behaltenseffektive Weise<br />

vorgetragen werden. Die Schüler bekommen anschließend eine Rückmeldung<br />

über ihre „Referate“.<br />

• Zum Abschluss halten wir eine kurze Rückschau auf den Verlauf der<br />

Unterrichtsreihe. Dabei kann beispielsweise ein Interwriting durchgeführt<br />

werden.<br />

Der Beginn der Unterrichtsreihe verlief nicht ganz wie geplant. Wie gesagt wollte<br />

ich, dass die Schüler zunächst einmal Kontakt miteinander aufnehmen. Der<br />

eigentliche Briefwechsel sollte meinen Vorstellungen zufolge erst nach den<br />

Osterferien beginnen. Da die kanadischen Schüler aber schon dabei waren, ihre<br />

„épreuve synthèse“ anzufertigen, benötigten sie die von uns gewünschten<br />

Informationen sofort. So erhielten wir bereits im März Briefe von den Schülern aus<br />

Québec. Es war notwendig, noch vor den Osterferien zu antworten.<br />

Eine weitere Überraschung ergab sich während meines Besuchs in Québec. Herr<br />

Richard teilte mir mit, dass er seine Gruppe ab dem 13. Mai nicht mehr sehen<br />

würde. Er schlug deshalb vor, dass wir die Fragen bis Anfang Mai nach Québec<br />

schicken. Diese Nachricht kam nicht nur unerwartet, sie hatte auch Auswirkungen<br />

auf den weiteren Verlauf der Unterrichtsreihe.<br />

Ich musste die zweite Phase der Unterrichtsreihe, für die ich ursprünglich drei<br />

Wochen eingeplant hatte, etwas verkürzen. Das war aber nicht weiter schlimm, da<br />

ich die wirklich grundlegenden Aspekte auch in zwei Wochen behandeln konnte.<br />

Die folgende Tabelle zeigt den tatsächlichen Verlauf der Unterrichtsreihe.<br />

Übersicht über die einzelnen Stunden<br />

Stunde Tag Datum Zeit Thema der Stunde<br />

1. Do. 18.03.98 7. Std. (nur<br />

25 Min)<br />

- 21 -<br />

Zielsetzung des Projekts, Planung für<br />

die Herstellung des Posters<br />

2.+3.. Mo. 23.03.98 5.+6. Std. Herstellung des Posters für die Schüler<br />

in Québec<br />

4.+5.. Di. 24.03.98 5.+6. Std. Herstellung des Posters, Beantwortung<br />

der Fragen aus Québec<br />

6. Do. 26.03.98 7. Std. Zeitungsartikel: Porträt von vier Frauen<br />

7.+8. Mo. 20.04.98 5.+6. Std. Geschichte Québecs, Textarbeit


9.+10. Di. 21.04.98 5.+6. Std. Geschichte Québecs, Unabhängigkeit<br />

11. Do. 23.04.98 7. Std. sprachliche Besonderheiten in Québec<br />

12.+13. Mo. 27.04.98 5.+6. Std. Begegnung mit einem Schüler aus<br />

Québec, 6. Unterrichtsbesuch<br />

14.+15. Di. 28.04.98 5.+6. Std. Aufarbeitung der Begegnung,<br />

Chansons: Robert Charlebois,<br />

Gilles Vigneault<br />

16.+17. Mo. 4.5.98 5.+6. Std. Bilanz, Erstellen von Fragen für die<br />

Korrespondenz und Einteilung der<br />

Gruppen, Besuch von Herrn Peukert<br />

18. +19. Di. 5.5.98 5.+6. Std. Fertigstellen und Versenden der<br />

Fragebögen<br />

20. Do. 7.5.98 7. Std. Klassengeschäfte, Planung der<br />

Studienfahrt<br />

21. Mo. 11.05.98 6. Std. Rückgabe der dritten Arbeit,<br />

Grammatik, kurze Einführung<br />

ins Internet<br />

22.+23. Di. 12.05.98 5.+6. Std. Film über Québec, Besprechung<br />

24. Do. 14.05.98 7. Std. Fortsetzung der Besprechung,<br />

Aufstellen von Kriterien für eine „gute“<br />

Präsentation<br />

- Mo. 18.05.98 5.-7. Std. Klassenarbeit Nr.4<br />

25.+26. Di. 19.05.98 5.+6. Std. Auswertung der Briefe und<br />

Vorbereitung der Referate<br />

27. Mo. 25.05.98 6. Std. Vorbereitung der Referate<br />

28.+29. Di. 26.05.98 5.+6. Std. Präsentation der Gruppen 1 und 2<br />

30. Do. 28.05.98 3. Std. Präsentation der Gruppe 3<br />

31. Do. 28.05.98 7. Std. Auswertung der Präsentationen<br />

- Do. 4.6.98 Nachmittag Besuch der FH Friedberg,<br />

Internet-Rallye<br />

31. Mo. 8.6.98 5. Std. Interwriting und Klebepunkte<br />

In den folgenden Kapiteln möchte ich einige typische Stellen der Unterrichtsreihe<br />

genauer beschreiben und analysieren. Dabei beschränke ich mich auf diejenigen<br />

Stunden, die unmittelbar mit dem E-Mail-Projekt oder dem Einsatz von Computern<br />

zusammenhängen.<br />

Nicht näher eingehen werde ich auf den Besuch des kanadischen Gastschülers<br />

(12.+13. Stunde). Einige Bemerkungen, wie diese Stunde bei den Schülern ankam,<br />

- 22 -


findet man im Anhang (S.65-68). Auch auf die Beschreibung der 21. Stunde<br />

möchte ich verzichten, weil Frau Jensen den überwiegenden Teil dieser Stunde<br />

leitete.<br />

3.2 Beantwortung der Fragen aus Québec und<br />

Herstellung des Posters (1.- 5. Stunde)<br />

Im letzten Kapitel habe ich bereits erwähnt, dass die ursprüngliche Planung nicht<br />

ganz eingehalten werden konnte. Ab Anfang März erhielt ich E-Mails von den<br />

kanadischen Schülern, die für ihre Referate Informationen aus Deutschland suchten.<br />

So lagen zu Beginn der Unterrichtsreihe insgesamt fünf zum Teil auf Französisch<br />

formulierte Briefe mit Fragen zu folgenden Themen vor: Tourismus in Deutschland,<br />

Feminismus, Fußball, Weihnachten und Feste (vgl. Anhang, S.8-11). Die Briefe<br />

waren für meine Schüler keine besondere Überraschung, da ich sie, auch solange<br />

Frau Jensen den Unterricht leitete, regelmäßig über den Stand meiner Bemühungen,<br />

eine Partnerklasse zu finden, informiert hatte. Sie wußten also auch, dass schon<br />

Post aus Québec auf sie wartete.<br />

Ich hatte den Eindruck, dass die Klasse auf den bevorstehenden Briefwechsel sehr<br />

gespannt war und es fanden sich auch sofort fünf Schüler, die bereit waren, die<br />

Briefe zu beantworten. Annabel wählte, nicht ganz unerwartet, das Thema<br />

Feminismus, Tobias das Thema Fußball und Kim wollte etwas über Weihnachten in<br />

Deutschland schreiben. Cora und Sabine entschieden sich für Tourismus und Dina<br />

übernahm das Thema Feste.<br />

Wie mit Herrn Richard abgesprochen, bat ich die Schüler darum, ihre Antworten<br />

auf Deutsch zu formulieren.<br />

Mein Vorschlag, ein kleines Geschenk für die Partnergruppe herzustellen, fand<br />

sofort großen Anklang bei der Gruppe. Die Schüler hatten viele Ideen (z.B.:<br />

Kassette, Video, Poster). Letztendlich einigten sie sich darauf, dass sie ein Poster<br />

anfertigen würden. Auf das Poster sollten Informationen über Bad Nauheim und die<br />

<strong>Ernst</strong>-Ludwig-<strong>Schule</strong> und „witzige“ Porträts der einzelnen Schüler. Annabel schlug<br />

außerdem vor, dass ich ein paar Tafeln „deutsche“ Schokolade mitnehmen sollte.<br />

