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Ausschreibungen im Regionalverkehr - Daniel Fischer & Partner

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<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong> – Eine<br />

strategische Herausforderung für öV<br />

Unternehmungen<br />

Dr. <strong>Daniel</strong> <strong>Fischer</strong><br />

Michael Hügli<br />

Mit der Revision des Eisenbahngesetztes (EBG) <strong>im</strong> Jahr 1996 hat sich das strategische<br />

Umfeld für öV Unternehmungen verändert. Eine Defizitgarantie für Leistungen <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

besteht nicht mehr, bei ungenügender Kompetivität werden Linien, resp.<br />

ganze Netze, von der öffentlichen Hand ausgeschrieben. Der Wettbewerb unter den<br />

Transportunternehmungen <strong>im</strong> öV ist somit lanciert, die Anforderungen an Führungskräfte<br />

in der öV Branche sind gestiegen.<br />

Der vorliegende Beitrag skizziert die neue strategische Ausgangslage und fasst die bisherigen<br />

Erfahrungen mit dem neuen Bestell- und Ausschreibungsverfahren zusammen.<br />

Daraus werden die Erfolgsfaktoren <strong>im</strong> Ausschreibungswettbewerb festgehalten und die<br />

Konsequenzen für das Management einer öV Unternehmung aufgezeigt.<br />

1 Strategische Ausgangslage <strong>im</strong> öV<br />

Die strategische Ausgangslage für öV Unternehmungen hat sich in den letzten Jahren<br />

massiv verändert: dies pr<strong>im</strong>är infolge einer internationalen Anpassung des Beschaffungswesens<br />

der öffentlichen Hand sowie des steigenden Spardrucks bei Bund und<br />

Kantone.<br />

Abbildung 1: Strategische Ausgangslage <strong>im</strong> öV<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Fahrgast Technik<br />

Rechtliche<br />

Vorgaben<br />

Umwelt &<br />

Soziales<br />

Strat. Ausgangslage<br />

<strong>im</strong> öV<br />

Mitbewerber<br />

Öffentliche<br />

Hand


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Rechtliche Vorgaben<br />

Die Revision des Eisenbahngesetzes (EBG) <strong>im</strong> Jahre 1996 führte zu einem grundlegenden<br />

Wechsel in der Finanzierung des regionalen Personenverkehrs: statt über eine<br />

Defizitgarantie von Bund und Kantone verfügt die öV Unternehmung nur noch über eine<br />

zugesicherte Entschädigung (Abgeltung), basierend auf einer vorgängig eingereichten<br />

Planrechnung.<br />

Mit der Abgeltungsverordnung (ADFV) wurden das Bestellverfahren für Verkehrsleistungen<br />

<strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong> sowie die von den Transportunternehmungen zu erfüllenden<br />

Voraussetzungen klar geregelt. Dies betrifft insbesondere die Vorschriften betreffend<br />

der Rechnungslegung, für welche ergänzend die Verordnung über das Rechnungswesen<br />

der konzessionierten Unternehmungen (REVO) gilt.<br />

Unterschieden wird zwischen einer Brutto-Offerte, wie sie beispielsweise der ZVV praktiziert,<br />

und einer Netto-Offerte. Bei der Brutto-Offerte bleibt das Ertragsrisiko be<strong>im</strong> Besteller.<br />

Die Transportunternehmung hat lediglich das relativ gut planbare Kostenrisiko zu<br />

tragen. bei der Netto-Offerte offeriert die Transportunternehmung die Kosten sowie die<br />

Erträge und trägt somit das volle unternehmerische Risiko.<br />

Fazit: mit der Revision des EBG verschob sich das unternehmerische Risiko von der<br />

öffentlichen Hand zu den Transportunternehmungen. Die Kosten- und Leistungstransparenz<br />

n<strong>im</strong>mt infolge der einschlägigen Vorschriften zu, die Anforderungen an die finanzielle<br />

Führung der Transportunternehmungen sind gestiegen.<br />

Mitbewerber<br />

Der motorisierte Individualverkehr (MIV) auf der Strasse ist und bleibt der Hauptkonkurrent<br />

des öffentlichen Verkehrs. Er ist jedoch <strong>im</strong> Zusammenhang mit der vorliegenden<br />

Thematik nicht von zentraler Bedeutung. Zudem wird die Strasse infolge Kapazitätsengpässen<br />

und der Verteuerung des Treibstoffes zunehmende Wettbewerbsherausforderungen<br />

zu bewältigen haben.<br />

Die Konkurrenz innerhalb der öV-Branche erfuhr <strong>im</strong> Rahmen der WTO/GATT Regelungen<br />

eine Vitalisierung und Internationalisierung. Der Markt wurde für ausländische Mitbewerber<br />

zumindest aus formeller Sicht geöffnet. Die Förderung der Konkurrenz ist<br />

zudem explizierter Wille der Behörden.<br />

Es ist daher damit zu rechnen, dass je Transportmittel (Bahn, Bus) und Region, 1-2<br />

Grossunternehmungen gegen eine aufkommende Zahl von formierten Kleinbetrieben<br />

in Konkurrenz treten werden. Die Konkurrenz wird sich allerdings pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Ausschreibungswettbewerbe von Linien abspielen.<br />

Innerhalb des öV Systems Schweiz wird die Kooperation in Marketing- und Verkaufsfragen<br />

gegenüber dem Endkunden weiterhin der entscheidende Erfolgsfaktor sein. Entsprechendes<br />

Opt<strong>im</strong>ierungspotential ist jedoch auch hier vorhanden. Die Kooperation<br />

zwischen Mitbewerbern wird deshalb <strong>im</strong> Sinne einer Fokussierung auf die jeweiligen<br />

Kernkompetenzen und <strong>im</strong> streben nach weiteren Kosteneinsparungen (economies of<br />

scale) weitergehen. Horizontale Integrationen werden insbesondere in den Bereichen<br />

