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betriebspraktikum beim ccj (council of christians and jews) in london

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BETRIEBSPRAKTIKUM BEIM CCJ (COUNCIL OF CHRISTIANS AND<br />

JEWS) IN LONDON<br />

Fatana Mayw<strong>and</strong> und Rosa Rezaei<br />

Vom 23.01.2006 bis zum 02.03.2006 absolvierten wir e<strong>in</strong> zweiwöchiges<br />

Betriebspraktikum im ,,Council <strong>of</strong> Christians <strong>and</strong> Jews“ <strong>in</strong> London. Bevor dies jedoch<br />

festst<strong>and</strong>, war uns bereits bewusst, dass für uns nur e<strong>in</strong> Ausl<strong>and</strong>spraktikum <strong>in</strong> Frage<br />

kam, denn es gibt Gelegenheit, selbstständig Erfahrungen zu sammeln.<br />

Im Januar letzten Jahres hatten wir <strong>in</strong> unserer<br />

Klasse Besuch aus London. Louise Mitchell, Youth<br />

Officer bei CCJ, kam, um uns von ihrem<br />

Arbeitsleben zu erzählen. (siehe Jahrbuch 2005)<br />

Es war für uns zwar mehr als nur <strong>in</strong>teressant,<br />

etwas über die Arbeit von Louise zu erfahren, doch<br />

g<strong>in</strong>g uns der Gedanke, unser Praktikum <strong>beim</strong><br />

„Council <strong>of</strong> Christian <strong>and</strong> Jews“ zu absolvieren,<br />

damals noch nicht durch den Kopf, allerd<strong>in</strong>gs von<br />

dem Augenblick an, als wir erfuhren, dass e<strong>in</strong><br />

Ausl<strong>and</strong>spraktikum möglich ist. Möglichst <strong>in</strong><br />

London e<strong>in</strong>en Praktikumsplatz zu f<strong>in</strong>den, das war unser Ziel, denn schließlich<br />

ermöglicht e<strong>in</strong> Ausl<strong>and</strong>saufenthalt nicht nur E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong>s Berufsleben, sondern kann<br />

auch zur Verbesserung unserer Fremdsprachenkenntnisse beitragen.<br />

Nach mehreren Überlegungen schlug unsere Tutor<strong>in</strong>, Frau Rieber, die von unserem<br />

Interesse an e<strong>in</strong>em Ausl<strong>and</strong>spraktikum erfuhr, uns vor, Kontakt mit dem Council <strong>of</strong><br />

Christian <strong>and</strong> Jews <strong>in</strong> London aufzunehmen.<br />

Wir er<strong>in</strong>nerten uns an den Besuch von Louise Mitchell, die <strong>beim</strong> CCJ tätig ist und uns<br />

berichtete, dass sie sich mit Vertretern verschiedener Religionen zusammensetzt, um<br />

diesen so Gelegenheiten zu geben, mite<strong>in</strong><strong>and</strong>er zu reden. Außerdem erschien es<br />

uns als e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Gelegenheit e<strong>in</strong>e solche Organisation von <strong>in</strong>nen kennen zu<br />

lernen und zu erfahren, wie e<strong>in</strong> <strong>and</strong>eres L<strong>and</strong> über Rassismus und Hass zwischen<br />

Religionen denkt, beziehungsweise was es dagegen unternimmt.


Gesagt, getan, absolvierten wir auch schon e<strong>in</strong>ige Wochen später unser<br />

zweiwöchiges Betriebspraktikum <strong>beim</strong> CCJ. Sowohl vom Arbeitsklima als auch von<br />

den freundlichen Mitarbeitern waren wir positiv überrascht. Wir bekamen die<br />

Möglichkeit viele Veranstaltungen und Gedenkzeremonien zu besuchen. Da wir<br />

genau die Woche erwischten, <strong>in</strong> welcher der Gedenktag für die Befreiung von<br />

Auschwitz am 27. Januar 1945 lag, hatten wir die Gelegenheit, an e<strong>in</strong>er riesigen<br />

Zeremonie am „Holocaust Memorial Day“, <strong>in</strong> Wales teilzunehmen. Dort trafen sich<br />

viele Zeitzeugen, die über ihre persönlichen Er<strong>in</strong>nerungen an den Holocaust<br />

berichteten. Wir machten Bekanntschaften mit e<strong>in</strong>igen dieser Zeitzeugen und<br />

konnten deren Emotionen mit ihnen teilen.<br />

Auf der Fahrt nach Wales hatten wir die Ehre mit den Zeitzeugen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bus zu<br />

fahren. Als der Bus losfuhr, erwarteten wir e<strong>in</strong>e eher langweilige Fahrt, doch von<br />

Langeweile konnte man ganz und gar nicht sprechen, bemerkten wir während der<br />

Fahrt, denn gab es ke<strong>in</strong>en Moment, an dem wir alle<strong>in</strong>e saßen, ohne von e<strong>in</strong>em<br />