Die sei in Nordamerika besonders begehrt.<br />

- 23 -


In der nächsten Doppelstunde begann die Arbeit an dem Poster. Einige Schüler<br />

hatten Bilder und Prospekte mitgebracht. Um eine Vorstellung von dem Poster zu<br />

bekommen, entwarfen wir an der Tafel eine Skizze. Als Nächstes galt es, die<br />

Porträts zu schreiben - selbstverständlich auf Französisch. Wir einigten uns auf<br />

folgende Vorgehensweise: Im ersten Schritt wurden alle Namen an die Tafel<br />

geschrieben. Dann konnte jeder einige Bemerkungen zu den einzelnen Namen<br />

hinzufügen. Unter Verwendung dieser „Notizen“, wurden dann in Partnerarbeit die<br />

Portraits ausformuliert. Die übrigen Themen (Bad Nauheim, <strong>Ernst</strong>-Ludwig-<strong>Schule</strong>)<br />

wurden aufgeteilt und als Hausaufgabe bearbeitet.<br />

Dina und Tobias hatten bereits zu dieser Stunde ihre Antworten für die<br />

Partnergruppe auf Diskette mitgebracht. Da nicht alle Schüler zu Hause einen<br />

Computer zur Verfügung haben (vgl. Kap. 2.1), mussten sie in der <strong>Schule</strong> die<br />

Gelegenheit bekommen, ihre Briefe einzugeben. So ergaben sich für die nächste<br />

Stunde (wiederum eine Doppelstunde) folgende beiden Zielsetzungen: Zum einen<br />

sollte das Poster fertiggestellt und zum anderen sollten die übrigen Antworten in den<br />

Computer eingetippt werden.<br />

Wir korrigierten am Anfang der Stunde gemeinsam die verschiedenen Texte für das<br />

Poster. Während ein Teil der Gruppe dann die Texte auf das Poster schrieb und die<br />

Bilder aufklebte, arbeiteten die übrigen Schüler am Computer. Am Ende der<br />

Doppelstunde schickten wir die Antworten per E-Mail nach Québec (vgl. Anhang,<br />

S.13-17).<br />

In den Osterferien übergab ich den kanadischen Schülern, von denen ich sehr<br />

herzlich empfangen wurde, unser Poster und auch die Schokolade (vgl. Anhang,<br />

S.18, 19) 15 .<br />

Die obigen Beschreibungen lassen erahnen, mit wie viel Engagement die Schüler in<br />

den ersten beiden Doppelstunden mitgearbeitet haben. Ich konnte beobachten, wie<br />

die Schüler mit viel Freude und Liebe zum Detail das Poster für die kanadische<br />

Partnerklasse herstellten. Dabei wurde die Planung und Herstellung völlig<br />

15 Leider bekamen wir kein Gegengeschenk. Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass es in der Zeit<br />

vor den Osterferien an der kanadischen <strong>Schule</strong> einen Schülerstreik gab und auch der Deutschunterricht<br />

davon betroffen war.<br />

- 24 -


selbstständig von der Gruppe durchgeführt. Ich stellte lediglich das Material zur<br />

Verfügung und gab etwas Hilfestellung bei der sprachlichen Korrektur der Texte.<br />

Auch die Beantwortung der Briefe verlief problemlos. Die meisten Antworten sind,<br />

wie ich finde, recht gut gelungen und zeigen, dass sich die Schüler viel Mühe<br />

gegeben haben. Sicher lässt sich darüber streiten, ob im Fremdsprachenunterricht<br />

deutschsprachige Texte angefertigt werden sollen. In diesem Fall hielt ich es aus<br />

zwei Gründen für vertretbar. Zum einen wurden die Texte zu Hause geschrieben, so<br />

ging in der <strong>Schule</strong> durch die Eingabe nur wenig Zeit verloren, und außerdem<br />

erwarteten wir von den kanadischen Schülern ja auch, dass sie auf Französisch,<br />

ihrer Muttersprache, antworteten.<br />

Sehr gut hat mir in dieser ersten Phase gefallen, wie sich die Schüler immer wieder<br />

gegenseitig geholfen haben. Gerade bei der Arbeit am Computer wurden die<br />

ungeübten Schüler von den „Profis“ unterstützt.<br />

Insgesamt gesehen verlief der Einstieg in die neue Unterrichtseinheit meiner Meinung<br />

nach sehr erfolgreich. Offenbar erzeugte die Aussicht auf eine „wirkliche“<br />

Korrespondenz bei den meisten Schülern große Motivation (vgl. Kap. 1.2).<br />

Besonders erfreulich war, dass auch Dina, die sonst eher zurückhaltend ist (vgl.<br />

Kap. 2.1), freiwillig einen Brief beantwortete.<br />

Sieht man sich die Briefe der Kanadier - und auch die Antworten der deutschen<br />

Schüler - genauer an, so fällt allerdings auf, dass sie recht unpersönlich geschrieben<br />

sind. Dies hätte möglicherweise durch eine Kennenlernphase, wie sie ursprünglich<br />

von mir geplant war, vermieden werden können (vgl. Kap. 3.1). Für längerfristige<br />

Projekte, bei denen mehrere Briefwechsel erfolgen, schlägt Keuten (1998, S.38)<br />

anstelle einer kompakten Kennenlernphase eine Einteilung der Briefe in folgende<br />

drei Kategorien vor: page langue - page privée - page discussion.<br />

3.3 Themenauswahl und Einteilung der Gruppen<br />

(16. und 17. Stunde)<br />

Der zweite Briefwechsel sollte Anfang Mai erfolgen. Bis dahin hatte ich mit der<br />

Gruppe im Unterricht folgende Themen besprochen: die Geschichte der<br />

kanadischen Provinz Québec, Unabhängigkeitsbestrebungen, Sprachpolitik, das<br />

- 25 -


Verhältnis zu Frankreich und die französische Sprache in Québec. Außerdem war<br />

Ende April ein kanadischer Gastschüler zu Besuch im Unterricht gewesen, der der<br />

Klasse auf sehr lebendige Weise von seinem Land berichtet hatte.<br />

In dieser Doppelstunde sollten die thematischen Schwerpunkte für den Briefwechsel<br />

erarbeitet werden. Da die Unterrichtsreihe schon eine Zeit lang gedauert hatte und<br />

den Schülern vielleicht nicht mehr alle Themen so präsent waren, fassten wir in der<br />

ersten Stunde die Ergebnisse des bisherigen Unterrichts zusammen.<br />

Dabei ging ich folgendermaßen vor: Am Anfang der Stunde rief ich die<br />

verschiedenen Phasen der Unterrichtsreihe kurz in Erinnerung. Dann gab ich den<br />

Schüler einige bunte Karten. Auf diesen Karten notierten sie mit einem Filzschreiber<br />

in Stichworten alle Unterrichtsergebnisse, die sie für wichtig hielten. Dabei sollte auf<br />

jeder Karte immer nur eine Aussage stehen.<br />

Im nächsten Schritt klebten sie die Kärtchen, nach Themenblöcken geordnet, auf<br />

ein großes Plakat, das ich an der Wand befestigt hatte (vgl. Anhang, S.20). Zu<br />

jedem Kärtchen, das sie anhefteten, sollten sie einen kurzen Kommentar abgeben.<br />

Dadurch ergaben sich häufig Gespräche mit den anderen Schülern.<br />

Insgesamt war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Am Ende befanden sich auf<br />

dem Plakat Kärtchen zu nahezu allen Themen, die im Unterricht behandelt worden<br />

waren. Auch einige Aspekte aus dem Vortrag des kanadischen Gastschülers<br />

wurden in den Beiträgen aufgegriffen.<br />

Mit diesem Einstieg verfolgte ich mehrere Ziele. Zum einen wollte ich, dass sich die<br />

vielen Informationen über das Thema Québec - auch optisch - zu einem Gesamtbild<br />

zusammenfügen. Andererseits erhielt ich auf diese Weise eine wertvolle<br />

Rückmeldung über den Kenntnisstand der Schüler. Ich konnte feststellen, welche<br />

Themen die Schüler gut verstanden hatten und wo vielleicht noch Lücken oder gar<br />