Beschaffung, Unterhalt und Management verfolgt.<br />

Es ist denn auch dieser Trend, der den ehemaligen Monopolisten heute zu schaffen<br />

macht. Im Gegensatz zu neuen Mitbewerbern, welche auf der “grünen Wiese” eine


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

schlanke und somit kostengünstige Unternehmung aufbauen können, unterhalten die<br />

ehemaligen Staatsbetriebe für jeden Produktionsschritt kostenintensive Abteilungen.<br />

Fazit: die Konkurrenz innerhalb der öV Branche hat sich massiv verstärkt. Neue Mitbewerber<br />

profitieren zumeist von einer schlanken und kostengünstigen Unternehmungsstruktur.<br />

Dies setzt die ehemaligen Monopolisten (SBB, PostAuto) unter Druck. Um am<br />

Markt erfolgreich zu sein, wird trotz des zunehmenden Wettbewerbs die Kooperation<br />

zwischen den Unternehmungen auch künftig zentral sein.<br />

Öffentliche Hand<br />

Der Spardruck bei der öffentlichen Hand ist insbesondere infolge der demographischen<br />

Entwicklung und der damit zusammenhängenden steigenden Kosten für die soziale<br />

Wohlfahrt enorm. Das Geld für den Verkehr wird sich deshalb verknappen.<br />

Die Finanzierung der geplanten Infrastrukturausbauten (NEAT, ZEB, HGV) ist dank des<br />

FinöV-Fonds, welcher vom ordentlichen Bundesbudget losgelöst ist, nicht gefährdet.<br />

Anders sieht es mit den Mitteln für den laufenden Betrieb (Substanzerhaltung Infrastruktur<br />

und Abgeltung Verkehr) aus: diese unterliegen dem ordentlichen Bundesbudget und<br />

somit dem Spardruck, welcher sich direkt auf die öV Unternehmungen auswirken wird.<br />

Infolge der fehlenden Mittel für die Substanzerhaltung der Bahn-Infrastruktur, zeichnet<br />

sich deshalb in ländlichen Regionen ein Wettbewerb <strong>im</strong> Modalsplit (öV versus Privatverkehr)<br />

sowie zwischen Bahn und Bus ab. Mit dem neuen Finanzausgleich (NFA) erhöht<br />

sich zudem der Kantonsanteil auf 50%. Dies verstärkt den Druck nach Kosteneinsparungen<br />

<strong>im</strong> öV insbesondere in finanzschwachen, d.h. pr<strong>im</strong>är in den ländlichen Kantonen<br />

zusätzlich.<br />

Fazit: öV Unternehmungen müssen künftig effizienter und kostengünstiger produzieren<br />

sowie am Markt mehr Ertrag generieren. D.h., die Produktion muss marktgerechter werden.<br />

Im Rahmen der Offerten ist vermehrt eine Gesamtsicht Bahn-Bus notwendig. Die<br />

öffentliche Hand übern<strong>im</strong>mt dazu zunehmend eine gestalterische Rolle. Sie n<strong>im</strong>mt Einfluss<br />

auf die Unternehmenslandschaft <strong>im</strong> öV durch<br />

• ein transparentes Benchmarking-System (Controlling durch das BAV),<br />

• die Förderung von Unternehmensgruppen 1 .<br />

Technik<br />

Die Entwicklung in der Technik ist rasant, die Unternehmungen werden auf verschiedenen<br />

Ebenen beeinflusst:<br />

• Rollmaterial<br />

• Betriebsführung (bspw. Fernsteuerung)<br />

• Betriebssicherheit (bspw. Zugsicherung)<br />

• Distribution<br />

Diese Neuerungen bedeuten <strong>im</strong> Betrieb einerseits ein Kosteneinsparungspotential und<br />

für den Kunden eine Qualitätsverbesserung. Anderseits generieren die Unternehmungen<br />

oft nicht genügend Cash Flow um die Investitionen finanzieren zu können. Infolge<br />

der notwendigen Kooperationen zwischen den verschiedenen Unternehmungen, insb. in<br />

1 vgl. hiezu <strong>Fischer</strong>/Pfister, Kooperationsstrategien für Unternehmen <strong>im</strong> öffentlichen Verkehr,<br />

Jahrbuch der Verkehrswirtschaft 2004/2005, IDT-HSG.


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

der Distribution, Sicherheit und Betriebsführung, ist die Ausgangslage für die Einführung<br />

von Innovationen jedoch schwierig.<br />

Fazit: die Entwicklung in der Technik bietet den Unternehmungen langfristig ein Kosteneinsparungspotential<br />

an. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel sowie dem Abst<strong>im</strong>mungsbedarf<br />

zwischen den Mitbewerbern, drängt sich eine enge Kooperation mit den<br />

Lieferanten und eine horizontale Integration auf.<br />

Umwelt und Soziales<br />

Anfang der 90er Jahren profitierte der öV von einem aufkommenden Umweltbewusstsein<br />

in der Gesellschaft. Trotz Kl<strong>im</strong>aerwärmung und einer Häufung von Unwettern ist<br />

dieser Trend mittlerweile gebrochen. Vielmehr wurde erkannt, dass auch die Bahn die<br />

Umwelt belastet. Entsprechende Investitionen wurden deshalb notwendig (Lärmsanierung).<br />

Auch mit einem bürgerlich dominierten Bundesrat sind die Arbeitnehmerverbände weiterhin<br />

stark. Dies gilt insbesondere für den öV. Den Gewerkschaften geht es darum,<br />

dass <strong>im</strong> Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) die komfortablen Anstellungsbedingungen<br />

aus den Zeiten der Regiebetriebe so gut wie möglich erhalten bleiben. Die<br />

Auflagen <strong>im</strong> Rahmen von <strong>Ausschreibungen</strong> sind diesbezüglich denn auch jeweils relativ<br />

hoch. Mit der Kündigung des GAV hat die SBB <strong>im</strong> Frühjahr 2006 jedoch ein für die<br />

Branche deutliches Signal ausgesendet.<br />

Fazit: der öV steht in der Bevölkerung <strong>im</strong> Wettbewerb mit anderen Interessen. Öffentliche<br />

