Lungenerkrankungen und Herzfunktion - Erkan Arslan
Lungenerkrankungen und Herzfunktion - Erkan Arslan
Lungenerkrankungen und Herzfunktion - Erkan Arslan
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Internist 2006 · 48:276–283<br />
DOI 10.1007/s00108-006-1763-z<br />
Online publiziert: 20. Dezember 2006<br />
© Springer Medizin Verlag 2006<br />
Schwerpunktherausgeber<br />
B. E. Strauer, Düsseldorf<br />
Die Auswirkungen von <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
auf die <strong>Herzfunktion</strong><br />
sind vielfältig. Primär ist aus pathophysiologischer<br />
Sicht die durch eine<br />
Lungenerkrankung erfolgende akute<br />
oder chronische Druckbelastung<br />
des rechten Herzens, insbesondere<br />
der rechten Herzkammer, zu nennen.<br />
Akute <strong>und</strong> chronische <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
können aber auch über<br />
die Belastung der rechten Herzkammer<br />
indirekt den linken Herzventrikel<br />
in seiner Pumpfunktion beeinträchtigen.<br />
Darüber hinaus sind die bei <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
regelhaft vorliegenden<br />
Veränderungen der arteriellen<br />
Blutgase mit Hypoxämie <strong>und</strong> Hyperkapnie<br />
prinzipiell dazu in der Lage,<br />
auch die Funktion des linken Herzens<br />
zu beeinträchtigen oder aber<br />
komplexe Herzrhythmusstörungen<br />
auszulösen, insbesondere wenn eine<br />
weitere kardiale Gr<strong>und</strong>erkrankung<br />
vorliegt. <strong>Lungenerkrankungen</strong> können<br />
somit sowohl eine Auswirkung<br />
auf die Funktion des rechten wie auch<br />
des linken Herzens haben.<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> <strong>und</strong><br />
Rechtsherzfunktion<br />
Pulmonale Hypertonie<br />
<strong>und</strong> Cor pulmonale<br />
Definitionen<br />
Die gravierendste Auswirkung von <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
auf das Herz betrifft<br />
den rechten Herzventrikel. Chronische<br />
276 | Der Internist 3 · 2007<br />
Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen<br />
K. Rasche 1 · M. Orth 2 · A. Kutscha 1 · H. W. Duchna 2<br />
1 Zentrum für Innere Medizin,Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie,<br />
Schlaf- <strong>und</strong> Beatmungsmedizin, Kliniken St. Atonius, Akademisches<br />
Lehrkrankenhaus der Universität Düsseldorf, Wuppertal<br />
2 Berufsgenossenschaftliche Klinken Bergmannsheil,<br />
Medizinische Klinik III (Pneumologie, Allergologie, Schlaf- <strong>und</strong><br />
Beatmungsmedizin), Universitätsklinikum Bochum<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Herzfunktion</strong><br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> können zu einem<br />
Cor pulmonale führen. Dieser Begriff<br />
wurde erstmals 1931 von White bei Vorliegen<br />
einer Hypertrophie des rechten<br />
Ventrikels in Folge von <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
benutzt [44]. Darunter versteht<br />
man die klinische Entität einer Hypertrophie<br />
<strong>und</strong>/oder Dilatation der rechten<br />
Herzkammer aufgr<strong>und</strong> einer primären<br />
Beeinträchtigung der Lungenfunktion<br />
<strong>und</strong>/oder -struktur. Neben pulmonal-vaskulären<br />
bzw. -parenchymatösen Erkrankungen<br />
können auch Störungen der Thoraxwand,<br />
neuromuskuläre Erkrankungen<br />
sowie Atmungsstörungen ein Cor pulmonale<br />
zur Folge haben [29]. Die nachfolgenden<br />
Ausführungen sollen sich beschränken<br />
