Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen - Erkan Arslan
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Kapitel 10 Medikamente<br />
sehr unterschiedlich.<br />
Für die Gabe von Adrenalin in höheren Dosierungen<br />
beim therapie-refraktären Herz-Kreislauf-Stillstand gibt es<br />
derzeit keine Evidenz. In der Postreanimationsphase kann<br />
die kontinuierliche Adrenalinapplikation über Perfusor<br />
erforderlich sein.<br />
Nach Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs (ROSC)<br />
kann es durch hohe Dosen von Adrenalin zu einer<br />
Tachykardie, myokardialen Durchblutungsstörungen,<br />
ventrikulären Tachykardien (VT) und Kammerflimmern<br />
(VF) kommen. Sobald ein spontaner Kreislauf erzielt<br />
wurde und weitere Gaben von Adrenalin notwendig<br />
sind, sollten diese vorsichtig in kleinen Dosen bis zum<br />
Erreichen des gewünschten Blutdrucks verabreicht<br />
werden. Für die meisten hypotensiven Patienten sind<br />
intravenöse Dosen von 50 – 100 µg normalerweise<br />
ausreichend.<br />
Wirkungen<br />
Adrenalin ist ein direkt sympathomimetisches Amin<br />
mit alpha (α)- und beta (β)-adrenerger Wirkung. In<br />
den bei Reanimationen angewandten Dosierungen<br />
bewirkt die Adrenalingabe eine α- Rezeptor vermittelte<br />
periphere Vasokonstriktion. Dies führt zur Erhöhung des<br />
systemischen Gefäßwiderstands und zur Verbesserung<br />
der cerebralen und der koronaren Perfusion.<br />
Am schlagenden Herzen führt Adrenalin, vermittelt über<br />
β1-Rezeptoren, zu einem Anstieg der Herzfrequenz und<br />
der Herzleistung. Das kann möglicherweise auch negative<br />
Auswirkungen haben, da dadurch der myokardiale<br />
Sauerstoffverbrauch erhöht wird und eine vorliegende<br />
Ischämie verstärkt werden kann. Unabhängig vom<br />
α–vermittelten Anstieg des Perfusionsdrucks kann der<br />
β–adrenerge Effekt den zerebralen Blutfluss verbessern.<br />
Adrenalin wirkt durch die gesteigerte Erregbarkeit<br />
des Myokards proarrhythmogen, dieser Effekt ist bei<br />
ischämischem und/oder hypoxischem Myokard verstärkt.<br />
In der Phase nach der Wiederbelebung kann Adrenalin<br />
ein Wiederauftreten von Kammerflimmern bewirken.<br />
Vasopressin<br />
Seit ungefähr 40 Jahren ist Adrenalin das<br />
Sympathomimetikum der Wahl zur Behandlung eines<br />
Kreislaufstillstands. Die vorwiegende Wirkung entfaltet<br />
Adrenalin über seinen α-adrenergen gefäßverengenden<br />
Effekt, der die Durchblutung von Herz und Gehirn<br />
verbessert. Der β-adrenerge Effekt von Adrenalin (inotrop,<br />
chronotrop) kann ebenfalls die Durchblutung von Herz<br />
und Gehirn verbessern, führt aber andererseits zu einer<br />
Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs des Herzens, ektopen<br />
ventrikulären Arrhythmien (besonders bei hypoxischem<br />
oder azidotischem Herzmuskel) und vorübergehender<br />
Hypoxämie durch Verstärkung des arterio-venösen<br />
Shunts in der Lunge.<br />
Die potentiell negativen beta-Effekte von Adrenalin<br />
100 <strong>Erweiterte</strong> <strong>Lebensrettende</strong> <strong>Maßnahmen</strong><br />
führten zu einer verstärkten Suche nach alternativen<br />
Vasopressoren. Vasopressin ist ein natürlich<br />
vorkommendes anti-diuretisches Hormon. In sehr<br />
hoher Dosierung hat es über die Aktivierung von<br />
V1-Rezeptoren der glatten Muskulatur eine starke<br />
gefäßverengende Wirkung. Die Bedeutung von<br />
Vasopressin in der Behandlung des Kreislauf-stillstands<br />
wurde erstmals beobachtet bei Überlebenden eines<br />
Kreislaufstillstands außerhalb des Krankenhauses, bei<br />
denen höhere Vasopressin-Spiegel als bei verstorbenen<br />
Patienten gemessen wurden. Sowohl in klinischen<br />
als auch in tierexperimentellen Studien konnte eine<br />
verbesserte hämodynamische Situation bei Verwendung<br />
von Vasopressin anstelle von Adrenalin während der<br />
Wiederbelebung nachgewiesen werden. Nicht alle<br />
dieser Studien zeigten jedoch eine Verbesserung des<br />
Überlebens.<br />
In zwei großen, randomisierten Studien wurde die<br />
Gabe von Vasopressin mit der Gabe von Adrenalin<br />
bei Wiederbelebungen im und außerhalb des<br />
Krankenhauses verglichen. In beiden Studien erhielten<br />
die Patienten zu Beginn randomisiert Adrenalin oder<br />
Vasopressin. Bei Versagen der Initialtherapie wurde in<br />
beiden Studiengruppen Adrenalin als weitere Therapie<br />
eingesetzt. Keine der beiden Studien konnte eine<br />
Verbesserung der Rate von ROSC oder Überleben<br />
durch die Gabe von 40 IE Vasopressin (oder einmaliger<br />
Wiederholung von Vasopressin in einer Studie) im<br />
Vergleich mit 1 mg Adrenalin nachweisen. In der großen<br />
Studie, die an Patienten außerhalb des Krankenhauses<br />
durchgeführt wurde, ließ eine nachträgliche<br />
Subgruppenanalyse (d.h. an einer Patientengruppe die<br />
nicht vor Studienbeginn festgelegt wurde) eine erhöhte<br />
Entlassungsrate für Patienten mit primärer Asystolie<br />
vermuten, die Zahl der Patienten ohne neurologisches<br />
Defizit war jedoch nicht unterschiedlich zwischen den<br />
Behandlungsgruppen.<br />
Eine aktuelle Metaanalyse, die fünf randomisierte Studien<br />
umfasst, fand keine signifikanten Unterschiede bei<br />
ROSC, 24 Stunden Mortalität und Tod vor Krankenhaus-<br />
Entlassung. Die Subgruppenanlyse, basierend auf<br />
dem initialen Rhythmus, zeigte keinen statistisch<br />
signifikanten Unterschied der Mortalitätsrate bei<br />
Krankenhausentlassung.<br />
Aufgrund der fehlenden Evidenz kann derzeit keine<br />
Empfehlung für oder gegen den Einsatz von Vasopressin<br />
als Alternative oder in Kombination mit Adrenalin<br />
gegeben werden. Daher ist, dem derzeitigen Standard<br />
folgend, weiterhin Adrenalin als Vasopressor der ersten<br />
Wahl bei einem Kreislaufstillstand, unabhängig von dem<br />
zugrunde liegenden Rhythmus, anzusehen.<br />
European Resuscitation Council