Gelder sind somit für den öV auch unter dem Aspekt des Umweltschutzes <strong>im</strong>mer<br />

schwieriger zu generieren. Die Stellung der Arbeitnehmer ist <strong>im</strong> öffentlichen Verkehr<br />

weiterhin stark. Auch sie müssen jedoch künftig noch vermehrt ihren Anteil zu Kosteneinsparungen<br />

und Effizienzsteigerungen beitragen.<br />

Fahrgast<br />

Die Nachfrage nach Mobilität wird in den kommenden Jahren zunehmen. Infolge eines<br />

steigenden Beschäftigungsgrades der weiblichen Bevölkerung gilt dies sowohl für den<br />

Pendler- als auch für den Geschäfts- und Freizeitverkehr. Letzterer wird insbesondere<br />

vom demografischen Wandel und dem wachsenden Segment der Senioren profitieren.<br />

Aufgrund der Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der Strasse (Stau, Treibstoffpreise)<br />

sowie den bevorstehenden Angebotsverbesserungen des öV, wird der öffentliche<br />

Verkehr an diesem Wachstum überproportional partizipieren. Dies sofern Angebot<br />

und Qualität gehalten werden können.<br />

Die Schweiz ist zudem ein Reiseland. Fast 25% der in der Schweiz nachgefragten Personenkilometer<br />

betreffen das Incoming- und Transitgeschäft. Der Tourismus macht rund<br />

5% des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus. Über die Hälfte der Einnahmen werden durch<br />

Incoming Gäste generiert. Es liegt am öV, das touristische Produkt aktiv mitzugestalten<br />

und auch dank dem touristischen Verkehr die Ertragskraft zu steigern.<br />

Fazit: die Nachfrage nach Mobilität steigt unvermindert an. Die Wettbewerbsposition des<br />

öV ist gut und wird sich noch verbessern. Für das Tourismusland Schweiz ist ein funktionierendes<br />

öV-System ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Es liegt an den öV Unternehmungen,<br />

diese Chance effizient zu nutzen.


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

2 Erfahrungsbericht bisheriger Auswertungen<br />

Ein Jahrzehnt nach der Revision des EGB und nach der Ausschreibung von mehreren<br />

Linien überwiegen die positiven Faktoren. Dies gilt sowohl für die Besteller als auch für<br />

die Transportunternehmungen. Die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems entwickelte<br />

sich <strong>im</strong> Sinne der Gesetzesrevision, die Rollenteilung ist grossmehrheitlich klar und der<br />

Wettbewerb zwischen den Transportunternehmungen ist lanciert. Im Ausschreibungsverfahren<br />

selbst gilt es aufgrund der Erfahrungen jedoch noch Unsicherheiten zu el<strong>im</strong>inieren,<br />

Vorgaben zu präzisieren und somit Rechtstreitigkeiten zu verhindern.<br />

Abbildung 2: Erfahrungen bisheriger Auswertungen<br />

Verfahren<br />

Rollenteilung<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Verfahren<br />

Abbildung 3 zeigt auf, dass grundsätzlich zwischen zwei Verfahren unterschieden werden<br />

muss. Dem jährlichen Bestellverfahren nach EBG sowie dem Ausschreibungsverfahren.<br />

Letzteres wird vor allem dann angewendet, wenn sich der Besteller durch die<br />

Begrüssung von weiteren Transportunternehmungen einen erheblichen Preisvorteil oder<br />

eine Qualitätssteigerung verspricht.<br />

Abbildung 3: Offert-Verfahren <strong>im</strong> öV<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Bestellverfahren<br />

- EBG Art. 51, ADFV Art. 10<br />

- Wird jährlich durchgeführt<br />

Erfahrungen<br />

Resultate und<br />

deren Würdigung<br />

Offert-Verfahren<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

Wettbewerb<br />

Ausschreibungsverfahren<br />

- EBG Art. 51, ADFV Art. 15<br />

- Wird durchgeführt, wenn<br />

Besteller mit Offerte einer TU<br />

nicht befriedigt ist.<br />

Das Bestellverfahren nach EBG bewährte sich aus Sicht der öffentlichen Hand, aber<br />

auch aus Sicht der öV Unternehmungen gut. <strong>Ausschreibungen</strong> wurden, konform mit der


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Absicht des BAV, noch relativ zögerlich gemacht. So verpflichtete sich einzig der Kanton<br />

Luzern gesetzlich dazu, periodisch die Linien auszuschreiben. Acht Kantone liessen<br />

hingegen verlauten, dass sie ihre Linien nie ausschreiben wollen.<br />

Grund für die eher zögerliche Haltung betreffend den <strong>Ausschreibungen</strong>, ist die unbegründete<br />

Angst vor einem hohen administrativen Aufwand ohne schlussendlich eine<br />

Effizienzsteigerung erzielen zu können. Bestehende Rechtsunsicherheiten hemmen<br />

zusätzlich.<br />

Eine Schwierigkeit <strong>im</strong> Bestellverfahren stellt die Einhaltung der Fristen dar. Abbildung 4<br />

zeigt den Ablauf einer Ausschreibung für Busleistungen gemäss Leitfaden BAV auf. Für<br />

die Bestellung von Bahnleistungen ist mit einer längeren Ausschreibungsdauer zu rechnen.<br />

Abbildung 4: Ablauf und Fristen einer Ausschreibung<br />

<br />

30 Tage 30 Tage 30 Tage 15 T. 30 Tage 45 Tage 90 Tage 30 Tage 30 Tage<br />

Erstellung Beurteilungs- und<br />

Ausschreibungsunterlagen<br />

durch Behörden<br />

Prüfung der Unterlagen<br />

durch BAV / Dritte<br />

Bereinigung Unterlagen. Inforration<br />

der betr. TU. Interres-<br />

Sierte TU beantragen Unterlagen<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Eingabefrist für Fragen.<br />

Fragebeantwortung in anonymi-<br />

Sierter Form durch AöV an alle.<br />

Eingabetermin der Offerten,<br />

Offertöffnung<br />

Erfahrungen haben gezeigt, dass die Zeitspanne vom Versand der Offertunterlagen<br />