auf das chronische Cor pulmonale<br />
(Cor pulmonale chronicum) als Folge<br />
zweier sehr häufiger <strong>und</strong> klinisch bedeutender<br />
pneumologischer Erkrankungen,<br />
der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung<br />
(„chronic obstructive pulmonary<br />
disease“, COPD) <strong>und</strong> dem obstruktiven<br />
Schlafapnoesyndrom (OSAS).<br />
Epidemiologie<br />
Die Häufigkeit des chronischen Cor pulmonale<br />
beträgt 5 bis 10% aller Erkrankungen<br />
des Herzens [29]. Die Prävalenz<br />
bei COPD ist deutlich erhöht. Hier findet<br />
sich autoptisch in 40 bis 50% der Fälle<br />
ein Cor pulmonale [7]. Umgekehrt liegt<br />
bei 80% der Patienten mit chronischem<br />
Cor pulmonale als Ursache eine COPD<br />
zu Gr<strong>und</strong>e [15]. Die COPD stellt somit<br />
die häufigste Ursache eines chronischen<br />
Cor pulmonale dar. Beim OSAS beträgt<br />
die Prävalenz einer pulmonal-arteriellen<br />
Hypertonie als Wegbereiter für ein chronisches<br />
Cor pulmonale unter Auschluss<br />
pulmonaler Begleiterkrankungen höchstens<br />
20% [5, 18]. Bei Vorliegen eines OSAS<br />
in Kombination mit einer COPD ist die<br />
Prävalenz eines chronischen Cor pulmonale<br />
deutlich höher <strong>und</strong> beträgt je nach<br />
Untersuchungskollektiv mehr als 80%<br />
[18].<br />
Pathophysiologie<br />
Die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie<br />
ist die wesentliche Voraussetzung<br />
für die Entstehung eines Cor pulmonale.<br />
In . Tab. 1 ist daher die Nomenklatur<br />
<strong>und</strong> Klassifikation der derzeit geltenden<br />
Venedig-Klassifikation der pulmonalen<br />
Hypertonie aus dem Jahre 2003 in verkürzter<br />
Form dargestellt [31]. Die in Gruppe<br />
3 aufgeführten Erkrankungen stellen<br />
die wesentliche Ursache für die Entstehung<br />
eines chronischen Cor pulmonale<br />
in Folge von <strong>Lungenerkrankungen</strong> bzw.<br />
Atmungsstörungen dar. Die der pulmonalen<br />
Hypertonieentstehung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
zugr<strong>und</strong>e liegenden Pathomechanismen<br />
sind in . Tab. 2 aufgeführt [17].<br />
Abhängig von der jeweils zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Erkrankung spielen diese einzelnen<br />
Pathomechanismen eine sehr unterschiedliche<br />
Rolle.<br />
COPD. Bei der COPD spielt der Hypoxiereiz<br />
zumindest zu Beginn der Erkrankung<br />
eine wesentliche Rolle in der Enstehung<br />
einer pulmonalen Vasokonstriktion.<br />
Die alveoläre Hypoxämie stellt einen
Tab. 1 Nomenklatur <strong>und</strong> Klassifikation der pulmonalen Hypertonie (Venedig-Klassifikation,<br />
2003). (Nach [31])<br />
1. Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)<br />
Idiopathisch (IPAH)<br />
Familiär (FPAH)<br />
Assoziiert mit signifikanter venöser oder kapillärer Beteiligung<br />
2. Pulmonal-venöse Hypertonie<br />
Linksatriale oder -ventrikuläre Herzerkrankung<br />
Klappenvitien des linken Herzens<br />
3. PH bei <strong>Lungenerkrankungen</strong> <strong>und</strong>/oder Hypoxämie<br />
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)<br />
Interstitielle <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS)<br />
Alveoläre Hypoventilationssyndrome<br />
Chronischer Aufenthalt in großen Höhen<br />
4. PH bei chronischen thrombotischen <strong>und</strong>/oder embolischen Erkrankungen<br />
Thromboembolische Obstruktion der proximalen Pulmonalarterien<br />
Thromboembolische Obstruktion der distalen Pulmonalarterien<br />