Zeitzeugen ausgefragt oder aufgemuntert worden zu se<strong>in</strong>. Jedes Mal, wenn wir<br />

erwähnten, dass wir aus Deutschl<strong>and</strong> s<strong>in</strong>d, waren alle umso erstaunter, dass zwei<br />

junge Mädchen aus Deutschl<strong>and</strong> angereist waren und am „Holocaust Memorial Day“<br />

teilnahmen. Sie wollten alle natürlich auch wissen, wie wir über die Vergangenheit<br />

denken und wie der 27. Januar <strong>in</strong> Deutschl<strong>and</strong> verläuft.<br />

Diese Fragen waren uns besonders wichtig, da sie uns das Gefühl gaben, dass den<br />

Zeitzeugen unsere Me<strong>in</strong>ung wichtig war, und zum <strong>and</strong>eren war es auch für uns e<strong>in</strong>e<br />

Ehre mit den Zeitzeugen zu reden, zu diskutieren und sogar lachen zu können. Wie<br />

auch schon unsere Betreuer<strong>in</strong>, Jane Clements, sagte, wird es diese letzten<br />

Zeitzeugen der NS-Zeit nicht mehr lange geben.<br />

Was uns sehr erfreute und womit wir nicht gerechnet hatten, war, dass e<strong>in</strong>ige<br />

Zeitzeugen trotz ihrer schlimmen Vergangenheit und ihres hohen Alters ihren S<strong>in</strong>n für<br />

Humor beibehalten haben. So fragte uns der Zeitzeuge Harry beispielsweise, ob wir<br />

Moslems seien. Als wir diese Fragen bejahten, sagte er wie aus der Pistole<br />

geschossen: „ Bitte ke<strong>in</strong> Kampf!“, und lachte. Natürlich war das nur e<strong>in</strong> Scherz.<br />

Jedoch vertieften wir das Thema, denn wir konnten uns denken, dass er den Konflikt<br />

zwischen Juden und Moslems me<strong>in</strong>te. „Alle Religionen dieser Erde müssen lernen<br />

sich gegenseitig nicht nur zu akzeptieren, sondern auch respektieren.“, sagte Harry.<br />

Nun f<strong>in</strong>gen auch <strong>and</strong>ere an mitzureden und wir bemerkten, dass den jüdischen<br />

Zeitzeugen die Vergangenheit doch nicht ganz weit zurück erschien, denn sie


appellierten an die Menschheit, dass es Zeit wird erwachsen zu werden und e<strong>in</strong><strong>and</strong>er<br />

zuzuhören, anstatt sich gegenseitig umzubr<strong>in</strong>gen. In diesem Moment haben wir ganz<br />

<strong>and</strong>ers über die Situation gedacht, denn diese Sätze kamen gerade aus dem Mund<br />

e<strong>in</strong>es jüdischen Überlebenden, der statt Hass gegenüber Andersgläubigen für das,<br />

was sie ihm und se<strong>in</strong>er Familie damals angetan haben, noch H<strong>of</strong>fnung und sogar<br />

Glauben auf Frieden <strong>in</strong> sich trägt.<br />

Am Tag nach der Gedenkveranstaltung war e<strong>in</strong> Besuch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Birm<strong>in</strong>ghamer<br />

Schulk<strong>in</strong>o geplant, wobei e<strong>in</strong>ige Schulklassen erschienen. Unsere Betreuer<strong>in</strong>, Jane<br />

Clements, bat uns schon e<strong>in</strong>ige Tage vorher e<strong>in</strong>e Rede für diesen Tag vorzubereiten.<br />

Paul Oppenheimer, e<strong>in</strong> Zeitzeuge des Holocaust, erzählte von se<strong>in</strong>en Erlebnissen<br />

der damaligen Zeit, welche die Schüler emotional sehr mitnahmen. Se<strong>in</strong> Vortrag f<strong>in</strong>g<br />

damit an, dass er sagte, er sei nur aus dem Grund Jude, weil se<strong>in</strong>e Eltern Juden<br />

waren und er dadurch gar ke<strong>in</strong>e <strong>and</strong>ere Wahl hatte. Doch sagte er auch, dass se<strong>in</strong>e<br />

Eltern e<strong>in</strong> völlig normales Leben lebten und nicht sehr gläubig waren. Somit wusste<br />

Paul Oppenheimer auch nicht sehr viel über se<strong>in</strong>e Religion. Etwas ironisch sagte er<br />

dann im Laufe des Erzählens, dass ihm die Nazis durch die jüdischen Schulen, die er<br />

besuchen musste, weil ihm der Zugang zu den öffentlichen Schulen verwehrt war,<br />

die Möglichkeit gaben, se<strong>in</strong>e Religion kennen zu lernen. Während se<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>stündigen Erzählung, schaffte er es trotz se<strong>in</strong>er grausamen Erlebnisse die Schüler<br />

des Öfteren zum Lachen zu br<strong>in</strong>gen. „Ich habe trotz allem me<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n für Humor<br />

nicht verloren“, so Oppenheimer.<br />

Als er fertig mit se<strong>in</strong>em Vortrag war, gab er den Schülern die Möglichkeit, ihm Fragen<br />

zu stellen. E<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong> fragte ihn, ob er Jude geworden wäre, wenn er sich hätte<br />

entscheiden können. Doch wie zu erwarten sagte er ohne Nachzudenken, dass er<br />

sich nicht für den Judentum entschieden hätte. Dies war etwas sehr Neues für uns,<br />

da wir bisher <strong>of</strong>t Geschichten gehört haben, <strong>in</strong> denen die Person zu ihrem Glauben<br />

st<strong>and</strong>en und dafür auch ihr Leben riskiert hätten. Wir waren über die Ehrlichkeit<br />