Missverständnisse waren. Da in den Stunden zuvor relativ viele neue Vokabeln<br />

eingeführt worden waren, ergab sich außerdem eine gute Gelegenheit das neue<br />

Wortmaterial im Gespräch anzuwenden.<br />

In der zweiten Stunde ging ich ähnlich vor. Die Schüler sollten sich überlegen, was<br />

sie noch gerne über das Land und die Menschen dort wissen wollen, und<br />

stichwortartig Fragen dazu formulieren. Diese Fragen wurden erneut auf Kärtchen<br />

- 26 -


geschrieben und, nach Themen geordnet, auf ein Plakat mit der Überschrift „Je<br />

voudrais savoir...“ geklebt (vgl. Anhang, S.20).<br />

Die Gruppe hatte sehr viele Fragen zu den unterschiedlichsten Themen: Politik,<br />

Wirtschaft, Kultur, Sport etc. Um einen besseren Überblick zu erhalten, notierten<br />

die Schüler die verschiedenen Themen an der Tafel. 16 Anschließend versuchten sie,<br />

ähnliche Themen so gut wie möglich zu Themenblöcken zusammenzufassen.<br />

Zum Schluss blieben folgende drei große Themenbereiche übrig:<br />

(1) Kultur, Natur, Sport und <strong>Schule</strong><br />

(2) Politik und Gesellschaft<br />

(3) Wirtschaft, Tourismus und „das Bild der Deutschen“ in Québec<br />

Diese Aufteilung war gleichzeitig die Grundlage für die Gruppenbildung. Die Schüler<br />

wählten nach ihren Interessen, aber auch nach Freundschaften einen dieser<br />

Themenbereiche. Cora, Sabine und Kim, die unbedingt zusammenarbeiten wollten,<br />

entschieden sich sofort für den ersten Bereich. Die anderen Schüler waren etwas<br />

unentschlossener. Annabel und Dina wählten schließlich den zweiten Bereich. Der<br />

dritte Themenkomplex wurde von Rebekka, Luciana und Marion übernommen.<br />

Leider konnte Tobias, der etwas früher gehen musste, bei der Einteilung der<br />

Gruppen nicht mehr dabei sein. So wurde er der zweiten Gruppe zugeteilt.<br />

In den letzten Minuten der Stunde schrieben die drei Gruppen vom Poster alle<br />

Fragen ab, die zu ihrem Thema gehörten. Als Hausaufgabe für die nächste Stunde<br />

sollten sie sich weitere Fragen überlegen.<br />

Zur Vorbereitung des Briefwechsels schien mir die Moderationsmethode besonders<br />

gut geeignet zu sein. Auf diese Weise erhielten die Schüler sehr viel<br />

Handlungsspielraum. Mein Ausgangsimpuls „Je voudrais savoir...“ war sehr offen<br />

formuliert und ließ viele Antworten zu (vgl. Gottschall, 1995, S.10). Jeder hatte die<br />

Chance, seine eigenen Ideen und Interessen in den Briefwechsel einzubringen, dabei<br />

konnten viele Aufgaben von den Schülern übernommen werden. Beim Anheften der<br />

Fragen war die gesamte Gruppe an der Steuerung des Unterrichts beteiligt. Es<br />

wurde über die Fragen diskutiert und gemeinsam nach einer geeigneten Einordnung<br />

16 Man hätte an dieser Stelle auch nach dem „Dominoverfahren“ vorgehen können. Bei diesem Verfahren<br />

werden die Cluster direkt auf dem Plakat visualisiert.<br />

- 27 -


gesucht. Auch in den nächsten beiden Phasen (Zusammenfassung der Themen und<br />

Einteilung der Kleingruppen) wurden alle Entscheidungen von der Gruppe getroffen.<br />

Dabei leitete Cora das Klassengespräch.<br />

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass den Schülern diese Arbeitsform sehr viel<br />

Spass bereitete. Die Lernatmosphäre war sehr angenehm und auch die sonst eher<br />

ruhigen Schüler waren in den Arbeitsprozess eingebunden.<br />

3.4 Erstellung der Fragebögen (18. und 19. Stunde)<br />

Am nächsten Tag gingen wir in den Computerraum der <strong>Schule</strong> (vgl. Anhang, S.21).<br />

In dieser Doppelstunde stellten die drei Gruppen am Computer ihre Fragebögen für<br />

die Schüler in Québec her.<br />

Da hier zum ersten Mal mit französischen Texten am Computer gearbeitet wurde,<br />

erklärte ich den Schülern am Anfang der Stunde, wie sie die verschiedenen<br />

Sonderzeichen (Akzente, Cedille etc.) erzeugen können. Anschließend begannen<br />

die Gruppen, ihre Briefe zu schreiben. Während die Schüler an den Computern<br />

arbeiteten, stand ich ihnen als Ansprechpartner für technische oder sprachliche<br />

Probleme zur Verfügung. Ich hielt mich aber bei der Fehlerkorrektur, solange sie<br />

nicht ausdrücklich gewünscht wurde, sehr zurück. Dies hatte mehrere Gründe. Zum<br />

einen wollte ich mich so wenig wie möglich in die Texte der Schüler einmischen.<br />

Keuten (1998, S,42) berichtet, dass sich die Lerner bei solchen Projekten sehr<br />

stark mit ihrem Produkt „identifizieren“ und eine „Einmischung“ des Lehrers<br />

möglicherweise als „Zensur“ empfinden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass keine<br />

Fehlerkorrektur stattfand. Im Gegenteil. Ich hatte mit Herrn Richard abgesprochen,<br />

dass die Sprachkorrektur, so wie in Kapitel 1.2 beschrieben, durch seine Schüler<br />

erfolgen sollte.<br />

Ansonsten verlief die Arbeit in den einzelnen Gruppen relativ unkompliziert. Obwohl<br />

die beiden Computerspezialisten, Tobias und Annabel, in derselben Gruppe waren,<br />

gab es auch in den anderen Gruppen keine Probleme.<br />

Am Ende der Stunde erhielt jede Gruppe einen Ausdruck ihres Briefes.<br />

Anschließend schickten wir die Briefe per E-Mail nach Québec.<br />

Sieht man sich die Briefe der Schüler (vgl. Anhang, S.22-24) näher an, so fallen<br />

verschiedene Dinge auf.<br />

- 28 -


Die Briefe sind erneut relativ unpersönlich geschrieben. Die Schüler wissen nicht so<br />

genau, an wen sie eigentlich schreiben. Luciana, Marion und Rebekka bringen es in<br />

ihrer Anrede auf den Punkt. Ihr Brief beginnt mit den Worten „Salut les inconnus!“-<br />

Hallo, ihr Unbekannten.<br />

Es ist wirklich schade, dass wir von der Partnergruppe kein Gegengeschenk<br />

erhalten haben. Herr Richard hatte mir mehrfach zugesichert, dass wir eine Kassette<br />

mit kurzen Interviews und aktueller Musik bekommen würden.<br />

Obwohl ich immer wieder danach gefragt habe, ist die Kassette nie bei uns<br />

angekommen. Ich nehme an, dass dies vor allem eine Zeitproblem war. Wie gesagt,<br />

sah er die Schüler nur bis Anfang Mai. Leider ist dadurch eine gute Gelegenheit,<br />

den Kontakt zwischen den Schülern zu fördern, vergeben worden.<br />

Sprachlich sind die Briefe, wie ich finde, im Großen und Ganzen recht gut gelungen.<br />

Trotz einiger Fehler sind eigentlich alle Fragen verständlich. Die meisten<br />

Schwierigkeiten traten im Umgang mit Präpositionen (penser sur les Allemands, des<br />

questions à vous) und idiomatischen Ausdrücken (quelques choses pareilles für<br />

quelque chose de semblable oder combien d’ans für combien d’années) auf.<br />

Inhaltlich orientieren sich die Briefe an der „klassischen“ Vorstellung von<br />

landeskundlichem Unterricht. Die meisten Fragen sind reine Sachfragen (Est-ce que<br />

le taux de chomage est élevé? etc.) und können eigentlich auch mit Hilfe eines guten<br />