Pulmonale Embolien<br />
5. Verschiedenes<br />
Sarkoidose<br />
Histiozytosis X<br />
Lymphangiomatose<br />
Kompression der Pulmonalgefäße<br />
der potentesten Faktoren für eine pulmonale<br />
Vasokonstriktion im Sinne des Euler-<br />
Liljestrand-Reflexes dar [13]. Diese Vasokonstriktion<br />
ist zunächst reversibel, kann<br />
aber bei Chronifizierung zu einem irreversiblen<br />
Gefäß-Remodeling führen [17, 43].<br />
Die Vasokonstriktion wird wahrscheinlich<br />
multifaktoriell durch den Hypoxämiereiz<br />
induziert, <strong>und</strong> zwar über direkte<br />
Konstriktion (Veränderung des Membranpotenzials,<br />
des Redoxstatus <strong>und</strong> des<br />
Energiehaushaltes), über die Freisetzung<br />
von Mediatoren <strong>und</strong> durch eine Imbalanz<br />
zwischen Vasokonstriktoren <strong>und</strong> Vasodilatatoren<br />
zugunsten der Vasokonstriktoren.<br />
Letzteres steht in engem Zusammenhang<br />
mit einer sich entwickelnden Endotheldysfunktion.<br />
Hierbei müssen insbesondere<br />
die auf die Endothelzelle in Folge<br />
der sich entwickelnden pulmonalen<br />
Hypertonie einwirkenden Scherkräfte als<br />
weiterer, wahrscheinlich für die Chronifizierung<br />
verantwortlicher Pathomechanismus<br />
diskutiert werden. Der Endothelzelle<br />
kommt hierbei die Rolle eines „Mechanosensors“<br />
zu, der die physikalische Beanspruchung<br />
des Gefäßes in biochemische<br />
Signale übersetzt, die den Gefäßwandtonus<br />
erhöhen [8]. Neben der über die Hyp-<br />
278 | Der Internist 3 · 2007<br />
Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen<br />
oxie erklärbaren Vasokonstriktion gibt es<br />
auch Hinweise auf eine hyperkapniebedingte<br />
pulmonal-arterielle Drucksteigerung<br />
[30]. Beim Lungenemphysem führt<br />
zusätzlich der hierfür typische pathomorphologische<br />
Umbau des Lungengewebes<br />
über eine Gefäßbettreduktion zu einer<br />
pulmonal-arteriellen Drucksteigerung.<br />
OSAS. Neben der akuten apnoebedingten<br />
pulmonal-arteriellen Drucksteigerung<br />
durch Hypoxämie <strong>und</strong> Hyperkapnie müssen<br />
bei der Entstehung einer chronischen<br />
pulmonalen Hypertonie beim OSAS weitere<br />
Pathomechanismen diskutiert werden.<br />
Die für die obstruktive Schlafapnoe<br />
typischen ausgeprägten intrathorakalen<br />
Druckschwankungen führen zu einer Erhöhung<br />
des transmuralen pulmonal-arteriellen<br />
Druckes [34, 41]. Diese führt zu<br />
einer rechtsventrikulären Nachlasterhöhung.<br />
Bei zusätzlich zunehmendem linksventrikulärem<br />
Füllungsdruck <strong>und</strong> Vorlasterhöhung<br />
durch vermehrten venösen<br />
Rückstrom resultiert hieraus eine pulmonal-venöse<br />
Abflussstörung [41]. Eigene<br />
Untersuchungen belegen einen signifikant<br />
erhöhten pulmonal-arteriellen Druck bei<br />
nicht CPAP-behandelten OSAS-Patienten<br />
mit arterieller Hypertonie gegenüber einer<br />
behandelten Kontrollgruppe [12, 26].<br />
Weitere Studien belegen darüber hinaus,<br />
dass ebenso die Freisetzung von Entzündungsmediatoren<br />
mit Entwicklung einer<br />
Imbalanz von vasokonstriktorischen <strong>und</strong><br />
-dilatorischen zugunsten der vasokonstriktorischen<br />
Substanzen sowie die Freisetzung<br />
von Faktoren der Gefäßproliferation<br />
eine weitere Rolle in der Entwicklung<br />
eines chronischen Cor pulmonale spielen<br />
[37, 38, 39, 46]. Auch hier werden auf die<br />
Endothelzelle einwirkende Scherkräfte als<br />
ein wesentlicher Pathomechanismus in<br />