Oppenheimers erstaunt und auch begeistert. E<strong>in</strong>e <strong>and</strong>ere Schüler<strong>in</strong> fragte ihn, ob er<br />

die Deutschen heute noch hasst. Er antwortete mit „Ja“, und bevor er fortfuhr, dass<br />

er nur die Personen hasst, die ihm und se<strong>in</strong>er Familie dies angetan haben, f<strong>in</strong>gen<br />

e<strong>in</strong>ige Schüler<strong>in</strong>nen an zu klatschen. Zwar erwähnte Oppenheimer lachend, dass wir<br />

uns nicht angesprochen fühlten sollen, doch sagten die Blicke e<strong>in</strong>iger Schüler mehr<br />

als tausend Worte.


Dies verunsicherte uns sehr, da wir bald an der Reihe mit unserem Vortrag waren<br />

und Angst vor der Reaktion der Schüler hatten. Anschließend folgte Jane Clements<br />

Präsentation zum Thema Völkermord und bat uns abschließend auf die Bühne um<br />

unsere Rede zu halten. Wir stellten uns vor, sagten woher wir kommen und unsere<br />

Gedanken zum Thema Holocaust.<br />

Diese wenigen M<strong>in</strong>uten waren die wichtigsten Momente unseres<br />

Ausl<strong>and</strong>saufenthaltes, denn hier nahmen wir die größte Erfahrung, wenn auch<br />

negativ, mit nach Hause. In dem Moment, als wir uns als „Deutsche“ vorstellten,<br />

stellten wir deutliche Reaktionen und Kommentare e<strong>in</strong>iger Schüler fest. Als wir den<br />

Vortrag beendet hatten, fragte Jane die Schüler, ob diese uns Fragen stellen<br />

möchten, doch ke<strong>in</strong>er von diesen hob die F<strong>in</strong>ger. Während wir nun vor den gesamten<br />

englischen Schülern st<strong>and</strong>en und unser Statement abgaben, beobachteten wir sie.<br />

An ihrer Mimik und ihren Kommentaren wurde uns klar, dass sie uns als<br />

„Teilschuldige“ für die Vergangenheit sahen, weil wir <strong>in</strong> Deutschl<strong>and</strong> leben. Wie man<br />

sich fühlt, wenn man zum Schuldigen erklärt wird, das wurde uns damit verdeutlicht.<br />

Trotzdem war dieses Unwohlbef<strong>in</strong>den der Nationalität wegen e<strong>in</strong>e Erfahrung wert<br />

und wir konnten sehr gut nachvollziehen, wie sich Deutsche fühlen, wenn sie mit dem<br />

Holocaust konfrontiert werden.<br />

Wir bekamen letztendlich e<strong>in</strong>en riesigen Applaus und Jane Clements war mächtig<br />

stolz auf uns, was sie uns im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> mitteilte. E<strong>in</strong> Grund für unser Praktikum<br />

war, die uns übertragenen Arbeiten selbstständig und gewissenhaft zu erledigen und<br />

unsere englischen Sprachkenntnisse zu verbessern. Was dies angeht, sehen wir<br />

Fortschritte <strong>in</strong> unserer persönlichen Entwicklung.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund für das Praktikum war, dass wir die englische Sichtweise über<br />

Deutschl<strong>and</strong> <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen konnten. Dieser Perspektivwechsel war für uns<br />

sehr aufschlussreich und somit e<strong>in</strong>e prägende Erfahrung fürs Leben.<br />

Durch das Praktikum konnten wir das Arbeitsleben von CCJ besser kennen lernen<br />

und beurteilen. Wir konnten viele Erfahrungen mitnehmen, jedoch hätten wir uns<br />

gewünscht an e<strong>in</strong>em organisierten Treffen mit den verschiedenen Religionsvertretern<br />

teilnehmen zu können. Denn es wäre für uns mehr als nur spannend, wenn e<strong>in</strong><br />

Mensch e<strong>in</strong>em Andersgläubigen gegenüber sitzt und lernt ihm zuzuhören oder ihm<br />

Fragen zu stellen.<br />

Letztendlich s<strong>in</strong>d wir überzeugt davon, dass wir uns e<strong>in</strong>e solche Gelegenheit immer<br />

wieder nutzen würden, um solche Erfahrungen erneut zu sammeln.

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