Lexikons - oder dem Internet - beantwortet werden. Nur wenige Fragen sind direkt<br />

an die Partnerschüler gerichtet (Comment passez-vous votre journée? Comment et<br />

quoi mangez-vous?).<br />

Etwas erstaunt bin ich, dass keine Fragen zur Unabhängigkeit gestellt wurden. Im<br />

Unterricht und auch bei dem Treffen mit Gervais, dem kanadischen Gastschüler,<br />

wurde besonders dieses Thema sehr lebhaft diskutiert. Möglicherweise gaben die<br />

Schüler sich mit der recht ausführlichen Antwort von Gervais zufrieden.<br />

3.5 Auswertung der Antworten und Vorbereitung der<br />

Präsentationen (25. - 27. Stunde)<br />

Unsere Fragebögen waren am 5. Mai nach Québec geschickt worden. Da ich die<br />

Gruppe am Montag, dem 11. Mai, wiedersah, sollten die kanadischen Schüler,<br />

- 29 -


wenn möglich, bis zum 10. Mai geantwortet haben. Mir war klar, dass dieser<br />

Zeitraum zu knapp sein könnte, zumal die Kanadier gerade in dieser Woche ihre<br />

Abschlussprüfungen hatten. Ich hatte deshalb von vornherein einen Puffer in meine<br />

Zeitplanung eingebaut. Der Ablauf sollte mir Recht geben.<br />

Ich hatte Herrn Richard darum gebeten, dass alle Briefe gleichzeitig an meine<br />

private E-Mail-Adresse und an die <strong>Schule</strong> geschickt werden sollten. Dies schien mir<br />

organisatorisch die günstigste Lösung zu sein, denn so würde ich schon frühzeitig<br />

sehen können, welche Briefe angekommen waren.<br />

Da am Sonntag, den 10. Mai noch nicht eine Antwort bei mir eingetroffen war,<br />

bestand wenig Hoffnung, dass Antworten in der <strong>Schule</strong> sein würden.<br />

Ich stellte mich also darauf ein, den Schülern die schlechte Nachricht mitteilen zu<br />

müssen. Erfreulicherweise fand ich am Montagmorgen doch zwei Briefe in der<br />

<strong>Schule</strong>. Ich hatte sie nicht bei mir zu Hause empfangen können, weil sie nur an die<br />

<strong>Schule</strong> geschickt worden waren. Zwei Briefe waren nicht gerade viel. Dennoch<br />

freuten sich meine Schüler sehr darüber.<br />

In den nächsten Tagen trafen weitere Briefe ein, auch die Berichtigung der<br />

Fragebögen (vgl. Anhang, S.25, S.35, S.40). Sobald ich einen neuen Brief erhielt,<br />

gab ich ihn an die Schüler weiter. Es zeigte sich jedoch bald, dass fast alle Briefe für<br />

die erste Gruppe waren. Ich fragte bei Herrn Richard nach. Er teilte mir daraufhin<br />

mit, dass er alle Fragen an seine Schüler aufgeteilt habe. Er vermutete, dass manche<br />

Schüler wegen ihren Prüfungen noch nicht dazu gekommen seien, die Briefe zu<br />

beantworten. Er versprach aber, die Schüler noch einmal daran zu erinnern.<br />

Vorsichtshalber schickte ich die Fragen der Gruppen 1 und 2 zusätzlich an eine<br />

Bekannte in Montréal. Außerdem bat ich Marianne, die bereits drei Briefe an die<br />

erste Gruppe geschickt hatte 17 , darum, auch einige Fragen der anderen Gruppen zu<br />

beantworten.<br />

Am Dienstag, dem 19. Mai, begann die Vorbereitung der Präsentationen. Die<br />

einzelnen Gruppen sollten im Laufe der Doppelstunde ein Konzept entwerfen, um<br />

die Themen aus ihrem Fragebogen den anderen Schülern vorzustellen. Dabei sollten<br />

17 Kim hält weiterhin Kontakt zu Marianne.<br />

- 30 -


sie die verschiedenen Kriterien für eine „gute“ Präsentation berücksichtigen, die wir<br />

in der vorausgegangenen Stunde besprochen hatten.<br />

Gemäß dieser Kriterien sollte die Präsentation<br />

• klar und übersichtlich gegliedert sein (Thesenpapier, Übersicht),<br />

• abwechslungsreich sein,<br />

• verschiedene Medien integrieren,<br />

• die Zuhörer einbeziehen.<br />

Auch alternative Darstellungsformen (Rollenspiel etc.) waren zugelassen.<br />

Am Anfang der Stunde machten wir eine kurze Bestandsaufnahme. Die erste<br />

Gruppe hatte insgesamt neun Briefe (vgl. Anhang, S.26-34) erhalten. Die zweite<br />

Gruppe hatte zu diesem Zeitpunkt 18 nur zwei Briefe (vgl. Anhang, S.36, 37) und die<br />

dritte Gruppe drei (vgl. Anhang, S.41-44).<br />

Da manche Fragen in den Briefen nur sehr knapp beantwortet worden waren, hatte<br />

ich noch zusätzliche Materialien (Reiseführer, touristische Prospekte) 19 dabei, die<br />

ich den Gruppen für ihre Arbeit zur Verfügung stellte. Außerdem bot ich den<br />

Schülern an, dass sie mit meiner Hilfe im WWW nach weiteren Informationen<br />

suchen könnten.<br />

Anschließend begannen die Gruppen mit der Arbeit. Da das Wetter ausgesprochen<br />

schön und es in dem Raum sehr heiß war, hatte ich nichts dagegen, dass die Schüler<br />

draußen im Schatten arbeiteten. Ich informierte mich regelmäßig bei den Gruppen<br />

über den Stand ihrer Planung.<br />

Sabine, Cora und Kim (Gruppe 1) waren von Anfang an sehr beschäftigt. Sie<br />

hatten eine gute Idee, wollten aber vorerst nicht mehr darüber verraten.<br />

Ich hatte den Eindruck, dass auch Tobias, Annabel und Dina (Gruppe 2) gut<br />

zurechtkamen. Zunächst versuchten sie ergänzende Informationen in den Materialien<br />

zu finden, die ich mitgebracht hatte. Anschließend nahmen sie mein Angebot wahr<br />

und suchten im Internet nach zusätzlichen Informationen.<br />

18 In den nächsten Tagen kamen noch weitere Briefe, die ich sofort an die Schüler weiterleitete.<br />

19 Folgende Bücher standen den Schülern zur Verfügung: Chronologie du Québec (Provencher, 1997);<br />

Québec (Guides Arthaud, 1997); Québec (Guide Gallimard, 1997); Le Québec: un pays, une culture<br />

(Tétu de Labsade, 1990)<br />

- 31 -


Etwas ungünstiger war die Situation für Rebekka. Da Marion (vgl. Kap. 2.1) und<br />

Luciana in dieser Stunde fehlten, war sie die einzige Vertreterin der dritten Gruppe.<br />

Am Anfang wusste sie nicht genau, was sie ohne die anderen machen sollte. Ich riet<br />

ihr, die vorhandenen Briefe gut auszuwerten und nach weiterem Material zu suchen.<br />

Auch eine vorläufige Einteilung sollte sie schon vornehmen. Letztendlich kam auch<br />

sie ganz gut zurecht. In der ersten Stunde sammelte sie weitere Dokumente zu den<br />

Themen Tourismus und Wirtschaft. Da ihr diese beiden Themen für drei Personen<br />

nicht ausreichend erschienen, übernahm sie außerdem von der ersten Gruppe das<br />

Thema <strong>Schule</strong>. In der zweiten Stunde „surfte“ sie mit der zweiten Gruppe im<br />

Internet.<br />

Am Ende der Doppelstunde berichteten die Gruppen kurz über das Ergebnis ihrer<br />

Arbeit. Die ersten beiden Gruppen hatten das Konzept für ihren Vortrag<br />

weitgehend fertig. Sie baten mich darum, einige Folien mitzubringen. Rebekka<br />

wollte sich an dem bevorstehenden Wochenende mit Luciana und Marion treffen.<br />

Wie abgesprochen stand den Schülern in der darauffolgenden Woche eine weitere<br />