der Entstehung einer endothelialen Dysfunktion<br />
diskutiert.<br />
Prognose<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich stellt die Entwicklung<br />
eines chronischen Cor pulmonale einen<br />
entscheidenen negativen prognostischen<br />
Faktor bei allen chronischen <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
dar. So leben nur etwa 30%<br />
der Patienten mit COPD <strong>und</strong> Cor pulmonale<br />
länger als 5 Jahre [24]. Wahrscheinlich<br />
stellt das Cor pulmonale auch einen<br />
negativen Prognosefaktor bei OSAS dar,<br />
wobei diesbezüglich keine gesicherten<br />
Studien vorliegen. Ganz sicher senkt aber<br />
eine effektive Therapie des OSAS die kardiovaskuläre<br />
Mortalität, für die das Cor<br />
pulmonale sicherlich einen relevanten<br />
kausalen Kofaktor darstellt [9]. In jedem<br />
Fall scheint die rechtzeitige Diagnose <strong>und</strong><br />
konsequente Therapie einer Lungenerkrankung<br />
bzw. einer Atmungsstörung mit<br />
dem Ziel, die Entstehung eines Cor pulmonale<br />
zu verhindern, die wesentliche<br />
Maßnahme zur Prognoseverbesserung<br />
dieser Patienten zu sein.<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> <strong>und</strong><br />
Linksherzfunktion<br />
Die Pathomechanismen der Beeinträchtigung<br />
der Linksherzfunktion durch COPD<br />
<strong>und</strong> OSAS fasst . Tab. 3 zusammen.<br />
COPD<br />
Bisher wenig untersucht ist die Prävalenz<br />
einer systolischen linksventrikulären Dysfunktion<br />
bei Patienten mit COPD. In der<br />
Literatur variiert die Prävalenz der linksventrikulären<br />
systolischen Dysfunktion<br />
bei Patienten mit COPD stark, wobei
die höchste Prävalenz (10–46%) bei akuter<br />
Exazerbation angegeben wird [33]. Es<br />
ist bisher nicht bekannt, ob es sich hierbei<br />
lediglich um eine Koinzidenz handelt<br />
oder ob eine COPD die Entstehung einer<br />
systolischen linksventrikulären Dysfunktion<br />
begünstigen kann. Die Tatsache, dass<br />
die höchste Prävalenz bei Patienten mit<br />
exazerbieter COPD vorkommt, weist jedoch<br />
auf einen pathophysiologischen Zusammenhang<br />
hin [33]. In einer Studie mit<br />
405 Patienten mit COPD <strong>und</strong> bisher unauffälliger<br />
kardialer Vorgeschichte zeigten<br />
83 (20,5%) eine Linksherzinsuffizienz, wobei<br />
bei etwa jeweils der Hälfte eine systolische<br />
oder eine rein diastolische Linksherzinsuffizienz<br />
vorlag. Eine gleichzeitige<br />
Rechtsherzinsuffizienz bestand bei diesen<br />
Patienten nicht [32]. Eine weitere Untersuchung<br />
mit geringer Fallzahl ergab den<br />
Hinweis, dass COPD-Patienten mit pulmonal-arterieller<br />
Hypertonie tendenziell<br />
häufiger eine systolische linksventrikuläre<br />
Dysfunktion aufweisen als solche<br />
ohne [45]. In jedem Fall kann beim Cor<br />
pulmonale chronicum der erhöhte rechtsventrikuläre<br />
Füllungsdruck zu einer Verschiebung<br />
des ventrikulären Septums hin<br />
zum linken Ventrikel führen, wodurch<br />
sich insbesondere die linksventrikuläre<br />
Geometrie in der frühen Diastole verändert.<br />
Dies zieht eine erschwerte Füllung<br />
des linken Ventrikels nach sich, während<br />
die systolische linksventrikuläre Funktion<br />
unbeeinflusst zu bleiben scheint. Das Vorliegen<br />
dieser Störung ist eng korreliert mit<br />
dem Vorhandensein einer pulmonal-arteriellen<br />
Hypertonie [35].<br />
> Die COPD scheint die<br />
Entstehung einer systolischen<br />
linksventrikulären<br />