(Phase 3), bis zum Termin der Offerteinreichung (Phase 6) oft kürzer ist. Transportunternehmungen<br />

müssen damit rechnen, dass diese Phase statt drei, nur zwei Monate<br />

dauern kann.<br />

Die Fristigkeiten können insbesondere dann zu Konflikten führen, wenn die Transportunternehmungen<br />

ohne rechtsgültige Bestellung die Arbeiten und Planungen vorantreiben<br />

müssen und damit entsprechende finanzielle Risiken eingehen.<br />

Erkenntnis: das Bestellverfahren ist <strong>im</strong> Prinzip unbestritten. Die Anwendung des Ausschreibungsverfahrens<br />

ist jedoch kantonal sehr differenziert. Den Prozess sowie die<br />

Spielregeln <strong>im</strong> Rahmen der Ausschreibung gilt es durch den Besteller zu opt<strong>im</strong>ieren.<br />

Rollenteilung<br />

Die Rollenteilung zwischen den Kantonen und dem Bund wird grundsätzlich als gelungen<br />

eingestuft. Abst<strong>im</strong>mungsbedarf besteht insbesondere in Fragen der Konzessionierung,<br />

welche vom Bund vergeben wird. So ist die Laufzeit der Konzessionen auf die<br />

Dauer der Ausschreibungsperioden abzust<strong>im</strong>men.<br />

Auswertung der Offerten durch<br />

den Kanton.<br />

Prüfung, Stellungnahme zur<br />

Auswertung durch Mitbesteller.<br />

Vorbereitung und Bekanntgabe<br />

Vergabeentscheid.<br />

<br />

+ 1 Jahr<br />

Evtl. Beschwerdeverfahren.<br />

Konzessionierung und anschl. definitive<br />

Bestellung des Angebotes bei TU. Vorbereitung<br />

der Übernahme des Fahrplanangebotes<br />

durch TU, operativer Start.


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Zusätzlichen Support erwarten die Kantone vom Bund bei interkantonalen Betrachtungen<br />

sowie <strong>im</strong> Bereich des Benchmarkings. Dieses wird künftig nicht nur die finanziellen<br />

Aspekte, sondern auch die Qualität umfassen. Ein entsprechendes Bonus-Malus System<br />

ist in der Weiterentwicklung des Gesetzes vom BAV vorgesehen. Ebenfalls untern<strong>im</strong>mt<br />

das BAV grosse Anstrengungen um das finanzielle Benchmarking zu verbessern<br />

und die Transparenz damit zu steigern.<br />

Die Kantone nutzen ihren neuen grösseren Handlungsspielraum. Entsprechend liegen<br />

von verschiedenen kantonalen Ämtern verkehrspolitische Strategiepapiere vor 2 . Die<br />

entsprechenden Umsetzungen widerspiegeln sich auch in den veränderten Fahrplanangeboten.<br />

Die Rollenteilung zwischen dem Besteller und den Transportunternehmungen wird unterschiedlich<br />

beurteilt. So verlangen die Transportunternehmungen insgesamt mehr unternehmerische<br />

Freiheiten. Dies auch bezüglich der Angebotsplanung. Wichtig ist eine<br />

klare Trennung von Politik und Unternehmung. So werden Verwaltungsratsmandate von<br />

Politikern in öV Unternehmungen zunehmend als kritisch beurteilt.<br />

Erkenntnis: Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung zwischen Besteller und Transportunternehmung<br />

gilt es zu klären. Von Seiten der Unternehmungen sind bei Angebotsveränderungen<br />

die wirtschaftliche Konsequenzen sowie neue Potentiale darzustellen.<br />

Wettbewerb<br />

Der Wettbewerb <strong>im</strong> öV wurde mit den Ausschreibungsverfahren <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

lanciert. Die <strong>im</strong> EBG verlangte transparente Kosten-Leistungsrechnung trug wesentlich<br />

zur Förderung des Wettbewerbes bei. Mindestens zwei Unternehmungen reichten jeweils<br />

eine Offerte ein.<br />

Einer ausländischen Unternehmung gelang der Markteintritt <strong>im</strong> grossen Stil hingegen<br />

noch nicht. Dies beruht wohl auf der Tatsache, dass Gewinnmitnahmen nicht möglich<br />

sind (Art. 64, EBG) und das betriebswirtschaftliche Interesse der möglichen Mitbewerber<br />

somit beschränkt ist. Vermutlich spielen aber auch der emotionale Charakter und das<br />

jeweils grosse Interesse der Öffentlichkeit eine gewisse Rolle bei der Auftragsvergabe<br />

durch die Kantone.<br />

Erkenntnis: der Wettbewerb wird sich durch vermehrte <strong>Ausschreibungen</strong> und dank eines<br />

intensivierten Benchmarkings noch verstärken.<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

Die Wirtschaftlichkeit der Transportunternehmungen hat sich <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

den Ausschreibungsverfahren stark verbessert. So konnte die öV Leistung für die Abgeltung<br />

um rund 10%, resp. real betrachtet um 15% gesteigert werden.<br />

Die Verbesserung des finanziellen Ergebnisses der Transportunternehmungen basiert<br />

nicht nur auf der Realisierung von Kosteneinsparungspotentialen, sondern auch auf<br />

einer Steigerung der Nachfrage. Dabei erwies sich ein effizientes und marktorientiertes<br />

Betriebskonzept als entscheidender Erfolgsfaktor, welcher sowohl die Kosten, als auch<br />

die Erträge massiv beeinflusst.<br />

2 bspw. „Strategieplan öffentlicher Verkehr des Kantons St. Gallen“ (2002)


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Fusionen und Kooperationen spielten hingegen bisher noch keine bedeutende Rolle.<br />

Erkenntnisse: Das pr<strong>im</strong>äre Ziel der öffentlichen Hand, der Abbau der Abgeltung je Angebotskilometer,<br />

wurde erreicht. Der Aufwand für die Ausschreibungsverfahren ist entgegen<br />

den Befürchtungen von einigen Kantonen gerechtfertigt. Opt<strong>im</strong>iert wurde bisher<br />

pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> operativen Geschäft. Um weitere Potentiale zu erschliessen, werden Anstrengungen<br />

auf strategischer Ebene notwendig sein.<br />

Gesamtwürdigung der Resultate<br />

Das pr<strong>im</strong>äre Ziel des Bestellers - mehr öV zum gleichen Preis, oder gleichviel öV zu<br />

einem geringeren Preis – wurde mit der Revision des EBG erreicht. Mehrere Wege führen<br />

zum Ziel:<br />

• indirekter Druck auf die TU durch das jährliche Bestellverfahren mit einem effektiven<br />

