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Diskussionsbeitrag - Diakonisches Werk Hamburg

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<strong>Diskussionsbeitrag</strong><br />

Rahmenvereinbarung<br />

Regionale Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe<br />

für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen<br />

mit besonders herausforderndem Verhalten<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Hamburg</strong> begrüßt, dass sich die Behörden aus dem Bereich Schule und<br />

dem Bereich Jugendhilfe zum Thema „Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendliche mit<br />

besonders herausforderndem Verhalten“ auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, da es sich hier<br />

um ein „Schnittmengenthema“ handelt. Die Diakonie begrüßt deshalb, dass auch die Finanzierung<br />

grundsätzlich zu gleichen Anteilen von den beiden Systemen getragen wird.<br />

Wir teilen die zwischen den Behörden vereinbarten Ziele der Chancengerechtigkeit für alle Kinder<br />

und Jugendlichen, deren aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die erfolgreiche Teilhabe<br />

am schulischen Leben, die stabile schulische Integration mit bestmöglichem Schulabschluss. Wir<br />

teilen auch das Ziel, Ausgrenzungen und Schulwechsel zu vermeiden, und den Verbleib im<br />

(Regel-) Schulsystem sicherzustellen.<br />

Die Diakonie begrüßt ausdrücklich, dass die Behörden den Zusammenhang zwischen<br />

Schulproblemen und familiären Situationen herstellen, und daraus ableitend Konzepte der<br />

Kooperation entwickeln.<br />

Die Diakonie wertschätzt die umfangreiche Arbeit zwischen unterschiedlichen Ebenen und<br />

Systemen, die trotz unterschiedlicher Aufträge, Rechtssysteme und Finanzierungswege zu einem<br />

Ergebnis geführt hat.<br />

Bei den zwei in der Rahmenvereinbarung vorgestellten Modellen (individuelles<br />

Unterstützungsangebot, temporäre Lerngruppen) sollten die bereits vorhandenen Projekte und<br />

deren positive Erfahrungen genutzt werden. Dabei sind Konzepte für Kinder mit einzubeziehen, für<br />

die ein außerhäusiger und gruppenbezogener Lernort zunächst ungeeignet ist. Unklar ist, ob die<br />

geforderten Ferienkonzepte mit der geplanten Finanzierung abgedeckt werden sollen.<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> sieht in der abgeschlossenen Rahmenvereinbarung folgende<br />

Diskussionspunkte:<br />

1. Elternarbeit und Hilfen zur Erziehung<br />

In der Rahmenvereinbarung wird zu Recht der Zusammenhang zwischen Schulproblemen und<br />

häuslich-familiärer Situation aufgezeigt. Zwei Probleme tauchen dabei auf:<br />

1.1. : Zwar soll die Kooperation den Hilfen zur Erziehung „vorbeugen“, dann wird aber mit der<br />

inhaltlichen Beschreibung der familiären Situation 1) (Risikofamilien mit extremen häuslichen<br />

Problemen), der „Aufträge“ ((Wieder-)Herstellung der Erziehungskompetenz der Eltern) und<br />

der Verfahren (Hilfeplanung, Sozialpädagogische Diagnostik, Problem- und<br />

Ressourcenanalyse) das originäre Arbeitsfeld „Hilfen zur Erziehung“ skizziert.<br />

1) s. Fußnote 1 der Rahmenvereinbarung; Punkt 4, letzter Absatz; Punkt 6.1. unter „intensive Elternarbeit


Zwar brauchen nicht alle SchülerInnen mit herausfordernden Verhaltensweisen eine Hilfe zur<br />

Erziehung, aber mit der Ausrichtungen in der Rahmenvereinbarung ist eine Unterscheidung<br />

nicht möglich. Zudem bleibt ungeklärt, wie die Kooperation mit dem Schulsystem organisiert<br />

werden soll, wenn Eltern stationäre oder ambulante Erziehungshilfen erhalten. Der alleinige<br />

Hinweis, dass bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung die gesetzlichen Vorgaben des SGB<br />