Dysfunktion zu begünstigen<br />
Weiterhin ist zu bedenken, dass die<br />
COPD heute nicht mehr als isolierte pulmonale<br />
Erkrankung gilt. Sie wird zunehmend<br />
als eine Systemerkrankung aufgefasst,<br />
die unter anderem eine systemische<br />
Entzündungsreaktion, einhergehend mit<br />
erhöhtem oxidativem Stress <strong>und</strong> Aktivierung<br />
von Entzündungszellen <strong>und</strong> -mediatoren,<br />
hervorruft [1]. Diese systemische<br />
Entzündungsreaktion wird ebenfalls als<br />
eine mögliche Ursache für die gegenüber<br />
der Normalbevölkerung bei Patienten mit<br />
Zusammenfassung · Abstract<br />
Internist 2006 · 48:276–283 DOI 10.1007/s00108-006-1763-z<br />
© Springer Medizin Verlag 2006<br />
K. Rasche · M. Orth · A. Kutscha · H. W. Duchna<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Herzfunktion</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Die gravierendste Auswirkung von <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
auf die <strong>Herzfunktion</strong> ist die Belastung<br />
des rechten Herzventrikels durch eine<br />
pulmonale Hypertonie mit Ausbildung<br />
eines Cor pulmonale. Dieses ist charakterisiert<br />
durch eine Hypertrophie <strong>und</strong>/oder Dilatation<br />
der rechten Herzkammer aufgr<strong>und</strong> einer<br />
primären Beeinträchtigung der Lungenfunktion<br />
<strong>und</strong>/oder Lungenstruktur. Die wichtigsten<br />
Pathomechanismen der pulmonalen<br />
Hypertonieentstehung sind Gefäßobliteration,<br />
mechanische Läsionen, primäre vaskuläre<br />
<strong>und</strong> extravaskuläre Inflammation sowie<br />
hypoxische Vasokonstriktion. Die chronisch<br />
obstruktive Lungenerkrankung (COPD)<br />
stellt die häufigste Ursache eines chronischen<br />
Cor pulmonale dar. Eine weitere häufige Ursache<br />
ist das obstruktive Schlafapnoesyndrom,<br />
insbesondere dann, wenn es in Kombination<br />
mit einer COPD auftritt. Hier beträgt<br />
die Prävalenz des Cor pulmonale bis zu 80%.<br />
Pulmonary diseases and heart function<br />
Abstract<br />
The most severe cardiac sequel to lung disease<br />
is the load on the right ventricle due to<br />
pulmonary hypertension with the development<br />
of a cor pulmonale. This is characterized<br />
by hypertrophy and/or dilatation of the right<br />
ventricle because of a primary impairment<br />
of lung function and/or lung structure. The<br />
most important pathomechanisms for the<br />
development of pulmonary hypertension are<br />
vessel obliteration, mechanical lesions, primary<br />
vascular or extra-vascular inflammation<br />
and hypoxic vasoconstriction. Chronic obstructive<br />
pulmonary diesease (COPD) is one<br />
of the most important reasons for chronic cor<br />
pulmonale. A further very common reason is<br />
obstructive sleep apnea syndrome, especially<br />
if combined with a COPD. In this case, the<br />
prevalence of cor pulmonale can reach 80%.<br />
The development of a chronic cor pulmonale<br />
Die Entwicklung eines chronischen Cor pulmonale<br />
stellt einen entscheidenden negativen<br />
prognostischen Faktor dar. So leben nur<br />
etwa 30% der Patienten mit COPD <strong>und</strong> Cor<br />
pulmonale länger als 5 Jahre. Nur die frühzeitige<br />
Erkennung der potenziell zum Cor pulmonale<br />
führenden Atmungsstörung <strong>und</strong> deren<br />
konsequente medikamentöse <strong>und</strong> apparative<br />
Therapie kann die Prognose dieser<br />