Unterrichtsstunde für die Planung der Präsentation zur Verfügung.<br />

Die erste Gruppe hatte sich an dem Wochenende zuvor privat getroffen und war<br />

daher fast fertig. Sie nutzte die Stunde für weitere Detailabsprachen.<br />

Für die zweite Gruppe gab es noch wesentlich mehr zu tun. Den Schülern war es<br />

nicht gelungen, sich am Wochenende zu treffen. Jeder hatte sein Thema weitgehend<br />

vorbereitet. In der Stunde versuchten sie nun, die einzelnen Referatteile zu einem<br />

geschlossenen Vortrag zusammenzufügen.<br />

Auch die dritte Gruppe hatte sich nicht getroffen. Angeblich hatte Rebekka die<br />

anderen nicht erreichen können. Marion, die sehr ehrgeizig ist (vgl. Kap. 2.1), war<br />

sehr ärgerlich darüber. Die drei Schülerinnen nutzen daraufhin die Stunde intensiv<br />

für weitere Vorbereitungen. Sie beschlossen, sich am Nachmittag erneut<br />

zusammenzusetzen.<br />

Ich möchte zum Schluss noch kurz auf ein Problem eingehen, das sich im<br />

Zusammenhang mit den Briefen ergab. In den Briefen der Partnerschüler sind neben<br />

sprachlichen Varietäten auch einige Fehler. Den Schülern fiel dies übrigens sehr<br />

schnell auf. Ich denke jedoch, dass im Rahmen einer „realen Kommunikation“<br />

- 32 -


Fehler unvermeidbar und auch nicht weiter schlimm sind. Wichtig ist allerdings, dass<br />

die Schüler dafür sensibilisiert sind und dass sie, bevor sie einen unbekannten<br />

Ausdruck übernehmen, sich von dessen Korrektheit überzeugen. Darüber hinaus<br />

kann es für die Schüler durchaus motivierend sein, Fehler bei den Muttersprachlern<br />

zu entdecken.<br />

3.6 Präsentation der Gruppenarbeiten (28. - 31.<br />

Stunde)<br />

In der nächsten Unterrichtsstunde begannen die Präsentationen. Cora, Sabine und<br />

Kim stellten in einem Rollenspiel (vgl. Anhang, S.45) den Tagesablauf eines<br />

kanadischen Schülers vor. Zunächst teilten sie den übrigen Schülern ein<br />

Thesenpapier mit einer Gliederung ihres Referats und einigen Vokabelhilfen aus (vgl.<br />

Anhang, S.48). Dann konnte es losgehen. In der ersten Szene wurde der<br />

kanadische Schüler (Sabine) geweckt. Anschließend ging es in die <strong>Schule</strong>. Da<br />

gerade der erste Schultag nach den Weihnachtsferien war, mussten die Schüler<br />

(Kim und Sabine) von ihren Ferien erzählen. Sabine hatte sich beim Eishockey den<br />

Arm gebrochen. Beide Schülerinnen schilderten ausführlich, wie sie Weihnachten<br />

verbracht hatten. Um 12 Uhr ging es in die Schulkantine. Auf der Speisekarte<br />

standen Spezialitäten aus Québec und auch die Zuhörer bekamen etwas davon ab.<br />

Am Nachmittag gab es landeskundlichen Unterricht. Das Thema der Stunde waren<br />

die Feste und Feiertage in Québec. Auch über Natur, Umweltschutz und<br />

Deutschland wurde gesprochen. Dabei schaffte es die Gruppe immer wieder, die<br />

anderen Schüler geschickt einzubinden.<br />

Insgesamt gefiel mir das Referat ausgesprochen gut. Die drei Schülerinnen sprachen<br />

weitgehend frei und schrieben viele Informationen an die Tafel. Die Zuhörer hatten<br />

stets genügend Zeit mitzuschreiben und wurden ermuntert, Zwischenfragen zu<br />

stellen. Besonders gelungen fand ich das Rollenspiel. Es war nicht nur unterhaltsam,<br />

sondern es lieferte den übrigen Schülern auch viele landeskundliche Informationen.<br />

Ich konnte beobachten, dass die Klasse das Rollenspiel mit sehr großem Interesse<br />

verfolgte. Auch das gemeinsame Thesenpapier der Gruppe war prinzipiell in<br />

Ordnung. Es ermöglichte den Zuhörern eine schnelle Orientierung und erleichterte<br />

- 33 -


das Verständnis. Die Gruppe hätte allerdings noch mehr auf sprachliche Richtigkeit<br />

achten können. Was ich bei dem Vortrag etwas vermisste, war der Bezug zum<br />

Fragebogen. Für die anderen Schüler war nicht unbedingt klar, welche Fragen die<br />

Gruppe gestellt hatte.<br />

Die zweite Gruppe hatte sich mit politischen und gesellschaftlichen Fragen<br />

auseinandergesetzt. Zunächst stellte Tobias den grundsätzlichen Aufbau des<br />

politischen Systems vor. Da die Antworten der kanadischen Schüler zu diesem<br />

Thema nicht sehr ergiebig waren, hatte er zusätzliche Materialien verwendet.<br />

Anschließend präsentierte die Gruppe drei Parteien: Le parti libéral du Québec,<br />

L’Union nationale und Le Parti québécois. Dina stellte die ersten beiden Parteien<br />

und Tobias die dritte vor. Auch hier hatten die Schüler auf zusätzliche Dokumente<br />

zurückgegriffen.<br />

Im zweiten Teil des Referats beleuchtete die Gruppe einige gesellschaftliche<br />

Aspekte. Annabel beschäftigte sich mit den Themen Sozialwesen und<br />

Gewerkschaften und Dina mit den Themen Kriminalität und Arbeitslosigkeit. Zum<br />

Schluss präsentierte Annabel eine Talkshow zum Thema Feminismus.<br />

Auch diese Präsentation gefiel mir sehr gut. Die verschiedenen Teile, die allerdings<br />

von unterschiedlicher Qualität waren, bauten logisch aufeinander auf und lieferten<br />

einen guten Überblick über das Gesellschaftssystem. Da die Beiträge sehr<br />

unterschiedlich gestaltet waren, wurde es für die Zuhörer, die oft einbezogen<br />

wurden, nie langweilig.<br />

Man konnte gut erkennen, dass sich Tobias sehr intensiv mit dem Thema<br />

auseinandergesetzt hatte. Er sprach weitgehend frei und setzte immer wieder<br />

geschickt verschiedene Medien ein. Während seines Vortrags, bei dem er<br />

gelegentlich Fragen an die Zuhörer stellte, enthüllte er auf dem Overheadprojektor<br />

eine Folie mit den wichtigsten Fakten. Zur Illustration verwendete er auch private<br />

Fotos und Videoaufnahmen (vgl. Anhang, S.46).<br />

Nicht ganz so souverän waren die Beiträge von Dina. Bei der Präsentation der<br />

beiden Parteien zählte sie viele Daten und Einzelheiten auf. Für die Zuhörer war es<br />

relativ schwer, ihren Ausführungen, die sie von einem Zettel ablas, zu folgen. An<br />

manchen Stellen drängte sich der Eindruck auf, dass sie selbst die Texte nicht ganz<br />

- 34 -


verstanden hatte. Dies spiegelte sich zum Teil auch in ihren Thesenpapieren wider<br />

(vgl. Anhang, S.53-55).<br />

Sehr kreativ gestaltete Annabel ihre Beiträge. Zu den Themen Sozialwesen und<br />

Gewerkschaften hatte sie aus den Briefen die entsprechenden Passagen<br />

herausgeschrieben (vgl. Anhang, S.52). Sie analysierte die verschiedenen Positionen<br />

sehr nuanciert und trat dabei mit den Zuhören in einen Dialog. Besonders gut gefiel<br />

mir ihre Talkshow zur Situation der Frauen (vgl. Anhang, S.51). In diesem Text,<br />

den sie von den Zuhörern vorlesen ließ, fügte sie sehr geschickt Informationen aus<br />

den Briefen und aus dem Internet zusammen.<br />

Alle drei Schüler gaben Thesenpapiere zu ihren Vorträgen aus (vgl. Anhang, S.49-<br />