Benchmarking und Controlling durch das BAV („virtueller Wettbewerb“),<br />

• direkter Druck auf die TU mittels einem Ausschreibungsverfahren und Einbezug<br />

neuer TU als „ult<strong>im</strong>a Ratio“ („direkter Wettbewerb“).<br />

Daraus ergeben sich für die Transportunternehmungen folgende Konsequenzen:<br />

• die Wirtschaftlichkeit muss konsequent verbessert werden,<br />

• die Fitness für Ausschreibungsverfahren gilt es zu erwerben,<br />

• neue Marktchancen sind proaktiv anzugehen,<br />

• den strategischen Spielraum betreffend Kooperationen gilt es auszunutzen.<br />

3 Erfolgsfaktoren <strong>im</strong> Ausschreibungswettbewerb<br />

Basis für jede Ausschreibung sind die Ausschreibungsunterlagen des Bestellers. Darin<br />

werden sowohl die absoluten Muss-Kriterien, als auch die erwünschten Ziel-Kriterien<br />

festgehalten.<br />

Das Standard-Dominanz-Modell stellt die Erfolgsfaktoren <strong>im</strong> Ausschreibungswettbewerb<br />

bildlich dar und differenziert deren Gewichtung. Unterschieden wird zwischen Standardkriterien<br />

sowie komplementären und dominanten Kriterien.<br />

Die Standardkriterien müssen zwingend erfüllt sein, ansonsten wird die Offerte vom Besteller<br />

nicht angenommen. In den dominanten Kriterien gilt es sich gegenüber den Mitbewerbern<br />

zu differenzieren und die Erwartungen des Bestellers zu übertreffen. Die<br />

komplementären Kriterien unterstützen schliesslich deren Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit.


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Abbildung 5: Dominanz-Standard-Modell für Ausschreibungsverfahren <strong>im</strong> öV<br />

Auflagen des<br />

Bestellers<br />

Formelle<br />

Anforderungen<br />

Jur. Voraussetzungen<br />

Inhaltliche<br />

Anforderungen<br />

Standardkriterien<br />

(müssen zwingend<br />

erfüllt sein)<br />

Dominante<br />

Kriterien<br />

(differenzieren<br />

uns von Konkurrenz)<br />

Komplementäre<br />

Kriterien<br />

(unterstützen die<br />

dominanten Kriterien)<br />

Nutzwertanalyse<br />

Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung an Kühn; Marketing-Analyse und Strategie)<br />

Erfahrungswerte<br />

Leistungsausweis<br />

Ausarbeitung<br />

Offerte<br />

Standardkriterien<br />

Zwingend zu erfüllen sind sämtliche Anforderungen, die der Besteller in der Ausschreibung<br />

definiert. Diese können formeller, juristischer oder inhaltlicher Art sein. Sie umfassen<br />

jedoch auch Auflagen, welche der Besteller aus diversen Überlegungen, oder gestützt<br />

auf Artikel 21 der Ausschreibungsverordnung (ADFV), macht. So beispielsweise<br />

festgelegte Min<strong>im</strong>allöhne, die Übernahme von Personal oder Betriebsmitteln.<br />

Die entsprechenden Kriterien sind zumeist zahlreich. Sie zu erkennen bedarf eines vertieften<br />

Studiums der Ausschreibungsunterlagen sowie einer gewissen Erfahrung <strong>im</strong> Offertwesen.<br />

Wird ein Standardkriterium nicht erfüllt, hat dies den Ausschluss aus dem<br />

Offertverfahren zur Folge.<br />

Dominante Kriterien<br />

Die dominanten Kriterien sind aus der Gewichtung der Faktoren in der Nutzwertanalyse<br />

des Bestellers erkennbar. Erfahrungsgemäss ist der Preis, bzw. das Preis-Leistungs-<br />

Verhältnis, der mit Abstand am stärksten gewichtete Faktor. Dabei gilt es zu beachten,<br />

dass sich dieser aus den geplanten Kosten und den erwarteten Erträgen ergibt. Entsprechende<br />

Benchmarks sind infolge der erhöhten Transparenz in der Zwischenzeit<br />

bekannt und differenzieren je nach Charakter des ausgeschriebenen Netzes.<br />

Trotz der starken Gewichtung des Preises, gilt es auch die übrigen Kriterien in der<br />

Nutzwertanalyse nicht zu vernachlässigen. Dies insbesondere aufgrund der Tatsache,<br />

dass die Differenz zwischen den verschiedenen Offerteinreichern zumeist relativ klein<br />

ist. Zentrale Erfolgsfaktoren sind deshalb oft auch:<br />

• Betriebsführung (Qualitätsmanagement, Störfallmanagement, etc.)<br />

• Fahrzeuge (Alter, Ausstattung)<br />

• Marketing (Konzept, Positionierung, CD/CI, Massnahmen)<br />

• Kundenservice (Distribution, Information, etc.)