Patienten verbessern. Darüber hinaus können<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> auch Beeinträchtigungen<br />
der Pumpfunktion des linken Herzens<br />
oder aber Herzrhythmusstörungen hervorrufen.<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> können somit<br />
eine Auswirkung auf die Funktion sowohl<br />
des rechten wie auch des linken Herzens<br />
haben.<br />
Schlüsselwörter<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> · Pulmonale Hypertonie<br />
· Cor pulmonale · Linksherzfunktion<br />
is the most striking negative prognostic factor<br />
for these patients. Only 30% of COPD patients<br />
with cor pulmonale survive longer than<br />
5 years, and only early detection of the disturbances<br />
to respiration which might potentially<br />
lead to cor pulmonale and their subsequent<br />
therapy are able to improve the patient’s<br />
prognosis. Furthermore, pulmonary<br />
diseases may also have an impact on the left<br />
heart side in terms of an impairment of left<br />
heart function or by inducing severe arrhytmias.<br />
Thus, lung diseases may have both a<br />
significant impact on right and left heart performance.<br />
Keywords<br />
Pulmonary diseases · Pulmonary hypertension<br />
· Cor pulmonale · Left heart function<br />
Der Internist 3 · 2007 |<br />
279
Tab. 2 Pathomechanismen der pulmonalen<br />
Hypertonieentstehung. (Mod.<br />
n. [17])<br />
Obliteration (z. B. Thromboembolie, Gefäßbettreduktion<br />
bei Emphysem)<br />
Mechanische Läsion (z. B. Lungenstauung,<br />
Scherstress)<br />
Primäre vaskuläre Inflammation (z. B. PPH,<br />
Vaskulitis)<br />
Primäre extravaskuläre Inflammation (z. B.<br />
interstitielle <strong>Lungenerkrankungen</strong>)<br />
Hypoxische Vasokonstriktion (z. B. obstruktive<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong>, OSAS)<br />
Tab. 3 Pathomechanismen der Beeinträchtigung<br />
der Linksherzfunktion durch<br />
COPD <strong>und</strong> OSAS<br />
COPD<br />
Akute Exazerbation<br />
Septumverschiebung bei chronischem Cor<br />
pulmonale<br />
Systemische Entzündungsrektion<br />
OSAS<br />
Erhöhter Sympathikotonus<br />
Endotheliale Dysfunktion/Atherosklerose<br />
Oxidativer Stress<br />
COPD um den Faktor 2 bis 3 erhöhte Prävalenz<br />
kardiovaskulärer Erkrankungen<br />
angesehen [40]. Hinzu kommt der inhalative<br />
Nikotingenuss als gemeinsamer Risikofaktor<br />
sowohl für die COPD als auch<br />
für kardiovaskuläre Erkrankungen.<br />
OSAS<br />
Pathophysiologisch herausragend ist beim<br />
OSAS die Erhöhung des Sympathikotonus<br />
durch OSAS-bedingte repetitive Weckreaktionen<br />
(Arousals) in der Nacht, die bis<br />
in den Tag anhält. Für die Entstehung kardio-<br />
<strong>und</strong> zerebrovaskulärer ischämischer<br />
Krankheiten ist die Entwicklung einer<br />
Atherosklerose von vorrangiger Bedeutung.<br />
Hier zeigen neuere Untersuchungen<br />
einen pathophysiologisch relevanten Zusammenhang<br />
zwischen Störungen der<br />
endothelzellvermittelten Gefäßtonusregulation,<br />
deren Beeinträchtigung als ein<br />
frühes, funktionelles Korrelat der Atherosklerose<br />
aufgefasst wird, <strong>und</strong> dem<br />
OSAS [10, 11, 42]. In einem Subkollektiv<br />
von 1.037 Teilnehmern der Sleep-Heart-<br />
Health-Studie konnte erstmals an einem<br />
größeren Kollektiv (Alter 68–96 Jahre) eine<br />
lineare Beziehung zwischen schlafbe-<br />
280 | Der Internist 3 · 2007<br />
Schwerpunkt: Das Herz bei Inneren Erkrankungen<br />
zogenen Atmungsstörungen <strong>und</strong> Markern<br />