VIII (§ 8a) greifen, ist nicht hinreichend. Besonders der Rechtsanspruch auf Hilfen nach §§ 27<br />

ff. SGB VIII bleibt in der Rahmenvereinbarung ausgeklammert.<br />

1.2.: Die vorgestellten Leistungen im Rahmen der Elternarbeit sind nicht anschlussfähig an die<br />

oben beschriebene inhaltliche Ausrichtung. Abgesehen davon, dass mal von „begleitender“,<br />

mal von „intensiver“ Elternarbeit gesprochen wird, beschränkt sich das Angebot im<br />

Wesentlichen auf Beratung und Beteiligung (offene Sprechstunden, Einzelgespräche). Ggfs.<br />

sind Hausbesuche durchzuführen. Elternarbeit soll möglichst „unter dem Dach der Schule“<br />

stattfinden. Mit diesen niederschwelligen Angeboten sind die in der Rahmenvereinbarung<br />

beschriebenen familiären Verhältnisse nicht angemessen zu bearbeiten. Damit wird dann aber<br />

auch der Schulerfolg in Frage gestellt.<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> schlägt vor, bei allen Schwierigkeiten einer Abgrenzung, zwischen<br />

Kindern und Jugendlichen zu unterscheiden,<br />

- bei denen aufgrund der familiären Probleme (im Vorfeld von HzE) Beratung und Begleitung<br />

der Eltern ausreicht, und denen,<br />

- bei denen die Erziehungskompetenz der Eltern soweit eingeschränkt ist, dass eine<br />

ambulante oder stationäre Erziehungshilfe angezeigt ist. Werden Hilfen zur Erziehung<br />

geleistet, sind Grundlagen für die Zusammenarbeit mit der Regelschule zu treffen.<br />

2. Integriertes Unterstützungsangebot oder temporäre Lerngruppen (Ressourcen)<br />

Eine abschließende Bewertung der Ressourcenzuweisung im Abgleich zu den gestellten<br />

Anforderungen ist erst nach dem Sammeln praktischer Erfahrungen möglich.<br />

Für die Ressourcenzuweisung aus dem Anteil der Jugendhilfe ist der Vergleich zum<br />

Finanzierungssystem der Fachleistungsstunde(FLS) naheliegend, um eine realistische Basis<br />

für eine erste Einschätzung zu gewinnen. Insgesamt sollen aus dem Haushaltstitel der Hilfen<br />

zur Erziehung 5,5 Mio.€ für die Schulprojekte entnommen werden.<br />

Im Modell 1 (s. Punkt 7.1 der Rahmenvereinbarung), dem integrierten und individualisiertem<br />

Unterstützungsangebot, sollen im Schnitt 9 Kinder durch 1,5 Sozialpädagogen von der<br />

Jugendhilfe (dazu 1,5 Stellen aus der Schule und 1/8 Stelle Beratung durch ReBBZ) betreut<br />

werden. Eine Projekteinheit soll 95.000,-€ (Anteil HzE) pro Jahr kosten.<br />

Umgerechnet sind dies 5,2 Fachleistungsstunden (FLS) pro Woche pro Kind als Anteil der<br />

Jugendhilfe. Werden die mittelbaren Zeiten (Dienstbesprechungen, Vor-u.Nachbereitung,<br />

Dokumentation etc.) abgezogen, verbleiben ca. 3,5 Wochenstunden für den direkten Kontakt<br />

zum Kind. 1) Im ambulanten Bereich der Erziehungshilfen (§§ 30,31 SGB VIII) werden zum<br />

Vergleich im Schnitt 6,6 FLS verfügt. 2) Mitbedacht werden muss, dass diese Betreuungsdichte<br />

auch die Ferien umfasst. Zwar sind gemäß Rahmenvereinbarung auch Konzepte für die<br />

Ferien vorzulegen, aber eine geringere Betreuung in diesen Zeiten kann für eine erhöhte<br />

Betreuung in Schulzeiten genutzt werden. Dazu kommt der gleiche Betreuungs-<br />

/Beschulungsanteil aus dem Schulsystem zzgl. eines Beratungsanteils von ReBBZ.<br />

Übertragen auf die FLS-Systematik ergibt sich einschließlich der Sachkosten/Büromieten und<br />

Overheadkosten eine Gesamtsumme von 105.000,-€ pro Projekteinheit aus HzE-Mitteln. Die<br />

Differenz zu den eingeplanten Mitteln (95.000,-€, s.o.) kann sich dadurch ergeben, dass die<br />

Schule Räumlichkeiten und Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt.<br />