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Als weitere dominante Kriterien können Erfahrungswerte aus bisherigen <strong>Ausschreibungen</strong><br />

eingesetzt werden. Ausschlaggebend waren in der Vergangenheit nebst den Kriterien<br />

in der Nutzwertanalyse insbesondere folgende Punkte:<br />

• Fahrzeug-Ausstattung mit Partikelfilter und Kl<strong>im</strong>aanlage (Umwelt, Komfort)<br />

• Zuschlag an Offerteinreicher fördert die Erhaltung des Wettbewerbs<br />

• Kein Verdacht auf Lohndumping<br />

• Aus der Offerte ergeben sich langfristige Vorteile für den Besteller<br />

Aus der Analyse der dominanten Kriterien wird ersichtlich, dass das Thema „Flotte“ ein<br />

zentrales Thema ist. Mittels neuen Fahrzeugen werden nicht nur die laufenden Betriebskosten<br />

gesenkt und der Faktor Preis damit positiv beeinflusst. Neue Fahrzeuge<br />

beeinflussen ebenfalls den Komfort für den Endkunden sowie die Umweltbelastung positiv.<br />

Die Fahrzeuge sind infolge der Abschreibungs- und Zinskosten letztlich aber auch,<br />

nebst dem Personal, der zentrale Kostentreiber der öV Unternehmungen. Innovative<br />

Kooperationsmodelle bei der Fahrzeugsbeschaffung sind deshalb insbesondere für<br />

kleinere Transportunternehmungen wichtig.<br />

Komplementäre Kriterien<br />

Als komplementäres Kriterium sollte der bisherige Leistungsausweis des Managements<br />

eingesetzt werden. Dieser dient der Untermauerung der Glaubwürdigkeit der Offerte.<br />

Die Beschreibung entsprechender Referenzprojekte wird zumeist vom Besteller auch<br />

explizit gewünscht. Sie sind sorgfältig auszuwählen und auf die Bedürfnisse des Bestellers,<br />

sprich auf die dominanten Kriterien auszurichten.<br />

Letztendlich spielt auch die effektive Ausarbeitung und Präsentation der Offerte, d.h. die<br />

visuelle Gestaltung, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Professionelle Unternehmungen<br />

überzeugen mit einer professionell ausgearbeiteten und auf den Empfänger ausgerichteten<br />

Offerte. Dabei gilt es sich jedoch <strong>im</strong>mer innerhalb der vom Besteller vorgegebenen<br />

Leitplanken zu bewegen. Auch hier spielt die Erfahrung <strong>im</strong> Ausschreibungsverfahren<br />

eine nicht zu unterschätzende Rolle. Grosse Unternehmungen haben deshalb<br />

entsprechende Stäbe gebildet, welche sich auf die Arbeiten <strong>im</strong> Offertwesen konzentrieren.<br />

Diese können in den Regionen jeweils starken Support geben.<br />

Ebenfalls wurde die offizielle Übergabe einer Offerte von Transportunternehmungen<br />

bereits entsprechend inszeniert. Dies alles zeigt die emotionale Komponente einer Offertvergabe<br />

für Besteller und Transportunternehmung auf.<br />

Fazit<br />

Die Anforderungen an eine Offerte sind hoch. Zahlreiche Kriterien müssen erfüllt werden.<br />

Das Dominanz-Standard-Modell dient der richtigen Gewichtung der einzelnen<br />

Punkte innerhalb der Offerte. Ein wichtiger “Hebel”, mit Wirkung auf mehrere Faktoren<br />

der Nutzwertanalyse, sind die Fahrzeuge.<br />

Der Preis der Offerte ist zentral, doch nur mit einem günstigen Preis lässt sich keine<br />

Ausschreibung gewinnen. Die Erstellung einer Offerte ist eine umfassende Aufgabe,<br />

welche professionelles Management erfordert. Die Beherrschung des Prozesses des<br />

Offertwesens wird für die Transportunternehmungen zum überlebenswichtigen Erfolgsfaktor.


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Die definitive Preisfestsetzung ist letztlich eine strategische Entscheidung <strong>im</strong> Management.<br />

Sie wird wesentlich durch den Stellenwert des ausgeschriebenen Netzes <strong>im</strong> Gesamt-Firmen-Portfolio<br />

best<strong>im</strong>mt.<br />

4 Konsequenzen für das Management einer öV Unternehmung<br />

Mit der Revision des EBG, dem Wechsel vom Prinzip der Defizitgarantie hin zur Entschädigung<br />

aufgrund der Planrechnung sowie der Liberalisierung des Marktes, haben<br />

sich die Anforderungen an Kaderpersonen in öV Unternehmungen innerhalb eines<br />

Jahrzehnts stark verändert. Strategische Führung sowie Projektmanagement müssen<br />

heute nebst operativer Excellenz und einem erfolgreichen Key Accounting Kernkompetenzen<br />

des öV Managements sein.<br />

Abbildung 6: Konsequenzen für das Management von öV Unternehmungen<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Strategische<br />

Führung<br />

Projekt-<br />

Management<br />

Anforderungen Besteller<br />

Konsequenzen<br />

für öV Mgt.<br />

Operative<br />

Excellenz<br />

Key<br />

Accounting<br />

Markt-, Wettbewerbs- und Umfeldentwicklung<br />

Strategische Führung<br />

In einem dynamischen Umfeld, ist die strategische Führung der Unternehmung zentral.<br />

Die Bedeutung der strategischen Führung nahm deshalb auch für öV Unternehmungen<br />

in den letzten Jahren zu. Abbildung 7 stellt die Elemente der strategischen Führung dar.<br />

Basis für die Definition der Strategie bildet eine umfassende Informationsanalyse (vgl.<br />

auch vorn, Kapitel 1). Nach der Entwicklung sowie der Verabschiedung einer schriftlich<br />

festgehaltenen Unternehmensstrategie ist diese schrittweise zu <strong>im</strong>plementieren. Dabei<br />

sind vorgängig Soll-Ist-Diskrepanzen zwischen dem aktuellen und dem gemäss Strategie<br />

gewünschten Zustand festzuhalten. Ebenfalls gilt es die Dringlichkeit der Umsetzungsprojekte<br />

zu definieren. Entsprechend sind <strong>im</strong> Rahmen der Strategieumsetzung<br />

diejenigen Anpassungen mit einer hohen Diskrepanz und einer hohen Dringlichkeit zuerst<br />

anzugehen.