der vaskulären Endothelzellfunktion<br />
demonstriert werden [28]. In zahlreichen<br />
Untersuchungen wurde darüber hinaus<br />
gezeigt, dass das OSAS die Entstehung einer<br />
diastolischen linksventrikulären Dysfunktion<br />
hervorruft <strong>und</strong> sich die CPAP<br />
(„continuous positive pressure“)-Therapie<br />
günstig auf eine diastolische Funktionsstörung<br />
auswirken kann. Dies drückt sich<br />
aus in einer Umkehr des zuvor inversen E/<br />
A-Verhältnisses (E-Welle: früher passiver<br />
Einstrom in den linken Ventrikel; A-Welle:<br />
späte Phase der Ventrikelfüllung durch<br />
die Vorhofkontraktion; [2]). Beides (diastolische<br />
Dysfunktion <strong>und</strong> Besserung derselben<br />
unter CPAP) wurde auch für Kinder<br />
mit schwerer obstruktiver Schlafapnoe<br />
nachgewiesen [3].<br />
Es ist inzwischen weiterhin belegt, dass<br />
die Schlafapnoe eine systolische Funktionsstörung<br />
des linken Ventrikels verursachen<br />
kann [14, 20]. Wie tierexperimentell<br />
gezeigt werden konnte, führt die Schlafapnoe<br />
zu einer strukturellen <strong>und</strong> funktionellen<br />
Veränderung des linken Ventrikels.<br />
So konnten eine Größenzunahme<br />
des linken Ventrikels, ein Anstieg des endiastolischen<br />
linksventrikulären Drucks<br />
(LVEDP), ein Absinken der Druckanstiegsgeschwindigkeit<br />
(dp/dtmax) <strong>und</strong><br />
ein vermindertes Schlagvolumen bei Ratten<br />
mit experimentell erzeugter intermittierender<br />
Hypoxie ermittelt werden. Erhöhte<br />
Spiegel von myokardialen Lipidperoxiden<br />
<strong>und</strong> eine erniedrigte myokardiale<br />
Superoxiddismutase lassen vermuten,<br />
dass oxidativer Stress hierbei eine wesentliche<br />
Rolle spielt [6]. Wie klinische Studien<br />
an Patienten weiterhin gezeigt haben,<br />
verschlechtern sich durch eine Schlafapnoe<br />
kardiale Funktionsparameter, welche<br />
eine systolische Linksherzinsuffizienz anzeigen,<br />
<strong>und</strong> zwar nimmt die (echokardiografische)<br />
Ejektionsfraktion ab, während<br />
die Katecholaminausscheidung im Urin<br />
steigt. Der Pro-BNT (Brain-natriuretisches<br />
Peptid)-Spiegel, welcher gewöhnlich<br />
bei einer Linksherzinsuffizienz erhöht<br />
ist, scheint indes nicht durch eine schlafbezogene<br />
Atmungsstörung beeinflusst zu<br />
werden [4, 14]. In jedem Fall verschlechtert<br />
sich die Prognose der Patienten durch<br />
die systolische linksventrikuläre Funktionsstörung<br />
[21].<br />
Neben einer Verschlechterung der<br />
linksventrikulären Funktion durch das<br />
OSAS tritt hierbei auch gehäuft Vorhofflimmern<br />
auf. So wird in der Literatur<br />
die Prävalenz von Vorhofflimmern<br />
bei Patienten mit Schlafapnoe zwischen<br />
32 <strong>und</strong> 49% angegeben [16]. Nur bei etwa<br />
einem Drittel aller Patienten mit Vorhofflimmern<br />
gelingt es dauerhaft, den Sinusrhythmus<br />
zu erhalten; dies gilt insbesondere<br />
für solche mit Schlafapnoe. In einer<br />
weiteren Untersuchung konnte darüber<br />
hinaus gezeigt werden, dass Patienten<br />
mit Schlafapnoe unter CPAP-Therapie<br />
nach einer Kardioversion seltener Vorhofflimmerrezidive<br />
aufweisen als solche<br />
ohne CPAP [22].<br />
> Die Schlafapnoe<br />
kann eine systolische<br />
Funktionsstörung des linken<br />
Ventrikels verursachen<br />
Wie von verschiedenen Arbeitsgruppen<br />
gezeigt wurde, führt die CPAP-Therapie<br />
des OSAS zu einer Senkung des erhöhten<br />