2) Anmerk.: Die Zahlen ergeben sich aus einer Auswertung des Diakonischen <strong>Werk</strong>es von 126 Fällen im<br />

März 2010; vorgestellt in der AG Leistung(Vertragskommission nach § 78f. SGB VIII)


Im Modell 2 (s. Punkt 7.2 der Rahmenvereinbarung), sollen – zumindest im ersten Jahr- in<br />

einer temporären Lerngruppe 6 Kinder von 1,75 Sozialpädagogen von der Jugendhilfe (dazu<br />

1,5 von der Schule zzgl. 0,5 Stellen Schulberatung) betreut/beschult werden. Wird den<br />

Vergleichsberechnungen im Modell 1 gefolgt, ergeben sich 9,1 FLS-Wochenstunden pro Kind<br />

aus dem Jugendhilfebereich. Für den direkten Kontakt zum Kind bleiben pro Woche ca.5,5<br />

Stunden übrig. Da im Unterschied zu Modell 1 von einer 6er Gruppe ausgegangen werden<br />

kann, stehen für die den Tag (9 bis 16. Uhr) ca. 10,95 FLS aus der Jugendhilfe zur Verfügung,<br />

für die direkte Beschulung/Betreuung 6,6 Stunden pro Tag. Bedacht werden muss auch hier,<br />

dass ein etwa gleicher Anteil Ressourcen von der Schule zur Verfügung gestellt wird, und bei<br />

dieser Berechnung die Ferienbetreuung mit abgedeckt wird.<br />

Im FLS-System ergäbe sich eine Gesamtsumme von 122.000,-€ pro Jahr aus der<br />

Jugendhilfe(HzE). Die Differenz zu den geplanten 140.000,-€ ist erklärungsbedürftig.<br />

Insgesamt ergibt sich im Modell 2 die bessere Personalausstattung daher, weil hier die<br />

Beschulung eine Alternative zur Regelbeschulung darstellt, und damit die gesamte Zeit von<br />

9.00 bis 16.00 Uhr abgedeckt werden muss. Gleichwohl soll das Modell zur zügigen<br />

Integration in die Regelschule beitragen und nicht Abschiebeprozesse stimulieren.<br />

Bestätigen sich die vorgestellten Berechnungen und Vergleiche bewerten wir in einer ersten<br />

vorläufigen Einschätzung beide Modellen so, dass damit die geforderte inhaltliche Arbeit<br />

leistbar ist, wenn die familiäre Problematik eher gering und mit beratender Elternarbeit zu<br />

bewältigen ist. Wie unter Punkt 1 schon ausgeführt, stellt sich die Frage der Notwendigkeit<br />

einer Erziehungshilfe bzw. zusätzlicher Ressourcen, wenn die familiäre Situation extrem<br />

belastet ist.<br />

Offen bleiben Fragen hinsichtlich der Organisation der Ferienbetreuung auch vor dem<br />

Hintergrund unterschiedlicher Arbeitszeitrechnungen in Jugendhilfe und Schule.<br />

Ungeklärt und offen ist auch die Frage zur Abgrenzung der Schulbegleitung im Kontext der<br />

Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII.<br />

3. Kooperationspartner: Beteiligung der Träger der freien Jugendhilfe<br />

Die Rahmenvereinbarung ist auch die Grundlage für die kooperierenden Träger der (freien)<br />

Jugendhilfe. Die Jugendbehörden haben bei der Konzipierung der Rahmenvereinbarung die<br />

Beteiligung der Verbände und Träger der freien Jugendhilfe missachtet. Damit wurde<br />

versäumt, dem Schulsystem die Besonderheit in der Jugendhilfe, das partnerschaftliche<br />

Verhältnis zwischen öffentlichen und freien Trägern als konstituierendem Element,<br />

nahezubringen. Im Ergebnis sind Akzeptanz und fachliche Ausrichtung der<br />

Rahmenvereinbarung und deren erfolgreiche Umsetzung eingeschränkt.<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> empfiehlt dringend, die Diskussionen der Schul- und Jugendbehörden<br />

zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit herausforderndem Verhalten mit den Trägern<br />

der (freien) Jugendhilfe zu führen, und Konzepte zukünftig zu entwickeln, die den<br />

gemeinsamen Zielen folgen.<br />

<strong>Hamburg</strong>, März 2013

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