Abbildung 7: Modell der strategischen Führung<br />

Strategie-Check-<br />

System<br />

Informationsanalyse<br />

Strategieentwicklung<br />

Einführung der<br />

Strategie<br />

Anpassung der<br />

Strategie<br />

Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung an Pümpin; strat. Führung in der Unternehmungspraxis).<br />

Parallel zur Umsetzung der Strategie, muss ein Strategieüberwachungssystem aufgebaut<br />

werden. Dieses dient als Frühwarnsystem und soll zur regelmässigen Überprüfung<br />

und allfälligen Anpassung der Unternehmensstrategie dienen.<br />

Die Analyse der Veränderungen am Markt ist die Daueraufgabe einer effektiven öV Führungskraft.<br />

Ebenfalls gilt es die technische Umwelt sowie die Mitbewerber konstant zu<br />

beobachten. Im Rahmen des dank der Transparenz möglichen Benchmarkings ist die<br />

Position der eigenen Unternehmung gegenüber den Mitbewerbern regelmässig zu prüfen.<br />

Die Megatrends in der Branche müssen ebenso frühzeitig erkannt werden, wie potentielle<br />

<strong>Ausschreibungen</strong>. Dazu empfiehlt sich die Beobachtung des bestehenden eigenen<br />

Marktes, aber auch der direkt angrenzenden Gebiete sowie weitere, strategisch<br />

relevante Märkte.<br />

Zu beachten ist, dass die Implementierung der strategischen Führung Zeit bedarf. Es<br />

empfiehlt sich, diese etappiert und über mehrere Geschäftsjahre in der Unternehmung<br />

zu verankern. Ansonsten droht die Gefahr, dass zwar eine schriftliche Strategie verfasst<br />

wurde, diese jedoch mangels Umsetzung und regelmässiger Überprüfung zur Makulatur<br />

wird.<br />

Operative Excellenz<br />

Nebst der strategischen Führung ist die operative Excellenz ein wichtiger Baustein zur<br />

Verhinderung der Ausschreibung von eigenen Linien.<br />

Sie umfasst eine straffe finanzielle Führung sowie die Erfüllung von definierten Qualitätsstandards.<br />

Permanente Verbesserung der Kostenstruktur sowie eine konsequente<br />

Abschöpfung der Ertragspotentiale ergeben sich dank Innovationen und der Fokussierung<br />

auf die Nachfrage am Markt.<br />

Projektmanagement<br />

Partizipiert die Unternehmung an einer Ausschreibung, so ist professionelles Projektmanagement<br />

Know-how sowie Erfahrung <strong>im</strong> Offertwesen notwendig. Den typischen Ablauf<br />

eines Ausschreibungsverfahrens hat das BAV <strong>im</strong> „Leitfaden für <strong>Ausschreibungen</strong><br />

von Personentransportleistungen <strong>im</strong> öffentlichen Verkehr“ festgehalten (vgl. auch vorn,


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Kapitel 2). Der Prozess innerhalb der Transportunternehmung muss jeweils auf die vom<br />

Besteller vorgegebenen Fristigkeiten abgest<strong>im</strong>mt werden. Der idealtypische Projektprozess<br />

ist in Abbildung 8 dargestellt.<br />

Abbildung 8: Projektablaufplan einer Offerterstellung<br />

Phase<br />

Meilenstein<br />

Anzahl Tage<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Offertanfrage, Beurteilung der<br />

Anfrage und Projektplanung<br />

Offertanfrage<br />

Einladung<br />

alle Abteilungen<br />

Vorbereitung<br />

Sondierungsgespräch<br />

Sondierungsgespräch<br />

+<br />

Einsatz Projektmanagement<br />

Projektplanung<br />

Kick off<br />

Inhaltliche<br />

Erarbeitung (l)<br />

Standorbest<strong>im</strong>mung<br />

No 1<br />

Inhaltliche<br />

Erarbeitung (ll)<br />

Offerterstellung<br />

Standortbest<strong>im</strong>mung<br />

No 2<br />

Finalisierung der<br />

Offerte (lll)<br />

Standortbest<strong>im</strong>mung<br />

No 3:<br />

Klärung offener<br />

Punkte<br />

Schlussredaktion/<br />

Layout/ Grafiken/<br />

Begleitbrief<br />

Offertversand<br />

1 1 3 1 3 1 5 1 5 1 4 1 5 1<br />

9 Tage 24 Tage<br />

Nach der Offertanfrage durch den Besteller ist diese auf Stufe Geschäftsleitung zu behandeln.<br />

Chancen und Gefahren sind in Sondierungsgesprächen zu evaluieren, die<br />

Strategiekonformität ist zu prüfen. Ist die Offerte für die Unternehmung von Interesse, so<br />

gilt es zur effektiven Offerterstellung ein Projektmanagement zu <strong>im</strong>plementieren.<br />

Im Anschluss an den Kick-off der Projektgruppe, folgt die inhaltliche Erarbeitung der<br />

Offerte. Dabei gilt es <strong>im</strong>mer wieder Standortbest<strong>im</strong>mungen auf Stufe Geschäftsleitung,<br />

resp. Lenkungsausschuss des Projektes, vorzunehmen und Strategie-Checks zu unternehmen.<br />

Letztendlich ist die Offerte zu finalisieren und vom Lenkungsausschuss zu genehmigen,<br />

bevor sie in geeigneter Form, gemäss den jeweiligen Vorgaben, be<strong>im</strong> Besteller eingereicht<br />

wird.<br />

Dieser idealtypische Ablauf einer Offerterstellung dauert, inkl. Zeitreserve zur Klärung<br />

von offenen Fragen, rund zwei Monate. Die <strong>im</strong> Projekt benötigten Ressourcen gilt es mit<br />

dem Tagesgeschäft abzust<strong>im</strong>men. Idealerweise sind die Teilprojektleiter ganz oder zumindest<br />

teilweise von den operativen Tätigkeiten zu entbinden. Der Ressourcenbedarf<br />

ist insbesondere während der inhaltlichen Erarbeitung der Offerte gross. Es ist aber offensichtlich,<br />

dass viele der organisatorischen Aufgaben bereits <strong>im</strong> Vorfeld der eigentlichen<br />

Ausschreibung vorbereitet werden können.<br />

Key Accounting<br />

Ebenso wie den Markt und die Mitbewerber, gilt es die Bedürfnisse des Bestellers,<br />

sprich der öffentlichen Hand, dauernd zu verfolgen. Die Strategie der jeweiligen Kantone<br />

muss den öV Managern jederzeit präsent sein.


Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Die öffentliche Hand ist deshalb als Key Account zu bearbeiten. Neue, opt<strong>im</strong>ierte Lösungen<br />

sind zusammen mit ihr zu bearbeiten, eine gemeinsame Strategie ist soweit wie<br />

möglich zu entwickeln. Dies <strong>im</strong> Sinne einer proaktiven Verhinderung von möglichen<br />

<strong>Ausschreibungen</strong>, resp. einer Antizipation der Bedürfnisse bei den für die Unternehmung<br />

relevanten <strong>Ausschreibungen</strong>.<br />

Die Besteller selbst lassen die Ausschreibungsverfahren oft durch externe Büros begleiten.<br />

Diese spielen <strong>im</strong> Rahmen der Offertvergabe eine nicht zu unterschätzende Rolle.<br />

Deshalb gilt es <strong>im</strong> Rahmen eines umfassenden Key Accounting auch diese zu berücksichtigen.<br />

5 Schlussfolgerungen<br />

Die Anforderungen an öV Manager sind mit der Revision des EBG massiv gestiegen.<br />

Genügte früher dank Monopol und Defizitgarantie die Beherrschung des operativen Betriebs,<br />

sind heute zusätzliche strategische und betriebswirtschaftliche Fähigkeiten notwendig.<br />

Folgende Erkenntnisse sind für die Unternehmungen zentral:<br />

• Die öV Unternehmung braucht eine schriftlich formulierte und <strong>im</strong> Verwaltungsrat<br />

verabschiedete Unternehmungsstrategie. Sehr wichtig sind dabei:<br />

die Förderung von Strategieverständnis und Strategiekompetenz in der<br />

Unternehmung,<br />

die Implementierung und Weiterentwicklung der Strategie <strong>im</strong> Sinne der<br />

strategischen Führung,<br />

die Prüfung von Kooperations-Optionen sowie die Möglichkeit Wachstums-Chancen<br />

konsequent zu nutzen,<br />

die Optik „integrierte Bahn/Bus/Gruppe“ (als aktueller Benchmark kann die<br />

Kooperationsstrategie von Thurbo mit BUS Ostschweiz betrachtet werden).<br />

• Die Fitness für Ausschreibungsverfahren muss sich jede Unternehmung aneignen.<br />

Dazu sollte sie:<br />

vergangene <strong>Ausschreibungen</strong> auswerten,<br />

die Bedürfnisse und Strategien der Besteller kennen,<br />

Projektmanagement-Skills sichern,<br />

Marktchancen proaktiv erkennen,<br />

eine geeignete Projektorganisation vorgängig etablieren.<br />

• Die Wirtschaftlichkeit und die Produktivität gilt es konstant zu verbessern. Das<br />

heisst,<br />

eine Kostenstrategie ist zu verfolgen,<br />

die „Entrepreneur-Kompetenz“ gilt es permanent zu erweitern.<br />

Grundsätzlich gilt deshalb für die Unternehmungen in ihrem eigenen Markt, dass die<br />

beste Offerte diejenige ist, welche vom Besteller nie ausgeschrieben wird. Der wichtigste<br />

Beitrag der einzelnen öV-Unternehmung hierzu ist die konsequente Verbesserung<br />

ihrer strategischen, betriebswirtschaftlichen und operativen Leistungsbereitschaft.


Literaturverzeichnis<br />

Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

Bundesamt für Verkehr; Leitfaden für <strong>Ausschreibungen</strong> von Personentransportleistungen<br />

<strong>im</strong> öffentlichen Verkehr; Bern (Version 3.1, 14. April 2003).<br />

Ecoplan; Evaluation EBG 1996; Bern/Altdorf (2005).<br />

<strong>Fischer</strong> <strong>Daniel</strong> und Pfister Damian; Kooperationsstrategien für Unternehmen <strong>im</strong> öffentlichen<br />

Verkehr, in „Jahrbuch der Verkehrswirtschaft 2004/2005“; Institut für öffentliche<br />

Dienstleistungen und Tourismus der Universität St. Gallen; St. Gallen (2005).<br />

Kühn Richard; Marketing-Analyse und Strategie; Zürich (3. Auflage, 1997).<br />

Pümpin Cuno; Strategische Führung in der Unternehmungspraxis, in „Die Orientierung“,<br />

Schweizerische Volksbank; Bern (Nr. 76, 1980).


Abkürzungsverzeichnis<br />

Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong><br />

ADFV Verordnung über Abgeltungen, Darlehen und Finanzhilfen nach Eisenbahngesetz<br />

BAV Bundesamt für Verkehr<br />

CD Corporate Design<br />

CI Corporate Identity<br />

EBG Eisenbahn Gesetz<br />

FinöV Finanzierung öffentlicher Verkehr<br />

GATT General Agreement on Tariffs and Trade (deutsch: allgemeines Zoll- und<br />

Handelsabkommen)<br />

GAV Gesamtarbeitsvertrag<br />

HGV Hochgeschwindigkeits- Verkehr<br />

MIV Motorisierter Individualverkehr<br />

NEAT Neue Alpen-Transversale<br />

NFA Neuer Finanzausgleich<br />

öV Öffentlicher Verkehr<br />

REVO Verordnung über das Rechnungswesen von konzessionierten Transportunternehmungen<br />

SBB Schweizerische Bundesbahnen<br />

TU Transport-Unternehmung<br />

WTO World Trade Organization<br />

ZEB Zukünftige Entwicklung der Bahnprojekte<br />

ZVV Zürcher Verkehrsverbund


Adresse der Autoren<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Fischer</strong> & <strong>Partner</strong><br />

Management & Marketing Consulting<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Fischer</strong>, Dr. oec. HSG<br />

Geschäftsleitender <strong>Partner</strong><br />

Brüggbühlstrasse 32 h<br />

3172 Niederwangen<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Fischer</strong> & <strong>Partner</strong><br />

Management & Marketing Consulting<br />

Michael Hügli, Betriebsökonom FH<br />

Berater<br />

Brüggbühlstrasse 32 h<br />

3172 Niederwangen<br />

Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswirtschaft 2005/2006, IDT-HSG<br />

<strong>Ausschreibungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Regionalverkehr</strong>

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