Sympathikotonus <strong>und</strong> zu einer lang<br />
anhaltenden vollständigen Wiederherstellung<br />
einer intakten Endothelzellfunktion<br />
der Gefäße [12, 19, 27]. Die Verbesserung<br />
der beim OSAS gestörten Endothelzellfunktion<br />
ist essenziell zur Unterbrechung<br />
der Kausalkette bestehend aus<br />
OSAS, Störungen des mikrovaskulären<br />
Milieus, endothelialer Dysfunktion, Atherosklerose<br />
<strong>und</strong> resultierender Herz-Kreislauf-Erkrankung.<br />
Somit kommt der Therapie<br />
des OSAS mit CPAP eine vasoprotektive<br />
Funktion zu. Durch CPAP-Therapie<br />
verbessert sich aber auch die Symptomatik<br />
der Patienten (6-Minuten-Gehtest,<br />
spiroergometrisch gemessene kardiopulmonale<br />
Leistungsfähigkeit; [36]). Ebenso<br />
kommt es zu einer Verbesserung anderer<br />
objektiv messbarer Parameter wie<br />
dem Norepinephrinspiegel, dem Ausmaß<br />
der Dilatation des linken Ventrikels, gemessen<br />
am enddiastolischen linksventrikulären<br />
Durchmesser (LVEDD), <strong>und</strong> der<br />
Ejektionsfraktion [4, 23]. Letztendlich zeigen<br />
OSAS-Patienten unter CPAP-Therapie<br />
eine verbesserte Überlebensrate mit<br />
Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse<br />
wie Apoplex <strong>und</strong> koronarer Herzkrankheit<br />
bzw. Myokardinfarkt [25].
Fazit für die Praxis<br />
<strong>Lungenerkrankungen</strong> bzw. Atmungsstörungen<br />
können sowohl eine Auswirkung<br />
auf die Funktion des rechten wie<br />
auch des linken Herzens haben. Die gravierendste<br />
Auswirkung von <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
auf die Rechtsherzfunktion<br />
ist die Ausbildung eines Cor pulmonale<br />
in Folge einer pulmonalen Hypertonie.<br />
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung<br />
(COPD) stellt die häufigste Ursache<br />
eines chronischen Cor pulmonale<br />
dar. Eine weitere häufige Ursache ist das<br />
obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS),<br />
insbesondere dann, wenn es in Kombination<br />
mit einer COPD auftritt. Die Entwicklung<br />
eines chronischen Cor pulmonale<br />
stellt einen entscheidenden negativen<br />
prognostischen Faktor dar. Darüber<br />
hinaus können <strong>Lungenerkrankungen</strong><br />
bzw. Atmungsstörungen auch Beeinträchtigungen<br />
der Pumpfunktion des linken<br />
Herzens oder aber Herzrhythmusstörungen<br />
hervorrufen. Nur die frühzeitige<br />
Erkennung der potenziell zu Funktionsstörungen<br />
des Herzens führenden Lungenerkrankung<br />
bzw. Atmungsstörung<br />
<strong>und</strong> deren konsequente medikamentöse<br />
<strong>und</strong> apparative Therapie kann die Prognose<br />
des Patienten verbessern.<br />
Korrespondierender Autor<br />
Prof. Dr. K. Rasche<br />
Zentrum für Innere<br />
Medizin,Schwerpunkt Pneumologie,<br />
Allergologie, Schlaf-<br />
<strong>und</strong> Beatmungsmedizin, Kliniken<br />
St. Atonius, Akademisches<br />
Lehrkrankenhaus<br />
der Universität Düsseldorf<br />
Vogelsangstr. 106,<br />
42109 Wuppertal<br />
rasche@antonius.de<br />
Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkonflikt.<br />
Der korrespondierende Autor versichert, dass keine<br />
Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in<br />
dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt<br />
vertreibt, bestehen. Die Präsentation<br />
des Themas ist unabhängig <strong>und</strong> die Darstellung der Inhalte<br />
produktneutral.<br />
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