55). Leider enthielten die Handouts zum Teil relativ viele Fehler. Wir beschlossen<br />

deshalb, nach Abschluss der Präsentationen, die Thesenpapiere gemeinsam zu<br />

berichtigen.<br />

Das Referat der dritten Gruppe umfasste die Themenbereiche Tourismus,<br />

Wirtschaft, Schulsystem und das „Bild der Deutschen“ in Québec. Rebekka<br />

befasste sich mit dem Thema Tourismus, Marion mit dem Schulsystem und Luciana<br />

mit dem „Bild der Deutschen“. Das Thema Wirtschaft teilten sich Marion und<br />

Luciana.<br />

Die Präsentation stand den ersten beiden in nichts nach. Gleich zu Beginn schrieb<br />

die Gruppe eine Gliederung ihres Referats an die Tafel. (vgl. Anhang, S.47).<br />

Rebekka, die begann, war bei ihrem Vortrag über den Tourismus in Québec sehr<br />

aufgeregt und machte einige Fehler. Man muss ihr aber zugute halten, dass sie<br />

versuchte, frei zu sprechen. Inhaltlich war ihr Vortrag gut durchdacht. Dabei hatte<br />

sie die wichtigsten Punkte für die Zuhörer auf einer Folie zusammengefasst (vgl.<br />

Anhang, S.56a). Außerdem hatte sie ein Plakat mit den Bildern von einigen<br />

Sehenswürdigkeiten zusammengestellt.<br />

Von Nervosität war bei Marion nichts zu spüren. Sie versuchte immer wieder, die<br />

Zuhörer durch Rückfragen oder Kärtchen in ihr Referat einzubinden. Dabei merkte<br />

man ihr an, dass sie sich vor der Klasse sehr wohl fühlte. Ihre sehr interessant<br />

gestalteten Beiträge über das Schulsystem (vgl. Anhang, S.56b) und wirtschaftliche<br />

Fragen (vgl. Anhang; S.57,58) waren klar strukturiert und vermittelten viele<br />

- 35 -


Informationen. Sehr gut gefiel mir, wie sie die Antworten der Kanadier vorstellte<br />

und durch weitere Quellen ergänzte. Auch sprachlich gehörten ihre Beiträge<br />

zweifelsohne zu den besten.<br />

Luciana blieb während des Referats eher im Hintergrund. Zum Thema Wirtschaft<br />

stellte sie, sprachlich und inhaltlich durchaus zufriedenstellend, vor, welche Produkte<br />

von Québec importiert und exportiert werden. Außerdem gab sie im letzten Teil die<br />

verschiedenen Antworten auf die Frage „Est-ce que l’Allemagne est un pays connu<br />

au Québec?“ wieder. Ich vermute, dass der gesamte zweite Teil der Präsentation<br />

von Marion ausgearbeitet wurde und dass Luciana lediglich einige Aufgaben<br />

zugeteilt bekam.<br />

Insgesamt gesehen war ich mit den Referaten sehr zufrieden. Alle drei Gruppen<br />

hatten sich außerordentlich viel Mühe gegeben und hatten fast alle Kriterien, die wir<br />

besprochen hatten, berücksichtigt. Bei den Präsentationen kam zu keinem Zeitpunkt<br />

Langeweile auf und ich vermute, dass die meisten Ergebnisse durch die<br />

Verknüpfung der verschiedenen Eingangskanäle den Schülern sehr lange in<br />

Erinnerung bleiben. Darüber hinaus konnten die Schüler auch ihr<br />

Methodenrepertoire erweitern und den Einsatz von Medien aktiv üben.<br />

Nach der Korrektur der Thesenpapiere (s.o.) führten wir eine kurze<br />

Reflexionsphase durch. Auch die Schüler waren mit den Präsentationen sehr<br />

zufrieden und räumten ein, viel gelernt zu haben. Besonders positiv bewerteten sie<br />

den Medieneinsatz und die Methodenvielfalt. Die Thesenpapiere wurden im<br />

Allgemeinen als große Hilfe empfunden. Gerade hier wünschte sich die Lerngruppe<br />

aber noch weitere Verbesserungen (z.B.: mehr Vokabelhilfen, etwas ausführlicher,<br />

mit dem Computer geschrieben).<br />

Bei umfangreicheren Projekten dürfte es außerdem sinnvoll sein, als zusätzliche<br />

Ergebnissicherung eine schriftliche Fassung der Referate zu verlangen. Diese<br />

Berichte können dann in einem Reader allen Schülern zugänglich gemacht werden.<br />

3.7 Internet-Rallye in der FH Friedberg<br />

Im Rahmen der Unterrichtsreihe wollte ich auf jeden Fall mit den Schülern eine<br />

WWW-Recherche durchführen (vgl. Kap. 3.1). Da dies an der <strong>Ernst</strong>-Ludwig-<br />

- 36 -


<strong>Schule</strong> aber nur sehr bedingt möglich war (vgl. Kap. 2.1), musste ich nach einer<br />

anderen Möglichkeit suchen. Zunächst plante ich, mit der Klasse in ein Internet-<br />

Café zu gehen. Die beiden Internet-Cafés in der näheren Umgebung schienen mir<br />

jedoch aus mehreren Gründen nicht geeignet. Es gab zu wenig Computer, die<br />

darüber hinaus sehr langsam waren, und es bestand ein gewisser Zwang zu<br />

konsumieren. Auf Empfehlung eines Kollegen fragte ich bei der Fachhochschule<br />

Friedberg nach und hatte großes Glück.<br />

Wir bekamen, ohne dass uns Kosten entstanden, für einen ganzen Nachmittag einen<br />

Computerraum zur Verfügung gestellt. Da der Termin aber erst Anfang Juni lag,<br />

konnte ich die WWW-Recherche leider nicht mehr direkt in das E-Mail-Projekt<br />

einbinden.<br />

Im Zusammenhang mit dem Besuch ergaben sich für mich zwei Zielsetzungen: Zum<br />

einen sollten die Schüler im WWW nach weiteren Informationen über Québec<br />

suchen. Andererseits sollten sie möglichst viele verschiedene<br />

Anwendungsmöglichkeiten des Internet kennen lernen.<br />

Ich entwarf ein Arbeitsblatt, das beide Zielsetzungen berücksichtigt (vgl. Anhang,<br />

S.60, 61). Als inhaltlichen Rahmen wählte ich eine fiktive Reise nach Québec. Um<br />

die Reise vorzubereiten, sollen die Schüler verschiedene Informationen einholen.<br />

Einen ersten Überblick können sie sich im Fremdenverkehrsamt (Aufgabe 1)<br />

verschaffen. Anschließend erkunden sie eines der bekanntesten Museen (2). Wer<br />

möchte, kann gleich nach weiteren Museen im Internet Ausschau halten. Nach<br />

einem kurzen Ausflug in die Geschichte (3), sollen die Schüler die Homepage einer<br />

kanadischen Tageszeitung (4) besuchen. Weitere Informationen über Québec<br />

können sie auch in den Archiven von Le Monde Diplomatique finden (5).<br />

Bei den ersten fünf Aufgaben sind bereits die Internet-Adressen vorgegeben. Es<br />

reicht also aus, diese Seiten aufzurufen. Anschließend kann man sich per Mausklick<br />

in dem Dokument bewegen. Bei der nächsten Aufgabe (6) sollen die Schüler zum<br />

ersten Mal selbst nach Adressen suchen. Entsprechende Suchmaschinen sind auf<br />

dem Arbeitsblatt angegeben.<br />

Die siebte Aufgabe soll die Schüler mit Literaturrecherchen vertraut machen. Man<br />

kann die meisten Bücher auch direkt per Internet bestellen (8). Die neunte Aufgabe<br />

- 37 -


schließt den Bogen zu unserer Partnerklasse. Die kanadischen Schüler nutzen das<br />

WWW, um ihre Arbeitsergebnisse zu veröffentlichen. Auch die <strong>Ernst</strong>-Ludwig-<br />

<strong>Schule</strong> stellt sich im Internet vor (10). Diese Seite muss aber erst gefunden werden.<br />

Dann ist es an der Zeit, eine geeignete Flugverbindung (11) und Über-<br />

nachtungsmöglichkeiten (12) zu suchen. Um sicher zu gehen, dass alle Papiere in<br />

Ordnung sind, sollen die Schüler vorsichtshalber bei der kanadischen Botschaft<br />

nachfragen (13). Kurz vor Abflug sollen sie sich über das Wetter in Québec (14)<br />

informieren und dem Direktor Bescheid sagen (15).<br />

Die letzte Aufgabe (15) ist als Übergang zum nächsten Thema gedacht.<br />

Am 4. Juni war es dann soweit. Gegen 14 Uhr trafen alle Schüler bis auf Marion,<br />

die ein Vorstellungsgespräch hatte, im Computerraum der Fachhochschule ein. Am<br />

Anfang gab ich ihnen einige allgemeine Hinweise zur Bedienung der Computer, die<br />

eine etwas andere Tastenbelegung hatten als gewöhnliche PC. Anschließend<br />

begannen die Schüler in Zweiergruppen, die Aufgabenblätter zu bearbeiten (vgl.<br />

Anhang, S.59). Eigentlich sollten die Gruppen so zusammengesetzt werden, dass<br />

sich in jeder Gruppe zumindest ein „Computerfachmann“ befand. Ich ließ es aber<br />

letztlich zu, dass Tobias und Annabel zusammenarbeiteten.<br />

Zuerst mussten sich die Schüler an die hypermediale Struktur der Web-Seiten<br />

gewöhnen. Aber bereits nach kurzer Zeit kamen alle Gruppen erstaunlich gut mit<br />

dem neuen Medium zurecht. Die ersten fünf Aufgaben bereiteten erwartungsgemäß<br />

keine größeren Probleme. Bei der sechsten Aufgabe musste ich einige<br />

Hilfestellungen geben.<br />

Während sich am Anfang alle Gruppen eng an den Fragebogen hielten, entdeckten<br />

sie nach und nach eigene Interessen. Da kam es durchaus vor, dass auf einmal<br />

Leonardo Di Caprio oder Céline Dion auf dem Bildschirm erschienen. Dina suchte<br />

nach Informationen für ein Biologiereferat. Da auch auf diese Weise der Umgang<br />

mit dem Internet geübt wurde, hatte ich in der Regel nichts dagegen. Ich stellte aber<br />

zwei Bedingungen: Zum einen sollten die Schüler im französischsprachigen Web<br />

„surfen“ 20 und außerdem sollten sie das Arbeitsblatt, so weit wie möglich,<br />

bearbeiten.<br />

20 Als Hilfe hatte ich ein kleines deutsch-französisches Internetlexikon ausgegeben (vgl. Anhang, S.62-64).<br />

- 38 -


Alles in allem fand ich den Besuch in der Fachhochschule sehr gelungen. Durch die<br />

Arbeit im Internet wurde das Thema Québec zum Schluss der Unterrichtsreihe auf<br />

sehr unterhaltsame Weise inhaltlich abgerundet. Die Schüler konnten viele im<br />

Unterricht behandelte Themen (z.B.: Geschichte, Tourismus, Literatur etc.) wieder<br />

finden. Dabei hatten sie die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen. Sie<br />

wurden nicht mit „Wissen gefüttert“, sondern konnten den Lernstoff selbst<br />

„entdecken und sammeln“ (vgl. Kleinschroth, 1996, S.173). Auch sprachlich war<br />

die Rallye eine Herausforderung. Um sich in den Web-Seiten zielgerichtet zu<br />

bewegen, mussten die Schüler den Inhalt und die Struktur der französischsprachigen<br />

Texte sehr schnell erkennen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich aus-<br />

schließlich um authentische Materialien handelte. Die Aufgaben waren so gestaltet,<br />

dass die Schüler möglichst viele Anwendungsmöglichkeiten des Internet kennen<br />

lernten. Nebenbei wurde der Umgang mit dem Computer geübt 21 . Insgesamt hatte<br />

ich den Eindruck, dass die meisten Schüler sehr viel Freude bei der Arbeit hatten<br />

und mit dem Besuch zufrieden waren.<br />

3.8 Feedback durch Interwriting und Klebepunkte<br />

(32. Stunde)<br />

In der letzten Stunde bat ich die Lerngruppe um eine Rückmeldung über den<br />

Verlauf der Unterrichtsreihe. Ich erhoffte, einen ersten Überblick durch einen<br />

Gruppenspiegel zu erhalten. Die Schüler sollten zu den verschiedenen Phasen der<br />

Unterrichtsreihe Punkte auf ein zweidimensionales Antwortraster kleben (vgl.<br />

Anhang, S.65,66). Auf der horizontalen Koordinatenachse sollte der subjektive<br />

Lernerfolg und auf der vertikalen Achse die Zufriedenheit mit dem Unterricht in der<br />

jeweiligen Phase bewertet werden.<br />

Ein Gruppenspiegel ermöglicht natürlich nur sehr allgemeine Rückschlüsse. Deshalb<br />

ließ ich die Schüler außerdem in einem schriftlichen Gespräch (Interwriting) zu<br />

folgenden Fragen Stellung nehmen:<br />

1) Qu’est-ce qui était important pour moi?<br />

21 „Bereits im Jahr 2000 werden zwei Drittel aller Berufe Computerkenntnisse erfordern.“<br />

(Bundesregierung, 1997b, S.32)<br />

- 39 -


2) Qu’est-ce qui m’a moins apporté?<br />

3) Qu’est-ce qui m’a plu?<br />

4) Qu’est-ce que j’ai moins aimé?<br />

5) Quelles choses pourrait-on refaire de la même façon?<br />

6) Qu’est-ce qu’il faut changer?<br />

Ich formulierte die Fragen zwar auf Französisch, stellte es den Schülern aber frei,<br />

auf Deutsch zu antworten. Sowohl die Gruppenspiegel als auch das Interwriting<br />

waren anonym. Dies sollte die Schüler dazu ermutigen, wirklich ehrlich zu<br />

antworten.<br />

Die Ergebnisse der Gruppenspiegel waren recht aufschlussreich. Das E-Mail-<br />

Projekt bereitete fast allen Schülern mehr Freude als der „traditionelle“ Unterricht.<br />

Ferner schätzten die meisten Schüler den Lernerfolg relativ hoch ein. Sehr positiv<br />

bewertete die Lerngruppe auch die Begegnung mit dem kanadischen Gastschüler.<br />

Fünf Schüler gaben an, dass sie bei dem Besuch viel gelernt hätten. In Bezug auf die<br />

Internet-Rallye gingen die Meinungen stark auseinander. Während die Mehrzahl der<br />

Teilnehmer geradezu begeistert war, gab es auch zwei Schüler, denen der Besuch<br />

überhaupt keinen Spass gemacht hatte. Dieses Ergebnis kam für mich etwas<br />

überraschend. Es macht aber darauf aufmerksam, dass nicht alle Schüler gern mit<br />

Computern arbeiten.<br />

Das Interwriting lieferte noch genauere Ergebnisse. Die meisten Schüler<br />

bezeichneten das E-Mail-Projekt in ihrem schriftlichen Dialog als „interessant und<br />

abwechslungsreich“ (vgl. Anhang, S.67, 68). Sie fanden es schön, dass sie ihre<br />

„eigenen Interessen einbringen konnten“. Auch wenn einige Antworten aus Québec<br />

etwas „enttäuschend“ und „platt“ waren, so hatten sie dennoch „viel über dieses<br />

Land“ und die „Mentalität der québécois“ gelernt. Wie schon aus dem<br />

Gruppenspiegel hervorging, gefiel der Lerngruppe die Stunde mit Gervais<br />

„besonders gut“. Die Schüler fanden seinen Vortrag „interessant“ und waren sicher,<br />

viel „behalten“ zu haben. Ein Schüler gab allerdings auch zu, dass er nicht so viel<br />

verstanden hatte.<br />

Bei der Internet-Rallye fanden sich manche Schüler durch das Aufgabenblatt zu<br />

sehr eingeschränkt. Ihrer Meinung nach waren einige Fragen „extrem langweilig und<br />

- 40 -


auch inhaltlich nicht notwendig“. Sie hätten gerne mehr „nach eigenen Wünschen“<br />

gesurft.<br />

Als besonders problematisch erwies sich die Arbeit 22 (vgl. Anhang, S.69, 70).<br />

Einige Schüler fanden die Klausur „recht schwer und ungewohnt“. In ihren Augen<br />

wurde nicht genug „auf die Arbeit hingearbeitet“. In der Schlussreflexion werde ich<br />

näher auf die Arbeit eingehen.<br />

3.9 Schlussreflexion und Fazit<br />

Im ersten Kapitel habe ich beschrieben, welche Erwartungen und Hoffnungen in der<br />

aktuellen fachdidaktischen Diskussion mit internetgestütztem Fremd-<br />

sprachenunterricht verbunden werden. Meiner Meinung nach zeigt die vorliegende<br />

Arbeit, dass viele dieser Erwartungen durchaus erfüllt werden können. Dies wird<br />

auch durch die Rückmeldungen der Schüler bestätigt.<br />

Bei dem Unterrichtsprojekt waren die Schüler von Anfang an sehr motiviert (vgl.<br />

Kap. 3.2). Sie freuten sich auf die Korrespondenz und gaben sich bei dem<br />

Briefwechsel viel Mühe. Ich konnte jedoch beobachten, dass manche Schüler über<br />

die Antworten aus Québec etwas enttäuscht waren. Einige Briefe kamen erst sehr<br />

spät und waren zum Teil recht oberflächlich. Welche Gründe im Einzelnen dafür<br />

verantwortlich waren - Prüfungen , Ende des Schuljahres, mangelndes Interesse,<br />

fehlende Kontrolle des Lehrers etc. - lässt sich im Nachhinein nicht mehr so genau<br />

feststellen.<br />

Wichtig ist allerdings die Tatsache, dass der Erfolg eines E-Mail-Projekts ganz<br />

entscheidend von der Partnerklasse abhängt. Es ist daher unbedingt notwendig, sehr<br />

genaue Absprachen mit dem Partnerlehrer zu treffen. Trotzdem kann es passieren,<br />

dass aus organisatorischen oder technischen Gründen der geplante Ablauf nicht<br />

eingehalten werden kann. Es ist deshalb bei E-Mail-Projekten unumgänglich, eine<br />

Alternativplanung vorzusehen.<br />

Das Interwriting förderte ein anderes Problem zu Tage, das ich vorher nicht<br />

bemerkt hatte. Einige Schüler fanden die Klausur zu schwer und meinten, sie sei zu<br />

22 Einige Ängste und Bedenken der Schüler hängen vermutlich damit zusammen, dass die Arbeit zu<br />

diesem Zeitpunkt noch nicht zurückgegeben war.<br />

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wenig vorbereitet worden. Ich denke nicht, dass die Klausur schwerer als sonst<br />

war. Ich hatte Frau Jensen vorher den Text gezeigt und die Fragestellung mit ihr<br />

besprochen. Dennoch machen die Äußerungen der Schüler auf ein grundsätzliches<br />

Problem im Aufbau der Unterrichtsreihe aufmerksam. Der Termin für die Klausur<br />

lag mitten in der Korrespondenzphase. Da sich die Arbeit aber auf den Stoff bezog,<br />

der vor Beginn des E-Mail-Projekts behandelt wurde (Stunden 6-15), musste sie<br />

für die Schüler wie ein Bruch wirken. Eine solche Situation lässt sich aber leicht<br />

vermeiden. Für ein kurzes Projekt kann man sicherlich einen Zeitraum finden, in<br />

dem keine Kursarbeit liegt. Bei umfangreicheren Projekten könnte man versuchen,<br />

die Klausur mit dem Projekt in Zusammenhang zu bringen.<br />

Mit dem E-Mail-Projekt war auch die Hoffnung verbunden, Dina und Luciana<br />

wieder etwas mehr zu motivieren und in den Kurs zu integrieren (vgl. Kap. 2.1).<br />

Dieses Ziel konnte teilweise erreicht werden. Dina gab sich viel Mühe und beteiligte<br />

sich häufiger als sonst im Unterricht. Auch Luciana war insgesamt etwas aktiver. Sie<br />

hielt sich aber bei der Planung und Vorbereitung der Gruppenarbeit sehr zurück.<br />

Aus mehreren Gründen habe ich auf eine notenmäßige Bewertung der Präsen-<br />

tationen verzichtet. Zum einen hatten die verschiedenen Gruppen ganz unter-<br />

schiedliche Voraussetzungen. Während die erste Gruppe sehr viele brauchbare<br />

Antworten aus Québec bekam, mussten die anderen Gruppen erst nach Materialien<br />

suchen. Ein weiterer Grund war die leistungsheterogene Zusammensetzung der<br />

zweiten und dritten Gruppe. Eine gemeinsame Note hätte die besseren Schüler<br />

benachteiligt. Andererseits wollte ich auch nicht durch eine getrennte Notengebung<br />

die schwächeren Schüler herausstellen. Letztendlich sollten die Schüler bei den<br />

Präsentationen die Gelegenheit erhalten, in einem sanktionsfreien Raum methodisch<br />

zu experimentieren. Anstelle einer Notenbewertung gab ich den einzelnen Schülern<br />

eine mündliche Rückmeldung. Vermutlich wäre es noch besser gewesen, einen<br />

Rückmeldungsbrief zu verfassen.<br />

Zum Schluss möchte ich noch einmal auf die sprachliche Seite des E-Mail-Projekts<br />

eingehen. Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass die Schüler ihre<br />

Sprachkenntnisse in einer realen Kommunikationssituation anwenden konnten. Viele<br />

Schüler machten dabei die motivierende Erfahrung, dass sich ihr Französisch gar<br />

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nicht so sehr viel vom Französisch der Muttersprachler unterscheidet. Neben der<br />

Anwendung ermöglichte das Projekt aber auch eine Erweiterung der<br />

Sprachkenntnisse. Bei der Auswertung der Antworten und Vorbereitung der<br />

Präsentationen wurden die meisten Gruppen mit Wortfeldern konfrontiert, die sonst<br />

eher selten im Fremdsprachenunterricht vorkommen (z.B.: Wirtschaft, Politik,<br />

Geografie, Gastronomie etc.). Durch die Vokabelhilfen in den Handouts machten<br />

sie diese Wortfelder auch den anderen Schülern zugänglich.<br />

Fazit:<br />

Sicherlich ist der Einsatz von Computern im Fremdsprachenunterricht kein<br />

Allheilmittel. Wie bei allen Unterrichtsformen gibt es auch hier Nachteile und<br />

Probleme. Dennoch, denke ich, haben die vorausgehenden Überlegungen und die<br />

von mir durchgeführte Unterrichtsreihe gezeigt, dass durch internetgestützte<br />

Projekte interessante, neue Impulse für den Fremdsprachenunterricht ausgehen<br />

können.<br />

Für die Schüler war das E-Mail-Projekt mit Sicherheit eine willkommene<br />

Abwechslung zum normalen Unterricht. Sie konnten ihre eigenen Interessen<br />

einbringen und den Unterricht ein Stück weit selbst gestalten. Dies wirkte sich sehr<br />

positiv auf ihre Motivation und Arbeitsbereitschaft aus.<br />

In vielen Phasen des Projekts arbeiteten die Schüler in Kleingruppen. Dadurch<br />

wurde ihre Teamfähigkeit, eine Schlüsselqualifikation der heutigen Arbeitswelt,<br />

geschult. Auch die Fähigkeit mit dem Computer umzugehen wurde weiter<br />

entwickelt. Von zwei Schülerinnen weiß ich, dass sie sich mittlerweile einen privaten<br />

Internet-Zugang beschafft haben.<br />

Mir hat dieser Unterricht viel Spass gemacht und ich bin fest davon überzeugt, dass<br />

die Schüler sehr viel dabei gelernt haben. Deshalb werde ich auf jeden Fall auch<br />

weiterhin das Internet in den Französischunterricht integrieren.<br />

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